02.03.2014 Aufrufe

Marktfrauen, Exp

Marktfrauen, Exp

Marktfrauen, Exp

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

XVII. InkriT-Tagung 2013<br />

Wörterbuch-Werkstatt<br />

<strong>Marktfrauen</strong> (Ruth May)<br />

<strong>Marktfrauen</strong> (Skizze, 22.5.2013)<br />

1. Der Marktplatz ist einer der wenigen Orte, an denen sich Frauen (für lange Zeit und<br />

unabhängig von den jeweiligen Orten) als Händlerinnen und Käuferinnen versammeln.<br />

Gemeinsam mit den männlichen Händlern und Käufern bilden sie eine (Markt-)Öffentlichkeit. Für<br />

die <strong>Marktfrauen</strong> ist dieser Platz ein Ort ihrer ökonomischen Selbstbehauptung. Er ist eine<br />

Sphäre, in der die Frauen als Händlerinnen ihre Widerständigkeit einüben, die bis hin zur<br />

Rebellion reichen konnte. Der Markt ist jener Ort, wo die <strong>Marktfrauen</strong> mit ihren Stimmen um die<br />

Gunst des Publikums werben. Dieses werbende Geschrei, in welchem die Stimmen miteinander<br />

wetteifern, kann im Falle des Aufstandes auch der Ursprung der Rebellion gegen die<br />

Obrigkeiten werden. – Mit der Marktfrau verwandt ist die Marketenderin, die als Mutter Courage<br />

durch Bertolt Brecht berühmt wurde.<br />

2. Zur Geschichte<br />

Die Arbeit von Frauen kommt in der Geschichtsschreibung über Handel und Gewerbe nicht oder<br />

nur am Rande vor.<br />

Schon in der Antike sind Frauen auf Marktplätzen präsent, aus dem alten Ägypten sind Bilder<br />

mit Marktszenen überliefert, wo Frauen und Männer mit Nahrungsmitteln und Handwerkswaren<br />

handeln; vermutlich geht es hier noch um Tauschhandel (Külmer 2007, 16ff). Frauen waren in<br />

der Textil- und Nahrungsmittelproduktion vertreten. Im Römischen Reich sind >viele Frauen (...)<br />

auf den städtischen Märkten oder in den Läden als Händlerinnen oder Verkäuferinnen von<br />

Nahrungsmitteln oder Textilien tätig.< (Eggebrecht u.a. 1980, 132)<br />

In der europäischen mittelalterlichen Stadt waren Frauen – allerdings bei örtlichen<br />

Unterschieden – in vielen Gewerben und im Handel beschäftigt. Einen frühen Hinweis auf einen<br />

selbständigen Handelserwerb von Frauen gibt das Straßburger Stadtrecht von ca. 1130. >Seit<br />

dem 13. Jahrhundert mehren sich dann die Belege für kaufmännische und gewerbliche<br />

Betätigungen von Frauen, und zwar sowohl in den großen Handelsstädten als auch in kleineren<br />

Orten.< (Wensky 1985, 32) Im Spätmittelalter sind sie in zahlreichen Handelstätigkeiten aktiv.<br />

Diese konnten sich auf den Verkauf selbst erzeugter Waren aus Landwirtschaft oder<br />

städtischem Handwerk beziehen oder auf den Handel mit angekauften oder importierten Waren<br />

als Krämerin oder Hökerin. >Der Verkauf auf dem innerstädtischen Markt war überhaupt eine<br />

Domäne der Frau.< (33) Eine herausragende Stellung auch im Groß- und Fernhandel erreichte<br />

sie wohl insbesondere in großen Handelsstädten und an Orten, wo es auch Frauenzünfte gab<br />

(z.B. für Köln und Nördlingen belegt).<br />

Friedrich Engels kennzeichnet den Zusammenhang von Produktion und Zirkulation: >Die<br />

Familie des Bauern produzierte fast alles, was sie brauchte, Geräte und Kleider nicht minder als<br />

Lebensmittel. Erst als sie dahin kam, einen Überschuß über ihren eignen Bedarf und über die<br />

dem Feudalherrn geschuldeten Naturalabgaben zu produzieren, erst da produzierte sie auch<br />

Waren; dieser Überschuß, in den gesellschaftlichen Austausch geworfen, zum Verkauf<br />

ausgeboten, wurde Ware. Die städtischen Handwerker mußten allerdings schon gleich anfangs<br />

für den Austausch produzieren. Aber auch sie erarbeiteten den größten Teil ihres Eigenbedarfs<br />

selbst; sie hatten Gärten und kleine Felder; sie schickten ihr Vieh in den Gemeindewald, der<br />

ihnen zudem Nutzholz und Feuerung lieferte; die Frauen spannen Flachs, Wolle usw. Die<br />

Produktion zum Zweck des Austausches, die Warenproduktion, war erst im Entstehn. Daher<br />

beschränkter Austausch, beschränkter Markt, stabile Produktionsweise, lokaler Abschluß nach<br />

INKRIT 2013 NICHT ZITIERFÄHIGER TEXTENTWURF DRAFT, DO NOT QUOTE WITHOUT AUTHOR’S PERMISSION


außen, lokale Vereinigung nach innen: die Mark auf dem Lande, die Zunft in der Stadt.<<br />

(20/254)<br />

Und es sind die Frauen, die diesen Handel auf dem Markt bevorzugt übernehmen; sei es als<br />

Bäuerin neben ihren bäuerlichen, sei es als Handwerkerin oder Handwerksfrau neben ihren<br />

handwerklichen Aufgaben. Dominierend waren die Frauen auch als Hökerinnen von<br />

Lebensmitteln und Dingen des täglichen Bedarfs. Dabei handelte es sich um einen<br />

