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1 Laudatio zum 1000. Geburtstag von Papst Leo IX, gehalten auf ...

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1<br />

<strong>Laudatio</strong> <strong>zum</strong> <strong>1000.</strong> <strong>Geburtstag</strong> <strong>von</strong> <strong>Papst</strong> <strong>Leo</strong> <strong>IX</strong>, <strong>gehalten</strong> <strong>auf</strong> „Wirthen“<br />

<strong>von</strong> Peter Grandy, anlässlich der GV der Romanerbruderschaft Solothurn<br />

vom 20. Januar 2003<br />

<strong>Leo</strong> <strong>IX</strong>.<br />

<strong>Papst</strong> (12.II.1049-19.IV.1054)<br />

--------- Bischof <strong>von</strong> Toul (1026-1051)<br />

21.VI.1002-19.IV.1054<br />

Egisheim Rom<br />

Anlässlich des <strong>1000.</strong> <strong>Geburtstag</strong>s <strong>von</strong> <strong>Papst</strong> <strong>Leo</strong> <strong>IX</strong>. am 21. Juni 2002 ist die<br />

heutige <strong>Laudatio</strong> diesem bis heute einzigen <strong>Papst</strong> aus dem Bistum Basel<br />

gewidmet. Im Jahre<br />

1048 starb nach nur<br />

ganz kurzer<br />

Regierungszeit <strong>Papst</strong><br />

Damasus II. Auf<br />

Wunsch <strong>von</strong> Kaiser<br />

Heinrich III., der<br />

Fürsten und der<br />

Bischöfe sowie nach<br />

erfolgter Zu-stimmung<br />

durch das Volk <strong>von</strong><br />

Rom bestieg am 12.<br />

Februar 1049 der junge<br />

Touler Bischof Bruno<br />

<strong>von</strong> Egisheim als <strong>Papst</strong><br />

<strong>Leo</strong> <strong>IX</strong> den Stuhl des<br />

Apostelfürsten.<br />

Sein Name <strong>Leo</strong> stammt aus dem Lateinischen und bedeutet: der Löwe . Er<br />

starb in Rom am 19. April 1054 mit 52 Jahren relativ jung nach nur 5 jährigem<br />

Pontifikat. Wie wir noch sehen werden, endete jedoch seine kurze<br />

Regierungszeit für die Kirchen <strong>von</strong> Ost und West mit Folgen, die bis heute ihre<br />

Wirkung zeigen. Sein Gedenktag im Regionalkalender der Kirche <strong>von</strong><br />

Basel, Freiburg im Breisgau und Trier ist der 19. April. Von <strong>Leo</strong> <strong>IX</strong>, dem<br />

die Kirche auch die Aufnahme des Allerseelenfestes in den Festkalender<br />

verdankt, befinden sich Reliquien in Rom (St. Peter), Egisheim, Buchsweiler<br />

und Dagsburg.<br />

Ich werde zu Beginn kurz über dessen Herkunft und Werdegang berichten. In<br />

einem weiteren Abschnitt soll dessen politische und kirchliche Tätigkeit<br />

beleuchtet werden. Ich spreche ferner über die im 11. Jahrhundert<br />

durchgeführte Um- und Neugestaltung der römischen Kurie zur Kurie der<br />

Weltkirche. Im weitern versuche ich in groben Zügen, die zahlreichen<br />

epochemachenden Synoden <strong>Papst</strong> <strong>Leo</strong>s darzustellen sowie <strong>auf</strong> den Konflikt<br />

zwischen Kirche und Staat, zwischen römischer und orthodoxer Kirche<br />

hinzuweisen. Letzterer führte schliesslich zur bis heute nachwirkenden Trennung<br />

Roms <strong>von</strong> Byzanz.


