17.03.2014 Aufrufe

Häusliche Gewalt - Manual für Fachleute - Kantonspolizei Zürich

Häusliche Gewalt - Manual für Fachleute - Kantonspolizei Zürich

Häusliche Gewalt - Manual für Fachleute - Kantonspolizei Zürich

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Kanton <strong>Zürich</strong><br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> –<br />

<strong>Manual</strong> <strong>für</strong> <strong>Fachleute</strong>


Ab 1. Januar 2014<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong><br />

<strong>Kantonspolizei</strong> <strong>Zürich</strong>, Präventionsabteilung<br />

Postfach<br />

8021 <strong>Zürich</strong><br />

Tel: 044 247 31 15<br />

Mail: ist@kapo.zh.ch<br />

www.ist.zh.ch<br />

Autorinnen und Co-Leiterinnen der IST bis 31. Dez. 2013<br />

Franziska Greber, M.A.<br />

Psychotherapeutin ASP, Coach und Supervisorin BSO<br />

Mail: fgreber@bluewin.ch<br />

Cornelia Kranich, lic. iur.<br />

Rechtsanwältin, Mediatorin<br />

Mail: kranich@kgr.ch<br />

Assistentin<br />

Monika Maurer<br />

Fotos: Franziska Greber<br />

3. Auflage (2013)


Gemeinsam gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />

Vor Ihnen liegt die überarbeitete 3. Auflage des Kurzmanuals.<br />

Seit der Erstauflage im September 2008 konnten mit dem Kooperationsgremium<br />

wichtige Strategien im Vorgehen gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> entwickelt<br />

werden. Die Auswertung von über 2'600 GSG-Fällen brachte Erkenntnisse,<br />

die zu mehr Differenzierungen nötigten. In einer Arbeitsgruppe<br />

zur Optimierung des Vorgehens gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> nach<br />

dem Pfäffiker Tötungsdelikt im August 2011 wurden Schnittstellen angegangen<br />

und Lücken im Vorgehen, namentlich bezüglich des Risk-<br />

Assessments und des Risk-Managements erkannt und benannt. Einige<br />

neuere Studien, so auch die Auswertung des Pilotprojektes zur zeitnahen<br />

Kinderansprache durch das MMI oder die Optimus-Studie zur sexuellen<br />

Viktimisierung von Kindern und Jugendlichen, zeigten drastisch die<br />

Notwendigkeit des koordinierten, inter- und transdisziplinären Vorgehens.<br />

Das erste Kapitel befasst sich mit dem Phänomen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> vor<br />

allem aus bio-psycho-sozialer Sicht. Erkenntnisse zur Psychologie von<br />

TäterInnen und Opfern sowie zur Dynamik <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> wurden<br />

vertieft und weiterentwickelt. Im Fokus steht nicht mehr nur die Partnergewalt<br />

des gewalttätigen Mannes gegen seine Frau. Stärker kommt das<br />

ganze Familiensystem in den Blick. Es wurde offenkundig, dass oft auch<br />

Kinder und Jugendliche direkt von <strong>Gewalt</strong> betroffen sind, auch sie nicht<br />

nur vom Vater, sondern auch von Geschwistern, von der Mutter und in<br />

partnerschaftlichen Jugendbeziehungen. Diese Erkenntnisse müssen <strong>für</strong><br />

Interventionen und deren Nachhaltigkeit mitberücksichtigt werden.<br />

Paare und Familien, in denen <strong>Gewalt</strong> vorkommt, gehen nicht zwingend<br />

auseinander. Dies auch als Folge von zuweilen schwierigen Bindungen<br />

und Abhängigkeitsverhältnissen zwischen den am <strong>Gewalt</strong>verhältnis beteiligten<br />

Familienmitgliedern. Deshalb müssen auch Massnahmen entwickelt<br />

werden, die mit Paaren und/oder Familien als System arbeiten.<br />

Das kann nur Erfolg zeigen, wenn eine genaue Analyse der Paar- und<br />

Familiensituation unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Tätertypen<br />

und Bindungsmuster der Opfer voraus- gegangen ist.<br />

Das zweite Kapitel befasst sich mit den kurzfristigen Schutzmöglichkeiten<br />

des Zürcher <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes. Seit der letzten Auflage wurde<br />

der Einbezug der Kinder in die Kontaktverbote von der Rechtsprechung<br />

ausdifferenziert. Gerade vor Drucklegung wurde ein Fall mitgeteilt, in<br />

welchem eine KESB unmittelbar nach Eintreffen der polizeilichen Gefährdungsmeldung<br />

die Anhörungen durchgeführt hat und noch während<br />

verlängertem GSG-Kontaktverbot mit einer situationsadäquaten Kindesschutzmassnahme<br />

reagierte. Damit konnte das generelle GSG-<br />

Kontaktverbot aufgehoben werden - ein Vorgehen, von dem wir hoffen,<br />

dass es Schule machen möge.<br />

Wenn Sie sich <strong>für</strong> die Kapitel über Schutzmöglichkeiten im Straf-, Zivilund<br />

Kindesrecht oder <strong>für</strong> ausländerrechtliche Fragen interessieren, finden<br />

Sie diese auf dem Stand der Bearbeitung auf der Internetadresse<br />

www.ist.zh.ch.<br />

Wir danken <strong>für</strong> Ihr Interesse.<br />

<strong>Zürich</strong>, im November 2013<br />

Franziska Greber Cornelia Kranich<br />

Co-Leiterinnen<br />

Direktion der Justiz und des Innern/Generalsekretariat (bis 31.12.2013)<br />

Ab 01.01.2014 ist die IST bei der Präventionsabteilung der KAPO ZH angegliedert.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch


Kanton <strong>Zürich</strong><br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />

Kapitel 1<br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache?


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Inhaltsverzeichnis, November 2013<br />

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1<br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache?<br />

100 Grundlagen <br />

101 • Was ist <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>? Verschiedene Definitionen November 2013<br />

102 • <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> im Kanton <strong>Zürich</strong> November 2013<br />

103 • Formen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> bei Erwachsenen und Minderjährigen November 2013<br />

104 • Stalking November 2013<br />

105 • Psychologie und Dynamik <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> November 2013<br />

106 • Multikonstellationelle und multikontextuelle (<strong>Häusliche</strong>) <strong>Gewalt</strong> November 2013<br />

107 • Kinder als Opfer <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> November 2013<br />

108 • Corinna Seith 1961 - 2010 Juli 2011<br />

• Kinder und <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine Herausforderung <strong>für</strong> Behörden und Fachstellen<br />

von Corinna Seith<br />

Dezember 2006<br />

109 • Minderjährige, die <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ausüben November 2013<br />

110 • <strong>Gewalt</strong> in Betagtenbeziehungen und gegen pflegebedürftige Menschen November 2013<br />

111 • Postvention und Paarberatung nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> November 2013<br />

112 • Neurowissenschaftliche und forensische Aspekte in der Behandlung gefährdender Personen<br />

November 2013<br />

113 • Verletzungen und gesundheitliche Folgen körperlicher <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> November 2013<br />

114 • Rechtliche Interventionen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> (Übersicht) November 2013<br />

115 • Nachweis <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> November 2013<br />

116 • Die IST im Rückblick und Heute November 2013<br />

Dazu: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Serviceteil im Kapitel 9<br />

<br />

901 • Wichtige Zürcher Adressen November 2013<br />

902 • Weiterführende Links September 2011<br />

903 • Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme November 2013<br />

904 • Gesetzesabkürzungen, allgemeine Abkürzungen November 2013<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Was ist <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>? Verschiedene Definitionen, November 2013<br />

101 Was ist <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>? Verschiedene Definitionen<br />

Es gibt mehrere Definitionen des Begriffs "<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>". Der Blickwinkel und das Verständnis der<br />

Forschenden prägen die von ihnen favorisierte Definition. Die einen bevorzugen eine eher enge, die anderen<br />

eine weitere Definition. Bundesrechtlich gibt es keine Legaldefinition. In den kantonalen Polizeigesetzen<br />

finden sich vereinzelt Definitionen. Allen ist eigen, dass „häuslich“ nicht adjektivisch, also im Sinne<br />

von „im Haus“ verstanden wird, sondern an die Beziehungskonstellation, die Partnerschaft, Beziehung<br />

oder Verwandtschaft anknüpft. Dies ist der Grund, weshalb in unseren Publikationen „Häuslich“ im Sinne<br />

eines Begriffes grossgeschrieben wird. <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> geschieht also nicht nur im Privatbereich der<br />

Beteiligten, sondern kann auch im öffentlichen Raum stattfinden.<br />

In den Sozialwissenschaften wird oft die Definition von Daniela Gloor und Hanna Meier (vgl. Gloor, Meier<br />

2004) verwendet: „Als <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> bezeichnen wir <strong>Gewalt</strong> unter erwachsenen Menschen, die in<br />

einer engen sozialen Beziehung stehen oder standen. Das bedeutet in den meisten Fällen eine Partnerschaft<br />

oder eine Verwandtschaftsbeziehung“.<br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ist, wenn man die gemäss <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz im Kanton <strong>Zürich</strong> getroffenen Massnahmen<br />

betrachtet, zu über 90% heterosexuelle, (ex)-partnerschaftliche <strong>Gewalt</strong> von erwachsenen Männern<br />

gegen erwachsene Frauen. 1 Die meisten empirischen Studien und die daraus entwickelten Theorien,<br />

Konzepte und Modelle beschreiben und fokussieren deshalb dieses <strong>Gewalt</strong>verhältnis.<br />

Psychosoziale Erklärungsmodelle, auf die sich Fachpersonen in der Regel stützen, sind den häufigsten<br />

Fällen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> angemessen. Für einen Teil der gewaltausübenden Personen genügen diese<br />

Erklärungsansätze aber nicht. So z.B. <strong>für</strong> Personen, deren gewalttätiges Handeln auf eine Krankheit oder<br />

auf unfallbedingte Einschränkungen, Veränderungen oder Störungen (in Folge eines Hirntumors, einer<br />

Hirnprellung, einer Demenz, einer unbehandelten Schizophrenie-Erkrankung etc.) zurückzuführen ist.<br />

Auch Suchtkrankheiten können mit <strong>Gewalt</strong> einhergehen. Der Konsum von Alkohol und anderen Drogen<br />

erhöht zwar nicht zwingend die Aggressivität, beeinträchtigt aber (ähnlich wie bestimmte Hirnfunktionsstörungen)<br />

die Selbststeuerungsfähigkeit und begünstigt <strong>Gewalt</strong> durch ihre enthemmende Wirkung. Neue<br />

Studien gehen davon aus, dass in etwa 25% der Fälle <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> Alkohol involviert war. Ein umfassendes,<br />

mehrdimensionales und „bio-psycho-soziales“ Verständnis der komplexen Phänomene <strong>Häusliche</strong>r<br />

<strong>Gewalt</strong> ist deshalb notwendig. Die internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung<br />

und Gesundheit (ICF) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) adaptierte das von Engel 1977 (mehrheitlich<br />

in der Medizin verwendete) bio-psycho-soziale Modell zu einem multidimensionalen, holistischen Gesundheits-<br />

und Krankheitsmodell. Dass Menschen mit Hirnfunktionsstörungen, psychischen Erkrankungen<br />

oder Suchmittelabhängigkeit gewalttätiger sind als Gesunde, darf daraus aber nicht abgeleitet werden.<br />

Was jedoch von zentraler Bedeutung ist: Die Betroffenen – vor allem auch deren Angehörige – müssen<br />

nach gewalttätigem Verhalten dieser Personengruppe gefragt werden. Im Hellbereich der polizeilichen<br />

Interventionen besteht ausserdem eine Korrelation zwischen allgemeinem dissozialem Verhalten (z.B.<br />

Verkehrsregelverstösse, <strong>Gewalt</strong> im öffentlichen Raum, etc.) und <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>.<br />

Unter genderdifferenzierten Aspekten hält Barbara Kavemann zu <strong>Gewalt</strong>erfahrungen fest: „Frauen und<br />

Männer sind im Laufe ihres Lebens häufig Opfer von <strong>Gewalt</strong>, Männer etwas häufiger als Frauen. In beiden<br />

Fällen sind die <strong>Gewalt</strong>täter überwiegend Männer. Männer sind häufiger als Frauen Opfer von Körperverletzung,<br />

Frauen sind deutlich häufiger als Männer Opfer von Vergewaltigung und anderen Formen sexualisierter<br />

<strong>Gewalt</strong>. Auch der Kontext des <strong>Gewalt</strong>erlebens unterscheidet sich nach Geschlecht: Frauen werden<br />

häufiger Opfer durch Beziehungspartner oder Familienangehörige, Männer häufiger durch Bekannte<br />

oder Fremde. Frauen erleiden mehr <strong>Gewalt</strong> im privaten Raum, Männer häufiger im öffentlichen Raum.<br />

Auch die Risiken, die mit <strong>Gewalt</strong> einhergehen, sind unterschiedlich: Frauen werden häufiger als Männer<br />

im Kontext von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> verletzt oder getötet. Das Verletzungsrisiko <strong>für</strong> Frauen steigt, wenn die<br />

körperliche bzw. sexuelle <strong>Gewalt</strong> von einem Beziehungspartner ausgeht. Für Männer sinkt das Verletzungsrisiko,<br />

wenn die <strong>Gewalt</strong> von ihrer Beziehungspartnerin ausgeht.“ (Kavemann 2002)<br />

Einige Definitionen berücksichtigen zusätzlich den Aspekt der Ausnützung des Abhängigkeitsverhältnisses<br />

durch die mächtigere Person, die im partnerschaftlichen und/oder familiären Kontext meistens vorhanden<br />

ist.<br />

Der Umgang mit der Begrifflichkeit zeigt nicht nur den aktuellen Wissensstand, sondern auch die gesellschaftliche<br />

Haltung gegenüber <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. Definitionen erfassen mehr oder weniger Aspekte<br />

<strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> und/oder partnerschaftlicher bzw. familiärer <strong>Gewalt</strong>verhältnisse. Für darauf aufbauende<br />

Beratungs-, Präventions- und Interventionskonzepte (vgl. Büchler 2008) bedeutet dies, dass wichtige Bereiche<br />

berücksichtigt werden oder eben herausfallen.<br />

1 Vgl. Zahlen im folgenden Kapitel.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 101 / 1


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Was ist <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>? Verschiedene Definitionen, November 2013<br />

Im Informationsblatt Nr. 1 „Definition, Formen und Betroffene häuslicher <strong>Gewalt</strong>“ der Fachstelle gegen<br />

<strong>Gewalt</strong> des eidgenössischen Büros <strong>für</strong> die Gleichstellung von Mann und Frau findet sich ein aktualisierter<br />

Überblick (www.egb.admin.ch > Themen: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>).<br />

Definition im <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz<br />

Der Kanton <strong>Zürich</strong> hat im <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz (GSG) <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> wie folgt definiert:<br />

„<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> liegt vor, wenn eine Person in einer bestehenden oder einer aufgelösten familiären<br />

oder partnerschaftlichen Beziehung in ihrer körperlichen, sexuellen oder psychischen Integrität verletzt<br />

oder gefährdet wird“. Mit dieser Definition werden verschiedene familiäre und partnerschaftliche Beziehungskonstellationen<br />

erfasst:<br />

1. Erwachsene, die <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> androhen oder ausüben:<br />

- <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in erwachsenen (Ex-)Partnerschaften<br />

- <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> von Eltern gegen ihre Kinder/Jugendlichen (Stief-, Pflege- und Adoptiveltern)<br />

- <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in Betagtenbeziehungen<br />

- <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> von erwachsen Kindern gegen ihre (betagten) Eltern<br />

- <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> eines erwachsenen Geschwisters gegen ein anderes minderjähriges oder erwachsenes<br />

Geschwister (Stief-, Halb-, Adoptiv- und Pflegegeschwister, Cousinen und Cousins)<br />

2. Minderjährige, die <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> androhen oder ausüben:<br />

- <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> von Kindern/Jugendlichen gegen Eltern<br />

- <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> gegen Geschwister<br />

- <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in (ex-)partnerschaftlichen Jugendbeziehungen (<strong>Gewalt</strong> gegen FreundIn)<br />

Alle Beziehungskonstellationen müssen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> gleichzeitig in Betracht gezogen werden,<br />

damit der Opferschutz sichergestellt, <strong>Gewalt</strong>situationen deeskaliert und auch Gefährdende oder TäterInnen<br />

zur Verantwortung gezogen und adäquat beraten, evtl. behandelt werden können.<br />

Diese Definition impliziert auch verschiedene Arten von Gefährdeten (i.d.R. Opfer):<br />

- Erwachsene, die von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> durch Erwachsene betroffen sind,<br />

- Erwachsene, die von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> durch Minderjährige betroffen sind,<br />

- Erwachsene, die von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> durch Erwachsene und Minderjährige betroffen sind,<br />

- Minderjährige (Kinder/Jugendliche), die von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> durch Erwachsene betroffen sind,<br />

- Minderjährige (Kinder/Jugendliche), die von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> durch Minderjährige betroffen sind,<br />

- Minderjährige (Kinder/Jugendliche), die von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> durch Erwachsene und Minderjährige<br />

betroffen sind.<br />

Das Wissen um die verschiedenen <strong>Gewalt</strong>konstellationen und deren Erfragung und Erfassung hilft den in<br />

der Prävention, Intervention und der Postvention 2 gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> tätigen Fachpersonen und<br />

Organisationen, früh und rasch reagieren zu können.<br />

Häufig ist die sichtbare, eine polizeiliche Intervention auslösende <strong>Gewalt</strong>konstellation jene unter Erwachsenen.<br />

Zum Beispiel: Der Mann übt gegen die Frau <strong>Gewalt</strong> aus. Es kann aber sein, dass in derselben<br />

Familie noch anderweitig <strong>Gewalt</strong> ausgeübt wird, indem z. B. die Mutter die Kinder misshandelt oder unter<br />

den Geschwistern <strong>Gewalt</strong> ausgeübt wird. In Familien, in denen es solche „multikonstellationellen“ <strong>Gewalt</strong>beziehungen<br />

gibt, sind gefährdende Personen unter Umständen zugleich mehrfach gefährdend, oder Gefährdete<br />

möglicherweise mehrfache Opfer. Die Paar- und Familiendynamik wird durch „multikonstellationelle“<br />

<strong>Gewalt</strong>beziehungen entscheidend geprägt. Erschwerend ist, dass die Betroffenen selbst die ausgeübte<br />

<strong>Gewalt</strong> u. U. nicht zwingend als solche wahrnehmen, weil sie z.B. als „Erziehungsmethode“ gerechtfertigt<br />

wird. Eventuell sind ihnen <strong>Gewalt</strong>konstellationen nicht bekannt oder sie wollen sie nicht wahrhaben,<br />

wie dies bei sexueller <strong>Gewalt</strong> im <strong>Häusliche</strong>n Kontext oft beobachtet wird. Für polizeiliche, rechtliche<br />

und/oder soziale Interventionen (beratende, psychotherapeutische, seelsorgerische etc.) ist es entscheidend,<br />

sämtliche <strong>Gewalt</strong>konstellationen soweit als möglich zu erfragen und zu (er-)kennen, damit die einzuleitenden<br />

Massnahmen und entsprechenden Settings angepasst und auf die spezifische Situation ausgerichtet<br />

werden können.<br />

2 Postvention nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> ist ein professionelles Beratungs- und Begleitungskonzept <strong>für</strong> Paare, (Rest)-Familien und Kinder<br />

nach Vorfällen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 101 / 2


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> im Kanton <strong>Zürich</strong>, November 2013<br />

102 <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> im Kanton <strong>Zürich</strong><br />

Forschungen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

Eine aktualisierte und übersichtliche Zusammenstellung über die internationale Forschung wurde von der<br />

eidgenössischen Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong> herausgegeben. Wir verzichten deshalb an dieser Stelle auf<br />

eine Zusammenfassung und verweisen auf das Informationsblatt Nr. 16 „Aktueller Forschungsstand zu<br />

Opfern und Tatpersonen häuslicher <strong>Gewalt</strong>“der Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong> des eidgenössischen Büros <strong>für</strong><br />

die Gleichstellung von Mann und Frau (www.egb.admin.ch > Themen: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>).<br />

Studien im Kanton <strong>Zürich</strong><br />

Die Sozialwissenschafterinnen Daniela Gloor und Hanna Meier befragten im Zeitraum vom 1. Juli 2002 bis<br />

30. Juni 2003 alle eintretenden Patientinnen des Stadtspital und der Maternité Triemli. 1772 Daten von<br />

Patientinnen, die auf Deutsch, Spanisch, Englisch oder Serbokroatisch zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>erfahrung<br />

erhoben wurden, konnten ausgewertet werden. Ziel dieser Studie war nicht eine repräsentative Erfassung<br />

der Häufigkeit <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. Die Forscherinnen interessierten die gesundheitlichen Folgen chronischer<br />

<strong>Gewalt</strong> im Vergleich zu Frauen ohne aktuelle <strong>Gewalt</strong>erfahrung. Die Resultate deckten eine erschreckend<br />

hohe <strong>Gewalt</strong>belastung auf mit deutlicher gesundheitlicher Beeinträchtigung der <strong>Gewalt</strong>opfer. Damit<br />

wurde nachgewiesen, dass „<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> eine Krankheit“ ist, die in epidemiologisch relevantem<br />

Ausmass auftritt. Deshalb wird seit diesen Erkenntnissen im Stadtspital Triemli und in der Maternité<br />

screeningmässig nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> gefragt. Dadurch werden gezielte medizinische, psychosoziale<br />

und rechtliche Interventionen möglich.<br />

Silvia Steiner, die als Anklägerin und Polizeichefin arbeitet, untersuchte 907 Polizeiakten der Stadtpolizei<br />

<strong>Zürich</strong> aus den Jahren 1999 – 2001. Sie suchte nach Faktoren, die <strong>für</strong> <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> wirksam sind.<br />

Insbesondere interessierte sie der hohe Ausländeranteil. Eine der Schlussfolgerungen der Erhebung war,<br />

dass der Migrationshintergrund kein entscheidender Faktor <strong>für</strong> <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ist, sondern dass es eine<br />

Vielzahl von belastenden Faktoren sind, die <strong>Gewalt</strong> begünstigen.<br />

Statistiken zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

Statistisches Zahlenmaterial gibt es <strong>für</strong> die Schweiz und den Kanton <strong>Zürich</strong> wenig. Die Fachstelle <strong>Gewalt</strong><br />

des eidgenössischen Büros <strong>für</strong> Gleichstellung hat im Informationsblatt Nr. 9 „Zahlen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

in der Schweiz“ die greifbaren Zahlen aktualisiert zusammengestellt (www.ebg.admin.ch Thema: <strong>Häusliche</strong><br />

<strong>Gewalt</strong>).<br />

- Seit 2009 werden die Polizeidaten nach einheitlichen Kriterien auf eidgenössischer Ebene in der Polizeilichen<br />

Kriminalstatistik PKS zusammengefasst. Es handelt sich um eine Anzeigestatistik. Ein Auszug<br />

aus der PKS gibt Auskunft über Anzeigen wegen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>.<br />

- Aus der Schweizer Opferhilfestatistik können Zahlen zu Beratungen wegen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> eruiert<br />

werden.<br />

- Die Schweizerische Verurteilungsstatistik SUS gibt einen umfassenden Überblick über Verurteilungen<br />

nach Straftatbeständen. <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ist allerdings kein Straftatbestand. Einzig <strong>für</strong> einfache Körperverletzungen<br />

und Drohungen können die Verurteilungen wegen Partnergewalt gesondert ausgewiesen<br />

werden, da sie bei diesen Straftatbeständen ein Tatbestandsmerkmal ist.<br />

- Dass <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> tödlich sein kann, zeigt der Bericht über die vollendeten und versuchten Tötungsdelikte<br />

in der Schweiz von 2000-2004. Die Erhebung wurde auf Initiative der Fachstelle <strong>Häusliche</strong><br />

<strong>Gewalt</strong> vom Bundesamt <strong>für</strong> Statistik BFS durchgeführt. Durchschnittlich wurden jährlich 21.8<br />

Frauen und 3.6 Männer getötet. Jede zweite Frau lebte in Trennung. Jede fünfte <strong>Gewalt</strong>beziehung<br />

war der Polizei bereits bekannt.<br />

Es ist schweizweit unbekannt, wie viele Kinder durch elterliche Beziehungsgewalt betroffen sind.<br />

- Vom Bundesamt <strong>für</strong> Sozialversicherung werden alle zehn Jahre Zahlen zur <strong>Gewalt</strong> gegen Kinder erhoben.<br />

Die Zahlen zeigen das Erziehungsverhalten generell auf.<br />

- Unbekannt ist, wie viele Kindesschutzmassnahmen (freiwillig und angeordnete), d.h. Beistandschaften<br />

wegen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> angeordnet werden. Auch über Fremdplatzierungen in sozialpädagogische<br />

Institutionen oder Pflegefamilien wegen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> existieren keine Zahlen.<br />

Zürcher Zahlen zu Kindern<br />

Die klinischen Zürcher Kinderschutzstellen des Kinderspitals und die Fachstelle OKey in Winterthur haben<br />

ihre veröffentlichten Zahlen nicht nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> aufgeschlüsselt. Unklar bleibt somit, ob die <strong>Gewalt</strong>einwirkung<br />

auf das Kind durch Dritte oder Familienangehörige erfolgte. Die Zahl der Neuanmeldungen<br />

von Kindsmisshandlungen ist im Jahr 2010 auf 801 Kinder (2009: 703) angestiegen. Im Kinderspital ist bei<br />

über 70% der Meldungen <strong>für</strong> die Pädiaterinnen und Pädiater der <strong>Gewalt</strong>verdacht eindeutig erhärtet<br />

(Medienmitteilung Kinderspital 2011).<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 102 / 1


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> im Kanton <strong>Zürich</strong>, November 2013<br />

Die Zürcher Polizei musste 2012 insgesamt 565 (2011:477; 2010: 402) GSG-Meldungen an die Vormundschaftsbehörden<br />

machen. 2012 waren 832 Kinder betroffen (2011: 678 Kinder). Ob diese Kinder bei der<br />

polizeilichen Intervention auch unmittelbar von physischer <strong>Gewalt</strong> betroffen waren, ist nicht bekannt.<br />

Die Evaluation der Projekte zur zeitnahen Kinderansprache, KidsCare und KidsPunkt im Kanton <strong>Zürich</strong>,<br />

welche vom MMI Marie Meierhofer Institut <strong>für</strong> das Kind durchgeführt wurde, lässt be<strong>für</strong>chten, dass ca.<br />

40% der Kinder auch direkt von <strong>Gewalt</strong> betroffen sind.<br />

Polizeizahlen und Zahlen zu angeordneten <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen<br />

Seit der Einführung des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes am 1. April 2007 erheben die polizeilichen Korps genauere<br />

Zahlen, die von der IST zusammengeführt und verwaltet werden. Voraussetzung, dass <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />

von der Polizei erfasst werden kann, ist eine Anzeige. Es ist bekannt, dass viele gewaltbetroffenen Personen<br />

aus Scham, Angst oder anderen Gründen den Weg zur Polizei meiden.<br />

2012 2011 2010 2009 2008<br />

1.) Polizeiliche Interventionen wegen familiärer<br />

<strong>Gewalt</strong><br />

1930 1666 1584 1625<br />

2.) <strong>Gewalt</strong>schutzrechtliche Schutzmassnahmen 1062 822 883 53% 1008 64% 1065 66%<br />

ohne Wegweisung (getrennt Lebende) 430 40% 348 42% 358 41% 441 44% 431 40%<br />

Verlängerungsgesuche 495 47% 400 49% 402 46% 429 43% 445 42%<br />

Davon gutgeheissene Verlängerungen 448 91% 344 86% 361 90% 389 91% 403 91%<br />

Ohne Einleitung eines Strafverfahrens 72 7% 71 9% 73 8% 96 10% 109 10%<br />

Bussenverfahren (Übertretungen) 99 10% 102 13% 109 12% 123 12% 112 11%<br />

Polizeirapport wegen Vergehen oder Verbrechen 888 90% 668 86% 693 86% 784 86% 841 88%<br />

Meldungen an Vormundschaftsbehörden (/Kinder) 565 53% 477 58% 453 51% 544 54% 542 51%<br />

Frauen als Gefährderinnen 71 7% 52 6% 45 5% 63 6% 67 6%<br />

Minderjährige Gefährdende 6 1% 7 1% 26 3% 19 2% 32 3%<br />

<strong>Gewalt</strong> mit gefährlichem Gegenstand oder Waffe 136 13% 92 11% 87 10% 94 9% 82 8%<br />

3.) Polizeilich rapportierte Delikte * 2012 2011 2010 2009 2008<br />

Tötungsdelikte (vollendete und versuchte) 6 19 10 16 6<br />

Schwere Körperverletzungen 28 13 17 23 16<br />

Einfache Körperverletzungen 197 217 237 332 275<br />

Drohungen 479 469 532 715 558<br />

* Quelle: Kriminalstatistik. Entwicklung der Kriminalität im Kanton <strong>Zürich</strong>, nach Jahren. KAPO. OK-Analyse<br />

Von 2007 bis 2011 nahm die Anordnung der <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen kontinuierlich ab. Im Jahr 2012<br />

waren sie wieder auf dem Niveau von 2008. Im Jahr 2013 ist die Tendenz steigend. Die Schwankungen<br />

lassen sich (noch) nicht erklären.<br />

In der PKS, der polizeilichen Anzeigestatistik ist das Verhältnis verzeigter Männer zu verzeigten Frauen 4 zu<br />

1, d.h. in rund 20% der Fälle werden Frauen bezichtigt, Männern <strong>Gewalt</strong> angetan zu haben. In der GSG-<br />

Statistik erscheinen Frauen (nur) mit 7% als Gefährderinnen. Bei der Anzeigestatistik werden Anzeigen erfasst,<br />

die die Polizei entgegennehmen muss, ohne den Sachverhalt schon abgeklärt zu haben. Demgegenüber<br />

setzt die Anordnung einer GSG-Massnahme voraus, dass die Polizei Beweise <strong>für</strong> <strong>Gewalt</strong>ausübung<br />

oder <strong>Gewalt</strong>androhungen hat.<br />

Auswertung der GSG-Fälle vom 1. April 2007 – 31. Dezember 2009<br />

Es konnten rund 2‘600 Daten von 2‘306 gefährdender Männern, bei denen zwischen dem 1. April 2007 und<br />

dem 31. Dezember 2009 eine GSG-Massnahme angeordnet wurde, ausgewertet werden. Die Zahlen zeigen<br />

ein beachtliches <strong>Gewalt</strong>potential bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: In 76% wurde das Opfer verletzt; in 16% wurde das<br />

Opfer gewürgt; in 40% wurde massiv gedroht; in 25% wurde Alkohol konsumiert, in 19% wurde eine Waffe<br />

oder ein gefährlicher Gegenstand eingesetzt.<br />

57% dieser Männer waren schon mindestens einmal verurteilt. 12% waren schon einmal im Strafvollzug und<br />

hatten sich nicht bewährt, sodass die bedingte Entlassung widerrufen werden musste. Dies lässt auf eine<br />

generell hohe <strong>Gewalt</strong>bereitschaft schliessen.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 102 / 2


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Formen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> bei Erwachsenen und Minderjährigen, November 2013<br />

103 Formen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> bei Erwachsenen und Minderjährigen<br />

Bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> werden verschiedene <strong>Gewalt</strong>formen unterschieden. Meistens besteht oder bestand<br />

in der (Ex-)Beziehung ein Macht- und Abhängigkeitsverhältnis. Alle Formen können bei Zusammen-<br />

und Getrenntlebenden auftreten.<br />

Formen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> unterscheiden sich je nach Beziehungskonstellation, Geschlecht und Alter. So<br />

werden in erwachsenen Partnerschaften teilweise andere Formen von <strong>Gewalt</strong> angewendet als in partnerschaftlichen<br />

Jugendbeziehungen, bei <strong>Gewalt</strong> gegen Geschwister oder gegen Eltern.<br />

Die verschiedenen <strong>Gewalt</strong>formen können angedroht und/oder ausgeübt werden. Sie können einzeln oder<br />

kombiniert vorkommen.<br />

Physische <strong>Gewalt</strong><br />

Physische <strong>Gewalt</strong> umfasst Schlagen mit oder ohne Gegenstände, Treten, Boxen, an den Haaren Reissen,<br />

Schütteln, Stossen, Würgen, mit Gegenständen Bewerfen, tätliche Angriffe bis hin zur Tötung der<br />

Partnerin oder des Partners.<br />

Die physische <strong>Gewalt</strong> ist die offensichtlichste, häufigste und in der Regel nachweisbarste Form der <strong>Gewalt</strong><br />

und deshalb justiziabel. Meistens ist sie kombiniert mit anderen Formen der <strong>Gewalt</strong>.<br />

Sexuelle <strong>Gewalt</strong><br />

Sexuelle <strong>Gewalt</strong> umfasst das Herstellen einer sexualisierten Atmosphäre, Benützen einer sexualisierten<br />

Sprache, Zeigen von Bildern mit sexuellem Inhalt, Filmen und Fotografieren von sexuellen Handlungen<br />

(Sexting), Weiterleiten von sexualisiertem Bildmaterial auch gegen den Willen der betroffenen Person,<br />

Bilder im Internet Publizieren, sexistisches Blossstellen gegenüber Dritten, Zwingen zu sexuellen Handlungen,<br />

Geschlechtsverkehr unter <strong>Gewalt</strong>androhung, physischer oder psychischer <strong>Gewalt</strong> oder als Voraussetzung<br />

zur Aushändigung des Haushaltgeldes, erzwungenes Küssen, Berühren der Brüste, des Geschlechts<br />

oder des Gesässes gegen den Willen, oder die gefährdete Person mit <strong>Gewalt</strong> an die Wand zu<br />

drücken und das Geschlecht an ihr zu reiben.<br />

Die im Jahr 2012 zum Thema „Sexuelle Übergriffe an Kindern und Jugendlichen in der Schweiz“ durchgeführte<br />

Optimus-Studie 1 belegte, dass sexuelle <strong>Gewalt</strong> in jugendlichen Paarbeziehungen häufig vorkommt<br />

– vorwiegend werden die sexuellen Übergriffe von männlichen Jugendlichen ausgeübt.<br />

Viele verstehen unter „sexueller <strong>Gewalt</strong>“ Vergewaltigungen. Es kann wichtig sein, gegenüber einer betroffenen<br />

erwachsenen oder minderjährigen Person die sexuelle <strong>Gewalt</strong> zu konkretisieren, damit sie erkennen<br />

kann, dass Sexualpraktiken und sexualisierte Verhaltensweisen, die sie nicht billigt, nicht wünscht<br />

oder nicht duldet, eine Verletzung ihrer sexuellen Integrität bedeuten.<br />

Auch Frauen oder Mädchen können sexuelle <strong>Gewalt</strong> ausüben, wenn auch auf subtile Art. Die sexuellen<br />

Übergriffe von Müttern sind etwa an Pflegehandlungen bei Kindern gebunden oder zeigen sich als verdeckte,<br />

aber sexualisierte Zärtlichkeiten. Dieses Verhalten ist eine Macht- und/oder Grenzverletzung, die<br />

auch zu problematisieren ist.<br />

Die Optimus-Studie zeigt, dass etwa 20% der Knaben Opfer von sexuellen Übergriffen durch Mädchen<br />

sind.<br />

In den letzten Jahren wurden Täter und Täterinnen, die in partnerschaftlichen Jugendbeziehungen <strong>Gewalt</strong><br />

ausüben, immer jünger.<br />

Sexuelle Ausbeutung von Kindern und Jugendlichen<br />

Unter sexueller Ausbeutung werden alle Formen von sexuellen Handlungen an Kindern und Jugendlichen<br />

verstanden, die von Erwachsenen oder Minderjährigen ausgeübt werden. In den meisten Fällen wird die<br />

körperliche, geistige und emotionale Überlegenheit der mächtigeren Person gegenüber dem Opfer ausgenutzt.<br />

Die meisten TäterInnen stammen aus dem sozialen Nahraum der Kinder und Jugendlichen.<br />

Handelt es sich bei den Gefährdenden um partnerschaftliche oder familiäre Bezugspersonen, ist sexuelle<br />

Ausbeutung laut <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz des Kantons <strong>Zürich</strong> eine Form <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>.<br />

Psychische <strong>Gewalt</strong><br />

Psychische <strong>Gewalt</strong> umfasst: (schwere) Drohung, Nötigung, Freiheitsberaubung, Androhung und Ausführung<br />

von Kindsentführung, Erniedrigung, Demütigung, Missachtung, Beleidigung, Erzeugung von Schuldgefühlen,<br />

(erweiterte) Suiziddrohungen, Beschimpfungen und Einschüchterungen, Blossstellen in der<br />

Öffentlichkeit, Unterdrückung des freien Willens und Trennungs- oder Scheidungsandrohung bei Migranten<br />

und Migrantinnen mit abgeleitetem Aufenthaltsrecht, denen die Ausweisung droht.<br />

Die kontinuierlichen Demütigungen und Abwertungen beeinträchtigen das Selbstwertgefühl und die<br />

Wahrnehmung der Opfer. In diesem Prozess wird zunehmend die Widerstandskraft gebrochen. Es ist<br />

1 Optimus-Studie (2012): www.optimusstudy.org<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 103 / 1


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Formen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> bei Erwachsenen und Minderjährigen, November 2013<br />

vergleichbar mit den Konditionierungsprozessen, die bei Sektenmitgliedern und Mitgliedern totalitärer<br />

Gruppierungen zu beobachten sind.<br />

Stalking (Cyberstalking)<br />

Kontrolle, Verfolgen, Nachstellen, permanentes Telefonieren, Mailen, SMS versenden und/oder Verunglimpfungen<br />

der gestalkten Person beim Arbeitgeber oder im Internet sind eine besondere Form <strong>Häusliche</strong>r<br />

<strong>Gewalt</strong>. Die Schweiz kennt keinen Straftatbestand des Stalkings. Unter Umständen ist Stalking als<br />

strafrechtliche Nötigung i.S. Art. 181 StGB fassbar. Polizeiliche Kontakt- und Rayonverbote können nach<br />

GSG bei Stalking angeordnet werden. Auch privatrechtliche Verbote sind möglich (Art. 28b ZGB).<br />

Soziale <strong>Gewalt</strong><br />

Soziale <strong>Gewalt</strong> umfasst Einschränkungen im sozialen Leben (z.B. Isolieren, Verhindern, Verbieten oder<br />

Kontrollieren von Sozialkontakten; Einsperren und Verhindern oder Verbieten der Erlernung der Landessprache<br />

etc.).<br />

Wirtschaftliche <strong>Gewalt</strong><br />

Wirtschaftliche <strong>Gewalt</strong> umfasst Arbeitsverbote, Zwang zur Arbeit, Beschlagnahmung des Lohnes, alleinige<br />

Verfügungsmacht über finanzielle Ressourcen und Zwang zur Mitunterzeichnung von Kleinkredit-,<br />

Abzahlungs- und Leasingverträgen (wodurch eine Solidarhaftung entsteht, d.h. die mitunterzeichnende<br />

Person direkt belangt werden kann).<br />

Abgrenzungskriterien: Streit / tätlicher Konflikt <strong>Gewalt</strong>beziehung<br />

Beziehungssymmetrie<br />

Streit / tätlicher Konflikt<br />

‣ Symmetrische Beziehung<br />

‣ Ungefähr gleiche Definitionsmacht<br />

‣ Autonomie beider Parteien gewahrt<br />

‣ Gemeinsame Beziehungsgestaltung (Beziehungskultur)<br />

<strong>Gewalt</strong>beziehung i.S. GSG<br />

‣ Asymmetrische Beziehung<br />

‣ Einseitige Beziehungsgestaltung<br />

‣ Kontrolle des Opfers<br />

‣ Macht über das Opfer<br />

‣ Einseitige Definitionsmacht<br />

‣ Einseitige Verfügung über Geldmittel (auch Auftreten nach<br />

aussen)<br />

‣ Haushaltsarbeiten (i.d.R. nur durch Opfer zu erledigen)<br />

‣ Einseitige Bestimmung über Freizeitgestaltung<br />

‣ Ausgeprägte Eifersucht und Misstrauen<br />

Art des Konflikts Auseinandersetzung, Interessenkonflikt Kontrollbeziehung: Herrschafts- und Machtverhältnis<br />

<strong>Gewalt</strong><br />

‣ Heftige verbale Auseinandersetzung<br />

‣ Beschädigung von Geschirr etc.<br />

‣ (Einmalige) geringfügige Tätlichkeit<br />

(Ohrfeigen, Boxen etc.)<br />

Meist nur einseitige <strong>Gewalt</strong> oder <strong>Gewalt</strong>androhung. Oft<br />

zyklisch auftretend. Verschiedene Formen der <strong>Gewalt</strong> sind<br />

oft kumuliert<br />

Verbale <strong>Gewalt</strong><br />

‣ Demütigen, Abwerten<br />

‣ Blossstellen (auch vor Dritten)<br />

‣ Androhen von <strong>Gewalt</strong> gegen Sachen und Haustiere<br />

‣ Androhen von <strong>Gewalt</strong> gegen Drittperson und Kinder<br />

(z.B. auch von Kindsentführung)<br />

‣ Morddrohungen (auch mit Waffen)<br />

‣ (Erweiterte) Suiziddrohungen<br />

Körperliche <strong>Gewalt</strong><br />

‣ Tätlichkeiten, Körperverletzungen<br />

‣ Würgen<br />

‣ Aussperren, Einsperren<br />

Soziale <strong>Gewalt</strong><br />

‣ Kontaktverbote mit Verwandten und/oder Freundinnen<br />

‣ Übermässige Kontrolle (durch Tel., SMS)<br />

Wirtschaftliche <strong>Gewalt</strong><br />

‣ Einseitige Geldverwaltung und -verfügung<br />

Sexuelle <strong>Gewalt</strong><br />

Sexuelle Ausbeutung<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 103 / 2


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Formen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> bei Erwachsenen und Minderjährigen, November 2013<br />

Sozialkontakte<br />

Gestaltung der<br />

wirtschaftlichen<br />

Verhältnisse<br />

Sexualität, Intimität<br />

Integritätsverletzung,<br />

Integritätsgefährdung<br />

‣ Gemeinsame oder je autonome Bestimmung<br />

des sozialen Lebens<br />

‣ In gemeinsamer Absprache<br />

‣ Autonomie gewahrt<br />

‣ Geld wird nicht als Druckmittel eingesetzt<br />

‣ Gemeinsame Gestaltung<br />

‣ Auf gegenseitigem Einverständnis beruhend<br />

Keine (oder rasch vorübergehende)<br />

Beeinträchtigungen<br />

Bestimmung über soziale Kontakte:<br />

‣ Verbot Freundin, Freunde, Verwandte zu treffen<br />

‣ Verbot der Berufs- oder weiterer Tätigkeiten<br />

‣ Verbot von Aus- und Weiterbildungen<br />

(z.B. Besuch von Sprachkursen)<br />

‣ Bestimmung über Freizeit, Ferien<br />

Wirtschaftliche <strong>Gewalt</strong><br />

‣ Demütigender Umgang mit Haushaltsgeld<br />

‣ Keine situationsangepassten eigenen Mittel <strong>für</strong> Opfer<br />

‣ Zwang zur Mitunterzeichnung von Kredit-, Abzahlungsund<br />

Leasingverträgen (Solidarhaftung des Opfers)<br />

‣ Opfer muss eigenen Lohn abgeben<br />

‣ Opfer muss eigenen Lohn ausschliesslich <strong>für</strong> den gemeinsamen<br />

Haushalt (und Kinderkosten) aufwenden<br />

Sexuelle <strong>Gewalt</strong><br />

‣ Einforderung „ehelicher Pflicht“<br />

‣ Sexuelle Nötigungen (bezüglich Formen der Sexualität,<br />

z.B. mit Pornofilmen)<br />

‣ Vergewaltigungen<br />

Körperliche und/oder psychische Schädigungen bis zu chronischen<br />

Leiden bei regelmässiger <strong>Gewalt</strong>.<br />

Trennungsgestaltung ‣ Trennung möglich ‣ Trennung mit <strong>Gewalt</strong>androhung<br />

Gewisse Streitkulturen können <strong>für</strong> die erwachsenen Familienmitglieder akzeptabel sein. Möglicherweise<br />

ist die Situation <strong>für</strong> Kinder und Jugendliche jedoch äusserst belastend. In diesen Fällen sind<br />

Kindesschutzmassnahmen in Betracht zu ziehen.<br />

Körperliche, sexuelle und ein Teil der verbalen <strong>Gewalt</strong> (Drohungen etc.) sind gewaltschutzrechtlich von<br />

Bedeutung.<br />

Die übrigen <strong>Gewalt</strong>formen können Indizien <strong>für</strong> eine <strong>Gewalt</strong>beziehung sein. Das Vorliegen dieser<br />

<strong>Gewalt</strong>formen deutet auf eine gewaltschutzrechtlich relevante Beziehung hin.<br />

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf <strong>Gewalt</strong>beziehungen in Abhängigkeitsverhältnissen. Es<br />

gibt jedoch auch <strong>Gewalt</strong>beziehungen ohne Abhängigkeit.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 103 / 3


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Stalking, November 2013<br />

104 Stalking<br />

Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema Stalking ist ein junges Forschungsgebiet und<br />

begann in den 1990er Jahren in den USA. Erst 2004 wurde der Begriff Stalking in den Duden<br />

aufgenommen. „Stalking“ leitet sich vom englischen Verb „to stalk“ ab, was mit „pirschen" und "sich<br />

anschleichen“ übersetzt werden kann. Ein Stalker oder eine Stalkerin wäre demnach ein/e PirschjägerIn.<br />

Stalking ist ein Beziehungsdelikt, das ohne den entsprechenden Kontext nicht verstanden werden kann.<br />

Stalking umfasst verbale Belästigungen, unerwünschte Briefe, E-Mails, Telefonanrufe oder SMS zu jeder<br />

Tages- und Nachtzeit, Hinterlassen von Nachrichten (an Haustüre, Auto, Arbeitsplatz etc.),<br />

Verunglimpfungen bei Arbeitgeber, Beobachten, Verfolgen und ständiger Aufenthalt an denselben Orten<br />

wie das Opfer, Auskundschaften und Ausfragen von Drittpersonen über das Opfer (Erwachsene oder<br />

Kinder), Bestellen von Waren auf deren Namen, Öffnen und Lesen der Post, E-Mails oder SMS,<br />

unerwünschtes Zusenden von Blumen und Geschenken, Eindringen in Wohnräume des Opfers etc.<br />

Stalking kann mit tätlichen Übergriffen und in schweren Fällen auch mit der Ermordung eines Opfers<br />

enden.<br />

Stalking ist in den meisten Fällen Trennungsgewalt und oft eine Fortsetzung von bereits bestehender<br />

<strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. Unter Stalking wird das willentliche und wiederholte Nachstellen, Belästigen, Verfolgen<br />

und Auflauern einer Person verstanden. Meistens wird Stalking nur im Zusammenhang mit (Ex-)<br />

Paarbeziehungen Erwachsener thematisiert.<br />

Die im Rahmen der IST im 2007 durchgeführte empirische Erhebung von Fachpersonen zu ihren<br />

Erfahrungen bezüglich <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> Minderjähriger 1 (Greber 2007/2008) hat gezeigt, dass Stalking<br />

auch in (ex-) partnerschaftlichen Jugendbeziehungen und unter Geschwistern vorkommt. Stalking bei<br />

Minderjährigen wird von Stalkenden häufig unter Einbezug von Drittpersonen und der Peergruppe<br />

ausgeübt und kann als „erweitertes Stalking“ bezeichnet werden. Ziel ist es, das Opfer auszuspionieren,<br />

auszufragen, zu kontrollieren und zu demütigen, um Informationen an die stalkende Person weiterzuleiten.<br />

In einigen Fällen werden Kinder von Erwachsenen (meistens Söhne vom Vater) instrumentalisiert und es<br />

wird ihnen sogar Sanktionskompetenz gegenüber der Schwester eingeräumt.<br />

Stalking kann in jeder Beziehungskonstellation vorkommen. Die Vorgehensweise, der Schweregrad und<br />

die Stalkinghandlungen unterscheiden sich nach Geschlecht und Alter der stalkenden Person, der<br />

Beziehungskonstellation und des Kontextes. Stalking wird jedoch meistens von Männern und Knaben<br />

verübt.<br />

Die stalkende Person ist häufig die verlassene Person. Die Beweggründe der Stalkenden können sehr<br />

vielfältig sein. Sie reichen von der Vorstellung, alles dranzusetzen, die Partnerin, den Partner<br />

zurückzugewinnen, über psychische Defizite wie Verlassenheitsängste bis hin zu einer schweren<br />

Persönlichkeitsstörung der stalkenden Person.<br />

Mobbing durch Personengruppen<br />

Mobbing (von englisch „mob“ Pöbel, Gesindel, Bande) kann auch von einer Personengruppe, z.B. der<br />

Peergruppe, ausgeübt werden, die eine Person ständig und regelmäßig quält und schikaniert durch die<br />

Verbreitung falscher Tatsachen, Verunglimpfungen und Androhung von <strong>Gewalt</strong> mit dem Ziel, das Opfer<br />

auszugrenzen.<br />

Mobbing oder Stalking?<br />

Stalking kommt auch gegenüber fremden Personen vor, z.B. belästigt ein Mann eine Kioskverkäuferin.<br />

Stalking im Rahmen von familiären und partnerschaftlichen Beziehungskonstellationen ist jedoch eine<br />

Form <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. Mobbing zeigt zwar ähnliche Vorgehensweisen, findet aber eher ausserhalb von<br />

Familie und Partnerschaft statt (z.B. gegenüber ArbeitskollegInnen/MitarbeiterInnen, MitschülerInnen<br />

usw.). Für Interventionen und Massnahmen sind diese Differenzierungen von Bedeutung.<br />

Verbreitung und Vorkommen von Stalking<br />

Eine Meta-Analyse von insgesamt 103 Studien 2 (n=70.000) ergab, dass<br />

- 20% aller Personen<br />

- 24% der Frauen und<br />

- 10% der Männer<br />

mindestens einmal in ihrem Leben Erfahrungen mit Verfolgung und Belästigung gemacht haben.<br />

1 Greber, F. (2007/2008): Wenn Minderjährige <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ausüben. Umsetzung des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes (GSG) auf<br />

minderjährige GefährderInnen im Kontext von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, S. 45. www.ist.zh.ch<br />

2 Spitzberg, B. H. 2002. “The Tactical Topography of Stalking Victimization and Management.” Trauma, Violence & Abuse, 3(4).<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 104 / 1


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Stalking, November 2013<br />

Laut dieser Studie finden 50% aller Stalkingfälle im Anschluss an eine Liebesbeziehung statt. Danach<br />

sind:<br />

- 75% der Opfer Frauen<br />

- 25% der Opfer Männer<br />

Die Stalkenden waren:<br />

- 75% den Opfern bekannt,<br />

- 25% waren den Opfern fremd (Spitzberg 2002).<br />

Cyber-Stalking und Cyber-Mobbing<br />

Über Internet, in Chatrooms und via Handys werden Verleumdungen anonym verbreitet. Beim „Cyber-<br />

Stalking“ werden persönliche Mitteilungen und Fotos (auch Nacktfotos) ins Internet gestellt und über<br />

Suchmaschinen zugänglich gemacht (sofern keine Zugangsbeschränkungen bestehen). Die Identität der<br />

gestalkten Person wird missbraucht, indem Inserate (auch Sex-Sites) in deren Namen geschrieben und<br />

angeschrieben oder Waren auf deren Namen bestellt werden. Cyber-Stalking ist <strong>für</strong> Opfer eine massive<br />

und bedrohliche Art von Stalking, weil durch die elektronischen Medien und das Internet eine<br />

unkontrollierbare Öffentlichkeit hergestellt wird und ausserdem damit gerechnet werden muss, dass<br />

Veröffentlichungen über mehrere Jahre auf dem Netz zugänglich sind (Hansen 2004).<br />

Der „Online-Enthemmungseffekt“ (Online Disinhibition Effect) und die teilweise unbekümmerte und<br />

uninformierte Neugierde führen vor allem unter Jugendlichen zu einer starken Gefährdung bezüglich<br />

Cyber-Stalking. Eine Studie aus Nordrhein-Westfalen, <strong>für</strong> die 1‘000 Kinder und Jugendliche zwischen 14<br />

und 20 Jahren befragt wurden, zeigt, dass bereits über ein Drittel der Jugendlichen selbst Opfer von<br />

Cyber-Stalking wurden. 3<br />

Stalking und Mobbing werden (nicht nur bei Minderjährigen) oft zu wenig genau analysiert und verkannt.<br />

Bei grenzverletzendem Verhalten einer Gruppe (z.B. bei einer Schulklasse) wird oft nur die Peersituation<br />

analysiert und somit das Problem als Mobbing definiert und angegangen. Dadurch wird u.U. der<br />

auslösende Faktor, z.B. durch einen stalkenden Ex-Freund, verkannt und es werden keine zielführenden<br />

Massnahmen gegenüber der stalkenden Person angeordnet. Deshalb ist bei Mobbing unter Jugendlichen<br />

zu prüfen, ob es sich um Mobbing oder Stalking handelt.<br />

Sexting<br />

Darunter wird das Aufnehmen, Filmen und Versenden von eigenen Nacktfotos und/oder eigener sexueller<br />

Intimitäten verstanden. Sind die dargestellten Personen unter 16 Jahre alt, wird der Straftatbestand der<br />

Kinderpornografie erfüllt (Art. 197 StGB). Unter 18-jährige, die den Straftatbestand erfüllen, werden<br />

gemäss dem Jugendstrafrecht mit einem Verweis oder einer (maximal) 10 Tage dauernden<br />

Arbeitsleistung bestraft (Art. 21, 22 JStG), sofern keine weiteren Umstände vorliegen, die eine härtere<br />

Bestrafung notwendig machen. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn der Versand der Filme oder Fotos<br />

gezielt zur Schädigung der abgebildeten Person eingesetzt wird.<br />

Folgen <strong>für</strong> die Opfer<br />

Stalking-Opfer leiden teilweise unter schweren Beeinträchtigungen der Lebensgestaltung, körperlichen<br />

Beeinträchtigungen, psychischen Störungen, andauernder Übelkeit, Schlafproblemen, Angstattacken,<br />

einem posttraumatischen Belastungssyndrom, einer schweren Depression oder Suizidalität. Die Folgen<br />

wurden lange unterschätzt. Das Ausmass traumatischer Belastungen ist laut neueren Studien<br />

vergleichbar mit den Folgen des Verlustes des Partners oder der Partnerin oder mit den Folgen schwerer<br />

Verkehrsunfälle. 4<br />

3 Techniker Krankenkasse (2011): Cybermobbing – <strong>Gewalt</strong> unter Jugendlichen. Ergebnisse einer repräsentativen Forsa-Umfrage in<br />

NRW.<br />

4 Kamphuis, J. H., Emmelkamp, P.M.G. (2001). Traumatic distress among victims of stalking. The American Journal of Psychiatry,<br />

158(5), 795-798.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 104 / 2


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013<br />

105 Psychologie und Dynamik <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

Inhaltsübersicht<br />

1. Auslöser <strong>für</strong> <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

2. Psychologische und dynamische Aspekte<br />

3. Tätertypologien bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

a. Angepasster, auf die Familie beschränkter <strong>Gewalt</strong>typus (family only batterer)<br />

b. Zyklischer / Borderline Typus (borderline / dysphoric batterer)<br />

c. Antisozialer / psychopathischer Typus (generally violent / antisocial batterer)<br />

d. Mittelgradig antisozialer Typ (low level antisocial batterer)<br />

4. Rückfälligkeit und Behandelbarkeit<br />

5. „Erweiterte <strong>Gewalt</strong>dynamik: Involvierung von Angehörigen, Drittpersonen und <strong>Fachleute</strong>n<br />

6. Täterinnen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in (Ex-)Paarbeziehungen<br />

7. <strong>Gewalt</strong>dynamiken in Erwachsenenbeziehungen<br />

a. <strong>Gewalt</strong> als spontanes Konfliktverhalten<br />

b. <strong>Gewalt</strong> als systematisches Kontrollverhalten<br />

c. <strong>Gewalt</strong> als Widerstand (violent resistance)<br />

d. <strong>Gewalt</strong>spirale<br />

8. Typologien weiblichen Opferverhaltens in heterosexuellen Paarbeziehungen<br />

a. „Ambivalente Bindung“ und Ambivalenzkonflikt<br />

b. „Scheinambivalenz“, Dilemma und „Überlebens-Bindungen“<br />

9. Umgang mit ambivalenten Verhaltensmustern von Opfern in professionellen Beziehungen<br />

Exkurs: Erkenntnisse der Bindungstheorie<br />

10. Opferverhalten in der <strong>Gewalt</strong>spirale in chronifizierten <strong>Gewalt</strong>beziehungen (Abhängigkeitsbeziehung<br />

oder Überlebensbindung)<br />

11. Trennungsverhalten erwachsener weiblicher Opfer<br />

12. Bleiben oder gehen?<br />

Jede Intervention gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> dringt in ein <strong>für</strong> das Paar und/oder die Familie spezifisches<br />

<strong>Gewalt</strong>system, in eine spezifische <strong>Gewalt</strong>beziehung und in eine spezifische Phase der <strong>Gewalt</strong>beziehung<br />

ein. Diese drei Aspekte zu erkennen und zu unterscheiden, ist <strong>für</strong> eine wirkungsvolle, nachhaltige Prävention<br />

und Intervention zentral. Was sind die Merkmale von <strong>Gewalt</strong>systemen, und woran erkennen wir,<br />

in welcher Art und in welcher Phase des <strong>Gewalt</strong>musters sich das Paar oder die Familie befinden?<br />

In diesem Text wird auf die Dynamik <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> eingegangen, wie sie häufig in erwachsenen,<br />

heterosexuellen und (meistens) noch bestehenden Paarbeziehungen auftritt, wobei die gefährdende Person<br />

männlich und das Opfer weiblich ist. Andere <strong>Gewalt</strong>konstellationen (z.B. partnerschaftlichen Jugendbeziehungen,<br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> gegen Geschwister, <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> von Eltern gegen Kinder,<br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> von Kindern gegen Eltern, aber auch <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in Betagtenbeziehungen) haben<br />

eine je eigene Dynamik ‒ dies gilt auch <strong>für</strong> <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in bi- oder homosexuellen Beziehungen.<br />

Nachfolgend wird von einer <strong>Gewalt</strong>beziehung ausgegangen und nicht von einer Beziehung, in welcher<br />

bloss heftig gestritten wird. Solange gleichgestellte und gleichwertige Personen streiten, ist die Umgangsform<br />

eine Frage der partnerschaftlichen Streitkultur. Wenn einer der betroffenen Personen diese Streitkultur<br />

nicht mehr behagt, kann sie sie zur Diskussion stellen und auf eine Veränderung oder Trennung hinwirken.<br />

Da in diesen Fällen kein Macht- und Abhängigkeitsverhältnis besteht, können die beiden über den<br />

Verbleib in der Beziehung selbst entscheiden. Voraussetzung ist aber, dass keine der Personen in ihrem<br />

Leben bedroht wird – auch die Kinder nicht – und dass sie bei einer Trennung keine gravierenden Folgen<br />

be<strong>für</strong>chtet werden müssen.<br />

1. Auslöser <strong>für</strong> <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />

Oft sind wesentliche Veränderungen der Lebensumstände <strong>für</strong> die Herstellung der Kontrolle mitverursachend.<br />

In Lebensphasen, die mit grossen Veränderungen einhergehen, wie z.B. Heirat, der Bezug einer<br />

gemeinsamen Wohnung, Schwangerschaft und Geburt eines Kindes, Auszug eines Kindes, muss das<br />

Paar oder die Familie einen neuen Umgang mit Nähe und Distanz in der Beziehung finden. Die damit verbundene<br />

Verunsicherung und der be<strong>für</strong>chtete Kontrollverlust können sich u.a. in krankhafter Eifersucht<br />

und einem massivem Kontrollbedürfnis zeigen. In der Konsequenz wird die abhängige Person <strong>für</strong> „Nicht-<br />

Gehorsam“ oder „Nicht-Unterwerfung“ bestraft, d.h. ihr wird <strong>Gewalt</strong> angedroht oder angetan. Ist eine von<br />

<strong>Gewalt</strong> betroffene erwachsene oder minderjährige Person, ein Paar oder eine Familie sozial isoliert, sind<br />

die Beziehungen von einer starken Abhängigkeit geprägt und stehen Lebensveränderungen an, sind<br />

mögliche <strong>Gewalt</strong>entwicklungen genau zu beachten und auch zu erfragen. Deshalb muss der Kontext der<br />

<strong>Gewalt</strong> erfragt werden, um die Beziehung und die erforderlichen Interventionen richtig einschätzen zu<br />

können.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 105 / 1


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013<br />

2. Psychologische und dynamische Aspekte<br />

In den meisten Fällen ist davon auszugehen, dass sich eine partnerschaftliche <strong>Gewalt</strong>beziehung Erwachsener<br />

durch ein vom Täter hergestelltes Macht-, Abhängigkeits- und Kontrollmuster und ein negatives<br />

Frauenbild auszeichnet. Aktuelle Forschungen zeigen ein erweitertes Bild der Psychologie, Dynamik und<br />

Interdependenz von <strong>Gewalt</strong>beziehungen. Die Differenzierung verschiedener Tätertypologien und Opferverhalten<br />

stellen Fragen in Bezug auf deren Zusammenwirken, das sich in der jeweiligen Paar- und Familiendynamik<br />

in einem bestimmten Kontext ausdrückt. Daraus ergeben sich auch Auswirkung auf Kinder,<br />

weitere Angehörige und Fachpersonen.<br />

Verschiedene Autorinnen und Autoren sind der Meinung, dass gewalttätige Männer keine spezifischen,<br />

psychopathologischen Merkmale aufweisen und keine Besonderheiten im alltäglichen Sozialverhalten zeigen.<br />

Andere äussern Bedenken, dass die Suche nach Persönlichkeitsmerkmalen und -qualifikationen, wie<br />

sie in der angloamerikanischen Forschung angestrebt wird, weniger zur Aufklärung, sondern zur Verschiebung<br />

eines gesellschaftlichen Problems auf die individuell-psychologische Ebene beiträgt. Neue<br />

Studien (so auch die Evaluation des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes des Kantons <strong>Zürich</strong>) zeigen jedoch deutlich,<br />

dass wir als Gesellschaft und <strong>Fachleute</strong> herausgefordert sind, den genannten Kritiken Rechnung tragen<br />

und uns diesen Forschungsresultaten zu stellen, um differenzierte und wirksame Vorgehensweisen gegen<br />

(<strong>Häusliche</strong>) <strong>Gewalt</strong> zu entwickeln – sei dies bei der Prävention, dem unmittelbaren Risiko- oder dem folgenden<br />

Bedrohungsmanagement.<br />

Die Frage zielführender Interventionen gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> wird hier mit dem Fokus auf psychologische<br />

und dynamische Aspekte auf dem Hintergrund eines erweiterten Verständnisses <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

gestellt. Im Folgenden steht männliche Partnergewalt in heterosexuellen Erwachsenenbeziehungen im<br />

Zentrum, weil wir aus der Forschung darüber am meisten wissen.<br />

3. Tätertypologien bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

In bisher über 20 Studien wurden unterschiedliche Tätertypologien entwickelt (z.B. Holtzworth-Munroe et<br />

al., 1994/2003; 1 Dixon et al., 2003 2 ). Die meisten Studien unterscheiden 3-4 unterschiedliche Typen <strong>Häusliche</strong>r<br />

<strong>Gewalt</strong>täter.<br />

a. Angepasster, auf die Familie beschränkter <strong>Gewalt</strong>typus (family only batterer)<br />

Er charakterisiert sich wie folgt:<br />

- <strong>Gewalt</strong>anwendung ist situativ bedingt, aus dem Moment heraus<br />

- Geringe Frequenz und Schwere der physischen <strong>Gewalt</strong><br />

- Zeigt wenig soziale Kompetenz in der Beziehung<br />

- Ist wenig belastbar<br />

- Kann Emotionen nur schlecht ausdrücken<br />

- Vermeidet Konflikte und weicht ihnen aus<br />

- Drogen- und Alkoholproblematiken sind eher selten<br />

- Zeigt Reue<br />

- Hat einen Leidensdruck<br />

b. Zyklischer / Borderline Typus (borderline / dysphoric batterer)<br />

- Setzt <strong>Gewalt</strong> als Macht- und Kontrollmittel ein (Eifersucht, Wut etc.)<br />

- Täter ist abhängig von Beziehungen<br />

- Ambivalentes Verhalten gegenüber Partnerin<br />

- Emotional instabile Person<br />

- Gefühle von Angst und Depression<br />

- Manchmal Alkohol- und Drogenproblematik<br />

- Spricht gut auf Behandlungen an<br />

- Fokus auf Aufarbeitung eigener biografischer <strong>Gewalt</strong>belastungen, z.B. Traumatherapie, ist vorrangig.<br />

c. Antisozialer / psychopathischer Typus (generally violent / antisocial batterer)<br />

- Allgemein gewalttätiges und dissoziales Verhalten<br />

- Hohes <strong>Gewalt</strong>niveau in verschiedenen Kontexten (im privaten wie im öffentlichen Raum)<br />

- <strong>Gewalt</strong> in unterschiedlichen Beziehungskonstellationen (gegenüber Familienmitgliedern wie gegenüber<br />

Drittpersonen)<br />

- Oft zahlreiche Vorstrafen (Verkehrsdelikte; <strong>Gewalt</strong>- und Sexualdelikte)<br />

1 Holtzworth-Munroe, A.; Meehan, J. C.; Herron, K., Rehman, U.; & Stuart, G. L. (2003): Do subtypes of maritally violent men continue<br />

to differ over time? Journal of Consulting and Clinical Psychology, 71, 728−740.<br />

Holtzworth-Munroe, A., & Stuart, G. L. (1994). Typologies of male batterers: Three subtypes and the differences among them. Psychological<br />

Bulletin, 116, 476−497.<br />

2 Dixon, L.; Browne, K, (2003): The heterogeneity of spouse abuse: A review. Aggression and Violent Behavior. 8.1.107-130.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 105 / 2


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013<br />

- Impulsiv<br />

- Macht- und Kontrolltaktiken<br />

- Feindselige Einstellung gegenüber Frauen, „Macho-Einstellung“<br />

- Rigide Vorstellungen von Sexualität<br />

- Psychopatische Persönlichkeit<br />

- Charmant<br />

- Hoch manipulativ mit Hang zur Grandiosität<br />

- Geringe soziale Fertigkeiten und Kompetenzen<br />

- Häufig Alkohol oder Drogenprobleme<br />

- Zeigt wenig oder keine Reue<br />

- übernimmt keine Eigenverantwortung (Schuld sind die anderen)<br />

- Kein Leidensdruck<br />

d. Mittelgradig antisozialer Typ (low level antisocial batterer)<br />

- Mittel bis stark ausgeprägte <strong>Gewalt</strong><br />

- <strong>Gewalt</strong>tätiges Verhalten in unterschiedlichen Kontexten (im privaten wie im öffentlichen Raum)<br />

- Hält sich eher nicht an Regeln und Normen<br />

- Steuerungsfähigkeit vorhanden (könnte auch auf <strong>Gewalt</strong> verzichten)<br />

- Mischung aus Typ „familiy only batterer“ und Typ „generally violent / antisocial batterer)<br />

- Mittelgradig ausgeprägte dissoziale Persönlichkeitseigenschaften<br />

Bei den beiden letzten Tätertypen ist eine multikonstellationelle und multikontextuelle (<strong>Häusliche</strong>) <strong>Gewalt</strong><br />

zu prüfen.<br />

Unterschiedliche Verhaltensmerkmale nach Tätertypen<br />

Dimension<br />

Angepasster, auf die<br />

Familie beschränkter<br />

<strong>Gewalt</strong>typus<br />

(family only batterer)<br />

Zyklischer / Borderline Typus<br />

(dysphoric / borderline batterer)<br />

Antisozialer / psychopathischer<br />

Typus<br />

(generally violent / antisocial<br />

batterer)<br />

Schweregrad der<br />

ehelichen <strong>Gewalt</strong><br />

tief mittelgradig - schwer mittelgradig - schwer<br />

Psychischer und sexueller<br />

Missbrauch<br />

tief mittelgradig - schwer mittelgradig – schwer<br />

<strong>Gewalt</strong> generell<br />

Ausserfamiliäre <strong>Gewalt</strong> tief tief - mittelgradig hoch<br />

Strafrechtliche Auffälligkeit tief tief - mittelgradig hoch<br />

Psychopathologie,<br />

Persönlichkeitsstörung<br />

Persönlichkeitsstörung<br />

Keine; passiv / abhängig<br />

Borderline oder<br />

schizoid<br />

Antisozial/psychopathisch<br />

Alkohol- ; Drogenkonsum tief - mittelgradig mittelgradig stark<br />

Depressionen tief bis mittelgradig schwer tief<br />

Wut (Impulskontrollstörung) mittelgradig stark mittelgradig<br />

Quelle: Holtzworth-Munroe, A.; Stuart, G. L. (1994), Übersetzung IST<br />

Der mittelgradig antisoziale Typus ist auf dieser und den folgenden Tabellen nicht aufgeführt, kann aber zwischen dem Typus a) und c)<br />

eingegliedert werden.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 105 / 3


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013<br />

Verhalten der Normalbevölkerung im Vergleich mit Tätertypen<br />

Typus ohne <strong>Gewalt</strong>tätigkeit<br />

<strong>Gewalt</strong>tätiger Typus<br />

Variable<br />

Nicht gewalttätig<br />

Nicht belastet<br />

Nicht gewalttätig<br />

Belastet<br />

Angepasster,<br />

auf die Familie<br />

beschränkter<br />

<strong>Gewalt</strong>typus<br />

(family only<br />

batterer)<br />

Zyklischer /<br />

Borderline-<br />

Typus<br />

(dysphoric /<br />

borderline<br />

batterer)<br />

Antisozialer /<br />

psychopathischer<br />

Typus (generally<br />

violent / antisocial<br />

batterer)<br />

Genetische Ursachen Tief tief tief mittelmässig stark<br />

Kindheitserfahrungen<br />

Elterliche <strong>Gewalt</strong> Selten selten selten –<br />

mittelmässig<br />

mittelmässig<br />

mittelmässig –<br />

stark<br />

Kindsmissbrauch /<br />

Vernachlässigung<br />

Selten<br />

selten<br />

selten –<br />

mittelmässig<br />

mittelmässig -<br />

häufig<br />

häufig<br />

Anschluss an sozial<br />

auffällige Peergruppen<br />

Selten selten selten<br />

selten –<br />

mittelmässig<br />

häufig<br />

Soziale Kompetenz<br />

In der ehelichen<br />

Beziehung<br />

Hoch mässig mässig-gering gering gering<br />

Ausserhalb der Ehe Hoch hoch<br />

hoch –<br />

mittelgradig<br />

mittelgradig<br />

gering<br />

Haltung, Einstellung<br />

Frauenfeindlichkeit Keine keine keine<br />

mittelgradig –<br />

hoch<br />

hoch<br />

<strong>Gewalt</strong>be<strong>für</strong>wortende<br />

Haltung<br />

keine keine tief mittelgradig hoch<br />

Quelle: Holtzworth-Munroe, A.; Stuart, G. L. (1994), Übersetzung IST<br />

4. Rückfälligkeit und Behandelbarkeit<br />

Das Modell der Tätertypologie erlaubt summarische Aussagen zur Wahrscheinlichkeit der Rückfälligkeit,<br />

zur Behandelbarkeit sowie zum Erfolg von Behandlungen und Programmen.<br />

Rückfälligkeit, Beziehungsverlauf häufig selten<br />

erneute <strong>Gewalt</strong>tätigkeit<br />

Inhaftierungen<br />

Trennung, Scheidung > > ><br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 105 / 4


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013<br />

Erfolg von Behandlungen, Therapien,<br />

und Programmen<br />

gut<br />

schlecht<br />

Paar- und Familientherapie, Mediation<br />

Depressions- und Trauma-Behandlung<br />

Forensische oder sozialtherapeutische<br />

Behandlungen und Programme (Sucht,<br />

<strong>Gewalt</strong>, Impulskontrolle etc.)<br />

> > ><br />

> > ><br />

> > ><br />

1. Angepasster, auf die Familie beschränkter<br />

<strong>Gewalt</strong>typus (family only batterer)<br />

2. Zyklischer / Borderline Typus (borderline /<br />

dysphoric batterer)<br />

3. Antisozialer / psychopathischer Typus (generally<br />

violent / antisocial batterer)<br />

4. Mittelgradig antisozialer Typ (low level antisocial<br />

batterer)<br />

Zusammenfassend lässt sich sagen:<br />

- Beim angepassten, auf die Familie beschränkten <strong>Gewalt</strong>typus (family only batterer) kann eine<br />

Paar- oder Familientherapie erfolgreich sein.<br />

- Für den zyklischen / Borderlinetypus (borderline / dysphoric batterer) ist ein Beratungsangebot<br />

oder eine Psychotherapie im Einzelsetting sinnvoll.<br />

- Der antisoziale / psychopathische Typus (generally violent / antisocial batterer) ist <strong>für</strong> Beratungsangebote<br />

schwer erreichbar. Konfrontierende Beratungen können eskalierend wirken. Eine Täter-<br />

Opfer-Begegnung ist zu vermeiden, was eine Paarbehandlung ausschliesst.<br />

- Beim mittelgradig antisozialen Typus (low level antisocial batterer) muss geprüft werden, welche<br />

Angebote und Settings hilfreich sind und wieweit konfrontierende Beratungen eskalierend wirken<br />

können.<br />

Bei allen Tätertypen und den daraus folgenden unterschiedlichen <strong>Gewalt</strong>dynamiken stellen sich vor allem<br />

folgende Fragen:<br />

- Bei welcher Art Täter ist welche Massnahme hilfreich und wirkt deeskalierend <strong>für</strong> alle einzelnen<br />

Beteiligten bzw. <strong>für</strong> das System?<br />

- Gibt es Aussagen mit Bezug auf die Gefährlichkeit der einzelnen Typen (kurz- wie mittelfristig)?<br />

- Wie kann kurzfristig eine Eskalation verhindert werden je nach Typ?<br />

- Wie sind bei den unterschiedlichen Tätertypen die <strong>Gewalt</strong>phantasien zu bewerten (Robertz, F.,<br />

2011)<br />

- Mit was <strong>für</strong> einem Verhalten muss bei einem Trennungsentscheid gerechnet werden? Sind flankierende<br />

Massnahmen notwendig?<br />

- Bei welcher Art Täter ist welche Massnahme ungünstig oder gar gefährlich und wirkt möglicherweise<br />

eskalierend <strong>für</strong> einzelne Beteiligte bzw. das System?<br />

- Welche strafjustiziellen Interventionen (Ersatzmassnahmen, Weisungen oder Massnahmen) sind<br />

geeignet? Wie wird die spezifische <strong>Gewalt</strong>dynamik gemindert? Wie kann der Opferschutz sichergestellt<br />

werden?<br />

- Was gilt es mit Bezug auf Ausgestaltung der Elternrechte, namentlich der Regelung der Besuchsrechte,<br />

bei den einzelnen Tätertypen zu berücksichtigen?<br />

- Was sind angepasste Ziele der Behandlung, Beratung und Psychotherapie sowohl aus medizinisch-therapeutischer<br />

wie forensischer Sicht?<br />

- Können/müssen auch Ziele in der Behandlung, den Auflagen etc. mitberücksichtigt werden, die<br />

sich auf einen öffentlichen Kontext beziehen (z.B. <strong>Gewalt</strong> gegen Dritte, im Strassenverkehr etc.)?<br />

- Wie kann die Nachhaltigkeit der Auflagen und des Opferschutzes gewährleistet und überprüft<br />

werden?<br />

Das zeigt, dass generalisierte Massnahmeempfehlungen (Lernprogramm <strong>für</strong> alle; Paar- und Familientherapie<br />

ist in <strong>Gewalt</strong>beziehungen ungeeignet etc.) der Problemstellung nicht gerecht werden. Analysen der<br />

Psychologie von Täter und Opfer erlauben Rückschlüsse auf die Beziehungsdynamik und helfen situationsadäquate<br />

Massnahmen anzuordnen bzw. zu entwickeln.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 105 / 5


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013<br />

Immer gilt es zu beachten bzw. zu erheben, ob TäterInnen und/oder Opfer in der Familie gegen ein anderes<br />

Familienmitglied (z.B. die Mutter gegen das Kind) oder im ausserhäuslichen Kontext <strong>Gewalt</strong> ausübt<br />

(z.B. das jugendliche Opfer gegen Dritte). Mit anderen Worten: Es gilt abzuklären, ob innerhalb der Familie<br />

mehrere <strong>Gewalt</strong>verhältnisse vorliegen (multi-konstellationell) und ob auch im öffentlichen Raum <strong>Gewalt</strong><br />

ausgeübt wird (multikontextuell).<br />

5. „Erweiterte <strong>Gewalt</strong>dynamik": Involvierung von Angehörigen, Drittpersonen und <strong>Fachleute</strong>n<br />

Am Beispiel „Fall Pfäffikon“ wurde deutlich, dass Täter, bei denen Machtansprüche, Rigidität und Impulsivität<br />

als ausgeprägte Persönlichkeitsmerkmale zusammenkommen, Veränderungen im familiären System<br />

als existenzbedrohenden Angriff auf ihre Person erleben können, d.h. gar als Zerfall ihrer Identität. Mit<br />

einer Abnahme der <strong>für</strong> sie bedeutsamen Macht wegen eigener Krankheit, Erwachsenwerden der Kinder,<br />

Berufstätigkeit, Trennungsabsichten der Frau etc. wird der Täter jedes Mittel einsetzen, um im System<br />

wieder den ursprünglichen und ihm vertrauten Zustand herzustellen. Das geht oft mit einer Zunahme und<br />

Schwere der <strong>Gewalt</strong> einher. Weiter werden zunehmend Drittpersonen (Kinder, Verwandte oder auch<br />

Fachpersonen) in die „erweiterte“ <strong>Gewalt</strong>androhung und/oder -ausübung einbezogen. Diese sollen stellvertretend<br />

die Aufgaben übernehmen, zu denen der Täter selbst nicht mehr in der Lage ist; sie werden<br />

instrumentalisiert, Frauen von der Trennung abzuhalten, die Strafanzeige zurückzuziehen und eine Desinteresseerklärung<br />

abzugeben. Tun sie dies nicht, droht eine gefährliche Eskalation.<br />

Das Erkennen einer „erweiterten <strong>Gewalt</strong>dynamik“ ist vor allem <strong>für</strong> die Gefährlichkeitseinschätzung und<br />

das Bedrohungsmanagement von Bedeutung.<br />

6. Täterinnen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in (Ex-)Paarbeziehungen<br />

Es gibt Studien, die zum Schluss kommen, dass Frauen in heterosexuellen, erwachsenen Paarbeziehungen<br />

gleich häufig gewalttätig sind wie Männer und Männer ebenso oft Opfer <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> werden<br />

wie Frauen (Straus 1979) 3 . Diese Zahlen werden immer wieder zitiert. Diese Studien unterscheiden bei<br />

der Auswahl der Indikatoren jedoch kaum zwischen Aggression, Streit- und <strong>Gewalt</strong>. Auch Straus wies<br />

darauf hin, dass eine solche Interpretation ohne weitere Untersuchungen nicht zulässig sei. Untersuchungen,<br />

welche die Art, den Schweregrad und den Kontext von <strong>Gewalt</strong> mit einbeziehen, belegen, dass <strong>Gewalt</strong><br />

von Frauen weniger häufig und weniger folgenschwer ist, als <strong>Gewalt</strong> von Männern, und dass sie sehr<br />

selten der systematischen Kontrolle über den Partner dient. 4 <strong>Gewalt</strong> von Frauen ist dennoch in keiner<br />

Weise zu verharmlosen oder zu verdrängen.<br />

Sind Täterinnen partnerschaftlicher <strong>Gewalt</strong> auch Mütter von Kleinkindern, kann es in seltenen Fällen vorkommen,<br />

dass die Polizei gegen das Opfer, also den Partner und Vater der Kinder, eine Wegweisung<br />

anordnet. Zu Grunde liegen diesen Massnahmen pragmatische Probleme, z.B. wenn der Vater (oder Angehörige)<br />

die Obhut kurzfristig nicht übernehmen können und die Kinder bei der Mutter nicht einem akuten<br />

<strong>Gewalt</strong>risiko ausgesetzt sind. Für diese unhaltbare Situation männlicher Opfer, müssen andere Vorgehensweisen<br />

gesucht werden.<br />

Die Anzeigestatistik zeigt immerhin, dass 20% der Personen, die der <strong>Gewalt</strong> in Paarbeziehungen beschuldigt<br />

werden, Frauen sind. Auch bei Minderjährigen wurde durch die Optimus-Studie sichtbar, dass<br />

8% der männlichen Jugendliche sexuelle Übergriffe mit Körperkontakt und 20% ohne Körperkontakt erleben.<br />

Weibliche Täterinnen und männliche Opfer – Minderjährige und Erwachsene ‒ sind deshalb ein noch<br />

zu beforschendes Thema. Wollen wir als Gesellschaft Schutz und Sicherheit gewährleisten, sind alle Opfer<br />

gleichermassen ernst zu nehmen und alle TäterInnen gleichermassen in die Verantwortung zu ziehen.<br />

Auch die Auseinandersetzung mit <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in lesbischen Paarbeziehungen ist ein erst langsam<br />

beachtetes Thema. Die anderen Formen und Vorgehensweisen, z.B. Drohung mit einem Outing im sozialen<br />

Nahraum, zeigen, dass Differenzierungen auch hier notwendig sind. Gemäss einer der wenigen Studien<br />

zu <strong>Gewalt</strong> in lesbischen Paarbeziehungen 5 wird in diesen Paarbeziehungen die <strong>Gewalt</strong> häufig gegenseitig<br />

ausgeübt, d.h., dass Drohungen und Tätlichkeiten seltener nur von einer Person ausgehen, als<br />

in heterosexuellen Beziehungen (wobei dort kaum nach gegenseitiger <strong>Gewalt</strong> gesucht wird). Es ist auch<br />

davon auszugehen, dass nur ein kleiner Teil der Betroffenen sich an eine Beratungsstelle wendet. Die<br />

