Gelbe Freiheits-Losung im Gartenpark - 1968 - Einschluss.de

©Andrea Herz
- Sommerferien 1968 -
- Erfurt -
- Tatort-Foto, rechts -
Meldung: „Schmiererei“
Polizei und Stasi ermitteln
- 10 Tage später:
Verhaftung eines Drucker-
Lehrlings (17 Jahre) -
Gerichtsurteil:
2 Jahre/2 Monate Haft
„Am 21.8.1968 ging ich mit meinem
Schulfreund in den Brühler Garten,
wo wir mehrere mir unbekannte
Jugendliche trafen.
Dort unterhielten wir uns
über die Ereignisse in der ČSSR,
wobei ich aussprach, dass ich den
Einmarsch der Truppen nicht billige.
Ich entsinne mich, dass einer ein
Kofferradio bei sich hatte und Nachrichten
über die ČSSR empfing und
zwar von einem Westsender.
Im Verlaufe der Unterhaltung ergab
sich, dass ich mich mit einem ca.
14jährigen, kleinen dunkelblonden
Jugendlichen näher unterhielt und
äußerte, dass man mit Losungen
oder ähnlichem etwas gegen den
Einmarsch der Truppen tun muss.
BILDUNGSWELT - ARBEITSBLATT
Gelbe Freiheits-Losung
im Gartenpark - 1968
Die originale Aussage im Polizei-Verhör:
Im August 1968 protestierten in ganz
Thüringen Menschen mittels Demo,
Flugblatt, Inschrift, Worten.
Sie kritisierten die äußere Einmischung
und die Militäraktion der
- von der DDR-Regierung unterstützten
- Sowjetunion gegen das
sozialistische Nachbarland.
Sie wussten, dass die Mehrzahl
der Tschechen und Slowaken diese
Entwicklung wollte.
Sie sahen, dass mit der Niederschlagung
der tschechisch-slowakischen
Sozialismus-Reformen auch
die Hoffnung auf ähnliche Veränderungen
in der DDR verschwanden.
Damit war er auch einverstanden.
Auf meine Frage, ob er dazu Farbe
hatte, antwortete er mit ja.
Wir verabredeten uns daraufhin für
20.00 Uhr zum Brühler Garten,
wo er die Farbe und ich einen Pinsel
mitbringen wollte.
Dazu muss ich sagen,
dass die anderen Jugendlichen,
die in einiger Entfernung standen,
nichts mitbekamen.
Um 20.00 Uhr trafen wir uns dann
auch am Brühler Garten.
Von zu Hause hatte ich einen Pinsel
mitgebracht und der Kleine hatte
die Farbe (gelbe Ölfarbe) bei sich.
Wir gingen zunächst zur IGA-Freilicht
bühne, wo wir uns den Film ‚Das
große Rennen um die Welt’ ansahen.
Da der Kleine kein Geld hatte,
bezahlte ich den Eintritt.
Als dann während des ‚Augenzeugen’
ein Bericht über den Einmarsch
sowjetischer Truppen in die ČSSR
gegeben wurde, rief ich laut ‚pfui’.
Nach der Filmveranstaltung [...]
benutzten wir den von der Glashalle
aus gesehen links liegenden Weg.
An einem Rondell ließ ich mir
von dem Kleinen die Farbe geben.
Während er aufpasste, dass uns
niemand überraschte, schrieb ich
auf das Rondell die Losung
‚Freiheit für die ČSSR’.
Anschließend gingen wir noch
zusammen zur Obus-Haltestelle
und verabschiedeten uns. [...]
Die IGA wählte ich deshalb aus,
weil dort am nächsten Tage, also
am 22.8.1968, Eröffnung sein sollte.
Damit hätte ich erreicht,
dass eine große Anzahl Menschen
diese Losung sehen. […]
Mit dem Anbringen oder Anschmieren
der Hetzlosungen wollte ich den
anderen Menschen demonstrieren,
dass es auch in der DDR Kräfte gibt,
die gegen das Eingreifen in
die Angelegenheiten der ČSSR sind.
Deshalb forderte ich auch deren
Freiheit, das heißt den Abzug der
Truppen. Die Menschen sollten
mit diesen Losungen selbst dazu
veranlasst werden, dass sie sich
gegen die Maßnahmen richteten.“
(Polizeimitschrift, leicht gekürzt, aber original)
AKTIV SEIN:
1. Hat der 17-Jährige andere beschützt oder gefährdet?
2. Stellen Sie sich vor, ein Schulfreund fragt Sie, was er dem
17-Jährigen (den er kennt) in einem Brief ins Gefängnis
schreiben soll. - - - Was empfehlen Sie ihm und warum?

