Arbeitsbericht Nr. 33 - Ambulante Hilfe Stuttgart
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jedoch auch die Überbrückung von<br />
Phasen der Mittellosigkeit werden<br />
durch das Sammeln von Pfand finanziert.<br />
Die zunehmende Prekarisierung<br />
von Löhnen und Arbeitsverhältnissen<br />
bewegt viele Menschen dazu sich<br />
gar nicht erst um eine Erwerbsarbeit<br />
zu bewerben, sondern das Sammeln<br />
von Pfand als »vorläufige Lösung«<br />
vorzuziehen. Die Stigmatisierung verschiedener<br />
Gruppen – z.B. ältere Menschen,<br />
Wohnungslose, MigrantInnen,<br />
Menschen mit Behinderung, Langzeitarbeitslose<br />
– und die geringe Bezahlung<br />
im Niedriglohnbereich oder in<br />
Arbeitsmaßnahmen, tun ihr übriges.<br />
Der Arbeitsplatz von PfandsammlerInnen<br />
ist der öffentliche Raum.<br />
Hochfrequentierte Plätze und Orte,<br />
die mitunter auch der Erholung und<br />
Bespaßung dienen, sind die Räume<br />
in denen das Pfandsammeln überwiegend<br />
stattfindet. Die Mercedes-<br />
Benz Arena, der Cannstatter Wasen,<br />
Großveranstaltungen (Feste, Konzerte,<br />
Märkte), der öffentliche Nahverkehr<br />
U-, S-Bahnen und Regionalzüge<br />
sowie Bahnstationen und Bahnhöfe<br />
– zu jeder Jahreszeit und bei jedem<br />
Wetter. Zu den Witterungsverhältnissen<br />
kommt die stetig steigende<br />
Konkurrenz hinzu. Wie beschrieben,<br />
wächst mit zunehmender Armut die<br />
Anzahl der Menschen, die auf Pfandsammeln<br />
als Tätigkeit zurückgreifen,<br />
um ihren Alltag zu bewältigen. Was<br />
eigentlich mit ökologischem Grundgedanken<br />
begann, erweist sich zehn<br />
Jahre später als Rahmen, der es<br />
gesellschaftlich schlechter gestellten<br />
Gruppen aufbürdet, die Funktion der<br />
Putzleute von Großveranstaltungen<br />
und öffentlichem Raum zu übernehmen.<br />
Sowohl beim Frühlingsfest auf<br />
dem Cannstatter Wasen bei erträglichen<br />
Temperaturen, wie auch bei<br />
Minusgraden kurz vor der Winterpause<br />
an der Mercedes-Benz Arena.<br />
Geld fällt nicht vom Himmel und<br />
sozialstaatliche Maßnahmen müssen<br />
finanziert werden. Ebenso fällt jedoch<br />
auch die Armut nicht vom Himmel.<br />
Im Gegenteil, gesellschaftliche Verhältnisse,<br />
welche Menschen dazu<br />
bringen sich mit dem Sammeln von<br />
Leergut einigermaßen über Wasser zu<br />
halten, sind gesellschaftlich gemacht,<br />
geduldet und demnach scheinbar<br />
auch gewollt. Hieran schließt sich nun<br />
die Frage an, ob wir in einer solchen<br />
Gesellschaft leben wollen. Wird PfandsammlerInnen<br />
oft positiv angerechnet,<br />
dass sie eine wichtige Aufgabe<br />
für die Gemeinschaft übernehmen;<br />
das Sauberhalten von öffentlichen<br />
Räumen. Darf auf der Gegenseite<br />
nicht unerwähnt bleiben, dass es<br />
eben diejenigen sind, die die Gemeinschaft<br />
ausgeschlossen hat, sie für<br />
den Arbeitsmarkt als nicht einsetzbar<br />
deklariert und ihre einmal erworbenen<br />
Fähigkeiten als nicht mehr aktuell eingestuft<br />
hat. Gleichzeitig werden diese<br />
Ausgeschlossenen wieder integriert,<br />
ihr Anblick geduldet, wenn sie bereit<br />
sind sich aufs Äußerste flexibel zu<br />
zeigen und den Müll wegzuräumen,<br />
den der Freizeitkonsum als milde<br />
Gabe für sie übrig lässt. Eine Gabe,<br />
die sich um ihrer Mildtätigkeit selbst<br />
betrügt indem sie diese an eine Forderung<br />
knüpft; sich anzupassen und<br />
für die 25 Cents den Weg zum Automaten<br />
auf sich zu nehmen. Nichts ist<br />
umsonst, auch nicht Wohltätigkeit.