Frauenberatungsstelle bif hat im Kanton <strong>Zürich</strong> <strong>für</strong> diese Frauen eine Anlaufstelle geschaffen:<br />

www.SieundSie.ch. Untersuchungen im angloamerikanischen Raum stellen fest, dass von einem grund-<br />

3 Straus, M. A. (1979). Measuring Intrafamily Conflict and Violence: The Conflict Tactics (CT) scales. Journal of Marriage and the Family.<br />

Nr. 1, S. 82. http://abctcouples.org/Straus1979.pdf<br />

4 Schröttle M.: Kritische Anmerkungen zur These der Gendersymmetrie bei <strong>Gewalt</strong> in Paarbeziehungen. In: Gender, Heft 1/2010, S.<br />

133-151.<br />

Kavemann, B. (2009): Täterinnen – die <strong>Gewalt</strong>ausübung von Frauen im privaten Raum im Kontext der feministischen Diskussion über<br />

<strong>Gewalt</strong> im Geschlechterverhältnis. www.zar.nomos.de/fileadmin/nk/doc/Aufsatz_NK_09_02.pdf<br />

5 Ohms, Constance (2009): <strong>Gewalt</strong> und Aggression von Frauen – am Beispiel der häuslichen <strong>Gewalt</strong> in Liebesbeziehungen von Frauen.<br />

In: Bewährungshilfe: Soziales – Strafrecht – Kriminalpolitik, 56 (1), S. 33-44.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 105 / 6


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013<br />

sätzlich ähnlichen Vorkommen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in homosexuellen Beziehungen ausgegangen werden<br />

kann. 6<br />

7. <strong>Gewalt</strong>dynamiken in Erwachsenenbeziehungen<br />

Bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in erwachsenen, heterosexuellen Paarbeziehungen werden folgende Formen unterschieden:<br />

<strong>Gewalt</strong> als spontanes Konfliktverhalten, <strong>Gewalt</strong> als systematisches Kontrollverhalten und<br />

<strong>Gewalt</strong> als Widerstand ('Violent Resistance').<br />

Die unterschiedlichen Dynamiken der <strong>Gewalt</strong>spiralen werden von den Opfern und den gewaltausübenden<br />

Personen oft nicht erkannt, wenn sie von Aussenstehenden nicht darauf aufmerksam gemacht werden.<br />

Diese Dynamik zu erkennen, hilft vor allem den Opfern und den involvierten Fachpersonen zu verstehen,<br />

weshalb es <strong>für</strong> abhängige Opfer so schwer ist, sich aus einer <strong>Gewalt</strong>beziehung zu lösen.<br />

a. <strong>Gewalt</strong> als spontanes Konfliktverhalten<br />

Um <strong>Gewalt</strong> als spontanes Konfliktverhalten handelt es sich, wenn<br />

- einzelne <strong>Gewalt</strong>handlungen in Form eskalierender Konflikte oder Konfliktserien stattfinden;<br />

- die Eskalationen keine eindeutigen Wiederholungsmuster im Ablauf zeigen.<br />

Auch ein einzelner <strong>Gewalt</strong>vorfall kann in seiner Wirkung <strong>für</strong> die Opfer (Erwachsene und Kinder) massiv<br />

verunsichernde und schädigende Folgen haben. Zu dieser Kategorie gehören auch Personen, die sich<br />

aufgrund einer psychischen Erkrankung schubweise aggressiv und gewalttätig verhalten. In diesen Fällen<br />

muss eine gewaltschutzrechtliche Schutzmassnahme u.U. mit einer <strong>für</strong>sorgerischen Freiheitsentziehung<br />

nach Art. 397a ff ZGB kombiniert werden.<br />

b. <strong>Gewalt</strong> als systematisches Kontrollverhalten<br />

Die amerikanische Psychologin Leonore Walker prägte bereits 1979 den Begriff <strong>Gewalt</strong>spirale („cycle of<br />

violence“) und beschrieb damit die ganz eigene Dynamik einer spezifischen Form von <strong>Gewalt</strong> als systematisches<br />

Kontrollverhalten.<br />

Bei <strong>Gewalt</strong> als systematisches Kontrollverhalten wird davon ausgegangen, dass es sich um<br />

- ein asymmetrisches Geschlechter- oder Beziehungsverhältnis mit einem deutlichen Machtgefälle<br />

handelt;<br />

- Kontrolle und Beherrschung in der Partnerschaft oder in der familiären Beziehung ausgeübt werden;<br />

- frauenfeindliche oder andere menschenverachtende, entwertende, erniedrigende und demütigende<br />

Einstellungen seitens der gefährdenden Person festzustellen sind.<br />

c. <strong>Gewalt</strong> als Widerstand (Violent resistance)<br />

Johnson (2005) beschreibt ein weiteres <strong>Gewalt</strong>muster: einen gewaltförmigen Widerstand, eine gewalttätige<br />

Reaktion im Sinne von Angriff und Vergeltung. Erfasst werden hier vor allem <strong>Gewalt</strong>handlungen von<br />

Frauen gegen ihre Männer, unter denen sie jahrelang gelitten haben.<br />

d. <strong>Gewalt</strong>spirale<br />

Täterverhalten in <strong>Gewalt</strong>spirale (mit Abhängigkeit des Opfers)<br />

SPANNUNGS-AUFBAU<br />

Intervention manchmal mit,<br />

manchmal ohne Wirkung<br />

„HONEYMOON-PHASE“<br />

VERSÖHNUNG<br />

Wenig Chancen <strong>für</strong> eine<br />

wirksame Intervention<br />

GEWALT<br />

SPANNUNGS-ENTLADUNG<br />

Grösstmögliche Chance <strong>für</strong><br />

wirksame Interventionen<br />

„Rad der <strong>Gewalt</strong>“ von Leonore Walker (1983) 7<br />

6 Ohms, C. (2006): Broken rainbow. <strong>Gewalt</strong> gegen Lesben und häusliche <strong>Gewalt</strong> in lesbischen Zusammenhängen-Auswertung der<br />

Erhebungsbögen der Lesbenberatungsstellen und Lesbentelefone, S. 44. http://www.brokenrainbow.de/material/BR_Bundeserhebung_02_04.pdf<br />

7 Walker, L. (1983): The battered women syndrom study. In: Finkelhor, G.; Hotaling (Hrsg.). The dark side of families. Beverly Hills.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 105 / 7


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013<br />

Das Aussageverhalten und die Bereitschaft der Opfer, sich an rechtlichen Verfahren zu beteiligen, ist stark<br />

davon abhängig, in welcher Phase sich die Paardynamik befindet. Die Übergänge der einzelnen Phasen<br />

sind fliessend. In der Phase des Spannungsaufbaus und unmittelbar nach einer <strong>Gewalt</strong>erfahrung ist die<br />

gefährdete Person am kooperativsten.<br />

1. Phase: Spannungsaufbau<br />

In der ersten Phase kommt es seitens der gewaltausübenden Person zunächst zu verbaler <strong>Gewalt</strong> wie<br />

Beschimpfungen, Entwertungen, Beschuldigungen, Blossstellungen. Mit äusseren Faktoren wie z.B.<br />

Stress an der Arbeit werden diese Übergriffe gerechtfertigt. Die Opfer (Frauen und Kinder) versuchen<br />

<strong>Gewalt</strong>eskalationen durch Anpassungsleistungen zu verhindern. Sie versuchen „alles recht zu machen“.<br />

Trotzdem kommt es zur <strong>Gewalt</strong>.<br />

2. Phase: <strong>Gewalt</strong><br />

Es kommt zur <strong>Gewalt</strong>anwendung durch den Täter. Viele Opfer fühlen sich hilflos, weil sie auf die Art, den<br />

Zeitpunkt oder die Schwere der <strong>Gewalt</strong>tat keinen Einfluss haben. In dieser akuten Situation bestehen aber<br />

oft die besten Chancen <strong>für</strong> eine wirkungsvolle Intervention von aussen, weil viele Gefährdete in diesem<br />

Moment gegenüber Hilfsangeboten offen sind.<br />

3. Phase: „Honeymoon-Phase“<br />

Nach einem Spannungsaufbau und dem <strong>Gewalt</strong>ausbruch folgt die „Honeymoon-Phase“. Der Gefährder<br />

bereut seine Tat. Er verhält sich gegenüber der Frau aufmerksam und liebevoll, umwirbt sie mit Geschenken,<br />

beteuert ihr seine Liebe und in überzeugender Weise das Ende der <strong>Gewalt</strong>. Viele Frauen berichten<br />

auch von einer aussergewöhnlichen sexuellen Nähe und Intimität in dieser Phase. Diese Friedensangebote,<br />

Liebesbeteuerungen, Selbstverbesserungs- und Veränderungsvorschläge kommen der gefährdeten<br />

Frau entgegen. Sie sehnt das Ende der <strong>Gewalt</strong> herbei. In dieser Phase sind Frauen bereit, die <strong>Gewalt</strong><br />

zu vergeben und einen Teil der Schuld auf sich zu nehmen. In ihrer Abhängigkeit können sie sich ein<br />

Leben ohne ihren Mann kaum vorstellen, insbesondere wenn gemeinsame Kinder da sind. Die häufig<br />

unmittelbar nach dem <strong>Gewalt</strong>ausbruch vorhandene Motivation, sich vom gewaltausübenden Mann zu<br />

trennen, wird durch die erneute Zuwendung und die Hoffnung auf Besserung unterlaufen. Die ursprüngliche<br />

Trennungsmotivation verliert an Bedeutung.<br />

Das Opfer beginnt sich zunehmend mit dem Gefährder zu solidarisieren. Hilfe von aussen wird kategorisch<br />

abgelehnt. Oft brechen die Frauen in dieser Phase auch die Beratung oder Therapie ab, vor allem,<br />

wenn die beratende Person den teilweise plötzlichen Haltungswandel nicht als solchen erkennt oder damit<br />

nicht umgehen kann. In Gerichtsverfahren zeigt sich diese Phase in bagatellisierendem, entlastendem<br />

Aussageverhalten. Die Opfer machen vom gesetzlichen Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch, geben<br />

Desinteresseerklärungen ab bzw. ziehen eingeleitete Zivilverfahren zurück.<br />

8. Typologien weiblichen Opferverhaltens in erwachsenen, heterosexuellen Paarbeziehungen<br />

a) „Ambivalente Bindung“ und Ambivalenzkonflikt<br />

Lange dienten Abhängigkeit und Ambivalenz als hinreichende Erklärungen <strong>für</strong> den Verbleib der Frauen in<br />

der <strong>Gewalt</strong>beziehung. Was ist aber mit Ambivalenz gemeint?<br />

Der Schweizer Psychiater Eugen Bleuler verwendete den Begriff der Ambivalenz erstmals1910 in einem<br />

Vortrag in Bern. Bleuler 8 definierte Ambivalenz als Nebeneinander von<br />

1. widersprüchlichen Gefühlen: „affektive Ambivalenz“<br />

2. widersprüchlichen Wünschen: „voluntäre Ambivalenz“ oder „Ambitendenz“<br />

3. widersprüchlichen Beurteilungen: „intellektuelle Ambivalenz“<br />

Ambivalenz ist eine im Menschen selber begründete Unentschiedenheit und innere Zerrissenheit, wobei<br />

diese sehr unterschiedliche Ursachen hat. Ambivalenz, so zeigt sich heute, ist nicht der einzige Grund <strong>für</strong><br />

das Verbleiben in einer <strong>Gewalt</strong>beziehung.<br />

Befinden sich Frauen in einer „Ambivalenten Bindung“ verfügen sie kaum über eigene Ressourcen und<br />

zeigen häufig starke Abhängigkeit und tiefen Selbstwert. 9<br />

8 Bleuler, E.: Ambivalenz. In: Festgabe zur Einweihung der Neubauten der Universität <strong>Zürich</strong> 18. IV. 1914. In: Festgabe der medizinischen<br />

Fakultät. <strong>Zürich</strong>: Schulthess & Co 1914, S. 95-106.<br />

9 Vgl. Helfferich, C. et al. (2005): Wissenschaftliche Untersuchung zur Situation von Frauen und zum Beratungsbedarf nach einem<br />

Platzverweis bei häuslicher <strong>Gewalt</strong>. Abschlussbericht. Freiburg.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 105 / 8


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013<br />

Die Ambivalenz der weiblichen Opfer zum gewaltausübenden Partner zeigt sich u. a. in der inneren Zerrissenheit.<br />

Diese kann sich auf zwei Arten äussern. Zum einen entschuldigen sie die gewaltausübende<br />

Person, wollen ihr helfen und bemitleiden sie. Zum andern glauben sie, die <strong>Gewalt</strong> aushalten zu müssen,<br />

um weitere Opfer, z.B. die Kinder oder weitere Angehörige zu schützen. Für sie sind es Stresssituationen<br />

des Täters, die zur <strong>Gewalt</strong> führen (Geldprobleme, Probleme am Arbeitsplatz, Erwerbslosigkeit, Konsum<br />

oder Abusus von Alkohol und/oder anderen Suchtmitteln). Ihre eigene Gefährdung steht im Hintergrund<br />

und wird erst durch Nachfragen zum Thema.<br />

Der Ambivalenzkonflikt kann sich auch in der Art, wie sich das Opfer mit der Situation arrangiert hat, zeigen.<br />

Diese Opfer meinen, die <strong>Gewalt</strong> zu Recht zu erfahren oder erleben sie als zur Ehe oder Partnerschaft<br />

gehörend. Sie fühlen sich ausgeliefert und haben die negativen Beschuldigungen und Zuschreibungen<br />

verinnerlicht. Sie haben oft bereits in der Kindheit und Jugend <strong>Gewalt</strong>erfahrungen gemacht und<br />

glauben, dass eine Trennung ihnen nichts bringe, dass sich der nächste Partner wieder genau gleich verhalten<br />

würde. In solchen Verhältnissen kann die <strong>Gewalt</strong> im alltäglichen Zusammenleben zur Normalität<br />

werden. Es kommt zu einer Gewöhnung an die <strong>Gewalt</strong>beziehung. Diese Opfer chronischer <strong>Gewalt</strong> leiden<br />

oft unter psychosomatischen und schweren psychischen Symptomen. Die Dynamiken der <strong>Gewalt</strong>spiralen<br />

charakterisieren diese Beziehungen.<br />

Die Bindung an den Partner ist in diesen <strong>Gewalt</strong>beziehungen von einem starken Machtgefälle geprägt,<br />

welches seitens der <strong>Gewalt</strong> ausübenden Person immer wieder hergestellt und aufrecht gehalten wird. Oft<br />

tritt das Kontrollverhalten in der Beziehung schon sehr früh auf. Es hilft der gefährdenden Person Verunsicherungen<br />

zu kompensieren. In Lebensphasen, die einen neuen Umgang mit Nähe und Distanz erfordern,<br />

wie bei Schwangerschaften, Geburt eines Kindes, Krankheit, verstärkt sich dieses Kontrollmuster. Es zeigt<br />

sich z.B. in krankhafter Eifersucht. Der abhängigen Person wird misstraut, ihr werden Fremdbeziehungen<br />

oder andere unlautere Absichten unterstellt, die durch die Androhung oder Ausübung von <strong>Gewalt</strong> unterbunden<br />

werden.<br />

Charakteristisch <strong>für</strong> <strong>Gewalt</strong> betroffene Personen in ambivalenten Bindungen ist ausserdem, dass sie:<br />

1. sich häufig nicht als Opfer sehen, obwohl sie traumatisiert sind;<br />

2. „in der Vergangenheit gefangen“ sind;<br />

3. instabile Wünsche und Hoffnungen äussern (d.h. hin- und hergerissen sind);<br />

4. sich selbst beschuldigen unter Entlastung der gewaltausübenden Person.<br />

Im Aussageverhalten der Opfer wird das Geschehen bagatellisiert und der Gefährder in Schutz genommen.<br />

Die Aussagen sind oft widersprüchlich. Das ambivalente Verhalten führt auch zur Abgabe von Desinteresseerklärungen<br />

und Klagerückzügen.<br />

b) „Schein-Ambivalenz“, Dilemma und „Überlebens-Bindungen“ 10<br />

Dieses <strong>Gewalt</strong>-Muster weist vordergründig zwar ähnliche Merkmale wie das ambivalente auf, deshalb<br />

kann man auch von „Scheinambivalenz“ sprechen. Scheinambivalente Opfer befinden sich jedoch nicht in<br />

einer Ambivalenz zum Täter, sondern, nach Rossegger (2010 11 ), in einem Dilemma, d.h. in einer Entscheidungssituation,<br />

bei der sich zwar mehrere Handlungsmöglichkeiten gleichzeitig anbieten, sich aber<br />

dennoch gegenseitig ausschliessen. Frau kann es also gar nicht richtig oder gut machen. Beide Möglichkeiten<br />

führen zu einem unerwünschten Resultat. In einem komplexen Dilemma ist es schwierig, die richtige<br />

Strategie zu finden. Diese Ausweglosigkeit wird als paradox empfunden. Im Gegensatz zu den ambivalenten<br />

und abhängigen Opfern verfügen diese Frauen über genügend Ressourcen, die eine Trennung<br />

möglich machen würden. Was hält sie dennoch in der <strong>Gewalt</strong>beziehung?<br />

Opfer <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, die in einer existenziellen Dilemma-Situation bleiben, befinden sich in einer<br />

„Überlebens-Bindung“. Bei der „Überlebens-Bindungen“ ist die Handlungsfähigkeit der Frauen nicht durch<br />

Abhängigkeit zum Gefährder eingeschränkt, sondern diese Opfer glauben, dass nur das Festhalten an der<br />

<strong>Gewalt</strong>beziehung ihr Überleben und möglicherweise auch das anderer Personen, z.B. der Kinder, sichert.<br />

Keine der angedachten Lösungen schützt sie vor der <strong>Gewalt</strong> – d.h. weder in der Beziehung verharren,<br />

noch den Täter verlassen. Den Partner verlassen heisst möglicherweise: Existenzverlust, Stigmatisierung,<br />

Vernachlässigung der Rechte der Frauen und Kinder, Zerbrechen der familiären Strukturen, fehlende<br />

Coping-Strategien, Depressionen, bedrohliche Reaktion des (Ex-) Partners und aus der Gemeinschaft,<br />

Angst vor Rache, Morddrohungen, Drohungen mit (erweitertem) Suizid oder mit Kindsentführung.<br />

Diese Mütter binden oft auch ihre Kinder in das Angst-Muster mit ein. Sie unterbinden und/oder verbieten<br />

ihnen, Hilfe und Unterstützung von aussen zu holen oder anzunehmen, die Polizei zu rufen, Aussagen<br />

gegenüber Fachpersonen oder vor Gericht zu machen, und dies mit dem Ziel, weitere <strong>Gewalt</strong>eskalationen<br />

10 Greber, F. (2011): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> – Erkennen und Handeln. Referat, gehalten an der HfH Interkantonale Hochschule <strong>für</strong> Heilpädagogik<br />

<strong>Zürich</strong>.<br />

11 Rossegger, A. (2010): Referat, gehalten bei der IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 105 / 9


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013<br />

zu verhindern und das Überleben zu sichern. Schweigen und Verharren ist in ihrem Sinne paradoxerweise<br />

auch Kindesschutz. Auch die Mütter selbst suchen keine Hilfe.<br />

Der <strong>Gewalt</strong>zyklus der „Überlebens-Bindung“ kann sich auch nach einer Trennung oder der Auflösung<br />

eines gemeinsamen Haushaltes fortsetzen, vor allem wenn väterliche Besuchs- und Ferienrechte elterliche<br />

Kontakte notwendig machen. Oft sind es diese Situationen, bei denen die verschiedenen Formen der<br />

<strong>Gewalt</strong> eskalieren. Dennoch fühlen sich diese Mütter gegenüber ihren Kindern schuldig. Sie wollen ihnen<br />

den Kontakt zum Vater auch unter diesen erschwerten Bedingungen ermöglichen und nehmen verschiedenste<br />

Formen der Demütigung, des Leidens, auch der wirtschaftlichen Abhängigkeit in Kauf. Das asymmetrische<br />

Abhängigkeitsverhältnis wird dadurch gestärkt und gefestigt. Die <strong>Gewalt</strong> kann sich weiter perpetuieren.<br />

Vordergründig zeigen diese Opfer in ihrem Verhalten gegenüber dem Täter und auch gegenüber helfenden<br />

Personen sehr viel Ähnlichkeit mit Frauen in ambivalenten Bindungen. Bei der Scheinambivalenz<br />

verfügen die Opfer jedoch über genügend Ressourcen. In diesen <strong>Gewalt</strong>-Beziehungen ist die Handlungsfähigkeit<br />

gewaltbetroffener Frauen also weder durch Ambivalenz noch durch Abhängigkeit zum Gefährder<br />

oder Täter eingeschränkt. Eine Überlebensbindung weist möglicherweise auf eine pathologische Tätertypologie<br />

hin, was <strong>für</strong> ein wirksames Risiko- und Bedrohungsmanagement von zentraler Bedeutung ist.<br />

Menschen in „Überlebens-Bindungen“ sind eine Hochrisiko-Gruppe und erfordern in jeder Hinsicht eine<br />

vorsichtige und möglicherweise auch andere Art der Intervention.<br />

Für Opfer in Dilemma-Situationen muss vor allem der Schutz und die Sicherheit gewährleistet werden,<br />

damit die Opfer Entscheidung umsetzen können, ohne ihr Leben oder das ihrer Kinder zu gefährden. Auch<br />

psychologische Unterstützung muss dieses Ziel verfolgen, welches nur in enger Zusammenarbeit mit Polizei<br />

und Gerichten möglich ist.<br />

9. Umgang mit ambivalenten Verhaltensmustern von Opfern in professionellen Beziehungen<br />

Opfer übertragen ihre in Abhängigkeitsverhältnissen gemachten guten und schlechten Erfahrungen auch<br />

auf Fachpersonen. Gegenüber Fachpersonen, seien dies Staatsanwälte, Richterinnen oder Sozialarbeitende,<br />

sehen sie sich erneut in einer (professionell und strukturell begründeten) Abhängigkeit. Wieder stehen<br />

sie einer Person gegenüber, die nur das Beste will. In gewisser Hinsicht be<strong>für</strong>chten sie in Beratungen<br />

oder bei Befragungen eine Wiederholung ihrer negativen Erfahrungen.<br />

Doch je länger eine destruktive Beziehungssituation in der Vergangenheit als ausweglos erlebt wurde,<br />

desto schwieriger wird es, Beziehungen zu anderen Menschen als verlässlich und hilfreich wahrzunehmen.<br />

Die Erfahrung, nicht respektiert und geschützt worden zu sein, gibt ihnen aus ihrer subjektiven Perspektive<br />

ausreichende Gründe, in einer erneuten Abhängigkeit nicht von etwas Besserem auszugehen.<br />

Sie sind deshalb gegenüber Fachpersonen oft grundsätzlich skeptisch: „Nun soll ich plötzlich glauben,<br />

dass man mir hilft und mich beschützt?“<br />

Auch Fachpersonen werden in den Sog des immanenten Widerspruchs der <strong>Gewalt</strong>beziehungen hineingezogen.<br />

Soll in einer akuten <strong>Gewalt</strong>beziehung auf die Äusserungen des Opfers abgestellt werden, das sich<br />

aus allen ergriffenen Massnahmen zurückziehen will? Oder muss die Zerrissenheit, die aus der ambivalenten<br />

Bindung und den entsprechenden Phasen der <strong>Gewalt</strong>beziehung entsteht, stärker gewichtet werden,<br />

um das Opfer (und allfällige Kinder) vor weiterer <strong>Gewalt</strong> zu schützen?<br />

Die Ambivalenz und das Misstrauen von Opfern einerseits und die Forderung nach Hilfe andererseits,<br />

stellen Fachpersonen vor eine grosse Herausforderung. Sie gehen davon aus, dass <strong>Gewalt</strong>betroffene ein<br />

Hilfsangebot annehmen, um dann mit entsprechender Unterstützung kontinuierlich daran zu arbeiten, ihre<br />

Situation zu verändern und zu verbessern. Tatsache ist aber, dass die Hilfestellung, Beratung und Begleitung<br />

von den <strong>Gewalt</strong>betroffenen in gewissen Phasen der <strong>Gewalt</strong>beziehung abgelehnt wird und eingeleitete<br />

Verfahren zurückgezogen bzw. zur Einstellung gebracht werden.<br />

Dennoch und trotz dieser Ambivalenz und Zerrissenheit der Opfer, können mit der Zeit durch eine konsequente<br />

Hilfestellung Sicherheit und Klarheit wachsen, die zu einem späteren Zeitpunkt Veränderungen<br />

ermöglichen. Voraussetzung sind Kenntnisse der <strong>Fachleute</strong> über die Mechanismen, Dynamiken, Zusammenhänge<br />

und Wirkungen von Interventionen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>.<br />

Die meisten Gefährdenden kehren nach einer polizeilichen Intervention wieder in ihr Umfeld zurück, ohne<br />

dass sich in der <strong>Gewalt</strong>beziehung etwas verändert hätte. Viele Fachpersonen können sich eine Begleitung<br />

des Paares aus unterschiedlichen Gründen nicht vorstellen oder die Organisationen haben einen (nur auf<br />

Opfer oder Täter) ausgerichteten Fokus. Manche Paare wünschen sich dennoch eine Paarberatung. Diese<br />

sollte nur von ausgebildeten und in <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> spezialisierten Fachpersonen durchgeführt werden.<br />

Das gilt auch <strong>für</strong> Familienberatung nach multikonstellationeller <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. Schutz und Sicherheit<br />

stehen in jedem Fall im Zentrum.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 105 / 10


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013<br />

Exkurs: Erkenntnisse der Bindungstheorie<br />

In jeder partnerschaftlichen oder anderen Beziehung treffen das Bindungsverhalten der verschiedenen<br />

Personen aufeinander und führen zu einer spezifischen Interaktion. Dies trifft auch in <strong>Gewalt</strong>beziehungen<br />

zu. Das Bindungsverhalten von Tätern <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> wurde verschiedentlich erforscht. 12 .<br />

Unterschiedliche Verhaltensmerkmale nach Tätertypen<br />

Dimension<br />

Angepasster, auf die<br />

Familie beschränkter<br />

<strong>Gewalt</strong>typus<br />

(family only batterer)<br />

Zyklischer / Borderline-<br />

Typus<br />

(dysphoric / borderline<br />

batterer)<br />

Antisozialer / psychopathischer<br />

Typus<br />

(generally violent / antisocial<br />

batterer)<br />

Bindungsfähigkeit Stabil instabil ablehnend<br />

Abhängigkeit mittelmässig tief mittelmässig<br />

Empathie Hoch mittelmässig mittelmässig<br />

Impulsivität gering gering gering – mittelgradig<br />

Quelle: Holtzworth-Munroe, A.; Stuart, G. L. (1994), Übersetzung IST<br />

Familiäre Belastungen wie Delinquenz eines Elternteils, fortgesetzte Streitereien, <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> oder<br />

psychische Krankheiten der Eltern oder eines Elternteils können einen Einfluss auf die Entstehung von<br />

Verhaltens- bzw. Bindungsstörungen im Kindes- und Jugendalter haben.<br />

Die Bindungstheorie wurde vom englischen Psychoanalytiker John Bowlby 13 entwickelt. Unter Bindung<br />

versteht man „… die besondere Beziehung eines Kindes zu seinen Eltern oder anderen Personen, die es<br />

beständig betreuen. Unter Bindung (attachment) versteht man ein «gefühlsgetragenes» Band zwischen<br />

Eltern und Kind, welches die beiden über Raum und Zeit hinweg verbindet." 14<br />

• Bindungsbedürfnisse sind biologische Grundbedürfnisse<br />

• Bindungspersonen dienen als externe Hilfe bei Verunsicherung oder Angst<br />

Menschen machen nicht nur in der Kindheit, sondern auch in ihrem weiteren Leben unterschiedliche gute<br />

und schlechte Erfahrungen in der Begegnung mit anderen Menschen. Das Zusammenwirken dieser Erfahrungen<br />

prägt das Bindungsmuster. Als Fachpersonen (z.B. LehrerIn 15 , BeraterIn) haben wir die Möglichkeit,<br />

Kindern, die in <strong>Gewalt</strong>beziehungen leben, andere Bindungserfahrungen zu vermitteln. Aus Bindungserfahrungen<br />

entstehen bleibende oder neue Bindungsmuster. Wie können sich bestimmte Bindungserfahrungen<br />

auf ein späteres Bindungsverhalten in <strong>Gewalt</strong>beziehungen auswirken?<br />

Es können vier grobe Bindungserfahrungen 16 unterschieden werden:<br />

1. Sichere Bindung: Menschen mit einer «sicheren Bindungserfahrung» zeigen meistens einen<br />

angemessenen Umgang mit Gefühlen und Kompromissbereitschaft. Sie sind beziehungsbezogen<br />

und selbstverantwortlich. Eine positive Sicht ihrer Selbst und anderer, Vertrauen zu Bezugspersonen<br />

und ein gelungener Umgang mit Trennungserlebnissen charakterisiert sie.<br />

Kinder solcher Bezugspersonen wissen, dass sie sich in jeder Situation an diese wenden können<br />

und dort Trost, Unterstützung und Geborgenheit finden. Sie bleiben – trotz Notsituation –<br />

beziehungsbezogen und behalten grundsätzlich das Vertrauen zu Bezugspersonen. Von diesen<br />

fühlen sie sich wahr- und ernstgenommen. Mit einer (gut begleiteten) Trennung können<br />

sie umgehen. Möglicherweise sind auch nach einer Trennung beide Eltern in gutem Kontakt<br />

mit dem Kind.<br />

2. Unsicher-ambivalente Bindung: Menschen mit einer «unsicher-ambivalenten Bindungserfahrung»<br />

haben möglicherweise einen übersteigerten Gefühlsausdruck, sind wenig kompromissbereit<br />

und emotional abhängig. Im Umgang mit Belastungen sind sie wenig selbstverantwortlich.<br />

Für ihre Kinder sind solche Bindungspersonen wenig berechenbar, manchmal einfühlsam und<br />

manchmal nicht. Heftige, widersprüchliche und instabile Gefühlsausdrücke und Verhaltensweisen<br />

lassen das Kind mit seinen Bedürfnissen alleine. Auf diese Unberechenbarkeit reagieren<br />

viele Kinder mit Ängstlichkeit, übermässiger Anhänglichkeit und mit Ärger.<br />

12 Holtzworth-Munroe, A.; Stuart, G. L. (1994). a.a.O.<br />

13 Bowlby, J. (1969) Attachment and Loss. Vol. 1. Attachment. New York: Basic Books.<br />

14 Grossmann, K.; Grossmann, K. E. (2004): Bindungen. Das Gefüge psychischer Sicherheit (Attachment. The composition of psychological<br />

security). Stuttgart, Klett-Cotta. S. 81.<br />

15 <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>: Was tun in der Schule? Ein Leitfaden <strong>für</strong> die Praxis (2011). www.ist.zh.ch<br />

16 Bowlby, J. (1995): Bindung: Historische Wurzeln, theoretische Konzepte und klinische Relevanz. In: Spangler, G.; Zimmermann, P.<br />

(Hrsg.): Die Bindungstheorie. Stuttgart: Klett-Cotta.<br />

Ainsworth, M. et al. (1978): Patterns of Attachment. A psychological study of the strange situation. New York: Hilsdale.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 105 / 11


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013<br />

3. Unsicher-vermeidende Bindung: Menschen mit einer «unsicher-vermeidenden Bindungserfahrung»<br />

führen oft keinen Austausch über (negative) Gefühle, passen sich an äussere Erwartungen<br />

an, haben eine Pseudo-Unabhängigkeit und einen selbstbezogenen Umgang mit Belastungen,<br />

in dem sie z.B. keine Hilfe holen.<br />

Kinder solcher Bezugspersonen haben gelernt, sich bei Verunsicherung und Sorgen nicht an<br />

sie zu wenden. Sie haben die Erfahrung gemacht, zurückgewiesen oder missverstanden zu<br />

werden. Sie entwickeln eine Vorstellung von sich selbst als nicht liebenswert und von den Bezugspersonen<br />

als nicht zugänglich. Weil diese erwachsenen Opfer <strong>für</strong> sich keine Hilfe holen,<br />

müssen oft auch die Kinder eigene Lösungen finden oder sind auf Drittpersonen (z.B. Peergruppe,<br />

NachbarInnen oder Fachpersonen) angewiesen. Eine proaktive Beratung ist besonders<br />

bei diesen Kindern hilfreich.<br />

4. Hochunsichere Bindung: Menschen mit einer «hochunsicheren Bindungserfahrung» fehlen<br />

häufig Bewältigungsstrategien. Sie können sich schlecht an veränderte Situationen anpassen;<br />

kontrollierende Strategien sind die Folge. Furcht zeigt sich als durchgängige Beziehungserfahrung<br />

und es besteht ein Konflikt zwischen Bedürfnis nach Sicherheit durch Beziehung und der<br />

Furcht vor ihr. Erwachsene mit hochunsicheren Bindungserfahrungen suchen häufig einen<br />

«erwachsenen Kontakt» zu ihren Kindern.<br />

Kinder in <strong>Gewalt</strong>beziehungen (kindliche Opfer <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>) stellen eine Risikogruppe<br />

dar. Mütter mit hochunsicheren Bindungserfahrungen suchen einen „erwachsenen Kontakt“ zu<br />

ihren Kindern. Dieser wird von Kindern oft als „gestohlene Kindheit“ erlebt. Die unterschiedlichen<br />

Gefühle der Erwachsenen werden oft auf die Kinder übertragen. Ein gelungener Umgang<br />

mit Nähe und Distanz kann auch <strong>für</strong> sie eine Herausforderung werden. Diesen Kindern<br />

fällt es schwerer, Hilfe zu holen und anzunehmen.<br />

Bindungsstörungen<br />

Karl Heinz Brisch 17 unterscheidet acht Arten von Bindungsstörungen bei Kindern:<br />

1. Keine Anzeichen von Bindungsverhalten<br />

Diese Kinder wenden sich auch Bedrohungssituationen nicht an ihre Bezugspersonen. Auf Trennungen<br />

reagieren sie kaum. Dieses Verhalten sieht man häufig bei Säuglingen und Kleinkindern<br />

als Folge auf zahlreiche Beziehungsabbrüche und -wechsel.<br />

2. Undifferenziertes Bindungsverhalten<br />

Diese Kinder verhalten sich freundlich gegenüber allen Bezugspersonen und machen keinen Unterschied,<br />

wie gut oder schlecht sie diese kennen. In Stresssituationen suchen sie Trost, wenden<br />

sich aber auch absolut fremden Personen zu. Dieses Verhalten steht oft im Zusammenhang mit<br />

Vernachlässigung der Kinder.<br />

3. Übersteigertes Bindungsverhalten<br />

Diese Kinder sind nur in absoluter Nähe zur Bezugsperson ruhig und ausgeglichen. In neuen Situationen<br />

reagieren sie überängstlich. Diese Bindungsstörung beobachtet man oft bei Kindern, deren<br />

Mütter unter einer Angststörung mit extremen Verlustängsten leiden. Die Kinder müssen <strong>für</strong><br />

sie eine sichere Basis sein, damit sich die Mütter psychisch stabilisieren können.<br />

4. Gehemmtes Bindungsverhalten<br />

Diese Kinder fallen durch eine übermässige Anpassung auf. Sie haben massive körperliche Misshandlungen<br />

erlebt und einen Erziehungsstil, der durch <strong>Gewalt</strong>androhungen geprägt ist. In ihrem<br />

familiären Umfeld nehmen sie ihre Bindungswünsche eher zurück. Es fällt ihnen leichter, ihre Gefühle<br />

gegenüber fremden Personen auszudrücken.<br />

5. Aggressives Bindungsverhalten<br />

Dieses Familienklima wird durch spannungsgeladene Verhaltensweisen geprägt, d.h. durch verbale<br />

und non-verbale Formen der Aggression. Bowlby hat darauf hingewiesen, dass die Zurückweisung<br />

von primären (existenziellen) Beziehungswünschen und die daraus entstehende Angst<br />

und Frustration der Kinder bei diesen zu Aggressionen führen kann.<br />

6. Bindungsverhalten mit Rollenumkehr<br />

Charakteristisch bei dieser Art von Bindungsstörung ist, dass die Kinder die Rolle der Bezugsperson<br />

übernehmen („Parentifizierung“). Das Kind erscheint gegenüber der Bezugsperson als über<strong>für</strong>sorglich<br />

und übernimmt <strong>für</strong> diese die Verantwortung. Nicht zu verwechseln mit Kindern mit einer<br />

sicheren Bindung, die mit ihrem empathischen und sozialen Verhalten auch Bedürfnisse ihrer Be-<br />

17 Brisch, K.H. (2009): Bindungsstörungen. Von der Bindungstheorie zur Therapie. Stuttgart: Klett-Cotta. S. 102-111.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 105 / 12


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013<br />

zugspersonen wahrnehmen.<br />

7. Bindungsstörung mit Suchtverhalten<br />

Frühe Vernachlässigung und übermässiger Stress kann bei Kindern suchtartige Verhaltensweisen<br />

fördern, welches als Ersatz <strong>für</strong> die „sehsüchtige Suche“ nach feinfühligen Bezugspersonen steht.<br />

8. Psychosomatische Symptomatik<br />

In Folge emotionaler und körperlicher Verwahrlosung kann es gar zu einer Wachstumsretardierung<br />

kommen. Häufig suchen Mütter solcher Kinder als erste Unterstützung bei der Kinderärztin/dem<br />

Kinderarzt.<br />

Alle Bindungsstörungen verweisen auf die Wichtigkeit verlässlicher, stabiler und unterstützender Bezugspersonen.<br />

Verschiedene Studien zeigen, dass die Auswirkungen von Dauerstress, Angst und Erfahrungen<br />

von <strong>Gewalt</strong> der Mütter bereits während der Schwangerschaft, sich auf das ungeborene Kind auswirken<br />

können. Häufig fällt es diesen Babys auch später schwer, sich selber zu beruhigen und sie werden<br />

Schreibabys. Im schlimmsten Fall wird das Kind in der bereits belasteten Familiensituation von Vater oder<br />

Mutter geschüttelt, damit es endlich „Ruhe gibt“, was zu bleibenden Schäden des Gehirns oder sogar zum<br />

Tod des Babys führen kann. Auf <strong>Häusliche</strong> und andere Formen von <strong>Gewalt</strong> sensibilisierte Mütterberaterinnen<br />

und KinderärztInnen haben die Möglichkeit, eine solche Gefährdung früh zu erkennen und zu intervenieren.<br />

10. Opferverhalten in der <strong>Gewalt</strong>spirale in chronifizierter <strong>Gewalt</strong>beziehung (Abhängigkeitsbeziehung<br />

oder Überlebensbindung)<br />

AUSWEICHEN, SCHLICHTEN<br />

WÄHREND DEM SPANNUNGS-AUFBAU<br />

„ALLES IST OK-PHASE“<br />

VERLEUGNEN,<br />

WÄHREND TÄTER BETEUERT,<br />

ES NIE MEHR ZU TUN<br />

ERSTARREN<br />

WÄHREND GEWALT<br />

Greber, F. (2011)<br />

<strong>Gewalt</strong>spirale in Überlebensbindungen 18<br />

Diese Opfer versuchen die Situation so gut als möglich zu kontrollieren, um den Täter zu beruhigen oder<br />

und deeskalierend zu wirken. Gelingt es nicht und übt er dennoch <strong>Gewalt</strong> aus, erstarren sie zum Selbstschutz.<br />

Nach der <strong>Gewalt</strong> verleugnen sie vor allem gegenüber Drittpersonen die Vorfälle, welches sich in<br />

einer „alles ist OK-Phase“ äussert, die das Ziel hat, jede Art von Intervention zu verhindern.<br />

Resilienz<br />

Resilienz ist die Widerstandskraft eines Menschen gegenüber Belastungen und bestimmt sich aus dem<br />

Verhältnis zwischen den Risikofaktoren, denen er ausgesetzt ist, und den Schutzfaktoren, über die er<br />

verfügt. Dabei spielen sowohl personale als auch soziale Ressourcen (innerhalb und ausserhalb der Familie)<br />

eine wichtige Rolle. Resiliente Kinder hatten gemäss Untersuchungen mindestens eine <strong>für</strong>sorgliche,<br />

wertschätzende und verfügbare Bezugsperson, so dass sie trotz widriger Umstände ein sicheres Bindungsmuster<br />

entwickeln konnten.<br />

Resiliente Menschen haben vergangene Erfahrungen von Selbstwirksamkeit (Handlungskompetenz) und<br />

in der Gegenwart realistische Hoffnungen und Vorstellungen, Ereignisse beeinflussen zu können. Weiter<br />

verfügen sie über die Fähigkeit, Unterstützung und Hilfe zu mobilisieren. Nicht alle Opfer reagieren also<br />

gleich.<br />

Resilienz ist auf drei Ebenen begründet:<br />

• der genetischen Disposition des Individuums<br />

• der Bindungserfahrung, die der Mensch mit anderen Menschen gemacht hat und macht<br />

• Sozialisationsbedingungen, d.h. dem Umfeld und der Umwelt, welche auf Menschen einwirken<br />

18 Greber, F. (2011) a.a.O.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 105 / 13


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013<br />

11. Trennungsverhalten erwachsener weiblicher Opfer<br />

Cornelia Helfferich 19 unterscheidet vier Typen weiblichen Opferverhaltens bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, die sich<br />

nach Abhängigkeitstypus unterscheiden. Verhaltensmuster können sich im Lauf einer <strong>Gewalt</strong>beziehung<br />

ändern. 20<br />

1. Rasche Trennung<br />

2. Fortgeschrittene Trennung<br />

3. Neue Chance<br />

4. Ambivalente Bindung<br />

5. Überlebensbindung 21<br />

Den ersten drei Mustern ist gemeinsam, dass die gefährdete Person noch über genügend Autonomie und<br />

eigene Ressourcen verfügt, um über ihren Verbleib in der Beziehung bzw. die Trennung zu entscheiden –<br />

dies auch ohne am Leben bedroht zu werden. Es ist wichtig, auch diese Opfer in akuter <strong>Gewalt</strong>situation zu<br />

schützen. Danach sind sie meist selbst in der Lage, allfällige weitere Schritte mit oder ohne Fachpersonen<br />

einzuleiten. Eine Intervention in solchen <strong>Gewalt</strong>beziehungen verläuft meistens relativ unproblematisch.<br />

Beratungsangebote und Psychotherapie wirken unterstützend. Bei der „raschen Trennung“ und der „fortgeschrittenen<br />

Trennung“ ist der Trennungswille des Opfers so gefestigt, dass die Trennung der Beziehung<br />

und die entsprechenden rechtlichen Verfahren rasch durchgeführt werden können. Bei der „neuen Chance“<br />

fordert das Opfer klare Beweise <strong>für</strong> eine Veränderung des Verhaltens. Beratungsangebote und Psychotherapie<br />

stützen das Opfer in seinen Forderungen. Gleichzeitig kann auch die Möglichkeit einer Trennung<br />

geprüft werden, wenn sich die Beziehung nicht gewaltfrei entwickelt. Lernprogramme, die als strafrechtliche<br />

Weisungen angeordnet werden, sind dabei hilfreich und unterstützend. Ambivalente Opfer<br />

brauchen oft langjährige beraterische und psychotherapeutische Begleitung, um das notwendige Selbstvertrauen<br />

zu entwickeln, auch alleine klar zu kommen. Erst daraus wächst eine Haltung in Bezug auf eine<br />

mögliche Trennung oder einen Verbleib in der Beziehung. Viele Frauen brechen die Begleitungen mehrfach<br />

ab, nehmen sie aber später wieder auf. Der Prozess vollzieht sich in diesen Sinne in Etappen. Zu<br />

ergänzen sind die verschiedenen Trennungsverhalten mit denjenigen Frauen, die sich in einer Überlebensbindung<br />

befinden. Diesen Opfern ist mit dem Herstellen von Schutz und Sicherheit der nötige Dienst<br />

erwiesen, damit sie die <strong>für</strong> sie passenden Lösungen überhaupt in Betracht ziehen können. Beratungen<br />

und Psychotherapie haben in diesen Fällen häufig die Funktion, den Zugang zu Information herzustellen<br />

oder die Frauen im Umgang mit den unveränderbaren <strong>Gewalt</strong>beziehungen zu begleiten, was auch <strong>für</strong><br />

Fachpersonen eine schwierige Herausforderung ist.<br />

Eine sicher gebundene Frau verhält sich z.B. je nach Tätertyp anders – einerseits im Umgang mit einer<br />

möglichen Trennung und andererseits in Bezug auf den Schutz der Kinder. Denkbar sind verschiedene<br />

Möglichkeiten:<br />

− sie trennt sich nach dem <strong>Gewalt</strong>vorfall<br />

− sie schützt ihre Kinder<br />

− sie bleibt in der Beziehung und gibt dem Täter eine neue Chance, wenn es ein z.B. Zyklischer /<br />

Borderline Typus ist, der in eine Therapie geht und die <strong>Gewalt</strong> beendet<br />

− sie schützt ihre Kinder<br />

−<br />

−<br />

−<br />

sie trennt sich nicht<br />

sie verbleibt in der <strong>Gewalt</strong>beziehung, obwohl die <strong>Gewalt</strong> nicht beendet wird und der Täter keine<br />

Hilfe annimmt<br />

sie ist möglicherweise in einem antisozialen / psychopathischen Tätertypen, befindet sich in einem<br />

Dilemma und einer Überlebensbindung und ist hoch gefährdet<br />

- paradoxerweise schützt aber diese Mutter in ihrem Erleben ihre Kinder, in dem sie in der <strong>Gewalt</strong>beziehung<br />

bleibt, diese „einsteckt“ aus Angst und mangels Alternative.<br />

Dass sich die Opfer in der Trennung-Situation sehr unterschiedlich verhalten 22 , d.h. sich entweder rasch<br />

trennen, dem Täter eine neue Chance geben, wenn eine Trennung bereits ansteht, diese beenden oder<br />

eben in der <strong>Gewalt</strong>beziehung verbleiben, hat also auch mit der Dynamik der <strong>Gewalt</strong>beziehung (d.h. mit<br />

der Gefährlichkeit des Täters) zu tun. Überlebens-Bindungen machen Trennungen <strong>für</strong> die Opfer besonders<br />

schwer oder verunmöglichen sie gar.<br />

Je nach <strong>Gewalt</strong>muster ändern aber auch die Kinder ihr Verhalten. Die <strong>Gewalt</strong>muster erkennen die Kinder<br />

19 Vgl. Helfferich, C. (2006): Muster von <strong>Gewalt</strong>beziehungen. Ein Beitrag zur hermeneutischen Diagnostik von <strong>Gewalt</strong>beziehungen.<br />

„Tötungsdelikte und schwere <strong>Gewalt</strong> durch Intimpartner. Prävention und Fallmanagement.<br />

20 Vgl. Barz, M.; Helfferich, C. (2006): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> beenden: Verhaltensänderung von Tätern als Ansatzpunkt. Eine Evaluationsstudie.<br />

Schriftenreihe der Landesstiftung Baden-Württemberg Bd.23. Stuttgart.<br />

21 Greber, F. (2011): a.a.O.<br />

22 Helfferich, C. (2006) a.a.O.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 105 / 14


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Psychologie und Dynamik; Tätertypologien und Opferverhalten, November 2013<br />

«instinktiv» – d.h. sie erkennen genau, was eskalierend oder deeskalierend wirkt und wer was von ihnen<br />

will. Bei einer ambivalenten Mutter ist davon auszugehen, dass Beratung eher toleriert wird, d.h. dass die<br />

Kinder somit der Beratung zugänglich sind. Befindet sich die Mutter in einem Dilemma, sind auch die Kinder<br />

kaum <strong>für</strong> Beratungen zugänglich und machen i.d.R. auch keine Anzeigen oder Aussagen.<br />

12. Bleiben oder gehen? 23<br />

Die meisten Frauen verlassen den Partner nicht nach der ersten <strong>Gewalt</strong>erfahrung. 24 Im Durchschnitt trennen<br />

sich Opfer bis zu 5-mal, bevor sie ausziehen. 25 Eine Trennung führt nicht automatisch zur Beendigung<br />

der <strong>Gewalt</strong> und eine Trennung kann Anlass <strong>für</strong> (weitere) <strong>Gewalt</strong> sein. 26 In 43 von 57 Fällen, in denen eine<br />

Frau von ihrem Partner ermordet wurde, lebte diese getrennt vom Täter/bzw. versuchte sich zu trennen.<br />

Bei anstehenden Trennungen stellt sich <strong>für</strong> die Frauen aber auch <strong>für</strong> die <strong>Fachleute</strong> die Frage, ob sie mit<br />

der Unterstützung der Trennung eine Eskalation verhindern oder fördern. Zur differenzierten Beurteilung<br />

der Gefahr einer Eskalation dienen folgende Fragen:<br />

1. War der Partner früher bereits gewalttätig?<br />

2. War der Partner bereits einmal psychiatrisch hospitalisiert?<br />

3. War der Partner bereits einmal in psychiatrischer/psychologischer Behandlung?<br />

4. Ist der Partner vorbestraft?<br />

5. War der Partner schon einmal im Gefängnis?<br />

6. Ist der Partner in der Freizeit in gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt?<br />

7. Ist der Partner auch gegenüber den Kindern gewalttätig?<br />

8. Drohte der Partner in der Vergangenheit mit Waffen/gefährlichen Gegenständen?<br />

9. Hat der Partner schon Mord- und/oder (erweiterte) Suiziddrohungen ausgesprochen?<br />

Die Checkliste bezieht sich auf männliche, erwachsene Täter und müsste <strong>für</strong> minderjährige Täter, minderjährige<br />

oder erwachsene weibliche Täterinnen sicher teilweise angepasst werden.<br />

Besondere Situation von Migrantinnen<br />

MigrantInnen verlieren bei einer Trennung oder Scheidung evt. ihr Aufenthaltsrecht und dies gilt teilweise<br />

auch <strong>für</strong> die Kinder. Möglicherweise droht ihnen als Folge sogar <strong>Gewalt</strong> aus ihrer Gemeinschaft. Beim<br />

Vorgehen gegen (<strong>Häusliche</strong>) <strong>Gewalt</strong> muss das weitere Umfeld, d.h. die Reaktion der Gemeinschaft und<br />

der kulturelle Kontext mitbedacht werden. Komplexe soziale und rechtliche Implikationen spielen dabei<br />

eine zentrale Rolle. Täter zwingen die Opfer teilweise unter Todesdrohungen zum Verbleib in der Beziehung.<br />

Viele Opfer ziehen die Strafanzeige nur zurück, um weitere Eskalationen zu verhindern – einer der<br />

Gründe <strong>für</strong> eine Desinteresseerklärung (StGB 55a). Es ist eine Aufgabe der Politik, diese Ausgangslage<br />

dahingehend zu verändern, dass Opfer in ihrem Willen, sich zu trennen und ihre Kinder zu schützen unterstützt<br />

werden. 27<br />

23 Rossegger, A. (2012) a.a.O.<br />

24 Henderson, A. J. Z. et al. (1997): He Loves Me; He Loves Me Not: Attachment and Separation Resolution of Abused Women. Journal<br />

of Family Violence, Vol. 12, No. 2. http://www.sfu.ca/psyc/faculty/bartholomew/violencepub_files/loveme.pdf<br />

25 Okun, L. E. (1986): Woman abuse: Facts replacing myths. Albany, NY: State University of New York Press.<br />

26 Stawar, T. L. (1996): Suicidal and homicidal risk for respondents, petitioners, and family members in an injunction program for domestic<br />

violence." Psychological reports 79.2 (1996): 553-554.<br />

27 Siehe: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> – <strong>Manual</strong> <strong>für</strong> <strong>Fachleute</strong>, Kapitel 6. www.ist.zh.ch<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 105 / 15


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Multikontextuelle und multikonstellationelle <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />

106 Multikonstellationelle und multikontextuelle (<strong>Häusliche</strong>) <strong>Gewalt</strong><br />

Seit einigen Jahren wird der Blick vermehrt auch auf drohende und gewaltausübende Frauen gerichtet,<br />

damit der Opferschutz des Partners und/oder der Kinder sichergestellt werden kann. Im Kanton <strong>Zürich</strong><br />

werden durchschnittlich in 7% der Fälle polizeiliche <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen gegen gewaltausübende<br />

Frauen angeordnet. Im Unterschied zu gewaltausübenden Männern weiss man über gewaltausübende<br />

Frauen wenig. Frauen werden meistens nur einseitig als Opfer wahrgenommen und befragt. Der <strong>Gewalt</strong>kontext,<br />

die Beziehungskonstellationen und die Formen der <strong>Gewalt</strong> sind in allen <strong>Gewalt</strong>konstellationen<br />

auch unter einem genderdifferenzierten Blick zu analysieren, um Konzepte anzupassen. Das in Baselland<br />

entwickelte Lernprogramm <strong>für</strong> Täterinnen von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> trägt diesen Unterschieden Rechnung.<br />

Auch bei Minderjährigen müssen sich Massnahmen nicht nur am Alter, sondern auch an der unterschiedlichen<br />

Problematik der Knaben und Mädchen als Opfer und TäterInnen orientieren.<br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> kann in jeder familiären und partnerschaftlichen Beziehungskonstellation angedroht<br />

oder ausgeübt werden. Bei Interventionen wird oft als erstes auf die erwachsene, heterosexuelle Beziehungskonstellation<br />

i.S.v. „männlicher Täter ‒ weibliches Opfer“ reagiert. Bei den Beratungsstellen wird<br />

eine Zunahme <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> durch Minderjährige, d.h. von Elternmisshandlung oder Geschwistergewalt<br />

festgestellt.<br />

Multikonstellationelle <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />

Die Möglichkeit einer „multikonstellationellen <strong>Häusliche</strong>n <strong>Gewalt</strong>“, d.h. mehrerer gleichzeitiger <strong>Gewalt</strong>beziehungen,<br />

ist immer in Betracht zu ziehen. PartnerInnengewalt gilt als zentraler Risikofaktor <strong>für</strong> Kindsmisshandlung,<br />

d.h. dass oft gleichzeitig auch <strong>Gewalt</strong> gegenüber Kindern und anderen Personen ausgeübt<br />

wird.<br />

Voindrot 1 (2010) unterscheidet einseitig (monodirektionale) und wechselseitig (bidirektionale) ausgerichtete<br />

<strong>Gewalt</strong>. Multikonstellationelle <strong>Gewalt</strong> umfasst somit alle Formen einseitiger und wechselseitiger <strong>Häusliche</strong>r<br />

und weiterer <strong>Gewalt</strong> in unterschiedlichen Beziehungskonstellationen.<br />

So hat ein Partner, welcher seine <strong>Gewalt</strong>handlungen gegenüber seiner Partnerin über Jahre rechtfertigt<br />

und ihr die Schuld zuschiebt, gegenüber seinen Kindern mit grosser Wahrscheinlichkeit ähnlich gewalttätige<br />

Erziehungsmethoden. Auch <strong>für</strong> die Partnerin, die die jahrelange <strong>Gewalt</strong> aus verschiedensten Gründen<br />

erleidet und erduldet, ist es oft schwer, die Not ihrer Kinder wahrzunehmen und diese vor der väterlichen<br />

<strong>Gewalt</strong> zu schützen. Die Evaluationsstudie des Marie Meierhofer Instituts <strong>für</strong> das Kind über die zeitnahe<br />

Kinderansprache, welche im Dezember 2012 verfasst wurde, zeigte auf, dass bei <strong>Gewalt</strong> in der elterlichen<br />

Beziehung 40% der Kinder direkt <strong>Gewalt</strong> von einem oder beiden Elternteilen erleben.<br />

Multikonstellationelle <strong>Gewalt</strong> gibt es auch bei Minderjährigen. So können Kinder von elterlicher <strong>Gewalt</strong><br />

betroffen sein und später oder gleichzeitig gegen Geschwister oder gegenüber einem Elternteil das gelernte<br />

und vorgelebte <strong>Gewalt</strong>verhalten fortsetzen.<br />

In manchen Fällen ist mit der polizeilichen Intervention nur gegen eine gefährdende Person das Opfer<br />

noch nicht genügend geschützt. Oft können Opfer und Gefährdende nicht eindeutig abgegrenzt werden.<br />

Manchmal sind gewaltausübende Personen auch Opfer. So gibt es Jugendliche (meist Söhne), die von<br />

ihren Vätern instrumentalisiert werden, um ihre Schwestern zu kontrollieren, auszuspionieren und ihnen<br />

nachzustellen und/oder mit <strong>Gewalt</strong> zu bedrohen.<br />

Es ist zu prüfen, ob Erwachsen und/oder Minderjährige<br />

– Opfer einer Person sind<br />

– Opfer mehrerer Personen sind<br />

– nur Opfer sind<br />

– <strong>Gewalt</strong> gegen eine Person androhen/ausüben<br />

– <strong>Gewalt</strong> gegen mehrere Personen gleichzeitig androhen/ausüben<br />

– nur TäterIn sind<br />

– Opfer und TäterIn in verschiedenen Beziehungskonstellationen sind.<br />

1 Voindrot, F. (2010): L’enfant face à la violence conjugale: une réalité clinique déniée. Referat gehalten am 4. Nov. 2009 in Bern an der<br />

Nationalen Tagung der Interventionsstellen, Interventionsprojekte, Fachstellen und Gleichstellungsbüros gegen häusliche <strong>Gewalt</strong> der<br />

Schweiz.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 106 / 1


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Multikontextuelle und multikonstellationelle <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />

Multikontextuelle (<strong>Häusliche</strong>) <strong>Gewalt</strong><br />

Eisner et al. 2 kommen zum Schluss, dass gewaltausübende Minderjährige oft gleichzeitig in verschiedenen<br />

Kontexten und Beziehungskonstellationen <strong>Gewalt</strong> androhen oder ausüben. Findet die <strong>Gewalt</strong> gleichzeitig<br />

in unterschiedlichen Kontexten statt, handelt es sich um multikontextuelle <strong>Gewalt</strong>. Auch <strong>Gewalt</strong> in<br />

Liebesbeziehungen Jugendlicher wird als <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> verstanden.<br />

Es ist also auch zu prüfen, ob Erwachsene und/oder Minderjährige<br />

– <strong>Gewalt</strong> in einem spezifischen Kontext androhen/ausüben<br />

– <strong>Gewalt</strong> in verschiedenen Kontexten gleichzeitig androhen/ausüben<br />

– Opfer und/oder TäterIn in verschiedenen Kontexten sind.<br />

Das Verhalten der Opfer und Gefährdenden, das spezifische <strong>Gewalt</strong>muster und die <strong>Gewalt</strong>dynamik unterscheiden<br />

sich je nach <strong>Gewalt</strong>konstellation, <strong>Gewalt</strong>kontext sowie Geschlecht und Alter der involvierten<br />

Personen 3 (Greber 2010).<br />

Um sowohl Opfer von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> zu schützen als auch Gefährdende in die Verantwortung zu<br />

nehmen, müssen alle <strong>Gewalt</strong>konstellationen und <strong>Gewalt</strong>kontexte bekannt sein. Die Angst vor Konsequenzen<br />

auf der einen und Scham bzw. Schuldgefühle auf der anderen Seite sind oft zu gross, als dass ohne<br />

Rückfragen überhaupt darüber gesprochen wird.<br />

2 Eisner, M.; Ribeau, D.; Bittel, S. (2006): Prävention von Jugendgewalt: Wege zu einer evidenzbasierten Präventionspolitik, Bern-<br />

Wabern: Eidgenössische Ausländerkommission EKA.<br />

3 Greber, F. (2010): Die Vielfalt und Komplexität <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> erkennen. In: Fachstelle <strong>für</strong> Gleichstellung der Stadt <strong>Zürich</strong> et al.<br />

(Hrsg.): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> erkennen und richtig reagieren. 2. Überarbeitete Auflage. Verlag Hans Huber. Bern. S. 175-180.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 106 / 2


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Kinder als Mitbetroffene <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />

107 Kinder als Opfer <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

Mädchen und Jungen sind von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in der Elternbeziehung und/oder jeder partnerschaftlichen<br />

oder familiären <strong>Gewalt</strong> immer mitbetroffen, sei dies als ZeugInnen und/oder direkte Opfer. Die<br />

heute bekannten gravierenden Folgen fordern eine noch stärkere interinstitutionelle, inter- und transdisziplinäre<br />

Auseinandersetzung sowie weiterreichende Massnahmen zur Früherfassung und Prävention sowie<br />

zum Schutz der Kinder. 1<br />

Schröttle et al. 2 unterscheiden drei Typen von <strong>Gewalt</strong>betroffenheit:<br />

1. Einmalige oder geringe Häufigkeit/Intensität der <strong>Gewalt</strong><br />

2. Mässige bzw. hohe Häufigkeit/Intensität der <strong>Gewalt</strong><br />

3. Sehr hohe Häufigkeit/Intensität der <strong>Gewalt</strong> (Schröttle, Müller, Glammeier 2004).<br />

In der Gruppe 3 zeigen Daten, dass Alkohol eine grössere Rolle spielt als in den beiden anderen Gruppen.<br />

Das gibt einen Hinweis auf die Gefährlichkeit, der in diesen Fällen oft völlig unkontrollierten <strong>Gewalt</strong>,<br />

gleichzeitig aber auch auf eine Mehrfachbelastung der Kinder (Helfferich et al. 2004) 3 .<br />

Kinder erleben die <strong>Gewalt</strong>handlungen<br />

Die auch von Müttern geäusserte Annahme, die Kinder wären aus dem <strong>Gewalt</strong>geschehen herausgehalten<br />

worden, erwies sich im Gespräch mit den Kindern meistens als eine Illusion.<br />

- Sie sind in 80-90% der Fälle anwesend oder im Nebenraum.<br />

- Sie erleben <strong>Gewalt</strong> unterschiedlicher Häufigkeit und Schweregrade.<br />

- Sie erleben verbale, körperliche und sexuelle <strong>Gewalt</strong>.<br />

- Sie sind häufig auf sich alleine gestellt, da beide Eltern von eigenen Konflikten und Problemen absorbiert<br />

sind.<br />

- Sie haben Sorge um die jüngeren Geschwister.<br />

- Sie erleben existenzielle Bedrohungen.<br />

- Sie haben Angst, dass<br />

- Vater und Mutter sterben könnten;<br />

- die Mutter ohne sie weggeht, Suizid begeht;<br />

- die Mutter sich trennt und dann vom Vater umgebracht wird;<br />

- oder dass der Vater die Mutter, die Kinder und sich selbst tötet.<br />

- Sie sind isoliert und stehen unter Druck, das Familiengeheimnis vor anderen zu wahren. 4<br />

Die wissenschaftliche Begleitung von Interventionsprojekten gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> (WiBIG) von 1998<br />

bis 2004 5 in Deutschland zeigt, dass Kinder in grosser Zahl nicht nur von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> mitbetroffen<br />

sind, sondern auch die staatliche Intervention miterleben. Die meisten dieser Kinder waren unter 12 Jahre<br />

alt. Dies führte im Kanton <strong>Zürich</strong> dazu, dass sich zwei Pilotprojekte (KidsPunkt und KidsCare) des Amtes<br />

<strong>für</strong> Jugend- und Berufsberatung zeitnah, d.h. so rasch als möglich, den Kindern und deren Bedürfnissen<br />

angenommen haben.<br />

Die Pilotprojekte wurden durch das Marie Meierhofer Institut <strong>für</strong> das Kind begleitend evaluiert Die Resultate<br />

zeigen, dass Kinder in über 40% direkt von <strong>Gewalt</strong> betroffen sind und massive, klinische Symptome<br />

zeigen. Durch die rasche Ansprache durch Fachpersonen, die im Einverständnis der Eltern erfolgte, konnte<br />

den Kindern eine Orientierungshilfe geboten werden, die auch zur kurzfristigen Entlastung der Kinder<br />

führte. Es wäre wünschbar, die zeitnahe Kinderansprache im ganzen Kanton einzuführen, damit die Zeit<br />

zwischen <strong>Gewalt</strong>vorfall und dem Aktivwerden der Kinderschutzbehörden , überbrückt werden kann.<br />

Die Folgen <strong>für</strong> die Kinder sind unterschiedlich<br />

Angst, Schuld- und Schamgefühle der Mutter sind <strong>für</strong> die Kinder ebenso spürbar wie das spezifische<br />

Trennungsverhalten. Eine Rolle spielt auch, ob die Mutter in der Lage ist, die Kinder zu schützen. Übt<br />

auch sie gegen die Kinder <strong>Gewalt</strong> aus, beeinflusst dies zusätzlich die Befindlichkeit und den Umgang der<br />

Kinder und Jugendlichen mit der Situation. Dies kann bedeuten, dass sie vergleichbare Schuldgefühle<br />

entwickeln, weil sie die <strong>Gewalt</strong>eskalationen nicht stoppen können. Oft werden auch ihre Bedürfnisse kaum<br />

oder nicht wahrgenommen und sie erleben die mangelnde Selbstwirksamkeit als tiefgreifende Ohnmacht.<br />

Diese Kinder werden z.B. als „HelferIn“ von der Mutter ausgenutzt und vom Vater instrumentalisiert, die<br />

Mutter oder Geschwister zu kontrollieren und zu stalken.<br />

1 Kavemann, B. (2000): Kinder und häusliche <strong>Gewalt</strong> - Kinder misshandelter Mütter. In: Kindesmisshandlung und Vernachlässigung,<br />

Jahrgang 3, Heft 2, S. 106-120.<br />

2 Schröttle, M.; Müller, U.; Glammeier, S. (2004): Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland, Berlin: Bundesministerium<br />

<strong>für</strong> Familie, Senioren, Frauen und Jugend.<br />

3 Helfferich, C.; Kavemann, B.; Lehmann, K. (2004): „Platzverweis“: Beratung und Hilfen bei häuslicher <strong>Gewalt</strong>. Abschlussbericht eines<br />

Forschungsprojektes im Auftrag des Sozialministeriums Baden-Württemberg. Stuttgart: Sozialministerium.<br />

4 Kavemann, B.; Kreyssig, U. (HG.) (2006): Handbuch Kinder und häusliche <strong>Gewalt</strong>, VS-Verlag Sozialwissenschaften, Wiesbaden<br />

5 Bundesministerium <strong>für</strong> Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2004): Gemeinsam gegen häusliche <strong>Gewalt</strong>. Kooperation, Intervention,<br />

Begleitforschung. Berlin.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 107 / 1


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Kinder als Mitbetroffene <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />

Heidi Simoni differenzierte anlässlich einer Weiterbildung der IST <strong>für</strong> <strong>Fachleute</strong> (2013) altersspezifische<br />

Unterschiede 6 :<br />

1. Im Vorschulalter<br />

• existentielle Bedrohung<br />

• alterstypische Fantasien, Zwiespälte, Ängste, Wut<br />

• Allmacht ⇔ Ohnmacht<br />

• Widersprüchen ausgeliefert sein<br />

2. Im Primarschulalter<br />

• Angst, Versagensgefühle, Ohnmacht, Wut<br />

• Gefühl durch Fehlverhalten VerusacherIn zu sein<br />

• Recht ⇔ Unrecht, moralische Entrüstung (ist möglich)<br />

3. Im Jugendalter<br />

• Schuldgefühle aufgrund von Ablösungswünschen und Verantwortungsübernahme<br />

• Versagensgefühle, Ohnmacht, Wut<br />

Erkenntnisse über (<strong>Häusliche</strong>) <strong>Gewalt</strong> bei Erwachsenen können nicht 1:1 auf Kinder und Jugendliche<br />

übertragen werden. Eine zeitnahe und flächendeckende Beratung 7 auch der Kinder und Jugendlichen als<br />

Mitbetroffene und Opfer <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> fehlen. Im Rahmen von Prävention und Intervention muss die<br />

Bedeutung der Peergruppe und des sozialen Nahraumes der Kinder und Jugendlichen geklärt werden.<br />

Eine wichtige Frage ist: wirkt die Peergruppe und das Umfeld gewaltfördernd oder deeskalierend. Kindesschutz<br />

muss ein zwingend integrierter Bestandteil von Prävention und Bedrohungsmanagement sein.<br />

Resilienz und Vulnerabilität<br />

Die Ausprägung der Resilienz (psychische Widerstandsfähigkeit) und die Stärke der Vulnerabilität (Verletzbarkeit)<br />

sind auch bei Kindern als Mitbetroffenen und Opfer <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> bedeutsam <strong>für</strong> die Art<br />

des Umgangs mit extremen Belastungssituationen.<br />

6 Simoni, H.; (2013): Vortrag '<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und Kinder' anlässlich der IST-WB vom 27.02.2013<br />

7 Kurzbericht. Evaluation der Projekte KidsCare und KidsPunkt im Kanton <strong>Zürich</strong> (2012):<br />

http://www.zh.ch/internet/bildungsdirektion/ajb/de/forschung_entwicklung/gewaltbetroffene_kinder.html<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 107 / 2


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Corinna Seith, Juli 2011<br />

108 Corinna Seith 1961 - 2010<br />

Corinna Seith war zweifellos eine der ersten Forscherinnen, die sich mit Kindern im Kontext <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> befasste. Anstelle eines Nachrufes<br />

geben wir einen Text von Paula Lanfranconi, Journalistin in <strong>Zürich</strong>, wieder, mit dem sie anlässlich des 175. Jubiläums der Universität <strong>Zürich</strong><br />

im Jubiläumstram das Wirken von Corinna Seith würdigte. Der Text erschien auch im UniMagazin 2/2007.<br />

Der erste Anrufer war ein türkischer Vater. Er bekannte, er habe seine Frau geschlagen. Man könne<br />

kommen und ihn und seine Familie befragen. Corinna Seith war erstaunt - die Leiterin der Nationalfondsstudie<br />

zur häuslichen <strong>Gewalt</strong> aus der Sicht von Kindern und Jugendlichen hatte Frauenhäuser und Opferhilfestellen<br />

kontaktiert, um von häuslicher <strong>Gewalt</strong> betroffene Frauen und Kinder ausfindig zu machen. Und<br />

jetzt meldete sich ein Mann. «Zuerst war ich misstrauisch», erzählt die Wissenschaftlerin. Doch der Familienvater<br />

habe ihre Bedingungen akzeptiert: getrennte Befragung aller Familienmitglieder und Vertraulichkeit.<br />

Solche Interviews mit von häuslicher <strong>Gewalt</strong> betroffenen Familien ergänzen die grossangelegte schriftliche<br />

Befragung, die Seith zusammen mit ihrer Mitarbeiterin Irene Böckmann durchgeführt hat: Im Rahmen<br />

des Nationalen Forschungsprogramms (NFP) 52 «Kindheit, Jugend, Generationenverhältnisse im gesellschaftlichen<br />

Wandel» haben sie im Kanton <strong>Zürich</strong> 1400 Kinder und Jugendliche zwischen 9 und 17 Jahren<br />

schriftlich befragt und mit 29 Mädchen und Jungen zwischen 8 und 18 Jahren und ihren Müttern Interviews<br />

durchgeführt. Ergänzt wurde diese Erhebung durch Gespräche mit Mitarbeiterinnen von Frauenhäusern<br />

und Opferhilfestellen in den Kantonen Bern, Luzern und <strong>Zürich</strong>. Die 2006 abgeschlossene, multimethodologisch<br />

angelegte Untersuchung ist eine Premiere im deutschsprachigen Raum.<br />

Die Befragung förderte Überraschendes zu Tage: So hatten 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler<br />

schon von häuslicher <strong>Gewalt</strong> gehört. Die Probleme mit <strong>Gewalt</strong> innerhalb der Familie vertrauen die Schülerinnen<br />

und Schüler am ehesten ihren Geschwistern, Gleichaltrigen, den Grosseltern und dem Sorgentelefon<br />

an. Lehrpersonen gegenüber sind sie sehr skeptisch. Ein 14-jähriges Mädchen schrieb: «Lehrer sind<br />

einfach Lehrer und somit ‹Quälpersonen›. Man will nicht, dass sie wissen, was zu Hause abgeht.» Und<br />

eine Dreizehnjährige be<strong>für</strong>chtete, Lehrpersonen könnten dem Jugendamt Bescheid sagen und die Kinder<br />

von den Eltern wegholen.<br />

Die Schule spielt auch bei der Vermittlung des Wissens über häusliche <strong>Gewalt</strong> nur eine untergeordnete<br />

Rolle, sie rangiert erst an zweitletzter Stelle - anders als in England, wo sie an zweiter Stelle steht. Die<br />

wichtigste Informationsquelle sind die Medien. Die Schule sollte mehr Verantwortung übernehmen, findet<br />

Corinna Seith. Sie empfiehlt, das Thema <strong>Gewalt</strong> in Geschlechterbeziehungen in die Lehrpläne aufzunehmen.<br />

Der Forscherin fällt auch auf, dass die Schere zwischen den Geschlechtern extrem auseinander<br />

geht: Neun- bis Elfjährige sind auf einem ähnlichen Kenntnisstand, doch ab zwölf nimmt das Wissen der<br />

Mädchen stark zu, während jenes der Jungen stagniert. Für die Praxis, betont Seith, bedeute dies, dass<br />

die Präventionsarbeit nicht erst in der Pubertät, sondern bereits bei den Neunjährigen beginnen sollte.<br />

Wie erleben Kinder und Jugendliche häusliche <strong>Gewalt</strong>? Ein Teil ist selber direkt von physischer <strong>Gewalt</strong><br />

betroffen, andere beschrieben, welchen Turbulenzen sie ausgesetzt waren, wie bedrohlich <strong>für</strong> sie die Situation<br />

oft war, auch wenn nicht sie selbst, sondern «nur» die Mutter geschlagen wurde. Internationale<br />

Studien zeigen, dass zwischen 10 und 30 Prozent aller Kinder und Jugendlichen im Verlauf ihrer Kindheit<br />

Zeugen von häuslicher <strong>Gewalt</strong> werden. Zwischen 30 und 60 Prozent dieser Kinder erlebten auch selber<br />

Misshandlungen. Von ihnen zeigen 35 bis 45 Prozent klinische Auffälligkeiten. Seith kommt zum Schluss:<br />

«Damit es nicht zu chronischen Störungen kommt, sollte die Situation der Kinder möglichst parallel zur<br />

Beratung der Mütter abgeklärt werden. Und es sollten spezifische Unterstützungsangebote <strong>für</strong> die Kinder<br />

entwickelt werden.» Solche gibt es in der Schweiz bisher nicht. Baden-Württemberg ist bereits ein Stück<br />

weiter. Auf Grund von Seiths Studien hat man dort das Aktionsprogramm «Kinder als Zeugen häuslicher<br />

<strong>Gewalt</strong>» gestartet, das sie wissenschaftlich begleitet.<br />

Das Problem sei, konstatiert Corinna Seith, dass die verschiedenen Misshandlungsformen oft separat<br />

betrachtet werden. Dabei gebe es häufig Überschneidungen zwischen Kindesmisshandlung, sexueller<br />

Ausbeutung und häuslicher <strong>Gewalt</strong>. Diese müssten deshalb auch gemeinsam angegangen werden: «Bei<br />

häuslicher <strong>Gewalt</strong> sind die Eltern oft nicht einfach nur überfordert und hilfebedürftig, sondern es gibt ein<br />

Machtgefälle zwischen den Geschlechtern und eine klare Täter-Opfer-Struktur. Wenn man das nicht berücksichtigt,<br />

verkennt man auch, dass eine Mutter ihr Kind gar nicht schützen kann, weil sie selber von<br />

<strong>Gewalt</strong> betroffen ist.» Deshalb müsse dieses Problem zuerst angegangen werden: «Der Schutz der Mutter<br />

ist der beste Kinderschutz», bringt sie es auf den Punkt. Kinder, ist Seith überzeugt, seien eine gute Möglichkeit,<br />

Schieflagen im Geschlechterverhältnis zur Sprache zu bringen.<br />

Für Seith ist es wichtig, dass mit ihren Forschungsergebnissen etwas passiert. Wenn sie ihre Arbeit präsentiert,<br />

stellt sie immer wieder fest, dass auch gestandenen Praktikern aus der Jugendhilfe, die sich in<br />

ihrem Alltag mit Fällen von sexueller Ausbeutung und Kindesmisshandlung befassen, die Augen aufgehen.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 108 / 1


schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

Wenn Behörden ins Familienleben eingreifen<br />

Kinder und häusliche <strong>Gewalt</strong> –<br />

Herausforderungen <strong>für</strong> Behörden und Fachstellen<br />

Behörden haben die Mitbetroffenheit von Kindern und<br />

Jugendlichen als Zeugen und Opfer von häuslicher<br />

<strong>Gewalt</strong> bislang nicht systematisch berücksichtigt,<br />

kaum anders präsentiert sich die Forschungslage im<br />

deutschsprachigen Raum. Eine im Rahmen des NFP 52<br />

durchgeführte Untersuchung ermöglicht nun umfassende<br />

Ergebnisse vorzulegen. Was heisst Mitbetroffenheit?<br />

Welche Auswirkungen hat häusliche <strong>Gewalt</strong> auf<br />

Kinder und Jugendliche? Sind die Unterstützungsangebote<br />

von Behörden und Fachstellen ausreichend?<br />

Der Artikel plädiert da<strong>für</strong>, die Mitbetroffenheit von<br />

Kindern und Jugendlichen künftig systematisch in das<br />

professionelle Handeln zu integrieren und macht Vorschläge,<br />

wie bestehende Lücken im Angebot geschlossen<br />

werden könnten.<br />

Corinna Seith<br />

Pädagogisches Institut,<br />

Universität <strong>Zürich</strong><br />

1 Die Änderung des Strafgesetzes (SR3111) trat am 1.4.2004 in Kraft. Im<br />

Juni 2006 verabschiedete das Parlament eine Änderung des ZGB (Art.<br />

28b zum Schutz der Persönlichkeit gegen <strong>Gewalt</strong>, Drohungen und<br />

Nachstellungen). Einige Kantone wollten die Revision des ZGB nicht<br />

abwarten und änderten ihre kantonalen Gesetze bereits vorher (z.B.<br />

St.Gallen).<br />

2 Eine Ausnahme bildet die traumatheoretische Studie von Strasser<br />

(2001), die auf Interviews mit Kindern und Müttern in einem Frauenhaus<br />

in Österreich basiert.<br />

3 Das Projekt «<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> aus Sicht von Kindern und Jugendlichen»<br />

wurde im Rahmen des Nationalen Forschungsprogamms 52<br />

«Kindheit, Jugend und Generationenbeziehungen im gesellschaftlichen<br />

Wandel» durchgeführt (Nr. 405240-68971, www.nfp52.ch). Leitung:<br />

Dr. Corinna Seith, wissenschaftliche Mitarbeiterin: lic. phil. Irene Böckmann.<br />

Interessierte LeserInnen mögen sich <strong>für</strong> weitere Publikationen<br />

über die Homepage des Schweizerischen Nationalfonds auf dem Laufenden<br />

halten oder sich direkt an die Autorin wenden. Dr. Corinna<br />

Seith, Universität <strong>Zürich</strong>, Freiestr. 36, 8032 <strong>Zürich</strong>, Tel. 0041 (0)44<br />

634 27 57, Email: cseith@paed.unizh.ch.<br />

1. Kinder und häusliche <strong>Gewalt</strong> – ein neues<br />

Thema auf der Agenda<br />

Seit Mitte der 1990er Jahre konzentrierten sich die<br />

(fach-)öffentlichen Diskussionen auf die Frage, inwieweit<br />

Institutionen <strong>Gewalt</strong> in Ehe und Partnerschaft<br />

steuern können und welche Reformen notwendig wären,<br />

um nicht nur die Opfer besser zu schützen, sondern<br />

auch die Täter konsequenter zur Verantwortung zu ziehen<br />

(Seith, 2003). Forschungen in den USA wiesen bereits<br />

in den 1980er Jahren die Bedeutung von Rechtsund<br />

Polizeireformen nach. Auch in der Schweiz wurde<br />

der Weg zu Rechts- und Institutionenreformen beschritten,<br />

namentlich die unter dem Begriff der «Offizialisierung<br />

von häuslicher <strong>Gewalt</strong>» bekannt gewordene<br />

Gesetzesreform und das «<strong>Gewalt</strong>schutzgesetz», das die<br />

Wegweisung der gewaltbereiten Person erlaubt. 1 Gerade<br />

das <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz ist <strong>für</strong> die mibetroffenen<br />

Kinder und Jugendlichen von besonderer Bedeutung,<br />

weil es eine Alternative zur Flucht ins Frauenhaus darstellt<br />

und umfassendere Möglichkeiten bietet, Schutz<br />

und Sicherheit im vertrauten Umfeld zu schaffen. Die<br />

Implementation des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes in Österreich<br />

seit 1997 und in Deutschland seit 2002 zeigt, dass<br />

es bei den Opfern und auch bei der Polizei auf grosse<br />

Akzeptanz stösst. Im Zuge der Rechts- und Institutionenreformen<br />

wurden in interinstitutionellen Kooperationsgremien<br />

bestehende Vorgehensweisen überprüft<br />

und Strategien zur Optimierung der Praxis entwickelt.<br />

Zahlreiche Aspekte, die im Hinblick auf einen professionellen<br />

Umgang mit häuslicher <strong>Gewalt</strong> zu berücksichtigen<br />

sind, wurden erörtert, doch es fällt auf, dass die<br />

Situation von Kindern und Jugendlichen, die im Kontext<br />

von häuslicher <strong>Gewalt</strong> aufwachsen, nicht in gebührendem<br />

Masse Berücksichtigung fand.<br />

Für eine fundierte Fachdiskussion fehlten darüber<br />

hinaus wissenschaftliche Grundlagen. Im Unterschied<br />

zum anglo-amerikanischen Raum und zu Skandinavien<br />

ist die Situation von Kindern, die im Kontext von häuslicher<br />

<strong>Gewalt</strong> aufwachsen, in der deutschsprachigen<br />

Forschung bis zu Beginn des Milleniums als eigentliche<br />

«terra incognita» zu bezeichnen (Seith, 2006). 2 Mit einem<br />

vom Schweizerischen Nationalfonds (NFP 52) und<br />

vom Bundesamt <strong>für</strong> Sozialversicherungen finanzierten<br />

Forschungsprojekt liegen nun Ergebnisse vor, die auf<br />

30 Interviews mit betroffenen Kindern und Jugendlichen<br />

(im Alter zwischen 8 und 18 Jahren) und einer<br />

schriftlichen Befragung der allgemeinen Population<br />

von SchülerInnen im Alter zwischen 9 und 17 Jahren<br />

Soziale Sicherheit CHSS 5/2006 249


Schwerpunkt<br />

Wenn Behörden ins Familienleben eingreifen<br />

(N=1400) im Kanton <strong>Zürich</strong> basieren und ferner die<br />

Perspektive von gewaltbetroffenen Müttern und Fachstellen<br />

in den Kantonen Bern, Luzern und <strong>Zürich</strong> erfassen<br />

(Seith & Böckmann, 2006). 3<br />

2. Aufwachsen im Kontext von häuslicher<br />

<strong>Gewalt</strong><br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>, wenn es sich um ein Muster von<br />