Zwischenhandel der vom Erzeuger oder von anderen Händlern bezogenen Waren, die sie auf<br />

dem Markt an die Konsumenten weiterverkaufte; ähnlich die Fischfrauen, die immer als<br />

besondere Gruppe der <strong>Marktfrauen</strong> auftrat und ihren Waren von Fischhändlern bezog, um sie<br />

als Einzelhändlerin zu verkaufen. Als Hökerinnen waren die Frauen wohl zumeist<br />

Kleinhändlerinnen. >Das ^Hökern^^ war allerdings ein nicht organisierter und dadurch weder<br />

begrenzter noch geschützter Gewerbezweig; hier konnte sich beliebig Konkurrenz einfinden,<br />

hier bestimmte der ^Markt^^ die wirtschaftlichen und sozialen Möglichkeiten. Entsprechend<br />

schlecht waren deshalb meist die Gewinnchancen in diesem Wirtschaftszweig. So günstig die<br />

Einstiegsmöglichkeiten in den Kleinhandel nämlich sein mochten, so gering erwiesen sich in der<br />

Regel die Chancen, in ihm auf legale Weise zu Vermögen zu gelangen – in den Steuerlisten<br />

rangieren die Hökerinnen deshalb auch meist unter denen, die nichts zu versteuern hatten, da<br />

sie nichts besaßen.< (Opitz 1993, 315) – Ähnlich Uitz über die Mittel- und Kleinstädte der<br />

Hanse: >Der Schwerpunkt der kaufmännischen Aktivitäten (...) (lag) zweifellos auf dem Geschäft<br />

mit den weniger wertvollen Handelsgütern des innerstädtischen und des Nahhandels. Hier<br />

bedurfte es geringerer Geldanlagen, und das Verlustrisiko war kalkulierbarer.<br />

Lebensmittelhökerinnen, Leinwandschneiderinnen und Gebrauchtkleiderhändlerinnen nahmen<br />

in der städtischen Wirtschaft ihren festen Platz ein. (...) In Wismar belegten die<br />

Leinwandhändlerinnen Ratsbuden am Markt.< (Uitz 1991, 94) Die Hökerinnen hatten eine<br />

wichtige Funktion für die Versorgung mit (über)lebensnotwendigen Waren, die für den<br />

Massenbedarf bzw. für die ärmere Bevölkerung wichtig waren. Insgesamt waren die<br />

Wochenmärkte Susanne Schötz zufolge bis weit ins 19. Jh. hinein von zentraler Bedeutung für<br />

die Versorgung der städtischen Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln (2004, 196).<br />

Über die Darstellung der <strong>Marktfrauen</strong> in der Malerei des 16./17. Jh. schreibt Olwen Hufton, und<br />

sie hat dabei die Frau als Ehefrau im Blick: >Die bildende Kunst der Vergangenheit vermittelt<br />

uns einen bemerkenswerten Eindruck von der Allgegenwart der Frauen als Händlerinnen auf<br />

dem Markt. In der holländischen Genremalerei gibt es beispielweise eine Fülle von Fischweibern<br />

und Gemüseverkäuferinnen, die ihre Kunden auf Märkten und auf dem Kai anlockten. Das<br />

Fischweib feilschte mit dem kleinen Kunden, während der Fischhändler mit dem Fischer über<br />

seinen Fang verhandelte. Die Zünfte legten im Grunde die Grenzen fest, innerhalb deren die<br />

jeweiligen Partner tätig werden konnten, aber jeder der beiden Partner war auf den anderen<br />

angewiesen, um den für den Unterhalt der Familie notwendigen Gewinn zu erzielen. Betrachtet<br />

man die Märkte Westeuropas, so zeigt sich eine erstaunliche Vielfalt bei den zum Verkauf<br />

stehenden Waren, aber überall sind es die Frauen, die verkaufen. Auf den Märkten von<br />

Augsburg und in anderen deutschen Städten saßen ebenso wie in Lissabon und Manchester die<br />

Frauen von Metzgern und verkauften Würste und Blutwurst. Nebenan saßen die Frauen von<br />

Töpfern, umgeben von Kochgeschirr und Nachttöpfen. (...) Bei warmem Wetter verkauften die<br />

Frauen von limonadiers Getränke, und es gab Tabletts voller Süßigkeiten und Pasteten, für die<br />

Frauen zuständig waren. Sie kamen zusammen mit Landfrauen, die Gemüse und Obst, Eier,<br />

selbstgemachte Butter und Käse verkauften. Frauen spielten auch eine gewichtige Rolle beim<br />

Verkauf von Korn und Brot.< (1998, 232)<br />

Waren im Mittelalter die Frauen in zahlreichen Gewerben beschäftigt, sei es als Mitglied der<br />

>Produktionsfamilie< oder als selbständige Meisterin in verschiedenen Gewerken, so gab es<br />

schon früh die Tendenz, die Frauenarbeit zurückzudrängen (Bücher 1910); dazu gehört, dass<br />

Frauen in außerzünftige und unorganiserte Arbeit abgedrängt und aus selbständiger Arbeit<br />

verdrängt wurden, und zwar dies umso mehr, als mit der Einführung und Ausweitung des<br />

Verlagswesens und dann der Manufaktur die in den Zünften organisierten städtischen<br />

Handwerksbetriebe ökonomisch unter Druck gerieten. >Die stärksten Feinde erwuchsen den<br />

INKRIT 2013 NICHT ZITIERFÄHIGER TEXTENTWURF DRAFT, DO NOT QUOTE WITHOUT AUTHOR’S PERMISSION 2


Frauen in den Zünften, von denen sie als schwächstes Glied in der Konkurrentenkette am<br />

schlimmsten attackiert wurden (...). Völlig sind die Frauen in der Stadt jedoch nie aus dem<br />

Erwerbsleben verschwunden.< (Batori 1991, 47) Im Handel konnten sie sich noch am ehesten<br />

behaupten: >Im Handel waren die Frauen weniger von der Mißgunst männlicher Konkurrenten<br />

bedrängt als im Handwerk. (...) Trotzdem gab es ab der Mitte des 16. Jahrhunderts auch hier<br />

