Folien zum Vortrag “Neue Morbidität” im Kindes- und Jugendalter ...
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<strong>“Neue</strong> <strong>Morbidität”</strong><br />
<strong>im</strong> <strong>Kindes</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendalter</strong>:<br />
Thesen zur Pathogenese<br />
<strong>und</strong> Folgerungen für Prävention<br />
<strong>und</strong> Intervention<br />
Hans G. Schlack, Bonn
Aktuelle Ges<strong>und</strong>heitsprobleme <strong>im</strong> <strong>Kindes</strong>- <strong>und</strong><br />
<strong>Jugendalter</strong> mit epidemischem Charakter<br />
(“New epidemics”, <strong>“Neue</strong> <strong>Morbidität”</strong>) …<br />
… sind komplexe chronische Störungen, die<br />
Symptome in mehreren Funktionsbereichen nach<br />
sich ziehen; dazu gehören insbesondere<br />
* Störungen des Verhaltens <strong>und</strong> der Emotionalität,<br />
* funktionelle Entwicklungsstörungen (Sprache,<br />
Motorik, kognitives Leistungsvermögen)<br />
* Adipositas; Essstörungen<br />
* Substanzmissbrauch (v.a. Alkohol) <strong>und</strong> Sucht
Der Wandel des Krankheitsspektrums <strong>im</strong><br />
<strong>Kindes</strong>- <strong>und</strong> <strong>Jugendalter</strong> drückt sich auch in<br />
der Sozial-Epidemiologie aus.<br />
„Neue Morbidität“ bedeutet<br />
• Verschiebung von den pr<strong>im</strong>är körperlichen<br />
Krankheiten zu den Störungen der<br />
psychischen <strong>und</strong> funktionellen Entwicklung<br />
sowie zu den verhaltensabhängigen<br />
körperlichen Erkrankungen<br />
• Verschiebung von den akuten zu den<br />
chronischen Krankheiten<br />
• Zunahme des „sozialen Gradienten“
„Neu“ sind nicht die Störungsbilder,<br />
sondern ihre epidemische Häufung<br />
Ihre Abhängigkeit von sozialen<br />
Lebensumständen <strong>und</strong> ihre Beziehung<br />
zu anderen Problembereichen <strong>im</strong><br />
<strong>Kindes</strong>alter ist evident.
Sozialer Gradient (RR) zwischen oberer <strong>und</strong><br />
unterer Sozialschicht bei psychischen<br />
Entwicklungs- <strong>und</strong> Verhaltensstörungen,<br />
Deutschland (KiGGS, 2007)<br />
Gesamt-Problemwert nach SDQ<br />
(Emotionale Störungen, Hyperaktivität, soziale<br />
Probleme, Erziehungsschwierigkeiten),<br />
Beurteilung als “auffällig” durch Eltern<br />
Alter Obere Untere Gradient<br />
Sozialschicht<br />
3-17 J. 3,5 % 12,2 % 3,48
Adipositas bei Kindern <strong>und</strong> Jugendlichen<br />
in Abhängigkeit von der Sozialschicht<br />
Deutschland (KiGGS), 2007<br />
Alter hohe niedrige Gradient<br />
Sozialschicht<br />
7-10 J. 3,0% 9,8% 3,26<br />
11-13 J. 3,6% 12,0% 3,33<br />
14-17 J. 5,2% 14,0% 2,69<br />
Adipositas ist signifikant korreliert mit hohem Konsum<br />
elektronischer Medien <strong>und</strong> mit geringer körperlichsportlicher<br />
Aktivität
Abhängigkeit der intellektuellen Entwicklung<br />
vom sozioökonomischen Status<br />
(Sameroff u. Seifer, USA, 1983)
Sozio-ökonomischer Status<br />
Der sozio-ökonomische Status (engl. socioeconomic<br />
status, SES) ist ein semiquantitativer<br />
Score, gebildet aus Kriterien der schulischen/<br />
beruflichen Bildung der Eltern <strong>und</strong> des Familien-<br />
Einkommens.<br />
Ein niedriger SES ist mit einer statistischen<br />
Häufung psychischer Problemlagen <strong>und</strong> mit<br />
einem hohen Risiko negativer Einflüsse auf<br />
Familienkl<strong>im</strong>a, Erziehungsverhalten <strong>und</strong><br />
Interaktionsweisen verb<strong>und</strong>en.
