02.03.2014 Aufrufe

Faschismus-Theorien (II) - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

Faschismus-Theorien (II) - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

Faschismus-Theorien (II) - Instituts für kritische Theorie (InkriT)

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

gemeinsame Zug bei allen diesen Unternehmungen war die Ablehnung<br />

der individuellen Väter als Einfluß und Hinwendung zu<br />

irgend einer mystisch-romantischen Größe: Natur, Vaterland,<br />

Kunst, das Wesenhafte an sich etc. — deutliche Ersatzbilder einer<br />

reinen Mutter..." 8 . Der Aufstand gegen die Väter und gegen<br />

ihren kleinlichen servilen Konservatismus erweiterte sich meist<br />

zum Haß auf die ganze bürgerliche Sphäre. Aber das in früher<br />

Jugend fest begründete patriarchalische Uber-Ich, die sich entwickelnden<br />

tiefen Schuldgefühle führten, wo sie sich mit Feindschaft<br />

gegen Sexualität und Aufklärung verbanden, zu tiefer<br />

Resignation und seelischer Zerrissenheit. Das war der beste Boden<br />

<strong>für</strong> Hitlers Wirken:<br />

„Hitler war der ungebrochene Jüngling, der sich eine Laufbahn<br />

fern dem zivilen Glück, der merkantilen Geruhsamkeit, dem geistigen<br />

Frieden gewählt hatte: ein Bandenführer, der die Jungen<br />

zusammenhielt, indem er ihre Bewunderung herausforderte,<br />

Schrecken verbreitete und sie geschickt in Verbrechen verwickelte,<br />

aus denen es keinen Weg zurück gab. Und er war der rücksichtslose<br />

Ausbeuter der Fehler der Eltern."'<br />

IL<br />

Psychoanalytische Begriffe und Erfahrungen meidend, veröffentlichte<br />

D. Müller-Hegemann 1955 in der DDR eine Untersuchung<br />

„Zur Psychologie des deutschen Faschisten",<br />

die auf empirischem Weg zu ähnlichen Resultaten gelangt wie<br />

die übrigen hier referierten Veröffentlichungen; er erweist sich allerdings<br />

als unfähig, die Einzelergebnisse in ihrem Zusammenhang<br />

zu begreifen. Das empirische Material entstammt der Untersuchung<br />

mehrerer hundert faschistischer Personen. „Als faschistisch<br />

waren sie deswegen zu bezeichnen, weil sie ohne unmittelbaren<br />

Zwang den Parolen des deutschen <strong>Faschismus</strong> gefolgt sind,<br />

weil sie nicht jede Möglichkeit des Widerstandes, der Sabotage<br />

oder zumindest der Passivität genutzt haben" 10 . Durchweg sind<br />

die von Müller-Hegemann untersuchten Personen in ihrer Kindheit<br />

autoritär und gewalttätig erzogen worden. Durchgehend<br />

zeigen sie heftige Aggressions- und Angstaffekte, Gehemmtheit<br />

im Umgang mit Fremden, Sentimentalität, häufig sexuelle Impotenz,<br />

mangelndes Bewußtsein ihrer gesellschaftlichen Lage, Pessimismus<br />

und Ordnungsliebe. Sie zeigen Diensteifer und peinliche<br />

Korrektheit in ihrer Kleidung. Vor 1933 waren sie zumeist<br />

unpolitisch. Müller-Hegemanns Versuch, die beschriebenen Charakterzüge<br />

gesellschaftlich abzuleiten, bleibt stecken in der<br />

schlechten Allgemeinheit von Aussagen wie dieser: die fundamentale<br />

Irrationalität der kapitalistischen Gesellschaft habe zur<br />

Folge eine Irrationalisierung psychischer Strukturen. — Erich<br />

Fromm versuchte 1936 die psychischen Mechanismen zu beschreiben,<br />

die aus den weiter oben beschriebenen familiären<br />

Verhältnissen „autoritär-masochistische Charaktere" 11 entstehen<br />

7 Ebd.<br />

8 Ebd., S. 315.<br />

9 Ebd. S. 317.<br />

10 Dietfried Müller-Hegemann: Zur Psychologie des deutschen Faschisten,<br />

Leipzig 1955, S. 34.<br />

11 Erich Fromm: Der autoritär-masochistische Charakter, in: Studien<br />

über Autorität und Familie, hrsg. v. Max Horkheimer, Paris 1936.<br />

33

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!