Alle Tage wieder... - Katholische Pfarrgemeinde St. Jacobus. Hilden
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Das Labyrinth in der<br />
Pfarrkirche <strong>St</strong>. <strong>St</strong>ephan<br />
in Brühl lädt dazu ein,<br />
Orientierung neu zu<br />
entdecken. So funktionieren<br />
auch Rituale:<br />
Sie sind Wegweiser<br />
durchs Leben.<br />
Sind aller guten Dinge drei?<br />
Zauberformeln? Überlebensstrategien? <strong>St</strong>ützpfeiler im<br />
Lebensalltag? Im Schlängelpfad zwischen Gewohnheit,<br />
Brauch, Klischee, Sitte, Tradition, Zeremonie und Symbol<br />
können wir uns den Ritualen nähern – sie sind allgegenwärtig,<br />
auch jenseits von Glauben und Kirche.<br />
Es macht eben doch einen Unterschied zwischen dem Rauchen<br />
einer Friedenspfeife oder der 25. Zigarette des <strong>Tage</strong>s, die man<br />
mit Kollegen auf dem Balkon raucht. Reinhard Mey beschreibt<br />
das wunderbar: Ich strickte mir eine Überlebensstrategie, eine<br />
Art von Zauberformel und die versagte nie: <strong>St</strong>eh auf dem linken<br />
Bein, tritt nicht auf die Fuge dabei und zähle dreimal bis drei...<br />
Wenn man das oder das genauso macht, wird das oder das<br />
nie oder ganz bestimmt eintreten. <strong>Alle</strong>in nach den Gesetzen<br />
der Wahrscheinlichkeit ergibt sich da natürlich eine akzeptable<br />
Trefferquote. Vieles wird Ihnen einfallen, was allein mit der Zahl<br />
drei zusammenhängt: dreimaliger Münzwurf, dreimal helau,<br />
dreimal Weihrauch, aller guten Dinge sind drei…<br />
Die Braut über die Türschwelle tragen, das Brautstraußwerfen,<br />
Schlösser an der Kölner Brücke anbringen, die Schultüte, der<br />
erste Zahn, die ersten Babyschuhe, all das kann bedeutungsüberhöht<br />
werden, ebenso wie den Klapperstorch vors Haus<br />
stellen, das Türkränzen zu besonderen Anlässen und Brot und<br />
Salz zum Einzug reichen. Rituale sind besonders gehäuft an<br />
den Lebenswendepunkten zu finden. Wenn kirchliche Rituale<br />
nicht erwünscht sind, greifen ähnliche die Leere auf: die Jugendweihe,<br />
der Lichterumzug, der Kauf von „Jahresendflügelfiguren“,<br />
viele Abschiedsrituale bei nichtkirchlichen Begräbnissen,<br />
wie das Ritual, dass der Kapitän bei Seebestattungen ein<br />
letztes Glas Schnaps auf das Wohl (?) des Toten trinkt und das<br />
Glas dann ins Meer wirft.<br />
Es gibt einen Film über eine amerikanische Familie, die weit<br />
verstreut war, sich aber immer zu „Thanksgiving“ traf, wobei der<br />
älteste Sohn dann den Truthahn anschneiden musste. Durch<br />
alle möglichen Hindernisse traf der aber zunächst nicht ein, sodass<br />
der zweite Sohn den Truthahn anschnitt. Dieses Ereignis<br />
wird zum Anlass für einen familiären Zusammenbruch. Das ist<br />
auch die Absicht des Films, in diesem Durchbrechen eines Tabus<br />
die ganze familiäre Fragilität aufzuzeigen.<br />
Rituale bestimmen unser Leben. In Symbolen und Ritualen wird<br />
uns eine Erfahrungsdimension aufgezeigt, die über biologische<br />
Wahrnehmungen hinausreicht. Weder Geld noch Zeit machen<br />
etwas zum Ritual, sondern ob ein Sinn daraus erwächst, das<br />
so zu tun. Diese Sinngebung kann natürlich auch in die Irre<br />
führen. Es gibt aber auch verlogene Rituale und solche, die<br />
der Etablierung von Macht dienen. Es gibt den Missbrauch von<br />
Ritualen, den wir im Dritten Reich sowie in den Kriegen der letzten<br />
Jahre sehen können. Erwähnen möchte ich hier auch die<br />
Beschneidung von Mädchen und Rituale der Erniedrigung bei<br />
„Aufnahmeritualen“ sowie Ekelrituale, von denen das Dschungelcamp<br />
lebt.<br />
Rituale können das Leben ordnen und strukturieren, das Zusammenleben<br />
verbessern, dem Einzelnen Halt geben, sinnstiftend<br />
wirken an <strong>St</strong>ellen, an denen wir oft im Handeln blockiert<br />
sind oder Schwierigkeiten haben, Situationen zu erklären und<br />
zu beeinflussen, die sich dem Wort und Geist entziehen.<br />
ELISABETH SCHANG<br />
4 J !COBUS Winter 2013 / 2014