2<br />

Zur Herkunft: <strong>Papst</strong> <strong>Leo</strong> <strong>IX</strong> mit dem T<strong>auf</strong>namen Bruno stammte aus dem<br />

elsässischen Hochadel und war der Sohn des Grafen Hugo IV. <strong>von</strong><br />

Egisheim eines Vetters der Mutter Kaiser KONRADS II.und der Heilwig <strong>von</strong><br />

Dagsburg-Egisheim, Tochter <strong>von</strong> Graf Ludwig .<br />

Bruno war ebenfalls mit Kaiser HEINRICH III. verwandt. Sein Großvater<br />

väterlicherseits, Hugo III., Graf <strong>von</strong> Nordgau-Egisheim, und die Großmutter<br />

des Kaisers, Adelheid, die Frau Heinrichs <strong>von</strong> Franken, waren Geschwister.<br />

Die Eltern schickten Bruno bereits als 5-jähriges Kind in die Domschule des<br />

Bischofs Bertold <strong>von</strong> Toul, der ihn, ganz seiner mönchsfreundlichen<br />

Überzeugung folgend, zu einem großen Freund des klösterlichen Lebens<br />

erzog und später <strong>zum</strong> Domherrn ernannte. Bertold war es stets ein Anliegen,<br />

den klösterlichen Status, das Leben der Brüder, ihr Ansehen und ihre Arbeit<br />

zu fördern. In diesem Sinne bezog der junge Bruno auch überzeugt Partei für<br />

die Anliegen seines Erziehers. Nach dem Tode Bertolds wurde Bruno an die<br />

Hof-Kanzlei Kaiser Konrads II (1024-1039) berufen.<br />

Im Jahre 1026 leitete er das Aufgebot Touls <strong>auf</strong> dem Feldzug in der<br />

Lombardei. Als Bischof Hermann <strong>von</strong> Toul starb, wurde Bruno, kaum 24<br />

jährig, <strong>auf</strong> Wunsch des Klerus zu seinem Nachfolger bestimmt. Am 9.<br />

September 1027 wurde er <strong>von</strong> Erzbischof Poppo <strong>von</strong> Trier geweiht. Von den<br />

damals üblichen Geldzahlungen aus Anlass der Verleihung der weltlichen<br />

Bischofsrechte hatte ihn der König befreit. Als nicht <strong>von</strong> der Simonie<br />

betroffener Bischof konnte er deshalb später als <strong>Papst</strong> überzeugend den<br />

Kampf gegen den Ämterk<strong>auf</strong> in Angriff nehmen. Als Bischof verteidigte Bruno<br />

seine Selbstständigkeit gegenüber dem Metropoliten oder Erzbischof; er<br />

stärkte sein Bistum nach innen und aussen. Häufige Synoden und Visitationen<br />

halfen mit, das religiöse Niveau zu heben. In diesem Sinne sorgte er<br />

besonders für die Klöster St-Evré, Remiremont , St-Mansuy und<br />

Moyenmoutier, in denen er die cluniazensische Reformrichtung des Abtes<br />

Wilhelm <strong>von</strong> Volpiano durch dessen Schüler Widrich ausbreiten ließ. Cluny,die<br />

ehemalige Benedikt-inerabtei in Burgund war Ausgangspunkt der<br />

cluniazensischen Reform, durch die im 10./11. Jh. das benediktinische<br />

Mönchtum erneuert und die päpstl. Machtentfaltung überhaupt erst ermöglicht<br />

wurde .WILHELM <strong>von</strong> Volpiano ,* 962 - † 1. Januar 1031 war im übrigen der<br />

Sohn <strong>von</strong> Graf Robert <strong>von</strong> Volpiano, der mit der Kaiserin Adelheid verwandt<br />

war. Brunos Sorge galt aber in erster Linie seinem Bistum und nur selten<br />

suchte er den Hof <strong>auf</strong>.<br />

Politisch unterstützte Bischof Bruno <strong>von</strong> Toul die salischen Kaiser. So<br />

vermittelte er (1032/1033) im Streit um Burgund diplomatisch geschickt<br />

zwischen Konrad und König Heinrich I. <strong>von</strong> Frankreich, wobei er immer die<br />

Interessen Konrads vertrat. Der König leistete im Gegenzug militärische Hilfe,<br />

indem er (1037) an der Südwest-grenze mit Waffengewalt gegen Graf Odo<br />

<strong>von</strong> Champagne ein-schritt , der mehrfach das Bistum verwüstete. Als<br />