Einschränkungen, zum Beispiel für Obst- und Gemüsehändlerinnen in Nürnberg, deren Anzahl<br />

vom Rat limitiert wurde. Außerdem erging ein Verbot des Ankaufs von Waren aus der<br />

unmittelbaren Umgebung.< (41f)<br />

Gegen die <strong>Marktfrauen</strong> und besonders gegen die Hökinnen, die wie die Fischfrauen als<br />

weitgehend unabhängig und eigenständig gelten können, richtet sich ein Edikt, das Jürgen<br />

Kuczynski in Bd. 2 seiner Geschichte des Alltags des deutschen Volkes, welcher den Zeitraum<br />

von 1650 bis 1810 umfasst, zitiert. Um diesen Handel einzuschränken und mehr noch,<br />

Arbeiterinnen für die eigenen Manufakturen zu gewinnen, erlies Friedrich II. folgenden Befehl,<br />

der davon zeugt, mit welchen Zwangsmitteln im 18. Jh. der preußische Feudaladel die<br />

manufakturelle Produktion unter seiner Regie durchzusetzen versuchte: >Edict, Daß alle<br />

Hoecker-Weiber und Herrenloses Gesinde Wochentlich ein Pfund Wolle vor die gewöhnliche<br />

Bezahlung spinnen, und in den Residentzien dem Lager-Haus, in andern Städten aber den<br />

Manufacturiers, so die Magistrate dazu benennen werden, ablieffern, Auch die In öffentlichen<br />

Buden aufm Marckt oder Gassen feilhabende Handwercks-Frauen und Bürgers-Töchter Die<br />

Zeit, da sie feil haben, mit Wolle- und Flachs-Spinnen, Knütten oder Nähen zubringen und nicht<br />

müßig sitzen sollen. Sub dato Berlin, den 14. Junii 1723.< (Zit.n. Kuczynski, 229) Und in<br />

nämlicher Absicht berichtet die preußische Kriegs- und Domänenkammer acht Jahre später:<br />

>Nicht weniger ist nötig, daß dem Mangel der Woll-Spinnerey bald abgeholffen und die Zahl der<br />

Spinner vermehret werden, welches geschehen könnte, wenn das herumtreibende Weibsvolck<br />

von der ohnedem schädlichen Auff- und Vorkäufferey der zur Stadt kommenden Denrées und<br />

Victualien einmal mit Ernst und Nachdruck vom Magistrat abgebracht und zum Woll-Spinnen<br />

angehalten würde. Es könnten auch diejenigen Weibs-Leuthe aufm Lande sonderlich im<br />

Sambländischen District, die sich noch nicht so sehr auff das Flachß-Spinnen gelegt, zum Woll-<br />

Spinnen angehalten und dem Befinden nach darinnen unterrichtet werden. Die Straffe, womit<br />

etwa diejenigen, welche sich zum Spinnen nicht bequemen und wider Verboth die Aufkäufferey<br />

continuieren beleget werden möchten, könnten der Manufactur-Casse mit zugeeignet werden.<<br />

(Zit.n. Kuczynski, 230) Es ist, wie Kuczynski bemerkt, dieses >Spinnzwangsgesetz< (229), mit<br />

dem man versuchte, >Frauen, die durchaus beschäftigt waren, aus ihrem Beruf zwangsweise<br />

herauszunehmen und als Spinnerinnen zu verwenden.< (230) Ihre handelnde Tätigkeit wird<br />

abgewertet gegenüber einer produktiven Leistung – bis hin zur Vorschrift, dass sie, da sie >feil<br />

haben (...) nicht müßig sitzenDie wahre, allgemeine, massenhafte ökonomische<br />

Diskriminierung der Frau begann mit der Ausbreitung der Fabrikindustrie, mit dem Ende der<br />

Produktionsfamilie als allbeherrschender Form der Erwerbstätigkeit.< (Bd. 3, 325)<br />

Alice Clarke (1919) macht für die Frauen in England parallele Prozesse bereits im 17. Jh. aus,<br />

wonach insbesondere die Frauen von Lohnarbeitern in die >sweated industries< getrieben<br />

wurden (325) – oder die im Kleinhandel auf Märkten und Straßen eine herausragendes, aber<br />

marginalisiertes und vielfach als suspekt abgewertetes Tätigkeitfeld hatten. Es waren Frauen,<br />

die nun aus den skilled trades ausgeschlossen waren und nicht (mehr) im Erwerbsbetrieb (des<br />

Mannes) arbeiten konnten. Sie waren zahlreich; es waren Witwen, deren Familien von ihrem<br />

Einkommen abhingen, Frauen von Tagelöhnern, deren Einkommen nicht hinreichte, um eine<br />

Familie zu unterhalten. Ihr Handel unterlag diversen Restriktionen, die die sich etablierenden<br />

Ladenbesitzer durchsetzten. Als Billigkonkurrenz für die Shopkeeper, von ihnen verklagt und<br />

niedergehalten, waren sie ohne Interessenvertretung, während die Shopkeeper in den Boroughs<br />

einflussreiche Positionen einnahmen. (209)<br />

>Während der Markt mit zeitlichen Unterbrechungen stattfindet, ist der Laden fast pausenlos<br />

geöffnet (...) (Er) setzt sich im Laufe der Jahrhunderte immer deutlicher vom Markt ab.< (Braudel<br />

INKRIT 2013 NICHT ZITIERFÄHIGER TEXTENTWURF DRAFT, DO NOT QUOTE WITHOUT AUTHOR’S PERMISSION 3


1990, 56ff) Der Verkauf auf dem Markt kann durch die städtischen Behörden leichter überwacht<br />

werden als im Laden. Die Ladenbesitzer etablieren sich, indem sie gegenüber den<br />

