Herunterladen - Ärztekammer Oberösterreich
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Coverstory<br />
Lehrpraxis: Finanzierung im Interesse der Länder<br />
Ein Jahr Praxis in einer allgemeinmedizinischen<br />
Ordination – die so genannte Lehrpraxis<br />
– müsse verpflichtend in die Ausbildung<br />
zur Allgemeinmedizin integriert sein. Diese<br />
langjährige Forderung der <strong>Ärztekammer</strong><br />
scheiterte bis dato an der Finanzierung.<br />
„Wenn die Länder weiterhin flächendeckend<br />
eine allgemeinmedizinische<br />
Versorgung haben<br />
wollen, müssen sie in die<br />
Lehrpraxis investieren“,<br />
stellt Präsident Dr.<br />
Peter Niedermoser<br />
klar.<br />
In vielen europäischen Ländern ist die Lehrpraxis bereits verpflichtend in die<br />
Ausbildung zur Allgemeinmedizin integriert und wird durch die öffentliche<br />
Hand finanziert. „Österreich ist was die Ausbildung zur Allgemeinmedizin<br />
betrifft das Schlusslicht in Europa“, bedauert Niedermoser, „dabei wäre eine<br />
Ausbildung in der allgemeinmedizinischen Praxis sowohl im Hinblick auf<br />
die Berufsvorbereitung notwendig, als auch, um mehr junge Ärztinnen und<br />
Ärzte zum Schritt in die Niederlassung zu bewegen!“ Derzeit<br />
lernen die meisten Turnusärzte den Berufsalltag in<br />
einer allgemeinmedizinischen Praxis nie kennen, weil<br />
der gesamte Turnus im Spital absolviert werden<br />
kann und – mangels Alternativen – auch dort<br />
absolviert wird. „Wer ein Jahr lang die Möglichkeit<br />
hat, sich auf die Anforderungen in der<br />
Praxis vorzubereiten und die Herausforderungen<br />
in einer Ordination kennenzulernen, wird<br />
sich eher für diesen Beruf entscheiden“, ist<br />
Niedermoser überzeugt.<br />
Derzeit entschließen sich viele junge Ärzte,<br />
an den Turnus noch eine Facharztausbildung<br />
anzuhängen und dann im Spital zu bleiben.<br />
Kassenstellen für Allgemeinmedizin sind – vor<br />
allem am Land – immer schwieriger zu besetzen.<br />
„Das Hausarztsystem sichert aber gerade im ländlichen<br />
Raum eine wohnortnahe, flächendeckende gute und dabei<br />
kostengünstige medizinische Versorgung, weshalb ja auch die<br />
Verantwortlichen der Gesundheitsreform immer wieder betonen,<br />
diesen Bereich stärken zu wollen“, sagt Niedermoser.<br />
von 476 auswertbaren Abteilungen. Auch angesichts dieses Ergebnisses<br />
sei nicht nachvollziehbar, warum die Lehrpraxis nicht verpflichtend in den<br />
Turnus integriert wird, so Niedermoser. „Um einen europäischen Standard<br />
zu erreichen, wären pro Jahr rund 15 Millionen Euro notwendig.<br />
Damit könnte man flächendeckend zwölf Monate Lehrpraxis finanzieren.<br />
Bedenkt man, dass die Lehrpraxis das Potenzial hat, den Landärztemangel<br />
abzufedern und die Ausbildung zur Allgemeinmedizin maßgeblich<br />
zu verbessern, ist dies eine sehr gute Investition!“ Das Projekt scheiterte<br />
bis dato an der Finanzierung: Der Bund spielt den Ball an die Länder, die<br />
von einer Finanzierung nichts wissen wollen. „Die Landeshauptleute, die<br />
immer wieder ihre Sorge um die gute medizinische Versorgung kund tun,<br />
könnten das Problem lösen!“, so Niedermoser.<br />
■<br />
Mag. Susanne Sametinger<br />
Präsident Dr. Peter Niedermoser:<br />
„Österreich ist was die die Ausbildung<br />
zur Allgemeinmedizin betrifft das<br />