Macht, Kontrolle und <strong>Gewalt</strong> handelt, strukturiert das<br />

Familienleben und das Verhältnis der Generationen<br />

und Geschlechter durch alltägliche Praktiken von Dominanz<br />

und Macht.<br />

Direkte Zeugenschaft kann nicht nur verbale Auseinandersetzungen<br />

und Erniedrigungen umfassen, sondern<br />

auch Tätlichkeiten, massive Bedrohung (auch mit<br />

Waffen) wie auch schwere physische und sexuelle <strong>Gewalt</strong>.<br />

Eine 13-Jährige, die im Rahmen der erwähnten<br />

NFP 52 Studie interviewt wurde, erinnerte sich, wie sie<br />

nachts aufwachte, sich heranschlich und sah, wie ihr Vater<br />

ihre Mutter an die Wand drückte, sie mit einem<br />

Gürtel bedrohte und dass die Mutter im Gesicht blutete.<br />

Eine 8-Jährige beschrieb im Detail, wie ihr Vater ihre<br />

Mutter packte und schlug, dass er wütete und manchmal<br />

die ganze Wohnung demolierte. Beide haben Kontakt<br />

zum Vater, wobei die daraus entstehende Belastung<br />

<strong>für</strong> die Kinder gross erschien. Ein 9-jähriges Mädchen<br />

fiel in Ohnmacht und erlitt einen Schock, als sie<br />

aus Angst versuchte wegzulaufen und der Vater ihr den<br />

Fluchtweg versperrte. Sie hatte keinen Kontakt zum<br />

Vater, <strong>für</strong>chtete sich aber davor, dass er ihr auflauern<br />

könnte, da er mit Kindsentführung gedroht hatte. Sexuelle<br />

<strong>Gewalt</strong> nannten die Kinder und Jugendlichen in<br />

den Interviews selbst nicht bzw. aus forschungsethischen<br />

Gründen wurde von der Frage Abstand genommen,<br />

doch die Interviews mit den Müttern und der Einblick<br />

in die Wohnsituation lassen darauf schliessen, dass<br />

die Väter in dieser Beziehung rücksichtslos handelten<br />

und die Versuche der Mütter, die Kinder zu schützen,<br />

nicht immer gelingen konnten.<br />

Kinder sind nicht nur Zeugen und aufgrund des Kontexts,<br />

in dem sie aufwachsen, belastet, sondern ein Teil<br />

der Kinder erfährt selbst auch Misshandlungen und sieht,<br />

wie die Geschwister geschlagen werden. Ein 8-jähriges<br />

Mädchen erzählte, dass der Vater sie und ihren Bruder<br />

oft schlug, wohin er schlug, was er dabei zu Hilfe nahm.<br />

Zum Teil sei es ihr gelungen, aus der Wohnung zu rennen<br />

und sich bei den Nachbarn in Sicherheit zu bringen.<br />

Zum Alltag der meisten Kinder und Jugendlichen gehört<br />

es, Eskalationen und Übergriffe mitzuhören. Oft<br />

werden die Kinder ins Zimmer geschickt, aber sie hören<br />

dennoch den Streit. Um nicht den Zorn des Vaters auf<br />

sich zu ziehen, «haben wir zusammen heimlich geweint»,<br />

wie ein 11-jähriger Junge über sich und seine<br />

zwei jüngeren Geschwister erzählte. Viele Kinder beschrieben,<br />

wie die 13-Jährige weiter oben, dass sie aus<br />

dem Schlaf gerissen wurden und versuchten herauszufinden,<br />

was vor sich geht. Es sind oft Anblicke des<br />

Schreckens, mit denen sie konfrontiert sind. Geschwister<br />

handeln zuweilen aus, wer die Situation ausspähen<br />

muss, während die anderen voller Angst zurückbleiben.<br />

Selbst wenn Kinder und Jugendliche nicht zugegen<br />

waren, so erkennen sie an den Verletzungsfolgen und<br />

der veränderten Atmosphäre, dass es wieder Streit gegeben<br />

hat. Manche Kinder versuchten nachzufragen, bei<br />

wiederholter <strong>Gewalt</strong> erübrigte sich aus Sicht einer 12-<br />

Jährigen die Nachfrage. Das blaue Auge der Mutter<br />

war <strong>für</strong> sie selbsterklärend.<br />

Mitbetroffenheit von häuslicher <strong>Gewalt</strong> kann, wie<br />

deutlich wurde, bedeuten, dass Kinder direkte Zeugen<br />

werden von <strong>Gewalt</strong> des Vaters an der Mutter, sie diese<br />

mithören oder die Verletzungsfolgen sehen. Ferner lassen<br />

die Interviews erkennen, dass ihr Kontext des Aufwachsens<br />

von vielfältigen symbolischen Praktiken charakterisiert<br />

ist, die auf die Abwertung der Mutter abzielen<br />

und die Funktion haben, eine soziale Ordnung im<br />

Geschlechter- und Generationenverhältnis herzustellen,<br />

die nicht auf Egalität, sondern auf Asymmetrie und<br />

Hierarchie basiert. Aussagen wie «Sie konnte ihm nie etwas<br />

recht machen» oder «einmal war ihm das Essen zu<br />

heiss, ein anderes Mal war ihm das Essen zu kalt» lassen<br />

erkennen, dass die Kinder ein feines Gespür <strong>für</strong> ordnungsstiftende<br />

Alltagsrituale entwickeln.<br />

Auch wenn sie nicht selbst von direkter <strong>Gewalt</strong> betroffen<br />

sind, lernen sie, dass ihnen Gleiches drohen<br />

kann wie der Mutter oder ihren Geschwistern, wenn sie<br />

sich nicht den Vorgaben des Vaters anpassen und<br />

unterordnen. Zu beachten ist, dass gewaltbereite Elternteile<br />

Spaltungen zwischen den Geschwistern durchaus<br />

strategisch vornehmen.<br />

Für die Einschätzung der Situation der Kinder ist nicht<br />

nur eine differenzierte Phänomenbeschreibung wichtig,<br />

sondern es stellt sich auch die Frage nach der Prävalenz<br />

und den Auswirkungen auf betroffene Kinder und Jugendliche.<br />

Es liegt eine kleine Anzahl von Studien vor,<br />

die Hinweise geben, wie häufig Kinder und Jugendliche<br />

von häuslicher <strong>Gewalt</strong> betroffen sind. Diesen Studien zu<br />

Folge werden zwischen 10 und 30 Prozent aller Kinder<br />

und Jugendlichen im Verlauf ihrer Kindheit Zeugen von<br />

häuslicher <strong>Gewalt</strong> (Baldry, 2003; Indermaur, 2001; Pfeiffer,<br />

Wetzel, & Enzmann, 1999). Legt man einen Zeitraum<br />

von 12 Monaten zugrunde, dann wissen zwischen 10 und<br />

16 Prozent der Kinder im schulpflichtigen Alter von <strong>Gewalt</strong>tätigkeiten,<br />

die ihre Mütter von Seiten des Vaters,<br />

Freundes oder Expartners erleiden. Obwohl es in unserer<br />

im Kanton <strong>Zürich</strong> durchgeführten Befragung nicht erlaubt<br />

war, nach der Betroffenheit der SchülerInnen zu<br />

fragen, gaben trotzdem 2 Prozent an, dass sie die Problematik<br />

selbst kennen (Seith & Böckmann, 2006).<br />

250 Soziale Sicherheit CHSS 5/2006


Schwerpunkt<br />

Wenn Behörden ins Familienleben eingreifen<br />

Mitbetroffenheit von häuslicher <strong>Gewalt</strong> heisst empirisch<br />

gesehen meist, dass Kinder und Jugendliche Zeugen<br />

von <strong>Gewalt</strong> des Vaters oder des Partners an der<br />

Mutter werden. Doch Kinder sind, wie bereits gezeigt<br />

wurde, nicht nur Zeugen von häuslicher <strong>Gewalt</strong>, sondern<br />

erleben selbst auch <strong>Gewalt</strong>, wobei es keinen direkten<br />

Zusammenhang zwischen der <strong>Gewalt</strong> gegenüber<br />

der Mutter und Misshandlung der Kinder gibt. Die bisherige<br />

Forschungslage legt eine Überschneidung in 30<br />

bis 60 Prozent der Fälle nahe (Edleson, 2001). Studien,<br />

die auf von Fachstellen deklarierten Fällen von Kindsmisshandlung<br />

und/oder sexueller Ausbeutung basieren,<br />

weisen erwartungsgemäss höhere Überschneidungsquoten<br />

mit häuslicher <strong>Gewalt</strong> auf: bei sexueller Ausbeutung<br />

und häuslicher <strong>Gewalt</strong> liegt diese zwischen 40<br />

und 69 Prozent (Hester & Pearson, 1998), bei Kindsmisshandlung<br />

(physisch) wuchs mehr als die Hälfte der<br />

Kinder im Kontext von häuslicher <strong>Gewalt</strong> auf (Hester,<br />

2000). Eine neuere Studie des englischen NSPCC ergab,<br />

dass 80 Prozent der schwer körperlich misshandelten<br />

Kinder auch <strong>Gewalt</strong> des Vaters gegen die Mutter<br />

kannten (Cawson, Wattan, Brooker, & Kelly, 2002).<br />

Die Erfahrungen von Kindern, die im Kontext von<br />

häuslicher <strong>Gewalt</strong> aufwachsen, untermauern komplexe<br />

Konzeptionalisierungen von häuslicher <strong>Gewalt</strong>: Ihre<br />

Aussagen bestätigen, dass häusliche <strong>Gewalt</strong> nicht auf<br />

physische <strong>Gewalt</strong> oder andere im Strafrecht codierte<br />

Übergriffe reduziert werden kann, vielmehr umfasst<br />

häusliche <strong>Gewalt</strong> vielfältige Formen der Macht- und<br />

Kontrollausübung, einschliesslich sexuelle <strong>Gewalt</strong>. Im<br />

Leben der Kinder sind die verschiedenen Formen von<br />

Macht, Dominanz und <strong>Gewalt</strong> meist miteinander verquickt.<br />

Wie die Mitbetroffenheit gelagert ist, muss deshalb<br />

im Einzelfall diagnostiziert werden, auch wie stark<br />

Kinder und Jugendliche belastet sind. Die hauptsächlich<br />

in den USA durchgeführten Studien und Metaanalysen<br />

legen den Schluss nahe, dass zwischen 35 und 45<br />

Prozent der Kinder, die Zeugen und/oder Opfer von<br />

häuslicher <strong>Gewalt</strong> werden, klinische Auffälligkeiten<br />

zeigen (Hughes, Graham-Bermann, & Gruber, 2001).<br />

Dieses Ergebnis verweist auf die Notwendigkeit systematischer<br />

und zeitnaher Abklärung der Situation der<br />

Kinder und Jugendlichen und auf die Bedeutung von<br />

Schutz durch Behörden sowie Unterstützungsangebote<br />

<strong>für</strong> diese Zielgruppe, um die Chronifizierung von Störungen<br />

zu verhindern und die Resilienz der Kinder zu<br />

fördern.<br />

4 Da in nur wenigen Fällen Väter Opfer von <strong>Gewalt</strong> der Partnerin sind,<br />

werde ich im Weiteren von den Müttern sprechen.<br />

3. Schutz der Mütter ist der beste<br />

Kinderschutz<br />

Die Sicherheit und das Wohl von Kindern und Jugendlichen,<br />

die im Kontext von häuslicher <strong>Gewalt</strong><br />

aufwachsen, ist eng an die Sicherheit der Mütter<br />

gekoppelt, welchen Schutz sie vor weiterer <strong>Gewalt</strong><br />

erhalten und welche Unterstützungsmöglichkeiten<br />

verfügbar sind. 4 Kinder spielen in den Abwägungen<br />

der Mütter eine doppelte Rolle: zunächst sind Kinder<br />

ein zentraler Grund, an der Beziehung festzuhalten;<br />

scheitern alle Versuche und dauert die <strong>Gewalt</strong> an, ist<br />

es die Sorge um das Wohl der Kinder, das Mütter<br />

nach Auswegen suchen lässt (Flucht ins Frauenhaus,<br />

Trennung, Einschalten der Polizei, Anzeige u.ä.). Kulturelle<br />

Vorstellungen von der «guten» Mutter, die die<br />

Familie zusammenhält, sich dem Wohl der anderen<br />

Familienmitglieder unterordnet, sich <strong>für</strong> ihre Kinder<br />

aufopfert wie auch der soziale Druck, eine komplette<br />

Familie aufrechtzuerhalten, müssen von jeder einzelnen<br />

Frau, trotz aufgebrochenen Geschlechterarrangements,<br />

der hohen und steigenden Scheidungsquote<br />

und den Freisetzungserfolgen <strong>für</strong> Frauen, neu überdacht<br />

werden. In diesem Klärungsprozess bieten<br />

Frauenhäuser und Opferberatungsstellen wichtige<br />

Unterstützung.<br />

Bei diesen Abwägungen sind auch mögliche neue<br />

Gefahren zu berücksichtigen, denn während der Verbleib<br />

mit dem gewalttätigen Partner mit vielen Risiken<br />

verbunden ist, kann auch die Trennung neue Risiken in<br />

sich bergen. Während empirische Studien nachweisen,<br />

dass Trennung nebst konsequentem Schutz durch Polizei<br />

und Justiz zur Beendigung der <strong>Gewalt</strong> beiträgt, war<br />

mindestens ein Drittel der Frauen daraufhin mit Trennungsgewalt/Stalking<br />

konfrontiert (Seith, 2003; Walby<br />

& Allen, 2004). Auch einige der interviewten Mädchen<br />

und Jungen kannten diese Problematik und erlebten,<br />

dass der Vater die Mutter über Jahre hinweg immer<br />

wieder verleumdete, der Vater oder Expartner der<br />

Mutter auflauerte und die Mutter bedrohte. Eine 13-<br />

Jährige erzählte, dass ihr Vater ihre Mutter seit Jahren<br />

immer wieder als Prostituierte verleumdete, was insofern<br />

absurd ist, als die Frau in einer Wissenschaftsorganisation<br />

arbeitete.<br />

Aus der Sicht der meisten interviewten Kinder, von<br />

denen bis auf zwei vom Vater getrennt lebten, war die<br />

Trennung der Eltern letztlich eine Erleichterung. Sie<br />

stellten eine Verbesserung ihrer Lebensqualität fest.<br />

Eine Kindheit, in der das Grundbedürfnis nach<br />

Sicherheit, Schutz vor <strong>Gewalt</strong>, Ruhe und Stabilität gesichert<br />

ist, betrachteten sie als eindeutigen Vorteil der<br />

neuen Lebenslage, wie auch die Aussagen zweier Kinder<br />

zeigen: «Dass es kein Theater mehr gibt», (…) «weil<br />

ich wieder ruhig schlafen kann» (Junge, 10 Jahre) «weil<br />

ich nicht mehr verprügelt werde. Er hat uns immer ge-<br />

Soziale Sicherheit CHSS 5/2006 251


Schwerpunkt<br />

Wenn Behörden ins Familienleben eingreifen<br />

hauen, das habe ich nicht schön gefunden.» (Mädchen,<br />

8 Jahre).<br />

Manche waren sogar der Meinung, ihre Mütter hätten<br />

sich früher trennen sollen oder sie sollten auf keinen<br />

Fall einen erneuten Versuch in Erwägung ziehen:<br />

«Sich nach dem ersten Mal gleich trennen, ich<br />

weiss auch nicht, sich zurückziehen, weggehen<br />

irgendwie. Ich meine, du hast ja selber Schuld,<br />

wenn du bleibst.» (Mädchen, 12 Jahre).<br />

«Sie sollte einfach nicht mehr mit meinem Vater<br />

zusammenleben, weil, ja sie hatte dort zu wenig<br />

Freiraum. Meinem Vater passte es einfach nicht,<br />

dass meine Mutter, ähm, ja allein steht, also sozusagen<br />

ohne ihn klarkommt. Das passte ihm einfach<br />

nicht.»<br />

(Mädchen, 11 Jahre)<br />

Trennen sich die Mütter erst, wenn die Kinder älter<br />

sind, so besteht die Gefahr, dass sich die Kinder von der<br />

Mutter distanzieren, die Kinder die Perspektive des abwertenden<br />

Vaters übernehmen und die Beziehung zur<br />

Mutter unterhöhlt wird. Es ist wichtig, Offenheit über<br />

die <strong>Gewalt</strong>problematik herzustellen und dass Professionelle<br />

in diesem Klärungsprozess Unterstützung anbieten.<br />

Für die Beziehung der Kinder zu ihren Eltern<br />

macht es einen Unterschied, ob sie den wahren Grund<br />

der Trennung kennen. Kommt es hier zu Umdeutungen,<br />

Verzerrungen und Verharmlosungen und ist z.B.<br />

die Rede von Meinungsverschiedenheiten, etwa über<br />

Religionsfragen, wie im Gespräch mit zwei Kindern<br />

deutlich wurde, dann bleibt das Handeln der Mutter unverständlich<br />

und es eröffnet sich ein interpretatorischer<br />

Spielraum, der zur Manipulation der Kinder genutzt<br />

werden kann.<br />

Für die Sicherheit und das Wohl der Kinder ist es elementar,<br />

dass Trennungsgewalt als typisches Muster von<br />

häuslicher <strong>Gewalt</strong> erkannt wird und Institutionen der<br />

Tendenz zur Verharmlosung entgegenwirken. Insbesondere<br />

Entscheidungen über das Umgangsrecht sollten<br />

auf dem Hintergrund des Fachwissens über Trennungsgewalt/Stalking<br />

getroffen werden. Wie Studien<br />

aus England und Skandinavien belegen, wird die <strong>Gewalt</strong>geschichte<br />

und die Frage von Trennungsgewalt<br />

nicht ausreichend erfasst und nicht systematisch als Belastung<br />

bzw. als Risikofaktor bewertet, mit der Folge,<br />

dass das Recht des biologischen Vaters auf Kontakt allzu<br />

oft über das Kindeswohl gestellt wird (Hester &<br />

Radford, 1996).<br />

Darüber hinaus werfen Trennungserwägungen Fragen<br />

nach der ökonomischen Absicherung auf. Eine<br />

Analyse von Sozialdienstakten im Hinblick auf häusliche<br />

<strong>Gewalt</strong> im Kanton Freiburg ergab, dass in 80 Prozent<br />

der Fälle minderjährige Kinder im Haushalt lebten<br />

(Seith, 2003). In der Hälfte der Fälle war die <strong>Gewalt</strong> des<br />

Ehemannes der Grund <strong>für</strong> die Trennung. Dass die Mütter<br />

mit ihren Kindern zu Sozialhilfempfängerinnen werden,<br />

hat seinen Grund in der Art und Weise, wie Gerichte<br />

ihre Entscheidungen treffen. In Fällen, in denen<br />

das Haushaltseinkommen nicht ausreichend ist, halten<br />

die Gerichte den erwerbstätigen Vater ökonomisch unabhängig;<br />

die Mütter werden mit den Kindern an den<br />

Sozialdienst verwiesen. Hier zeigt sich, wie die Entstehung<br />

von Frauen- und Kinderarmut mit dem Aufbrechen<br />

von Machtstrukturen im Privaten verquickt sein<br />

kann. Um Sicherheit vor <strong>Gewalt</strong> zu erlangen, sieht sich<br />

ein Teil der Mütter genötigt, neue Abhängigkeiten einzugehen<br />

und die Abhängigkeit vom Alleinernährer<br />

durch Abhängigkeit vom staatlichen Sicherungsnetz in<br />

Kauf zu nehmen (Seith, 2003).<br />

4. Alte Probleme – neue Erkenntnisse –<br />

interessante Herausforderungen?<br />

Kinder, die im Kontext von häuslicher <strong>Gewalt</strong> aufwachsen,<br />

sind darauf angewiesen, dass Fachstellen und<br />

Behörden sich auch um ihr Wohl kümmern. Analysen,<br />

die auf Fällen basieren, die Institutionen bekannt wurden,<br />

belegen, dass Mütter mit minderjährigen Kindern<br />

zur Kerngruppe der Nutzerinnen gehören und zeigen,<br />

dass Kinder, wie die erwachsenen Opfer, über verschiedene<br />

Wege in die Institutionenkette kommen können.<br />

Frauenhäuser befassen sich vergleichsweise intensiv<br />

mit dieser Gruppe von Kindern. Sie scheinen die einzigen<br />

Stellen zu sein, die die Situation der Kinder auch im<br />

Vorfeld der Entstehung massiver Auffälligkeiten systematisch<br />

abklären und ihnen Betreuung anbieten. Eine<br />

Studie im Kanton Freiburg zeigt, dass 70 Prozent der<br />

Frauenhausklientel Mütter mit minderjährigen Kindern<br />

waren (Seith, 2003). Ähnliche Zahlen liegen auch<br />

von der Frauenhauskoordinierung in Deutschland vor<br />

(Kavemann, 2006). Kommen die Kinder ins Frauenhaus,<br />

dann hängt es von der jeweiligen Konzeption ab,<br />

wie mit ihnen gearbeitet wird. Die Interviews mit Mitarbeiterinnen<br />

zeigen, dass verschiedene Modelle seit<br />

Gründung der Frauenhäuser erprobt wurden. Inzwischen<br />

zeichnet sich eine Tendenz in Richtung Spezialisierung<br />

und Trennung der fachlichen Arbeit mit den<br />

Frauen und Kindern bei gleichzeitiger Aufwertung des<br />

Kinderbereichs ab.<br />

Bei den interviewten Kindern hat das Frauenhaus<br />

keinen Schaden hinterlassen. Ihre Bewertung hängt<br />

entscheidend davon ab, ob kindgerechte Angebote gemacht<br />

und altersgerechtes Spielmaterial zur Verfügung<br />

stand, ob sie sich wohlfühlten, ob schöne Dinge unternommen<br />

wurden, die von den Sorgen mit der Familie<br />

ablenkten und ob sie sich mit anderen Kindern anfreunden<br />

konnten. Dies gilt <strong>für</strong> Jungen und Mädchen<br />

gleichermassen. Als Besonderheit war festzustellen,<br />

dass Kinder, die im Frauenhaus waren, eine relativ<br />

252 Soziale Sicherheit CHSS 5/2006


Schwerpunkt<br />

Wenn Behörden ins Familienleben eingreifen<br />

klare Sicht von der Problematik hatten, man mit ihnen<br />

gesprochen hatte und ihnen dadurch die Situation verständlicher<br />

wurde.<br />

Frauenhäuser bearbeiten mit den Müttern auch Erziehungsfragen,<br />

versuchen Offenheit nicht nur über die<br />

<strong>Gewalt</strong>, sondern auch über Erziehungsprobleme und<br />

problematisches Erziehungsverhalten der Mutter zu<br />

schaffen. Bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung<br />

übernehmen sie auch eine Vermittlungsfunktion zum<br />

Jugendamt und versuchen Ängste und Barrieren abzubauen.<br />

Frauenhäuser beraten die Mütter und Kinder<br />

auch in der Frage, wie die Abwesenheit des Kindes vom<br />

Unterricht und der Wiedereinstieg kommuniziert werden<br />

können. Ein 12-jähriger Junge erlebte es als grosse<br />

Erleichterung, dass die Lehrerin die Klasse informiert<br />

hatte und er nicht von jedem Kind einzeln auf die Gründe<br />

seiner Abwesenheit angesprochen wurde.<br />

Die Interviews mit den Opferhilfeberatungsstellen<br />

ergaben, dass die Frauen- und Kinderberatung in der<br />

Organisation in verschiedene Bereiche aufgeteilt ist.<br />

Dies hat <strong>für</strong> von häuslicher <strong>Gewalt</strong> betroffene Kinder<br />

zur Folge, dass sie zwischen Stuhl und Bank fallen.<br />

Konzeptionell ist nicht vorgesehen, dass die <strong>für</strong> die<br />

Frauenberatung Zuständigen auch die Situation der<br />

Kinder abklären, da die Frau im Zentrum der Beratungsarbeit<br />

steht und nicht die Frau als Mutter. Die<br />

Kinder können in der Beratung zum Thema werden, sofern<br />

die Mutter das wünscht, dann übernimmt die Opferhilfestelle<br />

auch Triage-Funktion, doch die Beraterinnen<br />

werden von sich aus nicht aktiv und übernehmen<br />

keine Koordinationsaufgaben in Angelegenheiten, die<br />

die Kinder betreffen. Zwischen der OHG-Frauen- und<br />

der OHG-Kinder-Beratung besteht bei häuslicher <strong>Gewalt</strong><br />

keine systematische Verbindung. Die organisatorische<br />

Aufteilung der beiden Bereiche kann so, wie sich<br />

zeigt, den Bedürfnissen nach einer zeitnahen Abklärung<br />

der Situation der mitbetroffenen Kinder nicht gerecht<br />

werden.<br />

Bei der Polizei ist davon auszugehen, dass in mindestens<br />

der Hälfte der Fälle Kinder involviert sind (Helfferich,<br />

Lehmann, Kavemann, & Rabe, 2004; Seith, 2003).<br />

Die Einführung des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes scheint an<br />

dieser Zahl wenig zu ändern. Auswertungen von Polizeieinsätzen<br />

in Berlin (WIBIG, 2004) und von Platzverweisen<br />

im Rahmen des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes in Baden-<br />

Württemberg belegen, dass Kinder in 53 % bis 61% der<br />

Fälle am Tatort anwesend waren (Helfferich et al.,<br />

2004; Kavemann, 2006). Die Analyse von zivil- und familienrechtlichen<br />

Verfahren im Zusammenhang mit<br />

dem <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz ergab, dass in fast Dreiviertel<br />

der Fälle, in denen Anträge nach dem <strong>Gewalt</strong>schutz<br />

vorlagen, Kinder im Haushalt lebten. In 22 % der Fälle<br />

wurden verschiedene Formen körperlicher <strong>Gewalt</strong> an<br />

Kindern dokumentiert (Rupp, 2005 in Kavemann,<br />

2006).<br />

Die Frage stellt sich, welche Schritte die Polizei ergreifen<br />

soll, wenn Kinder bei häuslicher <strong>Gewalt</strong> involviert<br />

sind. An einer Anfang 2006 im Kanton <strong>Zürich</strong><br />

durchgeführten Fachtagung 5 , an der erste Ergebnisse<br />

der Nationalfondsstudie zum Thema «Kinder und häusliche<br />

<strong>Gewalt</strong>» vorgestellt wurden, zeigte sich, dass es<br />

bislang keine systematisch geführte Fachdiskussion<br />

gab. Die VeranstalterInnen betonten, dass erstmals<br />

VertreterInnen der Opferhilfe, der Polizei, der Justiz<br />

und der Jugend- und Familienhilfe zu diesem Thema<br />

zusammenkamen. Diskutiert wurde auch, ob die Polizei<br />

von nun an bei allen Polizeieinsätzen von häuslicher<br />

<strong>Gewalt</strong> dem Jugendamt 6 eine Gefährdungsmeldung<br />

übermitteln sollte. Diese Frage wird auch in anderen<br />

Ländern kontrovers diskutiert. Das Verfahren der<br />

Weiterleitung wird in Baden-Württemberg erprobt,<br />

wobei sich bei der Implementation bereits zeigt, dass<br />

die Kriterien, nach denen die Weiterleitung erfolgt, uneinheitlich<br />

sind (Seith und Kavemann, 2006). Ferner<br />

bestehen Bedenken, dieses Vorgehen könnte gewaltbetroffene<br />

Mütter abschrecken. Umso wichtiger ist es,<br />

dass die Jugendhilfe eine professionelle Praxis auf fachlich<br />

hohem Niveau leistet. Ein Anfang wurde mit der<br />

Veranstaltung von Fachtagungen in einigen Kantonen<br />

gemacht. Deutlich wurde, dass MitarbeiterInnen der<br />

Jugendhilfe zwar die Problematik kennen, aber diese<br />

bislang unter der Kategorie «multiple Problemlagen»<br />

subsumiert wurde. Dies ist auch in Deutschland nicht<br />

anders. Berlin, wo das vom Bundesministerium seit<br />

Jahren geförderte Modellprojekt BIG ansässig ist, erfasst<br />

erst seit 2004 in der Hilfeplanstatistik <strong>für</strong> Hilfen<br />

zur Erziehung (Art. 27 ff SGB VIII) systematisch häusliche<br />

<strong>Gewalt</strong> (Kreyssig, 2006). Statistische Grundlagen<br />

sind wichtig und nützlich, doch im ganzen deutschsprachigen<br />

Raum sind wissenschaftliche Studien über die<br />

Praxis der Jugend- und Familienhilfe ausstehend. Mit<br />

einem vom Schweizerischen Nationalfonds bewilligten<br />

Forschungsprojekt wird es möglich sein, künftig auch<br />

diese Lücke zu schliessen und einen Beitrag zur Professionalisierung<br />

der Jugendhilfepraxis im Umgang mit<br />

häuslicher <strong>Gewalt</strong> zu leisten.<br />

5 Die Tagung fand am 23.1.2006 in <strong>Zürich</strong> statt und wurde von der Kommission<br />

<strong>für</strong> Kindesschutz des Kantons <strong>Zürich</strong> und dem Strategischen<br />

Kooperationsgremium <strong>für</strong> häusliche <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> organisiert.<br />

6 Da die Bezeichnungen und Strukturen in den verschiedenen Kantonen<br />

nicht einheitlich sind, verwende ich den Begriff Jugendamt, der je nach<br />

lokalen Gegebenheiten die Vormundschaftsbehörde, Jugendamt, Amt<br />

<strong>für</strong> Erwachsenen- und Kinderschutz u.ä. meint.<br />

5. Zeitnahe Beratung und Unterstützungsangebote<br />

<strong>für</strong> Kinder und Jugendliche<br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> reflektiert Spannungen und das<br />

Aufbrechen von Hierarchien und Machtstrukturen im<br />

Soziale Sicherheit CHSS 5/2006 253


Schwerpunkt<br />

Wenn Behörden ins Familienleben eingreifen<br />

Geschlechter- und Generationenverhältnis. Die Mitbetroffenheit<br />

von Kindern und Jugendlichen wurde bislang<br />

unterschätzt. Die Frage nach Auswirkungen auf<br />

die nächste Generation (Stichwort intergenerationelle<br />

Transmission) und welchen Beitrag Behörden und<br />

Fachstellen leisten zur Prävention weiterer <strong>Gewalt</strong>, zur<br />

Abwendung der Chronifizierung von Störungen und<br />

zur Bewältigung von Schieflagen im Geschlechter- und<br />

Generationenverhältnis steht zur Diskussion. Die<br />

Schweiz hat 1997 die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert,<br />

mit welcher die Staaten erklären, das Recht auf<br />

Schutz vor Gefahren und Sicherstellung der Grundbedürfnisse<br />

von Kindern zu garantieren. Das Recht von<br />

Kindern auf Schutz vor weiteren Gefahren und mit ihren<br />

eigenen Bedürfnissen wahrgenommen zu werden,<br />

sollte auch <strong>für</strong> Kinder, die im Kontext von häuslicher<br />

<strong>Gewalt</strong> aufwachsen, eingelöst werden.<br />

Auf dem Hintergrund der Forschungslage, von Erfahrungen<br />

im Ausland und der Diskussionen mit Behörden<br />

und PraktikerInnen ergeben sich folgende Implikationen<br />

<strong>für</strong> die Optimierung der Sicherheits- und<br />

Hilfeplanung <strong>für</strong> von häuslicher <strong>Gewalt</strong> betroffene Kinder<br />

und Jugendliche:<br />

1. zeitnahe, systematische Abklärung der Situation der<br />

Kinder und Jugendlichen, möglichst als Parallelberatung<br />

zur Beratung der Mütter. Die Parallelberatung<br />

sollte den Unterstützungsbedarf und die Situation<br />

mit dem Kind abklären.<br />

2. Unterstützungsangebote, die den individuellen Problemlagen<br />

der Kinder und Jugendlichen gerecht werden.<br />

Aus diesem Grund kommen idealerweise verschiedene<br />

Methoden zum Einsatz wie Einzel- und<br />

Gruppenarbeit sowie aufsuchende Arbeit. Erfahrungen<br />

liegen bereits vor mit aufsuchender Arbeit, die<br />

bei den Müttern auf grosse Akzeptanz stösst<br />

(Humphreys & Thiara, 2002; Seith & Kavemann,<br />

2006).<br />

Ferner ist es wichtig, das öffentliche Bewusstsein <strong>für</strong><br />

die Problematik zu schärfen und Kinder und Jugendliche<br />

als Zielgruppe von Präventionsanstrengungen einzubeziehen<br />

(Seith, 2006). Verstärkte Kooperationen<br />

zwischen Schulen, der Kinder- und Jugendhilfe sowie<br />

der Fraueneinrichtungen scheinen hier sinnvoll.<br />

Corinna Seith, Dr. phil., Universität <strong>Zürich</strong>, Pädagogisches Institut,<br />

Leiterin von Forschungsprojekten und Lehrbeauftragte an in- und<br />

ausländischen Universitäten. E-Mail: cseith@paed.unizh.ch<br />

Literatur<br />

Baldry, A. C. (2003). Bullying in schools and exposure to domestic<br />

violence. Child Abuse & Neglect, 27, 713-732.<br />

Cawson, P., Wattan, C., Brooker, S., & Kelly, G. (2002). Child Maltreatment<br />

in the Family. London: NSPCC.<br />

Edleson, J. L. (2001). Studying the Co-Occurrence of Child Maltreatment<br />

and Domestic Violence in Families. In S. A. Graham-Bermann<br />

& J. L. Edleson (Eds.), Domestic Violence in the Lives of Children<br />

(pp. 91-110). Washington D.C.: American Psychological Association.<br />

Helfferich, C., Lehmann, K., Kavemann, B., & Rabe, H. (2004). Wissenschaftliche<br />

Untersuchung zur Situation vom Frauen und zum<br />

Beratungsbedarf nach einem Platzverweis bei häuslicher <strong>Gewalt</strong>.<br />

Stuttgart: Sozialministerium Baden-Württemberg.<br />

Hester, M., & Pearson, C. (1998). From Periphery to Centre. Domestic<br />

Violence in Work with Abused Children. Bristol: The Policy Press.<br />

Hester, M., Pearson, C., Harwin, N. (2000). Making an impact: children<br />

and domestic violence. London: Jessica Kingsley Publishers.<br />

Hester, M., & Radford, L. (1996). Domestic Violence and Child Contact<br />

Arrangements in England and Denmark. Bristol: The Policy<br />

Press.<br />

Hughes, H. M., Graham-Bermann, S. A., & Gruber, G. (2001). Resilience<br />

in children exposed to domestic violence. In S. A. Graham-<br />

Bermann & J. L. Edleson (Eds.), Domestic violence in lives of children:<br />

The future of research, intervention, and social policy (pp. 67-<br />

90). Washington: American Psychological Association.<br />

Humphreys, C., & Thiara, R. K. (2002). Routes to Safety: Protection<br />

Issues Facing Abised Women and Children and the Role of Outreach<br />

Services. Bristol: Women’s Aid Federation.<br />

Indermaur, D. (2001). Young Australians and Domestic Violence.<br />

Canberra: Australian Institute of Criminology.<br />

Kavemann, B. (2006). Zusammenhang von häuslicher <strong>Gewalt</strong> gegen<br />

die Mutter mit <strong>Gewalt</strong> gegen Töchter und Söhne – Ergebnisse<br />

neuerer deutscher Untersuchungen. In B. Kavemann & U. Kreyssig<br />

(Eds.), Handbuch Kinder und häusliche <strong>Gewalt</strong> (pp. 13-35). Wiesbaden:<br />

VS Verlag <strong>für</strong> Sozialwissenschaften.<br />

Kreyssig, U. (2006). Interinstitutionelle Kooperation – mühsam<br />

aber erfolgreich. In B. Kavemann & U. Kreyssig (Eds.), Handbuch<br />

Kinder und häusliche <strong>Gewalt</strong> (pp. 225-242). Wiesbaden: VS Verlag<br />

<strong>für</strong> Sozialwissenschaften.<br />

Pfeiffer, C.,Wetzel, P., & Enzmann, D. (1999). Innerfamiliäre <strong>Gewalt</strong><br />

gegen Kinder und Jugendliche und ihre Auswirkungen: KFN Hannover.<br />

Seith, C. (2003). Öffentliche Interventionen gegen häusliche <strong>Gewalt</strong>.<br />

Frankfurt a. M.: Campus.<br />

Seith, C. (2006). «Weil Sie dann vielleicht etwas Falsches tun» –<br />

Zur Rolle von Schule und Verwandten <strong>für</strong> von häuslicher <strong>Gewalt</strong><br />

betroffene Kinder aus Sicht von 9–17-Jährigen. In B. Kavemann<br />

& U. Kreyssig (Eds.), Handbuch Kinder und häusliche <strong>Gewalt</strong><br />

(pp. 103-124). Wiesbaden: VS Verlag <strong>für</strong> Sozialwissenschaften.<br />

Seith, C., & Böckmann, I. (2006). Children and Domestic Violence –<br />

Final Report to Swiss National Science Foundation. NFP 52. Zurich:<br />

University of Zurich.<br />

Seith, C. & Kavemann, B. (2006). Unterstützungsangebote <strong>für</strong> Kinder<br />

als Zeugen und Opfer von häuslicher <strong>Gewalt</strong>. Schlussbericht<br />

der wissenschaftlichen Begleitung zu Handen der Landesstiftung<br />

Baden-Württemberg. <strong>Zürich</strong>/Berlin.<br />

Walby, S., & Allen, J. (2004). Inter-personal Violence: Findings from<br />

2001 British Crime Survey. London: Home Office.<br />

254 Soziale Sicherheit CHSS 5/2006


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Minderjährige, die <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ausüben, November 2013<br />

109 Minderjährige, die <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ausüben<br />

Kinder und Jugendliche können gegenüber verschiedenen Personen <strong>Gewalt</strong> ausüben.<br />

- <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> gegen Eltern (auch Adoptiv-, Stief- und Pflegeeltern)<br />

- <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> gegen Geschwister (auch Halb-, Stief- und Pflegeschwister, Cousins, Cousinen)<br />

- <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in partnerschaftlichen Jugendbeziehungen<br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> Minderjähriger gegen Eltern<br />

Meistens wird bei der <strong>Gewalt</strong> gegen Eltern oder Elternteile davon ausgegangen, dass es sich um eine familiäre<br />

Machtumkehr handle und sich die Eltern gegenüber den Kindern zu wenig durchsetzen. Dies, so<br />

zeigt die Praxis, ist aber nur eine der möglichen Erklärungen. <strong>Gewalt</strong>eskalationen und -dynamiken unterscheiden<br />

sich auch je nach gesellschaftlichem Kontext, Alter, Geschlecht, Zeitpunkt des Beginns der <strong>Gewalt</strong><br />

und der Beziehungskonstellation.<br />

<strong>Gewalt</strong> gegen Eltern hat verschiedene Formen:<br />

- unrealistische Forderungen an die Eltern<br />

- Erwartung, dass die Eltern (egal, was sie gerade machen) sofort auf die Jugendlichen eingehen<br />

- von zu Hause wegrennen oder gar nicht nach Hause kommen<br />

- verletzen oder gar verstümmeln der Eltern.<br />

Allen ist gemeinsam, dass sie nicht vereinzelt, sondern in einer Serie von verbalen oder physischen Tätlichkeiten,<br />

die das Autoritätsgefälle zwischen Eltern und Kindern angreifen, ausgeübt werden. Nach Wilhelm<br />

Rotthaus und Hilde Trapmann ist die Dauer der elterlichen Misshandlung <strong>für</strong> die Folgen entscheidend.<br />

1<br />

Robinson et al. (2004) 2 quantifizieren die häufigsten Arten der Elternmisshandlung:<br />

- 57% physische <strong>Gewalt</strong><br />

- 22% verbale <strong>Gewalt</strong><br />

- 17% Gebrauch von Schusswaffen, Messer oder gefährlichen Gegenständen<br />

- 5% werfen von Gegenständen<br />

Bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> Minderjähriger gegen Eltern können drei Formen der Eskalation unterschieden werden<br />

(Greber 2010) 3 :<br />

Eskalation als<br />

Serie von Tätlichkeiten<br />

(aus fehlender Elternkompetenz)<br />

Eskalation als<br />

Macht-Umkehr<br />

(aus Angst oder fehlender<br />

Elternkompetenz)<br />

Eskalation als<br />

<strong>Gewalt</strong>-Muster<br />

(aus Angst)<br />

- Bei der Eskalation als Serie von Tätlichkeiten verläuft die <strong>Gewalt</strong> oft schubweise mit <strong>Gewalt</strong>pausen.<br />

Eltern hoffen immer wieder, dass sich die Situation beruhigt hat, ohne dass weiterführende Interventionen<br />

(auch von aussen) notwendig werden.<br />

- Bei der Eskalation als Machtumkehr spielt die Angst der Eltern vor den Kindern/Jugendlichen und<br />

häufig fehlende oder mangelnde Elternkompetenz eine wichtige Rolle. Eltern lassen ihre Kinder<br />

machen, was sie wollen.<br />

- Bei der Eskalation als Machtmuster zeigt sich eine Wiederholung immer gleicher <strong>Gewalt</strong>abläufe,<br />

was viele elterliche Opfer derart erschüttert, dass sie handlungsunfähig werden.<br />

Allen Eskalationsmustern ist gemeinsam, dass die <strong>Gewalt</strong> nicht vereinzelt, sondern über längere Zeit<br />

und teilweise gar gewohnheitsmässig angedroht oder ausgeübt wird 4 (Cottrell 2002).<br />

- In einigen Studien wird davon ausgegangen, dass<br />

- ca. 10% der Kinder, die ihre Eltern misshandeln, unter 10 Jahre alt sind,<br />

- ca. 80% der Misshandlungen sich gegen die Mütter richten und<br />

- ca. 20% der Misshandlungen sich gegen die Väter richten (Robinson et al. 2004 5 , Rotthaus et al.<br />

2004).<br />

1 Rotthaus, W.; Trapmann, H. (2004): Auffälliges Verhalten im Jugendalter. Handbuch <strong>für</strong> Eltern und Erzieher. Bd. 2. Dortmund: Verlag<br />

modernes Lernen<br />

2 Robinson, P. W., Davidson, L. J., & Drebot, M. E. (2004). Parent abuse on the rise: A historical review. American Association of Behavioral<br />

Science, 58-67<br />

3 Greber, F. (2010): Tatort Familie, Tatort Beziehung. Familiäre und partnerschaftliche <strong>Gewalt</strong> von Kindern und Jugendlichen. Themenheft<br />

Jugendgewalt. Plädoyer <strong>für</strong> eine ganzheitliche Sichtweise. In: SozialAktuell Heft 9/2010. Die Fachzeitschrift <strong>für</strong> Soziale Arbeit<br />

4 Cottrell, B. (2002): Dringend Hilfe gesucht: Teenager misshandeln ihre Eltern. In: Systhema 3/2002. S. 212-225.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 109 / 1


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Minderjährige, die <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ausüben, November 2013<br />

Jede Eskalationsart hat eine eigene Dynamik. Die Eskalation als Machtmuster kann bei einem elterlichen<br />

Opfer z.B. folgendes Verhalten zeigen:<br />

SPANNUNGS-AUFBAU<br />

Selbstbeschuldigungen,<br />

Selbstzweifel, Stress<br />

„HEILE FAMILIE-PHASE“<br />

…Probleme gibt’s in den besten<br />

Familien, Herunterspielen,<br />

Kinder/Jugendliche entschuldigen,<br />

Kinder mit Liebe überhäufen<br />

GEWALT<br />

Panik, Überforderung,<br />

Überdruss, Wut,<br />

Hilfe in Betracht ziehen<br />

Eine besondere Herausforderung <strong>für</strong> elterliche Opfer ist die elterliche Sorge <strong>für</strong> das gewaltausübende Kind.<br />

Schuld- oder Schamgefühle können verhindern, dass die Eltern Hilfe holen und die Kinder bzw. Jugendlichen<br />

in die (Mit-)Verantwortung von Behörden geben. Erschwerend ist, dass <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> Minderjähriger<br />

keine Offizial- sondern Antragsdelikte sind. Eltern zeigen ihre eigenen Kinder kaum an oder erst nach<br />

massiven und wiederholten <strong>Gewalt</strong>vorfällen. Bei der Elternmisshandlung muss von einer hohen Dunkelziffer<br />

ausgegangen werden.<br />

Die Chancen <strong>für</strong> eine wirkungsvolle Intervention sind je nach <strong>Gewalt</strong>dynamik und in den einzelnen Phasen<br />

eines <strong>Gewalt</strong>musters unterschiedlich.<br />

SPANNUNGS-AUFBAU<br />

Intervention manchmal mit,<br />

manchmal ohne Wirkung<br />

„HEILE FAMILIE-PHASE“<br />

Wenig Chancen <strong>für</strong> eine<br />

wirksame Intervention<br />

GEWALT<br />

Grösstmögliche Chance <strong>für</strong><br />

wirksame Interventionen<br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> gegen Geschwister<br />

Geschwistergewalt ist doppelt tabuisiert. Geschwister sind oft liebend oder konflikthaft aneinander<br />

gebunden. Treten <strong>Gewalt</strong>probleme unter Geschwistern auf, kommen Eltern in einen Loyalitätskonflikt.<br />

Die Eltern schauen oft weg, um eine schmerzhafte Parteinahme zu vermeiden oder aus Angst, eines<br />

der Kinder abzulehnen.<br />

Es gibt auch Eltern, oft Väter, die ein Kind, häufig einen Sohn, instrumentalisieren zur Kontrolle und zur<br />

Überwachung eines anderen Kindes, meist einer Tochter in der Pubertät oder Adoleszenz. Zuweilen werden<br />

die Söhne auch befugt, direkt Sanktionen auszuüben. Dies ist zweifacher Verrat und letztlich elterliche<br />

<strong>Gewalt</strong> gegenüber beiden Kindern.<br />

Die im Kanton <strong>Zürich</strong> von der IST im 2007 befragten Fachpersonen und Organisationen gaben an, dass<br />

Geschwistergewalt sowohl einzeln als auch in Gruppen angedroht und ausgeübt werde, und dass Stalking<br />

auch gegen Geschwister und in partnerschaftlichen Jugendbeziehungen stattfinde (Greber 2007/2008) 6 .<br />

5 Robinson, P.; Davidson, L.; Drebot, M. (2004): Parent abuse on the rise: a historical review. In: American association of behavioral<br />

social science. Brigham Young University<br />

6 Greber, F. (2007/2008): Wenn Minderjährige <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ausüben. Umsetzung des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes (GSG) auf Minderjährige<br />

GefährderInnen im Kontext von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, S. 45. www.ist.zh.ch<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 109 / 2


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Minderjährige, die <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ausüben, November 2013<br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in partnerschaftlichen Jugendbeziehungen<br />

Über <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in Teenagerbeziehungen gibt es erst seit etwa 2008 Untersuchungen. Immer wieder<br />

machen bereits Jugendliche Erfahrungen mit Beziehungsgewalt. Speziell in der Adoleszenz kann eine<br />

Liebesbeziehung eine existentielle Bedeutung erlangen und Abhängigkeiten erzeugen, was bereits während<br />

der Beziehung zu Problemen und vor allem bei einer Trennung zu einem Trennungs-Stalking führen<br />

kann.<br />

Bei der 2002 in der Schweiz durchgeführten SMASH-Studie 7 (repräsentative Befragung von 7428 Jugendlichen<br />

im Alter von 16-20 Jahren):<br />

− 14.4% der Mädchen und 1.7% der Jungen gaben an, einen sexuellen Übergriff erlebt zu haben.<br />

− 33.9% der betroffenen Mädchen waren beim ersten Übergriff zwischen 12-16 Jahre alt; 18 % waren<br />

über 16 Jahre alt<br />

Ein erheblicher Teil der betroffenen Mädchen erlebte den ersten sexuellen Übergriff also in der Adoleszenz.<br />

Die im Jahr 2009 in der Schweiz durchgeführte Optimus-Studie (einer Befragung von 6749 SchülerInnen<br />

aus 161 Schulen der neunten Schulstufe und allen Sprachregionen) 8 ergab:<br />

− Jugendlichen machen die meisten Opfererfahrungen im Kontakt mit etwa Gleichaltrigen, oft im<br />

Rahmen von Partnerbeziehungen oder «dates<br />

− bei Kindern stehen Viktimisierungen im familiären Umfeld im Vordergrund<br />

− Mädchen sind etwa dreimal häufiger von sexuellen Übergriffen durch den Liebespartner betroffen<br />

als Knaben.<br />

− Rund 8% der Knaben und 22% der Mädchen berichten, schon einmal Opfer eine sexuellen Viktimisierung<br />

mit Körperkontakt geworden zu sein.<br />

− Rund 20% der Knaben und 40% der Mädchen gaben an, schon einmal Opfer einer Viktimisierung<br />

ohne Körperkontakt geworden zu sein.<br />

− Am verbreitetsten sind Cyberviktimisierungen (18%), verbale oder schriftliche Belästigung (15%)<br />

und ungewolltes Berühren/Küssen durch Andere (12%).<br />

Opfererfahrungen haben erhebliche negative psychische Folgen <strong>für</strong> die Opfer und gehen mit einem etwa<br />

ums zweifache erhöhten Risiko von weiteren Problemen einher. Viktimisierungen durch Gleichaltrige sind<br />

ähnlich belastend wie Viktimisierungen durch Erwachsene.<br />

Rund 60% der Opfer berichten einer Drittpersonen von ihrem Erlebnis.<br />

Mädchen vertrauen ihre Erfahrungen eher einer Drittperson an als Knaben.<br />

− Ca. 50% der Opfer vertrauen sich KollegInnen oder FreundInnen an.<br />

− Ca. 21% der Opfer vertrauen sich den Eltern an.<br />

− Ca. 4-7% der Opfer kontaktieren die Polizei.<br />

− Ca. 3-5% der Opfer nehmen die Hilfe einer Fachorganisation in Anspruch.<br />

Wenn im Rahmen von partnerschaftlichen Jugendbeziehungen sexuelle Übergriffe stattfinden, ist mit einer<br />

hohen Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass gleichzeitig auch andere Formen von Viktimisierungen<br />

durch den Partner/die Partnerin vorkommen. 9<br />

Manche Eltern verbieten ihren Kindern aus unterschiedlichen Gründen Liebesbeziehungen, anstatt sie<br />

dabei zu begleiten. Erfahren diese Jugendlichen <strong>Gewalt</strong>, fehlt ihnen – Opfern wie TäterInnen – ein stützendes<br />

und strukturierendes Hilfsangebot. Sie sind auf sich selber gestellt. Dies betrifft Probleme der Verhütung,<br />

ungewollte Schwangerschaften, aber auch Probleme der <strong>Gewalt</strong>, vor allem dann, wenn es zu<br />

Trennungsgewalt und (Cyber-)Stalking kommt. Manchmal werden diese Jugendlichen von ihrem (Ex-<br />

)Freund oder ihrer (Ex-)Freundin unter Einbezug anderer Jugendlicher bedroht, erpresst oder sonst wie<br />

unter Druck gesetzt.<br />

„Auch die Art der <strong>Gewalt</strong>ausübung ist altersabhängig. Sowohl bei <strong>Gewalt</strong> gegen Geschwister als auch in<br />

partnerschaftlichen Jugendbeziehungen ist der Missbrauch im Umgang mit Bildmaterial häufig. Weiter<br />

stellen Fachpersonen fest, dass Minderjährige häufig innerhalb ihrer Peergruppe auch <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />

ausüben. Speziell in der Adoleszenz kann eine Jugendbeziehung eine existenzielle Bedeutung haben und<br />

7 Narring, F. et al (2003). Gesundheit und Lebensstil 16- bis 20 Jähriger in der Schweiz. SMASH (Swiss multi-center adolescent study<br />

on health) 2002. Lausanne: Institut universitaire de medicine sociale et preventive; Bern: Institut <strong>für</strong> Psychologie; Bellinzona: Ufficio di<br />

promozione e di valutatione sanitaria.<br />

8 Averdijk M. et al. (2011). Sexual victimization of children and adolescents in Switzerland. Final report for the UBS Optimus Foundation.<br />

<strong>Zürich</strong>: Optimus Foundation.<br />

9 Optimus-Studie, S. 76<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 109 / 3


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Minderjährige, die <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ausüben, November 2013<br />

Unter dem Begriff der „interpersonal“ und „physical dating violence“ wird sowohl die physische, die psychische<br />

als auch die sexuelle <strong>Gewalt</strong> in partnerschaftlichen Jugendbeziehungen verstanden und erfasst. Im<br />

Speziellen werden unter diesem Begriff auch jegliche Formen von verbaler <strong>Gewalt</strong> und Abwertung als<br />

auch Drohungen und/oder Einschüchterungen verstanden. 10<br />

Weiter sagt jede vierte Jugendliche aus, dass die sexuelle Beziehung weiter gehe, als sie eigentlich wolle.<br />

Sie lasse dies zu, aus Angst, den Partner zu verlieren.<br />

Die in Deutschland 2013 erschienene Studie über Teen Dating Violence 11 über psychische, physische und<br />

sexuelle <strong>Gewalt</strong> in jugendlichen Paarbeziehungen zeigt folgende Ergebnisse:<br />

Die Mehrheit der 14- bis 18-jährigen Jugendlichen (76,6 %) haben bereits Teenager-Beziehungen oder<br />

Verabredungen.<br />

− 65,7 % der befragten Schülerinnen und 60,1 % der Schüler haben durch ihren Partner oder durch<br />

ihre Partnerin mindestens einmal irgendeine Form von grenzüberschreitendem Verhalten oder<br />

<strong>Gewalt</strong> erlitten.<br />

− 61,3 % der Mädchen und 56,6 % der Jungen berichten mindestens eine emotional schwierige Situation<br />

(Kontrolle, verbale Aggressionen, Zwang oder Drohung); 75,0 % der Mädchen und 51,0 %<br />

der Jungen gaben negative Folgen <strong>für</strong> das Wohlbefinden an.<br />

− 10,5 % der Mädchen und 10,4 % der Jungen berichteten von körperlicher <strong>Gewalt</strong>; 85,0 % der betroffenen<br />

Mädchen und 44,0 % der betroffenen Jungen berichteten von negativen Folgen.<br />

− 26,0 % der Mädchen und 12,7 % der Jungen berichteten von sexualisierter <strong>Gewalt</strong>; 72 % der<br />

Mädchen und 23 % der Jungen benannten negative Auswirkungen.<br />

− Jugendliche, die in ihrem familiären Umfeld <strong>Gewalt</strong> erlebten/bezeugten sind stärker betroffen.<br />

− Negative Auswirkungen der Erfahrungen auf das Wohlbefinden und die Frequenz solcher Ereignisse<br />

zeigen sich stärker bei den Mädchen als bei den Jungen.<br />

−<br />

−<br />

Ausgeübt wurden die Grenzüberschreitungen zu 56,9 % von männlichen Jugendlichen.<br />

Hilfe holen sich Jugendliche überwiegend bei ihren Freundinnen und Freunden, erst an zweiter<br />

und dritter Stelle bei Eltern oder Geschwistern.<br />

Partnerschaftliche Jugendbeziehungen werden in der Heftigkeit der <strong>Gewalt</strong>dynamik regelmässig unterschätzt.<br />

Fälschlicherweise werden sie häufig auch nicht als Tatbestand nach <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz betrachtet,<br />

sodass die relativ einfachen und effizienten Schutzmassnahmen wie Kontakt- und Betretverbot in solchen<br />

Fällen selten zur Anwendung gelangen. Dies ist unter gewaltpräventiven Aspekten zu bedauern, weil<br />

damit auch die proaktive und eventuell aus der <strong>Gewalt</strong>dynamik herausführende Beratung entfällt.<br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> Minderjähriger ist eine Form der Jugendgewalt<br />

Jugendgewalt meint landläufig <strong>Gewalt</strong> im öffentlichen Raum. Kinder zeigen z.T. bereits sehr früh Verhaltensweisen,<br />

die auf eine gewalttätige Entwicklung hinweisen. Sie werden oder sind gewalttätig gegenüber<br />

Eltern und Geschwistern. Besteht die Möglichkeit, in der Familie frühzeitig zu intervenieren, besteht die<br />

Möglichkeit, einer weiteren <strong>Gewalt</strong>entwicklung entgegenzuwirken.<br />

In der Arbeit gegen Jugendgewalt wird der Einbezug des familiären Umfeldes auf die Frage reduziert, ob<br />

dieses unterstützend oder schädigend auf die Jugendlichen einwirkt bzw. einwirkte. Es wird nicht gefragt,<br />

ob das familiäre Umfeld durch den Jugendlichen selber bedroht oder gefährdet ist.<br />

Minderjährige, die (<strong>Häusliche</strong>) <strong>Gewalt</strong> ausüben, sind in ihrer Entwicklung beeinträchtigt und gefährdet.<br />

Das Kindswohl ist tangiert. Ihre spezifische und entwicklungsbedingte Situation ist sowohl in Bezug auf<br />

Präventions- wie Interventionsmassnahmen zu berücksichtigen. Nur präzises Nachfragen bei allen Beteiligten<br />

kann die Komplexität der vorliegenden (<strong>Häusliche</strong>n) <strong>Gewalt</strong> ans Licht bringen und ein wirksames<br />

und nachhaltiges Handeln ermöglichen.<br />

Minderjährige <strong>Gewalt</strong>ausübende im <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz 12<br />

Grundsätzlich gilt das <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz auch <strong>für</strong> minderjährige <strong>Gewalt</strong>ausübende in der Familie. Da<br />

diese nicht einfach weggewiesen werden können, sondern <strong>für</strong> sie auch eine Timeout-Platzierung <strong>für</strong> eine<br />

befristete Zeit sichergestellt werden muss, muss das <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz ergänzt werden.<br />

10 Fausch, Sandra (2010): <strong>Gewalt</strong> in Teenagerbeziehungen. In: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> erkennen und richtig reagieren. Handbuch <strong>für</strong> Medizin,<br />

Pflege und Beratung. Fachstelle <strong>für</strong> Gleichstellung Stadt <strong>Zürich</strong> (Hg.), S. 99-106.<br />

11 Blättler, B. et al.: Teen Dating Violence (2013): Ausmass von Teen Dating Violence (TeDaVi) unter Schülerinnen und Schülern in<br />

Hessen: www.fh-fulda.de/index.php?id=10643<br />

12 Greber, F. (2007/2008): Wenn Minderjährige <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ausüben. Umsetzung des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes (GSG) auf Minderjährige<br />

GefährderInnen im Kontext von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. www.ist.zh.ch<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 109 / 4


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? <strong>Gewalt</strong> im Alter und gegen pflegebedürftige Menschen, November 2013<br />

110 <strong>Gewalt</strong> in Betagtenbeziehungen und gegen pflegebedürftige Menschen<br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in Partnerschaften Betagter oder <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> gegen pflegebedürftige, betagte<br />

Menschen, wird bislang kaum öffentlich thematisiert. Es existieren auch nur sehr wenige Untersuchungen.<br />

<strong>Gewalt</strong> in Partnerschaften betagter Menschen<br />

In Partnerschaften, in denen es im Alter zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> kommt, gibt es verschiedene Konstellationen:<br />

- Partnerschaften, in denen über lange Zeit <strong>Gewalt</strong> eingesetzt wurde (in der Regel einseitig), und sich<br />

diese <strong>Gewalt</strong>anwendung ins Alter hinein fortgesetzt;<br />

- langjährige Partnerschaften, in denen <strong>Gewalt</strong>anwendung erst im Alter beginnt als Folge altersbedingter<br />

Veränderungen wie Ausscheiden aus dem Beruf, Erkrankungen etc.;<br />

- im höheren Alter eingegangene Partnerschaften, in denen es zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> kommt.<br />

Soweit Untersuchungen zu Partnergewalt älterer Menschen vorhanden sind, setzen sie bereits im mittleren<br />

Alter ein:<br />

Eine US-amerikanische Untersuchung von 257 Frauen im Alter von 51 bis 79 ergab<br />

- 4,3% der Frauen leben aktuell in einer Partnerschaft, in der sie bereits mindestens einmal bedroht<br />

worden<br />

- 3,9% berichten, dass sie sich aktuell zu Hause nicht sicher fühlen;<br />

- in Schweden erlebten 8% der befragten 55 bis 64-jährigen Frauen im Jahr vor der Befragung <strong>Gewalt</strong><br />

durch ihren Partner;<br />

- in Finnland berichteten 13,4% der über 45jährigen Frauen über mindestens eine <strong>Gewalt</strong>situation<br />

durch ihren Partner im Jahr vor der Befragung;<br />

- in Australien waren es 5,5% der Befragten der gleichen Altersgruppe. 1<br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> gegen pflegebedürftige Menschen und Betagte<br />

Die Bonner Initiative gegen <strong>Gewalt</strong> im Alter „Handeln statt Misshandeln (HsM)“ ist eine umfassende Beratungseinrichtung<br />

<strong>für</strong> alte Menschen und deren Angehörige. Eine ihrer Untersuchungen ergab, dass ältere<br />

Menschen mit gesundheitlichen Problemen oft von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> betroffen sind. Die eigene Wohnung<br />

und das Altersheim sind häufig Ort der erlebten <strong>Gewalt</strong>handlungen. 2<br />

In der Bonner HsM-Studie gaben 10,8% der über 60jährigen an, innerhalb der letzten fünf Jahre <strong>Häusliche</strong><br />

<strong>Gewalt</strong> erlebt zu haben (60-74-jährige: 13%; 75jährige und ältere: 7,5%).<br />

Häufigste Formen sind körperliche und psychische Misshandlungen, Vernachlässigung und finanzielle<br />

Schädigung. Regelmässig wird psychische <strong>Gewalt</strong> ausgeübt. Eine besondere Risikogruppe sind kranke<br />

und hilfebedürftige sowie (finanziell) abhängige und sozial isolierte Personen.<br />

1 Nägele, B. (2006): Nahraumgewalt im Alter - die besondere Situation älterer weiblicher <strong>Gewalt</strong>opfer. In: Wehrlos im Alter? Dokumentation<br />

einer Fachtagung und eines Expertenforums, KFN Materialien <strong>für</strong> die Praxis - Nr. 2/2006, S. 33-45.<br />

2<br />

Hirsch, R. D. / Brendebach, Christiane (1999), <strong>Gewalt</strong> gegen alte Menschen in der Familie: Untersuchungsergebnisse der "Bonner<br />

HsM-Studie", in: Zeitschrift <strong>für</strong> Gerontologie und Geriatrie, Jg. 32/1999, H. 6, S. 449-455.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 110 / 1


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? <strong>Gewalt</strong> im Alter und gegen pflegebedürftige Menschen, November 2013<br />

In der Literatur werden folgende Formen der <strong>Gewalt</strong> gegen betagte Menschen unterschieden:<br />

- Physische Misshandlung durch Zufügung von Schmerzen und Verletzungen, Anbinden, Festhalten,<br />

Einsperren;<br />

- Medikamentöse Misshandlung durch Verabreichung von Beruhigungsmitteln zur Ruhigstellung oder<br />

Medikamentenentzug;<br />

- Psychische Misshandlung (Demütigung, Quälen, Manipulation);<br />

- Soziale Misshandlung (Isolation, Beeinträchtigung des Lebensraums);<br />

- Sexuelle Übergriffe;<br />

- Vernachlässigung, Verwahrlosung (<strong>Gewalt</strong> als Ergebnis der Unterlassung notwendiger Pflegehandlungen);<br />

- Finanzielle Ausnützung durch widerrechtliche Aneignung von Vermögen, Betrugshandlungen etc.<br />

<strong>Gewalt</strong>formen im <strong>Häusliche</strong>n Bereich<br />

Angehörige sind in der Betreuung und Pflege betagter und pflegebedürftiger Eltern vielseitig belastet und<br />

auch überfordert durch:<br />

- Notwendigkeit der ständigen Anwesenheit;<br />

- hohe körperliche und psychische Beanspruchung;<br />

- fehlende Hoffnung auf Veränderung der Situation;<br />

- Angst vor einer weiteren Verschlechterung;<br />

- Verwirrtheitszustände;<br />

- Harn- oder Stuhlinkontinenz;<br />

- veränderte Beziehung zum pflegebedürftigen Elternteil;<br />

- zunehmende Anomie durch Persönlichkeitsveränderungen (d.h. nicht mehr Einhaltenkönnen von<br />

Regeln, Normen und Abmachungen);<br />

- Klagen und Trauer des pflegebedürftigen Elternteils;<br />

- fehlende Zuneigung;<br />

- zunehmendes Gefühle, den familiären Ansprüchen nicht zu genügen;<br />

- Konflikte mit anderen Angehörigen wegen geringer Unterstützung;<br />

- mangelnde Unterstützung durch ambulante Dienste (u. U. wegen fehlender Geldmittel);<br />

- mangelnde gesellschaftliche Anerkennung;<br />

- mangelnde professionelle Beratung und psychoedukative Unterstützung (Nägele 2006).<br />

In den meisten Studien wird zwischen den verschiedenen <strong>Gewalt</strong>kontexten und den unterschiedlichen<br />

Beziehungskonstellationen nicht unterschieden (<strong>Gewalt</strong> professioneller Pflegender, <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in<br />

betagten (Ex-)Partnerschaften oder <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> durch pflegende Angehörige), so dass das Ausmass<br />

der jeweiligen <strong>Gewalt</strong>kontexte unklar ist. <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> gegen betagte Eltern geht oft eine durch<br />

die Pflege bedingte Überforderung oder bereits vorher bestehender belasteter Beziehung voraus. Die<br />

Pflege wird häufig auch aus Druck- und Schuldgefühlen oder Spargründen übernommen. Die Erwartungshaltung<br />

diese Pflege zu übernehmen ist meist gegenüber erwachsenen Töchtern sehr gross.<br />

Triade der <strong>Gewalt</strong> gegen pflegebedürftige Menschen und Betagte 3<br />

Anhand des <strong>Gewalt</strong>dreiecks wird deutlich, dass <strong>Gewalt</strong>handlungen gegen alte Menschen vielfältige Hintergründe<br />

haben. <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> hat Aspekte aus jedem Teil der Triade.<br />

3 Hirsch, R. D. (2001): Misshandlung und <strong>Gewalt</strong> an alten Menschen. Notfallmedizin 27, 324-328.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 110 / 2


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? <strong>Gewalt</strong> im Alter und gegen pflegebedürftige Menschen, November 2013<br />

Einige der aufgezählten Merkmale gelten sowohl bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> gegen betagte, pflegebedürftige<br />

Menschen wie auch im professionellen Kontext.<br />

Pflegebedürftige Menschen sind in mehrfacher Hinsicht anders und stärker von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> betroffen:<br />

- Alters- und krankheitsbedingt sind die Opfer in geringerem Umfang als Jüngere in der Lage, sich<br />

gegen entsprechende Handlungen zu wehren.<br />

- Die Gefahr schwerwiegender Verletzungen wächst bei Gebrechlichkeit, Krankheit, Pflegebedürftigkeit.<br />

- Die Optionen der Opfer, sich aus einer gewaltbelasteten Beziehung zu lösen und "von vorn zu beginnen",<br />

sinken im hohen Alter.<br />

Typologie der Personen, welche pflegebedürftige Menschen gefährden<br />

Es werden drei Typen unterschieden:<br />

Typus 1: "Nicht auf Schädigung des Betroffenen abzielendes, problematisches Verhalten gegenüber<br />

Pflegebedürftigen im häuslichen Umfeld". Ein typisches Beispiel <strong>für</strong> diesen Falltypus ist die Vernachlässigung<br />

eines Pflegebedürftigen aus Unwissen oder aus Überforderung, oder die Zufügung körperlicher<br />

Schmerzen, um den Widerstand des Pflegebedürftigen <strong>für</strong> vermeintlich notwendige Pflegehandlungen zu<br />

überwinden, oder Einschränkungen der Bewegungsfreiheit mit dem Ziel, diesen dadurch vor Selbst- oder<br />

Fremdgefährdungen zu schützen.<br />

Typus 2: „Viktimisierungen Pflegebedürftiger im häuslichen Umfeld mit situationsgebundener Intention<br />

bedeutsamer Schädigung des Opfers". Hierzu gehören insbesondere Fälle, bei denen in einer bestimmten<br />

emotional sehr aufgeladenen Situation der Wunsch entsteht, die pflegebedürftige Person zu verletzen, sie<br />

zu demütigen, ihr Schmerzen zuzufügen, im Extremfall sogar sie zu töten. Ein Beispiel ist der pflegende<br />

Angehörige, der von der demenzkranken, pflegebedürftigen Person zum wiederholten Male körperlich<br />

attackiert wird und ihr schliesslich in einer Art von "überschiessender Reaktion" einen Schlag versetzt oder<br />

die pflegende Tochter, die sich im Verlauf einer Auseinandersetzung von der pflegebedürftigen Mutter in<br />

hohem Masse provoziert und gekränkt fühlt und darauf mit Beschimpfungen antwortet.<br />

Typus 3: „Viktimisierungen Pflegebedürftiger im häuslichen Umfeld mit situationsübergreifender Intention<br />

bedeutsamer Schädigung des Opfers". Beispiel: Die pflegende Angehörige, die vor dem Hintergrund eines<br />

langjährigen Beziehungskonfliktes den Entschluss fasst, die pflegebedürftige Person nicht mehr adäquat<br />

zu versorgen. Das Handeln der Pflegenden ist nicht nur situativ, sondern auch von dem Bestreben geleitet<br />

und getragen, die pflegebedürftige Person zu schädigen, ihr Schmerzen zuzufügen, sie in ihrer Würde,<br />

ihrer Identität, ihrem Selbstwertgefühl zu beeinträchtigen oder sich auf ihre Kosten zu bereichern.“ (Görgen<br />

2006) 4<br />

Wahrnehmen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> gegen pflegebedürftige Menschen<br />

Hausärztinnen und Pflegende können oft als erste Misshandlungen erkennen oder erahnen. Sie hören<br />

von den Überforderungen pflegender Angehöriger und sehen einhergehende psychische Veränderungen<br />

bei den Opfern. Frühe Interventionen sind nur möglich, wenn bereits auf ersten Anzeichen reagiert und<br />

das Gespräch gesucht wird.<br />

Gemäss Zürcher Gesundheitsgesetz können im Gesundheitswesen tätige Personen bei einem Verdacht<br />

eines Deliktes gegen Leib und Leben Anzeige bei der Polizei erstatten, ohne sich vom Berufsgeheimnis<br />

entbinden zu müssen.<br />

Das Erwachsenenschutzrecht verpflichtet „in amtlicher Tätigkeit“ wirkende Personen, Meldungen an die<br />

Erwachsenenschutzbehörde zu machen, falls sie von der Hilfsbedürftigkeit einer Person erfahren.<br />

In akuten Fällen wird eine <strong>für</strong>sorgerische Unterbringung in ein Akutspital notwendig werden, bis ein Pflegeplatz<br />

oder Unterstützung in der Pflege die Situation entspannen kann.<br />

4 Görgen, T. (2006): <strong>Gewalt</strong> in engen persönlichen Beziehungen älterer Menschen. Zwischenergebnisse der Studie "Kriminalität und<br />

<strong>Gewalt</strong> im Leben alter Menschen". In: Wehrlos im Alter? Dokumentation einer Fachtagung und eines Expertenforums, KFN Materialien<br />

<strong>für</strong> die Praxis - Nr. 2/2006, S. 10-32.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 110 / 3


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Postvention und/oder Paarberatung nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />

111 Postvention und Paarberatung nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

Prävention vor, Intervention während und Postvention nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> setzen zu unterschiedlichen<br />

Zeitpunkten an und haben je eigene Zielsetzungen und Vorgehensweisen.<br />

Postvention ist ein systemisches, kontextbasiertes, verhaltensorientiertes und professionelles Beratungsund<br />

Begleitkonzept <strong>für</strong> Paare, (Rest)-Familien und Kinder nach Vorfällen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, das sich<br />

auch am Case-Management orientiert.<br />

Ziele der Postvention sind: Wiederholungen von <strong>Gewalt</strong> verhindern, Schutz der gewaltbetroffenen Personen<br />

(insbesondere auch der Kinder) unter gleichzeitiger Inverantwortungnahme der gewaltbereiten oder<br />

gewalttätigen erwachsenen oder minderjährigen Person, Reduktion von belastenden Stressfaktoren, Unterbrechung<br />

destruktiver Prozesse, Entwickeln und Ermöglichen von Alternativen zur <strong>Gewalt</strong>, Erarbeiten<br />

von konstruktiven Lösungswegen und Lösungen (auch einer Trennung), Etablieren einer konstruktiven<br />

Konfliktkultur sowie ein sorgfältiger Umgang mit Abhängigkeitsverhältnissen unter grösstmöglichem Einbezug<br />

vorhandener persönlicher, familiärer und sozialer Ressourcen.<br />

Grundsätzlich kann Postvention in unterschiedlichen Settings arbeiten, abhängig von der Einschätzung<br />

der Fachperson bezüglich Gefährlichkeit des Täters/der Täterin und bezüglich Eignung eines Paar- oder<br />

Familiensettings.<br />

Die Arbeit mit Paaren nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> wurde während vieler Jahre als ungeeignetes Beratungs-<br />

Setting und Angebot abgelehnt. Dabei ging man von einem massiven Macht- und Abhängigkeitsverhältnis<br />

zu Ungunsten des Opfers (meistens der Frau) aus und empfahl ihr deshalb eine parteiliche Beratung und<br />

Einzeltherapie.<br />

In vielen Fällen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in erwachsenen, heterosexuellen Paarbeziehungen ist von einer Paarberatung<br />

immer noch abzuraten, denn sie setzt eine egalitäre Beziehung und gemeinsame Ziele voraus,<br />

welche in vielen <strong>Gewalt</strong>beziehungs-Konstellationen nicht vorhanden sind.<br />

Postvention und Beratung im Paarsetting? Bedeutung der unterschiedlichen Tätertypen 1<br />

1. Beim angepassten, auf die Familie beschränkten <strong>Gewalt</strong>typus (family only batterer) kann eine<br />

Paarberatung erfolgreich sein.<br />

2. Für den zyklischen / Borderlinetypus (borderline / dysphoric batterer) ist ein Beratungsangebot<br />

zuerst im Einzelsetting sinnvoll. Danach kann eine Paarberatung geprüft werden.<br />

3. Beim antisozialen / psychopathischen Typus (generally violent / antisocial batterer) kann eine<br />

konfrontative Paarberatung eskalierend wirken. Eine Täter-Opfer-Begegnung ist zu vermeiden,<br />

was eine Paarbehandlung ausschliesst.<br />

4. Beim mittelgradig antisozialen Typus (low level antisocial batterer) muss im Einzelfall geprüft<br />

werden, wieweit eine Paarberatung eskalierend wirken kann.<br />

Bei manchen Paarberatungen werden das Opfer von einer Opfer- und der Täter von einer Täterberatungsstelle<br />

begleitet. Diese Art Beratungen werden dann von einem gemischtgeschlechtlichen Beratungs-<br />

Paar gemeinsam durchgeführt.<br />

Studien über Paartherapien und Paarberatungen nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> fehlen. Wichtig wären vor allem<br />

Erkenntnisse zu Indikation, Methodik, Vorgehensweise und Nachhaltigkeit mit dem Ziel einer gewaltfreien<br />

Beziehung.<br />

Die Praxis zeigt, dass die meisten Paare nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> zusammenbleiben und dass auch nach<br />

Ablauf einer polizeilich angeordneten Schutzmassnahme (z.B. Wegweisung) oft weder der Opferschutz<br />

gewährleistet, noch die <strong>Gewalt</strong>dynamik nachhaltig verändert sind. Bei <strong>Gewalt</strong>beziehungen ist deshalb in<br />

jedem Fall in Einzelgesprächen kritisch vorab abzuklären – und zwar unabhängig davon, ob eine polizeiliche<br />

Intervention stattfand oder nicht –, ob sich das Paar-Setting eignet.<br />

„<strong>Gewalt</strong> macht nicht gleich – der Bedarf an Unterstützung und Beratung bei Frauen ist sehr verschieden.“ 2<br />

Tätertypologien und Opferverhalten, spezifische Paar- und Familiendynamiken, Alters- und Genderunterschiede,<br />

so wie die Reaktionen der jeweiligen Gemeinschaft sind ebenso zu differenzieren, wie der Bedarf<br />

an Unterstützung weiterer von <strong>Gewalt</strong> betroffener Personen.<br />

Eine offene und bis heute ungeklärte Frage ist, wie bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in partnerschaftlichen Jugendbeziehungen<br />

mit den Jugendlichen gearbeitet werden soll und unter welchen Umständen Paarberatung<br />

auch bei ihnen in Frage käme.<br />

Viele Behörden und Beratungsstellen führen heute auch nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> Paar- und Familienge-<br />

1 Vgl. Kap. 105, 3. Tätertypologien bei (<strong>Häusliche</strong>r) <strong>Gewalt</strong>.<br />

2 Helfferich, C. et al. (2005): Wissenschaftliche Untersuchung zur Situation von Frauen und zum Beratungsbedarf nach einem Platzverweis<br />

bei häuslicher <strong>Gewalt</strong>. Abschlussbericht. Freiburg.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 111 / 1


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Postvention und/oder Paarberatung nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />

spräche durch. Sie sind gefordert, zum Thema und gegenüber den beteiligten Erwachsenen und Kindern<br />

eine klare Haltung einzunehmen. Eine systemische, verhaltensorientierte Beratung oder Therapie des<br />

Paares und/oder der Familie durchführen und eine daraus hervorgehende (mögliche) Gefahr <strong>für</strong> die Opfer<br />

einschätzen und abwenden können jedoch nur spezialisierte Fachpersonen (z.B. in Postvention ausgebildete<br />

oder andere in <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> geschulte BeraterInnen oder PsychotherapeutInnen). Solche<br />

Paarberatungen haben nicht nur eine andere Zielsetzung, sondern bedingen auch andere, vernetztere<br />

Vorgehensweisen und Methoden. Das <strong>für</strong> ein Paar und/oder eine Familie geeignete Setting ist vor allem<br />

auch auf der Zeitachse, der Dauer der <strong>Gewalt</strong>beziehung und der Frage, was im Vorfeld zur Unterstützung<br />

bereits installiert wurde, zu beurteilen. Im Zentrum steht in jedem Fall: Nulltoleranz gegenüber jeder Form<br />

von <strong>Gewalt</strong> und Schutz der Kinder.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 111 / 2


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Neurowissenschaftliche Aspekte <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />

112 Neurowissenschaftliche und forensische Aspekte in der Behandlung<br />

gefährdender Personen<br />

Für die verbreitetsten Formen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> sind psychosoziale Erklärungsmodelle, auf die sich die<br />

meisten Fachpersonen stützen, angemessen. Für einen Teil der gefährdenden Personen genügen diese<br />

Erklärungsansätze jedoch nicht, nämlich <strong>für</strong> jene, deren gewalttätigem Handeln z.B. neurobiologische<br />

und/oder psychiatrische Krankheiten zu Grunde liegen. Gemeint sind angeborene, durch Krankheit oder<br />

Unfall erworbene Einschränkungen, Veränderungen oder Störungen (in Folge eines Hirntumors, einer<br />

Hirnprellung, einer Demenz, einer unbehandelten Schizophrenie-Erkrankung, eines Defizites der Hirnentwicklung,<br />

perinatale Einflüsse, Intoxikation, Stoffwechselstörung oder einer schweren Psychotraumatisierung<br />

etc.). Auch Manuel Rupp bestätigte, dass Funktionsstörungen des Gehirns und psychische Störungen,<br />

als Folge einer multifaktoriellen Entstehung, das Risiko <strong>für</strong> <strong>Gewalt</strong>tätigkeit erhöhen können 1 . Menschen<br />

mit Hirnfunktionsstörungen oder psychiatrischen Erkrankungen sind jedoch nicht grundsätzlich gewalttätiger<br />

als Gesunde.<br />

Nicht alle Individuen mit psychiatrischen Erkrankungen zeigen gewalttätiges Verhalten. Der Zusammenhang<br />

bei jungen Erwachsenen, die <strong>Gewalt</strong> androhen oder ausüben, wurde in der in den USA 2000 durchgeführten<br />

Studie 2 in Bezug auf drei Diagnosen beschrieben:<br />

− Alkohol-Abhängigkeit<br />

− Drogen-Abhängigkeit<br />

− Schizophrenie-Erkrankung<br />

Menschen mit mindestens einer der genannten Störung machen 1/5 der Befragten <strong>Gewalt</strong>täter aus, waren<br />

jedoch <strong>für</strong> mehr als die Hälfte der <strong>Gewalt</strong>vorfälle verantwortlich. Menschen mit zwei der genannten Störungen<br />

tragen ein ca. 10-20-mal grösseres Risiko <strong>Gewalt</strong> auszuüben, als Menschen ohne diese Störungen.<br />

Auch die aktuelle Studie von Gloor und Meier 3 weist einen Zusammenhang von Alkoholabhängigkeit und<br />

<strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> nach.<br />

Von zentraler Bedeutung ist jedoch: es müssen – vor allem auch Angehörige – nach gewalttätigem Verhalten<br />

solcher erwachsener und minderjähriger PatientInnen gefragt werden.<br />

Richtigerweise sind die Behandlung der Krankheit und die Empathie <strong>für</strong> den gefährdenden Patienten/Patientin<br />

im Vordergrund. Allerdings wird dabei leicht übersehen, dass durch die <strong>Gewalt</strong>, die der Patient/die<br />