Markthändlern ihre konkurrierenden Interessen durchsetzen, bei allerdings durch die städtischen<br />

Behörden regulierten Märkten. Susanne Schötz hat am Beispiel Leipzig die mannigfachen<br />

Widersetzlichkeiten von Frauen gegen die Durchsetzung des Handelsmonopols der dortigen<br />

Kramerinnung gezeigt (vgl. Schötz 2004 u. 2012); im Ergebnis der erfolgreichen Bestrebung der<br />

Kramer haben alle anderen Handeltreibenden wie Handwerker, Höken als wichtigste<br />

Lebensmittelhändler des Wochenmarkts und Fischhändler erheblich eingebüßt (2012,<br />

Typoskript, 4). Die Leipziger Hökenordnung (von 1504) sicherte Frauen gleichberechtige<br />

Handelsmöglichkeiten. Die Innung der Höken hat nur bis 1513 bestanden, ihr Ende<br />

korrespondiert mit dem Abstieg der Höken (2004, 206f). Im Ergebnis wurde ihr Handel zu<br />

Beginn des 17. Jh. eng reglementiert: auf wenige Stunden an Markttagen, örtlich auf den<br />

Wochenmarkt und gegenständlich auf bäuerliche Erzeugnisse beschränkt. >Von den noch zu<br />

Beginn des 16. Jahrhunderts mächtigen Höken mit vielen Zulieferern und einem ausgedehnten<br />

Lebensmittelhandel an den Markttagen und außerhalb dieser sowie innerhalb der Stadt und<br />

auswärts war nicht mehr viel übrig geblieben.< (216) Schötz weist darauf hin, dass dieser<br />

Niedergang nicht generell für alle Städte typisch ist. Typisch ist aber die Feminisierung der<br />

marginalsierten Bereiche des Handels: >Besaß das Gewerbe eine starke Stellung auf dem<br />

frühneuzeitlichen örtlichen Markt, war die selbständige Teilhabe von Frauen gering. Hatte es im<br />

Vergleich zu anderen Händlergruppen hingegen eine schwache Position, war der Frauenanteil<br />

bedeutend.< (217) Hökinnen waren mehrheitlich Witwen oder Ehefrauen von Lohnarbeitern oder<br />

Soldaten. Ihnen und ihren Familien sollte der Hökenhandel als Versorgungsmöglichkeit dienen.<br />

(236) Sie setzten Waren ab, die sonst schwer abzusetzen waren, aber für die Versorgung der<br />

ärmeren Bevölkerung einen hohen Stellenwert hatten. Ihre marginale Position legte den<br />

Hökinnen >Organisationsformen des Handels in den Grauzonen des Rechts< (2012, 15) nahe<br />

bzw. Kombinationen aus regelgerechten und irregulären Handelstätigkeiten. Schötz schreibt:<br />

>Die subtilen Widersetzlichkeiten von Hökinnen und Heringsweibern verdeutlichen, dass sich<br />

die Frauen ihrer ungleichen, eingeschränkten Erwerbsrechte und der daraus resultierenden<br />

schlechten Erwerbschancen genau bewußt waren.< (17)<br />

Mit der Einführung der Gewerbefreiheit 1862 ändert sich die Situation, so spielten z.B. in Leipzig<br />

die Privilegien der Kramer keine Rolle mehr, und der Hökenhandel wird für Männer attraktiv:<br />

>Die Segregation in einen weiblich dominierten Bereich geringer Gewinn- und<br />

Einkommensmöglichkeiten und einen männlich dominierten Bereich größeren Gewinns stellte<br />

sich auf dem Leipziger Wochenmarkt in den einzelnen Händlergruppen tendenziell immer<br />

wieder her. (...) Diese Geschlechterhierarchie der Arbeitsteilung ist im gesamten<br />

Untersuchungszeitraum, vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, für den Leipziger Wochenmarkt<br />

charakteristisch.< (2004, 307) Nach Einführung der Gewerbefreiheit blieben die Frauen<br />

privatrechtlich vom Konsens mit dem Ehemann abhängig, und die öffentliche Auffassung über<br />

Frauenerwerbsarbeit im bürgerlichen 19. Jh. stellte sie unter neuen Rechtfertigungsdruck (311f).<br />

Im gesamten Zeitraum hatten sich die Frauen, wie Schötz ausführlich im Einzelnen zeigt, mit<br />

zahlreichen Widersetzlichkeiten gegen ihre Abdrängung zur Wehr gesetzt.<br />

3. Der Marktplatz und seine Öffentlichkeit<br />

Martha Howell (2010) beschreibt die Position von Frauen auf dem mittelalterlichen Marktplatz:<br />

>City women were in these public spaces, watching the plays and processions, sometimes even<br />

taking a small part in them, going to the market, even sometimes joining the mob in protests.<<br />

(5f) Dies bedeute aber nicht, dass sie denselben Status wie Männer hatten, auch als<br />

Händlerinnen war ihre Arbeit in dieser oder jener Weise beschränkt, ihre Position prekär, z.B. in<br />

Gent hatten sie keinen Zugang zu bestimmten Markthallen oder nur zu bestimmten Bereichen<br />

dort. Frauen nahmen an Protesten teil, aber sie hatten keine politischen Rechte (und keine<br />

Selbstvertretungsrechte etwa in Zünften). Ohne patriarchalen Schutz war ihr Status marginal, als<br />

verheiratete Frau stand sie unter männlicher Kontrolle. (6f) Dabei mag der Marktverkauf auch<br />

ein Freiraum gewesen sein, so etwa nach der Interpretation von Olwen Hufton: >Vor allem dort,<br />

