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DDS Juli/August 2013<br />

3<br />

Bildung<br />

von<br />

Anfang an<br />

Epigenetik liefert Argumente für Individualisierung in der frühkindlichen Bildung<br />

© SergiyN - Fotolia.com<br />

Wenn man fragt, wann frühkindliche<br />

Bildung beginnt, könnte man lapidar<br />

antworten: Sie beginnt mit dem Augenblick<br />

der Geburt. Das stimmt und ist<br />

doch nicht die ganze Wahrheit. Wir wissen<br />

heute aus vielen Disziplinen, der<br />

Medizin ebenso wie der Neurobiologie,<br />

Psychologie u. a., dass das Menschenkind<br />

nicht als unbeschriebenes Blatt auf<br />

die Welt kommt, das nun von Geburt an<br />

»beschrieben« wird. Ganz viel passiert<br />

bereits vorgeburtlich.<br />

Viele Faktoren in der Lebenssituation<br />

der werdenden Mutter wie Gesundheit,<br />

Ernährung, psychische Verfassung<br />

u. a. wirken sich auf vorhandene genetische<br />

Anlagen und damit auf die pränatale<br />

Entwicklung eines Kindes aus. Die Epigenetik<br />

1 beschreibt, wie sich bestimmte<br />

konkrete Zusammenhänge zwischen den<br />

viel zitierten »Anlagen« und der »Umwelt«<br />

entwickeln und dass nicht alles,<br />

was ein Kind »mit auf die Welt bringt«,<br />

was ihm also »angeboren« erscheint,<br />

identisch ist mit »Genetik«.<br />

1 Die Epigenetik befasst sich mit Zelleigenschaften<br />

(Phänotyp), die auf Tochterzellen vererbt werden und<br />

nicht in der DNA-Sequenz (dem Genotyp) festgelegt<br />

sind, daher die Vorsilbe epi (griechisch: über, oberhalb,<br />

außerhalb).<br />

Schon vor der Geburt werden<br />

Grundlagen gelegt<br />

Auch Forschungen im Bereich der<br />

Bindungstheorien zeigen, dass vieles,<br />

was frühkindliche Bindungen ausmacht,<br />

durchaus schon pränatal beginnt und<br />

auch Bedingungen und Verlauf des Geburtsvorgangs<br />

selbst einschließt. Wir wissen<br />

heute mehr als je zuvor, welch bedeutsame<br />

Rolle frühkindliche Bindungserfahrungen<br />

für die gesamte Entwicklung<br />

eines Kindes, für sein soziales Leben, aber<br />

auch für seine Lern- und Bildungsgrundlagen,<br />

seine Verhaltensweisen, seine Gesundheit<br />

und seine Resilienz spielen.<br />

Wir wissen außerdem über die neurobiologischen<br />

Forschungen, z. B. von Moll/<br />

Dawirs, Bauer, Hüther usw., wie stark<br />

auch die Gehirnentwicklung eines Kindes<br />

bereits pränatal erfolgt. Gerade Hüther<br />

zeigt in vielen Publikationen und Vorträgen,<br />

dass ein Kind bei der Geburt bereits<br />

alle überlebenswichtigen Verschaltungen<br />

in seinem Gehirn und darüber hinaus<br />

eine Unsumme an Verschaltungsmöglichkeiten<br />

aufweist, von denen allerdings<br />

viele ungenutzt bleiben und deshalb verloren<br />

gehen. Die Vielfalt an Möglichkeiten<br />

(Potenzialen) für Synapsenbildungen<br />

wird damit erklärt, dass die Natur ja nicht<br />

weiß, in welche konkreten Lebensbedingungen<br />

ein Kind hineingeboren wird, welche<br />

Umwelt es lernen muss zu bewältigen,<br />

welche Sprache(n) es braucht usw.<br />

An diesen Potenzialen muss frühkindliche<br />

Bildung ansetzen. Der Neurobiologie<br />

verdanken wir außerdem die Erkenntnis,<br />

dass sich die Entwicklung des Gehirns vor<br />

und nach der Geburt in unmittelbarem<br />

Zusammenhang mit der Entwicklung des<br />

heranreifenden Körpers vollzieht. Für das<br />

Thema frühkindliche Bildung gibt uns das<br />

den wesentlichen Hinweis, dass es dabei<br />

eben nicht in erster Linie um kognitive<br />

Leistungen, sondern um etwas Ganzheitliches<br />

geht, das auch die gesamte Körperlichkeit<br />

des Kindes einschließt. Auch<br />

die heute so zentral geforderte Sprachbildung<br />

verlangt diese Ganzheitlichkeit, die<br />

Einbettung in die Psychosomatik, Sinnlichkeit<br />

und Gefühlswelt.<br />

Unterscheidung zwischen<br />

Potenzialen und Ressourcen<br />

Da die oben angesprochenen Potenziale<br />

bei jedem Kind verschieden sind,

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