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PAS - Elterliches Entfremdungssyndrom

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<strong>PAS</strong> - <strong>Elterliches</strong> <strong>Entfremdungssyndrom</strong><br />

Der amerikanische Forscher R.A. Gardner hat in den Jahren um 1984 zu diesem<br />

Phänomen der vollständigen Abspaltung eines Elternteils Forschungen angestellt (vgl.<br />

Richard A. Gardner, Recent Trends in Divorce and Custody Litigation, 1985). In<br />

seiner Tätigkeit als Psychiater der Columbia-Universität, USA hat er als psychiatrischer<br />

Sachverständiger bei Sorge / Umgangsentscheidungen häufig beobachtete<br />

Verhaltensmuster erkannt. Seine Ergebnisse fasste er zusammen unter dem Begriff „<strong>PAS</strong>“<br />

– Parental Alienation Syndrome – <strong>Elterliches</strong> <strong>Entfremdungssyndrom</strong>.<br />

<strong>PAS</strong> bedeutet die kompromisslose Zuwendung eines Kindes zu einem – dem guten,<br />

geliebten – Elternteil und die ebenso kompromisslose Abwendung vom anderen, dem<br />

„bösen“ und gehassten.<br />

Bei <strong>PAS</strong> handelt es sich um Störungen, die fast ausschließlich im Zusammenhang mit<br />

Auseinandersetzungen bezüglich elterlicher Sorge/Umgang auftritt.<br />

In Anlehnung an Gardner werden von Leitner/Schoeler (in DA Vorm 1998, 850ff) drei<br />

Formen von <strong>PAS</strong> unterschieden:<br />

a) die leichte – erste Form<br />

äußert sich in Verunglimpfungen des anderen Elternteils und im Parteiergreifen<br />

gegen diesen, um sich die psychisch stärkere und zuträglichere Bindung zum<br />

entfremdenden Elternteil, der in der Regel der Sorgeberechtigte ist, zu<br />

erhalten. Die Besuche des anderen Elternteils vollziehen sich aber in diesen<br />

Fällen, von kleineren Schwierigkeiten bei der Übergabe abgesehen, unauffällig<br />

b) die mittelschwere Form<br />

hier tritt die Verunglimpfungskampagne bei der Übergabe in Erscheinung; die<br />

Kinder sind aber letztlich meist noch gewillt, mit dem besuchten Elternteil zu<br />

gehen, zeigen allerdings mitunter bereits offfenes Widerstreben. Dem Kind wird<br />

gleichgültig, dass es dem anderen Elternteil Leid verursacht. Ist es der Aufsicht<br />

durch den entfremdenden Elternteil entzogen, legt es jedoch seine Vorbehalte<br />

ab und verhält sich bei dem entfremdeten Elternteil relativ gutwillig.


c) schwere Form<br />

Kinder der schweren Kategorie verhalten sich regelrecht fanatisch. Sie können<br />

bei der Aussicht, den anderen Elternteil besuchen zu müssen, in Panik<br />

verfallen und zeigen dem anderen offene Feindseligkeit, neigen auch dazu,<br />

über den entfremdeten Elternteil abwegige Dinge zu verbreiten.<br />

Ursachen<br />

Gardner sieht für das Verhalten der Kinder drei Ursachen:<br />

a) die teils bewusste, teils unbewusste Programmierung (Gehirnwäsche, Manipulation)<br />

durch den betreuenden Elternteil, die zum Ziel hat, die Liebe des Kindes zum anderen<br />

Elternteil zu zerstören und diesen aus dem Leben des Kindes zu eliminieren<br />

b) vor dem Hintergrund der Manipulation von dem Kind entwickelte eigene Geschichten,<br />

die über das Ziel der Manipulationen des programmierenden Elternteils hinausgehen<br />

c) äußere situative Lebensbedingungen der Familie wie bsp. Wegziehen ins Ausland,<br />

Beeinflussung durch Angehörige usw.<br />

Die Freiburger Psychologin Ursula C. Kodjoe sieht in ihrem Artikel „The Parental<br />