INKRIT 2013 NICHT ZITIERFÄHIGER TEXTENTWURF DRAFT, DO NOT QUOTE WITHOUT AUTHOR’S PERMISSION 4


wo der Einzelhandelsverkauf an einem Marktstand und nicht im Geschäft des Meisters erfolgte,<br />

hatte die Frau das Sagen.< (1998, 231) Die Frauen konnten im Namen ihres Mannes handeln:<br />

>In ganz Europa war es üblich, daß Marktstände von Männern gemietet wurden, die nominell<br />

als Händler auftraten, während die konkrete Arbeit des Verkaufens von Frauen erledigt wurde.<<br />

(232) Howell zufolge ändert sich jedenfalls etwa um 1700 die Situation mit der Trennung des<br />

privaten, weiblich konnotierten von dem öffentlichen, männlich konnotierten Raum. Frauen, die<br />

nun noch Waren in der Öffentlichkeit verkauften, >risked their reputation< (Howell, 8). – Und da<br />

mag man es als einen existenziellen Protest verstehen, dass sie es doch weiter taten.<br />

Was Howell beschreibt, ist die sich herausbildende bürgerliche Öffentlichkeit mit ihrer Trennung<br />

von privater und öffentlicher Sphäre. Für die im öffentlichen Raum arbeitenden <strong>Marktfrauen</strong> ist<br />

aber wohl doch viel eher eine andere (Gegen-)Kultur prägend.<br />

Die <strong>Marktfrauen</strong> stehen auf Marktplätzen und rufen die Preise aus. Sie präsentieren die Waren;<br />

ihr Reden ist Werbung und Preisbildung beim Feilschen. Sie kennen Nachrichten und Gerüchte,<br />

sie sind die gern zitierten Weiber des Volkes. Im 16. Jh. wurde der Marktplatz Gegenstand von<br />

Gemälden, Literatur und Musik. Werfen wir mit dem sowjetischen Literaturwissenschaftler<br />

Michail Bachtin und seiner Rabelais-Interpretation einen Blick (oder besser das Ohr) auf die<br />

Sprache oder die Geräusche, mit denen die Märkte mit ihrem Getümmel sich bemerkbar<br />

machten. Die Sprache des Marktplatzes wurde zum Beispiel als Cris de Paris überliefert. Die<br />

Cris sind die ausgerufenen Reklamelosungen. >Die ^Schreie^^ hatten Rhythmus und Versform,<br />

ein Vierzeiler übernahm jeweils das Anbieten und Loben einer bestimmten Ware. (...) Sie sind<br />

nicht ausschließlich zweckorientiert wie die Reklame der Neuzeit, und die Literatur wiederum<br />

verschloß sich damals [in der Renaissance] selbst in den hohen Genres vor keiner Form des<br />

Worts, welches praktischen und ^niederen^^ Charakter hatte. (...) Ihr Stellenwert im Leben der<br />

Straßen und Plätze der Stadt war enorm. Buchstäblich an jeder Ecke waren die verschiedenen<br />

Ausrufungen zu hören. Für jede Ware – Lebensmittel, Wein, Dinge des täglichen Gebrauchs –<br />

gab es spezielle Werbemuster, jede Warengruppe hatte ihre sprachlichen Mittel und ihre<br />

Melodien.< (Bachtin 1940/1987, 222f) Auch Bekanntmachungen, Gesetze etc. wurden mündlich<br />

zu Gehör gebracht; die Kultur war eine Kultur des lauten Worts unter freiem Himmel. Bachtin<br />

schreibt über die Literatur Rabelais’, dass in seinem Werk schon die bloße Nennung einzelner<br />

Gerichte, Wildsorten, Gemüse, Weine eine ästhetische Funktion habe: >Dieses verbale<br />

Schlaraffenland des Romans entspricht exakt der Welt der Speisen und Dinge, die täglich in<br />

aller Vielfalt und allem Reichtum durch die ^cris^^ auf Straßen und Plätzen proklamiert wird. Wir<br />

finden sie auch auf den Gemälden der flämischen Maler und in den ausführlichen<br />

Gastmalbeschreibungen der Literatur des 16. Jahrhunderts.< (224f) Bachtin zufolge hörte<br />

Rabelais in den Cris den >utopischen Ton des ^Gastmahls für die ganze Welt^^, und er hörte<br />

auch, daß diese utopischen Klänge tief eingebettet waren in das Gewühl des lebendigen (...)<br />

aromatischen und lauten Marktplatzlebens.< (226f) Und dazu gehörten, auch wenn Bachtin sie<br />

nicht erwähnt, die <strong>Marktfrauen</strong>. Sie >sangen und riefen (...) ihre Ware aus und erfanden aus<br />

dem Stegreif politische Parolen, die zu ihren Marktrufen paßten. Sie waren ein lautstarker<br />

Haufen und pochten auf ihr Recht, drastisch, streitbar und wehrhaft zu sein.< (Hufton 1998, 639)<br />

Die Großmarkthallen z.B. in Paris galten als eine >Hochburg lautstarker Auseinandersetzungen<br />

und deftiger Redensarten. Hier geben die <strong>Marktfrauen</strong>, die ihre männlichen Kollegen<br />

zahlenmäßig weit überrunden, den Ton an, und sie stehen nicht von ungefähr in dem Ruf, ^das<br />

ordinärste Mundwerk von ganz Paris^^ zu haben.< (Braudel 1990, 30)<br />

Zur Sprache des Marktes gehört ebenso der Streit. >In Zeiten steigender Brotpreise, wenn die<br />

Verbraucher sich über die Kosten dieser lebensnotwendigen Waren beschwerten, waren solche<br />

Verkäuferinnen oft die ersten, die es mit der unzufriedenen Hausfrau zu tun bekamen. Es kam in<br />

der frühen Neuzeit leicht zu Zank auf dem Markt, der einen Mikrokosmos von Aktivitäten<br />

verheirateter Frauen darstellte und der öffentliche Raum in der Gesellschaft der frühen Neuzeit<br />

war.< (Hufton 1998, 232f) Das Feilschen war manchmal der Auftakt zum handfesten Streit, der<br />