Der sozio-ökonomische Status<br />
best<strong>im</strong>mt die Entwicklung von<br />
Kindern weit mehr als biologische<br />
(prä- <strong>und</strong> perinatale) Risikofaktoren<br />
<strong>und</strong> hat sich in allen Entwicklungsstudien<br />
als die wichtigste Variable<br />
erwiesen (Largo 2000).
Zusammenhang von Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Entwicklung<br />
Erfüllung körperlicher<br />
Gr<strong>und</strong>bedürfnisse<br />
(derzeit weitgehend<br />
gew ährleistet)<br />
Erfüllung psychischer<br />
Gr<strong>und</strong>bedürfnisse<br />
(derzeit nicht ausreichend<br />
gew ährleistet)<br />
Körperliche<br />
Ges<strong>und</strong>heit<br />
Seelische<br />
Ges<strong>und</strong>heit<br />
Ausschöpfung des individuellen<br />
Entwicklungspotenzials,<br />
Erfüllung von Entwicklungsaufgaben
Ges<strong>und</strong>heit ist...<br />
• das Resultat eines dynamischen Gleichgewichts<br />
von ges<strong>und</strong> erhaltenden <strong>und</strong> krank<br />
machenden Faktoren,<br />
• in einer materiell gut ausgestatteten Gesellschaft<br />
überwiegend vom “psychischen <strong>und</strong><br />
sozialen Wohlbefinden” (WHO-Definition)<br />
best<strong>im</strong>mt,<br />
• das Ergebnis aktiver Eigenleistung <strong>und</strong><br />
Kompetenz des Individuums, die ihrerseits von<br />
der Erfüllung definierbarer Gr<strong>und</strong>bedürfnisse<br />
abhängen (Salutogenese-Konzept),<br />
• die Voraussetzung für die Ausschöpfung des<br />
individuellen Entwicklungspotenzials.
Psychische Ges<strong>und</strong>heit von Kindern<br />
Strukturen für Prävention <strong>und</strong> Intervention (1)<br />
Frühförderung :<br />
sek<strong>und</strong>ärpräventive Maßnahme;<br />
medizinisch (SPZ) <strong>und</strong> pädagogisch<br />
orientiert mit konvergenten Konzepten;<br />
dominierender Anteil der soziogen<br />
bedingten Entwicklungsstörungen;<br />
unzulänglich geregelte Mischfinanzierung<br />
nach SGB IX
Psychische Ges<strong>und</strong>heit von Kindern<br />
Strukturen für Prävention <strong>und</strong> Intervention (2)<br />
Therapien<br />
Medikamente, Heilmittel,<br />
Psychotherapie<br />
Finanzierung nach SGB V<br />
Pädagogische Maßnahmen<br />
z.B. bei Legasthenie, Dyskalkulie<br />
Finanzierung u.U. über SGB VIII
Psychische Ges<strong>und</strong>heit von Kindern<br />
Strukturen für Prävention <strong>und</strong> Intervention (3)<br />
Frühe Hilfen:<br />
pr<strong>im</strong>ärpräventiver Ansatz;<br />
noch <strong>im</strong> Aufbau, nicht flächen- <strong>und</strong><br />
bedarfsdeckend;<br />
heterogene Konzepte;<br />
Finanzierung durch öffentliche<br />
Haushalte <strong>und</strong> Projektmittel.