Alienation Syndrome, (veröffentlicht im Amtsvormund 1/1998) andere Ursachen: Nach<br />

den Erfahrungen der Elterntrennung und dem Auszug eines Elternteils ist das Kind<br />

beherrscht von der Angst, nun auch den anderen zu verlieren. Das Kind schlage sich<br />

daher aus Sicherheitsbedürfnis und Abhängigkeitsgründen auf die Seite dessen, mit dem<br />

es lebt.<br />

Folgen<br />

Kinder brauchen beide Elternteile für eine gesunde physische und psychische<br />

Entwicklung. Kinder – auch Kinder mit <strong>PAS</strong> – lieben beide Eltern und wollen beide Eltern<br />

lieben dürfen. Die aufgezwungene Ablehnung hat massive Auswirkungen auf die spätere<br />

Beziehungsfähigkeit der Kinder.<br />

<strong>PAS</strong>-Kinder suchen im Pubertäts-Alter oft den Kontakt zu dem „abgespaltenen“ Elternteil.


Dies hat in vielen Fällen zur Folge, dass die Jugendlichen sich von dem ehemals<br />

betreuenden Elternteil betrogen fühlen, wenn sie das wahre Wesen des ehemals<br />

„abgespaltenen“ Elternteils erkennen. Da die Eltern-Kind-Beziehung zu dem<br />

abgespaltenen Elternteil nachhaltig gestört wurde, vermag die Zeit der Entfremdung nicht<br />

nachgeholt zu werden.<br />

In vielen Fällen wenden sich die Jugendlichen nunmehr von dem ehemals betreuenden<br />

Elternteil ab, der in die Rolle des Täters rutscht, weil er den Kontakt zu dem anderen<br />

Elternteil unterbunden hatte.<br />

Im Ergebnis verlieren die Kinder durch <strong>PAS</strong> in vielen Fällen beide Elternteile.<br />

<strong>PAS</strong> in der Rechtssprechung<br />

Die Obergerichte haben auf die Warnungen der Psychologen reagiert.<br />

In einem Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt/M. vom 03.09.2002 (vgl. 1 UF<br />

103/00) hat der 1. Senat für Familiensachen erkannt:<br />

„Bei nicht nachvollziehbarer und dauerhafter Weigerung eines Elternteils, den Umgang<br />

des anderen Elternteils mit den gemeinsamen Kindern zu ermöglichen, kann eine<br />

gerichtliche Umgangsregelung mit der Verpflichtung verbunden werden, die Kinder zur<br />

Durchführung des Umgangs herauszugeben. Um die Verpflichtung zur Herausgabe<br />

durchzusetzen, kommt Zwangshaft und die Anwendung von Gewalt gegen den sich<br />

weigernden Elternteil in Betracht.“<br />

In einem weiteren Beschluß hat das Oberlandesgericht Frankfurt/M. – 6. Familiensenat in<br />

Darmstadt am 26.10.2000 (vgl. 6 WF 168/00) entschieden:<br />

„In hartnäckigen Umgangsrechts-Verweigerungsfällen („<strong>PAS</strong>“) ist als letztes Mittel der<br />

Entzug der elterlichen Sorge gemäß § 1666 BGB in Betracht zu ziehen.“<br />

Anwaltliches Vorgehen bei <strong>PAS</strong>


In meiner beruflichen Erfahrung bei Sorgerechts- und Umgangskonflikten hat sich gezeigt,<br />

dass es nicht allein darauf ankommt, ob ein Elternteil „gewinnt“ oder „verliert“. Am Ende<br />

des Verfahrens wird sich zeigen, ob die involvierten Kinder zu den Verlierern zählen, weil<br />

sie den Kontakt zu mindestens einem Elternteil verloren haben.<br />

Nach meiner Erfahrung spielt es eine große Rolle, wie sehr es die Anwältin/Anwalt<br />

versteht, sachlich zu bleiben und als Fokus der Beratung das Kindeswohl im Auge behält.<br />

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© Rechtsanwältin Sabine Mayer.<br />

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