Markt wurde zum Ausgangspunkt von Hungeraufständen, die häufig von Frauen ausgingen.<br />

Michelle Perrot bemerkt über die Frauen im 19. Jh., dass sie über die Märkte wachten, auf<br />

Qualität und Quantität, auf die Regelmäßigkeit der Versorgung und das Preisniveau. >Wenn ein<br />

INKRIT 2013 NICHT ZITIERFÄHIGER TEXTENTWURF DRAFT, DO NOT QUOTE WITHOUT AUTHOR’S PERMISSION 5


Preisanstieg sich abzeichnet, beginnen sie zu murren. Das Murren schwillt an in den Straßen,<br />

den Hinterhöfen, den Stadtvierteln, zwischen den Nachbarinnen. Am folgenden Markttag<br />

schnellen die Preise in die Höhe. Dann fordern die Frauen die Getreidehändler auf, ihnen das<br />

Korn zum alten Preis zu verkaufen; und wenn diese sich weigern, bemächtigen sie sich der<br />

Waren, legen die Preise fest und verkaufen sie selbst. Wenn ein Händler seine Säcke versteckt,<br />

ziehen sie diese Hamsterer zur Rechenschaft, kippen die Stände um, verfolgen ihn mit ihren<br />

Schreien, ja mit ihren Schlägen bis in die Hinterstuben der Bäcker, seiner Komplizen. Am frühen<br />

Morgen versammeln sie sich vor den Toren der Stadt, um die Wagen abzufangen, die das Korn<br />

bringen. Sie bemächtigen sich der Säcke und verteilen das Korn am Brunnen.< (1981, 78f)<br />

Die <strong>Marktfrauen</strong> galten im 18. Jh. als gefährliche Anstifterinnen von Revolten. >In Holland waren<br />

zwischen 1784 und 1799 zwölf von 76 identifizierten politischen Aufrührern Fischweiber und<br />

Obstverkäuferinnnen. In einer Denkschrift heißt es 1749: ^Am gefährlichsten und zum<br />

Revoltieren bereit sind Muschelverkäuferinnen sowie Gemüse- und Apfelhökerinnen.^^ ^Alle<br />

Gewalt geht jetzt vom Fischmarkt aus^^, höhnte ein friesischer Edelmann 1747, und die<br />

Rotterdamer Lebensmittelunruhen von 1763 schrieb eine Monatsschrift den Fischweibern zu,<br />

^die nicht die umgänglichsten Menschen sind^^. Politische ^Fischweiber^^ gibt es auch in der<br />

britischen Geschichte, wo ^Marktfrau^^ gleichbedeutend mit ^derbe, ungebärdige Frau^^ und<br />

^politisch aufsässige Frau^^ wurde. Der Ausdruck ^Fischweib^^ wurde wahrscheinlich ganz<br />

unterschiedslos für jede protestierende Frau (...) gebraucht.< (Hufton 1998, 639) Oder zum<br />

Beispiel über Frankfurt am Main schreibt Petra Rentschler: >Kollektiver weiblicher Arbeit an<br />

öffentlichen Plätzen wird – wie bei Wäscherinnen und Marktweibern – mit Mißtrauen begegnet.<br />

Marktmeister Georg Christian Soldan nennt ^besonders die Rothenburgische Familie (...) als<br />

Anstifterinnen von ^Zank und Spectacul^^.< (1989, 242)<br />

4. Die Damen der Hallen von Paris<br />

Viktoria Schmidt-Linsenhoff zeigt einen Stich von Jacques Aliamet nach einem Gemälde Etienne<br />

Jeaurat: Der Platz um die Hallen, um 1770 (1989, 690). Erkennbar wird die Dominanz der<br />

Frauen an diesem Marktplatz. >Hier wurden nicht nur Geschäfte abgeschlossen, sondern auch<br />

politische Meinungen und Informationen ausgetauscht, es wurde gelacht und getanzt, gezankt<br />

und geschlafen. Vor aller Augen und unter weiblicher Kontrolle verhandeln hier Frauen und<br />

Männer ökonomische, politische und sexuelle Interessen. Diese weibliche Lebenswelt der<br />

städtischen Unterschichten hatte Kommunikationsstrukturen hervorgebracht, die die<br />

Voraussetzung für die politische Mobilisierung des Volkes in der Revolution waren. Hier wurde<br />

1789 der ^Marsch der Frauen nach Versailles^^ geplant (...).< (690)<br />

Kerstin Michalik (1990) kommt das Verdienst zu, anhand der Französischen Revolution und in<br />

Sonderheit des Marsches der Pariser <strong>Marktfrauen</strong> nach Versailles am 5. und 6. Oktober 1789 in<br />

allen Details gezeigt zu haben, dass und wie Markt- oder Fischfrauen sich gegen die<br />

Brotverteuerung zu wehren verstehen – zunächst aus ökonomischen, später auch aus<br />

politischen Beweggründen, die sich aus dem Motiv herleiteten, die revolutionären<br />

Errungenschaften v.a. gegen die Leibwache des Königs zu verteidigen. Ihre Beschreibungen<br />

verschiedener zeitgenössischer Zeichnungen zeigen anschaulich, wie die >Damen der Hallen<<br />

aufgetreten sind und wie sie sich sozial zusammengesetzt haben: >Die anonyme Gravur<br />

^Avant-garde des femmes allant á Versailles, 5 Octobre 1789^^, die wahrscheinlich kurze Zeit<br />

nach den Ereignissen des 5. und 6. Oktobers entstanden ist, zeigt unterschiedlich bewaffnete<br />

Frauen. Die überwiegende Mehrheit der Frauen ist sehr einfach gekleidet und mit Hauben und<br />

