Betriebe sollen Jugendliche mehr motivieren - Jobcenter Herford
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Friedel Böhse<br />
<strong>Betriebe</strong> <strong>sollen</strong> <strong>Jugendliche</strong> <strong>mehr</strong> <strong>motivieren</strong><br />
Arbeitsmarktpolitisches Gespräch behandelt Ausbildungsplatzsituation in<br />
Löhne – Kritik an Übergangssystem<br />
Von SonjaGruhn<br />
Löhne(LZ). In Sachen Ausbildung sieht es in Löhne nicht rosig aus. Das ist im arbeitsmarktpolitischen<br />
Gespräch deutlich geworden. Wer letztendlich dafür verantwortlich ist, darüber herrschte zwischen den<br />
Teilnehmern im Rathaus Uneinigkeit.<br />
Viel<strong>mehr</strong> wurde der Schwarze Peter zwischen der zuständigen Arbeitsagentur mit <strong>Jobcenter</strong> und Bildungsbüro<br />
des Kreises, den Berufskollegs, den Schulen und den <strong>Betriebe</strong>n hin und her geschoben. Zunächst hatte<br />
Bürgermeister Heinz-Dieter Held auf die Problematik des doppelten Abiturjahrgangs hingewiesen, die er aber für<br />
die <strong>Betriebe</strong> als Chance aufgrund der größeren Auswahl sehe.<br />
Klaus Meister, Geschäftsführer der Agentur für Arbeit <strong>Herford</strong>, stellte die Lage am Ausbildungsmarkt für den<br />
Agenturbezirk <strong>Herford</strong> dar. So sei bei der Anzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge nach einem<br />
Höchststand in den Jahren 2007 / 2008 im Rahmen der Wirtschaftskrise ein Rückgang zu verzeichnen gewesen.<br />
Inzwischen bewege sich der Wert wieder auf dem Niveau der Jahre vor 2007. Der Trend gehe hin zu<br />
Übergangslösungen wie Bundesfreiwilligendienst, Auslandsaufenthalte mit Work and Travel, Au-pair-Stellen und<br />
Berufskollegs. »Im Vergleich zu 2012 haben sich bereits 392 Schulabgänger <strong>mehr</strong> an den Berufskollegs<br />
angemeldet«, sagte Meister. »Von den Beschäftigten in Betriebsstätten im Kreis <strong>Herford</strong> ist ein Anteil von fast 80<br />
Prozent in kleinen und Kleinstbetrieben tätig.«<br />
Sylvia Stich vom <strong>Jobcenter</strong> <strong>Herford</strong> ging auf die Zahlen für Löhne ein. So lebten derzeit 2400 Menschen von<br />
Hartz IV, davon seien 1027 Kinder und <strong>Jugendliche</strong> bis 25 Jahre. »340 der <strong>Jugendliche</strong>n zwischen 15 und 24<br />
werden im Bereich U25 des <strong>Jobcenter</strong>s betreut, 40 Prozent davon sind arbeitssuchend.« Die Zahl derer in<br />
Entlassklassen, die anschließend auf eine andere Schulform wechseln möchten, hätte sich gegenüber 2012<br />
beinahe verdoppelt, bestätigte Stich den Trend. Nur noch jeder fünfte Schüler strebe an, direkt in eine Ausbildung<br />
oder ins Studium zu gehen. Grund sei, dass die Hürden für eine betriebliche Ausbildung von Eltern und Kindern<br />
als zu hoch angesehen werden und in einem höherwertigen Schulabschluss eine bessere Perspektive gesehen<br />
werde. Stich nannte weitere Zahlen: 73 Prozent der Schüler aus dem Leistungsbereich Hartz IV haben keinen<br />
Berufs-, zwölf Prozent keinen Schulabschluss. »Die Zahlen sind im NRW-Vergleich <strong>mehr</strong> als doppelt so hoch.«<br />
Bianca Gollers von der Geschäftsstelle des Bildungsbüros des Kreises ging detailliert auf unterstützende<br />
Maßnahmen zur Förderung ein und beleuchtete das neue Übergangssystem Schule – Beruf, das unter anderem<br />
Online-Anmeldungen an Berufskollegs möglich macht.<br />
Stefan Klute vom August-Griese-Berufskolleg, zuständig für den Übergangsbereich, sagte: »Das neue System ist<br />
zwar eine deutliche Entlastung, aber die Berufskollegs bleiben erstmal als Notlösung.« Es erfordere zudem, dass<br />
viele Praktikumsplätze bereitgehalten werden. »Das ist eine große Herausforderung für die <strong>Betriebe</strong>.« Klute<br />
sprach sich dafür aus, dass die <strong>Betriebe</strong> <strong>mehr</strong> tun sollten, um jungen Leuten die Berufe nahe zu bringen. Für die<br />
Berufskollegs sei es wichtig, besser die Motivationen bei den Schülern zu erkennen und sie besser zu beraten. In<br />
allgemeinbildenden Schulen gebe es zudem auch Defizite.<br />
Thomas Kötz, Schulleiter des privaten Berufskollegs OWL, Bad Oeynhausen, meinte, dass die Schulen<br />
ausreichend ausbildeten. Er kritisierte, dass die Verantwortlichen in den <strong>Betriebe</strong>n selbst mitunter lediglich einen<br />
Volksschulabschluss hätten oder bereits nach der achten Klasse für eine Ausbildung abgegangen seien, nun<br />
aber Abiturienten als Bewerber verlangten. Irmgard Pehle, Vorsitzende des DGB-Kreisverbandes <strong>Herford</strong>,<br />
betonte, dass weder das alte noch das neue System eine Lösung biete.<br />
Es gebe immer noch einen klaren Mangel an Kenntnis über die Berufe, der nicht in kurzen Praktika oder durch<br />
Vorträge beseitigt werden könne. Pehle plädierte dafür, die Eltern <strong>mehr</strong> einzubeziehen und bei unbeliebten<br />
Arbeitsplätzen auf bessere Bezahlung zu setzen.<br />
Friedel Böhse, ehemals Leiter eines Berufskollegs, betonte, dass <strong>Jugendliche</strong> mit Defiziten ohne unterstützende<br />
Maßnahmen nicht an eine Ausbildung herangeführt werden könnten. »Wir sind bundesweit der Kreis mit der<br />
schlechtesten Ausbildungssituation.« Den <strong>Jugendliche</strong>n eine Chance zu geben, müsse für alle eine Pflicht sein.
Das Resümee des Bürgermeisters lautete: »Wir brauchen <strong>mehr</strong> ausbildungswillige <strong>Betriebe</strong> und müssen die<br />
Schüler mit den <strong>Betriebe</strong>n zusammenbringen. Das geht insbesondere gut über Praktika, die vielleicht ausgebaut<br />
werden müssen.«<br />
Artikel vom 01.05.2013