Patientin ausgeübt hat, andere Personen verletzt wurden bzw. u.U. vor dem Patienten geschützt<br />

werden müssen. Es ist deshalb unumgänglich, dass im Gesundheitswesen in der Behandlung solcher<br />

Patienten auch Erkenntnisse, namentlich der forensischen Psychiatrie Eingang finden müssen. Der Psychiatrisch-psychologische<br />

Dienst der Direktion der Justiz PPD hat ein grosses Team von versierten ÄrztInnen<br />

und PsychotherapeutInnen, die sowohl HausärztInnen wie auch ÄrztInnen in Kliniken <strong>für</strong> forensische<br />

Fragen zur Verfügung stehen.<br />

Es ist bekannt, dass im Vorfeld schwerer <strong>Gewalt</strong>taten bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> ein Drittel der späteren Täter<br />

in ärztlicher Behandlung waren. Deshalb liegt hier eine grosse Chance der Früherkennung möglicher <strong>Gewalt</strong>entwicklungen,<br />

die mit einer adäquaten Behandlung und/oder weiterer Massnahmen u.U. verhindert<br />

werden können.<br />

Kriminologie und Soziologie, Psychologie und Psychiatrie, Gehirnforschung und Genetik haben gemäss<br />

ihren Traditionen bisher vorwiegend separat geforscht und theoretisiert. Die Internationale Klassifikation<br />

der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit ICF der Weltgesundheitsorganisation WHO adaptierte<br />

das von G. Engel bereits 1977, mehrheitlich in der Medizin verwendete, „bio-psycho-soziale“ Modell zu<br />

einem multidimensionalen, holistischen Gesundheits- und Krankheitsmodell. Ein umfassendes, mehrdimensionales<br />

Verständnis der komplexen Phänomene <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> steht bisher noch aus. Ein „biopsycho-soziales“<br />

Verstehen <strong>Häusliche</strong>r und anderer Formen von <strong>Gewalt</strong> ist notwendig, um diese gefährdenden<br />

Personen soweit möglich einer adäquaten Behandlung zuzuführen, sie zu begleiten, zu beraten<br />

und deren Opfer zu schützen.<br />

1 Rupp, M. (2010): Wie beeinflusst eine psychische Störung die <strong>Gewalt</strong>bereitschaft? Referat gehalten an der Weiterbildung der IST.<br />

2 Arseneault, L.; Moffit, T. E.; Caspi, A.; Taylor, P.J.; Silva, P.A. (2011): Mental Disorders and Violence in a Total Birth Cohort - Results<br />

From the Dunedin Study. www.archgenpsychiatry.com<br />

3 Gloor, D.; Meier, H. (2013): <strong>Gewalt</strong> in der Partnerschaft und Alkohol. Häufigkeit einer Dualproblematik, Muster und Beratungssettings.<br />

Studie im Auftrag des Bundesamtes <strong>für</strong> Gesundheit. www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/30687.pdf<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 112 / 1


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Verletzungen und gesundheitliche Folgen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />

113 Verletzungen und gesundheitliche Folgen körperlicher <strong>Häusliche</strong>r<br />

<strong>Gewalt</strong><br />

Angriffe gegen den Hals (z. B. Würgen)<br />

Erstaunlich oft werden Frauen von ihrem Partner im Verlaufe der gewalttätigen Auseinandersetzung gewürgt.<br />

Die Gefahr <strong>für</strong> das Opfer durch Würgen (Strangulation mit der Hand/den Händen) wird unterschätzt.<br />

Auch die Opfer sind sich der effektiven Gefahr, in der sie gewesen sind, oft nicht bewusst.<br />

Halsarterie, sichert die Sauerstoffversorgung<br />

des Hirns.<br />

Halsvene, sichert den Blutabfluss. Unterbrechung<br />

führt zu einem Blutrückstau.<br />

Halsnerven. Druckimpuls, kann im Einzelfall<br />

zu einer Veränderung der Herzfrequenz<br />

bzw. zum Herzstillstand führen.<br />

Atemwege, Druckeinwirkung führt zu<br />

Atembehinderung bzw. Verletzung derselben.<br />

Beeinträchtigt werden nicht nur die Luftröhre, sondern auch Blutgefässe. Wird der Blutzufluss durch das<br />

Abdrücken der Halsarterien nur <strong>für</strong> wenige Sekunden minimiert oder gar unterbunden, kann die dadurch<br />

auftretende Unterversorgung des Gehirns mit Sauerstoff zu schwerwiegenden Hirnschädigungen bis zum<br />

Tod führen.<br />

Wird die Halsvene zugedrückt, entsteht ein Rückstau des Blutes im Kopf-/Halsbereich, welcher durch Einblutungen<br />

in die Haut-/Schleimhäute objektiviert werden kann.<br />

In seltenen Fällen kann es bei Druckeinwirkung auf ein spezielles Nervenbündel über der Verzweigung<br />

der Halsschlagader, zu einer reflexartigen Verlangsamung des Herzschlages oder sogar zu einem Herzstillstand<br />

kommen.<br />

Hinweise <strong>für</strong> das Ausmass der akuten Gefährlichkeit sind u.a. spontaner Urinabgang (der fälschlicherweise<br />

oft als Ausdruck der Todesangst interpretiert wird), Bewusstseinsstörungen (z. B. Erinnerungslücken),<br />

Punkteinblutungen in der Haut des Kopfes/Gesichts und den Schleimhäuten von Augen, Ohren, Mund und<br />

Nase. Die äusserlich sichtbaren Beeinträchtigungen am Ort der <strong>Gewalt</strong>einwirkung am Hals sind oft nur<br />

kleine Hämatome, Hautrötungen oder Schürfungen. Angriffe gegen den Hals sollten immer eine ärztliche<br />

Untersuchung nach sich ziehen. Für die Interpretation der festgestellten Befunde ist der Beizug eines<br />

Rechtsmediziners bzw. einer Rechtsmedizinerin des Institutes <strong>für</strong> Rechtsmedizin der Universität <strong>Zürich</strong><br />

(IRM-UZH) empfohlen, sofern das IRM-UZH nicht bereits die ärztliche Untersuchung vornehmen konnte.<br />

Auszug aus den Richtlinien des IRM-UZH bei Angriffen gegen den Hals (Anamnese):<br />

- Dauer der Handlung / des Ereignisses ?<br />

- Wie ist gewürgt worden: ein- oder beidhändig?<br />

- Atemnot, Bewusstseinsstörung, („Schwarz-werden vor Augen“) ?<br />

- Amnesie (retro/anterograd) ?<br />

- Schluckbeschwerden ?<br />

- Heiserkeit ?<br />

- Sehstörungen ?<br />

- Spontaner Urin- und/oder Stuhlabgang ?<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 113 / 1


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Verletzungen und gesundheitliche Folgen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />

Status: - Sind Verletzungen des Halses bzw. der benachbarten Regionen feststellbar?<br />

- Hautrötungen, Schürfungen an Hals, Kiefer und Gesichtshaut<br />

- Schwellungen, Hämatome an Hals und Kiefer<br />

- Druckschmerz an Hals und Kiefer<br />

- Verschiebeschmerz des Kehlkopfes (behutsam untersuchen)<br />

- Sind punktförmige Einblutungen vorhanden<br />

- Augenbindehäute (einfaches Hochklappen der Augenlider), Gesichtshaut, Mundschleimhaut,<br />

Trommelfelle, Nasenschleimhaut (schnäuzen lassen)<br />

- Bissverletzungen der Zunge<br />

- Bei Schluck- und Kehlkopfbeschwerden: Laryngoskopie (ORL) ernsthaft erwägen, da Gefahr des<br />

Erstickens bei Hämatom oder Ödembildung bestehen kann (MRI-Hals-Untersuchung empfohlen!)<br />

- Verletzungen müssen fotografisch dokumentiert werden.<br />

Verletzungen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

Viele als Haushaltunfälle deklarierte Verletzungen wie Knochenbrüche, „Platzwunden“, Kratzer etc. sind<br />

Folgen direkter <strong>Gewalt</strong>einwirkungen durch fremde Hand.<br />

Gesundheitliche Folgen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

Eine Studie der Maternité Inselhof Triemli in <strong>Zürich</strong> hat die dramatischen gesundheitlichen Folgen <strong>für</strong><br />

Frauen, die <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> erfahren haben, aufgezeigt. <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> hinterlässt deutliche, unmittelbare<br />

körperliche und psychische sowie psychosomatische Symptome. Diese reichen je nach Intensität<br />

der erlittenen <strong>Gewalt</strong> von Verletzungen jeglichen Schweregrades, über Schmerzen am ganzen Körper,<br />

Atemprobleme, Gleichgewichtsstörungen, Übelkeit oder Erbrechen, Verdauungsbeschwerden bis zu Essstörungen.<br />

Sehr häufig kommt es zu Gedächtnis- oder Konzentrationsstörungen, Schlaflosigkeit, Nervosität<br />

und Angstgefühlen bis hin zu Panikattacken und Depressionen. Weiter kann es auch zu Alkohol-, Medikamenten-<br />

oder Drogenmissbrauch und zu Suizidalität kommen. Frauen mit <strong>Gewalt</strong>erlebnissen haben<br />

signifikant mehr gesundheitliche Beschwerden als nicht betroffene Frauen. 1<br />

Medizinische Fachpersonen nehmen eine Schlüsselstellung ein<br />

Physische <strong>Gewalt</strong> führt oft zu Verletzungen und Beschwerden, die medizinisch behandelt werden müssen.<br />

Deshalb sind Ärztinnen und Ärzte sowie generell Fachpersonen aus dem Gesundheitsbereich häufig die<br />

ersten Ansprechpersonen <strong>für</strong> von körperlicher <strong>Gewalt</strong> betroffene Frauen, Kinder und Männer. Die Schwelle,<br />

sich an die Polizei oder an spezialisierte Stellen zu wenden, ist <strong>für</strong> <strong>Gewalt</strong>betroffene oft deutlich höher.<br />

Ärztinnen und Ärzte können mithelfen, das Problem wahrzunehmen und durch fachgerechte und detaillierte<br />

Dokumentation die Beweislage <strong>für</strong> den Schutz zu sichern, wenn die von <strong>Gewalt</strong> betroffene Person polizeilichen<br />

Schutz beanspruchen kann und will.<br />

Bei Fragen können sich Fachpersonen jederzeit (24-h-Dienst) an das Institut <strong>für</strong> Rechtsmedizin der Universität<br />

<strong>Zürich</strong> IRM-UZH, Forensische Medizin und Bildgebung, Winterthurerstrasse 190, 8057 <strong>Zürich</strong>,<br />

Tel. 044 63 55 611; irm@irm.unizh.ch, www.irm.unizh.ch wenden.<br />

1 Gloor, Daniela; Meier, Hanna (2004): Frauen, Gesundheit und <strong>Gewalt</strong> im sozialen Nahraum. Repräsentativbefragung bei Patientinnen<br />

der Maternité Inselhof Triemli. Hrsg. von Büro <strong>für</strong> die Gleichstellung von frau und Mann der Stadt <strong>Zürich</strong> und Maternité Inselhof Triemli<br />

<strong>Zürich</strong>. Bern: Edition Soziothek.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 113 / 2


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Rechtliche Interventionen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> (Übersicht), November 2013<br />

114 Rechtliche Interventionen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> (Übersicht)<br />

Komplexität auch in der Rechtsanwendung<br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> tangiert diverse Rechtsgebiete, die sich sowohl bezüglich des angestrebten Zweckes,<br />

wie auch in den Verfahren stark unterscheiden. Oft sind mehrere Verfahren parallel hängig, was zuweilen<br />

auch <strong>für</strong> <strong>Fachleute</strong> eine Herausforderung ist.<br />

Ausser im <strong>Zürich</strong>er <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz ist „<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>“ gesetzlich nicht definiert. Im Strafrecht sind<br />

es diverse Straftatbestände, die erfüllt werden; im Kindsrecht die Gefährdung des Kindswohls durch die<br />

<strong>Gewalt</strong>; im Zivilrecht ist die Folge der <strong>Gewalt</strong> eine Trennung oder Scheidung und hat Einfluss auf die Ausgestaltung<br />

des elterlichen Sorgerechts. Voraussichtlich am 1. Januar 2014 wird die Revision des Elternrechts,<br />

d.h. die gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall, in Kraft gesetzt. Wird das Kindswohl durch die<br />

<strong>Gewalt</strong>vorfälle ernsthaft beeinträchtigt, kann u.U. das alleinige Sorgerecht auch künftig beantragt werden.<br />

Schutzmassnahmen und<br />

proaktive Beratung (GSG)<br />

Strafrecht<br />

Kurzfristiger Opferschutz und<br />

Deeskalation<br />

Beschuldigte Person im Fokus<br />

Zivilrecht<br />

Regelung unter den Parteien<br />

(z.B. Ehe-, Partnerrecht,<br />

zivilrechtlicher <strong>Gewalt</strong>schutz )<br />

Kindesschutz<br />

Opferhilfe<br />

Beratung und Unterstützung<br />

Kindesschutzmassnahmen bei<br />

gefährdetem Kindswohl;<br />

Besuchsrechtsregelungen<br />

Zeitpunkt der Wirksamkeit des Schutzes<br />

Die rechtlichen Normen werden zu verschiedenen Zeitpunkten wirksam. Die gewaltschutzrechtlichen<br />

Massnahmen ermöglichen sofortigen Schutz und Deeskalation, während straf- und zivilrechtliche Regelungen<br />

mittel- bis langfristig wirksam werden.<br />

Bei den Kindesschutzmassnahmen ist es stark von der akuten Gefährdung des Kindes abhängig, ob der<br />

Kindesschutz durch Vorsorgliche Massnahmen sichergestellt werden muss.<br />

Interventionen von Amtes wegen oder auf Antrag der Betroffenen<br />

Sind Voraussetzungen zur Anordnung von gewaltschutzrechtlichen Schutzmassnahmen gegeben, handelt<br />

die Polizei von Amtes wegen unabhängig vom Willen der Betroffenen. Dasselbe gilt auch <strong>für</strong> einige Straftatbestände,<br />

die bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> unter Erwachsenen ausgeübt werden. Erfährt die Kindesschutzbehörde<br />

von Kindswohlgefährdungen, was durch die gesetzlich vorgeschriebene Zustellung der polizeilichen<br />

<strong>Gewalt</strong>schutzverfügung der Fall ist, muss sie von Amtes wegen die Situation abklären.<br />

Demgegenüber verlangen die privatrechtlichen Regelungen eine Intitiative jener Partei, die etwas will: „Wo<br />

keine Klägerin, da keine Richter“ ist die Umschreibung dessen, was in der Juristensprache die Dispositionsmaxime<br />

ist. Auch einige Straftatbestände bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> werden nur auf Antrag der geschädigten<br />

Person verfolgt, so der „Hausfriedensbruch“, die „Sachbeschädigung“, der „Telefonterror“. Selbst Körperverletzungen<br />

von Kindern bei Elternmisshandlungen sind (nur) Antragsdelikte.<br />

Beweisintensität<br />

Grundsätzlich ist ein Schutz nur möglich, wenn die <strong>Gewalt</strong>, Drohung oder eine Kindswohlgefährdung<br />

nachgewiesen ist. Die Anforderungen an die Beweisintensität ist in den verschiedenen Rechtsgebieten<br />

unterschiedlich. Im Strafrecht müssen die Tatbestandsmerkmale eines Delikts im Einzelnen zweifelsfrei<br />

nachgewiesen sein. Für die Anordnung von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen reicht der Nachweis einer Gefährdung<br />

durch ausgeübte <strong>Gewalt</strong> oder Drohungen und <strong>für</strong> deren Verlängerung die Glaubhaftmachung der<br />

fortbestehenden Gefährdung.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 114 / 1


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Nachweis <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />

115 Nachweis <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

Kein Schutz ohne Beweis<br />

In jedem rechtlichen Verfahren muss der Lebenssachverhalt, aus welchem ein Recht abgeleitet wird,<br />

nachgewiesen sein. Dies gilt auch <strong>für</strong> die Anordnung kurzfristiger Schutzmassnahmen. Die Behörden<br />

müssen sich ein Bild vom Vorgefallenen machen können. Die Intensität des Nachweises ist je nach Verfahren<br />

unterschiedlich und reicht von blosser Glaubhaftmachung bis zur Zweifelsfreiheit, d.h. die Richterin,<br />

der Richter dürfen keine „unüberwindlichen“ Zweifel haben.<br />

In einigen Verfahren müssen nicht die <strong>Gewalt</strong>vorfälle nachgewiesen werden, sondern in erster Linie deren<br />

Folgen. Dies trifft bei Gefährdung oder Schädigung des Kindswohls zu. Im Kindsschutz steht der Nachweis<br />

der Kindswohlgefährdung im Zentrum. Die Ausgestaltung adäquater Kindsschutzmassnahmen und<br />

die Regelung der Elternrechte (Sorge-, Obhuts-, Betreuungs- und Besuchsrechts) müssen möglichen <strong>Gewalt</strong>eskalationen<br />

Rechnung tragen.<br />

Für gewaltbetroffene Personen mit abgeleitetem Verbleiberecht in der Schweiz, die sich von ihrem gewalttätigen<br />

Ehegatten trennen wollen und erst kurze Zeit in der Schweiz leben, hängt das weitere Verbleiberecht<br />

vom Nachweis der <strong>Gewalt</strong> ab.<br />

Dokumentation von <strong>Gewalt</strong>vorfällen, Anzeigemöglichkeit von Berufs-und Amtsgeheimnisträgern<br />

Kommt es zu <strong>Gewalt</strong> wird oft aus Angst, Scham oder Gefühlen des Versagens darüber geschwiegen.<br />

Manchmal erfahren Dritte davon. Zum Beispiel in der Mütterberatung oder beim Arztbesuch, wenn eine<br />

Frau unter dem Siegel der Verschwiegenheit über ihre Situation berichtet.<br />

Für die ärztlichen Untersuchungen gibt es gute Checklisten, was untersucht und erfragt werden sollte in<br />

Fällen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>.<br />

Personen des Gesundheitswesens haben im Kanton <strong>Zürich</strong> die Möglichkeit, der Polizei eine Anzeige ohne<br />

Entbindung vom Arztgeheimnis zu machen, wenn sie Kenntnis von <strong>Gewalt</strong>vorfällen haben. Besteht eine<br />

Fremd- oder Selbstgefährdung mit Waffen, können sowohl Berufs- wie Amtsgeheimnisträger ohne Entbindung<br />

die Polizei avisieren, die die Waffen konfiszieren kann.<br />

Auch wenn noch keine Anzeige erfolgt, ist die genaue Dokumentation wichtig.<br />

Zu einer Dokumentation gehört:<br />

- das Erzählte genau festhalten: Ort, Datum und allenfalls anwesenden Personen;<br />

- zentrale Aussagen oder eine typische Wortwahl genau aufschreiben;<br />

- auf suggestives Nachfragen verzichten (Erzählfluss nicht stören);<br />

- Mitgeteiltes als Mitgeteiltes und nicht als selbst Erlebtes notieren;<br />

- Verletzungen dokumentieren, auch fotografisch (nicht nur mit Detailsaufnahmen, sondern auch mit<br />

Gesamtaufnahmen, die zeigen, wo am Körper die Verletzungen oder die Hämatome sind);<br />

- die seelische Verfassung des Opfers beschreiben;<br />

- evtl. ergänzen, weshalb das Erzählte aus Sicht der Fachperson zutreffend sein muss.<br />

In einen Bericht zuhanden einer Justizbehörde gehört auch der Anlass der Feststellungen und eine kurze<br />

Beschreibung der Dauer und Intensität der professionellen Beziehung zur gewaltbetroffenen Person.<br />

Veränderung der Aussagen unter psychotherapeutischer Behandlung<br />

Wird in Psychotherapien über sexuelle, psychische und physische <strong>Gewalt</strong>vorfälle erzählt, erhalten die Vorfälle<br />

unter der therapeutischen Bearbeitung oft eine andere Bedeutung. Eine veränderte, eventuell distanzierter<br />

wirkende Wortwahl kann direkter Ausdruck davon sein. Unterzog sich z.B. eine Frau Sexualpraktiken<br />

ihres Ehemannes, die sie nicht wollte, kann es sein, dass sie erst in der Psychotherapie wahrnimmt,<br />

dass die Nichtbeachtung ihres Willens eine Form der <strong>Gewalt</strong> ist. Im juristischen Verfahren kann die Neubenennung<br />

des Vorgefallenen als mangelnde Glaubwürdigkeit ausgelegt werden. Es ist deshalb Aufgabe<br />

der Psychotherapeutin oder des Psychotherapeuten, verändernde Benennungen und verändernde Wortwahlen<br />

in der Therapiedokumentation festzuhalten, damit <strong>für</strong> andere nachvollziehbar wird, dass dies eine<br />

Folge des psychotherapeutischen Prozesses ist.<br />

Grundsätzlich keine Befragung von Kindern und Jugendlichen, Anzeigepflicht<br />

Wer in seiner amtlichen Tätigkeit von einem Verdacht ausgehen muss, dass Kinder Opfer <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

sind, ist verpflichtet, der zuständigen Kindesschutzbehörde eine Gefährdungsmeldung zu machen.<br />

Diese wird die Kinder bzw. deren Eltern anhören und gegebenenfalls Kindesschutzmassnahmen anordnen.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>. Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 115 / 1


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Die IST im Rückblick und im Heute, November 2013<br />

116 Die IST im Rückblick und im Heute<br />

Die Geschichte der Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> IST geht zurück in die 1990er Jahre. Bereits<br />

seit den 1970er Jahren hatte gemäss Martha Weingartner die Frauenbewegung erstmals öffentlich<br />

auf die <strong>Gewalt</strong> aufmerksam gemacht, die zuhause hinter verschlossenen Türen von Männern gegenüber<br />

ihren Frauen ausgeübt wird. Es entstanden die ersten Frauenhäuser, die gewaltbetroffenen Frauen und<br />

ihren Kindern Zuflucht und Unterstützung boten. Dann entstanden Mitte der 1990er Jahre auch in der<br />

Schweiz Interventionsprojekte. Ziel war, <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> mit „verschiedenen ineinander greifenden<br />

Massnahmen zu vermindern“. Sie sollten bei Opfern und Tätern ansetzen und „nebst rechtlichen Konsequenzen<br />

auch längerfristige Beratung und Unterstützung beinhalten. Die Zusammenarbeit zwischen Opfer-Beratungsstellen,<br />

Polizei und Justiz wurde stark gefördert und führte zu wesentlichen Verbesserungen“.<br />

1<br />

Ausdruck des gesellschaftlichen Wandels war die Annahme der Beobachter-Initiative, die am 1. Januar<br />

1993 zur Inkraftsetzung des Opferhilfegesetzes führte. Dieses Gesetz schuf die gesetzliche Grundlage <strong>für</strong><br />

die kantonale Finanzierung privater Beratungs-Organisationen und -Einrichtungen.<br />

Im Jahr 1995 lancierte der Zürcher Stadtrat die Kampagne „Männergewalt macht keine Männer“. Zeitgleich<br />

entstand <strong>für</strong> die Stadt das „Zürcher Interventionsprojekt gegen Männergewalt ZIP“, welches von<br />

Marlene Eggenberger geleitet wurde. Sie begann mit der Vernetzungsarbeit aller mit <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

befassten Fachpersonen durch die Schaffung eines „Runden Tisches“. Nach Projektabschluss folgte im<br />

Jahr 2000 der Aufbau des kantonalen Nachfolgeprojekts.<br />

Nach der Ermordung von Carmen S., die grosse Mängel im justiziellen Vorgehen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

ans Licht brachte, gründete der damalige 1. Staatsanwalt Marcel Bertschi 1996 die interdisziplinäre Arbeitsgruppe<br />

„Hilfe <strong>für</strong> bedrohte Opfer HIBO“. Aus ihr entstand 2001 die auf schwere <strong>Gewalt</strong>taten spezialisierte<br />

kantonale Bezirksanwaltschaft BAK V. 2<br />

Aus der politischen Einsicht, dass die Koordination der <strong>Fachleute</strong> nicht nur ein städtisches Anliegen, sondern<br />

vor allem ein kantonales ist, wurde 2001 die „Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> IST“ im<br />

Generalsekretariat der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons <strong>Zürich</strong> unter Leitung der Sozialarbeiterin<br />

Marlene Eggenberger (80%) und des Jugendanwaltes Riccardo Steiner als wissenschaftlicher<br />

Mitarbeiter (70%) mit einer Sekretariatsstelle (50%) unter Regierungsrat Dr. Markus Notter ins Leben gerufen.<br />

Das war auch die Geburtsstunde des „Strategischen Kooperationsgremium gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des<br />

Kantons <strong>Zürich</strong>“. In den Folgejahren wurde nach Kräften an der Einführung eines Zürcher Polizeigesetzes<br />

gearbeitet, um polizeiliche Massnahmen zur Deeskalation und zum Schutz <strong>Gewalt</strong>betroffener zu schaffen.<br />

Eine Bestandesaufnahme der Situation im Kanton <strong>Zürich</strong> diente als Ausgangslage 3 . Anders als in anderen<br />

Kantonen sollte in <strong>Zürich</strong> die Polizei die Anordnungskompetenz erhalten mit der Möglichkeit der nachträglichen<br />

richterlichen Überprüfung. Die Daten der gewaltausübenden sowie der gewaltbetroffenen Personen<br />

sollten automatisch an spezialisierte Beratungsstellen übermittelt werden mit dem Ziel, zeitnah an den<br />

Vorfall Beratungen anzubieten. Bei Kindern sollte in jedem Fall eine Gefährdungsmeldung an die Kinderschutzbehörde<br />

erfolgen. Die Interventionsstelle IST und das Strategische Kooperationsgremium erhielten<br />

eine gesetzliche Grundlage.<br />

Nach heftigen Kontroversen und Auseinandersetzungen verabschiedete der Kantonsrat das <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz<br />

am 19. Juni 2006 mit 92 gegen 48 Stimmen dennoch.<br />

Im Herbst 2006 wurden Franziska Greber, Psychotherapeutin, Coach und Supervisorin und Cornelia Kranich,<br />

Rechtsanwältin, Mediatorin und Erwachsenenbildnerin Co-Leiterinnen zu je 50% mit einem zu 50%<br />

dotierten Sekretariat.<br />

2004 war die sogenannte Offizialisierung in Kraft gesetzt worden. Für einige Delikte im „häuslichen Nahbereich“,<br />

die in Ehe und Partnerschaft begangenen werden, sollte automatisch ein Strafverfahren eingeleitet<br />

werden, auch ohne Antrag des Opfers. Gleichzeitig sollte das Opfer die Möglichkeit haben, das Strafverfahren<br />

wieder zur Einstellung zu bringen 4 . Dies führt derzeit zu einer hohen Einstellungsrate der Strafverfahren<br />

bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>.<br />

Auf den 1. Januar 2007 wurde der Paradigmenwechsel des Schweizer Sanktionsrechts in Kraft gesetzt.<br />

1 Weingartner, M.(2010): Einleitung. In Fachstelle <strong>für</strong> Gleichstellung der Stadt <strong>Zürich</strong>; Frauenklinik Maternité, Stadtspital Triemli; Verein<br />

Inselhof Triemli (Hrsg).: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> erkennen und richtig reagieren. Handbuch <strong>für</strong> Medizin, Pflege und Beratung, 2. Überarbeitete und<br />

erweiterte Aufl. Hans Huber-Verlag. Bern. S. 15.<br />

2 Steiner, S. (2004): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>. Erscheinungsformen, Ausmass und polizeiliche Bewältigungsstrategien in der Stadt <strong>Zürich</strong>. Verlag<br />

Rüegger. <strong>Zürich</strong>, Chur. S. 15ff.<br />

3 Kranich Schneiter, C.; Eggenberger, M.; Lindauer, U. (2004): Gemeinsam gegen häusliche <strong>Gewalt</strong>. Eine Bestandesaufnahme im Kanton<br />

<strong>Zürich</strong>. Schulthess. <strong>Zürich</strong>.<br />

4 Art. 55a StGB<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen und Monika Maurer, Assistentin 116 / 1


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Die IST im Rückblick und im Heute, November 2013<br />

Freiheitsstrafen bis 180 Tage wurden durch Geldstrafen ersetzt. Damit wurde <strong>für</strong> die <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ein<br />

ungeeignetes Sanktionssystem geschaffen, das zu einer zusätzlichen Belastung gewaltbetroffener Familienangehöriger<br />

führte. Für das Vorgehen gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> bedeutete dies ein Rückschritt 5 .<br />

Drei Monate später, am 1. April 2007, konnte das Zürcher <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz (GSG) 6 in Kraft gesetzt<br />

werden, nachdem die IST und das Strategische Kooperationsgremium viele <strong>für</strong> das Gelingen einer raschen<br />

Umsetzung notwendigen Vorbereitungsarbeiten erledigt hatten. Als Veranschaulichung eine Abbildung<br />

aus der Plakatkampagne 7 der Zürcher Frauenzentrale, welche die Einführung medial begleitete und<br />

als erstes Zeichen der Vernetzungsarbeit stand. Vielleicht erinnert sich die eine oder der andere gut an<br />

dieses Bild in den Trams und Bussen sowie übergross und animiert auf dem Bildschirm in der Ankunfts-<br />

Halle des Zürcher Hauptbahnhofs.<br />

Screenshot Zürcher Frauenzentrale, Frühjahr 2007<br />

Die erste Aufgabe der Co-Leiterinnen bestand in der Umsetzung des GSG. § 17 Abs. 1 GSG definiert die<br />

Aufgaben der IST (Steuerung, Koordination, Überprüfung, Öffentlichkeitsarbeit, Weiterbildung der <strong>Fachleute</strong>)<br />

und hält somit gesetzlich fest, dass es die IST als solche Stelle gibt. Weiter hält der Regierungsrat<br />

im Konsolidierten Entwicklungs- und Finanzplan (KEF) 8 2007 – 2010 fest, dass das Generalsekretariat der<br />

Direktion der Justiz und des Innern (JI) eine „Interventionsstelle gegen häusliche <strong>Gewalt</strong>“ führt. So wurde<br />

im Gesetz und im KEF die bereits bestehende Integration der IST in die JI bestätigt.<br />

Die verschiedenen beruflichen Hintergründe der Co-Leiterinnen waren „Programm“. Damit wurde die Interund<br />

Transdisziplinarität sichergestellt. Vorerst gilt es, das Phänomen der <strong>Häusliche</strong>n <strong>Gewalt</strong> in seinen<br />

vielfältigen bio-psycho-sozialen Aspekten zu verstehen. Dies ist eine Voraussetzung <strong>für</strong> die Entwicklung<br />

von Herangehensweisen, die rechtlich zielfördernd und nachhaltig umgesetzt werden können. Die im Strategischen<br />

Kooperationsgremium vertretenen <strong>Fachleute</strong> und Organisationen gewährleisteten und unterstützten<br />

diesen Prozess, so wie zusätzlich den Theorie-Praxis-Transfer.<br />

Das <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz verlangt ein institutionalisiertes Strategisches Kooperationsgremium, d.h. eine<br />

fachübergreifende Arbeitsgruppe, die die Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> unterstützt und begleitet.<br />

Das strategische Kooperationsgremium setzt sich aus Vertretern und Vertreterinnen von 20 privaten<br />

und staatlichen Institutionen und Behörden zusammen, um Strategien gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> <strong>für</strong> den<br />

Kanton <strong>Zürich</strong> zu entwickeln. Kooperation ist der Schlüssel <strong>für</strong> eine wirksame Interventionsarbeit. Die Kooperation<br />

ist im <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzt verankert und gibt ihr das notwendige Gewicht. Das „Strategische<br />

Kooperationsgremium“ (StrK) trifft sich vier Mal pro Jahr mit der Aufgabe, Strategien zur Minderung <strong>Häusliche</strong>r<br />

<strong>Gewalt</strong> zu diskutieren und deren Umsetzung in die Wege zu leiten.<br />

5 Der Nationalrat hat in der Sitzung vom 24. September 2013 der Wiedereinführung kurzer Freiheitsstrafen zugestimmt. Das Geschäft muss<br />

noch in den Ständerat.<br />

6 <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz vom 19. Juni 2006, LS 351<br />

7 Zürcher Frauenzentrale; Politische Projekte; Schutz vor häuslicher <strong>Gewalt</strong><br />

8 KEF 2007–2010, S. 96; Organisationsverordnung der JI (JIOV) vom 23. Dezember 2010<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen und Monika Maurer, Assistentin 116 / 2


Kapitel 1: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - eine reine Privatsache? Die IST im Rückblick und im Heute, November 2013<br />

Die IST organisiert im Rahmen des StrK auch im Frühjahr je an vier Vormittagen Fachweiterbildungen z.B.<br />

auf Grund neuer Forschungsergebnisse im Bereich <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> und sichert somit den Austausch<br />

unter den <strong>Fachleute</strong>n, fördert Diskussionen zur Optimierung etc. Zur Unterstützung der täglichen Arbeit<br />

erarbeitete die IST in Zusammenarbeit mit dem StrK ein umfassendes „<strong>Manual</strong> <strong>für</strong> <strong>Fachleute</strong>“ 9 .<br />

mit <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> befasste <strong>Fachleute</strong><br />

Als Untergruppe führt die IST die Arbeitsgruppe Monitoring. Auch diese trifft sich vier Mal pro Jahr mit<br />

der Aufgabe, u.a. Schnittstellen-Probleme möglichst frühzeitig zu erkennen und Lösungsvorschläge<br />

auszuarbeiten. Dazu verschickt die IST jeweils vor den Sitzungen die sogenannte Problemerfassungsliste<br />

an gut 30 Stellen im Kanton <strong>Zürich</strong>. Der Verteiler soll sämtliche Bereiche der mit <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

befassten <strong>Fachleute</strong> erreichen, damit eine möglichst lückenlose Monitorisierung allfälliger Schnittstellenprobleme<br />

stattfinden kann. Die Rückmeldungen an die IST erfolgen anhand anonymisierter Fälle, die<br />

an der Sitzung besprochen werden. Die mögliche Lösung <strong>für</strong> ein Problem kann zum Beispiel sein, dass<br />

einer Fachperson ein Fehler unterlaufen ist, der auf einen Informations- oder auf einen Weiterbildungsbedarf<br />

hinweist oder aber eine Behörde ein Formular anpassen muss, damit die Empfänger<br />

mehr Klarheit haben <strong>für</strong> ihre Entscheidungen. Diese Lösungen sollen einfach und möglichst schnell<br />

umsetzbar sein.<br />

Es kann aber auch sein, dass eine Problematik nicht mit einer einfachen Formular-Anpassung gelöst<br />

werden kann. Dann sind allenfalls auch Verordnungs- oder Gesetzesanpassungen ins Auge zu fassen.<br />

Diese Änderungen sind dann einzubringen, wenn ein Gesetz gerade in Revision ist. So können Anregungen<br />

der Co-Leiterinnen und der <strong>Fachleute</strong> im Zuge von Vernehmlassungen durch die IST eingebracht<br />

werden. Ob diese Anregungen später im Gesetz verankert sind, hängt vom politischen Willen in<br />

den vorbereitenden Kommissionen und schlussendlich vom Parlament ab und im Falle einer Abstimmung,<br />

von der Mehrheit des Stimmvolks.<br />

Nach dem zweifachen Tötungsdelikt von Pfäffikon am 11. August 2011 wurde die IST und das Kooperationsgremium<br />

beauftragt, Verbesserungsvorschläge zum Vorgehen zusammen zu tragen, die im Schlussbericht<br />

über mögliche Optimierungsmassnahmen bei Verfahren im Rahmen von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> vom<br />

13. Juni 2012 10 zusammengefasst sind. Die Regierung nahm ihn am 20. Juni 2012 zur Kenntnis 11 und<br />

entschied gleichentags, dass <strong>Gewalt</strong>schutz und <strong>Gewalt</strong>bekämpfung als Schwerpunkt der Strafverfolgung<br />

2012–2015 12 zu priorisieren sind. Die Regierung 13 verortete als Konsequenz die Interventionsstelle per 1.<br />

Januar 2014 in der neu geschaffenen Präventionsabteilung der <strong>Kantonspolizei</strong> unter Leitung von Oblt<br />

Reinhard Brunner. Die Leitung der IST übernimmt eine zu 100% angestellte Fachperson.<br />

9 www.ist.zh.ch / <strong>Manual</strong> <strong>für</strong> <strong>Fachleute</strong><br />

10 Download:<br />

/www.ji.zh.ch/internet/justiz_inneres/de/themen/ist/_jcr_content/contentPar/downloadlist_1341314370536/downloaditems/bericht_m_gliche_opt<br />

.spooler.download.1341313967990.pdf/0_120613_AG+Opt_Schlussbericht.pdf<br />

11 RRB Nr. 660. Schlussbericht der Arbeitsgruppe «Mögliche Optimierungsmassnahmen bei Verfahren im Rahmen von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>»<br />

(Kenntnisnahme) vom 20. Juni 2012<br />

12 RRB Nr. 659. Berichterstattung zu den Schwerpunkten in der Strafverfolgung 2009–2012 und Schwerpunktbildung in der Strafverfolgung<br />

2012–2015 vom 20. Juni 2012<br />

13 RRB Nr. 941. Übertragung der Interventionsstelle gegen häusliche <strong>Gewalt</strong> vom 29. August 2013<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen und Monika Maurer, Assistentin 116 / 3


Kanton <strong>Zürich</strong><br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />

Kapitel 2<br />

Kurzfristiger Schutz und Deeskalation<br />

bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Inhaltsübersicht, November 2013<br />

Inhaltsverzeichnis Kapitel 2<br />

Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

200 Grundlagen<br />

201 • Rechtlicher Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> November 2013<br />

202 • Das <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz (GSG) in Kürze November 2013<br />

203 • Übersicht über die polizeilichen Massnahmen nach GSG November 2013<br />

204 • Was regeln die Schutzmassnahmen? Was nicht? November 2013<br />

205 • Verfahren vor dem Zwangsmassnahmen- und dem Verwaltungsgericht Januar 2013<br />

206 • Verhältnis der GSG-Massnahmen zu zivil- und strafrechtlichen Anordnungen November 2013<br />

207 • Die proaktive Beratung November 2013<br />

208 • Gefährdungsmeldung an die KESB und zeitnahe Kinderansprache November 2013<br />

209 • Probleme in der Anwendung des Zürcher <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes November 2013<br />

240 Merkblätter, Flyer, Informationsmaterial <br />

241 • Flyer zu Schutzmassnahmen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> Januar 2012<br />

260 Beispiele, Verfügungen, Musterbriefe <br />

261 • Polizeiliche Schutzverfügung nach GSG September 2013<br />

280 Gesetzestexte, Rechtsprechung §<br />

281 • Gesetzestexte zum kurzfristigen Schutz vor <strong>Gewalt</strong> Januar 2013<br />

282 • Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz<br />

1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />

November 2013<br />

Dazu: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Serviceteil im Kapitel 9<br />

<br />

901 • Wichtige Zürcher Adressen November 2013<br />

902 • Weiterführende Links September 2011<br />

903 • Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme November 2013<br />

904 • Gesetzesabkürzungen, allgemeine Abkürzungen November 2013<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Rechtlicher Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />

201 Rechtlicher Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende<br />

Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.<br />

Arten von Schutzmassnahmen<br />

Die meisten Gesetze sehen Massnahmen vor, die bei einer besonderen Dringlichkeit<br />

eine vorsorgliche, einstweilige Regelung ermöglichen. So auch <strong>für</strong> akute <strong>Gewalt</strong>situationen,<br />

wenn der Schutz <strong>Gewalt</strong>betroffener gesichert sein muss.<br />

In der akuten <strong>Gewalt</strong>situation ist eine Wegweisung aus der gemeinsamen Wohnung<br />

kombiniert mit einem Rayon- und Kontaktverbot meistens eine genügende Massnahme<br />

zur vorläufigen Beruhigung der Situation.<br />

Wird aber mit einer Kindsentführung gedroht, braucht es weitergehende Massnahmen.<br />

Bei ernsten Morddrohungen reicht i.d.R. eine Wegweisung alleine nicht aus.<br />

Ist die <strong>Gewalt</strong> krankheitsbedingt, braucht es u.U. zusätzliche Massnahmen. U.U.<br />

muss auch Schutz gewährleistet werden können, ohne dass es bereits zu einer<br />

<strong>Gewalt</strong>eskalation gekommen ist, wenn ernsthafte Hinweise vorliegen, dass es zu<br />

einem schweren <strong>Gewalt</strong>delikt kommen könnte.<br />

Benötigt eine gewaltbetroffene Person zwar Schutz, will aber die Polizei aus unterschiedlichen<br />

Gründen nicht einschalten, stellt sich <strong>für</strong> involvierte <strong>Fachleute</strong> oft die<br />

Frage, ob gleichwohl Schutzmassnahmen beantragt werden können und sollen.<br />

Es gilt also im Einzelfall zu prüfen, welche Schutzmassnahmen kurzfristig angezeigt<br />

sind und welches Verfahren angestrengt werden muss.<br />

<strong>Gewalt</strong>schutzrechtliche Massnahmen<br />

Im Kanton <strong>Zürich</strong> ist seit dem 1. April 2007 das <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz (GSG) vom<br />

19. Juni 2006 in Kraft. Es handelt sich um Polizeirecht in Konkretisierung der allgemeinen<br />

polizeilichen Generalklausel, deren Zweck die Aufrechterhaltung von Ruhe<br />

und Ordnung ist, u.a. durch den Schutz von Personen, die an Leib und Leben bedroht<br />

sind. Die Polizei muss, wenn sie sich von der Drohung oder der <strong>Gewalt</strong> überzeugt<br />

hat, die Schutzmassnahmen auch gegen den allfälligen Willen der gefährdeten<br />

Person anordnen. Mit einer 14-tägigen, polizeilichen Wegweisung, einem<br />

Betret- und Kontaktverbot und der nachfolgenden pro-aktiven Beratung durch spezialisierte<br />

Stellen wird diesem Schutzbedürfnis in der akuten Situation Rechnung<br />

getragen. Die Massnahmen können richterlich um weitere drei Monate verlängert<br />

werden, wenn glaubhaft die Gefahr fortbesteht.<br />

Die polizeilichen Schutzmassnahmen werden unentgeltlich angeordnet. Für die<br />

richterliche Verlängerung fallen Kosten von etwa CHF 300 bis CHF 600 an, die von<br />

der gefährdenden Person zu tragen sind, falls dem Verlängerungsgesuch entsprochen<br />

wird. Eventuell müssen zusätzlich Parteientschädigungen <strong>für</strong> die Vertretung<br />

der Gegenpartei bezahlt werden.<br />

Hält sich eine gefährdende Person nicht an die Schutzverfügung, wird sie auf Anzeige<br />

mit Busse bestraft. Ist der Vollzug der Schutzmassnahme durch ihr Verhalten<br />

in Frage gestellt, kann ein gewaltschutzrechtlicher Gewahrsam angeordnet werden,<br />

der richterlich um vier Tage verlängert werden kann.<br />

Provisorische oder superprovisorische Massnahmen im Eheschutz- und<br />

Scheidungsverfahren sowie bei Auflösung der Partnerschaft<br />

Ein Eheschutz- oder Scheidungsverfahren wird nur eingeleitet, wenn sich die gewaltbetroffene<br />

Person trennen will und eine Klage am zuständigen Gericht einleitet.<br />

Es werden sämtliche Folgen der Trennung (Unterhalt, Wohnungszuweisung, Elternrechte,<br />

insb. Obhut- und Besuchsrecht) geregelt.<br />

Ist ein <strong>Gewalt</strong>schutzverfahren vorausgegangen und damit die unmittelbare Gefahr<br />

beseitigt, werden im Eheschutzverfahren i.d.R. keine vorsorglichen Massnahmen<br />

angeordnet, sofern der eheschutzrichterlicher Entscheid noch innerhalb der Laufzeit<br />

der gewaltschutzrechtlichen Massnahmen ergehen kann.<br />

Spezielle Umstände können es notwendig machen, im Eheschutzverfahren vorsorgliche<br />

oder gar superprovisorische Massnahmen zu erwirken. Im Kontext <strong>Häusliche</strong>r<br />

<strong>Gewalt</strong> gilt dies bei einer akuten, konkret nachweisbaren Gefahr einer Kindsentführung.<br />

Da gilt es, das Sorgerecht unverzüglich auf den bedrohten Elternteil zu<br />

übertragen, damit überhaupt ein Rechtstitel besteht, der eine Rückführung des Kin-<br />

Art. 172ff ZGB<br />

Art. 248ff ZPO<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 201 / 1


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Rechtlicher Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />

des möglich machen kann. Die Massnahmenanordnung dauert immer einige Tage<br />

evtl. sogar Wochen.<br />

Nach Ablauf der gewaltschutzrechtlichen Wegweisung kann die gefährdende Person<br />

in die gemeinsame Wohnung zurückkehren. Ist aufgrund der konkreten Umstände<br />

diese Rückkehr unzumutbar, muss die Rückkehr mit einer eheschutzrechtlichen<br />

Ausweisung gerichtlich festgehalten werden.<br />

Sowohl im Eheschutz- wie im Scheidungsverfahren können auf Antrag langfristige,<br />

d.h. über mehrere Monate oder Jahre gültige Rayon-, Annährungs- und Kontaktverbote<br />

angeordnet werden.<br />

Diese privatrechtlichen Schutzmassnahmen können auch im Scheidungsverfahren<br />

bzw. bei Auflösung einer Partnerschaft auf Antrag angeordnet werden.<br />

Nichteinhalten der privatrechtlichen Schutzmassnahmen zieht nur dann Folgen<br />

nach sich, wenn im Gerichtsentscheid ausdrücklich eine Bestrafung vorgesehen ist.<br />

Auf Anzeige werden Widerhandlungen gebüsst.<br />

Die Kosten eines Eheschutzverfahrens mit vorsorglichen Massnahmen betragen<br />

zwischen CHF 800 – 2‘500 (ohne Gebühren und Übersetzungskosten). Die Kosten<br />

sind von der unterliegenden Partei zu bezahlen. Allerdings ist die klagende Partei<br />

kostenvorschusspflichtig und das Gericht kann die Gerichtskosten damit verrechnen.<br />

Sofern in <strong>Gewalt</strong>fällen das Gericht keine situationsadäquate Kostenvorschussregelung<br />

trifft, heisst dies faktisch, dass die gewaltbetroffene Partei die Gerichtskosten<br />

finanziert.<br />

Zivilrechtlicher <strong>Gewalt</strong>schutz (vorsorgliche Massnahmen) <strong>für</strong> Konkubinatspaare<br />

und Geschiedene<br />

Sind die gewaltausübende und gewaltbetroffene Person nicht mehr verheiratet oder<br />

leben sie im Konkubinat, besteht die Möglichkeit, zivilrechtlich ein Betret-, Rayonund<br />

Kontaktverbot, das über mehrere Monate oder Jahre angeordnet werden kann,<br />

zu beantragen. Auch diese Massnahmen können vorsorglich vor der Einleitung des<br />

Hauptverfahrens angeordnet werden. Ist die <strong>Gewalt</strong> nachweisbar, so sind in der<br />

Regel die Voraussetzungen <strong>für</strong> vorsorgliche Massnahmen gegeben, sofern nach<br />

wie vor eine nachweisbare Gefährdungssituation besteht. Eingeleitet werden muss<br />

ein Zivilprozess im Vereinfachten Verfahren bei der Schlichtungsstelle (FriedensrichterIn).<br />

Die Anordnung vorsorglicher Massnahmen dauert in der Regel immer einige<br />

Tage oder Wochen.<br />

Die klagende Partei ist i.d.R. kostenvorschusspflichtig, d.h. es müssen ca. CHF<br />

2‘000 geleistet werden, ausser das Gericht sehe wegen der <strong>Gewalt</strong>situation davon<br />

ab. Werden zivilrechtliche Schutzmassnahmen ausgesprochen, so muss die beklagte<br />

Partei die Gerichtskosten übernehmen. Wurde ein Vorschuss verlangt, werden<br />

die Gerichtskosten allerdings damit verrechnet und die klagende Partei muss<br />

dann selbst sehen, wie sie die Gerichtskosten bei der beklagten Partei, also der<br />

gewaltausübenden, einfordern kann.<br />

Nichteinhalten der Massnahmen hat auf Anzeige nur Folgen, falls die Bussenandrohung<br />

im Widerhandlungsfall bereits im richterlichen Entscheid vorgesehen ist.<br />

Strafprozessuale „Schutzmassnahmen“<br />

Im Kanton <strong>Zürich</strong> ist bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in rund 80% der Vorfälle ein ernsthafter<br />

Verdacht auf ein Vergehen oder Verbrechen gegeben. Deshalb wird parallel zu den<br />

gewaltschutzrechtlichen Massnahmen von Amtes wegen auch ein Strafverfahren<br />

eröffnet.<br />

Besteht die Gefahr, dass das <strong>Gewalt</strong>opfer in seinem Aussageverhalten unter Druck<br />

gesetzt wird oder ist die dringende Gefahr gegeben, dass es zu Wiederholungstaten<br />

kommt oder zur Ausführung eines schweren, angedrohten Delikts, wird die beschuldigte<br />

Person in der Regel durch das Zwangsmassnahmengericht auf Antrag<br />

der Staatsanwaltschaft in Untersuchungshaft versetzt. Kann mit einem Kontakt- und<br />

Rayonverbot oder z.B. mit Arztbesuchen, Hinterlegung von Ausweisschriften,<br />

Zwangsberatungen beim mannebüro etc. die Kollusions- oder Ausführungsgefahr<br />

verhindert werden, wird die Untersuchungshaft durch Ersatzmassnahmen ersetzt,<br />

d.h. es kommt zu einer Entlassung aus der Untersuchungshaft mit Auflagen. Untersuchungshaft<br />

und Ersatzmassnahmen gelten maximal drei Monate, wenn sie durch<br />

das Zwangsmassnahmengericht nicht weiter verlängert werden.<br />

Art. 28b ZGB<br />

Kapitel 3<br />

Art. 28b ZGB<br />

Art. 243ff ZPO<br />

Kapitel 5<br />

Art. 221 StPO<br />

Art. 237 StPO<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 201 / 2


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Rechtlicher Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />

Widerhandlung gegen die Ersatzmassnahmen hat meist erneut Untersuchungshaft<br />

zur Folge.<br />

<strong>Gewalt</strong>opfern erwachsen keine Kosten durch die Ersatzmassnahmen.<br />

Friedensbürgschaft<br />

Selten beantragt wird die „Friedensbürgschaft“. Wurde mit einer Körperverletzung<br />

oder dem Tod gedroht und handelt es sich um eine (nachgewiesene) <strong>Gewalt</strong>beziehung,<br />

kann verlangt werden, dass die drohende Person vor der Staatsanwaltschaft<br />

verspricht, die Tat nicht zu begehen und da<strong>für</strong> eine Sicherheit leisten muss. Verweigert<br />

sie das Versprechen, kann sie bis zu zwei Monaten in Sicherheitshaft gesetzt<br />

werden. Die Friedensbürgschaft kann in einem laufenden Strafverfahren oder<br />

selbständig bei der Staatsanwaltschaft beantragt werden. Sie hat wegen der hergestellten<br />

Öffentlichkeit der gemachten Drohungen eine nicht unwesentliche zusätzliche<br />

Schutzfunktion. Die Friedensbürgschaft wird in der Praxis allerdings selten beantragt.<br />

Die Sanktion ist die Eröffnung eines Strafverfahrens, wenn ein Delikt begangen wird<br />

sowie der Verlust der hinterlegten Sicherheit.<br />

Strafrechtliche Weisungen und Bewährungshilfe<br />

Kommt es zu einer bedingten Verurteilung einer beschuldigten Person, so kann das<br />

Gericht bzw. die Staatsanwaltschaft Weisungen auferlegen. Es handelt sich um<br />

Verhaltensanforderungen, die während der Dauer der angeordneten Probezeit der<br />

bedingten Strafe, d.h. während minimal zwei bis maximal fünf Jahren, einzuhalten<br />

sind und der Verhinderung weiterer Delikte dienen.<br />

Ein Ersttäter bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> wird i.d.R. nur eine bedingte Strafe erhalten, sofern<br />

es überhaupt zu einer Verurteilung kommt. Die Weisungen verbieten ihm z.B.<br />

einen bestimmten Ort aufzusuchen, sich einer Person auf eine definierte Distanz<br />

anzunähern, Kontakt aufzunehmen oder verpflichten ihn, regelmässige Beratungsgespräche,<br />

evtl. ein Lernprogramm zu absolvieren.<br />

Werden die Weisungen missachtet, kann die Probezeit verlängert oder eine zusätzliche<br />

Weisung durch das Gericht angeordnet werden. Besteht die Gefahr, dass der<br />

Verurteilte ernsthaft Delikte begeht, kann die bedingte Strafe widerrufen werden.<br />

Weisungen werden im Urteil mit einer Bewährungshilfe kombiniert. Deren Aufgabe<br />

ist es u.a. zu überprüfen, ob die Weisungen eingehalten und die gewünschte Wirkung<br />

auch eintreten. Die Bewährungshilfe hat gegebenenfalls einen Bericht zu<br />

schreiben und zu beantragen, dass andere Weisungen oder sogar die Strafe zum<br />

Vollzug gelangen sollte, wenn sich zeigt, dass eine erneute Delinquenz droht.<br />

Art. 66 StGB<br />

Art. 372ff StPO<br />

Art. 94ff StGB<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 201 / 3


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Das GSG in Kürze, November 2013<br />

202 Das <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz (GSG) in Kürze<br />

Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende<br />

Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.<br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> nach GSG<br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> liegt vor, wenn eine Person in einer bestehenden oder aufgelösten<br />

familiären oder partnerschaftlichen Beziehung in ihrer körperlichen, sexuellen<br />

oder psychischen Integrität verletzt oder gefährdet wird<br />

− durch Ausübung oder Androhung von <strong>Gewalt</strong> oder<br />

− durch wiederholtes Belästigen, Auflauern, Nachstellen (Stalking).<br />

Ob die gefährdende Person mit der gefährdeten Person einen gemeinsamen Haushalt<br />

führt oder jemals geführt hat, spielt keine Rolle. Es muss eine familiäre oder<br />

partnerschaftliche Beziehung bestehen oder bestanden haben, die sich u.a. durch<br />

Vertrautheit, Verletzlichkeit und Abhängigkeit äussert. Damit fallen auch Eltern-<br />

Kinder-, Verwandtschafts-, Geschwister- und auch Liebesbeziehungen unter Teenagern<br />

unter die Legaldefinition. Weil ‚häuslich’ keine adjektivische Konnotation hat,<br />

wird ‚Häuslich’ als Begriff in den Texten der IST grossgeschrieben.<br />

Schutzbedürftigkeit<br />

Das <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz schreibt vor, dass die Polizei „die zum Schutz notwendigen<br />

Massnahmen“ anzuordnen hat, sobald ein Fall von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> vorliegt.<br />

Dies wird immer dann der Fall sein, wenn<br />

- die gefährdete Person eine Wiederholung des Vorfalls oder gar eine Eskalation<br />

be<strong>für</strong>chtet oder<br />

- die Polizei aus früheren Interventionen bereits um die <strong>Gewalt</strong> weiss und wiederum<br />

Hinweise darauf vorliegen;<br />

- es Hinweise auf die Androhung oder Ausübung von <strong>Gewalt</strong> gibt.<br />

Die Polizei ist verpflichtet auch gegen den Willen der Parteien, namentlich auch gegen<br />

den Willen der gefährdeten Person, Schutzmassnahmen anzuordnen. Bei der<br />

Feststellung des Sachverhalts, aber auch bei der Beurteilung der Frage nach der<br />

Schutzbedürftigkeit der gefährdeten Person, stellt die Polizei in erster Linie auf die –<br />

glaubhaften – Schilderungen der gefährdeten Person und nicht auf diejenigen der<br />

gefährdenden ab. Schutzmassnahmen sind auch anzuordnen, wenn sich die gefährdende<br />

Person vorübergehend an einen anderen Ort aufhält (z.B. im Frauenhaus,<br />

im Ausland etc.).<br />

Polizeiliche Schutzmassnahmen<br />

Die Polizei kann <strong>für</strong> die Dauer von 14 Tagen drei Arten von Schutzmassnahmen<br />

verfügen:<br />

- eine Wegweisung aus dem Haus oder aus der Wohnung und / oder<br />

- ein Betretverbot <strong>für</strong> bestimmte Strassen und Quartiere (Wohn-, Arbeitsort,<br />

Schule) und / oder<br />

- ein Kontaktverbot mit der gefährdeten Person und – wo nötig – mit dieser<br />

nahe stehenden Personen (insb. betroffene Kinder).<br />

Die Schutzmassnahmen ergehen unter der Strafandrohung von Art. 292 StGB „Ungehorsam<br />

gegen amtliche Verfügungen“. Ein angezeigter Verstoss wird mit Busse<br />

bestraft.<br />

Verfügt die Polizei eine Wegweisung, muss die gefährdende Person eine<br />

- Zustelladresse <strong>für</strong> behördliche Mitteilungen nach GSG bekannt geben,<br />

- alle Schlüssel zur Wohnung oder zum Haus abgeben,<br />

- dringend benötigte Gegenstände packen (Reiseutensilien).<br />

Verfügt die Polizei ein Betretverbot, werden die erfassten Strassen und Quartier(e)<br />

auf einer Strassenkarte eingetragen. In der Regel wird die unmittelbare Umgebung<br />

der Wohnung und/oder des Arbeitsorts, die Schule, sowie der Weg dahin erfasst.<br />

Auf der Strassenkarte ist damit der Rayon sichtbar, der nicht betreten werden darf.<br />

Verfügt die Polizei ein Kontaktverbot, so kann sie dieses auf andere Personen<br />

ausdehnen, die der gefährdeten Person nahe stehen, insbesondere auch auf<br />

betreuungsbedürftige Kinder, wenn deren Schutzbedürfnis durch die Situation ausgewiesen<br />

ist. Diese Ausweitung muss begründet werden.<br />

§ 2 Abs. 1 GSG<br />

Gesetzestext GSG: 281<br />

Rechtsprechung zum GSG<br />

282<br />

§ 3 Abs. 1 GSG<br />

§ 3 Abs. 2 GSG<br />

§ 4 Abs. 3 GSG<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 202 / 1


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Das GSG in Kürze, November 2013<br />

Richterliche Überprüfung und Verlängerung<br />

Innert fünf Tagen kann eine Schutzverfügung durch die gefährdende Person beim<br />

zuständigen Zwangsmassnahmengericht angefochten werden. Die gefährdete Person<br />

hat die Möglichkeit, innert acht Tagen eine Verlängerung der Schutzmassnahme<br />

um maximal drei Monate zu beantragen. Das Zwangsmassnahmengericht entscheidet<br />

innert vier Arbeitstage. Der richterliche Entscheid kann innert fünf Tagen<br />

mit Beschwerde beim Verwaltungsgericht angefochten werden, wobei der Bestand<br />

der Schutzmassnahme bis zum Entscheid des Verwaltungsgerichts nicht berührt<br />

wird.<br />

Zuständig sind Einzelrichterinnen und Einzelrichter am Zwangsmassnahmengericht<br />

der Zürcher Bezirksgerichte.<br />

Fristberechnung<br />

Die Zählung des Fristenlaufs beginnt immer mit dem folgenden Tag, an welchem<br />

die Schutzverfügung nachweislich in Empfang genommen, spätestens sieben Tage,<br />

nachdem ein eingeschriebener Brief nicht abgeholt wurde. Ab diesem Tag werden<br />

alle Kalendertage durchgezählt (inkl. Samstage, Sonntage, Feiertage so auch an<br />

Ostern, Pfingsten und Weihnachten).<br />

Die Frist hört am letzten Tag aus. Fällt der letzte Tag auf einen Samstag, Sonntag<br />

oder einen Feiertag, läuft sie am nachfolgenden Werktag ab, also am Montag oder,<br />

nach Ostern und Pfingsten, am Dienstag.<br />

Die Frist ist eingehalten, wenn am Tag des Fristablaufs das Gesuch an das Gericht<br />

der Schweizerischen Post (also nicht privaten Organisationen) übergeben wurde.<br />

Zum Nachweis der eingehaltenen Frist empfiehlt sich, den Brief eingeschrieben<br />

wegzuschicken. Diese Fristberechnung gilt <strong>für</strong> das <strong>Gewalt</strong>schutz-, Zivil- und Strafverfahren.<br />

Die prozessuale Fristberechnung ist anders als im Privatrecht: Fristen <strong>für</strong> Kündigungen<br />

eines Miet- oder Arbeitsvertrags sind nur eingehalten, wenn am Tag des<br />

Fristablaufs das Schreiben bei der Adressatin ist (die siebentägige Abholfrist <strong>für</strong><br />

eingeschriebene Briefe ist auch zu berücksichtigen).<br />

Der Gewahrsam<br />

Neben der Anordnung einer Schutzmassnahme kann die Polizei eine gefährdende<br />

Person <strong>für</strong> maximal 24 Stunden in Gewahrsam nehmen. Diese Massnahme kann<br />

zum Zug kommen<br />

- falls eine schwerwiegende und unmittelbare Gefährdung nicht anders abgewendet<br />

werden kann oder<br />

- zur Sicherung des Vollzugs einer Schutzmassnahme:<br />

> bei Widerstand durch die gefährdende Person während der polizeilichen<br />

Intervention oder<br />

> wenn sich herausstellt, dass die gefährdende Person gegen die Schutzmassnahme<br />

verstösst oder verstossen hat (Vollzugssicherung).<br />

Ist nach Beurteilung durch die Polizei ein Gewahrsam von mehr als 24 Stunden notwendig,<br />

stellt die Polizei beim zuständigen Zwangsmassnahmengericht umgehend<br />

einen begründeten Antrag um Verlängerung (maximal vier Tage).<br />

Proaktive Beratung <strong>für</strong> gefährdete und gefährdende Personen<br />

Die polizeilichen Schutzmassnahmen werden Opferberatungs- und Beratungsstellen<br />

<strong>für</strong> gefährdende Personen zugeschickt, deren Mitarbeitende je mit den Betroffenen<br />

umgehend Kontakt aufnehmen, um die Situation abzuklären.<br />

Zeitnahe Kinderansprachen<br />

Das GSG sieht nicht vor, auch die Kinder rasch anzusprechen. Die alten Vormundschaftsbehörden<br />

brauchten teilweise sehr viel Zeit, bis sie auf die Kinder bzw. Eltern<br />

zugingen. Mit der neuen Behördenorganisation der professionellen Kindes- und<br />

Erwachsenenschutzbehörden wird sich das Problem dann verringern, wenn die Arbeitslast<br />

dieser Behörden in den Normalbereich kommt.<br />

Mit zwei Pilotprojekten in Winterthur einerseits und in zwei Zürcher Stadtkreisen<br />

und dem Bezirk Horgen andererseits wurde zeitnah an das <strong>Gewalt</strong>ereignis mit dem<br />

elterlichen Einverständnis auch mit den im Haushalt lebenden Kindern gesprochen.<br />

Den Kindern sollte zur Intervention der Kindsschutzbehörden eine erste Orientierungshilfe<br />

und Informationen gegeben werden. Die Pilotprojekte wurden durch das<br />

§ 5 GSG<br />

§ 6 GSG<br />

§§ 8 GSG<br />

§33 GOG<br />

§ 13 Abs. 1 GSG<br />

§ 14 GSG<br />

§ 15 Abs. 2 GSG<br />

§ 16 Abs. 2 GSG<br />

Zeitnahe Kinderansprachen<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 202 / 2


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Das GSG in Kürze, November 2013<br />

Marie Meierhofer Institut <strong>für</strong> das Kind in <strong>Zürich</strong> begleitet und evaluiert. Die Studie<br />

zeigte die dringende Notwendigkeit <strong>für</strong> eine rasche Unterstützung der Kinder auf.<br />

Derzeit wird abgeklärt, ob die zeitnahe Kinderansprache definitiv eingeführt werden<br />

kann.<br />

Gefährdungsmeldung an die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB)<br />

und vorsorgliche Kindesschutzmassnahmen<br />

Sind Kinder im Haushalt, wird die Schutzmassnahme der zuständigen KESB zugestellt,<br />

die abklärt, ob eine kindesschutzrechtliche Massnahme notwendig ist.<br />

Handelt die KESB nach Eingang einer Gefährdungsmeldung rasch und hört sie sich<br />

die Kindseltern bzw. die Kinder an, hat sie die Möglichkeit des Erlasses einer provisorischen<br />

kindsschutzrechtlichen Massnahme. Wenn sie diesem Entscheid auch<br />

gleichzeitig die aufschiebende Wirkung <strong>für</strong> den Fall einer Beschwerde entzieht, tritt<br />

die Kindesschutzmassnahme unverzüglich in Kraft (unter Vorbehalt eines später<br />

ergehenden Endentscheides des KESB).<br />

Hat die Polizei oder das Zwangsmassnahmengericht die Kinder in das Kontaktverbot<br />

zum Schutz des gefährdeten Elternteils einbezogen, kann die KESB, falls sich<br />

das gänzliche Kontaktverbot als zu weitgehend erachtet, einstweilen einen Beistand<br />

zur Überwachung des Besuchsrechts anberaumen oder – falls die Eltern eine adäquate<br />

Lösung bieten können – diese übernehmen. Damit kann die GSG-<br />

Massnahme bezüglich des gänzlichen Kontaktverbots zu den Kindern im Sinne des<br />

Kindesschutzes rasch modifiziert werden.<br />

Gelingt es, dieses Vorgehen zu implementieren, werden auch die Zwangsmassnahmenrichte,<br />

die zur Prüfung von Kindesschutzmassnahmen nicht zuständig sind,<br />

entlastet.<br />

Interventionsstelle und Kooperation der <strong>Fachleute</strong><br />

Die Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>, die ab dem 1. Januar 2014 der<br />

<strong>Kantonspolizei</strong>, Dienststelle <strong>für</strong> <strong>Gewalt</strong>prävention angegliedert ist, hat Koordinations-<br />

und Evaluationsaufgaben. Sie ist auch zuständig <strong>für</strong> Weiterbildungen und Öffentlichkeitsarbeit.<br />

Ihr zur Seite steht das Strategische Kooperationsgremium, ein<br />

behörden- und fachübergreifendes Gremium, das die Arbeit der Interventionsstelle<br />

unterstützt.<br />

§ 15 Abs. 1 GSG<br />

Art. 273, 275 ZGB i.V. 445<br />

Abs. 1, i.V. 450c ZGB<br />

Aufhebung der GSG-<br />

Massnahme mit adäquaten<br />

Kindsschutzmassnahmen<br />

§ 7 Abs. 1 GSG<br />

§§ 17 GSG<br />

www.ist.zh.ch<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 202 / 3


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Übersicht über die polizeilichen Massnahmen nach GSG, November 2013<br />

203 Übersicht über die polizeilichen Massnahmen nach GSG<br />

Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901;<br />

Weiterführende Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.<br />

Beziehungskonstellation § 2 Abs. 1 GSG<br />

Familie<br />

Partnerschaft<br />

bestehend<br />

z.B. Eheleute, Eltern-Kind, Schwiegereltern,<br />

Geschwister, Verschwägerte, Grosseltern<br />

z.B. Paarbeziehung, Lebenspartnerschaft,<br />

Freundschaft, auch intime Beziehungen unter<br />

Jugendlichen (keine Wohngemeinschaft<br />

erforderlich)<br />

aufgelöst<br />

z.B. Geschiedene, Getrennte, Ex-Schwager, Ex-<br />

Schwiegereltern<br />

(nicht die neue Partnerin bzw. Partner!)<br />

z.B. Ex-Partner, Ex-Freundin, Ex-Lebenspartner<br />

Gefährdung oder Verletzung der Integrität § 2 Abs. 1 GSG<br />

Körperliche Integrität<br />

Sexuelle Integrität<br />

Psychische Integrität<br />

Verletzung<br />

z.B. Kratzen, Schlagen, Würgen, Einsperren,<br />

Aussperren, Festbinden, etc.<br />

z.B. Vergewaltigen, gegen Willen in sexuelle<br />

Handlungen einbeziehen, etc.<br />

z.B. Nötigen, Drohen, gezielter Hinweis auf<br />

Waffen, regelmässig Demütigen, stetes<br />

Beschimpfen, Abwerten, mit Suizid/Rache<br />

drohen, Misshandeln, die freie Lebensgestaltung<br />

in wichtigen Belangen verbieten oder<br />

verunmöglichen (Zwang zu Heirat, striktes<br />

Ausgehverbot, Zwang zu sozialer Isolation),<br />

wiederholtes Nachstellen, Belästigen, Auflauern<br />

(Stalken), Telefon-, Mailterror, etc.<br />

Nicht erfasst werden heftige verbale Streitigkeiten, die keine Verletzung oder Gefährdung zur Folge haben.<br />

Gefährdung<br />

z.B. Androhung von Verletzungen oder sonstige<br />

Nachteile, Schläge androhen, Morddrohungen,<br />

etc.<br />

z.B. Vergewaltigung androhen, Androhung<br />

sexueller Handlungen gegen den Willen der<br />

gefährdeten Person, etc.<br />

z.B. Gegenstände mit hohem Gefühlswert<br />

absichtlich zerstören, Haustiere quälen, gezielte<br />

Verunglimpfung im sozialen Umfeld (auch im<br />

Internet), mit Verlust der Kinder oder<br />

Kindsentführung drohen, etc.<br />

Tathandlung § 2 Abs. 1 lit. a; lit. b GSG<br />

Ausüben oder Androhen<br />

von physischer, sexueller oder psychischer <strong>Gewalt</strong><br />

Stalking<br />

wiederholtes Belästigen,<br />

Auflauern, Nachstellen<br />

Schutzbedürftigkeit § 3 Abs. 1 GSG<br />

In der Regel, wenn<br />

→ nachvollziehbare Be<strong>für</strong>chtung vor weiterem Übergriff oder Gefahr der<br />

Eskalation droht<br />

JA → ein Machtungleichgewicht in der Beziehung besteht (körperlich oder<br />

finanziell)<br />

→ Unfähigkeit, sich zu wehren infolge seelischer Ohnmacht, frühere<br />

Vorkommnisse o.Ä. vorliegt<br />

→ gegen bestehende Schutzmassnahmen verstossen wurde.<br />

→ Bei erstmaligem geringfügigem Vorfall ohne Anzeichen auf<br />

Wiederholung und ohne Angst der gefährdeten Person<br />

→ Einmalige Entgleisung unter ähnlich starken Personen ohne<br />

NEIN<br />

<strong>Gewalt</strong>auswirkungen<br />

→ Erstmaliger, eher geringfügiger Vorfall im Zusammenhang mit beidseits<br />

übermässigem Alkohol- oder Drogenkonsum<br />

Schutzmassnahme<br />

anordnen<br />

Keine<br />

Schutzmassnahme<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 203 / 1


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Übersicht über die polizeilichen Massnahmen nach GSG, November 2013<br />

Schutzmassnahmen § 3 Abs. 2 GSG<br />

Wegweisung Betretverbot Kontaktverbot<br />

→ Zustelladresse angeben.<br />

Wenn keine Adressangabe innert ca. 24<br />

Stunden erfolgt, werden Zustellungen <strong>für</strong><br />

die GSG Verfahren an die polizeiliche<br />

Fachstelle gerichtet und müssen dort<br />

abgeholt werden.<br />

→ Schlüsselabnahme<br />

→ Mitnahme Reiseutensilien<br />

→ Rayonverbot<br />

Gebiet wird auf einer Strassenkarte<br />

eingezeichnet, welche unterschrieben<br />

und der Verfügung beigelegt wird.<br />

→ Verbot, mit gefährdeter Person in<br />

Kontakt zu treten<br />

→ Evtl. zusätzlich: Verbot mit<br />

nahestehenden Personen in Kontakt<br />

zu treten, wenn dies zu deren Schutz<br />

angezeigt ist (z.B. Kinder, neuer<br />

Partner etc.). Muss begründet<br />

werden.<br />

Anordnen mit Schutzmassnahme-Verfügung<br />

(gilt <strong>für</strong> 14 Tage nach Kenntnisnahme durch Gefährder)<br />

Kopie an gefährdete Person<br />

Wenn keine sofortige Kenntnisnahme möglich ist, wird am vermuteten Aufenthaltsort der gefährdenden Person eine Aufforderung<br />

deponiert, sich bei der Polizei zu melden. Nach drei Tagen ohne Meldung wird die Verfügung im Amtsblatt veröffentlicht. Die Verfügung gilt<br />

ab Datum der Veröffentlichung (§ 4 Abs. 2 GSG).<br />

Mitteilung der Schutzmassnahme-Verfügung<br />

→ an GSG-Opferberatungsstelle<br />

→ an Beratungsstelle <strong>für</strong> gefährdende Personen<br />

→ an Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) bei Kindern im Haushalt<br />

Die gefährdende Person kann innert fünf Tagen die Überprüfung durch<br />

das Zwangsmassnahmengericht verlangen (§ 5 GSG). Der Entscheid<br />

ergeht unter Anhörung der Parteien innert vier Arbeitstagen (§ 9 Abs. 1<br />

GSG).<br />

Die gefährdete Person (Opfer) kann innert acht Tagen beim<br />

Zwangsmassnahmengericht eine Verlängerung um maximal 3<br />

Monate beantragen (§ 6 Abs. 1 GSG). Der Entscheid ergeht unter<br />

Anhörung der Parteien innert vier Arbeitstagen (§ 9 Abs. 1 GSG).<br />

Innert fünf Tagen kann Beschwerde beim Verwaltungsgericht erhoben werden. Die richterliche Massnahme bleibt bis zum Entscheid des<br />

Verwaltungsgerichts in Kraft (§ 11a GSG).<br />

Falls ein Verdacht auf ein Verbrechen oder ein Vergehen mit Kollusionsgefahr vorliegt, gibt es evtl. zusätzlich eine polizeiliche Festnahme<br />

gemäss Strafprozessordnung und eine Zuführung an die Staatsanwaltschaft.<br />

Gewahrsam §§13 GSG<br />

Evtl. wird polizeilich zusätzlich ein gewaltschutzrechtlicher Gewahrsam angeordnet (<strong>für</strong> 24 Stunden)<br />

→ Wenn eine schwerwiegende und unmittelbare Gefährdung vorliegt, die nicht anders abgewendet werden kann (entfällt aber, falls es zu<br />

einer polizeilichen Festnahme nach Strafprozessordnung kommt);<br />

→ Zur Sicherung des Vollzugs einer Schutzmassnahme z.B. bei Widerstand gegen die polizeiliche Intervention oder weil die Schutzmassnahme<br />

während der Geltungsdauer nicht beachtet wurde. Zusätzlich kann die widerhandelnde Person auf Anzeige wegen Verstoss gegen<br />

Art. 292 StGB gebüsst werden.<br />

Die Polizei kann innert 24 Std. eine Verlängerung des Gewahrsams beim Zwangsmassnahmengericht beantragen (§ 14 GSG).<br />

Die gefährdende Person wird durch das Zwangsmassnahmengericht innert zwei Arbeitstagen angehört.<br />

Verlängerung um max. vier Tage.<br />

Innert fünf Tagen kann Beschwerde beim Verwaltungsgericht erhoben werden. Die richterliche Massnahme bleibt bis zum Entscheid des<br />

Verwaltungsgerichts in Kraft (§ 11a GSG).<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 203 / 2


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Was regeln die Schutzmassnahmen? Was nicht? November 2013<br />

204 Was regeln die GSG-Schutzmassnahmen? Was nicht?<br />

Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende<br />

Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.<br />

Die Schutzmassnahme will kurzfristigen Schutz und die Beruhigung der Situation<br />

Das Zürcher <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz will den rechtlichen Schutz, die Sicherheit und die § 1 Abs. 1GSG<br />

Unterstützung gefährdeter Personen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> sicher stellen. Die 14-<br />

tägigen polizeilichen Schutzmassnahmen dienen der Beruhigung und Deeskalation<br />

der Situation. Sie können richterlich um maximal drei Monate verlängert werden.<br />

§ 6 Abs. 3 GSG<br />

Eine Unterbringung im Frauenhaus kann trotz Schutzmassnahmen bei akuter Gefahr<br />

oder starker Beeinträchtigung der psychischen Integrität und Isolation der gefährdeten<br />

Frau und Kinder notwendig sein.<br />

Das GSG wird von Amtes wegen angewendet - auch gegen den Willen der Betroffenen<br />

Schutzmassnahmen werden von Amtes wegen angeordnet. Ist <strong>für</strong> die Zürcher Polizei<br />

offensichtlich, dass die Voraussetzungen erfüllt sind, ordnet sie die 14 Tage<br />

§ 3 Abs. 1 GSG<br />

dauernden Schutzmassnahmen an - auch gegen den Willen der Betroffenen. Damit<br />

wird die <strong>Gewalt</strong>spirale unterbrochen und genügend Zeit <strong>für</strong> eine flankierende Krisenberatung<br />

sichergestellt.<br />

Auch Kinder werden geschützt<br />

Für die Dauer der polizeilichen, evtl. der richterlichen Schutzmassnahmen kann das<br />

Kontaktverbot auch auf Kinder ausgedehnt werden, sofern die Kinder selber direkt<br />

von <strong>Gewalt</strong> betroffen sind, die elterlichen <strong>Gewalt</strong>handlungen beobachten mussten<br />

oder damit zu rechnen ist, dass der Kontakt zu den Kindern zu einer erneuten <strong>Gewalt</strong>eskalation<br />

führt. Kann der Schutz der Kinder z.B. durch eine mindere Massnahme<br />

erreicht werden, muss diese angeordnet werden.<br />

Allerdings ist der Zwangsmassnahmerichter weder zuständig noch durch das rasche<br />

Verfahren in der Lage, kindsschutzrechtliche Aspekte abzuklären. Das ist Sache<br />

der KESB, die neuerdings auch vermehrt den kindsschutzrechtlichen Handlungsbedarf<br />

nach Eingang der Schutzmassnahmeverfügung abzuklären beginnt,<br />

und wo möglich, noch innerhalb der 3-monatigen Verlängerungsfrist eine vorsorgliche<br />

Massnahme (mit Entzug der aufschiebenden Wirkung) erlässt. Damit kann das<br />

weitgehende, gewaltschutzrechtliche Kontaktverbot gegenüber den Kindern aufgehoben<br />

bzw. modifiziert werden.<br />

In schwierigen Fällen kann das Zwangsmassnahmegericht auch zusätzlich nochmals<br />

eine Gefährdungsmeldung an die KESB machen.<br />

Sowohl die Polizei wie die Richtenden müssen die Gründe, die eine Ausweitung<br />

des Kontaktverbotes auf Kinder rechtfertigen, festhalten und begründen.<br />

Das GSG löst eine Beratung in der Krisensituation aus<br />

Die polizeilichen Schutzmassnahmen werden unverzüglich zuständigen Opferberatungsstellen<br />

sowie Stellen <strong>für</strong> die Beratung gefährdender Personen zugestellt. Den<br />

Betroffenen soll <strong>für</strong> ihre individuelle Situation ein Ausweg aus der <strong>Gewalt</strong>situation<br />

aufgezeigt werden. Sind die betroffenen Personen Eltern, werden auch der Schutz<br />

der Kinder und die Auswirkungen der <strong>Gewalt</strong> auf die Kinder thematisiert, um so die<br />

elterliche Verantwortung anzusprechen.<br />

Derzeit wird geprüft, ob <strong>für</strong> die Kinder eine Ansprache flächendeckend sichergestellt<br />

werden soll, die zeitnah an den <strong>Gewalt</strong>vorfall erfolgt, bis die KESB die Abklärungen<br />

veranlasst hat bzw. Kindesschutzmassnahmen verfügen kann.<br />

Gefährdungsmeldung an die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB)<br />

Leben Kinder im Haushalt, erhält die zuständige KESB eine Kopie der Schutzmassnahmeverfügung.<br />

Sofern die Familie der KESB bzw. den Kinder- und Jugendhilfe<br />

(KJH) nicht bereits bekannt ist, wird u.U. eine erste Abklärung ausgelöst um zu<br />

prüfen, ob zur Wahrung des Kindswohls die Anordnung von Kindsschutzmassnahmen<br />

notwendig ist.<br />

In Fällen von Trennungsgewalt kann mit der Anordnung eines Beistands, welcher<br />

bei der Besuchsrechtsabwicklung hilft, evtl. mit geringem Aufwand ein deeskalierender<br />

Effekt bewirkt werden.<br />

§ 3 Abs. 1 lit. c GSG<br />

Vgl. Rechtsprechung zum<br />

GSG 282, 2.4<br />

Art. 273, 275 i.V. Art 445<br />

Abs. 1, 450c ZGB<br />

§ 7 Abs. § ZGB<br />

Art. 442 Abs. 2 ZGB<br />

§ 15 Abs. 2 GSG<br />

§ 15 Abs. 1 GSG<br />

Art. 302ff. ZGB<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 204 / 1


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Was regeln die Schutzmassnahmen? Was nicht? November 2013<br />

Das GSG kommt auch bei Trennungsgewalt zur Anwendung<br />

In rund 40% der polizeilichen Schutzmassnahmen handelt es sich um Formen der § 2 Abs. 1 lit. b GSG<br />

Trennungsgewalt. Das heisst, die Partnerschaft oder Familie lebt bereits getrennt.<br />

Die gefährdende Person übt aber <strong>Gewalt</strong> aus, sei dies in Form von (Mord-) Drohungen,<br />

Telefon-, Mail- und SMS-Terror, Belästigungen, Verunglimpfung bei Arbeitgeber<br />

oder Drittpersonen, Nachstellungen. Mit den GSG-Kontakt- und Betretverbot<br />

kann die Situation häufig beruhigt werden.<br />

Das GSG findet auch Anwendung, wenn gleichzeitig ein Strafverfahren eingeleitet wird<br />

Die 14-tägige polizeiliche Schutzmassnahme wird auch verfügt, wenn gleichzeitig<br />

ein Strafverfahren eingeleitet und eine Untersuchungshaft angeordnet wird. Die Untersuchungshaft<br />

dauert oft nur ein paar Tage. Die Dauer ist <strong>für</strong> die gefährdeden<br />