Konrads Sohn, Heinrich III., 1039 den Thron bestieg, wusste er Bruno<br />

ebenfalls <strong>auf</strong> seiner Seite. Erneut vermittelte der Touler Bischof (1048) beim<br />

lothringischen Aufstand Herzog Gottfrieds III. des Bärtigen, dabei konnte er<br />

ein französisches Eingreifen im Reich verhindern. Nach dem frühen Tod der<br />

beiden deutschen Päpste Clemens II.(1046-/1047) und Damasus II. (1048)<br />

bestimmte ihn Kaiser HEINRICH III. im Dezember 1048 <strong>auf</strong> dem Reichstag zu


3<br />

Worms <strong>zum</strong> Nachfolger <strong>auf</strong> dem Stuhl Petri. Der Vorschlag einer römischen<br />

Gesandt-schaft, den frühern Abt <strong>von</strong> St. Bénigne, Erzbischof Halinard <strong>von</strong><br />

Lyon, zu wählen, scheiterte an der Ablehnung sowohl durch den Kandidaten<br />

selbst als auch des Königs, dem Halinard nicht genehm war. Bruno nahm die<br />

Wahl erst an, als er sicher war, dass auch die letzte Einzelheit kanonischer<br />

Rechtmäßigkeit gewahrt und die Einstimmigkeit bewiesen war.<br />

Bruno, Bischof <strong>von</strong> Toul, wählte sehr bewußt den <strong>Papst</strong>namen <strong>Leo</strong>. Bischof<br />

Bruno wurde am 12.2. 1049 im Lateran als <strong>Papst</strong> <strong>Leo</strong> <strong>IX</strong> gekrönt. Bei der<br />

Krönung bestand er jedoch <strong>auf</strong> der Zustimmung per Akklamationem durch<br />

Klerus und Volk <strong>von</strong> Rom. Damit wollte der neue <strong>Papst</strong> die Kanonische Wahl<br />

durch Klerus und Volk in der Kirche allgemein beachtet wissen. Den<br />

Gewählten empfahlen 3 entscheidende Tatsachen: er war leidenschaftlicher<br />

Vorkämpfer der Reform, ein zuverlässiger Verwandter und ein reichstreuer<br />

Hierarch, eine der farbigsten Persönlichkeiten des <strong>Papst</strong>tums. Seine<br />

Namenwahl war bereits Programm: <strong>Leo</strong> strebte die Rück-kehr zur reinen<br />

Urkirche der Apostel an! Er hatte, als er Rom noch als Bischof <strong>zum</strong> ersten Mal<br />

betrat, nicht nur eine <strong>auf</strong>fallend starke Leibgarde bei sich gehabt, sondern es<br />

auch vermieden, sich bei dem gerade amtierenden <strong>Papst</strong> vorzustellen - für<br />

einen Bischof immerhin ungewöhnlich.<br />

Neugestaltung der römischen Kurie:<br />

Ein weiteres Mittel zur Reorganisation der curialen Verhältnisse Roms war die<br />

Bildung eines Kreises <strong>von</strong> bewährten Mitarbeitern. Aus diesem Grund<br />

organisierte er die päpstliche Verwaltung neu. <strong>Leo</strong> <strong>IX</strong> zog Humbert <strong>von</strong> Silva<br />

Candida, Hugo <strong>von</strong> Remiremont, Friedrich <strong>von</strong> Lothringen (= Stephan <strong>IX</strong>),<br />

Hildebrand (=Gregor VII), Petrus Damiani , Halinard <strong>von</strong> Lyon und Udo <strong>von</strong><br />

Toul, seinen späteren Nachfolger (1051) im Bischofsamt an die Kurie. Dieser<br />

Kreis bildete den Grundstock des späteren Kardinalskollegiums. Mit der<br />

Berufung <strong>von</strong> zahlreichen Reformern nach Rom minderte der <strong>Papst</strong> im weitern<br />

den Einfluss des römischen Klerus. So wandelte sich schliesslich unter <strong>Papst</strong><br />

<strong>Leo</strong> <strong>IX</strong> die stadtrömische Bistumsverwaltung in die Kurie der Weltkirche. Dazu<br />

gehörte nun aber eine aktive Kirchen- und Aussenpolitik.<br />

Kein <strong>Papst</strong> ist soviel gereist, um <strong>auf</strong> Synoden in Italien, Deutschland und<br />

Frankreich der Reform <strong>von</strong> Cluny Geltung zu verschaffen, zu predigen, den<br />

Primat wieder zu festigen, das <strong>Papst</strong>tum als Idee zu verlebendigen und der<br />