Ohne Mitwirkung der Kinder- <strong>und</strong><br />
Jugendärzte in den Praxen wird eine<br />
bedarfs- <strong>und</strong> flächendeckende pr<strong>im</strong>äre<br />
Prävention von Störungen der<br />
psychischen Ges<strong>und</strong>heit nicht gelingen<br />
Voraussetzungen:<br />
• Einsicht in die epidemiologische<br />
Notwendigkeit<br />
•Regelung der Vergütung<br />
• entsprechende Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung
Wichtige Elemente sozialpädiatrischer<br />
Kompetenz<br />
• Anteilnehmendes Interesse an den aktuellen<br />
Lebensbedingungen des einzelnen <strong>Kindes</strong><br />
• Systemische Denkweise; offenes Ohr <strong>und</strong><br />
offenes Auge für elterliche Belastungen <strong>und</strong><br />
psychosoziale Risiken<br />
• Enwicklungspädiatrische Kompetenz<br />
• Transkulturelle Kompetenz
Gr<strong>und</strong>satz:<br />
Persönliche, individuelle ärztliche<br />
Beratung auf der Gr<strong>und</strong>lage einer guten,<br />
akzeptierenden Arzt-Eltern-Beziehung<br />
hat nachweislich den größten Effekt.<br />
Damit können auch “Problemfamilien”<br />
erreicht <strong>und</strong> evt. für weitergehende<br />
Maßnahmen (Kurse) motiviert werden.
Vorausschauende Beratung <strong>im</strong><br />
individuellen Arzt-Eltern-Gespräch<br />
einerseits <strong>und</strong> in einem Elternkurs<br />
andererseits unterscheidet sich weniger<br />
in den Themen als vielmehr in der<br />
Organisation, der Ausführlichkeit, der<br />
Standardisierung <strong>und</strong> in der Ökonomie<br />
des Arbeitsaufwands für den Arzt.
Vorausschauende Beratung,<br />
inhaltliche Aspekte (1)<br />
Das Kind <strong>und</strong> seine Bezugsperson(en) müssen<br />
als ein verb<strong>und</strong>enes System gesehen <strong>und</strong><br />
verstanden werden: Wenn es der Bezugsperson<br />
nicht ausreichend gut geht, sind die Voraussetzungen<br />
für sichere Bindung schlecht.<br />
Bedeutung der Eltern-Arzt-Beziehung: Eltern,<br />
die sich kritisiert oder abgelehnt fühlen, nehmen<br />
oft keinen Rat an.<br />
Nach Symptomen von Regulationsstörungen<br />
fragen! Eltern auf häufige Probleme vorbereiten.
Vorausschauende Beratung,<br />
inhaltliche Aspekte (2)<br />
Psychische Stabilität ist die Gr<strong>und</strong>lage nicht nur<br />
für die psychische, sondern auch für die<br />
körperliche Ges<strong>und</strong>heit <strong>und</strong> Entwicklung.<br />
Essentielle Gr<strong>und</strong>bedürfnisse des <strong>Kindes</strong> sind:<br />
* Sicherheit <strong>und</strong> Geborgenheit,<br />
* liebevolle Zuwendung,<br />
* Verlässlichkeit <strong>und</strong> Berechenbarkeit des<br />
sozialen Umfelds,<br />
* Erfahrung eigener Kompetenz durch richtig<br />
dosierte Herausforderungen.
Vorausschauende Beratung,<br />
inhaltliche Aspekte (3)<br />
Beratung über Bedeutung <strong>und</strong> normale Entwicklung<br />
des Spiels, über alters- <strong>und</strong><br />
entwicklungsadäquates <strong>und</strong> über ungeeignetes<br />
Spielzeug.<br />
Kinder nicht “bespielen”, sondern Raum geben<br />
für die Eigenaktivität des <strong>Kindes</strong>.<br />
Kein Fernsehen vor dem 3. Lebensjahr!<br />
Richtige <strong>und</strong> falsche Reizangebote
Vorausschauende Beratung,<br />
inhaltliche Aspekte (4)<br />
Nicht zu vergessen die “klassischen” Themen:<br />
* Ernährung, Stillen; Vitamin D, Fluorid<br />
* Impfung, Infektionsprophylaxe<br />
* Passivrauchen<br />
* SIDS- <strong>und</strong> Unfallprävention<br />
* M<strong>und</strong>hygiene, Kariesprophylaxe<br />
* Allergie-Prävention<br />
* Schlaf, Bettbeschaffenheit
Vielen Dank fürs Zuhören!