Personen nicht voraussehbar. Entlassungen erfolgen sehr kurzfristig und verunmöglichen<br />

dem Opfer oft, eigene Massnahmen zu treffen. Der Gefährder darf trotz<br />

Entlassung aus der Untersuchungshaft während der Dauer der GSG-Massnahme<br />

nicht in die Wohnung zurückkehren.<br />

Eine GSG-Schutzmassnahme kann auch angeordnet werden, wenn kein strafrechtlich<br />

relevantes Verhalten vorliegt. Anwendungsfälle sind Stalkinghandlungen<br />

ohne <strong>Gewalt</strong> (wiederholtes Auflauern, Nachstellen) oder wenn <strong>Gewalt</strong>handlungen<br />

vorliegen, die nur auf Strafantrag verfolgt werden und kein Strafantrag vorliegt (z.B.<br />

Körperverletzungen oder Tätlichkeiten gegen eine Mutter durch ihr Kind sind<br />

Antragsdelikte, Sachbeschädigungen, Hausfriedensbruch, Telefonterror).<br />

Keine verhaltensändernden Massnahmen durch das GSG<br />

Mit dem GSG kann die gefährdende Person nicht verpflichtet werden, sich <strong>Gewalt</strong><br />

mindernden Massnahmen zu unterziehen, wie z.B. dem Lernprogramm der Bewährungs-<br />

und Vollzugsdienste des Kantons <strong>Zürich</strong> „Partnerschaft ohne <strong>Gewalt</strong>“ (PoG),<br />

einer Therapie, einer Alkohol- oder Drogenbehandlung. Es kann lediglich versucht<br />

werden, in der Krisenberatung die Person zu motivieren, sich freiwillig einem solchen<br />

Programm oder einer Behandlung zu unterziehen.<br />

Strafrechtlich sind verhaltensändernde Massnahmen möglich<br />

Eine Verpflichtung, sich einer verhaltensändernden deliktsmindernden Massnahme<br />

zu unterziehen, kann mit einer strafrechtlichen Verurteilung oder einem Strafbefehl<br />

als Weisung aufgenommen werden. Allerdings ist die Einstellungsrate der Strafverfahren<br />

aus unterschiedlichen Gründen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> hoch, so dass dieses<br />

einfache, spezialpräventive strafrechtliche Instrument in der Praxis wenig angewandt<br />

wird.<br />

Anordnungen zur Ausübung des Besuchsrechts<br />

Zu <strong>Gewalt</strong> neigenden Eltern kann aus kindsschutzrechtlichen Erwägungen das Aufsuchen<br />

eines Lernprogramms oder einer geeigneten Therapie oder Begleitung nahe<br />

gelegt werden. Dies ist möglich, falls ein Obhutsentzug in Betracht gezogen<br />

werden muss, wenn die <strong>Gewalt</strong> nicht eingedämmt werden kann oder wenn bei getrennt<br />

Lebenden <strong>Gewalt</strong> bei der Besuchsrechtsabwicklung be<strong>für</strong>chtet wird.<br />

Das GSG regelt weder Unterhaltsverpflichtungen noch Elternrechte<br />

Verfügt nur die weggewiesene Person über Geldmittel und weigert sie sich, Haushaltsgeld<br />

zu hinterlassen, müssen Bekannte oder Verwandte aushelfen bzw. es<br />

muss eine Überbrückungshilfe von der Sozialhilfe beansprucht werden. Evtl. bestehen<br />

opferhilferechtliche Möglichkeiten. Mit den Schutzmassnahmen können keine<br />

wirtschaftlichen (z.B. Unterhaltsfragen) oder kindsrechtliche Fragen (z.B. Besuchsrecht<br />

<strong>für</strong> die Kinder) geregelt werden. Will die gefährdete Person da<strong>für</strong> eine Regelung,<br />

muss sie selbst aktiv werden, d.h. ein zivilrechtliches Verfahren einleiten (z.B.<br />

ein Eheschutzverfahren).<br />

Das GSG regelt die Trennung nicht - es erfolgt auch keine Zuteilung der Wohnung<br />

Die <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen regeln das Getrenntleben nicht. Sie erzwingen lediglich<br />

eine kurze, behördlich angeordnete Trennung, deren Zweck die Herstellung<br />

von Sicherheit und Deeskalation ist. Kommt es zur zivilrechtlichen Trennung, müssen<br />

deren Folgen (Wohnungsnutzung, Unterhalt, Elternrechte) gütlich oder vor Gericht<br />

geregelt werden. Zusätzlich können auf Antrag privatrechtliche Schutzmöglichkeiten<br />

angeordnet werden (Annäherungs- und Kontaktverbot).<br />

In rund 89% der Fälle wird<br />

gleichzeitig ein Strafverfahren<br />

eingeleitet; in ca.<br />

80% besteht der Verdacht<br />

auf ein Verbrechen oder<br />

Vergehen.<br />

www.justizvollzug.zh.ch<br />

Art. 94 StGB Weisungen<br />

(Kapitel 5)<br />

Art. 307 Abs. 3 ZGB<br />

Weisungen<br />

Art. 308 ZGB<br />

Beistandschaften<br />

Art. 172ff ZGB<br />

Eheschutzverfahren<br />

Art. 111ff ZGB<br />

Ehescheidung<br />

Richterliche Trennung;<br />

Persönlichkeitsrechtlicher<br />

Schutz, Art. 28b ZGB<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 204 / 2


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Verfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht, Januar 2013<br />

205 Verfahren vor dem Zwangsmassnahmen- und dem Verwaltungsgericht<br />

Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende<br />

Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.<br />

Inhaltsübersicht<br />

- Gerichtliche Beurteilung der angeordneten Schutzmassnahme<br />

- Verlängerung, Änderung und Aufhebung der Schutzmassnahmen (§6 GSG)<br />

- Anhörung der Gesuchstellenden bzw. –gegner,<br />

- Prozessparteien<br />

- Gerichtentscheid innert vier Arbeitstagen<br />

- Zustellung der Vorladung<br />

- Beschwerde an das Verwaltungsgericht<br />

- Kosten- und Entschädigungsfolgen<br />

Gerichtliche Beurteilung der angeordneten Schutzmassnahme<br />

Eine Person, gegen die eine polizeiliche Wegweisung, ein Betret- oder Kontaktverbot<br />

verfügt wurde, hat die Möglichkeit, innert fünf Tagen nach Aushändigung der Verfügung<br />

eine richterliche Überprüfung der Verfügung zu verlangen. Das zuständige<br />

Zwangsmassnahmegericht am Begehungsort ist in der Schutzmassnahmeverfügung<br />

aufgeführt. Mit der Möglichkeit der (nachträglichen) gerichtlichen Beurteilung der polizeilichen<br />

Schutzmassnahme bleibt das rechtliche Gehör gewahrt, indem anstelle vorheriger<br />

gerichtlicher Anhörung Gelegenheit zur Einsprache gegeben wird. Die Einsprache<br />

hat schriftlich unter Beilage der Verfügung zu erfolgen und muss eine kurze Begründung<br />

enthalten, weshalb die Anordnungen der Schutzmassnahme(n) unrechtmässig<br />

oder unverhältnismässig waren.<br />

Ihrem Wesen nach entsprechen die anzuordnenden Schutzmassnahmen superprovisorischen<br />

Verfügungen. Die polizeilichen Schutzmassnahmen des GSG sollen unmittelbar<br />

angeordnet und vollzogen werden können. Ansonsten wären weitere akute Gefährdungssituationen<br />

und damit verbunden Nachteile <strong>für</strong> die betroffene Person absehbar.<br />

Diese Dringlichkeit drängt das Interesse an der vorgängigen gerichtlichen Anhörung<br />

zurück, da in den vom GSG zu schützenden Sachverhalten eine schwerwiegende<br />

Gefahr im Verzug liegt, welche erhebliche Anliegen wie die körperliche und seelische<br />

Integrität von Personen berührt und dementsprechend sofortiges Handeln gebietet. Die<br />

Gewährung des rechtlichen Gehörs kann deshalb, wenn die gefährdende Person innert<br />

Frist nicht erreicht werden kann, einspracheweise nochmals durch das Zwangsmassnahmengericht<br />

nachgeholt werden.<br />

Die nachträgliche gerichtliche Überprüfung der Rechts- und Verhältnismässigkeit der<br />

polizeilichen Schutzmassnahme nach § 5 GSG hat unter Berücksichtigung und Würdigung<br />

der konkreten Umstände im Zeitpunkt der Anordnung der Schutzmassnahme zu<br />

erfolgen (sog. „ex-ante“-Betrachtung). In der Zwischenzeit neu eingetretene Tatsachen<br />

wie eine behauptete Aussöhnung etc., sind an dieser Stelle nicht zu beachten. Dies<br />

deshalb, weil das Einspracheverfahren nach § 5 GSG kein eigentliches Rechtsmittelverfahren<br />

ist, indem im Sinne des nachträglichen Rechtschutzes die Rechtmässigkeit<br />

der ursprünglichen Verfügung überprüft werden kann. Es hat eine gerichtliche Beurteilung<br />

der Situation auf den Zeitpunkt der Anordnung zur Folge. Es ist zu prüfen, ob die<br />

polizeiliche Schutzmassnahme im konkreten Falle zum Zeitpunkt der Anordnung zulässig<br />

und verhältnismässig, d.h. geeignet, erforderlich und zumutbar gewesen ist. Hier<br />

zeigt sich die Verbindlichkeitswirkung der polizeilichen Verfügung, welche sich auf eine<br />

Regelung nach der Tatsachen- und Rechtslage im Zeitpunkt der Anordnung bezieht<br />

und beschränkt, also nachfolgende tatsächliche Veränderungen des „Streitgegenstandes“<br />

(Integritätsverletzungen im Rahmen bestehender oder aufgelöster familiärer oder<br />

partnerschaftlicher Beziehungen; vgl. § 2 GSG) grundsätzlich nicht miterfasst.<br />

Diese Rechtsfolge entspricht dem Grundgedanken des Gesetzes. Die Schutzmassnahmen<br />

sollen während der Frist von 14 Tagen auch präventiv wirken und möglichst zu<br />

einer Entspannung der Gesamtsituation führen. Es soll verhindert werden, dass durch<br />

reuevolle Beteuerungen das Opfer erneut unter Druck gerät. Das Gesetz setzt die vorläufige<br />

Dauer der polizeilichen Schutzmassnahmen deshalb auf exakt 14 Tage fest und<br />

sieht nicht vor, dass die Polizei eine kürzere Dauer der Schutzmassnahmen anordnen<br />

kann. Es handelt sich um eine zwingende gesetzliche Sperrfrist. Dem Begehren um gerichtliche<br />

Beurteilung kommt ausdrücklich keine aufschiebende Wirkung zu und ent-<br />

§ 5 GSG<br />

§ 8 Abs. 2 GSG<br />

§ 8 Abs. 1 GSG<br />

Kölz/Bosshart/Röhl,<br />

Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz<br />

des Kantons<br />

<strong>Zürich</strong>, § 6 N23<br />

<strong>Zürich</strong>, § 8 N45<br />

Kölz/Bosshart/Röhl,<br />

Kommentar zum Verwaltungsrechtspflegegesetz<br />

des Kantons<br />

<strong>Zürich</strong>, § 20 N48<br />

Gygi F., Verwaltungsrecht,<br />

S.307<br />

§ 3 Abs. 3 GSG Regierungsrätliche<br />

Weisung<br />

vom 6. Juli 2005<br />

§ 5 GSG<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 205 / 1


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Verfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht, Januar 2013<br />

sprechend können die gefährdende und die gefährdete Person die Schutzmassnahmen<br />

auch nicht durch Parteierklärung verkürzen oder aufheben.<br />

Sofern eine gerichtliche Beurteilung und Überprüfung der angeordneten polizeilichen<br />

Schutzmassnahmen ergibt, dass diese im Zeitpunkt der Anordnung rechtsmässig und<br />

der konkreten Situation angemessen waren, bleiben die Schutzmassnahmen bis zum<br />

Ablauf der 14-tägigen Frist in Kraft, ohne dass während dieser 14 Tage eine Revisionsmöglichkeit,<br />

d.h. eine Überprüfung unter Berücksichtigung neuer Umstände, bestünde.<br />

Eine solche ergibt sich (auf Antrag hin) erst nachfolgend im Rahmen einer richterlich<br />

verfügten Verlängerung der Schutzmassnahmen.<br />

Diese Lösung des Gesetzes ist sinnvoll und zweckmässig, da es in vielen Fällen einige<br />

Tage nach der <strong>Gewalt</strong>eskalation zu vermeintlichen Aussöhnungen kommt (sog. „Honeymoon-Phase<br />

bzw. OK-Phase“), welche die Schutzmassnahmen zum Zeitpunkt der<br />

Einsprache als nicht mehr dringlich erscheinen lassen, ohne dass am <strong>Gewalt</strong>muster<br />

etwas geändert würde. Um <strong>Gewalt</strong>wiederholungen zu vermeiden, soll die betroffene<br />

Familie aber zuerst mit Gefährder- und Opferberatenden in Kontakt kommen.<br />

Verlängerung, Änderung und Aufhebung der Schutzmassnahmen (§ 6 GSG)<br />

Die gefährdete Person kann beim zuständigen Zwangsmassnahmengericht innert acht<br />

Tagen ein Gesuch um Verlängerung der polizeilichen Schutzmassnahmen stellen. Die<br />

richterliche Verlängerung kann auf maximal drei Monate festgelegt werden. Die Gesamtdauer<br />

der polizeilichen und richterlichen Schutzmassnahmen beträgt maximal drei<br />

Monate und 14 Tage.<br />

Im Verlängerungsverfahren wird der gegenwärtige Sachverhalt gewürdigt. Dies im Gegensatz<br />

zur gerichtlichen Beurteilung gegen die ursprüngliche polizeiliche Schutzmassnahmenverfügung,<br />

welche auf ihre Rechts- und Verhältnismässigkeit hin geprüft<br />

werden muss (§ 5 GSG). Entsprechend sind im Verlängerungsverfahren nicht nur die<br />

konkreten Umstände im Zeitpunkt der polizeilichen Anordnung der Schutzmassnahme<br />

zu berücksichtigen, sondern es ist zu prüfen, ob sich die Umstände in der Zwischenzeit<br />

soweit verändert bzw. verbessert haben, dass sich eine Verlängerung oder die Aufrechterhaltung<br />

der Schutzmassnahmen nicht mehr rechtfertigen lässt. Entscheidend ist<br />

hier die Berücksichtigung der Situation, wie sie sich im Zeitpunkt des Entscheids über<br />

eine allfällige Verlängerung der Schutzmassnahmen darstellt. Es kommen also zunächst<br />

nur Umstände in Betracht, die nach der ursprünglichen Anordnung eingetreten<br />

sind. Dabei müssen die Veränderungen bzw. Verbesserungen in der konkreten Situation,<br />

aber insbesondere auch auf Seiten der gefährdenden Person, erheblich und dauerhaft<br />

sein.<br />

Ein Verlängerungsgesuch hat die gefährdete Person innert acht Tagen nach der ursprünglichen<br />

Anordnung der Schutzmassnahmen einzureichen (begründet und unter<br />

Beilage der Verfügung). Die polizeilichen Schutzmassnahmen fallen nach der 14-<br />

tägigen Sperrfrist ersatzlos dahin, wenn kein Verlängerungsgesuch gestellt wird. Der<br />

Verlängerungsentscheid muss innert vier Arbeitstagen gefällt werden. Damit wird sichergestellt,<br />

dass keine Lücken im Schutz der gefährdeten Person entstehen.<br />

Während der Dauer der richterlich verlängerten Schutzmassnahmen (nie jedoch während<br />

der ursprünglichen Sperrfrist von 14 Tagen) kann jederzeit und von beiden Parteien<br />

ein Gesuch um Aufhebung oder Änderung der Schutzmassnahmen gestellt werden.<br />

Wurde die Verlängerung beim ersten Mal nicht auf die maximalen drei Monate festgelegt,<br />

kann ein weiteres Verlängerungsgesuch bis hin zur maximalen Geltungsdauer von<br />

drei Monaten gestellt werden.<br />

Der richterliche Entscheid richtet sich bei Gesuchen gemäss § 6 GSG (Verlängerung,<br />

Aufhebung, Änderung) nach § 10 Abs. 1 GSG. Die Richtenden haben zu beurteilen, ob<br />

zum Zeitpunkt des Entscheides ein Fortbestand der Gefährdung wahrscheinlich ist.<br />

Diese Bestimmung gilt nur <strong>für</strong> Gesuche nach § 6 GSG (gerichtlich verfügte Verlängerung,<br />

Änderung oder Aufhebung), nicht jedoch <strong>für</strong> Gesuche nach § 5 GSG (gerichtliche<br />

Beurteilung der polizeilichen Schutzmassnahmen). Dort richtet sich die Beurteilung<br />

nach der Situation zum Zeitpunkt der ursprünglichen polizeilichen Anordnung. § 10<br />

GSG ist bei solchen Gesuchen nicht anwendbar.<br />

Gesuche sind schriftlich unter Beilage der Verfügung zu begründen. Beweismittel (insbesondere<br />

Arztzeugnisse, Therapieberichte, Nennung von Zeuginnen und Zeugen etc.)<br />

sollten im Gesuch genannt und beigebracht werden. Soweit das Verfahren keine Verzögerungen<br />

erfährt, können sämtliche Beweise abgenommen werden. Die richterlichen<br />

Kapitel 1<br />

§ 6 Abs. 1 GSG<br />

§ 6 Abs. 3 GSG<br />

§ 6 Abs. 1 GSG<br />

§ 9 Abs. 1 GSG<br />

§ 6 Abs. 2 GSG<br />

§ 9 Abs. 4 GSG<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 205 / 2


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Verfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht, Januar 2013<br />

Schutzmassnahmen sind auf längstens drei Monate limitiert und haben den Charakter<br />

einer vorsorglichen Massnahme. Deshalb genügt bei der Zulassung und Würdigung<br />

von Beweisen blosse Glaubhaftmachung einer fortdauernden Gefährdung.<br />

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gebietet, dass die jeweils andere Partei bei einem<br />

Gesuch um Verlängerung, Aufhebung oder Abänderung der Schutzmassnahmen<br />

einen Anspruch darauf hat, im Verfahren Stellung zu nehmen und angehört zu werden.<br />

Da es um eine Beurteilung unter Würdigung einer auch veränderten Sachlage geht,<br />

genügt es in diesen Fällen nicht, diesem Verfahren alleine die polizeilichen Feststellungen<br />

und Anhörungsprotokolle der polizeilichen Schutzmassnahmeanordnung zugrunde<br />

zu legen.<br />

Ein eingereichtes zivilrechtliches Trennungsverfahren kann ein gewichtiges Indiz <strong>für</strong> einen<br />

Fortbestand der Gefährdung sein. Es ist wissenschaftlich untersucht, dass es in<br />

Trennungssituationen zu gefährlichen <strong>Gewalt</strong>eskalationen kommen kann. Die meisten<br />

vollendeten und versuchten Tötungen fallen in die erste Phase der Trennung.<br />

Im Zürcher <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz wurde die Verlängerung der Schutzmassnahmen aufgrund<br />

der unbefriedigenden Erfahrungen anderer Kantone nicht an die Einleitung eines<br />

Trennungsverfahrens gekoppelt.<br />

Anhörung der Gesuchstellenden bzw. -gegner<br />

Das Zwangsmassnahmengericht hat gesetzlich die Möglichkeit, einen vorläufigen Entscheid<br />

ohne Anhörung des Gesuchsgegners bzw. der Gesuchsgegnerin zu fällen. Das<br />

Bundesgericht und das Verwaltungsgericht haben festgehalten, dass die Anhörung<br />

trotz Einsprachemöglichkeit grundsätzlich nicht im freien richterlichen Ermessen liegt.<br />

Es darf nur in begründeten Ausnahmefällen darauf verzichtet werden. Oft sind die Parteiaussagen<br />

das einzige Beweismittel. Die Aussagen sind oft bestritten und widersprüchlich.<br />

In der persönlichen Befragung kann sich die richtende Person einen Eindruck<br />

über die Glaubhaftigkeit machen. Dies ermöglicht eine Würdigung der Aussagen<br />

um festzustellen, ob der Sachverhalt zur Verlängerung einer Schutzmassnahme genügend<br />

glaubhaft nachgewiesen ist.<br />

Mit der Anhörung kann das Zwangsmassnahmengericht unverzüglich entscheiden.<br />

Ohne Anhörung wird der Entscheid nur endgültig, wenn innert fünf Tagen ab Erhalt des<br />

Entscheides keine der Parteien Einsprache erhebt. Die gefährdete Person hat die Möglichkeit,<br />

eine getrennte Anhörung zu beantragen.<br />

Prozessparteien<br />

Das polizeiliche Verfahren zur Anordnung von Schutzmassnahmen wird von Amtes<br />

wegen eingeleitet, sobald ein Fall von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> vorliegt und wird durch den<br />

Erlass der Schutzmassnahmeverfügung abgeschlossen. Es gilt die Offizial- wie auch<br />

die Untersuchungsmaxime. Entsprechend stellt sich die Frage, wem in einem allfällig<br />

nachfolgenden Einspracheverfahren nach § 5 GSG Parteistellung zukommt. Es sind<br />

dies einerseits die durch die Verfügung belastete Person, andererseits die zuständige<br />

Polizei, vertreten durch die polizeiliche Fachstelle, und die gefährdete Person. Dies<br />

deshalb, weil es sich um ein Anfechtungsstreitverfahren handelt. In einem solchen Verfahren<br />

treten entsprechend dem Verfügungsverhältnis der Verfügungsadressat und die<br />

verfügende Behörde als Parteien auf. Der Schutz der körperlichen und seelischen Integrität<br />

betroffener Personen stellt ein öffentliches Interesse des Staates dar, unabhängig<br />

davon, ob die <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> zu einer straf- oder zivilrechtlichen Ver- oder Beurteilung<br />

führt. Auch <strong>für</strong> die gefährdete Person besteht ein grosses Rechtsschutzinteresse,<br />

da sie in ihren höchstpersönlichen Rechtsgüter betroffen ist und ein Interesse<br />

am Bestand oder Nichtbestand der Schutzmassnahmen hat. Demgegenüber sind im<br />

Verlängerungs-, Aufhebungs- oder Änderungsverfahren stets nur die gesuchstellende<br />

und die gesuchgegnerische Person Partei.<br />

Gerichtsentscheid innert vier Arbeitstagen<br />

Das Zwangsmassnahmegericht ist verpflichtet, innert vier Arbeitstagen einen Entscheid<br />

zu fällen. Von den polizeilichen Fachstellen und, wenn gleichzeitig ein Strafverfahren<br />

hängig ist, von der Staatsanwaltschaft oder im Übertretungsstrafverfahren vom<br />

Statthalteramt, können die Akten beigezogen werden.<br />

Zustellung der Vorladungen<br />

Sofern die weggewiesene Person in der Schutzmassnahmeverfügung noch keine Zustelladresse<br />

bezeichnet hat, kann diese über die polizeiliche Fachstelle in Erfahrung<br />

§ 10 Abs. 1 GSG<br />

§ 10 Abs. 1 GSG<br />

§ 9 Abs. 3 GSG<br />

FN<br />

Regierungsrätliche<br />

Weisung vom 6. Juli<br />

2005, S. 15<br />

§ 9 Abs. 3 GSG<br />

BGer 31. Jan. 2008<br />

(BGE 134 I 140)<br />

VGer 11. Dez. 2009<br />

(VB.2009.00642,<br />

E. 3.1.)<br />

§ 9 Abs. 3 GSG<br />

Häner I., Die Beteiligten<br />

im Verwaltungsverfahren<br />

und Verwaltungsprozess,<br />

S. 155f.<br />

§ 3 GSG<br />

§ 9 Abs. 1, 2 GSG<br />

§ 4 Abs. 3 GSG<br />

VGer 1. Okt. 2009<br />

(VB.2009.00460,<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 205 / 3


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Verfahren vor dem Zwangsmassnahmengericht, Januar 2013<br />

gebracht werden. Hat sie keine bezeichnet, erfolgt die Vorladung gemäss Säumnisfolge<br />

an die polizeiliche Fachstelle und gilt als zugestellt. Es ist Sache der weggewiesenen<br />

Person, die Vorladung abzuholen.<br />

Die Zustellung an die von <strong>Gewalt</strong> betroffene Person erfolgt in der Regel an deren<br />

Wohnsitz. Verliess diese die Wohnung aus Sicherheitsgründen, kann die polizeiliche<br />

Fachstelle kontaktiert werden, um die Zustellung sicherzustellen.<br />

Beschwerde an das Verwaltungsgericht<br />

Gegen den Entscheid des Zwangsmassnahmengerichts kann innert fünf Tagen Beschwerde<br />

an das Verwaltungsgericht des Kantons <strong>Zürich</strong> erhoben werden. Die Beschwerde<br />

hat keine aufschiebende Wirkung, d.h. während der Beschwerdefrist und bis<br />

zum Beschwerdeentscheid durch das Verwaltungsgericht bleibt die Schutzmassnahme<br />

wirksam.<br />

Kosten- und Entschädigungsfolgen<br />

Im Gegensatz zum polizeilichen Verfahren, d.h. zur Anordnung der Schutzmassnahmen,<br />

löst das gerichtliche Verfahren Kosten- und Entschädigungsfolgen aus. Wird<br />

das Gesuch um Aufhebung einer Schutzmassnahme abgewiesen, werden der gesuchstellenden<br />

Person die Gerichtskosten auferlegt, andernfalls werden sie auf die Gerichtskasse<br />

genommen. Im Verlängerungs-, Änderungs- und Aufhebungsverfahren wird<br />

die unterliegende Partei kostenpflichtig. Die Auflage und Höhe der Kosten beträgt zwischen<br />

CHF 300 und CHF 600. Zusätzlich können Kosten einer allfälligen Übersetzung<br />

anfallen.<br />

Die Gerichtskosten des Verwaltungsgericht betragen ca. CHF 1‘200 und sind von der<br />

unterliegenden Partei zu bezahlen.<br />

Die unterliegende Partei hat ausserdem die Gegenpartei auf Antrag <strong>für</strong> Kosten und<br />

Umtriebe zu entschädigen.<br />

Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV ist die unentgeltliche Rechtspflege garantiert, sofern deren<br />

Voraussetzungen (keine Aussichtslosigkeit, Mittellosigkeit, Notwendigkeit) erfüllt sind.<br />

Im Rahmen derselben Garantie besteht auch ein Anspruch auf einen unentgeltlichen<br />

Rechtsbeistand.<br />

E. 3.3.)<br />

§ 11 a GSG<br />

§ 12 GSG<br />

CK Kosten überprüfe<br />

Art. 29 Abs. 3 BV<br />

§ 16 VRG<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 205 / 4


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Verhältnis der GSG-Massnahmen zu zivil- und strafrechtlichen Anordnungen, November 2013<br />

206 Verhältnis der GSG-Massnahmen zu zivil- und strafrechtlichen<br />

Anordnungen<br />

Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende<br />

Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.<br />

Verhältnis zu zivilrechtlichen Massnahmen<br />

Ist bereits ein zivilrechtliches Verfahren, z.B. eine Eheschutzverfügung rechtskräftig<br />

und kommt es zu einem <strong>Gewalt</strong>vorfall, der eine GSG-Massnahme auslöst, so geht<br />

die <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahme der zivilrechtlichen Massnahme vor.<br />

Wenn nach Erlass einer GSG-Schutzmassnahme eine entsprechende zivilrechtliche<br />

Massnahme rechtskräftig angeordnet und vollzogen wird, fällt die GSG-<br />

Schutzmassnahme dahin. Diese Bestimmung hat seit der Inkraftsetzung des erweiterten<br />

Persönlichkeitsschutzes an Bedeutung gewonnen, da nunmehr auch zivilrechtliche<br />

Schutzmassnahmen <strong>für</strong> gewaltbetroffene Personen möglich sind.<br />

Wurde ein Kontaktverbot auch auf Kinder ausgeweitet, so kann dieser Teil der<br />

GSG-Massnahme durch eine neu angeordnete zivil- oder kindsrechtliche, modifizierte<br />

Besuchsregelung gegenstandslos werden.<br />

Parallelität des <strong>Gewalt</strong>schutz- und Strafverfahren<br />

Die GSG-Massnahmen knüpfen am Rechtsgüterschutz der gefährdeten Person und<br />

am Interesse einer Deeskalation an. Anders das Strafrecht: Hier gilt es zu prüfen,<br />

ob der Vorwurf strafbaren Verhaltens nachgewiesen werden kann und gesetzlich<br />

vorgesehene Strafen zu verhängen sind. <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ist in den meisten Fällen<br />

strafrechtlich relevant. Viele Delikte werden von Amtes wegen verfolgt. Es gibt aber<br />

auch Delikte (wie beispielsweise Elternmisshandlung), welche nur auf Antrag verfolgt<br />

werden.<br />

Wird das Strafverfahren eingestellt, ist es nicht möglich, staatlich Auflagen zu machen,<br />

wie z.B. ein Lernprogramm zu befolgen oder sich einer ärztlichen Behandlung<br />

zu unterziehen.<br />

§ 7 Abs. 1 GSG<br />

Art. 28b ZGB<br />

Vgl. Rechtsprechung 282,<br />

2.4<br />

Art. 122 ff StGB<br />

Verhältnis zu strafprozessualen Zwangsmassnahmen (Untersuchungshaft und Ersatzmassnahmen)<br />

Besteht ein Verdacht auf ein Vergehen oder Verbrechen und ist davon auszugehen, §7 Abs. 2 GSG<br />

dass der Beschuldigte das Aussageverhalten des Opfers beeinflussen könnte oder<br />

besteht die Gefahr der Ausführung eines angedrohten, schweren Verbrechens, Art. 221 StPO<br />

kann auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch das Zwangsmassnahmengericht Untersuchungshaft<br />

angeordnet werden.<br />

Der Zeitpunkt der Entlassung aus der Untersuchungshaft ist <strong>für</strong> ein Opfer nicht voraussehbar.<br />

Die Entlassung orientiert sich nicht am Schutzbedürfnis oder an der<br />

Notwendigkeit der Beruhigung der familiären Situation. In der Praxis ist es oft so,<br />

dass die Opfer erst unmittelbar vor der Entlassung Kenntnis erhalten, was immer<br />

wieder grossen Stress und Angst verursacht. Will ein Opfer Gewissheit über den<br />

Zeitpunkt der Entlassung, muss es von sich aus mit der Staatsanwaltschaft Kontakt<br />

aufnehmen. Deshalb hat sich der Gesetzgeber entschlossen, die beiden Verfahren<br />

parallel laufen zu lassen. Das heisst, die 14-tägige polizeiliche GSG-Massnahme<br />

bzw. die richterliche Verlängerung muss auch über eine vorgängige Entlassung aus<br />

der Untersuchungshaft hinaus beachtet werden.<br />

Das Zwangsmassnahmengericht hat die Möglichkeit, die Entlassung aus der Untersuchungshaft<br />

an strafprozessuale Ersatzmassnahmen zu knüpfen. Anstelle von Untersuchungshaft<br />

tritt ein Rayon- oder Kontaktverbot. Als Ersatzmassnahme können<br />

auch Reisepapiere hinterlegt (z.B. bei Entführungsdrohungen), Arztkonsultationen<br />

oder Pflichtberatungen verlangt werden, soweit diese mit dem deliktischen Vorwurf<br />

in Verbindung stehen. Hält sich der Angeschuldigte nicht an die Verbote, kann er<br />

erneut inhaftiert werden, soweit der Haftgrund noch besteht. Die Sanktionen gegen<br />

eine Widerhandlung der strafprozessualen Verbote sind deshalb effizienter als jene<br />

bei GSG-Schutzmassnahmen.<br />

Art. 226 StPO<br />

Art. 237 Abs. 2 StPO<br />

Art. 237 Abs. 5 StPO<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 206 / 1


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Verhältnis der GSG-Massnahmen zu zivil- und strafrechtlichen Anordnungen, November 2013<br />

Einstellung der Strafuntersuchung und Auswirkungen auf die GSG-Massnahme<br />

Ehe- und Lebenspartner haben bei einigen Delikten nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> die<br />

Möglichkeit durch eine Desinteresseerklärung das Strafverfahren gegen den Partner<br />

bzw. die Partnerin zur Einstellung zu bringen, unabhängig davon, ob der Sachverhalt<br />

nachgewiesen ist oder nicht. Dies ist möglich bei einigen Delikten, die bei<br />

<strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> oft erfüllt sind, so bei der „einfachen Körperverletzung“, den<br />

„wiederholten Tätlichkeiten“, bei „Drohung“ (auch Morddrohungen) und bei der „Nötigung“.<br />

Verlangt die geschädigte Person innerhalb von sechs Monaten nach Abgabe<br />

der Desinteresseerklärung die Wiederaufnahme des Strafverfahrens, wird dieses<br />

weiterverfolgt. Andernfalls wird es eingestellt.<br />

Ein Strafverfahren kann bei allen Delikten, an denen kein überwiegendes öffentliches<br />

Interesse an der Strafverfolgung besteht, zur Einstellung gebracht werden,<br />

selbst wenn der Sachverhalt nachgewiesen ist, sofern die beschuldigte Person eine<br />

situationsadäquate Wiedergutmachung (Schadenersatz und Genugtuung) leistet.<br />

Die Staatsanwaltschaft kann in solchen Fällen zu einer „Vergleichsverhandlung“<br />

vorladen, die aber seitens der gefährdeten Person nicht befolgt werden muss. Diese<br />

Einstellungsmöglichkeit entfällt i.d.R. bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. Im Gegensatz zur<br />

Desinteresseerklärung bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> ist die Wiedergutmachungs-<br />

Einstellung nicht an die provisorische Sistierungsfrist von sechs Monaten gebunden.<br />

Sie wird sofort rechtswirksam.<br />

Einstellungen sind Freisprüchen gleichgestellt. Sie werden nicht im Strafregister<br />

eingetragen. Die gefährdende Person ist nicht vorbestraft. Sie gilt deshalb auch bei<br />

wiederholter <strong>Gewalt</strong> als nicht vorbestraft.<br />

Das Opfer mag aus unterschiedlichsten Gründen – wirtschaftliche, rechtliche, persönliche<br />

Bedenken, Rücksicht auf die berufliche Zukunft etc. – kein Interesse an einer<br />

strafrechtlichen Verurteilung haben, selbst wenn sein Schutzbedürfnis nach wie<br />

vor gegeben ist. Das Schutzbedürfnis wird durch das GSG geschützt und entsprechend<br />

kann ein (durch das Strafrecht ausdrücklich legitimiertes) Absehen von einer<br />

strafrechtlichen Verfolgung und Verurteilung kein Indiz da<strong>für</strong> sein, dass keine fortdauernde<br />

Gefährdungssituation mehr besteht.<br />

Wird das Strafverfahren eingestellt, ist es nicht möglich, Auflagen wie zum Beispiel<br />

ein Lernprogramm oder eine ärztliche Behandlung anzuordnen. Evtl. ist es möglich,<br />

die vorgängige Durchführung einer solchen unterstützenden Massnahme von der<br />

Abgabe der Desinteresseerklärung abhängig zu machen.<br />

Der Bestand einer polizeilichen oder richterlichen GSG-Schutzmassnahme wird von<br />

der Einstellung des Strafverfahrens nicht tangiert.<br />

Einstellungen nach <strong>Häusliche</strong>r<br />

<strong>Gewalt</strong> Art. 55a<br />

StGB bei:<br />

Einfache Körperverletzung,<br />

Art. 123 Ziff. 2 Abs.<br />

3-5 StGB; wiederholten<br />

Tätlichkeiten, Art. 126 Abs.<br />

2 Bst. b, bbis und c StGB;<br />

Drohung, Art. 180 Abs. 2<br />

StGB; Nötigung, Art. 181<br />

StGB<br />

Einstellungen zur Wiedergutmachung<br />

Art. 53 StGB<br />

Art. 316 StPO<br />

Straffrei dank Einstellung<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 206 / 2


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Die proaktive Beratung, November 2013<br />

207 Die proaktive Beratung<br />

Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende<br />

Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.<br />

Eine zentrale Neuerung des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes ist die proaktive Beratung. Opfer-<br />

wie Beratungsstellen <strong>für</strong> gefährdende Personen werden von der Polizei von<br />

Gesetzes wegen informiert, wenn Schutzmassnahmen angeordnet wurden. Der<br />

Auftrag der Beratungsstellen besteht darin, möglichst schnell nach Erhalt der polizeilichen<br />

Verfügung mit der gefährdeten bzw. der gefährdenden Person Kontakt<br />

aufzunehmen. In einem ersten, meist telefonischen Gespräch, wird auf die Möglichkeit<br />

der Beratung hingewiesen und auch erste Informationen zum Verfahren und zur<br />

Situation abgegeben. Wünscht die Person ein Beratungsgespräch, wird dies auf der<br />

Beratungsstelle durchgeführt. Sinn und Zweck der proaktiven Ansprache ist es, die<br />

<strong>Gewalt</strong> anzusprechen und zum Thema zu machen, damit den betroffenen Personen<br />

Handlungsmöglichkeiten zur Veränderung eröffnet werden. Idealerweise kann an<br />

eine weitergehende, begleitende medizinische, therapeutische, soziale oder rechtliche<br />

Unterstützungs- oder Förderungshilfe triagiert werden.<br />

Beratung gefährdeter Personen<br />

In 93% sind die von <strong>Gewalt</strong> betroffenen Personen Frauen. Die Kontaktaufnahme<br />

wird von den meisten betroffenen Personen sehr geschätzt und hat eine positive<br />

Wirkung. Die gefährdete Person kommt dadurch häufig zum ersten Mal in Kontakt<br />

mit einer spezialisierten Hilfestelle und erfährt, dass sie in dieser schwierigen Situation<br />

Hilfe bekommt. Rund 90% der gewaltbetroffenen Frauen haben nach einer polizeilichen<br />

Intervention das Beratungsangebot in Anspruch genommen. Dank des<br />

proaktiven Ansatzes werden auch Frauen erreicht, die bislang keine Beratung in<br />

Anspruch genommen hätten, sei es aus Scham, Isolation oder wegen ihrer schlechten<br />

psychischen Verfassung. Vor allem Migrantinnen, die oft wegen Sprachproblemen<br />

keine Beratung aufsuchen, werden besser erreicht. Die Beratung erfasst<br />

auch Männeropfer aus hetero- wie homosexuellen Beziehungen, die vormals nie<br />

Hilfe in Anspruch genommen hatten.<br />

Insbesondere bei der Trennungsgewalt, die 40% aller Fälle ausmacht, zeigt sich,<br />

dass durch die Beratung und Unterstützung weiterer Eskalationen verhindert werden<br />

können. Das ist wichtig, weil Trennungsgewalt tendenziell eskaliert und es häufig<br />

auch zu schweren Verletzungen der physischen und psychischen Integrität<br />

kommt.<br />

Beratung gefährdender Personen<br />

Mit der Beratung gefährdender Männer wurde das mannebüro züri beauftragt. Die<br />

Beratung gefährdender Frauen wird durch Mitarbeiterinnen des Amt <strong>für</strong> Justizvollzug,<br />

Bereich Fachsupport & Lernprogramme, wahrgenommen.<br />

Die Erfahrungen des mannebüro züri und des BVD sind vorwiegend positiv. Das<br />

GSG wirkt auf verschiedenen Ebenen. Einerseits unterstreicht es die gesamtgesellschaftliche<br />

Haltung, dass <strong>Gewalt</strong> in der Partnerschaft nicht toleriert wird.<br />

Andererseits kann die polizeiliche Intervention die <strong>Gewalt</strong>dynamik unterbrechen und<br />

Beteiligten die Möglichkeit eröffnen, künftig gewaltfreie Wege in der Partnerschaft<br />

zu beschreiten.<br />

Der Wunsch nach Unterstützung bei den gefährdenden Männern stösst auf Interesse.<br />

Etwas mehr als ein Viertel der Gefährder beansprucht die freiwillige Beratung.<br />

Der Grossteil der Männer sind auch Väter. Neben rechtlichen Informationen wird<br />

auf eine Deeskalation der Situation hingearbeitet. Insbesondere werden sie mit den<br />

schädigenden Folgen <strong>für</strong> die Kinder konfrontiert, die die <strong>Gewalt</strong> gegen die Mutter <strong>für</strong><br />

diese hat. Es wird versucht, ihre väterliche Verantwortung anzusprechen, um sie zu<br />

gewinnen, gegen die <strong>Gewalt</strong> anzugehen.<br />

§15 Abs. 2 GSG<br />

§16 Abs. 2 GSG<br />

Mit dem dreijährigen Pilotprojekt<br />

„zeitnahe Kinderansprache“<br />

werden Kinder<br />

nach einem Polizeieinsatz<br />

rascher erreicht, sofern die<br />

Eltern mit einer Kontaktaufnahme<br />

einverstanden<br />

sind.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 207 / 1


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Gefährdungsmeldung an die KESB und zeitnahe Kinderansprache, November 2013<br />

208 Gefährdungsmeldung an die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde<br />

(KESB) und zeitnahe Kinderansprache<br />

Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende<br />

Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.<br />

Sind Kinder im Haushalt, erhält die KESB eine Kopie der polizeilichen Verfügung.<br />

Kinder, die mit <strong>Gewalt</strong>, Angst und Ohnmacht aufwachsen, werden in ihrer Entwicklung<br />

beeinträchtigt und oft nachhaltig geschädigt.<br />

Das Kindswohl ist gefährdet. Deshalb erhält die KESB Kenntnis von der polizeilichen<br />

Schutzmassnahme. Diese enthält einige Angaben zu den Kindern:<br />

- Unter Tatbestand/Kontaktverbot kann der Schutzverfügung entnommen<br />

werden, ob das Kontaktverbot auch auf Kinder ausgeweitet wurde;<br />

- Unter dem Titel „GSG-Feststellungen“, Ziff. 15. ist ersichtlich, ob Kinder anwesend<br />

und direkt in den <strong>Gewalt</strong>vorfall involviert waren und wie sie auf die<br />

intervenierenden Polizeileute gewirkt haben;<br />

- Unter „Weitere Hinweise“ ist das Geschlecht und Alter der Kinder ersichtlich;<br />

- Unter „Sachverhalt“ findet sich eine Kurzbegründung, weshalb das Kontaktverbot<br />

auf die Kinder ausgeweitet wurde.<br />

Die regional am Wohnsitz der Eltern zuständige KESB erhält eine Verfügungskopie.<br />

Die KESB klärt ab, ob Sofortmassnahmen notwendig sind. Falls die Familie bereits<br />

bekannt ist, wird abgeklärt, ob weitere Massnahmen notwendig sind. In der Regel<br />

wird versucht, die Eltern <strong>für</strong> eine freiwillige Zusammenarbeit zu gewinnen. Muss eine<br />

Kindesschutzmassnahme verfügt werden, kommt es zu einer Anhörung der Eltern<br />

und der Kinder durch die KESB.<br />

Steht der nicht obhutsberechtigten Person ein Besuchsrecht zu und werden nachträglich<br />

<strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen oder ein auf die Kinder erweitertes Kontaktverbot<br />

angeordnet, so gehen die Schutzmassnahmen vor, weil sie eine akute Gefahr<br />

<strong>für</strong> Leib und Leben des Kindes abwenden. Es müssen konkrete Hinweise vorliegen,<br />

die eine Erweiterung des Kontaktverbotes auf die Kinder rechtfertigen. Ist die<br />

Sicherheit der Kinder durch die <strong>Gewalt</strong> direkt beeinträchtigt, was bei betreuungsbedürftigen<br />

Kleinkindern angenommen werden kann, muss der kurzfristige, leibliche<br />

Schutz der Kinder höher gewichtet werden, als das väterliche (oder auch das<br />

mütterliche) Recht auf Besuch und Kontakt <strong>für</strong> die Dauer der Schutzmassnahme.<br />

Die GSG-schutzrechtliche Einschränkung des Elternrechts kann durch eine sofort<br />

vollstreckbare, kindsrechtliche oder zivilrichterliche Anordnung, die nach Erlass der<br />

Schutzmassnahmen ergeht, aufgehoben werden. Diese kann auch als vorsorgliche<br />

Massnahme ergehen.<br />

Kinder, die elterliche <strong>Gewalt</strong> und anschliessend eine Polizeiinterventionen miterleben,<br />

brauchen dringend Orientierungshilfen. Mit dem elterlichen Einverständnis<br />

wird mit den Kindern von einer aussenstehenden Person Kontakt aufgenommen.<br />

Es ist deren Aufgabe, sich in der akuten Krise der Kinder anzunehmen und sie altersadäquat<br />

zu informieren bis die Kindesschutzbehörden die Abklärungen bzw.<br />

die notwendigen Anordnungen treffen können. Das Pilotprojekt, welches 2013 abgeschlossen<br />

wird, wird möglicherweise <strong>für</strong> den ganzen Kanton implementiert.<br />

§ 15 Abs. 1 GSG<br />

§ 59 EG zum ZGB<br />

§ 3 Abs. 2 lit. c GSG<br />

Schutzverfügung siehe 261<br />

Art. 308ff ZGB<br />

§ 7 Abs. 1 GSG<br />

Zeitnahe Kinderansprache<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 208 / 1


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Probleme in der Anwendung des Zürcher <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes, November 2013<br />

209 Probleme in der Anwendung des Zürcher <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes<br />

Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901; Weiterführende<br />

Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.<br />

Gefährdende Minderjährige<br />

In partnerschaftlichen und familiären Beziehungen wenden auch Minderjährige <strong>Gewalt</strong><br />

an, sei dies gegen Eltern (Elternmisshandlungen), gegen Geschwister oder gegen<br />

ihre Jugendfreundin oder -freund. (i.S.v. partnerschaftlichen Jugendbeziehungen,<br />

insbesondere auch durch Missbrauch von Foto- und Videomaterial oder Formen<br />

des Cyber-Stalkings). Die Polizei wird zunehmend sensibilisiert, auch nach<br />

diesen Formen der <strong>Gewalt</strong> zu fragen, um situationsadäquate Schutzmassnahmen<br />

anzuordnen. Soweit mit Kontakt- oder Betretverboten ein Schutz gesichert werden<br />

kann, bietet das GSG gegenüber Minderjährigen keine Probleme.<br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>taten Minderjähriger gegenüber den Eltern, meist gegenüber alleinerziehenden<br />

Müttern, sind i.d.R. keine Offizialdelikte. D.h., wenn der gewaltbetroffene<br />

Elternteil keinen Strafantrag stellt, was der Regelfall ist, können auch kurzfristige<br />

jugendstrafrechtliche Massnahmen nicht greifen. Selbst eine kurzfristige<br />

deeskalierende Time-Out-Platzierung ist nicht möglich.<br />

<strong>Gewalt</strong>schutzrechtlich können keine Wegweisungen Minderjähriger aus der elterlichen<br />

Wohnung gemacht werden. Die Polizei kann einen Jugendlichen, der seine<br />

Mutter bedroht, nicht gegen deren Willen wegweisen, da sie - bundesrechtlich - die<br />

elterliche Sorge hat und <strong>für</strong> den Aufenthaltsort ihres Sohnes verantwortlich ist. Eine<br />

rasche Krisenintervention und Deeskalation ist bei minderjährigen Gefährdenden<br />

nicht gewährleistet, wenn sich die Eltern mit einer Fremdplatzierung, auch nur <strong>für</strong><br />

wenige Tage, nicht einverstanden erklären.<br />

Grundsätzlich können Kindesschutzmassnahmen als vorsorgliche Massnahmen<br />

angeordnet werden. Es ist offensichtlich, dass solche <strong>Gewalt</strong>eskalationen Minderjähriger<br />

auch als Kindswohlgefährdung, d.h. auf eine schädigende Entwicklung des<br />

Kindes hinweisen. Die meisten KESB sind in der Lage, rasch Abklärungen und Anhörungen<br />

durchzuführen.<br />

Wenngleich körperliche wie sexuelle <strong>Gewalt</strong> gegenüber Geschwistern grundsätzlich<br />

Offizialdelikte sind, kommen sie selten zur Anzeige. Überdurchschnittlich oft kommen<br />

diese Formen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in Familien vor, in denen die Eltern in einer<br />

<strong>Gewalt</strong>beziehung leben oder der Vater gewalttätig ist.<br />

<strong>Gewalt</strong>schutzrechtlich kann in diesen Fällen bei noch bestehender Familiengemeinschaft<br />

nichts ausgerichtet werden, wenn das gewalttätige Geschwister noch minderjährig<br />

ist. GSG-Massnahmen sind aber gegen mündige Geschwister ohne weiteres<br />

möglich.<br />

Intime Jugendbeziehungen begründen eine starke Abhängigkeit. Die „erste Liebe“<br />

ist emotional existenziell. Ein Auseinandergehen löst subjektiv grosse Schmerzen<br />

aus. Dürfen Eltern oder Verwandte von der Beziehung oder deren Intensität nichts<br />

wissen, fehlt bei auftretenden Problemen oft eine Person, der sich die Jugendlichen<br />

anvertrauen können. Minderjährige erkennen sich anbahnende Formen von Grenzverletzungen<br />

(noch) nicht. So wird z.B. permanentes Anrufen mit der Nachfrage, wo<br />

sie oder er sich aufhält, als Ausdruck der grossen Liebe verstanden, ohne darin ein<br />

Kontrollverhalten zu erkennen, das sich u.U. zu <strong>Gewalt</strong> weiterentwickeln kann. Der<br />

oft sorglose Umgang mit intimen Bildaufnahmen in der Jugendbeziehung kann nach<br />

einer Trennung zu (sexuellen) Nötigungshandlungen führen, wenn die Bilder in der<br />

Peer-Gruppe der Jugendlichen herumgezeigt werden.<br />

<strong>Gewalt</strong>schutzrechtlich können solche Formen des Stalkings mit einem gewaltschutzrechtlichen<br />

Kontakt- und Betretverbot unterbunden werden. Sie zeigen Wirkung,<br />

wenn sie mit einer klaren Haltung durchgesetzt werden.<br />

Elternmisshandlungen<br />

Geschwistermisshandlungen<br />

Jugendbeziehungen<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 209 / 1


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Probleme in der Anwendung des Zürcher <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes, November 2013<br />

<strong>Gewalt</strong> in Partnerschaften betagter Menschen oder gegen pflegebedürftige Eltern<br />

Bei demenz- oder psychisch kranken (betagten) Personen kann es zu massiven<br />

Aggressionen gegen Familienangehörige kommen. Auch <strong>Gewalt</strong> gegen pflegebedürftige<br />

Eltern gehört in diesen Themenkreis. Mit einer Wegweisung alleine kann<br />

das Problem nicht angegangen werden, da sowohl <strong>für</strong> die pflegebedürftige, <strong>Gewalt</strong><br />

ausübende Personen und die pflegebedürftige <strong>Gewalt</strong>betroffene längerfristige Lösungen<br />

gesucht werden müssen. In der akuten Situation müssen Ärztinnen und Ärzte<br />

eingeschaltet werden, damit notfalls mit einer <strong>für</strong>sorgerischen Unterbringung (FU)<br />

eine mindestens vorübergehende Einweisung in ein Spital oder eine Pflegestation<br />

veranlasst werden kann.<br />

Die gleichzeitig angeordneten <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahme löst eine proaktive Beratung<br />

aus, sodass mit den Betroffenen das weitere Vorgehen besprochen und angegangen<br />

werden kann unter Beizug oder Überweisung an die spezialisierten Beratungsstellen<br />

wie Pro Senectute, pro mente sana oder der gemeindeeigenen Sozialdienste<br />

und der Spitex.<br />

In der Stadt <strong>Zürich</strong> haben die Stadtpolizei und der Stadtärztliche Dienst ein Konzept<br />

erarbeitet, welches in Fällen demenzbedingter <strong>Gewalt</strong> oder von <strong>Gewalt</strong>handlungen<br />

pflegender Kinder, die mit der Situation überfordert sind, rasche Hilfe und Unterstützung<br />

garantiert.<br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> bei unsicherem Verbleiberecht in der Schweiz<br />

Drittstaatsangehörige, deren Ehegemeinschaft in der Schweiz erst von kurzer Dauer<br />

ist, verlieren ihr Verbleiberecht, wenn sie die eheliche Gemeinschaft auflösen. Eine<br />

vorübergehende Trennung ist dann unerheblich, wenn gewaltschutzrechtliche<br />

Massnahmen zur Deeskalation und ehelichen Neuorientierung dienen, ohne dass<br />

der Wille, die Ehe weiterzuführen grundsätzlich gebrochen ist.<br />

Ist wegen der gewalttätigen Vorfälle der Ehewille erloschen, so kann bei kurzer<br />

Ehedauer in der Schweiz dann ein selbstständiges Aufenthaltsrecht erwirkt werden,<br />

wenn die Intensität der nachgewiesenen <strong>Gewalt</strong> eine weitere Fortdauer der Ehe unzumutbar<br />

machen. Der Nachweis der <strong>Gewalt</strong> ist zwingend erforderlich. Da<strong>für</strong> ist jedoch<br />

nicht zwingend (aber vorteilhaft) die Einleitung eines Strafverfahrens erforderlich.<br />

Es können auch Berichte von Ärztinnen, Psychotherapeuten oder von Beratungsstellen<br />

<strong>für</strong> den Nachweis beigebracht werden.<br />

Werden Frauen in ihren Herkunftsländern als Geschiedene geächtet, kann dies zusätzlich<br />

geltend gemacht werden.<br />

Anders ist die Situation <strong>für</strong> jene Frauen, die nie einen Ehewillen besessen haben,<br />

sei es, dass sie zwangsverheiratet wurden (im Gegensatz zur arrangierten Ehe)<br />

oder eine Scheinheirat eingegangen sind, um in der Schweiz ein Verbleiberecht zu<br />

erlangen.<br />

Kommt es in diesen Situationen zu ehelicher <strong>Gewalt</strong>, wird das Verbleiberecht tangiert.<br />

Bei zwangsverheirateten Personen, die ehelicher <strong>Gewalt</strong> ausgesetzt sind,<br />

müssen mögliche migrationsrechtliche Folgen im Einzelfall geklärt werden. Bei<br />

Scheinehen ist eine Wegweisung i.d.R. unumgänglich.<br />

Postvention nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

Postvention ist eine Methode zur Begleitung gewaltbetroffener Familien. <strong>Gewalt</strong>belastete<br />

Familien brauchen oft eine punktuelle, längere Begleitung, damit mit der<br />

Familie nach Wegen gesucht werden kann, um die Faktoren, die die konkrete Familie<br />

belasten zu verringern und die vorhandenen persönlichen und sozialen Ressourcen<br />

und Netze zu aktiviert werden können. Ziel ist es abzuklären, ob und unter was<br />

<strong>für</strong> Voraussetzungen ein gewaltfreies Zusammensein möglich ist oder ob eine geordnete<br />

Trennung ohne <strong>Gewalt</strong> zielführend ist.<br />

VGer 20. Aug. 2009<br />

(VB.2009.00395)<br />

In diesem Fall wurde jedoch<br />

das Vorliegen psychischer<br />

<strong>Gewalt</strong> verneint.<br />

Art. 426 ff. ZGB<br />

Eheliche <strong>Gewalt</strong> bei kurzer<br />

Ehedauer<br />

Zwangs- und Scheinehen<br />

www.postvention.ch<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 209 / 2


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Flyer zu Schutzmassnahmen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />

241 Flyer zu Schutzmassnahmen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

Der Flyer der Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> der Direktion der Justiz<br />

und des Innern informiert über die verschiedenen Möglichkeiten eines kurzfristigen<br />

<strong>Gewalt</strong>schutzes. Hauptsächlich werden die Möglichkeiten gewaltschutzrechtlicher<br />

Massnahmen erklärt. Kurz wird auch auf die strafprozessualen Zwangsmassnahmen<br />

und die persönlichkeitsrechtlichen Schutzmassnahmen verwiesen.<br />

Das Informationsmaterial dient vor allem Betroffenen, sich zu informieren. Es wird<br />

auch von der Polizei abgegeben, die gemäss <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz verpflichtet ist,<br />

Personen über das Verfahren zu informieren.<br />

§ 4 Abs. 1 GSG<br />

Im Flyer finden Sie Adressen<br />

der spezialisierten<br />

Beratungsstellen und der<br />

polizeilichen Fachstellen.<br />

Der deutschsprachige<br />

Flyer kann bei der<br />

Interventionsstelle gegen<br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />

<strong>Kantonspolizei</strong> <strong>Zürich</strong><br />

Präventionsabteilung<br />

Postfach 8021 <strong>Zürich</strong><br />

gratis bezogen werden.<br />

Download als pdf auf<br />

www.ist.zh.ch.<br />

Der Flyer ist auf 12 Sprachen<br />

übersetzt, die ebenfalls<br />

auf www.ist.zh.ch<br />

heruntergeladen werden<br />

können.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 241 / 1


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Gesetzestexte zum kurzfristigen Schutz vor <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />

281 Gesetzestexte zum kurzfristigen Schutz vor <strong>Gewalt</strong><br />

Nachfolgend werden die wichtigsten Gesetzestexte aufgeführt. Gesetzesartikel aus anderen Gesetzen sind kursiv und unterstrichen hervorgehoben.<br />

Abkürzungen, insb. auch von Gesetzen, sind im Kapitel 9 ‚Service‘ unter 904 erklärt. Wichtige Zürcher Adressen finden Sie unter 901;<br />

Weiterführende Links unter 902; Literatur und Gesetzesmaterialien unter 903.<br />

Übersicht<br />

1. <strong>Gewalt</strong>schutzrechtliche Massnahmen<br />

2. <strong>Gewalt</strong>schutzrechtliche Massnahmen in Wohngemeinschaften<br />

3. Persönlichkeitsrechtlicher <strong>Gewalt</strong>schutz<br />

1. <strong>Gewalt</strong>schutzrechtliche Massnahmen<br />

A. Allgemeines<br />

§ 1 GSG Zweck<br />

1 Das Gesetz bezweckt den Schutz, die Sicherheit<br />

und die Unterstützung von Personen,<br />

die durch häusliche <strong>Gewalt</strong> betroffen<br />

sind.<br />

2 Der Kanton fördert vorbeugende Massnahmen<br />

zur Verminderung der häuslichen<br />

<strong>Gewalt</strong> und die Zusammenarbeit der damit<br />

befassten Stellen.<br />

§ 2 GSG Begriffe<br />

1 <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> liegt vor, wenn eine<br />

Person in einer bestehenden oder einer<br />

aufgelösten familiären oder partnerschaftlichen<br />

Beziehung in ihrer körperlichen, sexuellen<br />

oder psychischen Integrität verletzt<br />

oder gefährdet wird<br />

a) durch Ausübung oder Androhung von<br />

<strong>Gewalt</strong> oder<br />

b) durch mehrmaliges Belästigen, Auflauern<br />

oder Nachstellen.<br />

2 Als gefährdende Person gilt, wer häusliche<br />

<strong>Gewalt</strong> ausübt oder androht.<br />

3 Als gefährdete Person gilt, wer von häuslicher<br />

<strong>Gewalt</strong> betroffen ist.<br />

B. Anordnung von Schutzmassnahmen<br />

§ 3 GSG Polizeiliche Anordnung; Geltung<br />

1 Liegt ein Fall von häuslicher <strong>Gewalt</strong> vor,<br />

stellt die Polizei den Sachverhalt fest und<br />

ordnet umgehend die zum Schutz der gefährdeten<br />

Personen notwendigen Massnahmen<br />

an.<br />

2 Die Polizei kann<br />

a) die gefährdende Person aus der Wohnung<br />

oder dem Haus weisen,<br />

b) ihr untersagen, von der Polizei bezeichnete,<br />

eng umgrenzte Gebiete zu<br />

betreten, und<br />

c) ihr verbieten, mit den gefährdeten und<br />

diesen nahe stehenden Personen in irgendeiner<br />

Form Kontakt aufzunehmen.<br />

3 Die Schutzmassnahmen gelten während<br />

14 Tagen ab Mitteilung an die gefährdende<br />

Person. Sie ergehen unter der Strafandrohung<br />

gemäss Art. 292 StGB.<br />

„Vom Erfordernis des<br />

gemeinsamen Haushaltes<br />

wurde abgesehen,<br />

um auch jene Gefährdeten<br />

zu schützen,<br />

die nie oder noch nie<br />

mit ihrem Partner einen<br />

gemeinsamen Haushalt<br />

gründeten (…)“.<br />

In ca. 5% der Fälle sind<br />

Jugendliche gegen Eltern<br />

gewalttätig. Es war<br />

notwendig, die Legaldefinition<br />

auf diese Fakten<br />

auszurichten (..)<br />

Nicht erfasst werden<br />

heftige, verbale Streitigkeiten<br />

zwischen Partnern,<br />

die keine Integritätsverletzung<br />

oder -gefährdung<br />

zur Folge haben.“<br />

„Stalking (lit. b) wird<br />

i.d.R. nicht strafrechtlich<br />

erfasst. Gleichwohl<br />

kann zum Schutz einer<br />

betroffenen Person,<br />

z.B. bei Trennungsgewalt,<br />

eine Schutzmassnahme<br />

notwendig sein.“<br />

„Die Polizei muss die<br />

Situation vor Ort beurteilen.“<br />

Voraussetzung ist<br />

1. familiäre, partnerschaftliche<br />

Beziehung;<br />

2. <strong>Gewalt</strong>, Androhung<br />

von <strong>Gewalt</strong> oder Stalkinghandlungen<br />

3. Gefährdung oder Verletzung<br />

der Integrität.<br />

Funktion der Schutzmassnahme<br />

ist nicht nur<br />

der unmittelbare Schutz<br />

gefährdeter Personen,<br />

sondern auch eine Deeskalation<br />

und Beruhigung<br />

der Situation. Abs.<br />

1 lit. c ermöglicht die<br />

Ausdehnung des Kontaktverbotes<br />

auf Drittpersonen,<br />

insb. auf Kinder.<br />

Das Verhältnismässigkeitsprinzip<br />

erfordert,<br />

dass eine Beeinträchtigung<br />

der Kinder vorliegt,<br />

die die faktische Aufhebung<br />

des Besuchsrechts<br />

<strong>für</strong> die Dauer der<br />

Schutzmassnahmen<br />

rechtfertigt (BGer 19.<br />

Okt. 2007, (1C_219/<br />

2007), VGer vom 1.<br />

Nov. 2010, (VB.2010.<br />

00561). Vorbehalten ist<br />

eine zivilrechtliche Regelung,<br />

die die GSG-<br />

§ 4 GSG Mitteilung<br />

1 Die Polizei teilt die angeordneten<br />

Schutzmassnahmen schriftlich mit. In der<br />

Regel händigt sie die Verfügung der gefährdenden<br />

und der gefährdeten Person zusammen<br />

mit einer Information über das<br />

weitere Verfahren persönlich aus.<br />

2 Ist die persönliche Aushändigung an die<br />

gefährdende Person trotz sachdienlicher<br />

Nachforschungen nicht möglich, wird sie<br />

durch geeignete Bekanntmachung am Ort,<br />

wo sie wohnt oder sich gewöhnlich aufhält,<br />

aufgefordert, sich sofort bei der Polizei<br />

zu melden. Meldet sie sich innert drei<br />

Tagen nicht, wird die Verfügung zusammen<br />

mit einem Hinweis auf Abs. 3 Satz 2<br />

im Amtsblatt veröffentlicht.<br />

3 Wurde eine gefährdende Person im Sinne<br />

von § 3 Abs. 2 lit. a aus der Wohnung oder<br />

aus dem Haus gewiesen, so hat sie eine<br />

Adresse <strong>für</strong> behördliche Mitteilungen zu<br />

bezeichnen. Unterlässt sie dies, können<br />

Vorladungen und Verfügungen nach diesem<br />

Gesetz während der Geltungsdauer<br />

der Schutzmassnahmen bei der Polizei hinterlegt<br />

werden und gelten als zugestellt.<br />

§ 5 GSG Gerichtliche Beurteilung<br />

Innert fünf Tagen nach Geltungsbeginn der<br />

Schutzmassnahme kann die gefährdende<br />

Person das Gesuch um gerichtliche Beurteilung<br />

stellen. Dem Begehren kommt keine<br />

aufschiebende Wirkung zu.<br />

§ 6 GSG Verlängerung, Änderung und<br />

Aufhebung<br />

1 Die gefährdete Person kann innert acht<br />

Tagen nach Geltungsbeginn der Schutzmassnahmen<br />

beim Gericht um deren Verlängerung<br />

ersuchen.<br />

2 Ändern sich die Verhältnisse, so können<br />

die Parteien um Aufhebung, Änderung<br />

oder Verlängerung der haftrichterlichen<br />

Schutzmassnahmen ersuchen.<br />

3 Die gerichtlich verfügten Schutzmassnahmen<br />

dürfen insgesamt drei Monate<br />

nicht übersteigen.<br />

§ 7 GSG Verhältnis zu anderen Massnahmen<br />

1 Schutzmassnahmen fallen dahin, wenn<br />

entsprechende zivilrechtliche Massnahmen<br />

rechtskräftig angeordnet und vollzogen<br />

sind. In diesen Fällen teilen die Organe der<br />

Zivilrechtspflege ihre Entscheidungen der<br />

Polizei mit.<br />

2 Schutzmassnahmen werden durch die Anordnung<br />

strafprozessualer Zwangsmassnahmen<br />

nicht aufgehoben.<br />

Massnahme aufhebt(vgl.<br />

§ 7 Abs. 1 GSG).<br />

„Festzuhalten ist (..),<br />

dass es sich um eine<br />

blosse Hinterlegung<br />

handelt. Die Polizei ist<br />

nicht verpflichtet, aktiv<br />

nach dem Aufenthaltsort<br />

(..) zu forschen.“<br />

Das zuständige Gericht<br />

ist auf der Verfügung<br />

vermerkt.<br />

Die Verlängerung ist<br />

nicht von der Einleitung<br />

eines Eheschutz- bzw.<br />

Trennungsverfahrens<br />

abhängig. Mit der Verlängerungsmöglichkeit<br />

soll zusätzlich Ruhe<br />

gewonnen werden. Betroffenen,<br />

die ein Eheschutzverfahren<br />

anstrengen<br />

gewinnen<br />

durch die Beruhigung<br />

mehr Distanz und Sicherheit.<br />

Die Verfahren<br />

verlaufen deshalb weniger<br />

hektisch.<br />

Mit einer vollziehbaren,<br />

kindsschutz- oder eherechtlichen<br />

Massnahme<br />

kann eine GSG-<br />

Massnahme aufgehoben<br />

werden. Untersuchungshaft<br />

ist meist<br />

kurz. „Ausserdem werden<br />

die Opfer (..) oft<br />

nicht oder zu spät über<br />

die Entlassungen aus<br />

der U-Haft orientiert (..).“<br />

Die polizeiliche Schutzmassnahme<br />

dauert<br />

deshalb in jedem Fall 14<br />

Tage.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 281 / 1


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Gesetzestexte zum kurzfristigen Schutz vor <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />

C. Gemeinsame Verfahrensbestimmungen<br />

§ 8 GSG Form der Gesuche; Zuständigkeit<br />

1 Die Gesuche um gerichtliche Beurteilung<br />

einer polizeilichen Schutzmassnahme und<br />

um Verlängerung, Änderung oder Aufhebung<br />

einer haftrichterlichen Schutzmassnahme<br />

müssen unter Beilage der Verfügung<br />

schriftlich begründet werden.<br />

2 Zuständiges Gericht ist die Haftrichterin<br />

oder der Haftrichter am Ort der Begehung<br />

der häuslichen <strong>Gewalt</strong>.<br />

§ 33 GOG Zwangsmassnahmen des<br />

Verwaltungsrechtes<br />

1 Das Einzelgericht ist Haftrichterin oder -<br />

richter gemäss GSG vom 19. Juni 2006<br />

und gemäss Polizeigesetz vom 23. April<br />

2007.<br />

2 Die Mitglieder der Bezirksgerichte sind<br />

<strong>für</strong> die Funktion als Haftrichterin und -<br />

richter im ganzen Kantonsgebiet einsetzbar.<br />

Das Obergericht kann <strong>für</strong> dieselbe<br />

Funktion Ersatzmitglieder <strong>für</strong> das ganze<br />

Kantonsgebiet einsetzen.<br />

3 (..)<br />

§ 9 GSG Verfahrensgrundsätze<br />

1 Das zuständige Gericht entscheidet innert<br />

vier Arbeitstagen über Gesuche nach den<br />

§§ 5 und 6.<br />

2 Es stellt den Sachverhalt von Amtes wegen<br />

fest und fordert unverzüglich die polizeilichen<br />

Akten und, sofern ein Strafverfahren<br />

eingeleitet wurde, jene der Strafuntersuchung<br />

an. Auf Verlangen des Gerichts<br />

nehmen die Polizei und die Staatsanwaltschaft<br />

zum Gesuch Stellung.<br />

3 Das Gericht hört die Gesuchsgegnerin<br />

oder den Gesuchsgegner nach Möglichkeit<br />

an. Es kann auch eine Anhörung der Gesuchstellerin<br />

oder des Gesuchstellers anordnen.<br />

Es sorgt da<strong>für</strong>, dass sich die Parteien<br />

vor Gericht nicht begegnen, wenn die<br />

gefährdete Person darum ersucht und dem<br />

Anspruch der gefährdenden Person auf<br />

rechtliches Gehör in anderer Weise Rechnung<br />

getragen werden kann.<br />

4 Beweise können abgenommen werden,<br />

soweit sie das Verfahren nicht verzögern.<br />

§ 10 GSG Haftrichterlicher Entscheid<br />

1 Das zuständige Gericht weist das Gesuch<br />

um Aufhebung der Schutzmassnahmen ab<br />

oder heisst das Gesuch um Verlängerung<br />

der Massnahmen gut, wenn der Fortbestand<br />

der Gefährdung glaubhaft ist. Es<br />

kann eine andere Schutzmassnahme gemäss<br />

§ 3 Abs. 2 anordnen.<br />

2 Bei Gesuchen um Verlängerung, Änderung<br />

oder Aufhebung von Schutzmassnahmen<br />

entscheidet es vorläufig, wenn die<br />

Gesuchsgegnerin oder der Gesuchsgegner<br />

nicht angehört worden ist.<br />

3 Es teilt den Entscheid den Parteien sowie<br />

der Polizei mit einer kurzen Begründung<br />

schriftlich mit, auch wenn der Entscheid<br />

mündlich eröffnet wurde.<br />

§ 11 GSG Einsprache gegen vorläufige<br />

Entscheide<br />

1 Entscheidet das zuständige Gericht vorläufig,<br />

so setzt es der Gesuchsgegnerin<br />

oder dem Gesuchsgegner eine Frist von<br />

fünf Tagen, um gegen den Entscheid Einsprache<br />

zu erheben. Die Fristansetzung er-<br />

Zum Nachweis mit Arztund/oder<br />

Therapieberichten<br />

(auch früherer<br />

Arztbesuche); Chronologie<br />

der <strong>Gewalt</strong>ereignisse,<br />

die von einer Beratungsstelle<br />

beigebracht<br />

wird. Eine minimale<br />

Begründung ist<br />

Gültigkeitserfordernis<br />

<strong>für</strong> die gerichtliche Beurteilung<br />

(BGer, 13. Juli<br />

2007, (1C_89/2007).<br />

Zuständig ist das Einzelgericht<br />

(§ 33 GOG);<br />

VGer, 3. Mai 2010,<br />

(VB.2010.VO177; E.<br />

3.1.).<br />

Das Verfahren der gerichtlichen<br />

Überprüfung<br />

der polizeilichen<br />

Schutzmassnahme<br />

nach § 5 GSG ist vom<br />

Verlängerungsverfahren<br />

nach § 6 GSG zu<br />

unterscheiden.<br />

Im Verlängerungsverfahren<br />

muss der Gesuchsgegner<br />

angehört<br />

werden, es sei denn,<br />

dass eine Anhörung unter<br />

den gegebenen<br />

Umständen nicht möglich<br />

ist. BGer<br />

30. Jan. 2008; (134 I<br />

140, E. 5.5); VGer,<br />

25. März 2010.<br />

(VB.2010.00109, E.<br />

3.1.) 17. Juni 2010.<br />

(VB:2010.00265, E.<br />

4.4.).<br />

„Grundsätzlich sind<br />

sämtliche Beweismittel<br />

zugelassen wie schriftliche<br />

Auskünfte, Augenschein,<br />

Urkunden und<br />

Zeugenbefragung.“<br />

Die Gefährdung besteht<br />

entweder in weiteren<br />

Tathandlungen gemäss<br />

§ 2 GSG und/oder in<br />

der anhaltenden Integritätsgefährdung<br />

oder -<br />

verletzung. Die Einleitung<br />

eines Eheschutzverfahrens<br />

bewirkt in<br />

<strong>Gewalt</strong>beziehungen oft<br />

eine Zunahme der <strong>Gewalt</strong>,<br />

weshalb i.d.R. von<br />

einer Perpetuierung der<br />

Gefährdung auszugehen<br />

ist.<br />

Das Zwangsmassnahmengericht<br />

kann aufgrund<br />

der Akten vorläufig<br />

entscheiden. Dieser<br />

Entscheid unterliegt der<br />

Einsprache, welche innert<br />

fünf Tagen schriftfolgt<br />

unter der Androhung, dass es im<br />

Säumnisfall beim vorläufigen Entscheid<br />

sein Bewenden habe.<br />

2 Die Einsprache ist schriftlich begründet zu<br />

erheben. Ihr kommt keine aufschiebende<br />

Wirkung zu.<br />

§ 11a GSG Beschwerde ans Verwaltungsgericht<br />

1 Gegen Entscheide des zuständigen Gerichts<br />

kann innert fünf Tagen beim Verwaltungsgericht<br />

Beschwerde erhoben werden.<br />

2 Dem Lauf der Beschwerdefrist und der<br />

Einreichung der Beschwerde kommt keine<br />

aufschiebende Wirkung zu .<br />

§ 43 b VRG Verwaltungsgericht<br />

1 Die Beschwerde ist unzulässig gegen Entscheide<br />

der erstinstanzlichen Zivil- und<br />

Strafgerichte, ausgenommen Beschwerden<br />

betreffend Massnahmen nach<br />

a. §§ 3–14 des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes<br />

vom 19. Juni 2006 (..)<br />

§ 38 b VRG Einzelrichter (des VGer)<br />

1 Ein voll- oder teilamtliches Mitglied entscheidet<br />

als Einzelrichter über Rechtsmittel,<br />

a. – c. (..)<br />

d. bei Streitigkeiten betreffend (..)<br />

1. – 3. (..)<br />

4. Massnahmen erstinstanzlicher Gerichte<br />

nach § 43 Abs. 1 lit. a–c.<br />

2 In Fällen von grundsätzlicher Bedeutung<br />

kann die Entscheidung einer Kammer<br />

übertragen werden. 3 (..)<br />

§ 12 GSG Kosten<br />

1 Wird das Gesuch um Aufhebung einer<br />

Schutzmassnahme gemäss § 5 gutgeheissen,<br />

so werden die Verfahrenskosten auf<br />

die Staatskasse genommen. In den übrigen<br />

Fällen werden die Kosten in der Regel der<br />

unterliegenden Partei auferlegt.<br />

2 Jede Partei hat die Gegenpartei nach<br />

Massgabe ihres Unterliegens <strong>für</strong> Kosten<br />

und Umtriebe zu entschädigen.<br />

§ 16 VRG Unentgeltliche Rechtspflege<br />

1 Privaten, welchen die nötigen Mittel fehlen<br />

und deren Begehren nicht offensichtlich<br />

aussichtslos erscheint, ist auf entsprechendes<br />

Ersuchen die Bezahlung von Verfahrenskosten<br />

und Kostenvorschüssen zu<br />

erlassen.<br />

2 Sie haben überdies Anspruch auf die Bestellung<br />

eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes,<br />

wenn sie nicht in der Lage sind,<br />

ihre Rechte im Verfahren selbst zu wahren.<br />

3 (..)<br />

4 Eine Partei, der die unentgeltliche Rechtspflege<br />

gewährt wurde, ist zur Nachzahlung<br />

verpflichtet, sobald sie dazu in der Lage<br />

ist. Der Anspruch des Kantons verjährt<br />

zehn Jahre nach Abschluss des Verfahrens.<br />

lich begründet werden<br />

muss.<br />

Das Zwangsmassnahmengericht<br />

kann keine<br />

Unterhaltsfragen oder<br />

sonstigen Trennungsfolgen,<br />

wie die Zuteilung<br />

der Wohnung, regeln!<br />

Beschwerden betr.<br />

Massnahmen nach §§ 3<br />

- 14 GSG fallen nach §<br />

38 b Abs. 1 lit. d Ziff. 4<br />

VRG seit<br />

1. Juli 2010 in die einzelrichterliche<br />

Zuständigkeit<br />

des Verwaltungsgericht.<br />

Auch<br />

bei Rückweisung zur<br />

Durchführung einer Anhörung<br />

der Parteien<br />

und Neubeurteilung<br />

bleiben die Schutzmassnahmen<br />

in Kraft<br />

und der Einsprache<br />

kommt keine aufschiebende<br />

Wirkung zu;<br />

VGer vom<br />

25. März 2010<br />

(VB.2010.00109, E.<br />

3.2.)<br />

„Die Auflage und Höhe<br />

der Kosten richtet sich<br />

nach der VO über die<br />

Gerichtsgebühren (LS<br />

211.11).“ Gemäss der<br />

verfassungsmässigen<br />

Garantie von Art. 29<br />

Abs. 3 BV kann die unentgeltliche<br />

Rechtspflege<br />

gewährt werden<br />

sowie eine unentgeltliche<br />

Rechtsverbeiständung<br />

(§ 16 VRG).<br />

Die Kosten werden auf<br />

CHF 300 - 600<br />

angesetzt. Die polizeilichen<br />

Schutzmassnahmen<br />

sind<br />

demgegenüber unentgeltlich.<br />

Stundung der Verfahrenskosten<br />

in der wirtschaftlichen<br />

Notsituation.<br />

Sofern eine anwaltschaftliche<br />

Vertretung<br />

notwendig ist,<br />

auch <strong>für</strong> Anwaltskosten.<br />

Die zentrale Inkassostelle<br />

des Obergerichtes<br />

fordert die gestundeten<br />

Beiträge regelmässig<br />

ein.<br />

Die unentgeltliche<br />

Rechtspflege entbindet<br />

nicht von der Zahlung<br />

einer allfälligen Parteientschädigung.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 281 / 2


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz und Deeskalation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Gesetzestexte zum kurzfristigen Schutz vor <strong>Gewalt</strong>, November 2013<br />