Kirche ihre Universalität wiederzugeben. Dazu suchte er sich seine Mitarbeiter<br />

im Strahlungsbereich <strong>von</strong> Cluny. <strong>Leo</strong> bildete das Kardinals-kollegium <strong>zum</strong><br />

eigentlichen Senat der Kirche um und wurde so <strong>zum</strong> Begründer des<br />

Kardinalskollegiums in seiner bis heute praktizierten Form. Während seines<br />

nur 5 Jahre dauernden Pontifikates hielt sich <strong>Leo</strong> nur wenige Monate in Rom<br />

<strong>auf</strong>. Er hielt eine Vielzahl <strong>von</strong> Versammlungen und Synoden ab und leitete die<br />

gregorianische Reform der Kirche ein.<br />

Auf seinen langen Visitationsreisen durch ganz Europa gründete und<br />

restaurierte er viele Klöster, wie <strong>zum</strong> Beispiel am 22. November 1049 das<br />

Kloster Allerheiligen zu Schaffhausen oder weihte unzählige Kirchen wie <strong>zum</strong><br />

Beispiel die Kapelle der Vorbourg bei Delsberg , aber auch in Augsburg und


4<br />

Regensburg, und stärkte so den unmittelbaren Einfluss des <strong>Papst</strong>tums <strong>auf</strong> <strong>von</strong><br />

Rom ferne Gemeinden.<br />

<strong>Leo</strong>s Verbundenheit mit der lothringisch/burgundischen Mönchsreform kommt<br />

in den <strong>auf</strong> seinen Reisen erteilten Klosterprivilegien <strong>zum</strong> Ausdruck. So<br />

erhielten mehr als 160 Klöster besondere Privilegien. Hier handelte es sich oft<br />

um eine erneute Verbriefung alter Privilegien oder um Anerkennung eines bestehenden<br />

Zustandes unter päpstlichen Vorzeichen, wobei sich auch<br />

päpstlicher neben königlichen Schutz stellte. <strong>Leo</strong> erkannte die Rechte der<br />

Eigenkirchenherren durch Zusicherung erblicher Vogteirechte an, schützte<br />

dabei aber durch Appelationsrechte an den <strong>Papst</strong> die Klöster vor Missbrauch.<br />

Die Tendenz, Klöster mehr als bisher mit Rom in Verbindung zu bringen, sollte<br />

dem Schutz der Klöster dienen und richtete sich nicht gegen Laien, betonte<br />

und konkretisierte aber päpstliche Rechtsansprüche, die im Sinne des<br />

Eigenkirchenrechtes verstanden wurden.<br />

Epochemachende Synoden:<br />

Nach seinem Amtsantritt als <strong>Leo</strong> <strong>IX</strong>. Ende Februar 1049 führte er die offizielle<br />

Kirchenpolitik weiter, indem er gegen die Priesterehe und für das Zölibat<br />

eintrat sowie die Laieninvestitur und die Simonie bekämpfte.<br />

Die erste grosse Synode <strong>Leo</strong>s <strong>IX</strong>. in Rom im April 1049 war programmatisch.<br />

Die Kanones der ersten vier ökumenischen Konzilien Nicäa (325),<br />

Konstantinopel (381), Ephesus und Chalkedon wurden verlesen und die<br />

Verbindlichkeit päpstlicher Dekrete bestätigt, bevor man energischer als bisher<br />

gegen Priesterheirat und -konkubinat vorging, ebenso wie gegen Simonie. Es<br />

war <strong>Papst</strong> <strong>Leo</strong> der die Absetzung aller simonistisch gewählten und geweihten<br />

Geistlichen, sowie aller im Konkubinat lebenden Priester forderte. Es zeigte<br />

sich aber, dass in Rom kein Gottes-dienst mehr hätte stattfinden können,<br />

wären alle Maßnahmen durchgeführt worden. Doch im gleichen Maße bestand<br />

das Prob-lem der rechtmäßig verheirateten Priester. Nachdem bereits<br />

Benedikt VIII. Priesterkinder, also die wehrlosesten Opfer der Zwangslage der<br />

Zölibatsgesetze, zu Gesetzlosen und "Sklaven der Kirche" erklärt hatte,<br />

erweiterte <strong>Leo</strong> <strong>IX</strong>., persönlich eine gütige, liebenswürdige Gestalt, diesen<br />

