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Predigt zum Ostermontag (01.04.2013) - Diakonie Neuendettelsau

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<strong>Predigt</strong> <strong>zum</strong> <strong>Ostermontag</strong> (<strong>01.04.2013</strong>) über Jesaja 25, 6 - 9 von Pfarrerin<br />

Karin Goetz<br />

Liebe Gemeinde,<br />

„Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“<br />

Das Wort der Jahreslosung richtet unseren Blick nach vorn,<br />

lässt aber offen, was wir in der zukünftigen Stadt erwarten können.<br />

Die Bibel hat für diese zukünftige Stadt verschiedene Namen:<br />

neues Jerusalem, Berg Zion, Königsherrschaft Gottes, Reich Gottes<br />

oder schlicht, wie wir gern sagen: Himmel.<br />

Die Bibel bietet uns verschiedene Bilder an, mit denen sie beschreibt,<br />

wie es im Reich Gottes zugeht, was für das Leben im neuen Jerusalem gilt.<br />

Eines der Bilder mit der stärksten Wirkungsgeschichte finden wir im Buch<br />

der Propheten Jesaja, im Kapitel 25.<br />

Im Kapitel zuvor wird der Herrschaftsantritt Gottes angekündigt:<br />

Nachdem der Herr der Heerscharen alle konkurrierenden Mächte im Himmel und<br />

auf Erden entmachtet hat, wird er seine Königsherrschaft auf dem Berg Zion antreten.<br />

Was auf die Thronbesteigung folgen wird, lesen wir in Jesaja 25, in den<br />

Versen 6 bis 9.<br />

Herr, dein Wort ist unseres Fußes Leuchte und ein Licht auf unserem Weg. Amen.<br />

Zum Auftakt seiner Königsherrschaft richtet Gott ein Festmahl aus:<br />

Ein opulentes Mahl mit erlesenen Speisen und guten, reinen Weinen.<br />

Für uns mehrheitlich übergewichtige Wohlstandsbürger,<br />

die wir in den Supermärkten gerne zu kalorien-, fett- und zuckerreduzierten<br />

Light - Produkten greifen, mag die Einladung zu fetten und markigen Speisen<br />

nicht sehr verlockend klingen.<br />

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Aber die Aussageabsicht ist klar und besonders die Jüngeren werden sie sofort<br />

verstehen:<br />

Mit Gott kann man fett feiern.<br />

Gott will seinen Gästen groß auftischen.<br />

Und wo das Beste auf den Tisch kommt,<br />

da braucht es keine künstlichen Aromastoffe oder Geschmacksverstärker.<br />

Überraschend ist, dass die Einladung zu diesem Festschmaus<br />

nicht auf einen auserwählten Personenkreis und nicht auf Israel beschränkt ist.<br />

Die Einladung ergeht an alle Völker.<br />

Bei seinem Mahl auf dem Zion führt Gott Israel und die Völker zusammen:<br />

Mit der Mahlgemeinschaft werden die Völker in die Gottesgemeinschaft aufgenommen.<br />

Sie erhalten Anteil an der Gottesbeziehung, die bislang exklusiv für<br />

Israel galt.<br />

Und im Gegenzug wird die Aussonderung Israels aufgehoben,<br />

die Aussonderung, die mitursächlich war für die vielen Erfahrungen<br />

der Gewalt, der Vertreibung und der Schmach.<br />

Wenn Gott zu Tisch lädt, werden nicht nur materielle Güter – Speis und Trank –<br />

serviert, sondern auch geistige und geistliche Nahrung angeboten:<br />

allem voran Selbsterkenntnis und Gotteserkenntnis.<br />

Wo reiner Wein eingeschenkt wird, fällt es einem wie Schuppen von den Augen.<br />

Die Beseitigung der Decken und Hüllen meint,<br />

dass die Menschen jetzt die Wahrheit erkennen, über sich und über Gott.<br />

Das inklusive Festmahl zur Feier von Gottes Herrschaftsantritt ist das Zeichen,<br />

dass die Zeit der Blindheit, des Ausgeschlossenseins, der Gewalt<br />

und der Schmach für alle Menschen vorüber ist.<br />

Die Freude über die Teilhabe an der Fülle ist ungetrübt,<br />

weil Gott auch den letzten Feind besiegt, den Tod,<br />

der wie ein Damoklesschwert über jedem Leben hängt und alles bedroht.<br />

Solange das Todesgeschick nicht aufgehoben ist,<br />

können auch Angst und Leid kein Ende nehmen.<br />

Wenn aber Gott alles in allem ist<br />

und seine Herrschaft universal und uneingeschränkt durchsetzt,<br />

dann muss auch der Tod verschwinden.<br />

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Dann kann es keinen Tod mehr geben.<br />