D. Gewahrsam<br />

§ 13 GSG Anordnung<br />

1 Neben der Anordnung von Schutzmassnahmen<br />

kann die Polizei die gefährdende<br />

Person überdies in Gewahrsam nehmen,<br />

wenn<br />

a) die Gefährdung gemäss § 2 Abs. 1<br />

schwerwiegend und unmittelbar ist<br />

und nicht auf andere Weise abgewendet<br />

werden kann oder<br />

b) dies zur Sicherung des Vollzugs einer<br />

Schutzmassnahme notwendig ist.<br />

2 Die Polizei darf eine Person nicht länger<br />

als notwendig, längstens aber 24 Stunden<br />

in Gewahrsam behalten. Die Rechtmässigkeit<br />

des Gewahrsams wird auf Gesuch der<br />

betroffenen Person durch das zuständige<br />

Gericht überprüft. Dem Begehren kommt<br />

keine aufschiebende Wirkung zu.<br />

§ 14 GSG Verlängerung<br />

1 Ist ein Gewahrsam von mehr als 24 Stunden<br />

notwendig, so stellt die Polizei innert<br />

24 Stunden ab Beginn des Gewahrsams<br />

dem zuständigen Gericht gemäss § 8 Abs.<br />

2 einen begründeten Antrag auf Verlängerung.<br />

2 Das Gericht hört die gefährdende Person<br />

an und entscheidet innert zwei Arbeitstagen<br />

ab Antragseingang. Die Verlängerung<br />

erfolgt <strong>für</strong> längstens vier Tage. Art. 224ff.<br />

StPO sind sinngemäss anzuwenden.<br />

3 Der Entscheid ist mit Beschwerde beim<br />

Verwaltungsgericht anfechtbar. § 11a gilt<br />

sinngemäss.<br />

E. Flankierende Massnahmen<br />

§ 15 GSG Informations- und Mitteilungspflichten<br />

1 Leben Unmündige im Haushalt der gefährdeten<br />

oder gefährdenden Person, so<br />

teilt die Polizei die angeordneten Schutzmassnahmen<br />

der zuständigen Kindes- und<br />

Erwachsenenschutzbehörde (KESB) mit.<br />

2 Die Polizei informiert die gefährdete und<br />

die gefährdende Person über das weitere<br />

Verfahren und die spezialisierten Beratungsstellen.<br />

Sie übermittelt die Verfügung,<br />

mit der die Schutzmassnahmen angeordnet<br />

worden sind, sowie allenfalls<br />

weitere notwendige Unterlagen je einer<br />

Beratungsstelle <strong>für</strong> gefährdete und gefährdende<br />

Personen.<br />

3 Die polizeilichen und haftrichterlichen<br />

Akten werden der KESB und den Organen<br />

der Zivilrechtspflege auf Anfrage zugestellt.<br />

§ 16 GSG Beratungsstellen<br />

1 Der Kanton bezeichnet spezialisierte Beratungsstellen<br />

<strong>für</strong> gefährdende und gefährdete<br />

Personen und unterstützt die Tätigkeit<br />

dieser Organisationen.<br />

2 Nach einer Mitteilung gemäss § 15 Abs. 2<br />

nimmt die Beratungsstelle mit den gefährdeten<br />

und den gefährdenden Personen umgehend<br />

Kontakt auf. Wünscht eine Person<br />

keine Beratung, werden die von der Polizei<br />

übermittelten Unterlagen von den Beratungsstellen<br />

vernichtet.<br />

„Vorausgesetzt wird (..)<br />

eine nicht anders abwendbare<br />

schwere Gefährdung.<br />

Besteht ein<br />

Verdacht auf ein Vergehen<br />

oder Verbrechen,<br />

so kann die Polizei<br />

(..) eine Person<br />

festnehmen, ohne dass<br />

(..) eine schwerwiegende<br />

und unmittelbare<br />

Gefährdung des Opfers<br />

bzw. der gefährdeten<br />

Person vorliegen muss.<br />

Damit wird verdeutlicht,<br />

dass der Fokus dieses<br />

Gesetzes nicht das deliktische<br />

Handeln, sondern<br />

das ausgewiesene<br />

und glaubhaft zu machende<br />

Schutzbedürfnis<br />

der von <strong>Gewalt</strong> betroffenen<br />

Person ist.“<br />

In über 55% der Haushalte<br />

sind Kinder.<br />

Die KESB muss abklären,<br />

ob Kindsschutzmassnahmen<br />

notwendig<br />

sind.<br />

Die Schutzverfügung<br />

wird von der Polizei<br />

übermittelt. Die Beratungsstellen<br />

klären ab,<br />

ob die Betroffenen eine<br />

Beratung wollen (vgl. §<br />

16 GSG).<br />

In einer akuten Gefährdungssituation<br />

ist eine<br />

Unterbringung im Frauenhaus<br />

notwendig.<br />

Auch kann sich die<br />

Frage einer <strong>für</strong>sorgerischen<br />

Unterbringung<br />

(426ff ZGB) stellen,<br />

wenn die Drittgefährdung<br />

Folge einer Erkrankung<br />

ist.<br />

Adressen der Beratungsstellen<br />

in Kap.<br />

901.<br />

§ 17 GSG Interventionsstelle<br />

1 Die kantonale Interventionsstelle gegen<br />

häusliche <strong>Gewalt</strong> gewährleistet, steuert,<br />

koordiniert und überprüft die Zusammenarbeit<br />

der mit häuslicher <strong>Gewalt</strong> befassten<br />

Behörden und Beratungsstellen.<br />

2 Die zuständige Direktion des Regierungsrates<br />

setzt eine fachübergreifende Arbeitsgruppe<br />

ein, welche die Arbeit der Interventionsstelle<br />

unterstützt und begleitet.<br />

§ 18 GSG Aus- und Weiterbildung<br />

1 Der Kanton sorgt <strong>für</strong> die fachliche Ausund<br />

Weiterbildung der mit häuslicher <strong>Gewalt</strong><br />

befassten Behörden und Beratungsstellen.<br />

2 Er fördert die regelmässige Information<br />

der Bevölkerung zu Fragen der häuslichen<br />

<strong>Gewalt</strong>.<br />

3 Er unterstützt die Tätigkeit entsprechender<br />

Organisationen, insb. <strong>für</strong> vorbeugende<br />

Massnahmen zur Verminderung der <strong>Gewalt</strong>.<br />

Die IST Interventionsstelle<br />

gegen <strong>Häusliche</strong><br />

<strong>Gewalt</strong> ist bei der Präventionsabteilung<br />

der<br />

Zürcher <strong>Kantonspolizei</strong>.<br />

Das strategische Kooperationsgremium<br />

setzt sich aus ca. 20<br />

Fachpersonen zusammen,<br />

die Behörden und<br />

NGO vertreten, die sich<br />

mit <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

befassen.<br />

www.ist.zh.ch<br />

2. <strong>Gewalt</strong>schutzrechtliche Massnahmen in<br />

Wohngemeinschaften<br />

Art. 28 b ZGB <strong>Gewalt</strong>, Drohungen oder<br />

Nachstellungen<br />

2/3<br />

(..)<br />

4 Die Kantone bezeichnen eine Stelle, die<br />

im Krisenfall die sofortige Ausweisung der<br />

verletzenden Person aus der gemeinsamen<br />

Wohnung verfügen kann, und regeln das<br />

Verfahren.<br />

§ 42a EG zum ZGB Polizeiliche Zuständigkeit<br />

1 Die Polizei ist zuständige Stelle im Sinne<br />

von Art. 28b Abs. 4 ZGB.<br />

2 Liegt ein Fall häuslicher <strong>Gewalt</strong> im Sinne<br />

von § 2 GSG vor, richtet sich das Verfahren<br />

nach diesem Gesetz.<br />

3 In den übrigen Fällen sind die §§ 3 Abs. 3,<br />

4, 5 und 7 Abs. 1 GSG sinngemäss anwendbar.<br />

Im Kanton <strong>Zürich</strong><br />

kommt diese eidgenössische<br />

polizeirechtliche<br />

Schutzbestimmung in<br />

der akuten <strong>Gewalt</strong>situation<br />

selten zur Anwendung,<br />

da meist das<br />

GSG genügt.<br />

Die Anordnung der<br />

Schutzmassnahme erfolgt<br />

nach GSG. Für eine<br />

Verlängerung und<br />

Beibehaltung des<br />

Schutzes muss im Vereinfachten<br />

Verfahren<br />

ein Zivilprozess angestrengt<br />

werden.<br />

3. Persönlichkeitsrechtlicher <strong>Gewalt</strong>schutz<br />

Art. 28 b ZGB <strong>Gewalt</strong>, Drohungen oder<br />

Nachstellungen<br />

1 Zum Schutz gegen <strong>Gewalt</strong>, Drohungen<br />

oder Nachstellungen kann die klagende<br />

Person dem Gericht beantragen, der verletzenden<br />

Person insbesondere zu verbieten:<br />

1. sich ihr anzunähern oder sich in einem<br />

bestimmten Umkreis ihrer Wohnung<br />

aufzuhalten;<br />

2. sich an bestimmten Orten, namentlich<br />

bestimmten Strassen, Plätzen oder<br />

Quartieren, aufzuhalten;<br />

3. mit ihr Kontakt aufzunehmen, namentlich<br />

auf telefonischem, schriftlichem<br />

oder elektronischem Weg, oder sie in<br />

anderer Weise zu belästigen;<br />

2/3/4 (..)<br />

Zu den privatrechtlichen,<br />

im Persönlichkeitsrecht<br />

begründeten<br />

Schutzmassnahmen<br />

vgl. Kapitel 3.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 281 / 3


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />

282 Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz<br />

1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />

Inhaltsübersicht<br />

1. Zweck von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen § 1 GSG<br />

2. Tatbestandsmerkmale<br />

2.1. Familiäre Beziehung § 2 Abs. 1 GSG<br />

2.2. <strong>Gewalt</strong> und Drohung § 2 Abs. 1 lit a. GSG<br />

2.3. Stalking § 2 Abs. 1 lit. b GSG<br />

3. <strong>Gewalt</strong>schutzrechtliche Massnahmen<br />

3.1. Wegweisung § 3 Abs. 2 lit a. GSG<br />

3.2. Rayonverbot § 3 Abs. 2 lit. b GSG<br />

3.3. Kontaktverbot § 3 Abs. 2 lit. c GSG<br />

3.4. Kontaktverbot gegenüber Kindern § 3 Abs. 2 lit. c GSG<br />

3.5. Verhältnismässigkeit von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen<br />

3.6. Teilaufhebung der GSG-Massnahme durch zivilrechtliche, vorsorgliche Kindesschutzmassnahmen<br />

4. Sachverhaltsabklärung durch Polizei und Gerichte<br />

4.1. Rechtliches Gehör, Anhörung, Glaubhaftigkeit § 3 Abs. 1 GSG, 9 Abs. 23 GSG<br />

4.2. Beweisabnahme, Glaubhaftmachung § 10 Abs. 1 GSG<br />

4.3. Kognition des Zwangsmassnahmen- und des Verwaltungsgerichts<br />

5. Zuständigkeit und Verhältnis zu den Parallelverfahren<br />

5.1. Örtliche und sachliche Zuständigkeit § 8 Abs. 2 GSG<br />

5.2. Verhältnis zu zivilrechtlich angeordneten Massnahmen (insb. Ehe- und Kindesschutz) § 7 Abs. 1 GSG<br />

5.3. Verhältnis zu strafprozessualen und strafrechtlichen Massnahmen und Auflagen § 7 Abs. 2 GSG<br />

6. Rechtsmittelinstanzen<br />

6.1. Beschwerde an das Verwaltungsgericht § 11a GSG<br />

6.2. Beschwerde an das Bundesgericht<br />

7. Verfahrensrechtliche Fragen<br />

7.1. Zustellung der Vorladung im GSG-Gerichtsverfahren § 4 Abs. 3 GSG<br />

7.2. Aktuelles Rechtsschutzinteresse und Gegenstandslosigkeit<br />

7.3. Keine aufschiebende Wirkung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde § 11a Abs. 2 GSG<br />

7.4. Weitere verfahrensrechtlichen Fragen<br />

8. Gerichtskosten, Parteientschädigung, Unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung<br />

8.1. Kostenauflage, Parteientschädigung § 12 GSG<br />

8.2. Unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung § 16 VRG<br />

Linke Spalte: Wörtliche Auszüge aus den Entscheiden; Hervorhebungen durch die IST<br />

Rechte Spalte: Prozessnummern; Stichworte; Hinweise zum Sachverhalt des Entscheides und Kommentare der IST sind kursiv.<br />

Seit 2008 ist das Zürcher Verwaltungsgericht Beschwerdeinstanz gegen richterliche GSG-Entscheide. Seit dem 1. Juli 2010 ist ein<br />

Einzelrichter des Verwaltungsgerichts zuständig.<br />

Mit der Einführung der Strafprozessordnung am 1. Januar 2011 wurde der Haftrichter als Zwangsmassnahmengericht bezeichnet.<br />

Die vollständigen Texte der publizierten Urteile können mit Hilfe der Prozessnummern <strong>für</strong> das Zürcher Verwaltungsgericht unter<br />

www.vgrzh.ch; <strong>für</strong> das Bundesgericht unter www.bger.ch abgerufen werden.<br />

1. Zweck von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen § 1 GSG<br />

2. (..) Auf das Zürcher <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz abgestützte Massnahmen werden im öffentlichen Interesse zum<br />

Schutz gefährdeter Personen und zur Entspannung einer häuslichen <strong>Gewalt</strong>situation angeordnet (vgl.<br />

die Weisung des Regierungsrats vom 6. Juli 2005 zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, Amtsblatt des Kantons <strong>Zürich</strong><br />

2005, S. 767 ff., 771). Sie sind weder an die Eröffnung eines Strafuntersuchungsverfahrens gebunden noch an<br />

die Einleitung eines Zivilverfahrens, namentlich eines Eheschutzverfahrens geknüpft (vgl. die Weisung des<br />

Regierungsrats, a.a.O., insb. S. 774 und 776 f.).<br />

Ein wichtiges Anliegen der Schutzmassnahmen im Sinne des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes ist, dass die gefährdete<br />

Person wieder Sicherheit gewinnen und zur Ruhe kommen kann (ABl. 2005, 774).<br />

Der Beschwerdeführer ist in seiner Bewegungsfreiheit im Sinne von Art. 10 Abs. 2 BV eingeschränkt worden.<br />

Diese Verfassungsgarantie stellt <strong>für</strong> sich allein genommen kein "civil right" dar. Mit der Auferlegung von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen<br />

(Rayon- und Kontaktverbot) besteht aber die Möglichkeit der Gefährdung des "guten<br />

Rufs", wie er vom nationalen Recht durch Art. 28 ff. ZGB und Art. 173 ff. StGB geschützt ist. Der "gute Ruf"<br />

stellt grundsätzlich ein "civil right" dar und ist geeignet, in den Anwendungsbereich von Art. 6 Ziff. 1<br />

EMRK zu fallen. Der vom Beschwerdeführer angerufene Anspruch auf rechtliches Gehör ist Teilgehalt des<br />

allgemeinen Grundsatzes des fairen Verfahrens von Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 29 Abs. 1 BV. Er wird auch<br />

durch Art. 29 Abs. 2 BV geschützt.<br />

Schutz, Deeskalation BGE 134<br />

I 140, E.2<br />

u.a. VGr, 28. Okt. 2013; E.3.1,<br />

VB.2013.000609<br />

VB.2013.00092, E..4,<br />

VB.2010.00109, E. 2.<br />

VB.2009.00246, E. 2.<br />

VGr, 3. Dez. 2009,<br />

VB.2009.00632, E. 6.<br />

Recht auf faires Verfahren<br />

BGer, 31. Jan. 2008,<br />

BGE 134 I 140, E. 5.2.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 1


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />

Art. 6 Ziff. 1 EMRK garantiert die Öffentlichkeit des Verfahrens. Die Pflicht zur Durchführung einer öffentlichen<br />

Gerichtsverhandlung setzt nach der Rechtsprechung allerdings einen klaren Parteiantrag voraus. Blosse Beweisabnahmeanträge,<br />

wie die Durchführung einer persönlichen Befragung, reichen nicht aus. Art. 29 Abs. 2 BV<br />

räumt keinen Anspruch auf eine mündliche Anhörung ein.<br />

Unter dem Begriff "Freiheitsentziehung" im Sinne von Art. 5 EMRK und Art. 31 BV ist gemäss Rechtsprechung<br />

nicht bloss Haft im engen Sinn zu verstehen. Umgekehrt fällt nicht jede Art der Freiheitsbeschränkung unter<br />

diese Garantie, sondern nur Freiheitsbeschränkungen von gewissem Ausmass und gewisser Intensität. Allgemein<br />

kann Freiheitsentziehung als eine Massnahme der öffentlichen <strong>Gewalt</strong> umschrieben werden, durch die<br />

jemand gegen oder ohne seinen Willen an einem bestimmten, begrenzten Ort <strong>für</strong> gewisse Dauer festgehalten<br />

wird. Bei der Abgrenzung der Freiheitsentziehung von der blossen Beschränkung der Bewegungsfreiheit sind<br />

verschiedene Kriterien zu berücksichtigen, vor allem die Art und Weise, die Dauer, das Ausmass und die<br />

Intensität der Beschränkung; massgeblich sind die Auswirkungen der zu beurteilenden Massnahme insgesamt.<br />

Typische Beispiele sind Untersuchungs- und Auslieferungshaft sowie <strong>für</strong>sorgerische Freiheitsentziehung. Durch<br />

die Auferlegung eines Rayon- und Kontaktverbots wird eine Person in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt.<br />

Es wird ihr untersagt, bestimmte Orte aufzusuchen und mit bestimmten Personen Kontakte zu pflegen.<br />

Abgesehen von einem relativ eng begrenzten Gebiet kann sie ihren Aufenthaltsort frei wählen, ihren Alltag<br />

frei gestalten und ist dabei keinen Kontrollen unterworfen. Diese Art der Freiheitsbeschränkung ist in ihrem<br />

Ausmass und in ihrer Intensität nicht vergleichbar mit einer Festhaltung an einem bestimmten Ort (vgl.<br />

ebenso die regierungsrätliche Weisung, a.a.O., S. 773). Das Rayon- und Kontaktverbot fällt daher nicht unter<br />

den Begriff "Freiheitsentziehung" von Art. 5 EMRK und Art. 31 BV. Die in diesen Bestimmungen enthaltenen<br />

Garantien können vorliegend nicht angerufen werden.<br />

Der Begriff "strafrechtliche Anklage" im Sinne von Art. 6 EMRK ist autonomer Natur und wird vom Bundesgericht<br />

entsprechend der Praxis der Strassburger Organe nach drei Kriterien bestimmt: Massgeblich ist erstens<br />

die Zuordnung der Vorschrift im nationalen Recht. Diesem Gesichtspunkt kommt allerdings nur relative Bedeutung<br />

zu. Von grösserer Tragweite ist zweitens die Natur der vorgeworfenen Handlung und deren Folgen. Wird<br />

als Folge eine Sanktion vorgesehen, die sowohl präventiven als auch vergeltenden Charakter aufweist, so ist<br />

die strafrechtliche Natur der Zuwiderhandlung zu bejahen. Als drittes Kriterium ist auf die Schwere der Sanktion<br />

abzustellen. Zu ermitteln sind die Auswirkungen der Sanktion auf den konkret Betroffenen.<br />

Das GSG wird dem Bereich des öffentlichen Rechts zugeordnet, nicht aber als Strafsache qualifiziert. Die<br />

Anordnung von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen ist nicht zwingend mit der Einleitung eines Strafverfahrens verbunden.<br />

(..) Die <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen sind in ihrer Zielsetzung nicht darauf ausgerichtet, die gewaltausübende<br />

Person zu bestrafen, sondern eine konkrete Person in einer bestimmten <strong>Gewalt</strong>situation zu<br />

schützen (vgl. § 2 Abs. 1 GSG). Auch die Konsequenzen <strong>für</strong> die gefährdende Person - die Pflicht zur Einhaltung<br />

eines rechtlich gebotenen Verhaltens - sind nicht mit denjenigen einer strafrechtlichen Sanktion vergleichbar.<br />

Die Auferlegung von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen fällt demnach nicht unter den Begriff "strafrechtliche<br />

Anklage" i.S.v Art. 6 EMRK, und es können die spezifischen Garantien im Strafverfahren (Art. 6 Ziff.<br />

2 und 3 EMRK, Art. 32 BV) nicht angerufen werden.<br />

<strong>Gewalt</strong>schutzrecht ist nicht<br />

Strafrecht<br />

BGer, 31. Jan. 2008,<br />

BGE 134 I 140, E. 3.2.<br />

Ebenfalls<br />

VGr, 11. März 2013,<br />

VB.2013.00092<br />

E. 4.2. Keine Berufung auf die<br />

Verfahrensgarantien des Strafrechts;<br />

Art. 6 EMRK<br />

2. Tatbestandsmerkmale<br />

2.1 Familiäre Beziehung § 2 Abs. 1 GSG<br />

Zwischen der gefährdenden und der gefährdeten Person muss eine familiäre oder partnerschaftliche Beziehung<br />

bestehen bzw. bestanden haben, die sich durch Vertrautheit, Verletzlichkeit und Abhängigkeit äussert;<br />

das Vorhandensein eines gemeinsamen Haushalts wird nicht vorausgesetzt (Weisung des Regierungsrats,<br />

ABl 2005 S. 762 ff., 771).<br />

Die in einem gemeinsamen Haushalt wohnende 77-jährige Mutter und ihre Tochter stellen eine familiäre<br />

Beziehung im Sinn von § 2 Abs. 1 GSG dar, auch wenn hier die gefährdete Person nicht – wie sonst eher<br />

üblich – das Kind, sondern ein Elternteil ist.<br />

VGr, 25. März 2010,<br />

VB.2010.00098, E. 2.<br />

Mutter-Tochter Beziehung<br />

VGr, 20. Aug. 2009,<br />

VB.2009.00395, E. 3, 5.1.<br />

2.2. <strong>Gewalt</strong> und Drohung § 2 Abs. 1 lit. a GSG<br />

Es sind nicht nur physische <strong>Gewalt</strong>übergriffe des Beschwerdeführers aktenkundig, sondern es ist auch glaubhaft,<br />

dass die Beschwerdegegnerin durch die Dominanz des Beschwerdeführers, der ihr kaum Raum <strong>für</strong><br />

eigene Entscheidungen lässt, auch psychischer <strong>Gewalt</strong> ausgesetzt war.<br />

Unter <strong>Gewalt</strong> fallen gemäss den regierungsrätlichen Weisungen z.B. strafbare Handlungen wie Tätlichkeiten,<br />

Körperverletzungen, Beschimpfungen, Drohungen, Nötigungen und Sachbeschädigungen, sofern sie in der<br />

konkreten Situation geeignet sind, gefährdende oder verletzende Auswirkungen auf die Integrität einer Person<br />

zu haben. Nicht erfasst werden hingegen heftige verbale Streitigkeiten zwischen Partnern, die nicht zu<br />

einer derartigen Verletzung führen.<br />

In engen familiären Beziehungen kann die Schwelle zur Bejahung von <strong>Gewalt</strong> aufgrund einseitiger oder gegenseitiger<br />

Abhängigkeiten tiefer liegen als bei partnerschaftlichen Beziehungen. Angesichts des fortgeschrittenen<br />

Alters, des Gesundheitszustands und der Abhängigkeit der Mutter von der Tochter, welche <strong>für</strong> sie tägliche<br />

Verrichtungen erledigte, ist vorliegend davon auszugehen. Dennoch erreicht die Aussage der Tochter, die<br />

Mutter solle "sterben und verrecken", noch nicht die Intensität psychischer <strong>Gewalt</strong>. Kein anderes Bild ergibt<br />

sich, wenn diese Aussage im Zusammenhang mit weiteren Äusserungen der Beschwerdeführerin gelesen wird,<br />

wie etwa, es herrsche der dritte Weltkrieg und sie habe einen Termin beim Militärtribunal in Paris. Diese Aus-<br />

Psychische <strong>Gewalt</strong><br />

VGr, 20. Mai 2010,<br />

VB.2010.00200, E. 4.2.<br />

Verbale Streite ohne Integritätsverletzung<br />

VGr, 28. Dez. 2009,<br />

VB.2009.00705, E 2.1.<br />

Psychische <strong>Gewalt</strong><br />

VGr, 20. Aug. 2009,<br />

VB.2009.00395, E. 5.3.1.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 2


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />

sagen sind wohl vor dem Hintergrund der psychischen Krankheit der Tochter zu sehen. Sofern sie die Mutter<br />

am Boden liegen lassen haben soll, nachdem jene gestürzt ist, liegt darin ebenfalls keine psychische <strong>Gewalt</strong>.<br />

Zudem bestreitet sie, das Hinfallen bemerkt zu haben.<br />

Selbst wenn das Vorliegen niedrigschwelliger psychischer <strong>Gewalt</strong> bejaht würde, könnten die <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen<br />

aus Gründen der Verhältnismässigkeit nicht um drei Monate verlängert werden, würde es<br />

sich doch um einen Fall sehr leichter <strong>Gewalt</strong> handeln, welcher eine so lange Dauer nicht rechtfertigen würde.<br />

Gegen die psychische Belastung und die Angstgefühle kann die Körperstatur des Beschwerdegegners (2 Meter<br />

gross, 100kg schwer) nichts ausrichten. Das Verhalten der Beschwerdeführerin gefährdete insbesondere die<br />

psychische Integrität des Beschwerdegegners.<br />

Die Aussage eines Ehepartners, dass er zum Erhalt der Ehe alles zu tun bereit wäre, selbst wenn er ins Gefängnis<br />

gehen müsste, kann zwar nicht per se und losgelöst von den übrigen Sachverhaltsumständen als<br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> im Sinne des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes qualifiziert werden.<br />

(..) dass er auf Biegen und Brechen an der Ehe festzuhalten bereit ist und zu diesem Zweck auch strafrechtlich<br />

verpönte Mittel einsetzen würde. Was die gewaltschutzrechtliche Qualifikation der Aussage angeht, muss diese<br />

vor dem Hintergrund gesehen werden, dass der Beschwerdeführer nur sechs Monate zuvor seine Ziele damit<br />

zu erzwingen versucht hatte, dass er mit einem Bild einen Schlag in das Gesicht der Beschwerdegegnerin<br />

andeutete und die Bewegung erst 10 cm vor ihrem Kopf bremste, und dass er auch sonst durch sein unbeherrschtes<br />

Verhalten auffiel. Dass die Beschwerdegegnerin relativ kurze Zeit zuvor bereits einmal einer häuslichen<br />

<strong>Gewalt</strong>situation ausgesetzt war und in diesem Zusammenhang durch Androhung von <strong>Gewalt</strong> in ihrer<br />

psychischen Integrität verletzt wurde, lässt die Aussage des Beschwerdeführers vom 10. Juli 2009 deutlich<br />

bedrohlicher erscheinen. Dieser Beurteilung steht auch nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer der Beschwerdegegnerin<br />

am Abend des 10. Juli 2009 per SMS mitteilte, er habe ihr im Rahmen des nachmittäglichen<br />

Telefonanrufs nicht drohen wollen; zum Zeitpunkt des SMS-Versandes wusste der Beschwerdeführer bereits,<br />

dass die Beschwerdegegnerin ihn inzwischen bei der Polizei angezeigt hatte. Zusammenfassend ging der<br />

Haftrichter zu Recht davon aus, dass die Äusserung des Beschwerdeführers vom 10. Juli 2009 eine Androhung<br />

von <strong>Gewalt</strong> im Sinne von § 2 Abs. 1 GSG darstellte, die die Beschwerdegegnerin in ihrer psychischen Integrität<br />

verletzte und somit den Tatbestand der <strong>Häusliche</strong>n <strong>Gewalt</strong> erfüllte.<br />

VGr, 11. März 2010,<br />

VB.2010.00066, E. 4.2.3.<br />

Sie zündete das T-Shirt an<br />

Würdigung von Drohungen<br />

unter Einbezug der Vorgeschichte<br />

VGr, 3. Sep. 2009,<br />

VB.2009.00422, E. 5.3.<br />

2.3. Stalking § 2 Abs. 1 lit. b GSG<br />

§ 2 Abs. 1 lit. b GSG will Formen der Trennungsgewalt tatbestandsmässig erfassen, die auch als „Stalking“<br />

bezeichnet werden und bei den Betroffenen schwere psychische Schädigungen verursachen können (Weisung<br />

des Regierungsrates, ABl 2005, S. 762 ff., 772).<br />

Der Beschwerdeführer deckte das gesamte Umfeld der Beschwerdegegnerin mit massiven Indiskretionen<br />

aus der gemeinsamen Ehezeit ein und beschränkt sich nicht darauf, die <strong>für</strong> seine Anliegen zuständigen<br />

Instanzen auf sachliche und neutrale Art zu informieren. Damit bezweckte er offensichtlich, den Ruf der Beschwerdegegnerin<br />

zu schädigen. Die zahlreichen Aktivitäten des Beschwerdeführers erscheinen ohne Weiteres<br />

geeignet, die psychische Integrität der Beschwerdegegnerin zu verletzen. Die anhaltenden massiven Belästigungen<br />

des Beschwerdeführers sind demnach als <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> im Sinne von § 2 Abs. 1 GSG zu qualifizieren.<br />

Der Haftrichter erachtete diverse Äusserungen in den an die Beschwerdegegnerin gerichteten Schreiben als<br />

durchaus geeignet, um die psychische Integrität eines Menschen zu verletzen oder zu gefährden. So habe der<br />

Beschwerdeführer u.a. festgehalten: „Jedes Mal, wenn du in den Spiegel schaust, wirst du eine Frau sehen, die<br />

feige und verlogen ist…“. In einem weiteren Schreiben hiess es „Tatsache ist, dass du bereits um 1.40 Uhr<br />

wieder zu ihm ins Bett gestiegen bis und bis 6.45 Uhr bei ihm gewesen bist, was ich anhand des Bildes beweisen<br />

kann, das ich am 17. Juli morgens gemacht habe.“ (..). Insbesondere erfolgten solche - teilweise sehr<br />

lange - Schreiben nicht nur unmittelbar oder kurz nach Auflösung der Beziehung, sondern wiederkehrend<br />

auch noch Monate danach. Dem Beschwerdeführer war ausserdem bewusst, dass die Beschwerdegegnerin<br />

keine Schreiben oder SMS mehr zu empfangen wünscht. Die Qualifikationen des Beschwerdeführers zielen<br />

unmissverständlich darauf hin, der Beschwerdegegnerin zu suggerieren, charakterlich schlecht und unfähig zu<br />

sein, ihr Leben - insbesondere in partnerschaftlicher Hinsicht - selber bzw. ohne ihn gestalten zu können. Wie<br />

der Haftrichter zu Recht ausführte, macht der Beschwerdeführer in „zermürbender Regelmässigkeit“ entsprechende<br />

Vorhalte, welche das Selbstwertgefühl der Beschwerdegegnerin in untragbarer Weise beeinträchtigen<br />

sollen und objektiv massive Belästigungen darstellen. Das Verhalten ist durchaus als „Stalking“ zu<br />

werten und geeignet, bei der Beschwerdegegnerin schwere psychische Schäden zu verursachen.<br />

Der Beschwerdeführer sei zusammen mit seiner heutigen Ehefrau und einem Kollegen in der Bar in Winterthur<br />

erschienen, in der die Beschwerdegegnerin arbeite. Trotz entsprechender Aufforderung durch sie und ihren<br />

Chef hätten die drei Personen die Bar erst nach Aufbieten der Polizei verlassen. Es sei anzunehmen, dass dem<br />

Beschwerdeführer damals bewusst gewesen sei, dass sich die Beschwerdegegnerin durch seine Anwesenheit<br />

bedroht gefühlt habe. Das Aussageverhalten der Beschwerdegegnerin sei konsistent. Sie habe glaubhaft<br />

gemacht, dass der Beschwerdeführer auch an ihrem früheren Arbeitsort immer wieder aufgetaucht sei und<br />

dass er das Rayonverbot kurz nach Erlass der <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen missachtet habe. Sodann sei davon<br />

auszugehen, dass die mehrfachen Wohnsitzwechsel der Beschwerdegegnerin auf das belästigende Verhalten<br />

des Beschwerdeführers zurückzuführen seien. Insgesamt spreche das Verhalten des Beschwerdeführers da<strong>für</strong>,<br />

dass er das Bedürfnis der Beschwerdegegnerin nach Ruhe nicht respektiere. Es sei von einem subtilen Stal-<br />

VGr, 3. Dez. 2009,<br />

VB.2009.00632, E. 3.1<br />

Fortgesetze Verleumdung<br />

VGr , 4. Juni 2009,<br />

VB.2009.00246, E.1<br />

VGr, 25. März 2010,<br />

VB..2010.00098, E 3.3 f., E. 4.3.<br />

Der Beschwerdeführer schrieb<br />

der Beschwerdegegnerin seit<br />

Sommer 2009 wöchentlich<br />

teilweise eingeschriebene<br />

Briefe, zahllose SMS und E-<br />

Mails, welche mehr als einen<br />

Bundesordner füllten.<br />

Annäherung ohne sachlichen<br />

Grund<br />

VGr, 5. Nov. 2009,<br />

VB.2009.00514, E. 4.2.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 3


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />

king auszugehen, das als <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> im Sinne des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes zu werten sei. Im vorliegenden<br />

Fall ist unbestritten, dass sich der Beschwerdeführer und die Beschwerdegegnerin aufgrund der seit 2006<br />

anhaltenden Streitigkeiten in einer emotional sehr belastenden Situation befinden. Dem Beschwerdeführer<br />

musste aufgrund des Strafprozesses 2007 und des Scheidungsverfahrens 2008 klar geworden sein, dass sich<br />

die Beschwerdegegnerin vor ihm <strong>für</strong>chtet und dass sie es als bedrohlich auffassen musste, wenn er sich<br />

ihr ohne sachlichen Grund bewusst näherte und trotz entsprechender Aufforderung nicht wieder entfernte.<br />

Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass die Beschwerdegegnerin in ihrer psychischen<br />

Integrität verletzt wurde, als der Beschwerdeführer am 1. Sep. 2009 die Bar, wo sie arbeitete, betrat<br />

und diese erst wieder verliess, nachdem der Geschäftsführer die Polizei gerufen hatte. Das Verhalten des<br />

Beschwerdeführers ist objektiv als massive Belästigung der Beschwerdegegnerin einzustufen – selbst wenn<br />

man davon ausgehen würde, dass der Beschwerdeführer beim Betreten der Bar noch nicht wusste, dass die<br />

Beschwerdegegnerin in diesem Lokal tätig ist.<br />

3. <strong>Gewalt</strong>schutzrechtliche Massnahmen<br />

3.1 Wegweisung § 3 Abs. 2 lit a. GSG<br />

4.1 Die Wegweisung des Beschwerdegegners aus der Wohnung würde im vorliegenden Fall einen Eingriff in<br />

sein Recht auf Achtung seines Privatlebens gemäss Art. 13 Abs. 1 der Bundesverfassung vom 18. April 1999<br />

(BV) bedeuten. Letzteres vermittelt einen Anspruch darauf, vom Staat nicht in der freien Gestaltung des Lebens<br />

und des Verkehrs mit anderen Personen beeinträchtigt zu werden (vgl. Botschaft des Bundesrats vom 20.<br />

November 1996 über eine neue Bundesverfassung, BBl 1999 S. 152; Pascal Mahon in: Jean-François Aubert/Pascal<br />

Mahon [Hrsg.], Petit commentaire de la Constitution fédérale de la Confédération Suisse, <strong>Zürich</strong><br />

etc. 2003, Art. 13 N. 2). Der Beschwerdegegner wäre durch eine Wegweisung gezwungen, sein Leben anders<br />

zu gestalten. Zudem findet er sich in einer persönlich schwierigen Situation, bei der es seinen Anspruch auf<br />

Schutz seiner psychischen Unversehrtheit gemäss Art. 10 Abs. 2 BV zu berücksichtigen gilt. Eine Wegweisung<br />

ist mithin nur dann zulässig, wenn sie den Anforderungen von Art. 36 BV genügt. (..)<br />

So frequentierte die Beschwerdeführerin regelmässig das Wohnzimmer des Beschwerdegegners, während<br />

Letzterer die Küche der Beschwerdeführerin benutzte. Nach den glaubhaften Schilderungen der Beschwerdeführerin<br />

befinden sich sodann zahlreiche, in ihrem Eigentum stehende Gegenstände auf der "Seite" des Beschwerdegegners.<br />

Dass es ihr unter diesen Umständen nicht möglich ist, die <strong>für</strong> die Entspannung der Situation<br />

nötige Ruhe zu finden und sich vom Beschwerdegegner auch mental zu distanzieren, erscheint damit als<br />

glaubhaft. Aufgrund des offenen Durchgangs dürfte sich die Beschwerdeführerin auch stets der unmittelbaren<br />

Gegenwart des Beschwerdegegners bewusst sein, kann das ihm auferlegte Betretverbot doch optische und<br />

akustische, von der Beschwerdeführerin wahrnehmbare Einwirkungen seinerseits nicht verhindern.<br />

Diese Massnahmen müssen als Eingriff in Grundrechte der gefährdenden Person, vorliegend insbesondere in<br />

die durch Art. 10 Abs. 2 BV geschützte persönliche Freiheit und in die durch Art. 27 BV garantierte Wirtschaftsfreiheit,<br />

verhältnismässig sein. Der Eingriff in die Grundrechte des Beschwerdeführers darf dabei in sachlicher,<br />

räumlicher, zeitlicher und personeller Hinsicht nicht über das Notwendige hinausgehen. Das öffentliche Interesse<br />

an der Vermeidung <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> überwiegt die privaten Interessen des Beschwerdeführers,<br />

die von der <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahme betroffene Zone zu betreten sowie sich dort aufzuhalten.<br />

Der Haftrichter ging angesichts der Umstände zu Recht davon aus, dass ein Fortbestand der Gefährdung der<br />

Beschwerdegegnerin durch <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> glaubhaft gemacht wurde. Auch Verhältnismässigkeitsüberlegungen<br />

vermögen dies nicht zu ändern. Nachdem die Parteien die ehemalige gemeinsame Wohnung auf Ende<br />

Sep. gekündigt haben und der Haftrichter die Wegweisung und das Rayonverbot ab 1. Sep. 2010 aufgehoben<br />

hat, verbleibt dem Beschwerdeführer ein ganzer Monat Zeit, um seine Gegenstände aus der Wohnung zu<br />

räumen.<br />

Wegweisung und Recht auf<br />

Privatleben bzw. psychische<br />

Unversehrtheit<br />

VGr, 28. Aug. 2012, E. 4.1,<br />

VB.2012.00472<br />

Betraf zwei aneinanderliegende<br />

Wohnungen von Mutter und<br />

Sohn<br />

Gemeinsamer Arbeitsraum<br />

der getrenntlebenden Parteien<br />

wird ins Betretverbot aufgenommen.<br />

VGr, 3. Dez. 2009,<br />

VB.2009.00632, E. 6.<br />

Zeit zum Zügeln<br />

VGr, 25. Aug. 2010,<br />

VB.2010.00394, Erw. 4.4.<br />

3.2 Rayonverbot § 3 Abs. 2 lit. b. GSG<br />

Das Rayonverbot gemäss § 3 Abs. 2 lit. b GSG ist von der Wegweisung aus der Wohnung oder dem Haus<br />

gemäss § 3 Abs. 2 lit. a GSG zu unterscheiden. Die Wegweisung bezieht sich stets auf eine Liegenschaft bzw.<br />

eine Wohnung. Sie wird angeordnet, wenn die gefährdete und die gefährdende Person im gleichen Haushalt<br />

leben, und bezweckt, dass die gefährdete Person unabhängig von der sachen- oder vertragsrechtlichen Situation<br />

ihren Haushalt am bisherigen Ort weiterführen kann. Mit dem Rayonverbot wird hingegen bezweckt, dass<br />

die gefährdete Person sich in einem eng umgrenzten Gebiet sicher aufhalten kann. Rayonverbote umfassen<br />

denn auch regelmässig nicht nur einzelne Liegenschaften, sondern auch deren nähere Umgebung.<br />

Indem der Haftrichter das Rayonverbot auf einzelne Liegenschaften (Wohnhaus und Arbeitsort der Beschwerdeführerin<br />

und Schulhaus der Kinder) beschränkte, kam er dem Schutzgedanken des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes<br />

nicht genügend nach. Ein wesentliches Anliegen der Schutzmassnahmen ist, dass die gefährdete Person<br />

wieder Sicherheit gewinnen und zur Ruhe kommen kann. Dies ist nur möglich, wenn auch die nähere Umgebung<br />

der Wohnliegenschaft, des Arbeitsorts und des Schulhauses vom Rayonverbot erfasst werden. Andernfalls<br />

würde der Beschwerdeführerin faktisch aufgezwungen, sich nur in ihrer Wohnung und an ihrem Arbeitsort<br />

aufzuhalten. Die Anordnungen der <strong>Kantonspolizei</strong> erweisen sich in dieser Hinsicht als gerechtfertigt, beziehen<br />

sie sich doch auf eng umgrenzte Gebiete mit einem maximalen Durchmesser von 300–400 Metern und lassen<br />

der Beschwerdeführerin damit die Möglichkeit offen, sich in der näheren Umgebung sicher aufzuhalten. Für die<br />

Wahrung der Verhältnismässigkeit ist dem Beschwerdeführer aber zu ermöglichen, seine Arbeitsorte aufzusuchen,<br />

wobei da<strong>für</strong> zu sorgen ist, dass die Beschwerdeführerin dadurch so wenig wie möglich beeinträchtigt<br />

wird.<br />

Umfang des Rayons<br />

VGr, 23. Sep. 2009, VB.2009.<br />

00461, E. 5.4.<br />

Die Vorinstanz schränkte das<br />

Betretverbot auf einzelne Liegenschaften<br />

ohne deren Umgebung<br />

ein.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 4


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />

4.4 (..) das auf Montage beschränkte Rayonverbot in D einen Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit des Beschwerdeführers<br />

darstellt, da dieser daran gehindert wird, im Mehrzweckraum des Schulhauses "H" jeden zweiten Montag<br />

von 11.05 bis 11.50 Uhr eine Sportlektion zu erteilen. Die Zulässigkeit eines solchen Eingriffs setzt voraus,<br />

dass es sich beim Rayonverbot um eine geeignete, erforderliche und zumutbare Massnahme handelt. Im<br />

vorliegenden Fall stellt sich insbesondere die – vom Haftrichter nicht näher geprüfte – Frage, ob nicht ein<br />

milderer Eingriff genügen würde, um das Ziel, die Beschwerdegegnerin an ihrem Arbeitsort in D vor häuslicher<br />

<strong>Gewalt</strong> zu schützen, zu erreichen. Dies ist zu bejahen: Erlaubt man dem Beschwerdeführer zu Arbeitszwecken,<br />

das Schulhaus H in D von 11 bis 12 Uhr an jenen Montagen zu betreten, an denen er im dortigen Mehrzweckraum<br />

Sport unterrichtet, so bedeutet dies <strong>für</strong> die Beschwerdegegnerin – verglichen mit einem auch von 11 bis<br />

12 Uhr geltenden Rayonverbot – keine oder höchstens eine äusserst geringfügig gesteigerte Gefährdung. Zu<br />

Begegnungen zwischen den Ex-Partnern wird es bereits deshalb kaum kommen, weil der Beschwerdeführer im<br />

Mehrzweckraum und die Beschwerdegegnerin im Spielgruppenraum arbeiten. Ferner hat die Beschränkung der<br />

Betreterlaubnis auf die Stunde von 11 bis 12 Uhr zur Folge, dass der Beschwerdeführer das Schulhausareal,<br />

das er nur zu Arbeitszwecken betreten darf, vor und nach dem Unterricht umgehend und auf direktem<br />

Weg verlassen muss. Umgekehrt führt die zeitliche Lockerung des Rayonverbots dazu, dass der Eingriff in die<br />

Wirtschaftsfreiheit des Beschwerdeführers weitgehend entfällt. Demnach steht eine Massnahme zur Verfügung,<br />

die die Grundrechte des Beschwerdeführers in wesentlich geringerem Umfang beschränkt, ohne dass das Ziel,<br />

die Beschwerdegegnerin vor häuslicher <strong>Gewalt</strong> zu schützen, dadurch beeinträchtigt würde. Das in D an Montagen<br />

geltende Rayonverbot erweist sich somit insofern als unverhältnismässig, als es <strong>für</strong> die Stunde von 11 bis<br />

12 Uhr keine Ausnahme vorsieht.<br />

Wirtschaftsfreiheit<br />

Rayonverbot, welches den<br />

Arbeitsplatz umfasst.<br />

Verhältnissmässigkeit<br />

VGr, 11. April 2013, E.4.4,<br />

VB.2013.00145<br />

3.3. Kontaktverbot § 3 Abs. 2 lit. c GSG<br />

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer – wenn auch über die Rechtsvertreterin der Beschwerdegegnerin<br />

– versuchte, an die Beschwerdegegnerin zu gelangen, obwohl das Verbot auch eine Kontaktaufnahme über<br />

Drittpersonen umfasste, lässt überdies den Schluss zu, dass er allfällige Treffen mit E auch zu einem untersagten<br />

Annäherungsversuch zur Beschwerdegegnerin missbrauchen könnte (vgl. VGr, 21. Juli 2011,<br />

VB.2011.00410, E. 6.2; 7. April 2011, VB.2011.00142, E. 4.2)<br />

Kontaktaufnahme über Drittpersonen<br />

VGr, 11. März 2013,<br />

VB.2013.92<br />

3.4. Kontaktverbot gegenüber Kindern § 3 Abs. 2 lit. c GSG<br />

Art. 13 Abs. 1 BV gewährleistet den Anspruch einer jeden Person auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens.<br />

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts fällt unter den verfassungs- und konventionsrechtlichen Begriff<br />

"Familie" in erster Linie die Kernfamilie, d.h. die Beziehung zwischen Ehegatten sowie zwischen Eltern und<br />

minderjährigen Kindern. Inhaltlich schützt das Recht auf Achtung des Familienlebens das Recht auf Zusammenleben<br />

oder auf persönliche Kontakte unter den Familienmitgliedern. Zwischen dem minderjährigen Kind<br />

und den Elternteilen gilt dies auch dann, wenn die Beziehung zwischen den Eltern beendet ist, die Eltern nicht<br />

mehr zusammenleben oder geschieden sind. Die Auferlegung eines vollständigen Kontaktverbots zwischen<br />

einem Elternteil und dem minderjährigen Kind stellt einen schweren staatlichen Eingriff in das<br />

Recht auf Familienleben dar. Ein solcher ist nur zulässig, wenn er auf einer formellgesetzlichen Grundlage<br />

beruht, im öffentlichen Interesse liegt, verhältnismässig ist und der Kerngehalt des Grundrechts unangetastet<br />

bleibt (Art. 36 BV, Art. 8 Abs. 2 EMRK, Art. 17 Abs. 2 UNO-Pakt II).<br />

Der Haftrichter begründete die Verlängerung der <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen in erster Linie mit der lang andauernden<br />

Anspannung der ehelichen Beziehungen sowie mit der Körperverletzung zum Nachteil der Ehefrau. Das<br />

Kontaktverbot mit den Kindern stützte der Haftrichter auf den Umstand, dass die Kinder bei der gewaltbetroffenen<br />

Mutter leben und der Vater sie in der Vergangenheit ebenfalls geschlagen habe. Zudem habe die Ehefrau<br />

angegeben, der Beschwerdeführer habe ihr wiederholt mit der Wegnahme der Kinder gedroht. Die Aufrechterhaltung<br />

des Kontaktverbots sei jedenfalls so lange gerechtfertigt, als nicht ein Eheschutzrichter den Kontakt<br />

zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Kindern geregelt habe. Der Haftrichter hat vorliegend mildere<br />

Massnahmen nicht einmal ansatzweise in Betracht gezogen. Dies hätte er umso mehr tun müssen, als er die<br />

Auffassung vertritt, die Schutzmassnahme solle während der gesetzlichen Maximaldauer von drei Monaten<br />

bestehen bleiben. Der Haftrichter hätte die Frage milderer Massnahmen in Betracht ziehen müssen.<br />

Im Folgenden ist zunächst zu prüfen, ob die Kinder selber von häuslicher <strong>Gewalt</strong> betroffen, d.h. in ihrer körperlichen,<br />

sexuellen oder psychischen Integrität verletzt oder gefährdet sind (§ 2 Abs. 1 GSG). Dabei kann nicht<br />

davon ausgegangen werden, dass dies regelmässig und gewissermassen automatisch der Fall ist, wenn vom<br />

Vater gegenüber der Mutter <strong>Gewalt</strong> ausgeübt wird. Insbesondere genügt dazu allein die Tatsache, dass die<br />

Eltern nicht in der Lage sind, die Kinder aus ihren ehelichen Problemen herauszuhalten, und dass die Konflikte<br />

der Eltern zu Nervosität, Loyalitätskonflikten und schulischen Problemen der Kinder führen, nicht. Solche<br />

Probleme bestehen häufig auch bei gewaltfreien Ehekonflikten und stellen <strong>für</strong> sich keine Gefährdung durch<br />

häusliche <strong>Gewalt</strong> dar. Übt jedoch die gefährdende Person wiederholt <strong>Gewalt</strong> gegen die gefährdete Person<br />

in Anwesenheit der Kinder aus, so kann dies zu einer Traumatisierung der Kinder führen, welche sie<br />

selber zu von (psychischer) <strong>Gewalt</strong> betroffenen Personen macht.<br />

Sind die Kinder nicht selber von häuslicher <strong>Gewalt</strong> betroffen, so stellt sich in einem zweiten Schritt die Frage,<br />

ob Grund <strong>für</strong> eine Ausdehnung der Schutzmassnahmen auf nahe stehende Personen im Sinn von § 3 Abs. 2<br />

lit. c GSG besteht bzw. unter welchen Voraussetzungen dies zulässig ist. Dazu lässt sich der Weisung des<br />

Regierungsrats zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz nichts entnehmen (ABl 2005 762 ff.). Die Kinder einer gefährdeten<br />

Person sind zwar zweifellos nahe stehende Personen im Sinn von § 3 Abs. 2 lit. c GSG. Doch erlaubt dies<br />

nicht, die Kinder voraussetzungslos in das Kontaktverbot einzubeziehen, denn das <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz bezweckt<br />

den Schutz von Personen, die durch häusliche <strong>Gewalt</strong> betroffen sind (§ 1 GSG). § 3 Abs. 2 lit. c GSG ist<br />

BGer, 19. Okt. 2007,<br />

BGE 1C_219/2007, E. 2.3.<br />

Recht auf Familienleben<br />

Wegweisung aus der gemeinsamen<br />

Wohnung und Kontaktverbot<br />

mit der Ehefrau und den<br />

Kindern.<br />

Ebenfalls<br />

VGr, 1. Nov. 2010,<br />

VB.2010.00561, E. 4.2.,5.<br />

Voraussetzung <strong>für</strong> Kontaktverbot<br />

gegenüber Kindern<br />

VGr, 7. April 2011<br />

VB 2011.00142, E. 4.2<br />

VB.2013.261, E 4.2.2.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 5


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />

vielmehr so auszulegen, dass die Ausdehnung des Kontaktverbots auf nahe stehende Personen zulässig<br />

ist, wenn dies zum Schutz der gefährdeten Person notwendig ist, wenn also beispielsweise Anhaltspunkte<br />

da<strong>für</strong> bestehen, dass der Kontakt mit den Kindern zur verbotenen Kontaktaufnahme zur gefährdeten<br />

Person missbraucht wird, um diese weiterhin zu bedrohen.<br />

Sowohl die direkte Betroffenheit der Kinder von häuslicher <strong>Gewalt</strong> als auch die Ausdehnung der Schutzmassnahmen<br />

auf die Kinder ist vom Haftrichter zu prüfen und zu begründen. Dies erfordert der Anspruch auf rechtliches<br />

Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV; vgl. dazu VGr, 1. November 2010, VB.2010.00561, E. 2.3).<br />

Im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung ist schliesslich dem Umstand Rechnung zu tragen, dass ein<br />

dreimonatiges gänzliches Kontaktverbot der gefährdenden Person zum unmündigen Kind einen schweren<br />

staatlichen Eingriff in das verfassungsmässige Recht – der gefährdenden Person wie des Kindes – auf Familienleben<br />

darstellt (vgl. E. 3.2). Der Eingriff setzt daher eine Interessenabwägung voraus, welche eine gleichsam<br />

automatische Ausdehnung des Kontaktverbots auf die Kinder ebenfalls ausschliesst. Damit kann<br />

vermieden werden, dass dieses Instrument zur Vorbereitung des Scheidungsverfahrens hinsichtlich der Frage<br />

der Zuteilung der elterlichen Obhut missbraucht wird.<br />

5.1 (..) Übt jedoch die gefährdende Person wiederholt <strong>Gewalt</strong> gegen die gefährdete Person in Anwesenheit<br />

des Kindes aus, so kann dies zu einer Traumatisierung des Kindes führen, die es selbst zu einer von<br />

(psychischer) <strong>Gewalt</strong> betroffenen Person macht. (..)<br />

5.3 (..) Die Anordnung bzw. Verlängerung eines solchen Verbots kommt deshalb nur infrage, wenn den drohenden<br />

Gefahren nicht mittels milderer Massnahmen begegnet werden kann (..) In Würdigung der gesamten<br />

Umstände ist nicht ersichtlich, welche mildere Massnahme das Zwangsmassnahmengericht hätte anordnen<br />

können, um den Gesetzeszweck – Schutz, Sicherheit und Unterstützung von Personen, die durch häusliche<br />

<strong>Gewalt</strong> betroffen sind (§ 1 Abs. 1 GSG) – gerecht zu werden, zumal es nicht in der Kompetenz der <strong>Gewalt</strong>schutz<br />

anordnenden Instanz liegt, ein begleitetes oder unbegleitetes Besuchsrecht anzuordnen.(..)<br />

4.2.2. (..)Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer zwar nie häusliche <strong>Gewalt</strong> ausgeübt, die sich direkt<br />

gegen die beiden Kinder richtete (..). Gleichzeitig ist jedoch zu beachten, dass der knapp sechsjährige Sohn<br />

und die vierjährige Tochter unbestrittenermassen beim Vorfall vom 18. Februar 2013, als der Beschwerdeführer<br />

gegenüber der Beschwerdegegnerin häusliche <strong>Gewalt</strong> ausübte, anwesend waren. Werden Kinder Zeugen<br />

von häuslicher <strong>Gewalt</strong>, ist ihr Wohl gefährdet (Büchler/Michel, S. 551). Die Kinder des Beschwerdeführers<br />

und der Beschwerdegegnerin werden von der Beratungsstelle H betreut, wo sie gemäss Aussagen der Beschwerdegegnerin<br />

geäussert hätten, dass sie Angst vor ihrem Vater hätten (act. 9, Anhörungsprotokoll S. 4).<br />

Wie die Vorinstanz ausgeführt hat, ist es aufgrund der massiven <strong>Gewalt</strong>, die der Beschwerdeführer gegen die<br />

Beschwerdegegnerin angewendet hat, nachvollziehbar, dass die Kinder derzeit Angst vor ihm haben.(..)<br />

4.3. (..) Vorliegend muss davon ausgegangen werden, dass die kleinen Kinder mit der Situation überfordert<br />

sind, nachdem sie miterlebt haben, wie ihr Vater ihre Mutter geschlagen hat, auch als sie bereits am Boden lag.<br />

Es ist daher mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass es eine gewisse Zeit benötigt, die Kinder wieder an<br />

den Beschwerdeführer heranzuführen. Es sind daher keine mildere Massnahmen im Vergleich zu einem dreimonatigen<br />

Kontaktverbot ersichtlich, die das Zwangsmassnahmengericht hätte anordnen können, um dem<br />

Gesetzeszweck – Schutz, Sicherheit und Unterstützung von Personen, die durch häusliche <strong>Gewalt</strong> betroffen<br />

sind (§ 1 Abs. 1 GSG) – gerecht zu werden, zumal es nicht in der Kompetenz der <strong>Gewalt</strong>schutz anordnenden<br />

Instanzen liegt, ein (begleitetes oder unbegleitetes) Besuchsrecht anzuordnen.<br />

6.2 (..) Die Rüge des Beschwerdeführers, der Schutz vor Entführung von Kindern sei gar nicht durch das<br />

<strong>Gewalt</strong>schutzgesetz abgedeckt, ist unzutreffend. Von der Drohung, die Kinder nach G zu entführen, sind die<br />

beiden Söhne direkt betroffen, da be<strong>für</strong>chtet werden muss, dass sie gegen ihren Willen ins Ausland und weg<br />

von ihrer gewohnten Umgebung gebracht werden. (..) Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass sich die<br />

Ängste der Beschwerdegegnerin, die sich vor einer Entführung ihrer Kinder <strong>für</strong>chtet, auf die kleinen Kinder<br />

übertragen können.<br />

Angesichts des Verhaltens des Beschwerdeführers und seiner ambivalenten Ausführungen in Bezug auf die<br />

angebliche Drohung gegenüber der Betreuerin im Kinderheim ging das Zwangsmassnahmengericht zu Recht<br />

von einem glaubhaft gemachten Fortbestand der Gefährdung der Kinder im Sinn von § 10 Abs. 1 GSG aus.<br />

Auch falls die Beschwerdegegnerin an dem Tag, an dem sie bei der Polizei war, am Nachmittag den Beschwerdeführer<br />

getroffen hat, kann er daraus nichts zu seinen Gunsten ableiten, da dies keine Auswirkung auf<br />

die Gefährdung der Kinder hat.<br />

5.4 (..), zumal das Bedürfnis der Beschwerdegegnerin nach Ruhe – insbesondere unter Berücksichtigung<br />

ihrer persönlichen Situation als alleinerziehende, berufstätige Mutter – anderweitig nicht entsprochen<br />

werden kann (..). Dies gilt auch <strong>für</strong> ihr engeres familiäres Umfeld, weshalb sich die Ausdehnung der besagten<br />

Massnahmen auf ihre Kinder rechtfertigt.<br />

Die Anordnung der Verlängerung von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen setzt gemäss § 10 Abs. 1 Satz 1 GSG die<br />

blosse Glaubhaftmachung des Fortbestandes einer Gefährdung voraus.<br />

(..) Ein Kontaktrecht hätte damals in Anbetracht des Alters des Sohnes nur über (unerlaubte) Kontakte zwischen<br />

dem Beschwerdeführer und der obhutsberechtigten Beschwerdegegnerin umgesetzt werden können und<br />

wäre unter den gegebenen Umständen mit einem erheblichen Konfliktpotenzial verbunden gewesen. Allenfalls<br />

denkbar wäre ein Kontaktrecht zwar unter Einbezug einer vermittelnden Vertrauensperson gewesen, die Gewähr<br />

<strong>für</strong> ein geordnetes Besuchsrecht hätte bieten können. Doch zum Zeitpunkt des Entscheides des Haftrichters<br />

waren die erforderlichen Abklärungen zur Bestimmung einer Vertrauensperson und zur Regelung der<br />

Kind als Zeuge von <strong>Gewalt</strong><br />

VGr, 25. Okt. 2013,<br />

VB.2013,000609<br />

Verhältnismässigkeit und sachliche<br />

Zuständigkeit des ZMG<br />

Kinder als Zeugen väterlicher<br />

<strong>Gewalt</strong><br />

VGr, 24. April 2013,<br />

VB.2013.261, E.4.2.2.; E.4.3<br />

Ebenfalls<br />

VB.2012.00276<br />

VB.2012.00162<br />

4- und 6-jähriges Kind<br />

Verhältnismässigkeit des dreimonatigen<br />

Kontaktverbots<br />

Entführungsandrohung<br />

VGr, 27. März 2012, E 6.2,<br />

VB.2012.00141<br />

Betr. 5 bzw. 8-jährigen Knaben<br />

Stiefkindern: Berücksichtigung<br />

der Situation der alleinerziehenden<br />

Mutter<br />

VGr, 18. März 2013,<br />

VB.2013.34/68, E.5.4<br />

Kontaktverbot während notwendiger<br />

Abklärungszeit<br />

VGr, 30. April 2009,<br />

VB.2009.00175, E. 5.2.<br />

Einmonatige Verlängerung des<br />

Kontaktverbots zwischen dem<br />

Beschwerdeführer und seinem<br />

7-jährigen Sohn<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 6


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />

Besuchsmodalitäten noch nicht abgeschlossen. Solche Abklärungen, die inzwischen vom Eheschutzrichter in<br />

die Wege geleitet wurden, sind erfahrungsgemäss mit einem gewissen Zeitaufwand verbunden.<br />

Die Anordnung eines einmonatigen Kontaktverbotes stellte eine geeignete, erforderliche und zumutbare Massnahme<br />

dar, um die momentane Konfliktsituation zu entschärfen, potenzielle Gefährdungen abzuwenden und<br />

eine längerfristig gangbare Lösung in die Wege zu leiten. Anzumerken ist, dass sich ein vollständiges Kontaktverbot<br />

vor dem Hintergrund der bundesgerichtlichen Rechtsprechung nur während jener kurzen Zeit rechtfertigt,<br />

die erforderlich ist, um die Modalitäten <strong>für</strong> ein geordnetes und der konkreten Konfliktsituation<br />

angemessenes Kontaktrecht zu regeln. Im vorliegenden Fall erscheint eine baldige Beendigung des Kontaktverbotes<br />

umso dringlicher, als dieses den Beschwerdeführer hart trifft, da er als nicht erwerbstätige<br />

Person mit seinem Sohn regelmässig viel Zeit verbracht und offenbar eine wichtige Betreuungsfunktion<br />

ausgeübt hat. Hinzu kommt, dass sich der Beschwerdeführer in Bezug auf Lösungsvorschläge kooperativ<br />

gezeigt hat, indem er innert Kürze eine Vertrauensperson <strong>für</strong> ein begleitetes Besuchsrecht vorgeschlagen<br />

hat und sich zur Hinterlegung des eigenen Reisepasses bereit erklärte, um seine fehlende Entführungsabsicht<br />

zu belegen<br />

(..) Soweit die angeordneten Massnahmen den 2-jährigen Sohn betreffen, darf zwar nicht übersehen werden,<br />

dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein legitimes Interesse daran hat, Kontakte zu seinem Kind zu pflegen.<br />

Doch diesem Interesse stehen im vorliegenden Fall gewichtige private und öffentliche Interessen am<br />

Schutz der Sicherheit und der persönlichen Integrität der Beschwerdegegnerin gegenüber. Hinzu<br />

kommt, dass der Beschwerdeführer seinen Sohn bisher noch nie gesehen hat und folglich weder eine<br />

Betreuungs- noch eine Erziehungsfunktion ausübte, sodass die Gewährung eines Kontaktrechts nicht<br />

als dringlich anzusehen ist. Vielmehr erscheint es als zumutbar, das Kontaktverbot zum Sohn vorläufig<br />

aufrechtzuerhalten bzw. den anstehenden zivilgerichtlichen Entscheid über die Gewährung eines allfälligen<br />

Besuchsrechts abzuwarten.<br />

Gemäss der bundesgerichtlichen Rechtsprechung muss beachtet werden, dass ein dreimonatiges gänzliches<br />

Kontaktverbot zwischen einem Elternteil und einem minderjährigen Kind einen schweren staatlichen Eingriff in<br />

das Recht auf Familienleben darstellt und – abgesehen von konkreten Gefährdungshinweisen – nicht im Interesse<br />

des Kindes an der Aufrechterhaltung seiner Beziehung zum Elternteil steht, mit dem es nicht zusammenlebt.<br />

Die Anordnung eines solchen Verbots kommt deshalb nur infrage, wenn den drohenden Gefahren nicht<br />

mittels milderer Massnahmen begegnet werden kann.<br />

Der Haftrichter trug dem gewichtigen Interesse an der Aufrechterhaltung der Vater-Tochter-Beziehung dadurch<br />

Rechnung, dass er das Kontaktverbot nicht pauschal um drei Monate verlängerte, sondern nur bis zu jenem<br />

Zeitpunkt, da im Rahmen zivilrechtlicher Anordnungen (etwa eines begleiteten Besuchsrechts) eine<br />

Regelung <strong>für</strong> ein Besuchsrecht zum Vater getroffen sein würde.<br />

Dass das Rayon- und Kontaktverbot ihr gegenüber zu "logistischen" Problemen bei der Ausübung des<br />

Besuchsrechts mit den Kindern bzw. zur Regelung der Übergabe der Kinder führt, wie dies der Beschwerdeführer<br />

geltend macht, kann zwar nicht von der Hand gewiesen werden. Es ist allerdings nicht gerechtfertigt, die<br />

die Beschwerdegegnerin betreffenden Schutzmassnahmen deswegen aufzuheben, denn die Erschwerung von<br />

Treffen mit seinen Kindern lässt die Gefährdungssituation gegenüber derselben nicht dahinfallen. Überdies<br />

sieht das Scheidungsurteil zu diesem Zweck eine Beistandschaft vor, auch wenn eine solche gemäss dem<br />

Beschwerdeführer bis anhin offenbar noch nicht eingerichtet werden konnte.<br />

(..), wenn die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer aufgrund ausserordentlicher Gegebenheiten unter<br />

Missachtung des Rayonverbots einmalig gestattete, den gemeinsamen Sohn nach Hause zu bringen (act.<br />

12/3). Würde dies mehrfach geschehen, müsste allerdings zu Recht in Zweifel gezogen werden, ob die Beschwerdegegnerin<br />

der <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen noch bedürfe. (..) konnte das Zusammentreffen der Parteien<br />

bei der Übergabe des gemeinsamen Sohnes dank der Hilfe der Schwester des Beschwerdeführers vermieden<br />

werden.<br />

Als Eingriff in die durch Art. 10 Abs. 2 BV geschützte persönliche Freiheit, insbesondere auch in die Bewegungsfreiheit,<br />

müssen Schutzmassnahmen verhältnismässig sein. Dies wird einerseits dadurch gewährleistet,<br />

dass nur die notwendigen Massnahmen angeordnet werden dürfen. Andererseits sind stets die Interessen der<br />

gefährdeten Person und diejenigen der gefährdenden Person gegeneinander abzuwägen. Mit dem Kontaktverbot<br />

als mildeste aller Massnahmen und der damit verbundenen Möglichkeit Ruhe in den Alltag einkehren<br />

zu lassen, wird in casu überdies dem Wohl des gemeinsamen Kindes am besten entsprochen, was <strong>für</strong><br />

die werdenden Eltern nunmehr im Vordergrund stehen sollte. Die Verlängerung des Kontaktverbots erscheint<br />

verhältnismässig.<br />

E. 5.3. Der Eheschutzrichter<br />

ordnete als superprovisorische<br />

Massnahme die Aufhebung des<br />

gemeinsamen Haushaltes, das<br />

Getrenntleben und die Obhutszuteilung<br />

an die Mutter an. Der<br />

Ehemann wurde verpflichtet,<br />

alle Reisepapiere abzugeben.<br />

Kontaktverbot zu 2-jährigem<br />

Sohn<br />

VGr, 4. Juni 2009,<br />

VB.2009.00246, E. 2.<br />

.<br />

Kontaktverbot zur 8-jährigen<br />

Tochter bis zur Regelung<br />

eines begleiteten Besuchsrechts.<br />

VGr, 3. Dez. 2009,<br />

VB.2009.00640/<br />

VB.2009.00646, E. 4.5.2.<br />

Besuchsrechtsabwick-lung<br />

VGr,18. Juli 2013, VB.2013.458<br />

Missachtung des Kontaktverbots<br />

wegen des Besuchsrechts<br />

VGr, 5. Juli 2013, VB.2013.428<br />

Kontaktverbot während<br />

Schwangerschaft zum Schutz<br />

des Ungeborenen<br />

VGr, 11. März 2010,<br />

VB.2010.00066, E 4.5.<br />

3.5. Verhältnismässigkeit von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen<br />

Das Verhältnismässigkeitsprinzip besagt, dass die Grundrechtseinschränkung zur Erreichung des<br />

angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sein muss und dem Betroffenen zumutbar ist. Zudem darf<br />

die Grundrechtsbeschränkung den Kerngehalt des Grundrechts nicht antasten (Art. 36 Abs. 4 BV).<br />

Zweck des Rayonverbots ist der Schutz der Beschwerdegegnerin vor <strong>Gewalt</strong>ausübung durch den Beschwerdeführer.<br />

Die Anordnung und Verlängerung des Rayonverbots ist geeignet, die Beschwerdegegnerin zumindest<br />

im Umkreis ihrer Wohnung vor dem Beschwerdeführer zu schützen. Eine mildere Massnahme ist nicht ersichtlich,<br />

zumal gegen den Beschwerdeführer bereits einmal <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen verhängt wurden. Die<br />

BGer, 31. Jan. 2008,<br />

BGE 134 I 140, E. 6.2. f.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 7


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />

Massnahme ist ohne weiteres zumutbar, da das Verhalten des Beschwerdeführers selbst Anlass zu deren<br />

Anordnung gab. Der Kerngehalt der persönlichen Freiheit bleibt unangetastet. Das Rayonverbot stellt somit<br />

keine unverhältnismässige Einschränkung der persönlichen Freiheit dar.<br />

3.6. Teilaufhebung der GSG-Massnahme durch zivilrechtliche vorsorgliche Kindsschutzmassnahmen<br />

(..) Dass das Zwangsmassnahmengericht Winterthur mit Verfügung vom 23. August 2013 die gegenüber der<br />

Mutter sowie den Kindern angeordnete Schutzmassnahme bis zum 1. Dezember 2013 verlängerte,<br />

dass der Vater anlässlich der Anhörung vom 16. September 2013 bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde<br />

(KESB) Winterthur-Andelfingen ausführte, er habe seine Kinder sehr gerne und vermisse sie sehr,<br />

Dass die Mutter anlässlich der Anhörung vom 18. September 2013 bei der KESB Winterthur-Andelfingen<br />

ausführte, der Vater habe ein sehr gutes Verhältnis zu seinen Töchtern, sie ihn sehr vermissen würden und sie<br />

damit einverstanden sei, wenn A und B während der Dauer der Schutzmassnahmen ihren Vater besuchen<br />

würden,<br />

dass A und B anlässlich der Anhörung vom 18. September 2013 (bei der) KESB Winterthur-Andelfingen ausführten,<br />

dass sie ihrem Vater am liebsten jeden Sonntag sehen würden und mit ihm auch ihre Geburtstage<br />

feiern wollten,<br />

dass sich M, gemeinsame Freundin der Kindseltern, mit Telefongespräch vom 24. September 2013 bereit<br />

erklärte, A und B jeden Sonntag bei der Mutter zuhause abzuholen und wieder nach Hause zu bringen,<br />

dass bei der Anordnung von zivilrechtlichen Massnahmen gem. Art. 273ff ZGB gemäss § 7 Abs. 1 GSG die<br />

Schutzmassnahmen dahinfallen,<br />

dass die aufschiebende Wirkung gemäss Art. 450c ZGB zu entziehen ist, damit das behördlich geregelte<br />

Besuchsrecht zum Wohl von A und B seine Wirkung ohne Verzug entfalten kann, (..)<br />

entscheidet die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde:<br />

1. (Der Vater) wird berechtigt erklärt <strong>für</strong> die Dauer des Rayons- und Kontaktverbots bis zum 1. Dezember<br />

2013 seine Töchter A und B jeden Sonntag von 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr zu sehen. Der erste Besuchstag soll<br />

am Sonntag den 29. September 2013 stattfinden. (..)<br />

3. Es wird davon Vermerk genommen, dass es sich bei der behördlichen Regelung des Besuchsrechts um<br />

eine zivilrechtliche Massnahme gem. Art. 273 und Art. 275 ZGB handelt und somit gemäss § 7 Abs. 1 GSG die<br />

vom Zwangsmassnahmengericht W. angeordneten Schutzmassnahmen gegenüber A und B entfallen.<br />

4. Es wird davon Vormerk genommen, dass die mit Verfügung vom Zwangsmassnahmengericht Winterthur<br />

vom 23. August 2013 angeordnete Schutzmassnahme gegenüber der Mutter weiterhin Geltung hat<br />

5. Es wird davon Vermerk genommen, dass sich M mit Telefon vom 24. September 2013 bereit erklärt hat,<br />

A und B jeden Sonntag um 10.00 Uhr bei der Mutter von zuhause abzuholen und um 18.00 Uhr wieder nach<br />

Hause zu bringen.<br />

6. Es wird davon Vormerk genommen, dass die KESB Winterthur-Andelfingen den Erlass von weiteren<br />

Kindesschutzmassnahmen prüft und sich den Erlass von weiteren Entscheiden vorbehält.<br />

7. Es wird davon Vormerk, genommen, dass die Prüfung ob weitere Kindesschutzmassnahmen erforderlich<br />

sind, im Endentscheid dieses Verfahrens festgehalten werden.<br />

8. Es wird davon Vormerk genommen, dass die Gebühr <strong>für</strong> dieses Verfahren im Endentscheid festgesetzt<br />

wird.<br />

Anordnung vorsorglicher<br />

Kindsschutzmassnahmen mit<br />

Entzug der aufschiebenden<br />

Wirkung <strong>für</strong> eine allfällige<br />

Beschwerde zur Aufhebung<br />

des Kontaktverbots nach Art.<br />

273;275 ZGB und § 7 Abs. 1<br />

GSG<br />

KESB vom 25. Sept. 2013<br />

Zwischenentscheid<br />

Die Töchter sind 9 bzw. 11<br />

jährig<br />

Die unverzügliche Anhörung<br />

und Abklärung durch die KESB<br />

ermöglichte rasche vorsrogliche<br />

Kindesschutzmassnahmen (in<br />

casu modifiziertes Besuchsrecht)<br />

4. Sachverhaltsabklärung durch Polizei und Gerichte<br />

4.1. Rechtliches Gehör, Anhörung, Glaubhaftigkeit § 3 Abs. 1 GSG; 9 Abs. 3 GSG<br />

Der Anspruch auf rechtliches Gehör gründet in der Auffassung, dass der Bürger in einem staatlichen Verfahren<br />

nicht blosses Objekt sein darf, sondern Prozesssubjekt ist und in dieser Eigenschaft durch aktives Mitwirken<br />

seine Rechte zur Geltung bringen kann.<br />

3.2 (..) Unter Hinweis auf § 3 Abs. 1 GSG, wonach die Polizei den Sachverhalt von Amtes wegen feststellt und<br />

„umgehend die zum Schutz der gefährdeten Personen notwendigen Massnahmen“ anordnet, hat sie nicht nur<br />

die gefährdete, sondern auch die gefährdenden Personen (VGr, 25. Juli 2011, VB.2011.00343, E. 3.2.2; Andreas<br />

Conne/Kaspar Plüss, <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen im Kanton <strong>Zürich</strong>, Sicherheit&Recht, 2011, S. 127ff.,<br />

136). Ohne Anhörung der gefährdenden Person ist die Anordnung von Schutzmassnahmen nur dann zulässig,<br />

wenn eine kurzfristige Anhörung nicht möglich ist, die Polizei vom Vorliegen häuslicher <strong>Gewalt</strong> überzeugt ist<br />

und die Anordnung von Massnahmen aus Gründen des Opferschutzes als dringlich erscheint. Jedenfalls ist<br />

nach Massgabe des Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 29 Abs. 2 der Bundesverfassung<br />

vom 18. April 1999 (BV) nur in Ausnahmefällen von der Anhörung der gefährdenden Person<br />

abzusehen, soweit sie sich nicht bewusst davon entzieht (..)<br />

Die Haftrichtenden haben gesetzlich die Möglichkeit, einen vorläufigen Entscheid ohne Anhörung des Gesuchsgegners/-gegnerin<br />

zu fällen. Das Bundesgericht hat in Auslegung von § 9 Abs. 3 GSG dazu festgehalten,<br />

dass die Anhörung trotz Einsprachemöglichkeit grundsätzlich nicht im freien richterlichen Ermessen<br />

liegt, sondern begründet sein muss. Mit Anhörung können die Haftrichtenden unverzüglich entscheiden.<br />

Ohne Anhörung wird der Entscheid nur endgültig, wenn innert fünf Tagen ab Erhalt des Entscheides keine der<br />

Parteien Einsprache macht. Wird eine Anhörung durchgeführt, kann die gefährdete Person eine getrennte<br />

Anhörung vor Gericht beantragen.<br />

Unter welchen Umständen auf eine Anhörung der Parteien verzichtet werden darf, ist im Gesetz nicht geregelt.<br />

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann nach bundesgerichtlicher Praxis als geheilt gelten, wenn die<br />

BGer, 24. Sep. 2009,<br />

BGE 1C_339/2008, E. 2.1.<br />

Polizeiliche Anhörung der<br />

gefährdenden Person<br />

VGr, 18. März 2013,<br />

VB.2013.00034/68<br />

BGer, 31. Jan. 2008; BGE 134 I<br />

140, E. 5.5.<br />

Anhörung des Beschwerdegegners<br />

ohne Anhörung der<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 8


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />

betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt<br />

als auch die Rechtslage frei prüfen kann.<br />

Im <strong>Gewalt</strong>schutzverfahren finden regelmässig keine Verhandlungen, sondern Anhörungen der betroffenen<br />

Personen statt, da es sich um ein verwaltungsgerichtliches und nicht um ein privatrechtliches Verfahren handelt.<br />

Die Anhörung der Beschwerdeführerin fand – wie in GSG-Fällen üblich – ohne die Anwesenheit des Beschwerdeführers<br />

statt. Nachdem dieser dem Haftrichter ein Gesuch um Änderung der GSG-Massnahmen beantragt<br />

und diese bereits schriftlich begründet hatte, musste ihn der Haftrichter nicht erneut anhören. Das rechtliche<br />

Gehör wurde nicht verletzt.<br />

Die mündliche Anhörung der Parteien durch den Haftrichter dient zum anderen auch der Wahrung des rechtlichen<br />

Gehörs der beteiligten Parteien und stellt insbesondere <strong>für</strong> den Gesuchsgegner ein Verteidigungsrecht<br />

dar. Die Regelung in § 9 Abs. 3 Satz 1 GSG, wonach der Haftrichter den Gesuchsgegner „nach Möglichkeit“<br />

anhört, ist deshalb in dem Sinn restriktiv zu verstehen, dass der Verzicht auf eine Anhörung nur ausnahmsweise<br />

infrage kommt. Zulässig ist die definitive Verlängerung von Schutzmassnahmen trotz fehlender Anhörung<br />

der Parteien lediglich dann, wenn diese auf eine Anhörung bewusst verzichten oder der Anhörung<br />

unentschuldigt fernbleiben, obwohl sie rechtzeitig dazu vorgeladen worden sind. In den übrigen Fällen<br />

darf der Haftrichter hingegen bloss im Rahmen einer vorläufigen, mit Einsprache anfechtbaren Verfügung über<br />

ein Verlängerungsgesuch entscheiden.<br />

In der Rolle als Gesuchsteller kann der Beschwerdeführer den Anspruch auf mündliche Anhörung nicht geltend<br />

machen. Nach Satz 2 von § 9 Abs. 3 GSG steht es im Ermessen des Haftrichters, ob auch eine Anhörung des<br />

Gesuchstellers, welcher von der Polizei bereits mündlich angehört worden ist, durchgeführt wird.<br />

Dagegen war der Beschwerdeführer im Verfahren um Verlängerung der verhängten Massnahmen Gesuchsgegner.<br />

Er hätte deshalb gestützt auf § 9 Abs. 3 Satz 1 GSG grundsätzlich mündlich angehört werden müssen.<br />

In der angefochtenen Verfügung legte der Haftrichter mit keinem Wort dar, dass eine Anhörung des Beschwerdeführers<br />

unter den gegebenen Umständen nicht möglich gewesen wäre. Es liegt nicht im Ermessen des<br />

Richters, ob eine Anhörung durchzuführen ist. Die Gehörsverletzung ist mit der schriftlichen Einsprache<br />

indessen geheilt worden, da es sich angesichts der kurzen Verfahrensfristen nicht um einen schwerwiegenden<br />

Fehler handelt, das Gesetz selbst die Möglichkeit der Einsprache anstelle der mündlichen<br />

Anhörung vorsieht und der Haftrichter im Einspracheverfahren mit gleicher Kognition entscheidet. Eine<br />

Verletzung des Verbots der willkürlichen Anwendung kantonalen Rechts liegt zumindest im Ergebnis nicht vor.<br />

Die Verletzung des Gehörsanspruchs führt grundsätzlich unabhängig von den Erfolgsaussichten des Rechtsmittels<br />

in der Sache selbst zur Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Nach der bundesgerichtlichen<br />

Rechtsprechung kann eine nicht besonders schwerwiegende Verletzung des rechtlichen Gehörs ausnahmsweise<br />

geheilt werden, wenn die betroffene Person die Möglichkeit erhält, sich vor einer Beschwerdeinstanz zu<br />

äussern, die sowohl den Sachverhalt als auch die Rechtslage frei prüfen kann. Von einer Rückweisung ist<br />

selbst bei einer schwerwiegenden Verletzung des rechtlichen Gehörs dann abzusehen, wenn und soweit die<br />

Rückweisung zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die mit<br />

dem Interesse der betroffenen Partei an einer beförderlichen Beurteilung der Sache nicht vereinbar wäre.<br />

Indem der Haftrichter die Argumente des Beschwerdeführers betreffend den Kontakt mit seinem Sohn überhaupt<br />

nicht in seine Erwägungen einbezog, verletzte er dessen Anspruch auf rechtliches Gehör. Der Beschwerdeführer<br />

verlangt eine materielle Entscheidung der Streitsache durch das Verwaltungsgericht um möglichst<br />

früh wieder Kontakt zu seinem Sohn erhalten zu können. Entscheidet das Verwaltungsgericht in der<br />

Sache neu, so ermächtigt dieses Vorgehen das Gericht ausnahmsweise auch zur Beurteilung von Ermessensfragen.<br />

Die detailreichen und widerspruchsfreien Aussagen der Beschwerdegegnerin erscheinen glaubhaft; zudem<br />

gestand sie ein, den Beschwerdeführer ebenfalls geschlagen zu haben. Dieses Eingeständnis erhöht die<br />

Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen zusätzlich. Überdies werden ihre Aussagen teilweise durch diejenigen des<br />

Beschwerdeführers bestätigt. So gab er der Polizei ebenfalls zu Protokoll, nach dem Würgevorfall im Jan. 2009<br />

im Badezimmer die Polizei angerufen und dieser gemeldet zu haben, von der Beschwerdegegnerin mit einem<br />

Elektroschockgerät bedroht zu werden. Zudem gestand er ein, sie geschlagen zu haben, auch wenn es ihm<br />

nicht bewusst gewesen sei, dass er sie verletzt haben könnte. Er räumte auch ein, dass es ihm ab und zu<br />

Mühe bereite, sich bezüglich verbaler Entgleisungen zu beherrschen. Schliesslich wird dieses Gesamtbild<br />

durch die Aussagen zweier weiteren Personen bestärkt. Angesichts der glaubhaft wirkenden Aussagen der<br />

Beschwerdegegnerin und der ansatzweisen Geständnisse des Beschwerdeführers ging der Haftrichter zu<br />

Recht davon aus, dass die Beschwerdegegnerin ihre fortbestehende Gefährdung durch den Beschwerdeführer<br />

glaubhaft dargelegt habe.<br />

Beschwerdeführerin: keine<br />

Gehörsverletzung<br />

VGr, 25. Aug. 2010,<br />

VB.2010.00394, E. 2.2.<br />

Mündliche Anhörung<br />

VGr, 17. Juni 2010,<br />

VB.2010.00265, E. 4.4.<br />

Beschwerdeführer erschien<br />

nicht zur Anhörung, da er die<br />

Vorladung zu spät erhielt.<br />

(s. auch unter Verletzung rechtliches<br />

Gehör)<br />

Einspracheverfahren heilt die<br />

Gehörsverletzung<br />

BGer, 31. Jan. 2008, BGE<br />

134 I 140, E. 5.2.<br />

Rechtliches Gehör im Beschwerdeverfahren<br />

VGr, 1. November 2010,<br />

VB.2010.00561, E. 2.2.<br />

Glaubhaftigkeit, Kriterien<br />

VGr, 16. Juli 2009,<br />

VB.2009.00345, E. 4.2.<br />

4.2. Beweisabnahme, Glaubhaftmachung § 10 Abs. 1 GSG<br />

4.2 Gemäss § 10 Abs. 1 GSG genügt bereits die Glaubhaftmachung des Fortbestandes einer Gefährdung.<br />

Es ist daher nicht notwendig, den Ablauf der Geschehnisse im Details zu rekonstruieren, was sich aufgrund der<br />

gegensätzlichen Angaben der Parteien ohnehin nicht bewerkstelligen liesse. Die VI hat sich den auch zu Recht<br />

darauf konzentriert, in erster Linie die Darstellung der Ereignisse durch die Parteien und deren Aussagen vor<br />

den Behörden in den Grundzügen zu analysieren und auf deren Glaubhaftigkeit hin zu untersuchen (..)<br />

Glaubhaftmachung der Gefährdung<br />

VGr 3. Juli 2013,<br />

VB.2013.000428<br />

3.3 Erscheint der Sachverhalt umfassend ermittelt, obgleich nicht alle Möglichkeiten der Beweisführung ausge- Beweisabnahme, Antizipierte<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 9


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />

schöpft wurden, und versprechen zusätzliche Abklärungen keine wesentlichen neuen Erkenntnisse,<br />

rechtfertigt es sich, auf weitere Untersuchungen zu verzichten. Um festzustellen, ob ein Sachverhalt hinreichend<br />

feststeht und ein Beweis zur Klärung der Sachlage etwas beiträgt, kommt die Behörde bzw. das Gericht<br />

allerdings nicht umhin, das Beweisergebnis vorläufig zu würdigen. Eine solche antizipierte Beweiswürdigung<br />

und der darauf beruhende Verzicht auf Beweisabnahme sind mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör vereinbar<br />

(Kölz/Bosshard/Röhl, § 7 N. 10, § 60 N.5; BGE 131 I 153 E.3; 130 II 425 E.2.1; 124 I 208 E. 4a; je mit<br />