Barbarismus dahingehend, dass er auch Ehefrauen <strong>von</strong> Priestern ebenso wie<br />

Konkubinen zu Sklavinnen der Kirche erklärte, was der Kirche Roms billige<br />

Arbeitskräfte sicherte. Der Kirchenlehrer Petrus Damiani, mit Hildebrand<br />

wichtigster Berater des <strong>Papst</strong>es, überreichte <strong>Leo</strong> <strong>IX</strong>. sein Liber Gomorrhianus,<br />

sein Gomorrhabuch, über die all-gemeinen Zustände in den Lebensbereichen<br />

der Priester.<br />

Auf dem Reimser Konzil vom Oktober 1049 verkündete <strong>Leo</strong> ferner als erster<br />

<strong>Papst</strong> einen Gottesfrieden (lat. Pax Dei oder Treuga Dei), eine durch<br />

kirchliches Gebot allgemein verbindliche und ins Kirchenrecht <strong>auf</strong>genommene<br />

Einschränkung des mittelalterlichen Fehdewesens an kirchlichen Festtagen<br />

und an bestimmten Wochentagen; Dieser Ende des 10. Jh. <strong>von</strong> Südfrankreich<br />

ausgehenden Gottesfrieden-Bewegung blieb zwar der durch-greifende Erfolg<br />

versagt, dennoch fand sie ihre Ergänzung in der durch Vertrag und<br />

Beschwörung zustandegekommenen weltlichen Landfriedens-Bewegung.


5<br />

Auf der Synode <strong>von</strong> Vercelli (1050) schliesslich erfolgte die Verdammung der<br />

Eucharistielehre Berengars <strong>von</strong> Tours, Mönch, frz. Scholastiker, * um 1000<br />

Tours, † 1088 Saint-Côsme (bei Tours); Berengar war Befürworter einer<br />

streng logischen Arg-umentationsweise, der sogar die Glaubenswahrheiten<br />

sich unter-werfen müßten. Seine Lehre <strong>von</strong> der bloß sinnbildlichen Gegenwart<br />

Gottes in der Eucharistie wurde <strong>von</strong> der Kirche verurteilt.<br />

Kirchenreformen: Konflikt Kirche und Staat:<br />

Seit der Mitte des 11. Jahrhunderts gab es in Teilen Frankreichs und Englands<br />

sowie im Heiligen Römischen Reich eine starke Bewegung zur Reformierung<br />

der Kirche. Die Reformer kritisierten, dass die Laieninvestitur nicht den alten<br />

Kirchengesetzen ent-sprach, und führten <strong>auf</strong> sie den moralischen Verfall des<br />

damaligen Klerus zurück, insbesondere dessen Nachsicht gegenüber der<br />

Nichteinhaltung des Zölibats sowie der weit verbreiteten Simonie, dem K<strong>auf</strong><br />

und Verk<strong>auf</strong> <strong>von</strong> Kirchenämtern.<br />

Im 11. und 12. Jahrhundert eskalierte ferner der Konflikt zwischen Kirche und<br />

Staat um die Rolle der weltlichen Herrscher bei der Amtseinsetzung <strong>von</strong><br />

Bischöfen und Äbten. Dabei war vor allem strittig, dass der Landesherr dem<br />

geistlichen Würdenträger Ring und Stab überreichte, die Symbole seiner<br />

geistlichen Autorität.<br />

Auch die "Laieninvestitur", die Einsetzung <strong>von</strong> Nicht-Geistlichen ins<br />

Bischofsamt, die im frühen Mittelalter <strong>auf</strong>gekommen war, wurde angefochten.<br />

Die Laieninvestitur entstand im Umfeld des Feudal-systems, in dem geistliche<br />

Würdenträger oft zugleich weltliche Herrscher und damit Vasallen des Königs<br />

waren. Kaiser und Könige versuchten, die reichen und mächtigen geistlichen<br />

Würden-träger an sich zu binden, indem sie ihnen im Gegenzug Schutz<br />

anboten. Den weltlichen Landesherren war die Loyalität der Bi-schöfe und<br />

Äbte meist wichtiger als deren moralische Integrität.<br />

Herausforderung im Kampf mit den Normannen: Bruno war 24 Jahre, als<br />

er das Bistum Toul <strong>von</strong> KONRAD II. erhielt. Er befehligte die bischöflichen<br />

