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MANN IM SPIEGEL - Amt für kirchliche Dienste

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Liebe Leserinnen und Leser,<br />

vor ein paar Tagen lag wieder eine Reklame-Zeitung in unserem Briefkasten. Ich konnte<br />

nicht widerstehen und habe in dem bunten Heftchen geblättert. Darin fand ich einen<br />

Artikel, in dem der Verfasser die deutsche Erinnerungskultur kritisch unter die Lupe<br />

nimmt. Ihm geht es u. a. um die vielen Gedenktage, in denen man Ereignisse und Personen<br />

der Vergangenheit in Erinnerung ruft. Vor 70 Jahren der Untergang der 6. Armee<br />

in Stalingrad mit einer Million toter Soldaten und Zivilisten auf russischer und deutscher<br />

Seite. Oder die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, auch hier ein schrecklicher<br />

Ort grauenhaften Sterbens von Millionen jüdischer Menschen.<br />

Der Verfasser des Artikels in dem Reklameheft hat sich nicht gegen das Gedenken an die<br />

tragischen Geschehnisse ausgesprochen, aber – so habe ich es jedenfalls verstanden –<br />

kritisch anmerken wollen, dass nun, nach so vielen Jahren und Jahrzehnten, der Blick<br />

vielmehr nach vorn, in die Zukunft gerichtet werden müsse. Etwas überspitzt ausgedrückt:<br />

Die – in meinen Worten – „ewige“ Erinnerung an die Schrecken der Vergangenheit lähmt<br />

die Kraft, sich den Probleme der Gegenwart und Zukunft intensiv und wirkungsvoll zu<br />

stellen.<br />

Als ich den Artikel im Reklameheft las, hatte mich gerade auch wieder eine tragische Erinnerung<br />

beschäftigt: In meinem Kalender stand am 22. Februar der kleingedruckte Vermerk<br />

„1943 Geschwister Hans und Sophie Scholl hingerichtet“. Seit meiner Jugend<br />

sind mir die Namen der beiden geläufig. Viele Schulen in Deutschland sind nach ihnen<br />

benannt worden. Beide deutsche Staaten haben diesen beiden jungen Menschen Briefmarken<br />

gewidmet.<br />

Wer waren Sophie und Hans Scholl? Gemeinsam mit Christoph Probst, Alexander<br />

Schmorell, Willi Graf und Prof. Kurt Huber – Studenten, junge Soldaten und ein Professor<br />

– haben sie Flugblätter an belebten Stellen niedergelegt oder per Post versandt: die<br />

Morde an den Juden und an der Zivilbevölkerung im östlichen Europa, deren Augenzeugen<br />

sie wurden, der verlustreiche Krieg mit dem gewaltsamen Tod gerade der vielen jungen<br />

Menschen, die Diktatur mit ihrer Willkür… Ein Hausmeister überraschte Hans und<br />

Sophie Scholl, als sie Flugblätter in den Lichthof der Münchner Universität fallen ließen.<br />

Er konnte die beiden festhalten und mit Hilfe anderer an die Geheime Staatspolizei, die<br />

ge<strong>für</strong>chtete „Gestapo“ ausliefern. Der „Volksgerichtshof“ unter dem Vorsitz des „Blutrichters“<br />

Roland Freisler verurteilte die jungen Geschwister zum Tode, noch am selben<br />

Tag starben sie unter dem Fallbeil in München-Stadelheim. Das schreckliche Ende der<br />

„Weißen Rose“, das auch die anderen Weggefährten ereilte…<br />

Der Hausmeister hieß Jakob Schmid. Er wurde belobigt und bekam eine Geldprämie.<br />

Drei Tage nach der Besetzung Münchens durch die Amerikaner wurde er festgenommen<br />

und zu fünf Jahren Haft verurteilt. Er stellte mehrere Gnadengesuche und begründete sie<br />

mit dem Hinweis, er habe „ja nur seine Pflicht erfüllt“. Er starb 1964 im Alter von 78<br />

Jahren.<br />

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