Hinweisen) (..).<br />

Beweiswürdigung<br />

VGr, 18. März 2013,<br />

VB.2010.00034/68<br />

4.3. Kognition des Zwangsmassnahmen- und des Verwaltungsgerichts<br />

3.3 Im Zusammenhang mit der Prüfung der angefochtenen Verlängerung der angeordneten <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahme<br />

ist dem Zwangsmassnahmengericht ein relativ grosser Beurteilungsspielraum zuzugestehen.<br />

Zum einen kann sich dieses im Rahmen der Anhörung der Parteien einen umfassenden Eindruck von der<br />

Situation machen, während das Verwaltungsgericht primär aufgrund der Akten zu entscheiden hat. Zum anderen<br />

greift das Verwaltungsgericht nur im Falle von Rechtsverletzungen im Sinne von § 50 Abs. 1 in Verbindung<br />

mit § 20 Abs. 1 lit. A VRG ein, nicht aber bei blosser Unangemessenheit. In Bezug auf den Nachweis<br />

häuslicher <strong>Gewalt</strong> dürfen nicht allzu hohe Beweisanforderungen gestellt werden; Grundsätzlich genügt diesbezüglich<br />

das Beweismass der Glaubhaftigkeit (VGr, 26. Mai 2011, VB.2011.00228, E. 4.3), was sich auch<br />

vorliegend nicht anders verhält. Es ist auch nicht notwendig, den Ablauf der Geschehnisse im Detail zu rekonstruieren,<br />

was sich aufgrund der gegensätzlichen Angaben der Parteien ohnehin nicht bewerkstelligen liesse.<br />

Auch der Fortbestand einer Gefährdung muss gemäss § 10 Abs. 1 GSG nur glaubhaft gemacht werden. Demzufolge<br />

rechtfertigt sich eine gewisse Zurückhaltung bei der Beurteilung der vorinstanzlichen Würdigung (vgl.<br />

VGr, 5. Nov. 2009, VB.2009.00514. E. 4.1)<br />

Kognition des VGr, Glaubhaftigkeit<br />

VGr, 25. Okt. 2013, E.3.3<br />

ebenso VB.2010.00066, E.<br />

4.1.VB.2010.0098, E. 4.1.;<br />

VB.2009.00705, E. 4.1;<br />

VB.2009.00422, E. 6.;<br />

VB.2009.005014, E. 4.1.,<br />

VB.2010.00243, E. 4.1.<br />

5. Zuständigkeit und Verhältnis zu den Parallelverfahren<br />

5.1. Örtliche und sachliche Zuständigkeit § 8 Abs. 2 GSG<br />

5.3 (..) In Würdigung der gesamten Umstände ist nicht ersichtlich, welche mildere Massnahme das Zwangsmassnahmengericht<br />

hätte anordnen können, um den Gesetzeszweck – Schutz, Sicherheit und Unterstützung<br />

von Personen, die durch häusliche <strong>Gewalt</strong> betroffen sind (§ 1 Abs. 1 GSG) – gerecht zu werden, zumal es<br />

nicht in der Kompetenz der <strong>Gewalt</strong>schutz anordnenden Instanz liegt, ein begleitetes oder unbegleitetes<br />

Besuchsrecht anzuordnen. Ausserdem bedarf es zur Entspannung der Situation einer gewissen Zeit. Entsprechend<br />

ist es angezeigt, die verfügten Massnahmen aufrechtzuerhalten.<br />

Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung können <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen und eheschutzrechtliche<br />

Anordnungen parallel angeordnet werden; letztere gehen allerdings vor und können im gewaltschutzrechtlichen<br />

Verfahren nicht in Frage gestellt oder abgeändert werden. Auf das Eventualbegehren des Beschwerdeführers<br />

betreffend Übertragung der Obhut ist deshalb nicht einzutreten. Der Entscheid über die Obhutszuteilung ist<br />

Sache des Eheschutzrichters (vgl. Art. 315a ZGB).<br />

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens kann einzig die Frage bilden, ob die Haftrichterin die <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen<br />

zu Recht verlängert hat (§ 1 VO GSG i.V.m. § 10 Abs. 1 GSG). Für die Anträge des Beschwerdeführers<br />

hinsichtlich des Besuchsrechts und der Herausgabe diverser Gegenstände ist hingegen der<br />

Eheschutzrichter im Rahmen des hängigen Eheschutzverfahrens zuständig (vgl. Art. 172 Abs. 3 ZGB).<br />

3.7 (..) Das <strong>für</strong> die Verlängerung von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen zuständige Gericht ist gemäss § 8 Abs. 2 GSG<br />

die Haftrichterin oder der Haftrichter am Ort der Begehung der häuslichen <strong>Gewalt</strong>. Im vorliegenden Fall ist der<br />

im Kanton <strong>Zürich</strong> gelegene Wohnort der Beschwerdegegnerin – G – als Ort der Begehung der häuslichen<br />

<strong>Gewalt</strong> zu erachten, denn dort empfing die Beschwerdegegnerin gemäss den polizeilichen Ermittlungen die<br />

Comboxnachricht des Beschwerdeführers, die die Drohungen enthielt (..).<br />

Gemäss § 8 Abs. 2 GSG ist der Haftrichter am Ort der Begehung der <strong>Häusliche</strong>n <strong>Gewalt</strong> zur Verlängerung<br />

einer Schutzmassnahme zuständig.<br />

Nachdem der Beschwerdeführer die Beschwerdegegnerin nach deren Aussagen vor der Polizei nicht nur in I,<br />

sondern insbesondere auch in ihrer gemeinsamen Wohnung in O (im Bezirk P) bedroht hat, ist der Haftrichter<br />

des Bezirks P zuständig. Daran ändert die Tatsache nichts, dass die Beschwerdegegnerin und ihre Tochter nun<br />

im Kanton F wohnen und sich folglich – mit Ausnahme desjenigen bezüglich des Reithofs in O – alle Gebiete<br />

des Rayonverbots im Kanton F befinden.<br />

Die Verlängerung der Schutzmassnahmen um maximal drei Monate ordnet der Haftrichter als erste Instanz an;<br />

dies im Gegensatz zur gerichtlichen Beurteilung der durch die Polizei <strong>für</strong> die Dauer von 14 Tagen angeordneten<br />

Schutzmassnahmen, wo er als zweite Instanz entscheidet. Eine räumliche Ausdehnung des Rayonverbots im<br />

Vergleich zu den polizeilich verfügten Schutzmassnahmen erscheint durchaus möglich. Zudem kann das<br />

Gericht eine andere Schutzmassnahme gemäss § 3 Abs. 2 GSG anordnen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 GSG). Auch<br />

hält § 6 Abs. 2 GSG fest, dass die Parteien bei veränderten Verhältnissen das Gericht um Änderung der haftrichterlichen<br />

Schutzmassnahmen ersuchen können. Eine Ausdehnung der Schutzmassnahmen muss somit<br />

bereits beim Entscheid des Haftrichters über die Verlängerung derselben möglich sein. Der Haftrichter war<br />

demnach zur räumlichen Ausdehnung des Rayonverbots grundsätzlich befugt.<br />

Besuchsrechtsanordnungen<br />

VGr, vom 26. Okt. 2013,<br />

VB.2013.00609<br />

Obhutszuteilung<br />

VGr, 30. April 2009,<br />

VB.2009.00175, E. 1.3.<br />

Besuchsrechtsregelung<br />

VGr, 20. Mai 2010,<br />

VB.2010.00200, E.1.3.<br />

Örtliche Zuständigkeit bei<br />

SMS-, Telefonnachrichten im<br />

interkt. Verhältnis<br />

VGr, 5. März 2013,<br />

VB.2013.00069<br />

Der Gefährder lebt in Dt.<br />

Örtliche Zuständigkeit, am<br />

Begehungsort<br />

VGr, 3. Mai 2010,<br />

VB.2010.00177, E. 3.1.<br />

§ 8 Abs. 2 GSG<br />

E. 3.2.<br />

Ausdehnung Rayonverbot durch<br />

das Gericht (reformatio in peius)<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 10


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />

5.2. Verhältnis zu zivilrechtlich angeordneten Massnahmen (insb. Ehe- und Kindsschutz) § 7 Abs. 1 GSG<br />

Die Dauer von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen darf einzig aufgrund des Fortbestehens der häuslichen <strong>Gewalt</strong>situation<br />

beurteilt werden (vgl. § 10 Abs. 2 GSG). Die Vorladung zu einer Eheschutzverhandlung hingegen ist kein<br />

sachliches Kriterium <strong>für</strong> eine veränderte Beurteilung des Gefährdungspotenzials bzw. <strong>für</strong> eine Änderung der<br />

Geltungsdauer von Schutzmassnahmen. Die Ansetzung eines Verhandlungstermins in einem parallel<br />

laufenden Eheschutzverfahren stellt keine Gewähr da<strong>für</strong> dar, dass am Verhandlungstag effektiv eine<br />

definitive zivilrechtliche Regelung des Getrenntlebens gefunden sein wird, die die gewaltschutzrechtlichen<br />

Anordnungen hinfällig werden lässt.<br />

Der Haftrichter hätte nicht darauf vertrauen dürfen, dass die Parteien spätestens am 17. Dez. 2009 eine<br />

zivilrechtliche Lösung finden werden, die die Aufrechterhaltung der <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen hinfällig<br />

machen würde. Eine rasche Regelung insbesondere des Besuchsrechts des Vaters zur Tochter steht zwar im<br />

Interesse aller Beteiligten. Doch dies darf nicht dazu führen, dass eine gewaltschutzrechtliche Massnahme trotz<br />

glaubhaft gemachtem Gefährdungsfortbestand auf das Datum einer Eheschutzverhandlung terminiert wird und<br />

die Parteien so dazu gedrängt werden, an diesem Tag eine zivilrechtliche Regelung zu finden. Indem der<br />

Haftrichter die maximale Dauer der angeordneten Schutzmassnahmen aufgrund der Vorladung zur Eheschutzverhandlung<br />

um einen Monat verkürzte, stützt er sich in Bezug auf die Geltungsdauer auf ein sachfremdes<br />

Kriterium und überschritt das ihm zustehende Ermessen in rechtsfehlerhafter Weise.<br />

Gemäss § 7 Abs. 1 Satz 1 GSG fallen <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen dahin, wenn entsprechende zivilrechtliche<br />

Massnahmen rechtskräftig angeordnet und vollzogen sind. Zivilrechtlich angeordnete Massnahmen<br />

gehen <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen deshalb vor und können im gewaltschutzrechtlichen Verfahren<br />

nicht infrage gestellt oder abgeändert werden. Die zivilrechtliche Sistierung des Besuchsrechts kann nicht<br />

im Rahmen des gewaltschutzrechtlichen Verfahrens aufgehoben werden. Der Haftrichter hat diesem Umstand<br />

insofern Rechnung getragen, als er das Kontaktverbot zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Sohn nur<br />

bis zur Anordnung einer neuen Besuchsrechtsregelung durch die Vormundschaftsbehörde verfügt hat. Da das<br />

gewaltschutzrechtlich angeordnete Kontaktverbot im Vergleich zur momentan ohnehin geltenden zivilrechtlichen<br />

Sistierung des Besuchsrechts <strong>für</strong> den Beschwerdeführer keine weitergehenden Einschränkungen bewirkt,<br />

fehlt es ihm im Rahmen des vorliegenden Verfahrens an einem schutzwürdigen Interesse, die Aufhebung des<br />

Kontaktverbots zu seinem Sohn zu verlangen.<br />

Der Eheschutzrichter ist bei seinem Entscheid über vorsorgliche Massnahmen in keiner Weise an Urteile<br />

gebunden, die im Zusammenhang mit dem <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz ergangen sind (vgl. Art. 172 ff. ZGB). Es<br />

verhält sich vielmehr genau umgekehrt: Die Schutzmassnahmen fallen dahin, wenn entsprechende zivilrechtliche<br />

Massnahmen rechtskräftig angeordnet und vollzogen sind (§ 7 Abs. 1 Satz 1 GSG). Eheschutzrechtliche<br />

Anordnungen gehen <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen vor und können im gewaltschutzrechtlichen<br />

Verfahren nicht mehr in Frage gestellt oder abgeändert werden. In Bezug auf Anordnungen<br />

über Kinder gelten Offizial- und Untersuchungsmaxime (Art. 145 Abs. 1 ZGB). Der Entscheid, wem der Eheschutzrichter<br />

die eheliche Wohnung überlässt, hängt in der Regel vom Obhutsentscheid ab. Das vorliegende<br />

Urteil stellt den Eheschutzrichter demnach keineswegs vor vollendete Tatsachen in Bezug auf die Zuteilung der<br />

Liegenschaft und der Kinderobhut.<br />

Paralles Eheschutzverfahren<br />

VGr, 3. Dez.2009,<br />

VB.2009.00640/<br />

VB.2009.00646, E. 4.5. f.<br />

.<br />

GSG Massnahmen und<br />

Kindesschutzmassnahmen<br />

VGr, 5. Nov. 2009,<br />

VB.2009.00514, E. 1.3.<br />

Die Parteien sind geschieden.<br />

Die Mutter hat das Sorgerecht.<br />

Der Vater hat das Besuchsrecht<br />

über einen Beistand<br />

wahrzunehmen, welcher das<br />

Besuchsrecht sistiert hat.<br />

VGr, 3. Sep. 2009,<br />

VB.2009.00422,<br />

zwei gemeinsame Söhne (13<br />

und 15 Jahre alt)<br />

5.3. Verhältnis zu strafprozessualen und strafrechtlichen Massnahmen und Auflagen § 7 Abs. 2 GSG<br />

Die strafprozessualen Massnahmen sowie die Ersatzmassnahmen einerseits und die <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen<br />

inklusive Kontaktverbot anderseits unterscheiden sich demnach sowohl hinsichtlich ihres Zwecks als auch<br />

der Voraussetzungen zur Anordnung erheblich voneinander. Während die strafprozessualen Massnahmen vor<br />

allem dazu dienen, einen Beschuldigten <strong>für</strong> ein Strafverfahren zur Verfügung zu halten und ihn der Bestrafung<br />

zuzuführen, bezwecken die <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen den kurzzeitigen Schutz eines Opfers vor weiterer<br />

häuslicher <strong>Gewalt</strong>. Der unterschiedliche Zweck der Massnahmen erklärt auch die unterschiedlichen Voraussetzungen<br />

zu deren Anordnung. So können die <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen, welche im Unterschied zu den Ersatzmassnahmen<br />

nach der Strafprozessordnung verwaltungsrechtlicher Natur sind, auch bei Verdacht auf<br />

Übertretungen (z.B. Tätlichkeiten) angeordnet werden. Zudem ist deren Dauer unabhängig von der Straflänge.<br />

Die <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen, welche einen anderen Zweck verfolgen als die Ersatzmassnahmen zur Untersuchungs-<br />

oder Sicherheitshaft, werden demnach entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers durch die<br />

strafprozessualen Zwangsmassnahmen der Schweizerischen Strafprozessordnung nicht verdrängt. Dies gilt<br />

auch im Verhältnis der jeweiligen Kontaktverbote untereinander.<br />

VGr, 7.April 2011<br />

VB.2011.00142, E.2.2<br />

Im Strafverfahren gelten höhere beweisrechtliche Anforderungen als im <strong>Gewalt</strong>schutzverfahren. VGr, 5. Nov. 2009,<br />

VB.2009.00514, E. 4.2.<br />

Nach Entlassung aus der Haft, könnten allenfalls <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen den Schutz der Ehefrau vor dem<br />

wiederholungsgefährdeten Ehemann bieten.<br />

1.3 Die Staatsanwaltschaft hat mit Strafbefehl vom 22. Februar 2012 <strong>für</strong> die Dauer von zwei Jahren angeordnet,<br />

dass Kontakte des Beschwerdeführers zur Regelung und Ausübung des Besuchsrechts zum gemeinsamen<br />

Sohn über das Jugendsekretariat D bzw. über Drittpersonen zu erfolgen hätten. Diese auf Art. 44 Abs. 2<br />

des Strafgesetzbuchs (StGB) gestützte, inzwischen rechtskräftige Weisung führt nicht zur Gegenstandslosigkeit<br />

des vorliegenden Verfahrens, da der Strafbefehl vom 22. Februar 2012 – anders als die vorliegend umstrittene<br />

<strong>Gewalt</strong>schutzanordnung – kein Kontaktverbot gegenüber dem Sohn des Beschwerdeführers enthält.<br />

BGer, 6. Nov. 2009, BGE<br />

1B_280/2008<br />

GSG und strafrechtliche<br />

Weisung<br />

VB.2012.00162<br />

VGr. 2.April 2012<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 11


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />

6.2 (..) Schutzmassnahmen werden von der Anordnung strafprozessualer Zwangsmassnahmen nicht beeinflusst<br />

(vgl. § 7 Abs. 2 GSG). Zudem behandelte dieser Entscheid die anstelle der Untersuchungshaft zu ergreifenden<br />

Ersatzmassnahmen und setzte sich mit der Frage der Kollusionsgefahr betreffend die Beschwerdegegnerin<br />

und F auseinander. Der hier massgeblichen Drohungen des Beschwerdeführers gegenüber E bzw. die<br />

der Anordnung der <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen zugrundeliegenden Umstände waren dagegen kein Thema. Der<br />

Beschwerdeführer kann damit aus dem Verzicht auf ein Kontaktverbot gegenüber E im Entscheid vom 28.<br />

Januar 2013 nichts zu seinen Gunsten ableiten.<br />

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens kann einzig die Frage bilden, ob die Haftrichterin die <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen<br />

zu Recht verlängert hat (§ 1 VO GSG i.V.m. § 10 Abs. 1 GSG). Für die Anträge des Beschwerdeführers<br />

hinsichtlich des Besuchsrechts und der Herausgabe diverser Gegenstände ist hingegen der Eheschutzrichter<br />

im Rahmen des hängigen Eheschutzverfahrens zuständig (vgl. Art. 172 Abs. 3 ZGB).<br />

3.7 (..) Das <strong>für</strong> die Verlängerung von <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen zuständige Gericht ist gemäss § 8 Abs. 2 GSG<br />

die Haftrichterin oder der Haftrichter am Ort der Begehung der häuslichen <strong>Gewalt</strong>. Im vorliegenden Fall ist der<br />

im Kanton <strong>Zürich</strong> gelegene Wohnort der Beschwerdegegnerin – G – als Ort der Begehung der häuslichen<br />

<strong>Gewalt</strong> zu erachten, denn dort empfing die Beschwerdegegnerin gemäss den polizeilichen Ermittlungen die<br />

Comboxnachricht des Beschwerdeführers, die die Drohungen enthielt (..).<br />

Gemäss § 8 Abs. 2 GSG ist der Haftrichter am Ort der Begehung der <strong>Häusliche</strong>n <strong>Gewalt</strong> zur Verlängerung<br />

einer Schutzmassnahme zuständig.<br />

Nachdem der Beschwerdeführer die Beschwerdegegnerin nach deren Aussagen vor der Polizei nicht nur in I,<br />

sondern insbesondere auch in ihrer gemeinsamen Wohnung in O (im Bezirk P) bedroht hat, ist der Haftrichter<br />

des Bezirks P zuständig. Daran ändert die Tatsache nichts, dass die Beschwerdegegnerin und ihre Tochter nun<br />

im Kanton F wohnen und sich folglich – mit Ausnahme desjenigen bezüglich des Reithofs in O – alle Gebiete<br />

des Rayonverbots im Kanton F befinden.<br />

Die Verlängerung der Schutzmassnahmen um maximal drei Monate ordnet der Haftrichter als erste Instanz an;<br />

dies im Gegensatz zur gerichtlichen Beurteilung der durch die Polizei <strong>für</strong> die Dauer von 14 Tagen angeordneten<br />

Schutzmassnahmen, wo er als zweite Instanz entscheidet. Eine räumliche Ausdehnung des Rayonverbots im<br />

Vergleich zu den polizeilich verfügten Schutzmassnahmen erscheint durchaus möglich. Zudem kann das<br />

Gericht eine andere Schutzmassnahme gemäss § 3 Abs. 2 GSG anordnen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 GSG). Auch<br />

hält § 6 Abs. 2 GSG fest, dass die Parteien bei veränderten Verhältnissen das Gericht um Änderung der haftrichterlichen<br />

Schutzmassnahmen ersuchen können. Eine Ausdehnung der Schutzmassnahmen muss somit<br />

bereits beim Entscheid des Haftrichters über die Verlängerung derselben möglich sein. Der Haftrichter war<br />

demnach zur räumlichen Ausdehnung des Rayonverbots grundsätzlich befugt.<br />

GSG und StPR-<br />

Ersatzmassnahmen<br />

VGr, 11. März 2013,<br />

VB.2013.00092<br />

Besuchsrechtsanträge<br />

VGr, 20. Mai 2010,<br />

VB.2010.00200, E.1.3.<br />

Zuständigkeit bei SMS-,<br />

Telefonnachrichten im interkt.<br />

Verhältnis<br />

VGr, 5. März 2013,<br />

VB.2013.00069<br />

Örtliche Zuständigkeit, am<br />

Begehungsort<br />

VGr, 3. Mai 2010,<br />

VB.2010.00177, E. 3.1.<br />

§ 8 Abs. 2 GSG<br />

E. 3.2.<br />

Ausdehnung Rayonverbot<br />

durch das Gericht<br />

6. Rechtsmittelinstanzen<br />

6.1. Beschwerde an das Verwaltungsgericht § 11a GSG<br />

Gegen provisorische Entscheide sieht das Gesetz die Einsprache an den Haftrichter im Sinne von § 11<br />

Abs. 1 GSG vor, weshalb sich die Rechtsmittelbelehrung des vorinstanzlichen Entscheids, in welcher die Beschwerde<br />

ans Verwaltungsgericht angegeben wurde, als unzutreffend erweist. Demgemäss ist auf die Beschwerde<br />

nicht einzutreten.<br />

Soweit sich die Rügen des Beschwerdeführers gegen die am 3. Sep. 2009 angeordneten polizeilichen Massnahmen<br />

richten, ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Seit dem 18. Sep. 2009 gelten die haftrichterlichen<br />

Anordnungen und nicht mehr die polizeilichen Anordnungen, die vom Beschwerdeführer deshalb mangels Beschwer<br />

nicht mehr angefochten werden können.<br />

VGr, 11. Dez. 2009,<br />

VB.2009.00642, E 3.2.<br />

VGr, 5. Nov. 2009,<br />

VB.2009.00514, E. 1.2.<br />

6.2. Beschwerde ans Bundesgericht<br />

Der Zürcher Gesetzgeber hat darauf verzichtet, an die polizeilichen Schutzmassnahmen eine Frist <strong>für</strong> die<br />

zwangsweise Einleitung eines Zivilverfahrens, namentlich eines Eheschutzverfahrens, zu knüpfen. Die polizeilichen<br />

Massnahmen werden einzig im öffentlichen Interesse zum Schutz gefährdeter Personen und zur Entspannung<br />

einer häuslichen <strong>Gewalt</strong>situation angeordnet (vgl. Weisung des Regierungsrates, ABl 2005, S. 762 ff., 776<br />

f.). Aus diesen Gründen besteht kein unmittelbarer Zusammenhang der öffentlich-rechtlichen Angelegenheit zu<br />

Zivilrecht im Sinne von Art. 72 Abs. 2 lit. b BGG. Mithin ist vorliegend die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen<br />

Angelegenheiten im Sinne von Art. 82 lit. a BGG gegeben.<br />

Der Rückweisungsentscheid des Verwaltungsgerichts ist als Zwischenentscheid zu qualifizierten, der sich nur<br />

unter den Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG weiterziehen lässt. Als Endentscheid im Sinne von<br />

Art. 90 BGG lässt sich ein Rückweisungsentscheid dann einstufen, wenn der unteren Instanz kein Beurteilungsspielraum<br />

mehr verbleibt.<br />

BGer, 13. Juli 2007,<br />

BGE 1C_89/2007, E. 1.1.<br />

Beschwerde in öffentlichrechtlichen<br />

Angelegenheiten<br />

VGr, 25. März 2010,<br />

VB.2010.00109, E. 5.<br />

Rückweisungsentscheid<br />

ans VGr<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 12


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />

7. Verfahrensrechtliche Fragen<br />

7.1. Zustellung der Vorladungen im GSG-Gerichtsverfahren § 4 Abs. 3 GSG<br />

Aus Art. 29 Abs. 2 BV leitet das Bundesgericht unter anderem ein Recht auf rechtzeitige Vorladung zu einer<br />

gerichtlichen Verhandlung ab.<br />

Das Recht angehört zu werden, ist formeller Natur; die Verletzung des Gehörsanspruchs führt grundsätzlich zur<br />

Aufhebung der angefochtenen Verfügung, ungeachtet der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels in der Sache<br />

selbst.<br />

Wer ein Verfahren anhängig gemacht und so ein Prozessrechtsverhältnis begründet hat, muss mit<br />

behördlichen Zustellungen rechnen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben hat er daher da<strong>für</strong><br />

besorgt zu sein, dass ihm amtliche Urkunden reibungslos zugestellt werden können. Wird der Adressat<br />

in einem solchen Fall bei der versuchten Zustellung einer eingeschriebenen Sendung nicht angetroffen und<br />

daher eine Abholeinladung in seinen Briefkasten oder sein Postfach gelegt, so gilt nach der bundesrechtlichen<br />

Rechtssprechung die Sendung in jenem Zeitpunkt als zugestellt, da die Post abgeholt wird. Geschieht dies<br />

nicht innerhalb der Abholfrist von sieben Tagen, gilt die Sendung als am letzten Tag dieser Frist zugestellt.<br />

Unter den vorliegenden Umständen verstösst die Berufung des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers auf<br />

die siebentätige Zustellfrist gegen Treu und Glauben, wurde doch die Ansetzung des Anhörungstermins auf die<br />

Ferienpläne des Rechtsvertreters ausgerichtet, wie er sie angegeben hatte.<br />

Durch die kurzfristige Vorladung verletzte die Haftrichterin § 175 Abs. 1 GVG, nach welchem die Vorladung -<br />

dringende Fälle vorbehalten - wenigstens fünf Tage vor der Verhandlung zugestellt werden muss, nicht. In<br />

Übereinstimmung mit der Bejahung eines dringenden Falls nach § 14 Abs. 2 GSG muss auch die gerichtliche<br />

Beurteilung der angeordneten Schutzmassnahmen und der gerichtliche Entscheid über die Verlängerung,<br />

Änderung oder Aufhebung der Massnahmen als dringender Fall im Sinne von § 175 Abs. 1 GVG betrachtet<br />

werden, gilt doch <strong>für</strong> diese Verfahren eine Behandlungsfrist von vier Arbeitstagen.<br />

Vorladung<br />

VGr, 1. Okt. 2009,<br />

VB.2009.00460, E. 2.2.<br />

VGr 1. Okt. 2009,<br />

VB.2009.00460, E. 3.3.<br />

7.2. Aktuelles Rechtsschutzinteresse und Gegenstandslosigkeit<br />

Die Beschwerdelegitimation setzt ein aktuelles Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung oder Änderung der<br />

angefochtenen Anordnung voraus. Auf dieses Erfordernis kann ausnahmsweise verzichtet werden, sofern eine<br />

Anordnung zu beurteilen ist, die sich nach ihrer Art und ihrem Gegenstand jederzeit wiederholen kann und die<br />

sonst der behördlichen oder gerichtlichen Überprüfung regelmässig entzogen bliebe, sodass die rechtliche<br />

Klärung einer Grundsatzfrage nie erfolgen könnte.<br />

Soweit der Beschwerdeführer die Verfügung des Haftrichters anficht, mit welcher sein Gesuch um Aufhebung<br />

der durch die <strong>Kantonspolizei</strong> verfügten Schutzmassnahmen abgewiesen wurde, fehlt ihm ein aktuelles Rechtsschutzinteresse.<br />

Die Schutzmassnahmen liefen am 30. Aug. 2009, somit zwei Tage vor der Beschwerdeerhebung,<br />

ab, weshalb der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung durch die angefochtenen<br />

Massnahmen nicht mehr beschwert war. Daran ändert nichts, dass er während der Geltungsdauer der Massnahmen<br />

offenbar gegen das Rayonverbot verstossen hat. Sollte er deswegen androhungsgemäss wegen<br />

Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen im Sinn von Art. 292 StGB sanktioniert werden, dürfte der<br />

Strafrichter nämlich die Verfügung mit gleicher Kognition, wie sie dem Verwaltungsgericht zukommt,<br />

überprüfen.<br />

Da die im vorliegenden Fall von der Polizei angeordneten <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen nur bis am 27. März 2009<br />

(bzw. bis zum Tag der Beschwerdeeinreichung) in Kraft waren, ist der Antrag des Beschwerdeführers auf<br />

Aufhebung der Massnahmen gegenstandslos geworden. Der Beschwerdeführer macht jedoch an sich zu Recht<br />

geltend, dass er in Bezug auf die Kosten- und Entschädigungsfragen des vorinstanzlichen Entscheids nach wie<br />

vor beschwert sei; in diesem Zusammenhang wird die Frage der Rechtmässigkeit der polizeilich angeordneten<br />

Massnahmen denn auch summarisch zu prüfen sein.<br />

Der Beschwerdeführer war bezüglich der haftrichterlichen Bestätigung der von der <strong>Kantonspolizei</strong> angeordneten<br />

Schutzmassnahmen nicht mehr beschwert, weshalb es ihm an einem aktuellen Rechtsschutzinteresse<br />

mangelt. Auf dieses Erfordernis kann vorliegend auch nicht verzichtet werden, da keine grundsätzliche Frage<br />

zu klären ist, die aufgrund ihrer Natur der Anordnung regelmässig einer gerichtlichen Überprüfung entzogen<br />

bliebe. Demnach ist auf die Beschwerde in diesem Punkt nicht einzutreten.<br />

VGr, 23. Sep. 2009,<br />

VB.2009.00461, E.1.3.<br />

Ausnahme des Erfordernisses<br />

des aktuellen Rechtsschutzinteresse<br />

VGr, 20. Aug. 2009,<br />

VB.2009.00159, E. 1.2.<br />

Rechtsschutzinteressen<br />

hinsichtlich polizeilich angeordneter<br />

<strong>Gewalt</strong>schutzmassnahme<br />

VGr, 3. Juni 2010,<br />

VB.2010.00243, E. 1.2.<br />

Die Schutzmassnahmen der<br />

<strong>Kantonspolizei</strong> dauerten bis<br />

zum 12. Mai 2010 und waren im<br />

Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung<br />

bereits abgelaufen.<br />

7.3. Keine aufschiebende Wirkung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde § 11a Abs. 2 GSG<br />

Trotz Rückweisung zur Durchführung einer Anhörung der Parteien und anschliessender Neubeurteilung, bleiben<br />

die mit Verfügung des Haftrichters verlängerten Schutzmassnahmen weiterhin in Kraft und der Einsprache<br />

kommt keine aufschiebende Wirkung zu (§ 11 Abs. 2 GSG).<br />

Der Beschwerdeführer beantragt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Beschwerden. Da<br />

vorliegend der Entscheid in der Hauptsache ergeht, erweist sich sein Antrag als gegenstandslos.<br />

VGr, 25. März 2010,<br />

VB.2010.00109 E. 3.2.<br />

Vgr, 23. Sep. 2003,<br />

VB.2009.00461, E. 1.4.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 13


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />

7.4. Weitere verfahrensrechtliche Fragen<br />

Die Verlängerung der Schutzmassnahmen um maximal drei Monate ordnet der Haftrichter als erste Instanz an;<br />

dies im Gegensatz zur gerichtlichen Beurteilung der durch die Polizei <strong>für</strong> die Dauer von 14 Tagen angeordneten<br />

Schutzmassnahmen, wo er als zweite Instanz entscheidet. Eine räumliche Ausdehnung des Rayonverbots im<br />

Vergleich zu den polizeilich verfügten Schutzmassnahmen erscheint durchaus möglich. Zudem kann das Gericht<br />

eine andere Schutzmassnahme gemäss § 3 Abs. 2 GSG anordnen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 GSG). Auch hält § 6<br />

Abs. 2 GSG fest, dass die Parteien bei veränderten Verhältnissen das Gericht um Änderung der haftrichterlichen<br />

Schutzmassnahmen ersuchen können. Eine Ausdehnung der Schutzmassnahmen muss somit bereits beim<br />

Entscheid des Haftrichters über die Verlängerung derselben möglich sein. Der Haftrichter war demnach zur<br />

räumlichen Ausdehnung des Rayonverbots grundsätzlich befugt.<br />

Gemäss § 140 Abs. 1 GVG finden in der Zeit vom 10. Juli bis und mit 20. Aug. sowie vom 20. Dez. bis und mit 8.<br />

Jan. keine Verhandlungen statt; die gesetzlichen und die richterlichen Fristen stehen still. Vorbehalten bleiben die<br />

in Abs. 2 genannten Fälle. Die Aufzählung in § 140 Abs. 2 GVG ist nicht erschöpfend. Für die Beurteilung der<br />

Dringlichkeit ist auf die Natur der hängigen Streitsache und nicht auf das einseitige Interesse einer Partei an der<br />

Förderung des Prozesses abzustimmen. Aus den Ausführungen in der Weisung des Regierungsrats geht hervor,<br />

dass die gerichtliche Beurteilung der Schutzmassnahmen bzw. der Entscheid über deren Verlängerung, Änderung<br />

und Aufhebung bewusst dem Haftrichter übertragen wurde, um ein rasches Verfahren sicherzustellen. Aus der<br />

mehrfachen Betonung des zentralen Anliegens der Beschleunigung des Verfahrens wird deutlich, dass es<br />

sich bei den genannten Entscheiden um dringende Fälle im Sinne von § 140 Abs. 2 GVG handeln muss,<br />

<strong>für</strong> welche die Gerichtferien nicht gelten. Diesen Schluss legt auch der Umstand nahe, dass die gerichtlich<br />

verfügten Schutzmassnahmen insgesamt drei Monate nicht übersteigen dürfen. Es ist daher als offensichtliches<br />

Versehen des Gesetzgebers zu werten, dass er beim Erlass des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes nicht ausdrücklich auf die<br />

Nichtgeltung der Gerichtsferien <strong>für</strong> das Verfahren nach diesem Gesetz hinwies.<br />

Unter Vorbehalt hier nicht zutreffenden Ausnahmen erwächst nur das Dispositiv einer Verfügung in Rechtskraft.<br />

Nur darin enthaltene Anordnungen sind anfechtbar, nicht auch die Begründung oder andere Bestandteile einer<br />

Verfügung.<br />

Der Beschwerdeführer wehrte sich ausdrücklich nicht gegen die <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen, sondern nur gegen<br />

das Strafverfahren wegen Drohung und Nötigung. Ein Anfechtungswille des Beschwerdeführers ist nicht ersichtlich.<br />

Auf die Beschwerde ist entsprechend nicht einzutreten.<br />

Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet, weshalb sie gemäss § 38 Abs. 1 Satz 2 VRG (neu ab<br />

1. Juli 2010: § 38 Abs. 2 VRG) auf dem Zirkulationsweg abzuweisen ist.<br />

Aus dem Wortlaut von § 5 Satz 1 GSG ergibt sich mit genügender Klarheit, dass die schriftliche Begründung ein<br />

Gültigkeitserfordernis <strong>für</strong> das Begehren um gerichtliche Beurteilung darstellt. Wird die Gültigkeit eines Rechtsmittels<br />

kraft ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung davon abhängig gemacht, dass es eine minimale Begründung<br />

enthalte, so liegt darin weder eine Verweigerung des Anspruchs auf rechtliches Gehör noch kann darin ein überspitzter<br />

Formalismus gesehen werden. Der verfassungsmässige Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 9 BV)<br />

schliesst es nicht aus, dass ohne Ansetzung einer Nachfrist zur Verbesserung auf ein mangelhaftes Rechtsmittel<br />

dann nicht eingetreten wird, wenn der Rechtsmittelkläger die diesbezügliche Unvollständigkeit bzw. Mangelhaftigkeit<br />

der Rechtsmittelbelehrung erkannt hat oder mit zumutbarer Sorgfalt hätte erkennen müssen. Aus § 8 GSG mit<br />

dem Marginale "Form der Gesuche" folgt das Erfordernis einer schriftlichen Gesuchsbegründung - wiederum auch<br />

<strong>für</strong> einen Laien - klarerweise.<br />

Es ist zwar nicht zu bezweifeln, dass der Beschwerdeführer ein berufliches Interesse an der Aufhebung des<br />

Rayonverbots hat. Allerdings hat er sich nicht genauer dazu geäussert, inwiefern ihn dieses konkret an der Ausübung<br />

seines Berufs einschränke, sondern es bei einem bloss pauschalen Hinweis darauf bewenden lassen,<br />

weshalb sein Vorbringen als ungenügend substanziiert erscheint.<br />

Der Beschwerdeführer kritisiert ganz allgemein namentlich die Verfügung des Haftrichters, ohne im Einzelnen<br />

darzulegen, inwiefern die ihr zugrunde liegenden Erwägungen bzw. die Verfügung im Ergebnis rechts- bzw.<br />

verfassungswidrig sein soll. Schon mangels hinreichender Begründung ist daher nicht auf die Beschwerde<br />

einzutreten.<br />

Art. 29 Abs. 2 BV verlangt, dass die Behörde die Vorbringen des Betroffenen tatsächlich hört, sorgfältig und<br />

ernsthaft prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt, was aber nicht bedeutet, dass sich die Behörde ausdrücklich<br />

mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen muss. Die<br />

Begründung muss so abgefasst sein, dass der Betroffene einen Entscheid gegebenenfalls sachgerecht anfechten<br />

kann.<br />

Dass der Haftrichter die Beschwerdeführerin nicht nochmals mit den einzelnen Vorwürfen ihrer Mutter konfrontierte,<br />

ist nicht zu beanstanden, hatte dies doch bereits die Polizei getan. Zudem wusste die Beschwerdeführerin um<br />

die Vorwürfe der Mutter, auf die sie denn auch in der Anhörung einging. Mit den Vorbringen der Beschwerdeführerin<br />

in ihrer Einsprache und anlässlich der Anhörung befasste sich der Haftrichter in der Tat nicht sehr einge-<br />

Ausweitung der Schutzmassnahme<br />

durch das<br />

ZMG<br />

Erweiterung des Rayons<br />

VGr, 3. Mai 2010,<br />

VB.2010.00177, E. 3.2.<br />

VGr 1. Okt. 2009,<br />

VB.2009.00460, E. 3.2.<br />

Gerichtsferien<br />

Ab 1. Jan. 2011 richtet sich<br />

die Regelung der Gerichtsferien<br />

nach § 71 VRG i.V.m.<br />

§ 145 f. ZPO: Analog zum<br />

summarischen Verfahren<br />

gibt es im GSG keine Gerichtsferien.<br />

Rechtskraft<br />

VGr, 23. Juni 2010,<br />

VB:2010.00294, E. 2. und<br />

3.2. VB.2009.00545, E. 1.2<br />

Zirkulationsbeschluss<br />

VGr, 28. Dez. 2009,<br />

VB.2009.00705, E 5.<br />

Begründungspflicht der<br />

GSG-Gesuchs § 8 GSG<br />

BGer, 13. Juli 2007,<br />

BGE 1C_89/2007, E. 2.1. f.<br />

Substanziierungspflicht<br />

VGr, 23. Dez. 2009,<br />

VB.2009.00665, E 4.2.<br />

Substanziierungspflicht<br />

BGer, 8. Juni 2010,<br />

BGE 1C_28672010<br />

in diesem Sinne auch<br />

BGer, 13. Juli 2010,<br />

BGE 1C_338/2010<br />

Urteilsbegründung<br />

VGr, 20. Aug. 2009,<br />

VB.2009.00395, E. 2.2. f.<br />

Urteilsbegründung<br />

VGr, 20. Aug. 2009,<br />

VB.2009.00395, E. 2.2. f.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 14


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />

hend. Dabei gilt es jedoch zu berücksichtigen, dass an die Begründungsdichte der Entscheide des Haftrichters<br />

angesichts der vorgeschriebenen Verfahrensdauer nicht allzu hohe Anforderungen gestellt werden<br />

können. Eine sachgerechte Anfechtung verunmöglichte die Begründung des angefochtenen Entscheids<br />

jedenfalls nicht; dies behauptet auch die Beschwerdeführerin nicht.<br />

2.3 (..) Eine Rückweisung würde denn auch zu einer Verzögerung führen, (..). Von einer Rückweisung der Streitsache<br />

an die Vorinstanz wäre demnach ohnehin selbst bei einer – hier allerdings nicht gegebenen – Gehörsverletzung<br />

abzusehen.<br />

3.4 Nach dem Gesagten stellt der Entscheid der Haftrichterin vom 16. Mai 2012 richtigerweise lediglich eine<br />

vorläufige, mit Einsprache beim Haftrichter anfechtbare Verfügung dar (§ 10 Abs. 2 und § 11 Abs. 1 GSG), weshalb<br />

sich die Rechtsmittelbelehrung des vorinstanzlichen Entscheids, in welcher die Beschwerde an das Verwaltungsgericht<br />

angegeben wurde, als unzutreffend erweist. Demgemäss ist auf die Beschwerde mangels Zuständigkeit<br />

des Verwaltungsgerichts nicht einzutreten. Die Akten sind der Haftrichterin des Bezirksgerichts <strong>Zürich</strong> zur<br />

Behandlung als Einsprache zu überweisen (§ 5 Abs. 2 VRG). Diese wird den Beschwerdeführer anzuhören<br />

haben, bevor sie den Einspracheentscheid fällt (vgl. E. 2.3). Der Klarheit halber ist anzufügen, dass die im Entscheid<br />

der Haftrichterin vom 16. Mai 2012 angeordneten <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen bis zum neuen Entscheid der<br />

Haftrichterin aufrechterhalten bleiben.<br />

4.3 Die Verfügung vom 26. Juli 2012 ist somit wegen ungenügender Anhörung im Sinn von § 9 Abs. 3 GSG<br />

aufzuheben und an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Beschwerde ist dementsprechend teilweise gutzuheissen.<br />

Eine Rückweisung erweist sich aufgrund der beschränkten Kognition des Verwaltungsgerichts (vgl. § 50<br />

VRG) und angesichts der äusserst kurzen Begründung der vorinstanzlichen Verfügung als unumgänglich (vgl. §<br />

64 Abs. 1 VRG). Die Vorinstanz hat die Beschwerdeführerin im Einzelnen anzuhören bzw. zu befragen und<br />

anschliessend die Frage der Verlängerung oder Aufhebung der gegen die Beschwerdeführerin angeordneten<br />

<strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen neu zu beurteilen.<br />

Keine Rückweisung an das<br />

ZMG<br />

VGr, 11. Màrz 2013,<br />

VB.2013.00092. E. 2.3<br />

Unkorrekte Rechtsmittelbelehrung,<br />

Überweisung<br />

als Einsprache<br />

VGr 27. Juni 2012<br />

VB.2012.00356<br />

Rückweisung und Aufrechterhaltung<br />

als Vorsorgliche<br />

2 VGr, 27. Aug. 2012<br />

VB.2012.00492<br />

8. Gerichtskosten, Parteientschädigung, Unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung<br />

8.1. Kostenauflage und Parteientschädigung § 12 GSG<br />

Im Gegensatz zur polizeilichen Anordnung der Schutzmassnahmen löst das gerichtliche Verfahren Kosten- und Entschädigungsfolgen<br />

aus. Wird das Gesuch um Aufhebung einer Schutzmassnahme abgewiesen, werden der gesuchstellenden Person die Verfahrenskosten<br />

auferlegt, andernfalls werden sie auf die Gerichtskasse genommen. Im Verlängerungs-, Änderungs- und Aufhebungsverfahren wird<br />

die unterliegende Partei kostenpflichtig. Die Auflage und Höhe der Kosten beträgt zwischen CHF 100 und CHF 600. Zusätzlich können Kosten<br />

einer allfälligen Übersetzung anfallen. Vor Verwaltungsgericht betragen die Kosten inkl. den Gebühren zwischen CHF 800 bis CHF<br />

1‘200.Jede Partei hat die Gegenpartei nach Massgabe ihres Unterliegens <strong>für</strong> Kosten und Umtriebe zu entschädigen. Verordnung über Gerichtsgebühren<br />

(LS 211.11)<br />

Die Gerichtskosten des vorliegenden Verfahrens sind aufgrund der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch<br />

den Haftrichter auf die Gerichtskasse zu nehmen (§ 70 i.V.m. § 13 Abs. 2 VRG).<br />

Die Gerichtskosten sind aufgrund der unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung auf die Gerichtskasse zu nehmen<br />

(§ 70 i.V.m. 13 Abs. 2 VRG).<br />

Bei diesem Ausgang des Verfahrens - Unterliegen der Beschwerdeführerin - wären die Gerichtskosten ihr<br />

aufzuerlegen. Unter den vorliegenden Umständen - insbesondere aufgrund der Ungewissheit, ob sie überhaupt<br />

eine Beschwerde erheben wollte - rechtfertigt es sich aber, die Kosten auf die Gerichtskasse zu nehmen.<br />

Da der Haftrichter die polizeilich angeordneten Schutzmassnahmen im Rahmen seines Entscheids verlängerte,<br />

hätte er auf eine Kostenauferlegung an die unterliegende Partei nicht ohne Begründung verzichten dürfen.<br />

Bei dieser Ausgangslage hätte der Haftrichter die Kosten des zweiten Verfahrens zu einem Teil auf die Gerichtskasse<br />

nehmen müssen, da der Beschwerdeführer mit seinem Gesuch zu einem gewissen – wenn auch<br />

nicht sehr hohen – Anteil durchdrang.<br />

Die Nebenfolgenregelung des vorinstanzlichen Entscheids wird bei Gegenstandslosigkeit vor Verwaltungsgericht<br />

nach Ermessen und im Sinne der Billigkeit überprüft. Neu festzusetzen sind die Nebenfolgen nur dann,<br />

wenn sich ihre Regelung ohne Weiteres als unzutreffend herausstellt. Dabei fordert die Prozessökonomie<br />

grundsätzlich, auf die eingehende Behandlung hypothetisch gewordener Fragen zu verzichten. Wenn die<br />

Vorinstanz Kosten und Parteientschädigungen nach dem Unterliegensprinzip verteilt hat, so ist ihre Regelung<br />

der Nebenfolgen dann fehlerhaft, wenn der betreffende Entscheid im Ergebnis nicht haltbar ist. Entsprechend<br />

nimmt das Verwaltungsgericht in solchen Fällen, wenn ein materieller Entscheid angefochten worden ist, eine<br />

summarische Prüfung des angefochtenen Entscheids in der Hauptsache vor.<br />

Anlass zum bundesgerichtlichen Verfahren und dem damit insbesondere <strong>für</strong> die Parteien verbundenen Aufwand<br />

hat die Vorinstanz gegeben. Dem Kanton werden keine Kosten auferlegt (Art. 66 Abs. 4 BGG). Dagegen<br />

rechtfertigt es sich, ihn in Anwendung von Art. 68 Abs. 4 i.V.m. Art. 66 Abs. 3 BGG zur Bezahlung einer Entschädigung<br />

an den Vertreter der Beschwerdeführerin, sowie an die Vertreterin des Beschwerdegegners zu<br />

Kostenauflage<br />

VGr, 25. März 2010,<br />

VB.2010.0010,9 E. 4.<br />

VGr, 11. Dez. 2009,<br />

VB.2009.00642, E. 3.2.<br />

VGr, 7. Okt. 2009,<br />

VB.2009.00545, E. 3.<br />

VGr, 17. Juni 2010,<br />

VB.2010.00265, E. 6.2.<br />

VGr, 25. Aug. 2010,<br />

VB.2010.00394, Erw. 5.3.<br />

Überprüfung der Kostenregelung<br />

der Vorinstanz durch das<br />

VGr.<br />

VGr, 20. Aug. 2009,<br />

VB.2009.00159, E. 1.2.<br />

Parteientschädigung<br />

BGer, 16. Jan. 2009,<br />

BGE 1C_272/2008, E. 2.2.<br />

Die Vorinstanz sprach der<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 15


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />

verpflichten. Die Gesuche um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung <strong>für</strong> das bundesgerichtliche<br />

Verfahren sind damit gegenstandslos.<br />

Mangels eines Antrages auf Prozessentschädigung, ist dem Beschwerdegegner trotz Obsiegens keine Prozessentschädigung<br />

zuzusprechen (§ 17 Abs. 2 VRG).<br />

Beschwerdeführerin keine<br />

Prozessentschädigung zu und<br />

befand nicht über deren Antrag<br />

um Bestellung eines unentgeltlichen<br />

Rechtsvertreters.<br />

VGr, 11. März 2010,<br />

VB.2010.00066, E 5.2.<br />

8.2. Unentgeltliche Rechtspflege, unentgeltlicher Rechtsbeistand § 16 VRG<br />

Die Notwendigkeit der Rechtsverbeiständung ist zu bejahen, wenn die Interessen des Gesuchstellers in<br />

schwerwiegender Weise betroffen sind und das Verfahren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten<br />

bietet, die den Beizug eines Rechtsvertreters erfordern. Neben dem Schwierigkeitsgrad der sich<br />

stellenden Rechts- und Sachverhaltsfragen sind auch in der Person des Betroffenen liegende Gründe<br />

zu berücksichtigen - etwa die Fähigkeit, sich im Verfahren zurechtzufinden, der Gesundheitszustand<br />

des Gesuchstellers und die Bedeutung der Angelegenheit <strong>für</strong> diesen. Im Allgemeinen ist eine Verbeiständung<br />

grundsätzlich geboten, wenn das infrage stehende Verfahren besonders stark in die<br />

Rechtsstellung des Gesuchstellers eingreift.<br />

Angesichts des schwerwiegenden Eingriffs der <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen in das Privatleben des Beschwerdeführers,<br />

seines Aufenthalts in der psychiatrischen Klinik wegen der starken psychischen Belastung und der<br />

nicht ganz einfachen Rechtsfragen ist die Notwendigkeit der Rechtsverbeiständung vorliegend zu bejahen.<br />

Von der Mittellosigkeit ist aufgrund der eingereichten Mietzinsmahnungen und da er seit vielen Jahren kein<br />

Einkommen erzielt und als Hausmann tätig war, auszugehen.<br />

6.2.1. (..) Als aussichtslos sind Begehren anzusehen, bei denen die Aussicht auf Gutheissung um derart viel<br />

kleiner als jene auf Abweisung erscheint, dass sie deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können.<br />

Massgebend ist, ob ein Selbstzahler, der über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung und<br />

Abwägung der Aussichten zu einem Verfahren entschliessen würde oder davon Abstand nähme. Der Private<br />

soll ein Verfahren, das er auf eigene Rechnung und Gefahr führen würde, nicht deshalb anstrengen können,<br />

weil es ihn nichts kostet. Dagegen gilt ein Begehren als aussichtsreich, wenn sich die Aussichten auf Gutheissung<br />

oder Abweisung ungefähr die Waage halten oder nur geringfügig differieren (..)<br />

Im vorliegenden Fall konnte den Begehren des Ehemanns indessen zum vornherein kein Erfolg beschieden<br />

sein, denn aufgrund des gegebenen Gefährdungspotenzials sowie des Deeskalationsbedürfnisses kam eine<br />

sofortige ersatzlose Aufhebung der angeordneten Schutzmassnahmen offensichtlich nicht infrage. Somit ist das<br />

Gesuch des Ehemanns um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Rechtsvertretung abzuweisen.<br />

Mittellos im Sinne von § 16 VRG ist, wer die erforderlichen Vertretungskosten lediglich bezahlen kann,<br />

wenn er jene Mittel heranzieht, die er <strong>für</strong> die Deckung des Grundbedarfs <strong>für</strong> sich und seine Familie<br />

benötigt. Die Bedürftigkeit ist aufgrund der gesamten Verhältnisse, namentlich der Einkommenssituation, der<br />

Vermögensverhältnisse und allenfalls der Kreditwürdigkeit zu beurteilen.<br />

Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdeführerin und die Kinder zu unterstützen. Bei der Beurteilung der<br />

Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin sind deshalb die Einkommensverhältnisse des Beschwerdeführers<br />

mit zuberücksichtigen. Daneben erzielt die Beschwerdeführerin selber ein Einkommen. Schliesslich<br />

schweigt sie sich darüber aus, ob es ihr möglich wäre, finanzielle Leistungen von Dritten (so etwa vom Beschwerdeführer<br />

oder ihren Eltern) zusätzlich erhältlich zu machen. Sie hat demnach – wie der Beschwerdeführer<br />

– nicht als mittellos zu gelten, weshalb sich eine nähere Prüfung ihrer zudem nicht deklarierten Einkommens-<br />

und Vermögensverhältnisse erübrigt.<br />

Die Mittellosigkeit ist durch die eingereichten Unterlagen der Beschwerdegegnerin ausgewiesen. Ihr Begehren<br />

ist zudem nicht aussichtslos. Hingegen war die Rechtsvertretung nicht notwendig: Die Beschwerdegegnerin<br />

hatte bereits vor der Polizei und dem Haftrichter ohne Rechtsvertretung ausgesagt, und es stellten sich keine<br />

rechtlich besonders schwierigen Fragen. Strittig war lediglich, ob die Wegweisung und das Rayonverbot <strong>für</strong><br />

zwei bzw. drei Tage aufgehoben werden solle, mithin eine einfache Frage. Das Begehren um unentgeltliche<br />

Rechtsvertretung ist demnach abzuweisen.<br />

Aufgrund der Steuerrechnung der Beschwerdeführerin (Tochter) ist von deren Mittellosigkeit auszugehen. Die<br />

vorliegende Beschwerde kann zudem nicht als aussichtslos bezeichnet werden. Angesichts ihrer psychischen<br />

Situation, aber auch aufgrund einer <strong>für</strong> ein Verfahren nach <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz eher ungewöhnlichen Konstellation<br />

mit einer Elternteil-Kind-Beziehung war die Beschwerdeführerin schliesslich kaum in der Lage, ihre<br />

Rechte selber zu wahren. Entsprechend ist ihr die unentgeltliche Rechtsvertretung zu gewähren und <strong>für</strong> das<br />

Beschwerdeverfahren in der Person ihres derzeitigen Vertreters ein unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen.<br />

Vor der Vorinstanz wurde die unentgeltliche Rechtsvertretung mit Hinweis auf die Aussichtslosigkeit des<br />

Standpunkts der Beschwerdeführerin abgelehnt, was sich nunmehr als unzutreffend erweist.<br />

Das Gesuch der Beschwerdegegnerin um unentgeltliche Prozessführung ist als gegenstandslos geworden<br />

abzuschreiben, da die Verfahrenskosten dem Beschwerdeführer auferlegt wurden. Da die vorliegende Beschwerde<br />

abzuweisen ist, waren die Begehren der Beschwerdegegnerin nicht offensichtlich aussichtslos. Der<br />

Voraussetzung <strong>für</strong> URB<br />

VGr, 25. März 2010,<br />

VB.2010.00109, E. 4.<br />

Vgl. auch VB.2010.00177<br />

Aussichtslosigkeit<br />

VGr, 18. Juli 2013,<br />

VB.2013.00458, E. 6.2.1<br />

VGr, 11. März 2010,<br />

VB.2010.00066, E 5.2.<br />

VGr, 3. Dez. 2009,<br />

VB.2009.00640/VB.2009.00646,<br />

E.6.<br />

Mittellosigkeit<br />

VGr 1. Okt. 2009,<br />

VB.2009.00460, E. 4.<br />

VGr, 23. Sep. 2009,<br />

VB.2009.00461, E. 6.<br />

Nettoeinkommen Beschwerdeführer:<br />

ca. Fr. 6'700.- (inkl.<br />

Kinderzulagen),<br />

Beschwerdeführerin: Fr. 2'300.-<br />

Unentgeltliche Rechtsvertretung,<br />

Notwendigkeit<br />

VGr, 25. Aug. 2010,<br />

VB.2010.00394, E. 6.4.<br />

VGr, 20. Aug. 2009,<br />

VB.2009.00395, E. 6.<br />

Die 77-jährige Mutter liess<br />

gegen die im gleichen Haushalt<br />

wohnende Tochter <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen<br />

anordnen.<br />

VGr, 5. Nov. 2009,<br />

VB.2009.00514, E. 6.4 f.<br />

Beschwerdegegnerin: Nettoein-<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 16


Kapitel 2: Kurzfristiger Schutz bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>: Ausgewählte Rechtsprechung zum <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz, 1. April 2007 bis 31. Oktober 2013<br />

Entscheid über die Geltung eines dreimonatigen Rayon- und Kontaktverbots war <strong>für</strong> die Beschwerdegegnerin<br />

nicht von bloss unwesentlicher Bedeutung; es stellten sich Rechts- und Sachverhaltsfragen von einer gewissen<br />

Komplexität; die Beschwerdegegnerin befand sich aufgrund des Verfahrens in einer emotional belastenden<br />

Situation; die Gegenpartei war anwaltlich vertreten. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen,<br />

dass <strong>für</strong> die rechtsunkundige Beschwerdegegnerin eine sachliche Notwendigkeit bestand, ihre Rechte über<br />

einen anwaltlichen Vertreter zu wahren.<br />

Das Begehren des Beschwerdeführers kann nicht als aussichtslos bezeichnet werden. Zudem war die Rechtsvertretung<br />

notwendig, da das vollständige Kontaktverbot des Beschwerdeführers zu seinem Sohn einen schweren<br />

staatlichen Eingriff in das verfassungsmässig geschützte Recht auf Familienleben darstellt und der Beschwerdeführer<br />

nur gebrochen Deutsch spricht.<br />

Aufgrund der Akten ist mit dem Haftrichter davon auszugehen, dass die Beschwerdegegnerin nicht über die<br />

erforderlichen Mittel verfügt, um einen Prozess zu führen. Ausserdem war ihr Antrag auf Abweisung der Beschwerde<br />

keineswegs aussichtslos. Zu berücksichtigen ist schliesslich, dass sich die Beschwerdegegnerin aus<br />

nachvollziehbaren Gründen an einen geheimen Aufenthaltsort begeben hat, um eine be<strong>für</strong>chtete Kontaktaufnahme<br />

des Beschwerdeführers zu verhindern; sie war demnach dazu gezwungen, sich im Verfahren<br />

vertreten zu lassen. Aufgrund dieser besonderen Umstände ist nicht zu beanstanden, wenn sich die<br />

rechtsunkundige Beschwerdegegnerin anwaltlich vertreten liess. Das Gesuch um Bestellung einer unentgeltlichen<br />

Rechtsvertreterin ist somit gutzuheissen.<br />

Die Prozesschancen zur Beurteilung, ob ein Begehren aussichtslos war, sind in einer vorläufigen und<br />

summarischen Prüfung des Prozessstoffes abzuschätzen. Ob ein Begehren aussichtslos erscheint,<br />

beurteilt sich aufgrund der Verhältnisse im Zeitpunkt des Gesuchs.<br />

Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV hat die bedürftige Partei, deren Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint, Anspruch<br />

auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand, soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist. Gilt in<br />

einem Verfahren die Untersuchungsmaxime, so lässt dies die anwaltliche Vertretung nicht ohne Weiteres<br />

als unnötig erscheinen. Abgesehen davon, dass die Untersuchungsmaxime allfällige Fehlleistungen der<br />

Behörde nicht zu verhindern vermag, ist zu bedenken, dass sie nicht unbegrenzt ist. Sie verpflichtet die<br />

Behörde zwar, von sich aus alle Elemente in Betracht zu ziehen, die entscheidwesentlich sind, und<br />

unabhängig von den Anträgen der Parteien Beweise zu erheben. Diese Pflicht entbindet die Beteiligten<br />

indessen nicht davon, durch Hinweise zum Sachverhalt oder Bezeichnung von Beweisen am Verfahren<br />

mitzuwirken. Somit kann auch in Verfahren wie dem vorliegenden, die vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht<br />

sind, eine anwaltliche Vertretung erforderlich sein.<br />

Der Entscheid über die Verlängerung, Änderung oder Aufhebung dieser Schutzmassnahmen war <strong>für</strong> den<br />

Beschwerdeführer von grosser Tragweite. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs und die Möglichkeit der<br />

Wiedererwägung warfen zudem Rechtsfragen auf, denen der Beschwerdeführer als juristischer Laie nicht<br />

gewachsen war. Dem Hinweis der Vorinstanz, die geltend gemachten sprachlichen Schwierigkeiten könnten<br />

durch einen gerichtlich bestellten Dolmetscher behoben werden, kann nicht gefolgt werden. Ein Dolmetscher<br />

vermag einen Rechtsbeistand, der juristisch ausgebildet ist und auch im Vorfeld des Verfahrens unterstützend<br />

tätig wird, nicht zu ersetzen.<br />

Die Beschwerdeführerin macht eine formelle Rechtsverweigerung geltend. Eine solche liegt vor, wenn eine<br />

Behörde auf eine ihr frist- und formgerecht unterbreitete Sache nicht eintritt, obschon sie darüber entscheiden<br />

müsste.<br />

Die Vorinstanz hätte Anlass dazu gehabt, über den Antrag um Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsvertreters<br />

zu befinden, nachdem sie zum Schluss gekommen war, der Beschwerdegegner könne nicht zur Zahlung<br />

einer Prozessentschädigung an die Beschwerdeführerin verpflichtet werden und <strong>für</strong> eine Entschädigung aus<br />

der Staatskasse nach § 12 GSG die gesetzliche Grundlage fehle. Indem die Vorinstanz das Gesuch der<br />

Beschwerdeführerin um Beigabe eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes mitsamt ihrem Antrag um<br />

Einräumung einer Nachfrist zur allenfalls erforderlichen Einreichung von Unterlagen zu den finanziellen<br />

Verhältnissen nicht behandelt hat, hat sie eine formelle Rechtsverweigerung begangen und damit Art.<br />

29 BV verletzt.<br />

kommen: durchschnittlich rund<br />

Fr. 3'000.- pro Monat; ausgewiesenen<br />

monatlichen Fixkosten<br />

bei Fr. 2'285.25<br />

VGr, 1. Nov. 2010,<br />

VB.2010.00561, E. 6.2.2.<br />

VGr, 30. April 2009,<br />

VB.2009.00175, E. 7.<br />

Nach Eskalation eines Streites<br />

zog die Ehefrau und der 7-<br />

jährige Sohn aus und begaben<br />

sich an einen geheim gehaltenen<br />

Aufenthaltsort.<br />

BGer, 24. Sep. 2009,<br />

BGE 1C_339/2008, E. 2.1.<br />

Zeitpunkt der Beurteilung der<br />

Aussichtslosigkeit<br />

Untersuchungsmaxime und<br />

Notwendigkeit eines Rechtsbeistandes<br />

BGer, 16. Jan. 2009, BGE<br />

1C_272/2008, E. 2.2.<br />

Formelle Rechtsverweigerung<br />

Abkürzungen<br />

ABl<br />

Amtsblatt des Kantons <strong>Zürich</strong><br />

BGE in der amtlichen Sammlung publizierter Bundesgerichtsentscheid<br />

BGG Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz,), SR 173.110<br />

BGer Bundesgericht<br />

BV Bundesverfassung vom 18. April 1999, SR 101<br />

EMRK Konvention vom 4. Nov. 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, SR 0.101<br />

GSG <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz vom 19. Juni 2006, LS 351<br />

KESB Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde<br />

VGr Verwaltungsgericht des Kantons <strong>Zürich</strong><br />

VRG Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons <strong>Zürich</strong> vom 24. Mai 1959, LS: 175.2<br />

ZGB Schweizerisches Zivilgesetzbuch, SR 210<br />

ZMG Zwangsmassnahmengericht<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch § 282 / 17


Kanton <strong>Zürich</strong><br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />

Kapitel 9<br />

Kurzfassung<br />

Nützliche Informationen<br />

zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>


Kapitel 9: Serviceteil, Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Inhaltsverzeichnis, November 2013<br />

Inhaltsverzeichnis Kapitel 9<br />

Serviceteil, Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

900 Serviceteil <br />

901 • Wichtige Zürcher Adressen November 2013<br />

902 • Weiterführende Links September 2011<br />

903 • Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme November 2013<br />

904 • Gesetzesabkürzungen, allgemeine Abkürzungen November 2013<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch


Kapitel 9: Serviceteil, Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Wichtige Zürcher Adressen, November 2013<br />

901 Wichtige Zürcher Adressen<br />

<strong>Gewalt</strong>schutz (Kapitel 2 und 5)<br />

Polizeinotruf 117<br />

<strong>Kantonspolizei</strong> <strong>Zürich</strong><br />

Fachstelle <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />

Stadtpolizei <strong>Zürich</strong><br />

Fachstelle <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />

Fachgruppe <strong>Gewalt</strong>delikte<br />

Stadtpolizei Winterthur<br />

Fachstelle <strong>Gewalt</strong><br />

Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden<br />

Anrufe aus der Stadt <strong>Zürich</strong> werden mit der<br />

Notrufzentrale der Stadtpolizei <strong>Zürich</strong> verbunden.<br />

Anrufe aus dem Kanton werden mit der Notrufzentrale<br />

der KAPO verbunden.<br />

Anrufe aus der Stadt Winterthur werden mit<br />

der Notrufzentrale der Stadtpolizei Winterthur<br />

verbunden.<br />

Eine Gefährdungsmeldung kann durch die<br />

betreffende Person selbst oder durch<br />

Angehörige, Nachbarn, Polizei oder von<br />

anderen Personen bei der zuständigen KESB<br />

im jeweiligen Bezirk eingereicht werden.<br />

117<br />

Postfach, 8021 <strong>Zürich</strong><br />

Fachstellenleiter Heinz Mora<br />

Tel: 044 247 30 61 (Bürozeiten)<br />

Fax: 044 247 21 45 ( täglich)<br />

E-Mail: fachstelle.hg@kapo.zh.ch<br />

Zeughausstrasse 31, 8004 <strong>Zürich</strong><br />

Fachstellenleiter Armin Schönenberger<br />

Tel: 044 411 64 12 (Bürozeiten)<br />

Fax: 044 291 51 36 (täglich)<br />

E-Mail: fachstelle.hg@stp.stzh.ch<br />

Postfach 126, 8402 Winterthur<br />

Fachstellenleiterin Frau Corinne Greuter<br />

Tel: 052 267 64 69 (Bürozeiten)<br />

Handy: 079 201 53 05<br />

Fax: 052 267 65 27<br />

E-Mail: fachstelle.hg@win.ch<br />

www.kesb-zh.ch<br />

Beratungshilfe (Opferhilfe- und <strong>Gewalt</strong>schutzberatungen)<br />

bif Beratungs- und<br />

Informationsstelle<br />

Stadt <strong>Zürich</strong>, Bezirke Dielsdorf,<br />

Horgen, Meilen, Uster <strong>für</strong><br />

<strong>Gewalt</strong>schutzfragen<br />

Frauenberatung sexuelle gewalt<br />

Bezirke Affoltern und Dietikon <strong>für</strong><br />

<strong>Gewalt</strong>schutzfragen.<br />

Für Frauen, die von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> betroffen<br />

sind, die physische und/oder psychische<br />

<strong>Gewalt</strong> während oder nach Auflösung der<br />

Ehe/Partnerschaft oder eingetragenen Partnerschaft<br />

erfahren.<br />

Für Frauen, die von sexueller <strong>Gewalt</strong> betroffen<br />

sind, mit Wohnsitz in der Stadt <strong>Zürich</strong>, den<br />

Bezirken Affoltern, Dielsdorf, Dietikon, Horgen,<br />

Meilen oder Uster<br />

Tel. 044 278 99 99<br />

www.bif-frauenberatung.ch<br />

Tel. 044 291 46 46<br />

www.frauenberatung.ch<br />

Frauen Nottelefon Winterthur<br />

Bezirke Andelfingen, Bülach,<br />

Hinwil, Pfäffikon, Winterthur <strong>für</strong><br />

<strong>Gewalt</strong>schutzfragen<br />

Für <strong>Gewalt</strong> betroffene Frauen und weibliche<br />

Jugendliche ab 14 Jahren (physische, psychische<br />

und sexuelle <strong>Gewalt</strong>), unabhängig von<br />

der Art der Beziehung zum Täter oder zur<br />

Täterin.<br />

Für Frauen, die von sexueller <strong>Gewalt</strong> betroffen<br />

sind, mit Wohnsitz in den Bezirken<br />

Andelfingen, Bülach, Hinwil, Pfäffikon,<br />

Winterthur<br />

Tel. 052 213 61 61<br />

www.frauennottelefon.ch<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 901 / 1


Kapitel 9: Serviceteil, Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Wichtige Zürcher Adressen, November 2013<br />

opferberatung zürich<br />

Fachstelle der Stiftung Opferhilfe<br />

<strong>Zürich</strong><br />

mannebüro züri Beratungs- und<br />

Informationsstelle<br />

Für Frauen und weibliche Jugendliche, die<br />

nicht von Partnergewalt, aber von <strong>Häusliche</strong>r<br />

<strong>Gewalt</strong> durch andere Familienmitglieder oder<br />

Verwandte betroffen sind (nicht primär sexuelle<br />

<strong>Gewalt</strong>), mit Wohnsitz in der Stadt <strong>Zürich</strong>, den<br />

Bezirken Affoltern, Dielsdorf, Dietikon, Horgen,<br />

Meilen und Uster.<br />

Für Männer und männliche Jugendliche, die<br />

von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> durch die Partnerin/den<br />

Partner oder durch andere Familienmitglieder<br />

betroffen sind, mit Wohnsitz im ganzen<br />

Kanton.<br />

<strong>für</strong> gefährdende Männer und Jugendliche.<br />

Seit September 2010 Beratungen in<br />

Winterthur, (jeweils Dienstag-Nachmittag/<br />

Abend möglich).<br />

Tel. 044 299 40 50<br />

www.ohzh.ch<br />

Hohlstrasse 36, 8004 <strong>Zürich</strong><br />

Tel. 044 242 08 88<br />

E-Mail: info@mannebuero.ch<br />

www.mannebuero.ch<br />

Bewährungs- und Vollzugsdienste <strong>für</strong> gefährdende Frauen. Tel. 043 259 83 11<br />

E-Mail: gsg.frauen@ji.zh.ch<br />

www.justizvollzug.zh.ch<br />

Beratungshilfe (Opferschutzstellen)<br />

Okey, Fachstelle <strong>für</strong> Opferhilfe<br />

und Kinderschutz<br />

Kinderschutzgruppe und<br />

Opferberatungsstelle des<br />

Kinderspitals <strong>Zürich</strong><br />

Castagna<br />

Beratungsstelle <strong>für</strong> sexuell ausgebeutete<br />

Kinder, weibliche Jugendliche und in der<br />

Kindheit ausgebeutete Frauen.<br />

Jugendsekretariat Winterthur<br />

Tel. 052 266 90 09<br />

Pikett-Telefon: 079 780 50 50 Kinderklinik<br />

Kantonsspital Winterthur<br />

Tel. 052 266 41 56<br />

www.okey-winterthur.ch<br />

Tel. 044 266 76 46,<br />

www.kinderschutzgruppe.ch<br />

Tel. 044 360 90 40<br />

www.castagna-zh.ch<br />

Mädchenhaus <strong>Zürich</strong> Tel. 044 341 49 45<br />

E-Mail: info@maedchenhaus.ch<br />

www.maedchenhaus.ch<br />

schlupfhuus <strong>Zürich</strong> Tel. 043 268 22 68<br />

(auch Sorgentelefon <strong>für</strong> Kinder)<br />

Beratung Tel. 043 266 22 66<br />

E-Mail: info@schlupfhuus.ch<br />

www.schlupfhuus.ch<br />

Allgemeine Beratungsstellen<br />

Beratungsnotrufnummer <strong>für</strong><br />

Erwachsene<br />

Beratungsnotrufnummer <strong>für</strong> Kinder<br />

und Jugendliche<br />

Tel. 143<br />

www.143.ch<br />

sowie gratis SMS-Beratung. Tel. 147<br />

www.147.ch<br />

FIZ Fraueninformationszentrum<br />

Infodona<br />

<strong>für</strong> Frauen aus Afrika, Asien, Lateinamerika<br />

und Osteuropa.<br />

Beratungsstelle <strong>für</strong> Migrantinnen und<br />

Migranten, die in der Stadt <strong>Zürich</strong> wohnen.<br />

Badenerstrasse 134<br />

Tel. 044 240 44 22<br />

www.fiz-info.ch<br />

Langstrasse 21<br />

Tel. 044 271 35 00<br />

www.stadt-zuerich.ch/infodona<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 901 / 2


Kapitel 9: Serviceteil, Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Wichtige Zürcher Adressen, November 2013<br />

Beratungsstelle Frauenhaus<br />

Zürcher Oberland<br />

Beratungen auch per Mail. Tel. 044 994 40 94<br />

www.frauenhaus-zo.ch<br />

E-Mail: info@frauenhaus-zo.ch<br />

Pinocchio<br />

Elternnotruf<br />

Beratungsstelle <strong>für</strong> Eltern und Kinder im<br />

Vorschulalter (und Eltern).<br />

Telefonische Elternberatung.<br />

Ambulante Beratungsmöglichkeit ist kostenpflichtig.<br />

Hallwylstrasse 29, 8004 <strong>Zürich</strong><br />

Tel. 044 242 75 33<br />

E-Mail: info@pinocchio-zh.ch<br />

www.pinocchio-zh.ch<br />

Weinbergstrasse 135, 8006 <strong>Zürich</strong><br />

Tel. 044 261 88 66<br />

E-Mail: 24h@elternnotruf.ch<br />

www.elternnotruf.ch<br />

Frauenhaus <strong>Zürich</strong> <strong>für</strong> Frauen Tel. 044 350 04 04<br />

www.frauenhaus-zhv.ch<br />

Frauenhaus Winterthur Tel. 052 213 08 78<br />

www.frauenhaus-winterthur.ch<br />

Frauenhaus <strong>Zürich</strong> Oberland Tel. 044 994 40 94<br />

www.frauenhaus-zo.ch<br />

Projekt KidsPunkt Winterthur<br />

Projekt KidsCare <strong>Zürich</strong><br />

c/o Pinocchio <strong>Zürich</strong><br />

Zürcher Fachstelle <strong>für</strong><br />

Alkoholprobleme ZfA<br />

Sucht Info Schweiz<br />

Beratungsstelle <strong>für</strong> Stadt und Landgemeinden<br />

des Bezirks Winterthur.<br />

Beratungsstelle <strong>für</strong> die Stadt <strong>Zürich</strong><br />

(Stadtkreise 6,11,12 und Bezirk Horgen).<br />

Die Zürcher Fachstelle berät, behandelt und<br />

begleitet Menschen mit risikoreichem Alkoholund<br />

Medikamentenkonsum. Diverse Kursangebote.<br />

Tel. 052 266 90 48<br />

Mobile 079 780 50 00 oder SMS<br />

Tel. 044 240 41 08<br />

E-Mail: kidscare@pinocchio-zh.ch<br />

Josefstrasse 91, 8005 <strong>Zürich</strong><br />

Tel. 043 444 77 00<br />

www.zfa.ch<br />

Gerichte, Staatsanwaltschaft, Statthalter, Betreibungsämter (Kapitel 3 - 5)<br />

Bezirksgerichte des Kantons<br />

<strong>Zürich</strong><br />

Friedensrichterämter<br />

Zürcher Obergericht<br />

Bezirke, Bezirksrat<br />

Oberstaatsanwaltschaft <strong>Zürich</strong><br />

Gesamtverzeichnis aller Zürcher Bezirksgerichte.<br />

Angabe der Öffnungszeiten <strong>für</strong> Beratungen.<br />

Gesamtverzeichnis aller FriedensrichterInnen<br />

im Kanton <strong>Zürich</strong>. Notwendig <strong>für</strong> die Einleitung<br />

selbständiger privatrechtlicher Schutzmassnahmen<br />

und <strong>für</strong> ordentliche Zivilprozesse.<br />

Adressen aller Bezirksräte.<br />

Der Bezirksrat ist u.a. zuständig <strong>für</strong> Beschwerden<br />

gegen die Vormundschaftsbehörden.<br />

www.gerichte-zh.ch<br />

www.friedensrichter-zh.ch<br />

Hirschengraben 13/15, 8001 <strong>Zürich</strong><br />

Tel. 044 257 91 91<br />

www.gerichte-zh.ch/organisation<br />

www.bezirke.zh.ch<br />

Florhofgasse 2, Postfach, 8090 <strong>Zürich</strong><br />

Tel. 044 265 77 11<br />

Fax 044 252 40 95<br />

E-Mail: kanzlei.osta@ji.zh.ch<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 901 / 3


Kapitel 9: Serviceteil, Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Wichtige Zürcher Adressen, November 2013<br />

Staatsanwaltschaften <strong>Zürich</strong><br />

Statthalter<br />

Stadtrichteramt <strong>Zürich</strong><br />

Polizeirichteramt Winterthur<br />

Zentrale Inkassostelle der<br />

Zürcher Gerichte<br />

Betreibungsamt<br />

Waffenhinterlegung<br />

Logistikbasis der Armee<br />

Örtlich nach Amtskreisen eingeteilte<br />

Staatsanwaltschaften, die alle Geschäfte der<br />

Strafverfolgung Erwachsene bearbeiten, die<br />

nicht in die Zuständigkeit der besonderen<br />

Staatsanwaltschaften fallen.<br />

Der Statthalter des Bezirks ist zuständig <strong>für</strong> die<br />

Durchführung der ordentlichen Strafverfahren<br />

bei Übertretungen, welche in seinem Gebiet<br />

begangen wurden. Der Statthalter ist auch<br />

zuständig <strong>für</strong> den Entzug ziviler Waffen, wenn<br />

z.B. eine Dritt- oder Selbstgefährdung vorliegt.<br />

Das Stadtrichteramt hat auf dem Gebiet der<br />

Stadt <strong>Zürich</strong> dieselbe Funktion wie der<br />

Statthalter im Bezirks..<br />

Der Winterthurer Polizeirichter hat dieselbe<br />

Funktion wie der Bezirksstatthalter<br />

Ist zuständig <strong>für</strong> das Inkasso sämtlicher<br />

Prozesskosten und weiterer Gebühren, die<br />

durch einen Prozess entstehen.<br />

Sie verschicken Rechnungen, Mahnungen und<br />

auch Rückforderungen bei unentgeltlicher<br />

Rechtspflege bzw. Verbeiständung. Auf<br />

Rechnungen und Mahnungen muss reagiert<br />

werden, wenn Ratenzahlungen oder weitere<br />

Stundungen ausgewiesenermassen notwendig<br />

sind.<br />

Adressen der Betreibungsämter. Sie sind auf<br />

der Website des Betreibungsinspektorates<br />

auffindbar, indem die Postleitzahl des<br />

entsprechenden Ortes eingegeben werden<br />

kann.<br />

Angehörige der Armee können seit dem<br />

1. Januar 2010 ihre persönliche Waffe ohne<br />

Angabe von Gründen kostenlos bei einer<br />

Retablierungsstelle (Zeughaus) hinterlegen.<br />

Winterthur-Unterland<br />

See-Oberland<br />

Limmattal-Albis<br />

<strong>Zürich</strong>-Limmat<br />

<strong>Zürich</strong>-Sihl<br />

www.bezirke.zh.ch<br />

Gotthardstrasse 62, 8002 <strong>Zürich</strong><br />

Tel. 044 411 99 99<br />

Öffnungszeiten: Mo - Fr 08.00 - 16.00 Uhr<br />

Technikumstrasse 73, Postfach,<br />

8402 Winterthur<br />

Tel.: 052 267 50 93<br />

Keine Homepage<br />

Thurgauerstrasse 56<br />

8050 <strong>Zürich</strong>-Oerlikon<br />

Telefon: 044 257 92 39<br />

www.betreibungsinspektorat-zh.ch<br />

Zeughaus <strong>Zürich</strong>, Retablierungsstelle<br />

LBA, Uetlibergstrasse 113, 8045 <strong>Zürich</strong><br />

Tel. 044 465 41 11<br />

Fax 044 451 12 90<br />

Öffnungszeiten: 07:30 bis 16:30 Uhr<br />

www.lba.admin.ch<br />

Logistik-Center Hinwil Zeughaus <strong>Zürich</strong> Oberland Retablierungsstelle, Überlandstrasse 17,<br />

Halle B/Trakt 1, 8340 Hinwil<br />

Tel: 044 938 35 06<br />

Fax: 044 938 35 81<br />

Öffnungszeiten: 07:30 bis 11:45 und<br />

13:30 bis 17:00 Uhr<br />

Amt <strong>für</strong> Militär und Zivilschutz<br />

Uetlibergstrasse 113, 8045 <strong>Zürich</strong><br />

Tel. 043 268 62 99<br />

www.amz.zh.ch<br />

Führungsstab der Armee FST A Zuständig <strong>für</strong> definitiven Armeewaffenentzug. Papiermühlestrasse 20, 3003 Bern<br />

Tel. 031 324 44 21 Auskunft Sekretariat<br />

E-Mail: info@fsta.vtg.admin.ch<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 901 / 4


Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Links zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, September 2011 (Kurzfassung <strong>für</strong> Kapitel 1 und 2)<br />

902 Weiterführende Links zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

Links Allgemein (Kapitel 1)<br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> im Kanton <strong>Zürich</strong><br />

Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong> FGG<br />

Fachstelle <strong>für</strong> Gleichstellung der Stadt <strong>Zürich</strong><br />

Kantonale Interventionsstellen der Schweiz<br />

KIFS<br />

AGAVA<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />

der Direktion der Justiz und des Innern des Kantons<br />

<strong>Zürich</strong>. Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

<strong>für</strong> Betroffene (mit Übersetzungen in mehrere<br />

Sprachen), <strong>Manual</strong> <strong>für</strong> <strong>Fachleute</strong>, Weiterbildungshinweise.<br />

Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong> des Eidgenössischen<br />

Büro <strong>für</strong> die Gleichstellung von Mann und Frau.<br />

Informationsblätter zu verschiedenen Aspekten<br />

<strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> und Stalking (mit Übersetzungen).<br />