Truppen <strong>auf</strong> dem italienischen Feldzug, dabei bewies er eigene Fähigkeiten<br />

für die Kriegsführung, <strong>von</strong> der er auch als <strong>Papst</strong> nie ganz ablassen konnte. So<br />

wagte er als <strong>Leo</strong> <strong>IX</strong>. 1053 die offene Herausforderung im Kampf mit den<br />

Normannen, obwohl Kaiser HEINRICH III. seine deutschen Truppen zurückbeorderte.<br />

Mit Hilfe der süditalienischen Griechen und seinem Aufgebot<br />

eröffnete er den Feldzug, mit dem er, gleich den späteren<br />

Kreuzzugsunternehmen, der römischen Kirche und ihrer Christen-heit große<br />

Gebiete zurückerobern wollte. So marschierte er mit den Truppen über Monte<br />

Cassino, S. Germano und Benevent nach Civitate. Hier im Schloß verschanzte<br />

er sich, während die Normannen vorpreschten. Dann trieben die<br />

<strong>auf</strong>gebrachten Stadtbürger <strong>Leo</strong> und seine Kardinäle aus der Stadt. Hier,<br />

westlich des Monte Gargano, erlitt der <strong>Papst</strong> am 18. Juni 1053 eine<br />

vernichtende Niederlage und gelangte als Geisel selbst in feindliche<br />

beneventanische Gefangenschaft. 1054 wurde er nach 8-monatiger<br />

Gefangenschaft schwer krank freigelassen. <strong>Leo</strong> <strong>IX</strong> starb sechs Wochen<br />

später, erschöpft und ausgelaugt, nachdem er sich ans Grab des Petrus hatte<br />

tragen lassen, um dort seine letzten Stunden zu verbringen.


6<br />

Stimmen des Verrats wurden laut, aber ausschlaggebend war gewesen, dass<br />

die Ritter, die <strong>Leo</strong> in Deutschland anwerben konnte, schlecht gerüstet und<br />

wenig kriegstüchtig waren, dass <strong>Leo</strong> mit den Seinen schon rein zahlenmäßig<br />

und mangels Erfahrung einem viel stärkeren Gegner gegenüberstand. Der<br />

Sieg der Normannen gilt als Beginn ihrer Staatsgründung. Sie anerkannten<br />

den <strong>Papst</strong> sogar als ihren Lehensherrn. Geschichtlich ist dieser mißlungene<br />

Feldzug insofern <strong>von</strong> verhängnisvollster Bedeutung geworden, als der <strong>Papst</strong><br />

ihn <strong>zum</strong> "heiligen Krieg" erklärte und damit das Unheil der<br />

Kreuzzugsjahrhunderte einleitete. Seine Krieger wurden zu Märtyrern und<br />

Heiligen stilisiert. Ein Beispiel war gegeben, das schon bald <strong>zum</strong><br />

konsequenten Mißbrauch des Begriffes "heilig" im Zusammenhang mit dem<br />

Krieg berechtigen sollte. Petrus Damiani hat den <strong>Papst</strong> dafür <strong>auf</strong> das schärfste<br />

getadelt und sich dagegen gewandt, dass "<strong>zum</strong> Schimpf der Kirche durch<br />

Kriegsgewalt entschieden werden" soll. 40 Jahre nach dem Tode des <strong>Papst</strong>es<br />

waren die Kreuzzüge geboren, um mit wechselnden Namen und Zielen die<br />

folgenden 850 Jahre zu überdauern.<br />

Zur rechtlichen Definition des Patrimonium Petri und des Primates berief der<br />

<strong>Papst</strong> sich ausgiebig <strong>auf</strong> die pseudoisidorischen Dekretale und die<br />

Behauptungen der Donatio Constantini.:<br />

Bei den pseudoisidorischen Dekretalen handelt es sich um eine angeblich<br />

<strong>von</strong> einem Isidor Mercator verfaßte Kirchenrechtssammlung, die neben<br />

echtem Material zahlreiche Fälschungen <strong>von</strong> alten Dekretalen,<br />

