Alexander Rösler: Würstchensafttrinker Alexander Rösler: Würstchensafttrinker (Vorschau)

Klempner
Im Alter von sechs Jahren blies er seinen ersten Abfluss frei.
Mit acht Jahren sandte er Klopfzeichen per Kupferrohr durch
die Etagen. Mit Zwölf träumte er, winzig und biegsam durch
das Abwasserlabyrinth der Großstadt zu rutschen und Badewannenstöpsel
von innen zu lockern, bis die Brüste badender
Frauen zwischen den Schaumkronen auftauchten. Mit sechzehn
wirbelte er in bürgerlichen Toiletten den Dreck auf und
lernte, Abwässer aus Veddel und Blankenese am Geruch zu unterscheiden.
Heute ist er am liebsten mit den Rohren allein. Ein
dünner, glattgescheitelter Mann der sich von Weizenkleien und
Feigen ernährt und sich wünscht, endlich nicht mehr als helmloser
Bauarbeiter verkannt zu werden. „Alles fließt“, pflegt er
nach getaner Arbeit zum Bauherrn zu sagen und ihn einen Moment
lang mit seinen wasserklaren Augen zu fixieren.
13