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Leseprobe - Hoffen auf das Bessere

Eine virtuos montierte Familiengeschichte, die fast beiläufig und mit genialer Leichtigkeit ein Stück epochaler Zeitgeschichte erzählt: den Zeitwechsel von der Monarchie zur Demokratie. Ungemein reflektierend und perösnlich schildert Sybil Gräfin Schönfeldt, wie sie als Kind in Göttingen, als Studentin in Hamburg und Wien und später als junge Journalistin wie in einem Puzzle die Geschichte ihrer Familie entdeckt - eine vergangene Welt der Schlösser und Paläste, deren Protagonisten versuchen, sich in der neuen Zeit zurechtzufinden. Ein berührendes Zeitengemälde, Das persönlichste Buch einer großen Autorin.

Eine virtuos montierte Familiengeschichte, die fast beiläufig und mit genialer Leichtigkeit ein Stück epochaler Zeitgeschichte erzählt: den Zeitwechsel von der Monarchie zur Demokratie. Ungemein reflektierend und perösnlich schildert Sybil Gräfin Schönfeldt, wie sie als Kind in Göttingen, als Studentin in Hamburg und Wien und später als junge Journalistin wie in einem Puzzle die Geschichte ihrer Familie entdeckt - eine vergangene Welt der Schlösser und Paläste, deren Protagonisten versuchen, sich in der neuen Zeit zurechtzufinden. Ein berührendes Zeitengemälde, Das persönlichste Buch einer großen Autorin.

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ien. Es gab östlich von Wien noch keine Petrochemie, keinen Flughafen,<br />

nur sonnige Weite, Landstraßen von Birnbäumen gesäumt, und<br />

wir saßen am Ufer der Donau zwischen den Ruinen von Carnuntum<br />

und waren römische Söldner, hier stationiert, um die Überfälle der<br />

germanischen Stämme von den nördlichen Ufern des Stroms abzuwehren.<br />

Unten in den Steilhängen unseres Ufers pfiffen die Ziesel,<br />

und wenn wir weiterradelten, bis zum Hainburger Kogel, von dem aus<br />

man weit nach Böhmen und bis Pressburg und Ungarn sehen kann,<br />

stimmten die ungarischen Freunde sehnsuchtsvolle Lieder an: »Lass<br />

den Kopf nicht hängen, sei kein Trauerpferd …« Unten vom Fluss<br />

antworteten die russischen Soldaten, die <strong>auf</strong> ihren Schiffen <strong>das</strong> Dreiländereck<br />

bewachen mussten, mit ihren Sehnsuchtsliedern.<br />

Einer der Studenten nahm mich mit zur Malteser-Suppe. »Kost<br />

nix.« Vorm Rathaus stand eine Baracke, wie ein Rest aus Kriegszeiten,<br />

darin zwei lange nackte Holztische und eine strenge Person, die mit<br />

schallender Stimme Namen <strong>auf</strong>rief: »Herr Habsburg und Herr<br />

Czernin! Einen neuen Suppenkessel aus der Küche holen! Fräulein<br />

Cornaro und Fräulein Hardegg! Suppenteller einsammeln und frische<br />

aus der Küche holen!« Die Suppe war heiß und dick, und wir<br />

saßen eine Weile zusammen, satt und ein bisschen müde, und irgendwer<br />

fragte: »Bist du die Neue? Die Billie? Die Tochter vom Onkel<br />

Carl? Also, ich bin dein …«<br />

Ich, eingebildete Waise seit Kindertagen, war plötzlich umgeben von<br />

Menschen, die sich als meines Vaters Verwandte bezeichneten. Mit<br />

ihm verwandt, mit meiner Urgroßmutter verwandt, untereinander verwandt,<br />

verwandt und zerstritten, verwandt und voller Geschichten von<br />

anderen Verwandten – ich genoss es. Ich vergaß es wieder. »Schau,<br />

dieses Palais am Josefsplatz hat euch einmal gehört. Und im Stadtmuseum<br />

muss ein Bild von deiner Urgroßmutter hängen, falls es dich interessiert<br />

…« Das wäre die nächste Möglichkeit gewesen, Louise Neumann<br />

zu begegnen, aber sie interessierte mich immer noch nicht.<br />

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