©Andrea Herz
Pressefreiheit - oder
breiter: freie Meinung
und öffentliche Kritik -
ist eindeutig Knackpunkt
der Konflikte in Prag und
auch der DDR.
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Suchen Sie bitte den Artikel
zur freien Meinungsäußerung
in Grundgesetz oder
Menschenrechtserklärung.
Warum bezeichnen Demokraten
ihn als „Grundrecht“?
Proteste nach dem 21.8.
Strafverfahren gegen
1290 Menschen
Stasi-Meinungs-Bericht
aus Kreis Meiningen:
Unter Kreisen der Jugend
ist die Diskussion stark
verbreitet, dass unsere
Sender nicht die Wahrheit
über die Lage in der ČSSR
berichten,
nur die Westsender würden
die Wahrheit bringen.
Des weiteren bringen eine
Reihe von Jugendlichen
ihre Sympathie für Dubček
zum Ausdruck.
Ihrer Meinung nach sei
Dubček auch für den
Sozialismus,
jedoch für einen
Sozialismus in ‚Freiheit’.
(BStU, MfS, KD Meiningen,
Nr. 1086, Bl. 113)
Weiterführend:
Strafurteile-Grundlage oft:
§ 106 staatsfeindliche Hetze
(1) Wer mit dem Ziel, die sozialistische
Staats- oder Gesellschaftsordnung
der DDR zu schädigen oder gegen sie
aufzuwiegeln,
1. Schriften, Gegenstände oder
Symbole, die die staatlichen,
politischen, ökonomischen
oder anderen gesellschaftlichen
Verhältnisse der DDR diskriminieren,
einführt, herstellt, verbreitet oder
anbringt; ...
wird mit Freiheitsstrafe von einem
Jahr bis zu fünf Jahren bestraft.
§ 108 Hetze gegen andere
sozialistische Länder
IGA: Internationale (sozialistische) Gartenbau-Ausstellung, nach 1961 regelmäßige
Schauenmit viel Besuchern, sonst: Freizeitpark mit Kino u.a.
„AUGENZEUGE“: Kino-Vorprogramm mit politisch-gefärbten DDR-Nachrichten
ČSSR - übersetzt: Tschechisch-Slowakische Sozialistische Republik
Obus: Oberlinien-Bus (mit elektrischer Leitung) damals in Erfurt
mehr Hintergrund: 1945bis1990.de/dow/manuskript_thueringen_im_fruehling_1968
ab 2013 mehr Material: 1945bis1990.de/geschichtswelt/1968
ERWEITERTES ARBEITSBLATT
Gelbe Freiheits-Losung
im Gartenpark - 1968
in der DDR:
Übersicht:
Flublätter
davon
1200 wegen „Hetze“
850 jünger als 24
12 wichtigste Daten 1968:
12/67 Prag: interne Kritik am
stalinistischen Kurs der
Parteispitze; jetzt: Dubček
4. 3. Prag: allg. Pressefreiheit
22.3. Prag: allg. Protest erreichte
Rücktritt des Präsidenten
5.4. Prag: Aktionsprogramm
für mehr Freiheit im Sozialismus
(Meinungsfr. etc.)
Mai Moskau/Ostberlin/Budapest:
Kritik an Reformprozess
25.6. Prag: neue Gesetze -
Zensurverbot, Rehabilitierung
Verfolgter, Gleichberechtigung
der Slowaken
14.7. Warschau: Treffen von 5
Ostblock-Ländern (darunter
DDR) - Vorwurf der
„Konterrevolution“ in Prag
29.7. Sowjet-Chef Breshnew traf
Dubček - Ultimatum gegen
Reform und Pressefreiheit
21.8. ab nachts - Einmarsch der
Sowjetarmee in ČSSR,
Militärbesatzung,
Verschleppung Dubčeks,
DDR-Armee an tschech.
Grenze einmarschbereit
22.8. ff. viele Protestakte in DDR,
viele Verhaftungen
27. 8. „Moskauer Protokoll“,
Rücknahme der Reformen,
Freilassung Dubčeks
3. 10. sowj.-tschech. Verhandlungen
zu Truppenrückzug;
Besatzungsrecht bleibt