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Arbeitsbericht Nr. 33 - Ambulante Hilfe Stuttgart

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Heading<br />

35<br />

jedoch auch die Überbrückung von<br />

Phasen der Mittellosigkeit werden<br />

durch das Sammeln von Pfand finanziert.<br />

Die zunehmende Prekarisierung<br />

von Löhnen und Arbeitsverhältnissen<br />

bewegt viele Menschen dazu sich<br />

gar nicht erst um eine Erwerbsarbeit<br />

zu bewerben, sondern das Sammeln<br />

von Pfand als »vorläufige Lösung«<br />

vorzuziehen. Die Stigmatisierung verschiedener<br />

Gruppen – z.B. ältere Menschen,<br />

Wohnungslose, MigrantInnen,<br />

Menschen mit Behinderung, Langzeitarbeitslose<br />

– und die geringe Bezahlung<br />

im Niedriglohnbereich oder in<br />

Arbeitsmaßnahmen, tun ihr übriges.<br />

Der Arbeitsplatz von PfandsammlerInnen<br />

ist der öffentliche Raum.<br />

Hochfrequentierte Plätze und Orte,<br />

die mitunter auch der Erholung und<br />

Bespaßung dienen, sind die Räume<br />

in denen das Pfandsammeln überwiegend<br />

stattfindet. Die Mercedes-<br />

Benz Arena, der Cannstatter Wasen,<br />

Großveranstaltungen (Feste, Konzerte,<br />

Märkte), der öffentliche Nahverkehr<br />

U-, S-Bahnen und Regionalzüge<br />

sowie Bahnstationen und Bahnhöfe<br />

– zu jeder Jahreszeit und bei jedem<br />

Wetter. Zu den Witterungsverhältnissen<br />

kommt die stetig steigende<br />

Konkurrenz hinzu. Wie beschrieben,<br />

wächst mit zunehmender Armut die<br />

Anzahl der Menschen, die auf Pfandsammeln<br />

als Tätigkeit zurückgreifen,<br />

um ihren Alltag zu bewältigen. Was<br />

eigentlich mit ökologischem Grundgedanken<br />

begann, erweist sich zehn<br />

Jahre später als Rahmen, der es<br />

gesellschaftlich schlechter gestellten<br />

Gruppen aufbürdet, die Funktion der<br />

Putzleute von Großveranstaltungen<br />

und öffentlichem Raum zu übernehmen.<br />

Sowohl beim Frühlingsfest auf<br />

dem Cannstatter Wasen bei erträglichen<br />

Temperaturen, wie auch bei<br />

Minusgraden kurz vor der Winterpause<br />

an der Mercedes-Benz Arena.<br />

Geld fällt nicht vom Himmel und<br />

sozialstaatliche Maßnahmen müssen<br />

finanziert werden. Ebenso fällt jedoch<br />

auch die Armut nicht vom Himmel.<br />

Im Gegenteil, gesellschaftliche Verhältnisse,<br />

welche Menschen dazu<br />

bringen sich mit dem Sammeln von<br />

Leergut einigermaßen über Wasser zu<br />

halten, sind gesellschaftlich gemacht,<br />

geduldet und demnach scheinbar<br />

auch gewollt. Hieran schließt sich nun<br />

die Frage an, ob wir in einer solchen<br />

Gesellschaft leben wollen. Wird PfandsammlerInnen<br />

oft positiv angerechnet,<br />

dass sie eine wichtige Aufgabe<br />

für die Gemeinschaft übernehmen;<br />

das Sauberhalten von öffentlichen<br />

Räumen. Darf auf der Gegenseite<br />

nicht unerwähnt bleiben, dass es<br />

eben diejenigen sind, die die Gemeinschaft<br />

ausgeschlossen hat, sie für<br />

den Arbeitsmarkt als nicht einsetzbar<br />

deklariert und ihre einmal erworbenen<br />

Fähigkeiten als nicht mehr aktuell eingestuft<br />

hat. Gleichzeitig werden diese<br />

Ausgeschlossenen wieder integriert,<br />

ihr Anblick geduldet, wenn sie bereit<br />

sind sich aufs Äußerste flexibel zu<br />

zeigen und den Müll wegzuräumen,<br />

den der Freizeitkonsum als milde<br />

Gabe für sie übrig lässt. Eine Gabe,<br />

die sich um ihrer Mildtätigkeit selbst<br />

betrügt indem sie diese an eine Forderung<br />

knüpft; sich anzupassen und<br />

für die 25 Cents den Weg zum Automaten<br />

auf sich zu nehmen. Nichts ist<br />

umsonst, auch nicht Wohltätigkeit.

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