Holzschuhen dargestellt. Links im Vordergrund des Bildes ist eine gutgekleidete bürgerliche<br />

Frau zu sehen, die in Abgrenzung zu den übrigen Frauen einen eleganten Hut und zierliches<br />

Schuhwerk trägt, und von einer Frau aus dem Volk am Arm gehalten und mitgezogen wird.<br />

Ganz ähnlich wird die soziale Zusammensetzung der Teilnehmerinnen am Marsch in der<br />

ebenfalls anonymen Zeichnung ^Départ des héroines de Paris pour Versailles le 5 Octobre<br />

1789^^ wiedergeben: Auch hier überwiegen deutlich die einfach gekleideten Frauen aus den<br />

unteren sozialen Schichten, deren soziale Herkunft noch durch die Grobheit der Gesichtszüge<br />

INKRIT 2013 NICHT ZITIERFÄHIGER TEXTENTWURF DRAFT, DO NOT QUOTE WITHOUT AUTHOR’S PERMISSION 6


und des Körperbaus unterstrichen wird. Obwohl in dieser Darstellung mehrere bewaffnete<br />

Frauen mit eleganten Hüten mitmarschieren, taucht auch hier das Motiv der gewaltsam zur<br />

Teilnahme gezwungenen gutsituierten bürgerlichen Frau auf.< (84)<br />

Allerdings muss Michalik am Ende feststellen, dass trotz aller Ehrungen v.a. nach dem Sturz der<br />

Monarchie und der Etablierung der Republik die revoltierenden <strong>Marktfrauen</strong> nicht als Vorbilder<br />

revolutionären Aufbegehrens taugten, sondern ganz im Sinne des alten Frauen- und<br />

Mutterbildes abgeschoben werden sollten. >Gemeinsam mit ihren Ehemännern und Kindern<br />

sollten sie von nun an bei allen republikanischen Feierlichkeiten neben den ^Freiwilligen der<br />

Bastille^^ eine eigene Abteilung bilden und eine Fahne tragen, deren Inschrift die ^Vertreibung<br />

des Tyrannen aus Versailles^^ in Erinnerung rief. Ferner hieß es in dem Beschluß, daß die<br />

Frauen während der Festzeremonien stricken sollten. (...) Die aktuelle revolutionäre<br />

Frauenbewegung, die sich im Frühjahr und Sommer 1793, parallel zum Erstarken der<br />

Volksbewegung, zu einer wichtigen sozialen Kraft entwickelt hatte, war inzwischen durch das<br />

Verbot der politischen Frauenclubs vom 30. Oktober 1793 ausgeschaltet worden.< (119f)<br />

Über die Frau in der französischen Stadt des 19. Jh. bemerkt Perrot: >Die Frau aus dem Volk<br />

geht unbedeckt (die <strong>Marktfrauen</strong> in den Pariser Hallen sagen zu arroganten Kundinnen: ^Der<br />

nützt Dir gar nichts, der Hut!^^ – Symbol der Bourgeoisie) und kümmert sich nicht um die Mode<br />

und deren Diktate, von denen sich die Frauen der ^leisure class^^ tyrannisieren lassen. (...)<br />

(S)ie ist die Königin der kleinen Gewerbe und des Pariser Einzelhandels, der im übrigen im<br />

Verlauf der Jahrhunderts immer männlicher wird. Am Rande des Marktgeschehens der Hallen<br />

gibt es die Händlerinnen, die aus dem Henkelkorb ihre Waren feilbieten, als<br />

Kräutersammlerinnen oder Blumenbinderinnen durch die Stadt ziehen, an jeder Straßenecke<br />

oder auf den Trottoirs ihr Gemüse ausbreiten, ihr Obst, ihre Blumen. In Krisenzeiten verschaffen<br />

sich die Frauen zusätzliche Einnahmequellen, indem sie sogar ihre persönliche Habe verkaufen,<br />

und sie verteidigen hartnäckig das Recht auf den freien Straßenhandel gegen die immer<br />

drakonischer werdenden Vorschriften der Polizeipräfekten, die über diese unkontrollierten<br />

Ansammlungen beunruhigt sind.< (1981, 85f)<br />

Bibliographie:<br />

Bachtin, Michael: Rabelais und seine Welt. Volkskultur als Gegenkultur, Frankfurt am Main 1987<br />

Batori, Ingrid: Frauen in Handel und Handwerk in der Reichsstadt Nördlingen im 15. und 16. Jahrhundert,<br />

in: Barbara Vogel, Ulrike Weckel (Hg): Frauen in der Ständegesellschaft. Leben und Arbeiten in der Stadt<br />

vom späten Mittelalter bis zur Neuzeit, Hamburg 1991, S. 27-47<br />

Blixen, Tania: Babettes Fest, Berlin 2006<br />

Braudel, Fernand: Der Handel. Sozialgeschichte des 15.-18. Jahrhundert, München 1990<br />

Brecht, Bertolt: Mutter Courage und ihre Kinder. Eine Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg,<br />

Gesammelte Werke Bd. 4, Frankfurt am Main 1967<br />

Bücher, Karl: Die Frauenfrage im Mittelalter, Tübingen 1910<br />

Clark, Alice: Working Life of Women in the Seventeenth Century, London 1919<br />

Eggebrecht, Arne, Jens Flemming, Gert Meyer, Achatz v. Müller, Alfred Oppolzer, Akos Paulinyi, Helmuth<br />

Schneider: Geschichte der Arbeit. Vom Alten Ägypten bis zur Gegenwart, Köln 1980<br />

Engels, Friedrich: Herrn Eugen Dührung's Umwälzung der Wissenschaft, MEW 20<br />

Grubitzsch, Helga, Dorothea Mey, Ingeborg Singendonk-Heublein (Hg): Frauen in der Französischen<br />

Revolution. Katalog zur Fotoausstellung anlässlich des Kongresses >Frauen – Literatur – Revolution