Die Vernichtung des Todes ist für sich allein aber noch nicht die Vollendung der<br />

Seligkeit, denn die Wunden, die der Tod bereits geschlagen hat, heilen nicht so<br />

leicht.<br />

Die Trauer und der Schmerz wirken fort<br />

und lassen die Herzen nicht zur Ruhe kommen.<br />

Und so gehört <strong>zum</strong> Anbruch der Gottesherrschaft eben auch,<br />

dass Gott unsere Tränen trocknet.<br />

Für mich ist das die schönste Szene in diesem Festmahlsgemälde.<br />

Gott, der Allmächtige, lässt sich die Tränen jedes einzelnen Menschen zu Herzen<br />

gehen. Und darum geht er von Stuhl zu Stuhl, von Angesicht zu Angesicht, um<br />

Tränen abzuwischen und zu trösten.<br />

Das Abwischen der Tränen - diese zarte, anrührende Geste,<br />

die Nähe, Zuwendung und Anteilnahme vermittelt –<br />

diese Geste des Trostes wird jedes Antlitz berühren. Deines und auch meines.<br />

Wenn wir am Schluss des Gottesdienstes mit dem aaronitischen Segen entlassen<br />

werden, …der Herr lasse sein Angesicht leuchten über euch,<br />

der Herr erhebe sein Angesicht auf euch…,<br />

dann spüre ich jedes Mal einen kleinen Vorgeschmack von diesem Abwischen der<br />

Tränen bereits jetzt.<br />

Das Völkermahl auf dem Zion,<br />

die Aufhebung von Verblendung, Gewalt und Schmach,<br />

die Vernichtung des Todes und das Abwischen der Tränen –<br />

es ist eine schöne Vision, die Jesaja da zeichnet.<br />

Wenn wir in den Nachrichten Berichte hören über die Lage in Israel, in Syrien, im<br />

Irak oder in Nordkorea, dann spüren wir schmerzlich, wie weit entfernt wir von<br />

diesem versöhnten Miteinander der Völker noch sind.<br />

Der Hass, die Gewalt und das Sterben sind allgegenwärtig.<br />

Und die Tränen sind es auch.<br />

Es gibt Worte in der Bibel, die warten müssen, bis ihre Stunde kommt.<br />

Die Worte aus Jesaja 25 gehören dazu.<br />

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Aber es ist nicht nur ein Warten.<br />

Es ist nicht nur Zukunftsmusik, die wir hören.<br />

Sie kennen die Bilder von Jesaja 25 aus dem Neuen Testament.<br />

Sie kennen sie von Jesus, vom Apostel Paulus und aus der Offenbarung des Johannes.<br />

In der Evangelienlesung haben wir vorhin gehört, wie Jesus den Jüngern auf dem<br />

Weg nach Emmaus die Schrift auslegte, angefangen bei Mose und allen Propheten.<br />

Ich kann mir gut vorstellen, dass auch unser heutiger <strong>Predigt</strong>text zu diesen Worten<br />

gehörte, die Jesus ihnen erklärte.<br />

Jesus lebte aus diesem Text:<br />

Auch Jesus fasste in seinen Gleichnissen das Gottesreich ins Bild eines großen<br />

festlichen Essens.<br />

Wenn er mit Zöllnern und Sündern am Tisch saß, demonstrierte er provokativ,<br />

dass Gottes Mahlgemeinschaft inklusiv ist:<br />

offen für alle, die der Einladung folgen.<br />

Und selbst bei der Feier seines letzten Passafestes, am Gründonnerstag, bei der<br />

Einsetzung des Abendmahls, war keiner ausgeschlossen:<br />

weder Judas, der ihn verraten sollte, noch Petrus, der ihn verleugnen würde.<br />

Wenn wir miteinander Abendmahl feiern,<br />

- und mir wurde gesagt, dass in dieser Kirche oft Abendmahl gefeiert wird –<br />

dann ist das auch ein Vorgeschmack auf das endzeitliche Versöhnungsmahl auf<br />

dem Zion.<br />

Jesus hat nicht nur die Symbolik der Mahlgemeinschaft aufgegriffen.<br />

In seinen <strong>Predigt</strong>en und Streitgesprächen versuchte Jesus, seinen Gesprächspartnern<br />

die Hülle wegzunehmen, die sie an der Selbst- und Gotteserkenntnis hinderte.<br />

