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Vortrag Borasio - Kardinal König Haus

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Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin<br />

www.izp-muenchen.de


Palliativmedizin dient der Verbesserung der Lebensqualität<br />

von Patienten und ihren Familien, die mit einer lebensbedrohlichen<br />

Erkrankung konfrontiert sind. Dies geschieht<br />

durch Vorbeugung und Linderung von Leiden mittels<br />

frühzeitiger Erkennung, hochqualifizierter Beurteilung und<br />

Behandlung von Schmerzen und anderen Problemen<br />

physischer, psychosozialer und spiritueller Natur.<br />

WHO, 2002


Stiftungsprofessuren am IZP<br />

Lehrstuhl für<br />

Palliativ-<br />

Medizin<br />

Stifterverband für die<br />

Deutsche Wissenschaft<br />

Professur für<br />

Kinderpalliativmedizin<br />

LEIDEN<br />

spirituelles<br />

physisches<br />

psychosoziales<br />

Professur für<br />

Soziale Arbeit<br />

in Palliative<br />

Care<br />

Stadtsparkasse München<br />

Alfried Krupp von Bohlen<br />

und Halbach-Stiftung<br />

Professur für<br />

Spiritual Care<br />

Stifterverband für die<br />

Deutsche Wissenschaft


Palliativmedizin ist Betreuung<br />

für die letzte Lebensphase,<br />

nicht nur in der letzten Lebensphase<br />

Palliativmedizin ist Aufgabe aller Ärzte


Häufige Fehler in der Sterbephase<br />

Verdursten<br />

Ersticken<br />

Flüssigkeitsgabe<br />

Sauerstoffgabe


PEG bei fortgeschrittener Demenz<br />

(Finucane et al., JAMA 1999; GIllick, NEJM 2000; Cervo et al., Geriatrics 2006;<br />

Sampson et al., Cochrane review 2009)<br />

• Studien zeigen keinen Hinweis auf<br />

– Lebensverlängerung<br />

– Verbesserung des Ernährungsstatus<br />

– Verbesserung der Lebensqualität<br />

– verbesserte Wundheilung bei Wundliegen<br />

– Verringerung des Verschluckens<br />

• Nebenwirkungen der PEG<br />

– Entzündungen<br />

– Verlust der Freude am Essen<br />

– Verringerung der pflegerischen Zuwendung


• Die PEG ist ein bedeutender Risikofaktor<br />

für Aspiration<br />

Fox et al, Am J Surg 170: 554-56, 1995<br />

• Die PEG verursacht eher Infektionen als<br />

diese zu verhindern<br />

Locket et al, Am J Surg 68: 117-120, 2002<br />

• Die PEG ist ein bedeutender Risikofaktor<br />

für Besiedlung mit Clostridium difficile<br />

Bliss et al, Ann Intern Med 129:1012-1019, 1998


“This imbalance of burdens and benefits of<br />

tube feeding justifies the recommendation<br />

that tube feedings not be used in individuals<br />

with advanced dementia.“<br />

(L. Volicer, 2004)


Sterbehäufigkeit nach PEG bei Demenz<br />

PEG-Sonden bei schwer demenzkranken<br />

Menschen haben ein<br />

besonders hohes Sterberisiko:<br />

• 54% sterben im 1. Monat<br />

• 90% sterben innerhalb eines Jahres<br />

(Sanders et al, Am J Gastroenterol 2000)


Severe dementia is a terminal<br />

illness that is not reversed by<br />

feeding tube placement.<br />

(Cervo et al., Geriatrics 2006)


Was wissen über das Sterben<br />

unter Beendigung von Ernährung<br />

und Flüssigkeitsgabe?


Sterbende haben in der Regel<br />

keinen Hunger


Vorteile einer verminderten<br />

Flüssigkeitszufuhr am Lebensende<br />

• weniger Erbrechen<br />

• weniger Husten, Verschleimung<br />

• weniger Ödeme in Gewebe, Lunge, Bauch<br />

• weniger Schmerzen<br />

• erhöhte Endorphinausschüttung


Arch Int Med, 2005<br />

• Erfassung mit einer speziellen Leidensskala<br />

für Demenzpatienten<br />

• Kontinuierliche Abnahme des Leidensstatus<br />

nach Entscheidung zur Nicht-Einleitung einer<br />

künstlichen Ernährung/Flüssigkeitszufuhr


(2003)<br />

• 102/307 Pflegekräfte haben es erlebt<br />

• 85% Tod innerhalb von 15 Tagen<br />

• Friedlicher Tod (Skala von 0-9): Median 8


Klinische Erfahrungen<br />

• Patienten mit Demenz, neurodegenerativen<br />

Erkrankungen oder apallischem Syndrom, bei<br />

denen die Ernährungs- und Flüssigkeitszufuhr<br />

eingestellt wird, sterben friedlich<br />

• Pflegende und Angehörige berichten nicht selten<br />

über eine Verbesserung der Symptomkontrolle


www.stmas.bayern.de


Es wird derzeit in Krankenhäusern und<br />

Pflegheimen vieles in bester Absicht<br />

getan, was die Menschen – ungewollt –<br />

aktiv am friedlichen Sterben hindert.


Patientenverfügungen dienen heute<br />

vorwiegend dazu, sich vor ärztlichen<br />

Kunstfehlern zu schützen.


Der beste Schutz vor ärztlichen Kunstfehlern<br />

am Lebensende besteht in einer<br />

besseren Aus-, Fort- und Weiterbildung<br />

der Ärzte im Fach Palliativmedizin.