Howell, Martha C.: Urban spaces, gendered spaces: the modern legacy of spatial organisation in medieval<br />

cities. Typoskript des Vortrags bei der 10th International Conference on Urban History, City & Society in<br />

European History. 1.-4. September 2010, Ghent<br />

Hufton, Olwen: Frauenleben. Eine europäische Geschichte 1500-1800, Darmstadt 1998<br />

Kullmer, Hella: <strong>Marktfrauen</strong>, Priesterinnen und ‚Edle des Königs’. Untersuchung ü ber die Position von<br />

Frauen in der sozialen Hierarchie des Alten Ägypten bis zum Ende der 1. Zwischenzeit; Diss., Hamburg<br />

2007<br />

Kuzcynski, Jürgen: Geschichte des Alltags des deutschen Volkes, 5 Bde., Köln 1980-1982<br />

Labouvie, Eva, Katharina Bunzmann (Hg.): Ökonomien des Lebens. Zum Wirtschaften der Geschlechter<br />

in Geschichte und Gegenwart, Münster 2004<br />

Leuchtenmüller, Birgit: Die gesellschaftliche Situation der Frau – Funktionsteilung und<br />

Rollendifferenzierung in sozialhistorischer Sicht, in: Beiträge zur Historischen Sozialkunde, 8. Jg., Nr. 3,<br />

Salzburg 1978<br />

Markov, Walter, Albert Soboul: 1789. Die Große Revolution der Franzosen, Köln 1980<br />

Michalik, Kerstin: Der Marsch der Pariser Frauen nach Versailles am 5. und 6. Oktober 1789. Eine Studie<br />

zu weiblichen Partizipationsformen in der Frühphase der Französischen Revolution, Forum<br />

Frauengeschichte, Band 3, Pfaffenweiler 1990<br />

Opitz, Ursula: Frauenalltag im Spätmittelalter, in: Georges Duby, Michelle Perrot: Geschichte der Frauen.<br />

Mittelalter (Bd.2), Frankfurt/M, New York 1993, S. 283-339<br />

Pasolini, Pier Paolo: Mamma Roma, 1962<br />

Perrot, Michelle: Rebellische Weiber. Die Frau in der französischen Stadt des 19. Jahrhunderts, in:<br />

Claudia Honegger, Bettina Heinz (Hg.): Listen der Ohnmacht. Zur Sozialgeschichte weiblicher<br />

Widerstandsformen, Frankfurt /M. 1981, S. 71-98<br />

Rentschler, Petra: Lohnarbeit und Familienökonomie. Zur Frauenarbeit im Zeitalter der Französischen<br />

Revolution, in: Viktoria Schmidt-Linsenhoff (Hg.): Sklavin oder Bürgerin? Französische Revolution und<br />

Neue Weiblichkeit 1760-1830, Marburg 1989, S. 223-246<br />

Ruf, Irinell: Yaaa Sayyidda, Du Großzügige, Du Kluge, Du Schöne. Ein Beitrag zur feministischen<br />

Theoriebildung. Eine ethnopsychologische Studie, Münster 1992<br />

Schildt, Gerhard: Frauenarbeit im 19. Jahrhundert, Pfaffenweiler 1993<br />

Schmidt-Linsenhoff, Viktoria (Hg.): Sklavin oder Bürgerin? Französische Revolution und Neue<br />

Weiblichkeit 1760-1830, Marburg 1989<br />

Schötz, Susanne: Handelsfrauen in Leipzig. Zur Geschichte von Arbeit und Geschlecht in der Neuzeit,<br />

Köln Weimar Wien 2004<br />

Schötz, Susanne: Handelsfrauen und die verbotenen Praktiken des Tausches. Beobachtungen aus dem<br />

Leipziger Detailhandel des 16. bis 19. Jahrhunderts, in: Dies. (Hg.): Leipzigs Wirtschaft in Vergangenheit<br />

und Gegenwart. Akteure, Handlungsspielräume, Wirkungen (1400 - 2011), Leipzig 2012, hier: Typoskript<br />

Süßkind, Patrick: Das Parfum. Die Geschichte eines Mörders, Zürich 1985<br />

Thompson, Edward P.: Die Entstehung der englischen Arbeiterklasse (2 Bd.), Frankfurt / M 1987<br />

Uitz, Erika: Zur wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation von Frauen in ausgewählten<br />

spätmittelalterlichen Städten, in: Barbara Vogel, Ulrike Weckel (Hg): Frauen in der Ständegesellschaft.<br />

Leben und Arbeiten in der Stadt vom späten Mittelalter bis zur Neuzeit, Hamburg 1991, S. 89-115<br />

Wensky, Margret: Die Frau in Handel und Gewerbe vom Mittelalter bis zur frühen Neuzeit, in: Hans Pohl<br />

(Hg): Die Frau in der deutschen Wirtschaft, Stuttgart 1985, S. 30-44<br />

Zola, Emile: Der Bauch von Paris, München 1974<br />

Ruth May<br />

Arbeitspolitik, Arbeitsteilung, Aufstand, Bauern, einfache Warenproduktion, einfache<br />

Zirkulation, Fabrik, Feminisierung der Arbeit, Frauenarbeit, Frauenarbeitspolitik,<br />

Frauenemanzipation, Geschlechterverhältnisse, Handel, häusliche Produktionsweise,<br />

Industrialisierung, Kleinbauern, kleine (einfache) Warenproduktion, Köchin, Kurtisane,<br />

Marginalisierung, Markt, Öffentlichkeit, Subsistenzproduktion, vorkapitalistische<br />

Produktionsweisen, Werbung, Widerstand, Zirkulation<br />

INKRIT 2013 NICHT ZITIERFÄHIGER TEXTENTWURF DRAFT, DO NOT QUOTE WITHOUT AUTHOR’S PERMISSION 8

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!