Sein ganzes Handeln war ein Handeln gegen den Tod:<br />

- Er hat Kranke geheilt.<br />

- Er hat Menschen, die aus der Gesellschaft ausgeschlossen waren,<br />

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Wertschätzung gezeigt und ihnen Teilhabe ermöglicht.<br />

- Er hat sich von den Tränen anderer anrühren lassen, hat geholfen und getröstet<br />

und manches Mal auch mitgeweint.<br />

An Ostern feiern wir, dass Gott Jesu Reden und Handeln bestätigt hat, dass Gott<br />

seinem gewaltsamen Tod widersprochen hat, indem er ihn nicht im Tod beließ,<br />

sondern auferweckt hat.<br />

Die Auferweckung Jesu von den Toten ist das Zeichen, das uns die Hülle von unserem<br />

Angesicht wegnehmen will, das uns Hoffnung und Trost geben will.<br />

Was Gott im Wort des Propheten ankündigte, hat er in Christus bestätigt<br />

und er fährt fort, es zu tun.<br />

Die Vision des Jesaja und das Zeugnis von Jesu Leben, Sterben und Auferstehen<br />

zeigen uns die Richtung, in die Gott die Geschichte lenken möchte.<br />

Ziel ist ein neues Leben in ungestörter Gemeinschaft mit Gott und zwischen den<br />

Menschen und Völkern.<br />

Manchmal haben wir den Eindruck, wir folgen einem Wunschtraum.<br />

Der Tod ist noch längst nicht verschlungen.<br />

Noch verschlingt der Tod uns.<br />

Noch reicht die Macht des Todes weit in unser Leben hinein.<br />

Dazu brauchen wir den Blick gar nicht ins Ausland zu richten, in den nahen oder<br />

fernen Osten.<br />

Dazu genügt ein Blick auf unser eigenes Leben und unser persönliches Umfeld.<br />

Unter uns sind Personen, die um einen geliebten Menschen trauern, die ihren<br />

Vater, ihre Schwester, ihren Partner verloren haben.<br />

Unter uns sitzen Menschen, deren Leben durch eine Krankheit eingeschränkt ist,<br />

Menschen, die mit fortschreitendem Alter das kleiner Werden von Lebensräumen<br />

spüren und darunter leiden.<br />

Wir haben Bekannte, die Tag für Tag mit einem Kloß im Hals zur Arbeit gehen,<br />

weil sie die Drohgebärden ihres Arbeitgebers oder die Intrigen ihrer Kollegen<br />

fürchten.<br />

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Wir hören von Schülern, die sich missachtet und übergangen fühlen.<br />

Wir kennen Nachbarn, die sich das Leben zur Hölle machen.<br />

Wir wissen von Familien, wo man kein Wort mehr füreinander übrig hat, wo man<br />

am selben Tisch beziehungslos nebeneinander sitzt.<br />

Der Tod hat viele Gesichter.<br />

Er ist nicht erst am Ende eines Lebens am Werk, wenn es gilt, Abschied zu nehmen<br />

von dieser Welt.<br />

Der Tod ist bereits am Werk,<br />

- wo das Leben beeinträchtigt ist,<br />

- wo Lebensmöglichkeiten eingeschränkt und verloren sind,<br />

- wo das Wohlergehen gemindert und<br />

- die Gemeinschaft mit Gott und den Menschen gestört ist.<br />

Wir alle kennen die vielen kleinen Tode, die wir in unserem Leben sterben.<br />

Von einer Entmachtung, von der Überwindung des Todes kann noch längst nicht<br />

die Rede sein.<br />

Noch stehen wir - so wie Jesus - Tag für Tag in einem Kampf gegen die verschiedenen<br />

Erscheinungsformen des Todes, gegen die spektakulären genauso wie<br />

gegen die subtilen Feinde des Lebens.<br />

Das ist Nachfolge.<br />

Die Kraft für diesen Kampf geht, wie Wilhelm Löhe richtig erkannt hat,<br />

vom Altar aus:<br />

von Gottes Wort und von der Mahlgemeinschaft beim Abendmahl.<br />

Die Kraft kommt aus dem Vertrauen auf die Verheißung, dass der Tod nicht das<br />

letzte Wort in unserem Leben hat, sondern dass Gott Tränen abwischt und durch<br />

den Tod hindurch neues Leben schafft.<br />

Als „Vortrupp des Lebens“ hat Helmut Gollwitzer die Kirche einmal bezeichnet.<br />