Mit Toolbox zu Publikationen und Flyers<br />

zum Thema.<br />

Interessante Hinweise zu Gleichstellung und<br />

<strong>Gewalt</strong>. Hinweise auf Veranstaltungen und Publikationen.<br />

Themen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in der<br />

Stadt <strong>Zürich</strong>.<br />

Adressliste der Schweizer Interventionsstelle<br />

AGAVA Arbeitsgemeinschaft gegen Ausnützung<br />

von Abhängigkeitsverhältnissen:<br />

Weiterbildungsveranstaltungen.<br />

www.ist.zh.ch<br />

www.against-violence.ch<br />

www.ebg.admin.ch<br />

www.stadtzuerich.ch/gleichstellung<br />

www.ebg.admin.ch<br />

www.agava.ch<br />

Elternnotruf Hilfe <strong>für</strong> Eltern. www.elternnotruf.ch<br />

Stopp <strong>Gewalt</strong><br />

Fachstelle <strong>für</strong> Integrationsfragen<br />

Rechtsfragen <strong>für</strong> Behinderte<br />

Stalking<br />

Unabhängige Beschwerdestelle <strong>für</strong> das Alter<br />

in <strong>Zürich</strong><br />

Arbeitsgemeinschaft <strong>für</strong> Sozialberatung und<br />

Psychotherapie AGSP<br />

Opferhilfestatistik<br />

Eidgenössische Polizeistatistik<br />

BigBerlin<br />

Informationen <strong>für</strong> Schulen und Eltern der Bildungsdirektion<br />

des Kantons <strong>Zürich</strong>.<br />

Informationen zur Migration, ausführliche Linkliste<br />

zu Beratungsstellen.<br />

Rechtsberatung <strong>für</strong> Behinderte, unentgeltliche<br />

Beratung.<br />

Forschungsprojekt zu Stalking, Universität Darmstadt.<br />

Beratung und Unterstützung zu Fragen der <strong>Gewalt</strong><br />

bei Betagten<br />

Das FORUM ist die Internetzeitschrift des AGSP,<br />

mit Artikeln, Forschungsresultaten, Neuigkeiten<br />

etc. zu unterschiedlichen Fragen des Kindesschutzes.<br />

Bundesamt <strong>für</strong> Statistik. Verschiedene Statistiken<br />

zu Opfer von Straftaten, Beratungsstatistik, Beziehung<br />

Opfer-Täter, Delikte, Entschädigungen<br />

und Genugtuung<br />

PublikationenBundesamt <strong>für</strong> Polizei, Polizeiliche<br />

Kriminalitätsstatistik PKS<br />

BIG Koordinierung. Hilfe <strong>für</strong> Frauen und ihre<br />

Kinder bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>.<br />

www.bi.zh.ch<br />

www.integration.zh.ch<br />

www.saeb.ch<br />

www.stalkingforschung.de<br />

www.uba.ch<br />

www.agsp.de<br />

www.bfs.admin.ch<br />

www.bfs.admin.ch<br />

www.big-koordinierung.de<br />

4Uman Für gewaltausübende Männer. www.4uman.info<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 902 / 1


Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Links zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, September 2011 (Kurzfassung <strong>für</strong> Kapitel 1 und 2)<br />

Links <strong>für</strong> Kinder und Jugendliche<br />

147 Website von der pro Juventute <strong>für</strong> Kinder in Not.<br />

Als Telefon 147 oder SMS sowie auf der Site sind<br />

Anfragen (nicht anonymisiert) möglich.<br />

www.147.ch<br />

Lilli<br />

LustundFrust<br />

Feelok (zu <strong>Gewalt</strong>)<br />

mama.trinkt.ch / papa.trinkt.ch<br />

Tschau<br />

<strong>Gewalt</strong>schutz (Kapitel 2)<br />

<strong>Kantonspolizei</strong> - <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />

Stadtpolizei - <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />

Stadtpolizei Winterthur<br />

Institut <strong>für</strong> Rechtsmedizin<br />

Kantonale Opferhilfestelle<br />

Frauenberatungsstellen bei <strong>Gewalt</strong><br />

Online-Beratung zu Sexualität, Verhütung und<br />

sexueller <strong>Gewalt</strong>. Website <strong>für</strong> Kinder und Jugendliche.<br />

Fragen und Antworten sind anonym.<br />

Fachstelle <strong>für</strong> Sexualpädagogik. Ein Angebot der<br />

Schulgesundheitsdienste der Stadt <strong>Zürich</strong> und<br />

der Zürcher Aids-Hilfe <strong>für</strong> <strong>Fachleute</strong> und Jugendliche<br />

Multithematische Website der schweizerischen<br />

Gesundheitsstiftung RADIX <strong>für</strong> Jugendliche und<br />

Fachpersonen zu allen Themen die Jugendliche<br />

beschäftigen.<br />

Sucht Info Schweiz<br />

Antworten zu Themen aus dem Alltag Jugendlicher,<br />

zur Schule, Familie und Freundinnen. Veranstaltungshinweise.<br />

Pro Juventute<br />

Unter „Fachthemen“ finden sich Informationen zu<br />

„<strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>“ und „Stalking“ sowie die<br />

wichtigen Kontaktadressen.<br />

Generell werden die polizeilichen Aufgaben<br />

vorgestellt. Das Organigramm mit den entsprechenden<br />

Kontaktpersonen und -adressen ist<br />

hilfreich.<br />

Informationen zur Stadtpolizei und deren Arbeit,<br />

insbesondere zur Präventionsarbeit<br />

Unter >online-Polizei Stichwort „<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>“<br />

sind Adressen und Informationen zur <strong>Häusliche</strong>n<br />

<strong>Gewalt</strong><br />

Institut <strong>für</strong> Rechtsmedizin der Universität <strong>Zürich</strong>,<br />

wichtige Hinweise zum ärztlichen Vorgehen<br />

Gut strukturierte Website mit zahlreichen Informationen<br />

zur Opferhilfe, zur Stellung des Opfers<br />

im Strafverfahren und Links vor allem auf die<br />

Opfer-Beratungsstellen.<br />

Übersicht und Links zu allen Zürcher Frauen- und<br />

Kinderberatungsstellen sowie zu den Frauenhäusern.<br />

www.lilli.ch<br />

Langstrasse 21<br />

8004 <strong>Zürich</strong><br />

www.lustundfrust.ch<br />

www.feelok.ch<br />

www.tschau.ch<br />

www.kapo.zh.ch<br />

www.stadt-zuerich.ch<br />

www.stapo.winterthur.ch<br />

www.irm.unizh.ch<br />

www.opferhilfe.zh.ch<br />

www.frauengegengewalt.ch<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 902 / 2


Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />

903 Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften,<br />

Statistiken, Filme<br />

Inhaltsübersicht:<br />

A Literatur zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

1. a. Allgemeine Literatur zu <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und den Folgen der <strong>Gewalt</strong><br />

b. Erfahrungsberichte<br />

c. Filme<br />

2. Partnergewalt, Opfer und Täter, Täterinnen<br />

3. Kinder und Jugendliche im Kontext <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />

4. Kinder und Jugendliche, die <strong>Gewalt</strong> ausüben (Elternmisshandlung, <strong>Gewalt</strong> in partnerschaftlichen Jugendbeziehungen)<br />

5. <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und Betagte (<strong>Gewalt</strong> im Alter, <strong>Gewalt</strong> pflegender Kinder)<br />

6. <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> und Migration<br />

B. Literatur und Gesetzesmaterialien zu <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und Rechtsfragen<br />

1. Multinationale Verträge und ausländische Gesetzgebungen zu <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />

2. <strong>Gewalt</strong>schutzrecht (zu Kapitel 2)<br />

a. Aufsätze<br />

b. Gesetzesmaterialien<br />

3. Zivilrecht und <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> (zu Kapitel 3)<br />

a. Aufsätze<br />

b. Gesetzesmaterialien<br />

4. Kindesschutz und <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> (zu Kapitel 4)<br />

a. Aufsätze<br />

b. Gesetzesmaterialien<br />

5. Strafprozessualer und strafrechtlicher Schutz<br />

a. Aufsätze<br />

b. Allgemeine Kommentare zur StPO<br />

c. Gesetzesmaterialien<br />

6. <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und migrationsrechtliche Fragen<br />

a. Aufsätze<br />

b. Gesetzesmaterialien<br />

A. Literatur zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

1.a. Allgemeine Literatur zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> und Folgen der <strong>Gewalt</strong><br />

AGAVA (Hrsg.) (2010): Ware Frau – Ware Mann – Ware Kind. Referate der Fachtagung. <strong>Zürich</strong>.<br />

Bleuler, E.: Ambivalenz. Festgabe zur Einweihung der Neubauten der Universität <strong>Zürich</strong> 18. IV. 1914. In:<br />

Festgabe der medizinischen Fakultät. <strong>Zürich</strong>: Schulthess & Co 1914, S. 95-106.<br />

Bundesministerium <strong>für</strong> Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2010): Gemeinsam gegen häusliche<br />

<strong>Gewalt</strong>. Kooperation, Intervention, Begleitforschung. Berlin.<br />

Bundesministerium <strong>für</strong> Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2010): Lebenssituationen, Sicherheit und<br />

Gesundheit von Frauen in Deutschland. Ergebnisse der repräsentativen Untersuchung zu <strong>Gewalt</strong> gegen<br />

Frauen in Deutschland. Kurzfassung. Berlin.<br />

Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2011): Aktueller Forschungsstand zu Opfern und<br />

Tatpersonen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. Bern.<br />

Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2009): Informationsblatt Definition, Formen und<br />

Betroffene <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. Bern.<br />

Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2009): Informationsblatt Zahlen zur <strong>Häusliche</strong>n <strong>Gewalt</strong>.<br />

Bern.<br />

Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2009): Informationsblatt <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in der<br />

Schweizer Gesetzgebung. Bern.<br />

Engel, George L. (1977):The Need for a New Medical Model. A Challenge for Biomedicine. Science 196, S.<br />

129-136.<br />

FamPra, Praxis des Familienrechtes; Themenheft zu Rechtsfragen <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Heft 3/2009, Stämpfli<br />

Bern<br />

Fischer, Gottfried; Riedesser, Peter (2003): Lehrbuch der Psychotraumatologie. 3. Auflage. Ernst Reinhardt<br />

Verlag. München.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 1


Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />

FORSA, Techniker Krankenkasse, Universität Münster (2011): Cybermobbing - Forsa-Umfrage <strong>für</strong> Nordrhein<br />

Westfalen NRW. Münster.<br />

Gloor, Daniela; Meier, Hanna (2004): Frauen, Gesundheit und <strong>Gewalt</strong> im sozialen Nahraum.<br />

Repräsentativbefragung bei Patientinnen der Maternité Inselhof Triemli. Hrsg. von Büro <strong>für</strong> die Gleichstellung<br />

von frau und Mann der Stadt <strong>Zürich</strong> und Maternité Inselhof Triemli <strong>Zürich</strong>. Bern: Edition Soziothek<br />

Gloor, Daniela; Meier, Hanna (2009): Von der Harmonie zur Trübung – Polizeiliche (Re-)Konstruktion von<br />

Tötungsdelikten im sozialen Nahraum. Eine qualitativ-soziologische Aktenuntersuchung. Schriftenreihe zum<br />

Familienrecht Band 12. FamPra. Stämpfli Verlag. Bern.<br />

Gollan, J. (2005): Developmental psychopathology and neurobiology of aggression.<br />

Dev. Psychopathol 17. S.1151-1171.<br />

Greber, Franziska (2010): Die Vielfalt und Komplexität <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> erkennen. In: Fachstelle <strong>für</strong><br />

Gleichstellung der Stadt <strong>Zürich</strong> et al. (Hrsg.): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> erkennen und richtig reagieren.<br />

2. überarbeitete Auflage. Verlag Hans Huber. Bern. S. 165-180.<br />

Greber, Franziska; Kranich, Cornelia (2011): Dynamik <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> und rechtliche Interventionen. In:<br />

Borst, Ulrike; Lanfranchi, Andrea Hrsg. (2011): Liebe und <strong>Gewalt</strong> in nahen Beziehungen. Carl-Auer Verlag.<br />

Heidelberg. S. 219 – 233.<br />

Hermann, Judith (2006): Narben der <strong>Gewalt</strong>. 2. Auflage. Verlag Junfermann. Paderborn.<br />

Koordinierungsstelle gegen häusliche <strong>Gewalt</strong> (2005): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>. Erkennen - behandeln -<br />

dokumentieren. Ministerium <strong>für</strong> Justiz, Gesundheit und Soziales. Saarland. Saarbrücken.<br />

Margairaz, Christiane ; Girard, Jacques; Halpérin, Daniel S.: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> in Ehe und Familie, Zur Rolle<br />

des Allgemeinpraktikers. Schweiz Med. Forum 6/ 2006. S. 367 – 373.<br />

Mösch-Payot, Peter (2007): Der Kampf gegen häusliche <strong>Gewalt</strong>. Zwischen Hilfe, Sanktion und Strafe.<br />

interact. Luzern.<br />

Sachs, Josef (2009): Umgang mit Drohungen. Von Telefonterror bis Amoklauf. Verlag Orell Füssli, <strong>Zürich</strong>.<br />

Seith, Corinna (2003): Öffentliche Interventionen gegen häusliche <strong>Gewalt</strong>. Campus. Frankfurt a. M.<br />

Spitzberg, B. H. (2002): The tactical topography of stalking victimization and Management. In: Trauma,<br />

Violence and Abuse. S. 261 - 288.<br />

Schweizerische Gesellschaft <strong>für</strong> Gynäkologie und Geburtshilfe sggg (2009): Leitfaden <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>.<br />

Verbesserung der Betreuung betroffener Frauen. Bern.<br />

Techniker Krankenkasse (2011): Cybermobbing – <strong>Gewalt</strong> unter Jugendlichen. Ergebnisse einer<br />

repräsentativen Forsa-Umfrage in NRW.<br />

Tschan, Werner (2008): Stalking und interpersonelle <strong>Gewalt</strong> - das Interventionsdilemma. In: Dokumentation<br />

der Interdisziplinären Fachtagung. Stalking und <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>. Interventionsprojekt <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>,<br />

Freiburg, S. 155-124.<br />

Yodanis, Carrie; Godenzi, Alberto (1988): Erster Bericht zu den ökonomischen Kosten der <strong>Gewalt</strong> gegen<br />

Frauen. Universität Freiburg.<br />

1.b. Erfahrungsberichte<br />

Dill, Nicole (2009): Leben! Wie ich ermordet wurde. Wörterseh Verlag. Gockhausen.<br />

Minelli, Michèle (2009): Adeline, grün und blau. Edition Isele. Eggingen.<br />

1.c. Filme<br />

Stiftung Frauenhaus <strong>Zürich</strong> (2010): <strong>Gewalt</strong> an Frauen. Bildungs-DVD in 5 Teilen <strong>für</strong> junge Erwachsene und<br />

weitere Interessierte. www.frauenhaus-zuerich.ch<br />

Colla, Rolando (2011): Summer Games – Giochi d’Estate (DVD). Spielfilm über eine elterliche<br />

<strong>Gewalt</strong>beziehung und Folgen auf die Kinder. www.looknow.ch<br />

2. Partnergewalt, Opfer und Täter, Täterinnen<br />

Ainsworth, M. et al. (1978): Patterns of Attachment. A psychological study of the strange situation. New<br />

York: Hilsdale.<br />

Barz, Monika; Helfferich, Cornelia (2006): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> beenden. Verhaltensänderung von Tätern als<br />

Ansatzpunkt. Herausgegeben von der Landesstiftung Baden-Württemberg Bd. 23. Stuttgart.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 2


Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />

Bundesministerium <strong>für</strong> Familien, Senioren, Frauen und Jugend (2011): Lebenssituation, Sicherheit und<br />

Gesundheit von Frauen in Deutschland. Berlin.<br />

Bowlby, J. (1969) Attachment and Loss. Vol. 1. Attachment. New York: Basic Books.<br />

Grossmann, K.; Grossmann, K. E. (2004): Bindungen. Das Gefüge psychischer Sicherheit (Attachment. The<br />

composition of psychological security). Stuttgart, Klett-Cotta. S. 81<br />

Bowlby, J. (1995): Bindung: Historische Wurzeln, theoretische Konzepte und klinische Relevanz. In:<br />

Spangler, G./ Zimmermann, P. (Hg.): Die Bindungstheorie. Stuttgart: Klett-Cotta.<br />

Brisch, K.H. (2009): Bindungsstörungen. Von der Bindungstheorie zur Therapie. Stuttgart: Klett-Cotta. S.<br />

102-111.<br />

Dixon, L.; Browne, K: "The heterogeneity of spouse abuse: A review." Aggression and Violent Behavior 8.1<br />

(2003): 107-130<br />

Eidgenössisches Büro <strong>für</strong> die Gleichstellung von Frau und Mann (2009): Bericht über <strong>Gewalt</strong> in<br />

Paarbeziehungen. Ursachen und in der Schweiz getroffene Massnahmen. Bericht des Bundesrate vom 3. Juli<br />

2009.<br />

Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2009): Informationsblatt <strong>Gewalt</strong> gegen Frauen. Bern.<br />

Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2011): Informationsblatt <strong>Gewalt</strong> gegen Männer. Bern.<br />

Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2011): Informationsblatt Unterstützungsangebote <strong>für</strong><br />

gewaltbetroffene Frauen und Männer. Bern.<br />

Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2009): Informationsblatt <strong>Gewalt</strong>spirale in<br />

Paarbeziehungen. Bern.<br />

Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2009): Informationsblatt <strong>Gewalt</strong> in Trennungssituationen.<br />

Bern.<br />

Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2009): Informationsblatt Ursachen und Risikofaktoren<br />

von <strong>Gewalt</strong> in Paarbeziehungen. Bern.<br />

Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2009): Informationsblatt Stalking: bedroht, belästigt,<br />

verfolgt. Bern.<br />

Egger, Therese; Schär Moser, Marianne (2009): <strong>Gewalt</strong> in Paarbeziehungen. Ursachen und in der Schweiz<br />

getroffene Massnahmen, Eidgenössisches Büro <strong>für</strong> die Gleichstellung von Frau und Mann EBG, Bern.<br />

(www.ebg.admin.ch).<br />

Egger, Therese (2008): Beratungsarbeit und Anti-<strong>Gewalt</strong>-Programme <strong>für</strong> Täter und Täterinnen häuslicher<br />

<strong>Gewalt</strong> in der Schweiz. Eidgenössisches Büro <strong>für</strong> die Gleichstellung von Frau und Mann EBG, Bern.<br />

(www.ebg.admin.ch).<br />

Endrass, Jérôme; Rossegger, Astrid; Urbaniok, Frank; Borchard, Bernd (Hrsg.) (2012): Interventionen bei<br />

<strong>Gewalt</strong>- und Sexualstraftätern. Risk-Management, Methoden und Konzepte der forensischen Therapie,<br />

Berlin.<br />

Fachstelle <strong>für</strong> Gleichstellung Stadt <strong>Zürich</strong>; Frauenklinik Maternité; Stadtspital Triemli <strong>Zürich</strong>; Verein<br />

Inselhof Triemli, <strong>Zürich</strong> (Hrsg.) (2010): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> erkennen und richtig reagieren. Handbuch <strong>für</strong><br />

Medizin, Pflege und Beratung. 2. Auflage. Hans Huber. Bern.<br />

Fachstelle <strong>für</strong> Gleichstellung Stadt <strong>Zürich</strong> (2010): Zwangsheirat in <strong>Zürich</strong>. Hintergründe, Beispiele,<br />

Folgerungen. Fachstelle <strong>für</strong> Gleichstellung. <strong>Zürich</strong>.<br />

Gloor, Daniela; Meier, Hanna (2004): Frauen, Gesundheit und <strong>Gewalt</strong> im sozialen Nahraum.<br />

Repräsentativbefragung bei Patientinnen der Maternité Inselhof Triemli, Klinik <strong>für</strong> Geburtshilfe und<br />

Gynäkologie. Edition Soziothek 12. Bern.<br />

Gloor, Daniela; Meier, Hanna (2013): <strong>Gewalt</strong> in der Partnerschaft und Alkohol. Häufigkeit einer<br />

Dualproblematik, Muster und Beratungssettings. Studie im Auftrag des Bundesamtes <strong>für</strong> Gesundheit.<br />

www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/30687.pdf<br />

Greber, Franziska (2010): Die Vielfalt und Komplexität <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> erkennen. In: Fachstelle <strong>für</strong><br />

Gleichstellung der Stadt <strong>Zürich</strong> et al. (Hrsg.): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> erkennen und richtig reagieren. 2.<br />

Überarbeitete Auflage. Verlag Hans Huber. Bern. S. 175-180.<br />

Greber, Franziska (2011): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> – Erkennen und Handeln. Referat, gehalten an der HfH<br />

Interkantonale Hochschule <strong>für</strong> Heilpädagogik <strong>Zürich</strong>.<br />

Hansen, Ralf (2004): "Der Troll, der mich liebte". Stalking in den Medien des Internets - eine rechtliche<br />

Betrachtung.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 3


Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />

Helfferich, Cornelia; Lehmann, Kathrin; Kavemann, Barbara; Rabe, Heike (2005): Wissenschaftliche<br />

Untersuchung zur Situation von Frauen und zum Beratungsbedarf nach einem Platzverweis nach häuslicher<br />

<strong>Gewalt</strong>. Sozialministerium Baden-Württemberg. Stuttgart.<br />

Helfferich, Cornelia (2006): Muster von <strong>Gewalt</strong>beziehungen. Ein Beitrag zur hermeneutischen Diagnostik von<br />

<strong>Gewalt</strong>beziehungen. „Tötungsdelikte und schwere <strong>Gewalt</strong> durch Intimpartner. Prävention und<br />

Fallmanagement.<br />

Henderson, A. J. Z. et al. (1997): He Loves Me; He Loves Me Not: Attachment and Separation Resolution of<br />

Abused Women. Journal of Family Violence, Vol. 12, No. 2.<br />

http://www.sfu.ca/psyc/faculty/bartholomew/violencepub_files/loveme.pdf<br />

Hoffmann, Jens; Wondrak, Isabel (2006): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und Tötung des Intimpartners. Prävention und<br />

Fallmanagement. Verlag <strong>für</strong> Polizeiwissenschaft. Frankfurt.<br />

Holtzworth-Munroe, Amy; Stuart, Gregory L. (1994): Typologies of Male Batterers. Three Subtypes and the<br />

Differences Among Them. Psychological bulletin. Vol. 116. Nr. 3. S. 476-497.<br />

Holtzworth-Munroe, A.; Meehan, J. C.; Herron, K.; Rehman, U.; Stuart, G. L. (2003). Do subtypes of<br />

maritally violent men continue to differ over time? Journal of Consulting and Clinical Psychology, 71,<br />

728−740.<br />

Kamphuis, J; Emmelkamp, P.M.G (2001): Traumatic distress among support-seeking female victims of<br />

stalking. In: American Journal of Psychiatry. S. 795-798.<br />

Kavemann, Barbara (2002): <strong>Gewalt</strong> gegen Männer. Ein vernachlässigtes Problem? In: Fachveranstaltung<br />

der Fachhochschule <strong>für</strong> Verwaltung und Rechtspflege. Vortrag vom 18. Nov. 2002. S. 13. Berlin.<br />

Kavemann, Barbara; Kreyssig, Ulrike (Hrsg.) (2007): Handbuch Kinder und häusliche <strong>Gewalt</strong>.<br />

2. überarbeitete Auflage. VS Verlag <strong>für</strong> Sozialwissenschaften. Wiesbaden. S. 106-120.<br />

Kavemann, Barbara (2009): Täterinnen – die <strong>Gewalt</strong>ausübung von Frauen im privaten Raum im Kontext der<br />

feministischen Diskussion über <strong>Gewalt</strong> im Geschlechterverhältnis.<br />

www.zar.nomos.de/fileadmin/nk/doc/Aufsatz_NK_09_02.pdf<br />

Kilvinger, Frauke; Rossegger, Astrid; Urbaniok, Frank; Endrass, Jérôme (2011): Risikokalkulation bei<br />

<strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. Fortschritte der Neurologie - Psychiatrie. Ausgabe eFirst<br />

Ohms, Constance (2006): Broken rainbow. <strong>Gewalt</strong> gegen Lesben und häusliche <strong>Gewalt</strong> in lesbischen<br />

Zusammenhängen-Auswertung der Erhebungsbögen der Lesbenberatungsstellen und Lesbentelefone, S. 44.<br />

http://www.broken-rainbow.de/material/BR_Bundeserhebung_02_04.pdf<br />

Ohms, Constance (2009): <strong>Gewalt</strong> und Aggression von Frauen – am Beispiel der häuslichen <strong>Gewalt</strong> in<br />

Liebesbeziehungen von Frauen. In: Bewährungshilfe: Soziales – Strafrecht – Kriminalpolitik, 56 (1), S. 33-44.<br />

Okun, L. E. (1986): Woman abuse: Facts replacing myths. Albany, NY: State University of New York Press.<br />

Rossegger, A. (2010): Referat, gehalten bei der IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons<br />

<strong>Zürich</strong>.<br />

Schröttle, Monika: Kritische Anmerkungen zur These der Gendersymmetrie bei <strong>Gewalt</strong> in Paarbeziehungen.<br />

In: Gender, Heft 1/2010, S. 133-151.<br />

Stawar, T. L. (1996): Suicidal and homicidal risk for respondents, petitioners, and family members in an<br />

injunction program for domestic violence." Psychological reports 79.2 (1996): 553-554.<br />

Straus, M. A. (1979). Measuring Intrafamily Conflict and Violence: The Conflict Tactics (CT) scales. Journal<br />

of Marriage and the Family. Nr. 1, S. 82. http://abctcouples.org/Straus1979.pdf<br />

Walker, Leonore (1984/2000): The Battered Woman Syndrome. Springer. New York.<br />

3. Kinder und Jugendliche im Kontext <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

Internationale Kindsentführungen und Besuchsrechtskonflikte. Broschüre. Bundesamt <strong>für</strong> Justiz. Bern 2011.<br />

Averdijk, Margit; Müller-Johnson, Katrin; Eisner, Manuel: Sexuelle Viktimisierung von Kindern und<br />

Jugendlichen in der Schweiz. Schlussbericht <strong>für</strong> die UBS Optimus Foundation. November 2011.<br />

Bundesministerium <strong>für</strong> Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2004): Gemeinsam gegen häusliche<br />

<strong>Gewalt</strong>. Kooperation, Intervention, Begleitforschung. Berlin.<br />

Bundesministerium <strong>für</strong> Familien, Senioren, Frauen und Jugend (2008): Lernen aus problematischen<br />

Kinderschutzverläufen - Machbarkeitsexpertise zur Verbesserung des Kinderschutzes durch systematische<br />

Fehleranalyse. Berlin.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 4


Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />

Dlugosch, Sandra. Mittendrin oder nur dabei? Miterleben häuslicher <strong>Gewalt</strong> in der Kindheit und seine Folgen<br />

<strong>für</strong> die Identitätsentwicklung. VS Verlag <strong>für</strong> Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2010.<br />

Edition Soziothek. Hrsg. (2004): Neuropsychologische Diagnostik bei Kindern und Jugendlichen in<br />

Erziehungsberatung und Schulpsychologie. Edition Soziothek. Rubigen.<br />

Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2009): Informationsblatt <strong>Gewalt</strong> gegen Kinder und<br />

Jugendliche<br />

Fegert, Jörg (2001): Begutachtung sexuell missbrauchter Kinder. Fachliche Standards in juristischen<br />

Verfahren. Luchterhand Verlag.<br />

Fegert, Jörg; Ziegenhain, Ute; Fangerau, Heiner (2008): Problematische Kinderschutzverläufe. Mediale<br />

Skandalisierung, fachliche Fehleranalyse und Strategien zur Verbesserung des Kinderschutzes. Juventa.<br />

Weinheim.<br />

Flammer, Patricia (2006): Sexueller Missbrauch an Kindern und Jugendlichen - Prävention in Schule und<br />

Sozialer Arbeit. Edition Soziothek. Rubigen.<br />

<strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>: Was tun in der Schule? Ein Leitfaden <strong>für</strong> die Praxis (2011). www.ist.zh.ch<br />

Helfferich, C.; Kavemann, B.; Lehmann, K. (2004): „Platzverweis“: Beratung und Hilfen bei häuslicher<br />

<strong>Gewalt</strong>. Abschlussbericht eines Forschungsprojektes im Auftrag des Sozialministeriums Baden-Württemberg.<br />

Stuttgart: Sozialministerium.<br />

Homeier, Schirin (2009): Sonnige Traurigtage. Illustriertes Kinderfachbuch <strong>für</strong> Kinder psychisch kranker<br />

Eltern und deren Bezugspersonen. Mabuse Verlag. Frankfurt am Main.<br />

Kavemann, Barbara (2000): Kinder und häusliche <strong>Gewalt</strong> - Kinder misshandelter Mütter. In:<br />

Kindesmisshandlung und Vernachlässigung, Jahrgang 3, Heft 2, S. 106-120.<br />

Kavemann, Barbara (2006): Kinder und häusliche <strong>Gewalt</strong> in der Beziehung der Eltern auf die Töchter und<br />

Söhne. Ergebnisse neuerer deutscher Untersuchungen. In: Dokumentation Interdisziplinäre Fachtagung.<br />

Interventionsprojekt <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>. Freiburg.<br />

Kavemann, B.; Kreyssig, U. (HG.) (2006): Handbuch Kinder und häusliche <strong>Gewalt</strong>, VS-Verlag<br />

Sozialwissenschaften, Wiesbaden.<br />

Kindler, Heinz (2005): Auswirkungen von häuslicher <strong>Gewalt</strong> auf die psychosoziale Entwicklung von Kindern.<br />

In: Familie, Partnerschaft und Recht 11 Jg. Heft 1,2/2005. S. 16-19.<br />

Evaluation der Projekte KidsCare und KidsPunkt im Kanton <strong>Zürich</strong>. Kurzbericht (2012):<br />

http://www.zh.ch/internet/bildungsdirektion/ajb/de/forschung_entwicklung/gewaltbetroffene_kinder.html<br />

Lips, Ulrich (2011): Kindsmisshandlung – Kindesschutz. Ein Leitfaden zu Früherfassung und Vorgehen in der<br />

ärztlichen Praxis. Stiftung Kinderschutz Schweiz. FMH. Bern.<br />

Mahrer, Monika; Meier, Peter; Mögel, Maria; Pedrina, Fernanda; Ryf, Esther; Simoni, Heidi (2007):<br />

Kindesschutz in der frühen Kindheit 0 - 3 Jahre. Interdisziplinäre Regionalgruppe <strong>Zürich</strong>.<br />

Pfeiffer, Christian; Wetzels, Peter; Enzmann, Dirk (1999): Innerfamiliäre <strong>Gewalt</strong> gegen Kinder und<br />

Jugendliche und ihre Auswirkungen. KFN-Forschungsberichte Nr. 80. Hannover.<br />

Schröttle, M.; Müller, U.; Glammeier, S. (2004): Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in<br />

Deutschland, Berlin: Bundesministerium <strong>für</strong> Familie, Senioren, Frauen und Jugend.<br />

Schweizerische Stiftung des SSI (2011): Kindesentführung. Eine Broschüre bietet Informationen,<br />

Ratschläge und Überlegungen. Genf, <strong>Zürich</strong>. www.ssiss.ch<br />

Seith, Corinna ; Böckmann, I. (2006) : Children and Domestic Violence - Final Report to Swiss National<br />

Science Foundation. NFP 52. Zurich.<br />

Seith, Corinna; Kavemann, Barbara (2006): Unterstützungsangebote <strong>für</strong> Kinder als Zeugen und Opfer von<br />

häuslicher <strong>Gewalt</strong>. Schlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung zu Handen der Landesstiftung Baden-<br />

Württemberg. <strong>Zürich</strong>/Berlin.<br />

Sit, Michaela (2007): „Resilienz“ – Was Kinder stark macht. Dorner Verlag. Wien.<br />

Steinhausen, H-Ch. (2006): Psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen. Urban und Fischer.<br />

Voindrot, Franck (2010): L’enfant face à la violence conjugale: une réalité clinique déniée. Referat gehalten<br />

am 4. Nov. 2009 in Bern an der Nationalen Tagung der Interventionsstellen, Interventionsprojekte,<br />

Fachstellen und Gleichstellungsbüros gegen häusliche <strong>Gewalt</strong> der Schweiz.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 5


Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />

4. Kinder und Jugendliche, die <strong>Gewalt</strong> ausüben (Elternmisshandlung, <strong>Gewalt</strong> in<br />

partnerschaftlichen Jugendbeziehungen)<br />

AGAVA (2007): Wenn Kinder Opfer von <strong>Gewalt</strong> sind. Referate der Fachtagung. <strong>Zürich</strong><br />

Averdijk, Margit; Billaud, Chantal; Greber, Franziska; Iso, Miko Isabel; Kranich, Cornelia; Wechlin, Andrea;<br />

Weingartner, Martha (2013): Empfehlungen zur Reduktion sexueller <strong>Gewalt</strong> zwischen Teenagern. Ein<br />

Beitrag aus fachlicher Sicht. www.optimusstudy.org/<br />

Cottrell, Barbara (2002): Dringend Hilfe gesucht: Teenager misshandeln ihre Eltern. In: Systhema 3/2002. S.<br />

212-225.<br />

Cottrell, Barbara (2003): Parent Abuse: The Abuse of Parents By Their Teenage Children. Ottawa: Health<br />

Canada.<br />

Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2010): Informationsblatt <strong>Gewalt</strong> in jugendlichen<br />

Paarbeziehungen. Bern.<br />

Eisner, Manuel; Ribeaud, Denis; Bittel, Stéphanie (2006): Prävention von Jugendgewalt. Wege zu einer<br />

evidenzbasierten Präventionspolitik. Bern. EKA (Eidgenössische Ausländerkommission).<br />

Eisner, Manuel (2009): Jugend und <strong>Gewalt</strong>, Wirksame Prävention in den Bereichen Familie, Schule,<br />

Sozialraum und Medien. Bericht des Bundesrates vom 20. Mai 2009, Eidgenössisches Departement des<br />

Innern EDI, Bern.<br />

Fausch, Sandra (2010): <strong>Gewalt</strong> in Teenager-Beziehungen. In: Fachstelle <strong>für</strong> Gleichstellung der Stadt <strong>Zürich</strong><br />

et al. (Hrsg): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> erkennen und richtig reagieren. 2. Auflage, Hans Huber. Bern S. 99-106.<br />

Greber, Franziska (2007/2008): Wenn Minderjährige <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> ausüben. Umsetzung des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes<br />

(GSG) auf minderjährige GefährderInnen im Kontext von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. Thesis im<br />

Rahmen des universitären Lehrganges „Master of Arts“ zak - zentrum <strong>für</strong> agogik Basel. AGAVA <strong>Zürich</strong>.<br />

www.ist.zh.ch.<br />

Greber, Franziska (2010): Tatort Familie, Tatort Beziehung. Familiäre und partnerschaftliche <strong>Gewalt</strong> von<br />

Kindern und Jugendlichen. Themenheft Jugendgewalt. Plädoyer <strong>für</strong> eine ganzheitliche Sichtweise. In:<br />

SozialAktuell Heft 9/2010. Die Fachzeitschrift <strong>für</strong> Soziale Arbeit, S. 9-29.<br />

Kinderschutz Zentrum Berlin (2009): Kindswohlgefährdung. Erkennen und Helfen. 11. überarbeitete<br />

Auflage. Berlin.<br />

Markie-Dadds, C. (2002): Das Triple P Elternarbeitsbuch. PAG-Institut <strong>für</strong> Psychologie. Verlag <strong>für</strong><br />

Psychotherapie. Münster.<br />

Omer, Haim; von Schlippe, Arist (2005): Autorität durch Beziehung. Die Praxis des gewaltlosen Widerstands<br />

in der Erziehung. 2. Auflage 2005. Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen.<br />

Ostendorf, Heribert (2005): Sexuell grenzverletzende Kinder und Jugendliche - Ein neues Problem? Vortrag<br />

anlässlich eines Kongresses zu sexuell grenzverletzenden Kindern und Jugendlichen in Kiel.<br />

Ostendorf, Heribert (2005): Kinder und Jugendliche mit sexuell grenzverletzendem Verhalten.<br />

Presseerklärung. Fachkongress der Kinderschutz-Zentren und der Forschungsstelle <strong>für</strong> Jugendstrafrecht und<br />

Kriminalprävention CAU Kiel.<br />

Petermann, F. & U. (2008): Training mit aggressiven Kindern. Beltz. Weinheim<br />

Pfeiffer, Christian; Wetzels, Peter (2001): Zur Struktur und Entwicklung der Jugendgewalt in Deutschland.<br />

Ein Thesenpapier auf Basis aktueller Forschungsbefunde. In: Oerter, Rolf & Höfling, Siegfried. Mitwirkung<br />

und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen. (Berichte und Studien der Hanns-Seidel-Stiftung. Band 83.<br />

München. S. 108-141.<br />

Robinson, Paul; Davidson, Leah; Drebot, Michael (2004): Parent abuse on the rise: a historical review. In:<br />

American association of behavioral social science. Brigham Young University. 58-67.<br />

Rotthaus, Willhelm; Trapmann, Hilde (2004): Auffälliges Verhalten im Jugendalter. Verlag Modernes Lernen.<br />

Bd. 2. Dortmund. Verlag modernes Lernen.<br />

Rotthaus, Wilhelm (2006): Familiäre <strong>Gewalt</strong>, die von den Kindern ausgeht - Ein neues gesellschaftliches<br />

Phänomen. In: Kontext, Zeitschrift <strong>für</strong> Systemische Therapie und Familientherapie. Band 37, 3/2006.<br />

Vandenhoeck & Ruprecht. Göttingen.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 6


Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />

5. <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> im Alter und gegen pflegebedürftige Menschen<br />

Beratungsstelle Nottelefon <strong>für</strong> Frauen (2011): Alt werden mit dem Trauma. Jahresbericht 2010. <strong>Zürich</strong>.<br />

Bundesministerium <strong>für</strong> Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2010): Kriminalitäts- und<br />

<strong>Gewalt</strong>erfahrungen im Leben älterer Menschen. Zusammenfassung wesentlicher Ergebnisse einer Studie zu<br />

Gefährdungen älterer und pflegebedürftiger Menschen. Berlin.<br />

Freiburger Interventionsprojekt <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> (2011): Ältere Menschen und <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>.<br />

Tagungsdokumentation. Freiburg i.P.<br />

Görgen, Thomas; Nägele, Barbara (2005):Wehrlos im Alter? Strategien gegen <strong>Gewalt</strong> in engen persönlichen<br />

Beziehungen älterer Menschen. Dokumentation zur Fachtagung vom juni 2006. Hannover.<br />

Huber Näf, Kathrin; Seehafer Baumeler, Monika (2011): Prävention von <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> im Alter.<br />

Bachelor-Arbeit. HSA. Luzern<br />

Hirsch, R. D.; Brendebach, Ch. (1999): <strong>Gewalt</strong> gegen alte Menschen in der Familie. Untersuchungsergebnisse<br />

der "Bonner HsM-Studie". In: Zeitschrift <strong>für</strong> Gerontologie und Geriatrie. Jg. 32/1999, H. 6, S. 449-<br />

455.<br />

Hirsch, R.D. (2001): Misshandlung und <strong>Gewalt</strong> an alten Menschen. Notfallmedizin 27, 324-328.<br />

Görgen, Thomas (2006): <strong>Gewalt</strong> in engen persönlichen Beziehungen älterer Menschen: Zwischenergebnisse<br />

der Studie "Kriminalität und <strong>Gewalt</strong> im Leben alter Menschen". In: Wehrlos im Alter? Dokumentation einer<br />

Fachtagung und eines Expertenforums, KFN Materialien <strong>für</strong> die Praxis - Nr. 2/2006, S. 10-32.<br />

Nägele, B. (2006): Nahraumgewalt im Alter - die besondere Situation älterer weiblicher <strong>Gewalt</strong>opfer. In:<br />

Wehrlos im Alter? Dokumentation einer Fachtagung und eines Expertenforums, KFN Materialien <strong>für</strong> die<br />

Praxis - Nr. 2/2006, S. 33-45.<br />

6. <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und Migration<br />

AGAVA Hrsg (2004): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger in der Schweiz -<br />

Intervention - Prävention – Postvention. Tagungsreader. AGAVA. <strong>Zürich</strong>.<br />

Bachmann, Susanne (2009): Leben in der Ambivalenz, Selbstverortung junger Migrantinnen in der Schweiz.<br />

Soziothek. Bern.<br />

Breithaupt, Esther; Alsaid, Munib (2003): Väter im Spannungsfeld von alten und neuen Erwartungen.<br />

Anregungen <strong>für</strong> die Beratung von Migrantenfamilien aus dem Mittelmeerraum. Edition Soziothek. Rubigen.<br />

Gloor, Daniela; Meier, Hanna (2012): Beurteilung des Schweregrades häuslicher <strong>Gewalt</strong>.<br />

Sozialwissenschaftlicher Grundlagenbericht. Sozialwissenschaftliche Überlegungen zur Anforderung des<br />

Bundesgerichts,dass eheliche <strong>Gewalt</strong> «eine gewisse Intensität» aufweisen muss,um als wichtiger<br />

persönlicher Grund <strong>für</strong> den unabhängigen Aufenthalt in der Schweiz im Sinne von Art. 50 Abs. 2 des<br />

Ausländergesetzes AuG geltend gemacht werden zu können. EGB. Bern.<br />

Durrer, Sylvie; Hanselmann, Magaly (2008): Migrantinnen und <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>. Stärker betroffen und<br />

weniger geschützt. Frauenfragen 2/2008. Bern. S. 65 - 69.<br />

Echarte Fuentes-Kieffer, Rita (2004): Migration aus Liebe, interkulturelle Paare zwischen strukturellen<br />

Zwängen und individuellen Konzepten. Soziothek. Bern.<br />

Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2009): Informationsblatt <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> im<br />

Migrationskontext. Bern.<br />

FIZ Fraueninformationszentrum Hrsg. (2006): Champagner, Plüsch und prekäre Arbeit. Arbeits- und<br />

Lebensbedingungen von Cabaret-Tänzerinnen in der Schweiz. FIZ. <strong>Zürich</strong>.<br />

Frauenfragen 1/2005: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und Migration. Bern.<br />

Lanfranchi, Andrea (2011): Liebe und <strong>Gewalt</strong> in Migrationsfamilien - Problemtrance Kultur? In: Borst, Ulrike;<br />

Lanfranchi, Andrea (Hrsg.): Liebe und <strong>Gewalt</strong> in nahen Beziehungen. Carl-Auer Verlag. Heidelberg.<br />

Lanfranchi, Andrea (2009): Kompetenz statt Kulturalisierung. Ein mehrdimensionales Analysemodell <strong>für</strong><br />

<strong>Gewalt</strong> in Migrationsfamilien. Psychoskop 5/2009. S. 8 - 11.<br />

Schröttle, Monika; Khelaifat, Nadia (2008): Gesundheit - <strong>Gewalt</strong> - Migration. Eine vergleichende<br />

Sekundäranalyse zur gesundheitlichen und <strong>Gewalt</strong>situation von Frauen mit und ohne Migrationshintergrund<br />

in Deutschland.<br />

Schwertenleib, Marianne (2006): Begehrt aber unerwünscht. Illegalisierte Migrantinnen als Opfer von<br />

Frauenhandel. In: Schweizerisches Rotes Kreuz SRK, Departement Migration (Hrsg.), Sans-Papiers in der<br />

Schweiz. Unsichtbar - unverzichtbar. SRK. <strong>Zürich</strong>.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 7


Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />

Stahl, Judith (2006): Jugendliche mit Migrationshintergrund, Ansätze einer interkulturellen Sozialpädagogik.<br />

Soziothek. Bern.<br />

Terre des Femmes (2006): Unterrichtsmappe Zwangsheirat: Wer entscheidet, wen du heiratest? 3. Auflage.<br />

Tübingen.<br />

Widerspruch 59 (2010): Integration und Menschenrechte. Migration, Islam, Leitkultur, Citoyenneté,<br />

Interkultur, Härtefallpraxix. Beiträge zu sozialistischer Politik. Heft 2/2010. <strong>Zürich</strong>.<br />

B. Literatur und Gesetzesmaterialien zu Rechtsfragen bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

1. Multinationale Verträge und ausländische Gesetzgebungen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong><br />

Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2010): Informationsblatt: Nutzen internationaler<br />

Menschenrechtsinstrumente <strong>für</strong> die Arbeit im Bereich häusliche <strong>Gewalt</strong> in der Schweiz. Bern.<br />

2. <strong>Gewalt</strong>schutzrecht (Kapitel 2)<br />

2a. Artikel zum <strong>Gewalt</strong>schutzrecht<br />

Büchler, Andrea; Michel, Margot (2011): Besuchsrecht und häusliche <strong>Gewalt</strong>. FamPra 2011, S. 525 – 552.<br />

DuBois Jeanne; Vetterli, Rolf (2005): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>: erste Erfahrungen mit neuen Gesetzen. FamPra.<br />

4/2004. S. 851-857.<br />

Conne, Andreas; Kaspar, Plüss (2011): <strong>Gewalt</strong>schutzmassnahmen im Kanton <strong>Zürich</strong>. Agrenzung von<br />

gewaltschutz-, zivil- und strafrechtlichen Massnahmen sowie Rechtsprechung zum Beweisrecht, zum<br />

rechtlichen Gehör und zum Kontaktverbot gegenüber Kindern. In: Sicherheit & Recht. Dike Verlag. <strong>Zürich</strong>. S.<br />

127 – 138.<br />

Eidgenössische Kommission <strong>für</strong> Frauenfragen EKF (2008): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>: eine Bestandesaufnahme,<br />

Frauenfragen 2/2009. Bern.<br />

Gloor, Daniela; Meier Hanna (2001): Interventionen von Polizei und Justiz bei Anzeigen zu <strong>Gewalt</strong> im<br />

sozialen Nahraum. Empirische Untersuchung zur Veränderungen in Basel-Stadt 1995-2000. FamPra 4/2001.<br />

S. 651-675.<br />

Konferenz der Städtischen Polizeidirektorinnen und Polizeidirektoren KSPD und dem Polizeidepartement<br />

der Stadt <strong>Zürich</strong> (Hrsg.) (2009): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>. Referate der Tagung vom<br />

4. Sep. 2008. Schulthess. <strong>Zürich</strong>.<br />

Kranich, Cornelia (2010): Rechtliche Interventionsmöglichkeiten. In: Fachstelle <strong>für</strong> Gleichstellung Stadt<br />

<strong>Zürich</strong>: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> erkennen und richtig reagieren. Handbuch <strong>für</strong> Medizin, Pflege und Beratung. 2.<br />

Überarbeitete und erweiterte Auflage. Verlag Hans Huber. Bern. S. 131 – 158.<br />

Kranich, Cornelia; Vontobel, Eva (2008): Das neue Zürcher <strong>Gewalt</strong>schutzgesetz. FamPra 1/2008. S. 90-<br />

107.<br />

Kranich, Cornelia (2008): Gedanken zur Einführung und Implementierung eines <strong>Gewalt</strong>schutz-gesetzes (am<br />

Beispiel des Kantons <strong>Zürich</strong>). Frauenfragen 6/2008. S. 56-59.<br />

Mösch-Payot, Peter (2007): Der Kampf gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>: Zwischen Hilfe, Sanktion und Strafe.<br />

Impact. Luzern.<br />

Schröder, Detlef; Berthel, Ralph (2004): <strong>Gewalt</strong> im Sozialen Nahraum. Eine erste Zwischenbilanz nach<br />

Einführung des <strong>Gewalt</strong>schutzgesetzes. Band I. Verlag <strong>für</strong> Polizeiwissenschaften. Frankfurt.<br />

Steiner, Silvia (2004): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>: Erscheinungsformen, Ausmass und polizeiliche Bewältigungsstrategien<br />

in der Stadt <strong>Zürich</strong> 1999-2001. Rüegger. <strong>Zürich</strong>, Chur.<br />

Steiner, Silvia; Kranich, Cornelia (2009): Polizeiliche Interventionen gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> am Beispiel<br />

des Kantons <strong>Zürich</strong>. Kriminalistik 2/2009. Seite 95-106.<br />

2b. Gesetzesmaterialien zum <strong>Gewalt</strong>schutzrecht (Kapitel 2)<br />

Weisung des Regierungsrates vom 6. Juli 2005, ABl 2005. S. 761 – 792<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 8


Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />

3. Zivil- und Eherecht (Kapitel 3)<br />

3a. Artikel zum Zivil- und Eherecht<br />

Büchler, Andrea (2010): Zivilrechtliche Aspekte der Ausgestaltung der elterlichen Kontakte zu Kindern in<br />

Fällen von Trennung nach <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>. Gutachten. <strong>Zürich</strong>.<br />

Büchler, Andrea; Vetterli, Rolf (2007): Ehe Partnerschaft Kinder. Eine Einführung in das Familienrecht<br />

der Schweiz. Helbling und Lichterhahn. Basel.<br />

Büchler, Andrea (2007): Zwangsehen in zivilrechtlicher und internationalprivatrechtlicher Sicht. Rechtstatsachen<br />

– Rechtsvergleich – Rechtsanalyse. FamPra 4/2007. S. 725-751.<br />

Büchler, Andrea; Michel, Margot (2011): Besuchsrecht und <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>. Zivilrechtliche Aspekte des<br />

persönlichen Verkehrs nach Auflösung einer von häuslicher <strong>Gewalt</strong> geprägten Beziehung. FamPra<br />

3/2011.<br />

Büchler, Andrea; Gora, Justyna (2011): Eheschliessung in rechtsvergleichender Sicht. FamPra 1/2011.<br />

S. 96-119.<br />

Cottier, Michelle; Aeschlimann, Sabine (2010): Nichteheliche Lebensgemeinschaften (Cohabitation).<br />

FamPra 1/2010. S. 109 -131.<br />

Dahinden, Jeanine; Riaňo, Yvonne (2010): Zwangsheirat. Hintergründe, Massnahmen, lokale und<br />

transnationale Dynamiken. Seismo. <strong>Zürich</strong><br />

Dolder; Mattias (2002): Das Informations- und Anhörungsrecht des nichtsorgeberechtigten Elternteils<br />

nach Art. 2785a ZGB. Dissertation Nr. 2576. Universität St. Gallen.<br />

Fankhauser, Roland (2010): Das Scheidungsverfahren nach neuer ZPO. FamPra 2010/4. S. 753-784.<br />

Fischbacher, Christian (2008): Stalking im Blickfeld des revidierten Persönlichkeitsschutzes (Art. 28b<br />

ZGB). AJP/PJA 7/2006. S. 8008-8012.<br />

Hrubesch-Millauer, Stephanie; Vetterli, Rolf (2009): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>: die Bedeutung des Artikels 28b<br />

ZGB. FamPra 3/2009. S. 535-560.<br />

Kantonales Sozialamt <strong>Zürich</strong>, Abteilung Öffentliche Sozialhilfe. Hrsg.(2010): Behördenhandbuch 1993 -<br />

2009. <strong>Zürich</strong>. (Vollständig überarbeitete Neuauflage ist vorgesehen)<br />

Leuzinger-Naef, Susanne (2011): Die familienbezogene Rechtsprechung der sozialrechtlichen<br />

Abteilungen des Bundesgerichts im Jahre 2009. FamPra 1/2011. S. 131-148.<br />

Leuzinger-Naef, Susanne (2010): Die familienbezogene Rechtsprechung der sozialrechtlichen<br />

Abteilungen des Bundesgerichts im Jahre 2008. FamPra 1/2010. S. 132-144.<br />

Leuzinger-Naef, Susanne (2009): Die familienbezogene Rechtsprechung der sozialrechtlichen<br />

Abteilungen des Bundesgerichts im Jahre 2007. FamPra 1/2009. S. 112-124.<br />

Matefi, Gabriella (2003): Mediation bei <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>? FamPra 2/2003. S. 260-272.<br />

Möckli, Urs Peter (2009): Aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht im Jahr<br />

2008. FamPra 3/2009. S. 672 – 690.<br />

Möckli, Urs Peter (2008): Aus der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum Unterhaltsrecht im Jahr<br />

2007. FamPra 3/2008. S. 545 – 558..<br />

Schwenzer, Ingeborg. Hrsg.(2011): Familienrechtskommentar Scheidung. Band I und II. 2. Auflage.<br />

Stämpfli Verlag. Bern.<br />

SKOS, Schweizerische Konferenz <strong>für</strong> Sozialhilfe (2011): Richtlinien <strong>für</strong> die Ausgestaltung und Bemessung<br />

der Sozialhilfe. Bern. (Das Zürcher Sozialhilfegesetz verweist zur Berechnung der Sozialhilfe auf diese<br />

Richtlinien).<br />

Umbricht Lukas, Barbara; Gloor, Urs (2010): Die Mediation in der Zivilprozessordnung. FamPra 4/2010.<br />

S. 818-830.<br />

Vetterli, Rolf (2010): Das Eheschutzverfahren nach der schweizerischen Zivilprozessordnung. FamPra<br />

4/2010. S. 785-799.<br />

Von Flüh, Karin (2009): Trau dich! Das gilt in der Ehe. Finanzen, Kinder, Partnerschaft – was Eheleute<br />

wissen müssen. Beobachter-Buchverlag. <strong>Zürich</strong>.<br />

Von Flüh, Karin (2010): Zusammen leben, zusammen wohnen. Was Paare ohne Trauschein wissen<br />

müssen. 6. Aktualisierte Auflage. Beobachter-Buchverlag. <strong>Zürich</strong>.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 9


Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />

Zingg, Raphael (2008): Schutz der Persönlichkeit gegen <strong>Gewalt</strong>, Drohungen und Nachstellungen nach<br />

Art. 28b ZGB, in: Jusletter 28. Juli 2008.<br />

3b. Gesetzesmaterialien zum Zivil- und Eherecht (Kapitel 3)<br />

Scheinehen: Parlamentarische Initiative, Scheinehen unterbinden, Stellungnahme des Bundesrates vom<br />

14. März 2008. Bundesblatt BBl 2008. S. 2481 – 2484.<br />

Bericht vom 31. Jan. 2008 der Staatspolitischen Kommission des Nationalrates. Bundesblatt BBL 2008. S.<br />

2467 – 2478.<br />

Ergänzung des Persönlichkeitsrechts (Art. 28b ZGB):<br />

Parlamentarische Initiative, Schutz vor <strong>Gewalt</strong> im Familienkreis und in der Partnerschaft.<br />

Bericht der Kommission <strong>für</strong> Rechtsfragen des Nationalrates vom 18. Aug. 2005. Bundesblatt BBl 2005.<br />

S. 6871 – 6894.<br />

Botschaft zur schweizerischen Zivilprozessordnung vom 28. Juni 2006. Bundesblatt BBl 2006. S. 6871 –<br />

7412.<br />

Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht, Änderung vom<br />

19. Dezember 2008 (Gesetzestext), Bundesblatt BBl Nr. 1/ 2009. S. 141-200.<br />

Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches. Erwachsenenschutz, Personenrecht und<br />

Kindesrech vom 28. Juni 2006. Bundesblatt BBl. Nr. 36 / 2006. S. 7001 – 7138.<br />

4. Kindesschutzrecht (Kapitel 4)<br />

4a. Artikel zum Kindesschutzrecht<br />

AGAVA Arbeitsgemeinschaft gegen Ausnützung von Abhängigkeit (2007): Wenn Kinder Opfer von<br />

<strong>Gewalt</strong> sind…. Referate der Fachtagung vom 16./17. Nov. 2007. Kongressreader. AGAVA. <strong>Zürich</strong>.<br />

Arbeitsgruppe Kindsmisshandlungen (2002): Kindsmisshandlungen in der Schweiz. Bern.<br />

Stellungnahme des Bundesrates vom 27. Juni 1995 zum Bericht Kindesmisshandlung in der Schweiz. In<br />

BBl Jhg 147. Bd IV. S. 54 – 224.<br />

Blum; Stefan; Cottier, Michelle; Migliazza, Daniela (2007): Anwalt des Kindes. Ein europäischer<br />

Vergleich zum Recht des Kindes auf eigene Vertretung in behördlichen und gerichtlichen Verfahren. Band<br />

9 Schriftenreihe FamPra. Stämpfli Verlag. Bern.<br />

Breithaupt, Esther; Alsaid, Munib (2003): Väter im Spannungsfeld von alten und neuen Erwartungen.<br />

Anregungen <strong>für</strong> die Beratung von Migrantenfamilien aus dem Mittelmeerraum. Edition Soziothek.<br />

Rubigen.<br />

Cottier, Michelle (2006): Partizipation von Kindern im Verfahren. Ein rechtlicher und empirischer Vergleich<br />

von Jugendstraf- und Kindesschutzverfahren. FamPra 4/2006. S. 823-844.<br />

Eidgenössische Experten-Kommission über den Kinderschutz bei Kindesentführungen (2005):<br />

Schlussbericht. Bern<br />

Kinderschutz Zentrum Berlin (2009): Kindswohlgefährdung. Erkennen und Helfen. 11. überarbeitete<br />

Auflage. Berlin.<br />

Hegnauer, Cyril (1999): Grundriss des Kindesrechts. 5. überarbeitete Auflage. Stämpfli Verlag. Bern.<br />

Heiliger, Anita (2007): Väter um jeden Preis. Forum. München.<br />

Jametti Greiner, Monique (2008): Der neue internationale Kindesschutz in der Schweiz<br />

(Kindsentführung). FamPra 2/2008. S. 277 – 308.<br />

Kavemann, Barbara; Kreyssig, Ulrike (2007): Handbuch - Kinder und <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>. 2. durchgesehene<br />

Auflage. VS Verlag <strong>für</strong> Sozialwissenschaften. Wiesbaden.<br />

Müller-Rudolf von Rohr, Verena; Schmid, Lydia (2005): Soziale Arbeit im zivilrechtlichen Kindesschutz.<br />

Edition Soziothek. Rubigen.<br />

Pfister-Liechti, Renate; Heer, Marianne Hrsg. (2002): Das Kind im Straf- und Zivilprozess. Stämpfli. Bern.<br />

Salgo, Ludwig (2006): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und Umgang. ArbeitsGemeinschaft <strong>für</strong> Sozialberatung und<br />

Psychotherapie AGSP. Internetforum 1/2006.<br />

Schweizerische Stiftung des Internationalen Sozialdienstes SSI (2011): Ratgeber „Kindsentführung.<br />

SSI. <strong>Zürich</strong>. ssi@zh.ssiss.ch.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 10


Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />

Schwenzer, Ingeborg (2005): Die elterliche Sorge - die Sicht des Rechts von aussen auf das Innen.<br />

FamPra. 1/2005. S. 12-24.<br />

Voll, Peter (2006): Vormundschaftsbehörden und Sozialdienste. Eine Untersuchung zur institutionellen<br />

Kooperation im Kindesschutz. FramPra 2/2006. S. 262-285.<br />

Weller, Cornelia (2007): Kindeswohl und Kindeswille in hochstrittigen Trennungs- und Scheidungssituationen.<br />

Edition Soziothek. Rubigen.<br />

4b. Gesetzesmaterialien zum Kindesschutz (Kapitel 4)<br />

Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Erwachsenenschutz, Personenrecht und<br />

Kindesrecht) vom 28. Juni 2006. Bundesblatt Bbl 36/2006, S. 7001 – 7138.<br />

Schweizerisches Zivilgesetzbuch (Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht) Änderung vom<br />

19. Dez. 2008. Bundesblatt Bbl 1/2009.S. 141 -200. (Gesetzestext, Inkraftsetzung per 1. Januar 2013)<br />

5. Strafprozessualer und strafrechtlicher Schutz (Kapitel 5)<br />

5a. Artikel zum Straf- und Strafprozessrecht<br />

Bettermann, Julia; Feenders, Moetje (2004): Stalking - Möglichkeiten und Grenzen der Intervention.<br />

Verlag Polizeiwissenschaft. Frankfurt.<br />

Bommer, Felix (2006): Offensive Verletztenrechte im Strafprozess. Stämpfli. Bern.<br />

Colombi, Roberto (2009): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - Die Offizialisierung im Strafrecht am Beispiel der Stadt<br />

<strong>Zürich</strong>. Schulthess. <strong>Zürich</strong>.<br />

Eidgenössisches Büro <strong>für</strong> Gleichstellung, Bundesamt <strong>für</strong> Statistik (2006): Tötungsdelikte in der<br />

Partnerschaft. Polizeilich registrierte Fälle 2000-2004. EBG. Bern.<br />

Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2010): Informationsblatt Tatmittel Schusswaffe. Bern.<br />

Eidgenössische Fachstelle gegen <strong>Gewalt</strong>. Hrsg. (2011): Informationsblatt Rechtliche Beratung und<br />

Vertretung bei häuslicher <strong>Gewalt</strong> gemäss der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO). Bern.<br />

Egger, Therese (2008): Beratungsarbeit und Anti-<strong>Gewalt</strong>-Programme <strong>für</strong> Täter und Täterinnen <strong>Häusliche</strong>r<br />

<strong>Gewalt</strong> in der Schweiz. EBG. Bern. Mit Kurzfassung.<br />

Frei, Mirjam Annika ((2010): Der rechtlich relevante Kausalzusammenhang im Strafrecht im Vergleich mit<br />

dem Zivilrecht. Schulthess Verlag. <strong>Zürich</strong>.<br />

Gomm, Peter; Zehntner, Dominik (2009): Opferhilfegesetz. 3. Überarbeitete Auflage. Stämpfli. Bern.<br />

Hoffmann, Jens; Wondrak, Isabel (2006): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und Tötung des Intimpartners. Prävention<br />

und Fallmanagement. Verlag <strong>für</strong> Polizeiwissenschaft. Frankfurt.<br />

Jesionek, Udo; Hilf, Marianne (2006): Die Begleitung des Verbrechensopfers durch den Strafprozess.<br />

Studienverlag GmbH. Innsbruck.<br />

Logar, Rosa; Rösemann, Ute; Zürcher, Urs (2002): <strong>Gewalt</strong>tätige Männer ändern (sich). Rahmenbedingungen<br />

und Handbuch <strong>für</strong> ein soziales Trainingsprogramm. Haupt. Bern, Stuttgart, Wien.<br />

Mayer, Klaus (2002): Partnerschaft ohne <strong>Gewalt</strong> – Informationen zum deliktorientierten Lernprogramm <strong>für</strong><br />

Männer, die in Partnerschaft <strong>Gewalt</strong> ausüben. Amt <strong>für</strong> Justizvollzug des Kantons <strong>Zürich</strong>. <strong>Zürich</strong>.<br />

Mösch-Payot, Peter (2007): Der Kampf gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>: Zwischen Hilfe, Sanktion und Strafe.<br />

Interact. Luzern.<br />

Pelikan, Christa; Hösch, Bernhard (1999): Die Wirkungsweisen strafrechtlicher Massnahmen bei<br />

<strong>Gewalt</strong>taten in Paarbeziehungen. Institut <strong>für</strong> Rechts- und Kriminalsoziologie. Wien.<br />

Pfister-Liechti, Renate; Heer, Marianne (2002): Das Kind im Straf- und Zivilprozess. Stämpfli. Bern.<br />

Rae, Sarah-Joy (2009): Tatort Familie – strafrechtliche Delikte im Kreis der Familie und in der Partnerschaft.<br />

FamPra 3/2009. S. 579-604.<br />

Sachs, Josef (2009): Umgang mit Drohungen; vom Telefonterror bis Amoklauf. Orell Füssli Verlag. <strong>Zürich</strong>.<br />

Scheidegger, Alexandra (2006): Minderjährige als Zeugen und Auskunftspersonen im Strafverfahren.<br />

Schulthess. <strong>Zürich</strong>.<br />

Schwander, Marianne (2010): Das Opfer im Strafrecht. Aktuelles und potenzielles Opfer zwischen Recht,<br />

Psychologie und Politik. Haupt Verlag. Bern.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 11


Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />

Steiner, Silvia (2004): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong>: Erscheinungsformen, Ausmass und polizeiliche Bewältigungsstrategien<br />

in der Stadt <strong>Zürich</strong> 1999-2001. Rüegger. <strong>Zürich</strong>, Chur.<br />

Weishaupt, Eva (1998): Die verfahrensrechtlichen Bestimmungen des Opferhilfegesetzes (OHG), unter<br />

besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen auf das Zürcher Verfahrensrecht. Schulthess. <strong>Zürich</strong>.<br />

Weishaupt, Eva (2004): Die Schweigepflicht nach Art. 4 OHG unter besonderer Berücksichtigung des<br />

Vorentwurfs. In: Bundesamt <strong>für</strong> Justiz (Hrsg.): Opferhilfe in der Schweiz, Erfahrungen und Perspektiven.<br />

Haupt. Bern.<br />

Weishaupt, Eva (2008): Die Ansprüche des Opfers im Adhäsions- und im Opferhilfeverfahren. In:<br />

Fellmann, Walter; Weber, Stephan (Hrsg.): Haftpflichtprozess. Have. <strong>Zürich</strong>. S. 113 – 162. ff.<br />

Wyss Sisti, Esther (2008): Strafprozessordnung. Die Rechte der Opfer. Plädoyer 1/2008. S. 34-39.<br />

Zoder, Isabel; Maurer, Gabriela (2006): Tötungsdelikte. Fokus <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> - Polizeilich registrierte<br />

Fälle 2000-2004. Bundsamt <strong>für</strong> Statistik. Neuchâtel.<br />

5b. Gesetzesmaterialien zum Straf- und Strafprozessrecht<br />

Strafprozessordnung: Botschaft zur Vereinheitlichung des Strafprozessrechts vom 21. Dez. 2005. BBl<br />

2006. S. 1085-1576.<br />

Offizialisierung: Bericht der Kommission <strong>für</strong> Rechtsfragen des Nationalrates vom 28. Okt. 2002.<br />

BBl 2003. S. 1909-1936. Stellungnahme des Bundesrates vom 19. Feb. 2003. BBl 2003. S. 1937-1943.<br />

6. Migrationsrecht<br />

6a. Artikel zum Migrationsrecht<br />

Bertschi, Susanne (2009): Berücksichtigung <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong> in der aufenthaltsrechtlichen Praxis.<br />

FamPra 3/2009. S. 605-611.<br />

Dubacher, Claudia; Reusser, Lena (2011): <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und Migrantinnen. Schweizerische<br />

Beobachtungsstelle <strong>für</strong> Asyl- und Ausländerrecht. Bern.<br />

Frauenfragen 1/2005: <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> und Migration. Bern.<br />

Morais, Julia (2011): Chancen und Grenzen von Integrationsvereinbarungen. Erste Erfahrungen eines<br />

Schweizer Pilotprojekts. SIAK - Journal. Zeitschrift <strong>für</strong> Polizeiwissenschaften und polizeiliche Praxis<br />

1/2011. Bundesministerium <strong>für</strong> Inneres. Wien. S. 16-26.<br />

Müller, Jörg Paul (2006): Menschenrechte und Grundrechte <strong>für</strong> alle. In: Schweizerisches Rotes Kreuz<br />

SRK, Departement Migration (Hrsg.): Sans-Papiers in der Schweiz. Unsichtbar - unverzichtbar. SRK.<br />

<strong>Zürich</strong>.<br />

Schefer, Markus; Šmid, Nicole (2006): Drohende häusliche <strong>Gewalt</strong> als Hindernis der Ausweisung und<br />

Auslieferung im Rahmen von Art. 3 EMRK. Gutachten Universität Basel. Asyl 2007. S. 1. 3-16.<br />

Schwertenleib, Marianne (2006): Begehrt aber unerwünscht. Illegalisierte Migrantinnen als Opfer von<br />

Frauenhandel. In Schweizerisches Rotes Kreuz SRK, Departement Migration (Hrsg.), Sans-Papiers in der<br />

Schweiz. Unsichtbar – unverzichtbar. SRK. <strong>Zürich</strong>.<br />

Spescha, Marc (2010): Die familienbezogene Rechtsprechung im Migrationsrecht (FZA/AuG/EMRK) ab<br />

September 2009 bis Ende August 2010. FamPra 4/2010. S. 857-882.<br />

Spescha, Marc (2009): Die familienbezogene Rechtsprechung im Migrationsrecht<br />

(ANAG/AuG/FZA/EMRK) ab August 2008 bis Ende August 2009. FamPra 4/2009. S. 991-1011.<br />

Spescha, Marc (2007): Migrationsabwehr im Fokus der Menschenrechte. Dike. <strong>Zürich</strong>.<br />

Spescha, Marc; Thür, Hanspeter; Zünd, Andreas; Bolzli, Peter (2008): Kommentar zum Migrationsrecht.<br />

Orell Füssli Verlag. <strong>Zürich</strong>.<br />

Spescha, Marc (2008): Lichtblicke im Dunkel des Ausländerrechts. Plädoyer 2/2008. S. 30-33.<br />

Übersax, Peter; Münch Peter; Geiser, Thomas; Arnold, Martin (2008): Ausländerrecht. Helbling und<br />

Lichtenhahn. Basel<br />

Widerspruch 51 (2006): Migration, Integration und Menschenrechte. Beiträge zu sozialistischer Politik.<br />

Heft 1/2006. <strong>Zürich</strong>.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 12


Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Weiterführende Literatur, Gesetzesmaterialien, Fachzeitschriften, Statistiken, Filme, November 2013<br />

6b. Gesetzesmaterialien zum Migrationsrecht<br />

Botschaft zum Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer vom 8. März 2002. BBl 2002,<br />

S. 3709-3850.<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong>, Franziska Greber & Cornelia Kranich, Co-Leiterinnen www.ist.zh.ch 903 / 13


Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Gesetzesabkürzungen, allgemeine Abkürzungen, November 2013<br />

904 Gesetzesabkürzungen, allgemeine Abkürzungen<br />

Bundesgesetze, Staatsverträge<br />

Die aktuelle Version der Staatsverträge und der Bundesgesetze kann unter www.admin.ch > Gesetzgebung<br />

> Systematische Sammlung (SR) abgerufen werden. Mit Hilfe der SR-Nummern können die entsprechenden<br />

Gesetze rasch gefunden werden. Die Bundesgesetze sind alle auf Deutsch, Französisch und<br />

Italienisch, einzelne auch auf Englisch verfügbar.<br />

AHVG<br />

ATSG<br />

AuG<br />

AVIG<br />

BetmG<br />

Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) vom 20. Dezember<br />

1946, SR 831.1<br />

Bundesgesetz über den Allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober<br />

2000, SR 830.1<br />

Bundesgesetz über die Ausländerinnen und Ausländer (Ausländergesetz, AuG) vom<br />

16. Dezember 2005, SR 142.2<br />

Bundesgesetz vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und<br />

die Insolvenzentschädigung (Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG), SR 837.0<br />

Bundesgesetz über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe (Betäubungsmittelgesetz,<br />

BetmG) vom 3. Oktober 1951, SR 812.121<br />

BGG Bundesgesetz über das Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG) vom 17. Juni 2005,<br />

SR 173.100<br />

BGIAA<br />

BG-KKE<br />

BüG<br />

CEDAW<br />

ELG<br />

EMRK<br />

EÜ<br />

Bundesgesetz über das Informationssystem <strong>für</strong> den Ausländer- und den Asylbereich<br />

(BGIAA) vom 20. Juni 2003, SR 142.51<br />

Bundesgesetz über internationale Kindesentführung und die Haager Übereinkommen zum<br />

Schutz von Kindern und Erwachsenen vom 21. Dezember 2007, SR 211.222.32<br />

Bundesgesetz vom 29. September 1952 über Erwerb und Verlust des Schweizer<br />

Bürgerrechts (Bürgerrechtsgesetz, BüG), SR 141.0<br />

(Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination Against Women)<br />

Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, abgeschlossen<br />

am 18. Dezember 1979, in Kraft getreten <strong>für</strong> die Schweiz am 26. April 1997, SR 0.108<br />

BG über die Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung<br />

vom 6. Oktober 2006, SR 831.30<br />

Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten EMRK vom 4. Nov.<br />

1950, SR 0.101<br />

Europäische Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen<br />

über das Sorgerecht <strong>für</strong> Kinder und die Wiederherstellung des Sorgerechts vom<br />

20. Mai 1980, Inkraftsetzung 1. Januar 1984, SR 0.211.230.01<br />

FamZG Bundesgesetz über die Familienzulagen (Familienzulagengesetz) vom 24. März 2006,<br />

SR 836.2<br />

FZA<br />

GgV<br />

HKsÜ<br />

Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen<br />

Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit.<br />

Abgeschlossen am 21. Juni 1999, von der Bundesversammlung genehmigt am 8. Oktober<br />

1999, Schweizerische Ratifikationsurkunde hinterlegt am 16. Oktober 2000<br />

In Kraft getreten am 1. Juni 2002, SR 0.142.112.681<br />

Verordnung vom 9. Dezember 1985 über Geburtsgebrechen (GgV), SR 831.232.21 (mit<br />

Anhang „Liste der Geburtsgebrechen“)<br />

Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung,<br />

Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der<br />

Massnahmen zum Schutz von Kindern vom 19. Oktober 1996; Inkraftsetzung 1. Juli 2009,<br />

SR 0.211.231.011<br />

HKÜ Haager Kindesentführungsübereinkommen HKÜ: Haager Übereinkommens vom 25.<br />

Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung,<br />

Inkraftsetzung 1. Januar 1984, SR 0.211.230.02<br />

IPRG Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) vom 18. Dezember 1987,<br />

SR 291<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 904 / 1


Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Gesetzesabkürzungen, allgemeine Abkürzungen, November 2013<br />

IVG Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG) vom 19. Juni 1959, SR 831.20<br />

KRK Übereinkommen über die Rechte des Kindes (UNO-Kinderrechtskonvention) vom 20.<br />

November 1989; In Kraft getreten <strong>für</strong> die Schweiz am 26. März 1997, SR 0.107<br />

KVG Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung, SR. 832.10<br />

KLV Krankenpflege-Krankenleistungsverordnung (KLV) vom 29. Sept. 1995, SR 832.112.31<br />

MSA<br />

Haager-Übereinkommen über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende<br />

Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961,<br />

Inkraftsetzung am 4. Feb. 1969, SR 0.211.231.01<br />

MG Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung vom 3. Feb. 1995, SR 510.10<br />

MStGB Militärstrafgesetzes vom 13. Juni 1927, SR 321.0<br />

OHG<br />

Bundesgesetz vom 23. März 2007 über die Hilfe an Opfer von Straftaten<br />

(Opferhilfegesetz, OHG), SR 312.5<br />

OHV Opferhilfeverordnung, OHV vom 27. Februar 2008, SR 312.5.1<br />

OR Obligationenrecht, SR 220<br />

PartG Partnerschaftsgesetzes vom 18. Juni 2004, SR 211.231<br />

StGB Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937, SR 311.0<br />

StPO Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Okt. 2007, SR. 312.0<br />

SVG Strassenverkehrsgesetz vom 19. Dezember 1958 (SVG), SR 741.01<br />

UNO Pakt II<br />

VIntA<br />

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, abgeschlossen in New York<br />

am 16. Dezember 1966, in Kraft getreten <strong>für</strong> die Schweiz am 18. September 1992,<br />

SR 0.103.2<br />

Verordnung über die Integration von Ausländerinnen und Ausländern<br />

(VIntA) vom 24. Oktober 2007, SR 142.205<br />

VOSTRA Verordnung über das Strafregister vom 29. September 2006, SR 331<br />

VO<br />

Kinderschutz<br />

Verordnung über Massnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen sowie zur<br />

Stärkung der Kinderrechte vom 11. Juni 2010, SR 311.039.1<br />

VPPA VO über die persönliche Ausrüstung der Armeeangehörigen vom 5. Dez. 2003,<br />

SR 514.10<br />

VVG<br />

VZAE<br />

Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag (Versicherungsvertragsgesetz, VVG) vom<br />

2. April 1908 (Stand am 1. Januar 2011), SR 221.299.1.<br />

Verordnung über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit<br />

(VZAE) vom 24. Oktober 2007, SR 142.201<br />

WG BG über Waffen, Waffenzubehör und Munition (Waffengesetz, WG) vom 20. Juni 1997,<br />

SR 514.14<br />

ZGB Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907, SR 210<br />

Gesetze des Kantons <strong>Zürich</strong>, LS<br />

Alle Zürcher Gesetze können unter www.zhlex.ch > „Loseblattsammlung“ (LS) abgerufen werden. Die<br />

Ordnungsnummer erleichtert das Auffinden.<br />

Verordnung über die Anwaltsgebühren vom 8. September 2010, LS 251.3<br />

EG OHG Einführungsgesetz zum Opferhilfegesetz vom 25. Juni 1995, LS 341<br />

EG FamZG Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Familienzulagen vom 19. Januar 2009.<br />

LS 836.1<br />

EG KESR<br />

Einführungsgesetz zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht voom 26. Juni 2012, LS<br />

232.3<br />

EG ZGB Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch vom 2. April 1911, LS 230.0<br />

GebV OG Gebührenverordnung des Obergerichts vom 8. September 2010, LS 211.11<br />

GesG Gesundheitsgesetz vom 2. April 2007, ZH, LS 810.1<br />

GOG<br />

Gesetz über die Gerichts- und Behördenorganisation im Zivil- und Strafprozess<br />

vom 10. Mai 2010, LS 211.1<br />

IDG Gesetz über die Information und den Datenschutz vom 12. Februar 2007, LS 170.4<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 904 / 2


Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Gesetzesabkürzungen, allgemeine Abkürzungen, November 2013<br />

JHG Gesetz über die Jugendhilfe(Jugendhilfegesetz) vom 14. Juni 1981, LS 852.1<br />

JHV Verordnung zum Jugendhilfegesetz vom 21. Oktober 1981, LS 852.11<br />

SHG Sozialhilfegesetz vom 14. Juni 1981 LS 851.1<br />

SHV Verordnung zum Sozialhilfegesetz vom 21. Oktober 1981, LS 851.11<br />

PolG Polizeigesetz vom 27. April 2007, LS 550.1<br />

POLIS VO Verordnung über das Polizei-Informationssystem vom 13. Juli 2005, LS 551.103<br />

StJVG Straf- und Justizvollzugsgesetz vom 19. Juni 2006, LS 221<br />

VRG Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons <strong>Zürich</strong> vom 24. Mai 1959, LS 175.2<br />

VSG Volksschulgesetz vom 7. Februar 2005, LS 412.100<br />

VSM Verordnung über die sonderpädagogischen Massnahmen vom 11. Juli 2007,<br />

LS 112.103<br />

VSV Volksschulverordnung vom 28. Juni 2006, LS 412.101<br />

WafVO Waffenverordnung vom 16. Dezember 1998<br />

WOSTA<br />

Diverses<br />

ABl<br />

Abs.<br />

AJB<br />

Art.<br />

BBl<br />

BFM<br />

BG<br />

BGE<br />

BGer<br />

Bst.<br />

BSV<br />

D-VRAG<br />

EGRM<br />

Weisungen der Oberstaatsanwaltschaft zum Vorverfahren<br />

Amtsblatt des Kantons <strong>Zürich</strong><br />

Absatz<br />

Amt <strong>für</strong> Jugend- und Berufsberatung der Bildungsdirektion des Kantons <strong>Zürich</strong><br />

Artikel<br />

Bundesblatt, publiziert auf www.admin.ch<br />

Bundesamt <strong>für</strong> Migration<br />

Bundesgesetz<br />

Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts<br />

Bundesgerichtsentscheide, publiziert auf www.bger.ch<br />

Buchstabe<br />

Bundesamt <strong>für</strong> Sozialversicherung<br />

The Domestic Violence Risk Appraisal Guide<br />

Europäischer Menschenrechtsgerichtshof<br />

f. und der Folgende<br />

ff.<br />

FFE<br />

FU<br />

i.V.<br />

IRM<br />

IST<br />

JUV<br />

KAPO<br />

KESB<br />

KIZ<br />

kjz<br />

KRISTA<br />

lit.<br />

LS<br />

LSTA<br />

m.E.<br />

MA<br />

und die Folgenden<br />

Fürsorgerische Freiheitsentziehung (bis 31. Dez. 2012), neu FU<br />

Fürsorgerische Unterbringung<br />

in Verbindung mit<br />

Institut <strong>für</strong> Rechtsmedizin der Universität <strong>Zürich</strong><br />

Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong><br />

Amt <strong>für</strong> Justizvollzug<br />

<strong>Kantonspolizei</strong> <strong>Zürich</strong><br />

Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde<br />

Kriseninterventionszentrum<br />

Kinder- und Jugendhilfezentren<br />

Kriminalstatistik der Zürcher Polizeicorps (durch PKS ab 2009 abgelöst)<br />

litera<br />

Zürcher Gesetzessammlung (ZH-Lex), Loseblattsammlung<br />

Leitende Staatsanwältin, Leitender Staatsanwalt<br />

meines Erachtens<br />

Migrationsamt des Kantons <strong>Zürich</strong><br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 904 / 3


Kapitel 9: Nützliche Informationen zu <strong>Häusliche</strong>r <strong>Gewalt</strong>, Gesetzesabkürzungen, allgemeine Abkürzungen, November 2013<br />

ODARA Ontario Domestic Assault Risk Assessment<br />

OSTA Oberstaatsanwaltschaft des Kantons <strong>Zürich</strong><br />

PCL-R Hare Psychopathy Checklist-Revised<br />

PE<br />

Prozessentschädigung<br />

PKS<br />

Eidgenössische Polizeikriminalstatistik<br />

POLIS Polizei Informationssystem<br />

PPD<br />

Psychiatrisch-Psychologischer Dienst<br />

PUK<br />

Psychiatrische Universitätsklinik <strong>Zürich</strong><br />

PV<br />

Postvention<br />

RRB<br />

Beschlüsse des Regierungsrates des Kantons <strong>Zürich</strong><br />

SR<br />

Systematische Sammlung des Bundesrechts; www.admin.ch/ch/d/sr/sr.html<br />

STA<br />

Staatsanwaltschaft<br />

STAPO Stadtpolizei <strong>Zürich</strong><br />

VB Vormundschaftsbehörde (bis 31. Dez. 2012)<br />

VG<br />

Verfügung<br />

VGer Entscheide des Zürcher Verwaltungsgerichts, publiziert auf www.vger.ch<br />

VO<br />

Verordnung<br />

WINPO Stadtpolizei Winterthur<br />

WS<br />

Wohnsitz<br />

ZMG Zwangsmassnahmengericht<br />

IST Interventionsstelle gegen <strong>Häusliche</strong> <strong>Gewalt</strong> des Kantons <strong>Zürich</strong> www.ist.zh.ch 904 / 4

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!