Synodalbeschlüssen und fränkischen Reichsgesetzen enthält; diese sind<br />

wahrscheinlich in Reims zwischen 847 und 852 entstanden. Absicht war, die<br />

Stellung der Bischöfe zu stärken und die päpstliche Gewalt zu erhöhen, um<br />

die alte fränkische Provinzialkirchenverfassung zu zerschlagen. Bedeutung<br />

erlangten die pseudoisidorischen Dekretale aber erst ab Mitte des 11. Jh., als<br />

sie dem Reformpapsttum zur Stützung seiner Forderungen dienten. Bei den<br />

Behauptungen der Donatio Constantini (bekannt auch unter dem Begriff der<br />

Konstantinischen Schenkung) wiederum handelte es sich um ein im 8.<br />

Jahrhundert <strong>auf</strong>getauchtes angebliches Schreiben Kaiser Konstantins d. Gr.<br />

an <strong>Papst</strong> Silvester I., in welchem dem <strong>Papst</strong> der Lateranpalast sowie der<br />

Vorrang über Kirche und Kaisertum zuerkannt wurden; diese haben sich im<br />

15. Jh. als Fälschung erwiesen.<br />

In die Zeit des Pontifikates <strong>Leo</strong>s <strong>IX</strong> fiel ebenfalls die endgültige, auch formelle<br />

Trennung <strong>von</strong> der Kirche <strong>von</strong> Byzanz. Als Folgenreich erwies sich besonders<br />

das wachsende römische Selbst-bewußtsein in der Beziehung zu Byzanz, mit<br />

dem <strong>Leo</strong> <strong>IX</strong>. eigentlich ein Bündnis gegen das Vordringen der Normannen in<br />

Süd-Italien suchte. 1054 fand der lange Dogmenstreit zwischen West- und<br />

Ostkirche durch die Exkommunikation des Patriarchen <strong>von</strong> Konstantinopel<br />

Michael Kerullarios und aller seiner Kirchenmitglieder durch Kardinal Humbert<br />

seinen Höhepunkt: Dieser Schritt vollendete die Spaltung zwischen Rom und<br />

der orthodoxen Kirche.<br />

Damit endeten alle in 575 Jahren wechselnd stark sich manifestierenden<br />

Gegensätze im völligen Bruch. Die beiden letzten Gegner und Protagonisten<br />

der Tragödie symbolisierten zwei Welten: Kardinal Humbert <strong>von</strong> Silva-<br />

Candida, Mönch <strong>von</strong> Cluny, Geschichtsphilosoph, Rechtstheoretiker der<br />

Reform und größter Wortführer eines <strong>von</strong> aller Simonie gereinigten Primates,


7<br />

doch auch der rücksichtsloseste und diplomatischste Verhandlungs-partner,<br />

war der Wortführer Roms;<br />

<strong>auf</strong> der andern Seite vertrat Patriarch Michael Kerularios, der bedeutendste<br />

Patriarch <strong>von</strong> Konstantinopel nach Photios den Ost-Primat mit gleicher<br />

Schroffheit wie Kardinal Humbert den Westprimat.<br />

Als offizielles Datum der Trennung gilt der Tag, an welchem der Kardinal die<br />

Bannbulle des <strong>Papst</strong>es gegen den Patriarchen <strong>auf</strong> dem Altar der Hagia<br />

Sophia niederlegte. An diesem Tag war der <strong>Papst</strong> bereits gestorben<br />

Erst die Begegnung Pauls VI. mit dem Patriarchen Athenagoras I. und die<br />

formelle Aufhebung des Bannfluches am Ende des 2. vatikanischen Konzils ist<br />

<strong>zum</strong> Beginn einer neuen Begegnung <strong>von</strong> Ost und West geworden.<br />

<strong>Leo</strong> <strong>IX</strong>., der nach seinem Tode 1054 sogleich als Heiliger verehrt und <strong>von</strong><br />

einem Touler Kleriker (nicht Humbert) durch eine noch zu seinen Lebzeiten<br />

begonnene Vita gewürdigt wurde, war der historisch bedeutendste der<br />

deutschen Päpste und hat weniger in seinen Zielen als in der Art ihrer<br />

Durchsetzung den Aufstieg des hochmittelalterlichen <strong>Papst</strong>tums eingeleitet.

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