Lehre in der Palliativmedizin<br />

• seit SS 2004: Palliativmedizin als<br />

Pflichtfach an der LMU<br />

– 3. Semester: Kommunikation und Aufklärung<br />

– 6. Semester: psychosoziale Betreuung,<br />

Spiritualität und Trauer<br />

– 9. Semester: Schmerztherapie und<br />

Symptomkontrolle<br />

• Seit 8/2009: Palliativmedizin ist<br />

Pflichtlehr- und Prüfungsfach in der<br />

Approbationsordnung für Ärzte


Fürsorge und Selbstbestimmung


Spannungsfeld<br />

Autonomie ----------------------------------- Fürsorge


Spannungsfeld<br />

Autonomie ---------------------------P------ Fürsorge


Spannungsfeld<br />

Autonomie ------A-------------------P------ Fürsorge


Spannungsfeld<br />

Autonomie --------------------------P------ Fürsorge<br />

Autonomie ------A-------------------------- Fürsorge


Wenn wir jemandem helfen wollen, müssen wir<br />

zunächst herausfinden, wo er steht. Das ist das<br />

Geheimnis der Fürsorge. Wenn wir das nicht tun<br />

können, ist es eine Illusion zu denken, wir könnten<br />

anderen Menschen helfen. Jemanden zu helfen<br />

impliziert, dass wir mehr verstehen als er, aber wir<br />

müssen zunächst verstehen, was er versteht.<br />

Søren Kierkegaard


Medizinische Indikation<br />

und Patientenwille


Rechtfertigung von Therapie<br />

bei Erwachsenen:<br />

Therapie<br />

Indikation<br />

Patientenwille


Voraussetzungen ärztlichen Handelns<br />

Überprüfung der Indikation<br />

1. Was ist das Therapieziel?<br />

2. Ist dieses Therapieziel realistisch?<br />

Kongruenz mit Patientenwillen<br />

3. Stimmt dieses Therapieziel und die<br />

geplante Maßnahme mit dem<br />

Patientenwillen überein?


Bei fehlender Indikation darf nicht<br />

behandelt werden


Evidenzbasierte Medizin:<br />

Reanimation<br />

Setting Überleben Entlassen<br />

Krankenhaus 41% 13%<br />

Pflegeheim 18,5% 3,4%<br />

Pflegeheim/<br />

Demenz<br />

6,2% 1,1%<br />

Ebell MH et al., J Gen Int Med 13: 805, 1998


Reanimation - Nachteile<br />

• Schmerzhafte, dramatische Maßnahme<br />

• Effekt auf Angehörige und Heimbewohner<br />

• Intensivstation Delir<br />

• Erhöhte Behinderung der Überlebenden


Hospitalisierung bei Hochbetagten<br />

• 73% der Pat.: funktionelle Verschlechterung<br />

(Mobilität, Transfer, Körperpflege, Ernährung)<br />

• keine Verbesserung nach Entlassung<br />

• Retrospektive Studie: 44% der Nothilfe- und 45%<br />

der Krankenhaus-Einweisungen unbegründet<br />

• Pneumonie-Behandlung: 6-Wochen-Sterblichkeit<br />

hospitalisiert 39,5% nicht-hospitalisiert 18,7%<br />

Saliba D et al., J Am Geriatr Soc 48:154, 2000<br />

Thompson RS et al., J Am Board Fam Pract 10:82, 1997


Antibiotika bei Infekten<br />

In der terminalen Demenz<br />

• keine Verbesserung der Überlebens<br />

• keine Verbesserung des Wohlbefindens<br />

• Belastung durch Diagnostik<br />

• Fixierung für i.v.-Gabe notwendig<br />

• Nebenwirkungen der Antibiotika<br />

Luchins DJ et al., J Am Geriatr Soc 45:1054, 1997


Entlastung der Angehörigen


Fallbeispiel<br />

• Patient A.F., 44 J.<br />

• schwerste fortschreitende Demenz mit<br />

Bewegungsstörungen seit 4 Jahren<br />

• nicht kontaktfähig, nicht ernährbar<br />

• Patientenverfügung: k.A. zur Ernährung<br />

• Familie: Ehefrau (Bevollmächtigte),<br />

2 Kindern (14 und 16 Jahre), Eltern


Entscheidungen am Lebensende<br />

• Familienkonferenz: Bevollmächtiger, Angehörige,<br />

Arzt, Pflegekräfte, Sozialarbeiter, Seelsorger<br />

• Therapieziele: Lebensverlängerung, Funktionserhalt<br />

oder Lebensqualität?<br />

• Konsistenz mit den Wünschen des Patienten?<br />

• Gemeinsame Entscheidungsfindung ist entlastend<br />

• Entscheidungen auf der Basis der ärztlichen<br />

Indikation können Schuldgefühle und das Risiko<br />

von pathologischen Trauerverläufen mindern


Es geht um das Wiederentdecken<br />

des liebevollen Unterlassens<br />

und des natürlichen Todes


Palliativmedizin ist die Weiterführung der<br />

für den Patienten optimalen Therapie mit<br />

geändertem Therapieziel


Drei Regeln für gute Entscheidungen<br />

am Lebensende<br />

1. Reden<br />

2. Reden<br />

3. Reden


Wenn sich schwer demente<br />

Hochbetagte verstanden fühlen...<br />

.... gehen sie nicht in die innere Emigration<br />

.... verlieren sie ihre soziale Rolle nicht ganz<br />

.... verlieren sie ihre Beziehung zu den<br />

Aktivitäten des täglichen Lebens nicht ganz<br />

.... vergessen die meisten bei liebevoller<br />

Pflege bis zuletzt nicht ganz, wie man<br />

kaut und schluckt<br />

.... kommunizieren sie fast bis zuletzt mit uns<br />

Marina Kojer 2006


Ethik des Dialogs:<br />

Ausdruck der Fürsorge

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