Schlusslicht in Europa!“<br />
ÖÄK-Präsident Dr. Artur Wechselberger:<br />
„Lehrpraxis vermittelt spezifische<br />
Kenntnisse, die im Spital nicht<br />
vermittelt werden können.“<br />
So beurteile ich die Qualität der Ausbildung der Turnusärzte in der Lehrpraxis insgesamt (nach Schulnoten):<br />
0 % 10 % 20 % 30 % 40 % 50 % 60 % 70 % 80 % 90 % 100%<br />
sehr gut<br />
72,7 16,7 2,3<br />
gut befriedigend genügend nicht genügend<br />
Grafik: Turnusevaluierung, Stand Mai 2013 (Ärztliches Qualitätszentrum)<br />
© Fotolia.de<br />
Auch ÖÄK-Präsident Dr. Artur Wechselberger hält eine einjährige<br />
öffentlich finanzierte Ausbildung in einer Lehrpraxis für einen unverzichtbaren<br />
Bestandteil einer Ausbildungsreform: „Der im Wesentlichen auf<br />
eine bloße Verlängerung der Ausbildung im Spital abzielende Entwurf<br />
einer neuen Ausbildungsordnung des Gesundheitsministers bringt<br />
keinen Qualitätsgewinn, sondern verstärkt die substanziellen<br />
Schwächen der spitalslastigen Ausbildung angehender Hausärzte.<br />
Allgemeinmediziner können ihr Spezialgebiet nur in<br />
Ordinationen erlernen, in denen das breite Spektrum<br />
des Faches praktiziert wird. Es handelt sich um<br />
spezifische Kenntnisse und Fertigkeiten, die in einer<br />
hochspezialisierten Spitalsabteilung nicht vermittelt<br />
werden können“, so Wechselberger.<br />
Mit den derzeitigen Förderungen des Gesundheitsministeriums<br />
sind nur für einige wenige<br />
Jungärzte ein paar Monate Lehrpraxis möglich.<br />
Jene, die die Chance haben, ein paar Monate<br />
ihrer Ausbildung in einer Lehrpraxis zu verbringen,<br />
beurteilen sie überwiegend sehr gut, wie die<br />
österreichweit laufende kontinuierliche Turnusevaluierung<br />
des Ärztlichen Qualitätszentrums<br />
zeigt. Im Vergleich mit den Abteilungen liegen<br />
die Lehrpraxen mit einer Gesamtbewertung von<br />
1,44 nach Schulnotensystem auf Platz 13 »<br />
Lehrpraxis lohnt sich<br />
Eine verpflichtende Lehrpraxis wäre<br />
enorm wichtig: Sie bereitet nicht nur<br />
auf die speziellen Anforderung an<br />
die Allgemeinmedizin vor, sondern<br />
gibt vor allem auch Einblick in<br />
den Praxisalltag. Wer diesen selbst<br />
erlebt hat, wer weiß, wie herausfordernd<br />
und erfüllend der Beruf des<br />
Allgemeinmediziners sein kann, wird<br />
sich eher für diesen Beruf entscheiden,<br />
als jemand, der den Arztberuf<br />
ausschließlich aus der Perspektive<br />
des Spitalsarztes kennenlernt. Der<br />
STANDPUNKT<br />
Turnusärztevertreterin Dr. Doris Müller<br />
Hauptverband der Sozialversicherungen<br />
und die Landeshauptleute täten<br />
also gut daran, die Finanzierung<br />
endlich in die Hand zu nehmen. Die<br />
15 Millionen Euro, die notwendig<br />
wären, um eine einjährige Lehrpraxis<br />
flächendeckend zu finanzieren, würden<br />
sich doppelt lohnen: Der Entschluss,<br />
eine allgemeinmedizinische<br />
Praxis zu eröffnen, wäre für viele<br />
Jungärzte leichter. Was sich wiederum<br />
positiv auf die Versorgung auswirken<br />
würde, denn die Allgemeinmedizin<br />
ist die Basis jedes guten Gesundheitssystems.<br />
Steht sie ausreichend zur<br />
Verfügung, bringt das nicht nur mehr<br />
Versorgungsqualität sondern spart<br />
auch Kosten.<br />
■<br />
Dr. Doris Müller<br />
Turnusärztevertreterin<br />
6 OÖ ÄRZTE | Juni 2013<br />
OÖ ÄRZTE | Juni 2013 7