Und Walter Kreck nannte sie „Opposition des Lebens“.<br />

Vortrupp und Opposition des Lebens ist Kirche vor allem da, wo sie nicht nur redet,<br />

sondern zugleich diakonisch handelt.<br />

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Gustav Werner, der Begründer der Bruderhausdiakonie, das Löhe-Pendant in<br />

meiner Heimat – hat das pointiert zusammengefasst: „Was nicht zur Tat wird,<br />

hat keinen Wert.“<br />

Das ist es, was mich immer wieder zur <strong>Diakonie</strong> zieht:<br />

das stete Streben, Wort und Tat nicht auseinander fallen zu lassen, sondern zusammenzubinden.<br />

Unter den Bedingungen einer säkularen Gesellschaft und eines ökonomisierten<br />

Sozialmarktes ist das keine leichte Aufgabe.<br />

Mein Eindruck ist, dass der Wille, das Hören auf das Evangelium und den Dienst<br />

am Nächsten Maria und Marta (zeigen), als Einheit zu sehen, hier in diesem <strong>Diakonie</strong>werk<br />

besonders stark ausgeprägt ist.<br />

Auf der einen Seite wird dem Hören auf das Wort hier Raum gewährt,<br />

der Vergewisserung über den Auftrag zu Christi Nachfolge:<br />

Das zeigen nicht nur die vielen Gottesdienste und Tagzeitengebete.<br />

Das zeigt vor allem, dass hier investiert wird, um die Christlichkeit als Profil des<br />

diakonischen Unternehmens zu bewahren.<br />

Das zeigt sich an den Aktivitäten des ökumenischen geistlichen Zentrums und<br />

der Internationalen DiaLog Akademie.<br />

Hier wird, wie es der <strong>Predigt</strong>text ausdrückte, an der Wegnahme der Hülle gearbeitet.<br />

Auf der anderen Seite ist die <strong>Diakonie</strong> <strong>Neuendettelsau</strong> auf sehr vielen Feldern<br />

ganz praktisch tätig, um dem Tod in all seinen Ausprägungen die Macht streitig<br />

zu machen. Das Motto der <strong>Diakonie</strong> heißt: Leben gestalten.<br />

Wo Lebensmöglichkeiten erhalten, gefördert und geweitet werden, wo Menschen<br />

Beratung und Trost finden, wo innovativ an neuen Konzepten geforscht wird,<br />

wo die Schmach der Ausgrenzung überwunden wird und sich Menschen beteiligen<br />

können, da wird der Kampf geführt gegen die Macht des Todes.<br />

Wo Wortzeugnis und Tatzeugnis zusammenpassen, da gewinnt die eigene Arbeit<br />

Ausstrahlungskraft:<br />

eine Ausstrahlungskraft, die auch von Fremden verstanden wird, von der sich<br />

andere Völker angezogen fühlen und sich einladen lassen.<br />

Die europaweiten Aktivitäten der <strong>Diakonie</strong> <strong>Neuendettelsau</strong> sprechen da Bände.<br />

So ein bisschen Völkermahl findet in diesem <strong>Diakonie</strong>werk bereits statt.<br />

Beim Familiengottesdienst an Palmsonntag ist es mir schon aufgefallen,<br />

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dass ich nicht die einzige bin, die einen fremden Dialekt mitbringt,<br />

die mit anderem Akzent und Zungenschlag hier <strong>zum</strong> Team gehören wird.<br />

Für mich ist die Arbeit der <strong>Diakonie</strong> gelebte Hoffnung<br />

auf die zukünftige Stadt, die wir suchen:<br />

auf Gottes kommendes Reich, in dem der Tod keine Macht mehr haben wird und<br />

in dem unsere Tränen von Gott selbst abgewischt werden.<br />

Und wo wir sprechen werden:<br />

„Siehe, das ist unser Gott, auf den wir hofften, dass er uns helfe. Das ist der Herr,<br />

auf den wir hofften: Lasst uns jubeln und fröhlich sein über sein Heil.“<br />

Amen.<br />

<strong>Predigt</strong> <strong>zum</strong> <strong>Ostermontag</strong> (<strong>01.04.2013</strong> über Jesaja 25, 6 - 9 in der St. Laurentiuskirche<br />

<strong>Neuendettelsau</strong> von Pfrin. Karin Goetz<br />

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