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Die Fazenda Gut Neuhof. Christliche Jugendsozialarbeit mit ...

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ist Begründer des Symbolischen Interaktionismus, einer Theorie der Identitätsentwicklung des<br />

Menschen. Der Mensch bildet sein Selbst ("Self") nach Mead durch ein inneres Aushandeln<br />

zwischen dem "I" und dem "ME": Das "I" („Ich“) steht dabei für Individualität und das "ME" (wie<br />

andere „mich“ sehen) für soziale Konfor<strong>mit</strong>ät. Jedes Individuum entwickelt seine Identität in der<br />

Auseinandersetzung zwischen persönlichen Bedürfnissen und Wünschen einerseits und den<br />

gesellschaftlichen Ansprüchen andererseits.<br />

Athens entwickelt diese Theorie weiter (vgl. Rhodes 2000, 267-285), indem er erläutert, wie dieser<br />

Prozess des inneren Aushandelns zwischen individuellen Bedürfnissen und gesellschaftlichen<br />

Ansprüchen in einer Person vonstatten geht.<br />

Das innere Aushandeln geschieht nach Athens in Form von Selbstgesprächen, von inneren<br />

Zwiegesprächen. Schon kleine Kinder sprechen <strong>mit</strong> sich selbst und tun dies auch noch bis zu einem<br />

gewissen Alter laut. Sie bringen sich so durch spielerische innere Rollengespräche die Auffassungen<br />

anderer nahe. Bei Heranwachsenden und Erwachsenen gehen die ursprünglich laut vorgetragenen<br />

Rollengespräche schweigend, meist unbewusst, weiter. Das Selbst entsteht also durch innere<br />

Zwiegespräche und bildet sich als fließender Prozess durch solche internen Diskussionen ständig<br />

weiter. <strong>Die</strong> inneren Stimmen, die Mead als "I" und "ME" differenziert hatte, sind nach Athens noch<br />

vielfältiger: Wir sprechen unbewusst <strong>mit</strong> uns nahestehenden Menschen ("US") aus primären<br />

Bezugsgruppen und auch <strong>mit</strong> uns fremden Stimmen ("THEM"), die uns <strong>mit</strong> den verschiedensten, oft<br />

gegensätzlichen Erwartungen der Gesellschaft konfrontieren. Wir brauchen oft eine ganze<br />

Versammlung von inneren Gesprächspartnern, um die unterschiedlichsten Argumenten und<br />

Emotionen, die in uns gegenwärtig sind, zur Sprache und in Ordnung bringen zu können. Athens<br />

benutzt dafür den Begriff der "phantom community", die unser Handeln letztlich aushandelt und<br />

bestimmt. Theologisch kann dies als die Unterscheidung der Geister gedeutet werden, die uns zum<br />

Handeln im Heiligen Geist führen soll. Der auf Ignatius von Loyola zurückgehende Terminus der<br />

„Unterscheidung der Geister“ beinhaltet einen Klärungsprozess, in dem der Mensch seine Antriebe<br />

und Beweggründe dahingehend überprüft, ob sie ihn zu Gott führen, zu Trost, innerem Frieden und<br />

zur Freude als Erfahrungen des Heiligen Geistes, oder ob sie Ausdruck eines bösen Geistes sind, der<br />

Traurigkeit, Misstrauen, Fixiertsein auf „niedrige Dinge“, Feindschaft und Krieg beinhaltet. Es geht<br />

darum, Zugang zu den eigenen Gefühlen zu bekommen und zu reflektieren: Was bewegt mich? Was<br />

bestimmt mich? Wohin bewegen mich meine Gefühle und Antriebe? 2<br />

<strong>Die</strong> Unterscheidung der Geister geschieht durch innere Zwiesprache, Meditation und Gebet.<br />

Dadurch bildet sich - Athens weiterdenkend - Identität.<br />

Athens geht bei Erwachsenen von unbewussten selbstverständlichen inneren Aushandlungsprozessen<br />

aus, die der einzelne zumeist kaum wahrnimmt. Aber wenn sich ein Mensch in einer existenziellen<br />

Krise befindet, kommen die Aushandlungsprozesse an die Oberfläche. Das alte Selbst und die<br />

bisherigen Identitätsmuster erweisen sich in Krisen möglicherweise als nicht mehr tragfähig, und es<br />

müssen neue Identitätsstrukturen gebildet werden. Athens nennt als Auslöser für solche Krisen, die<br />

einen dramatischen Identitätswandel hervorrufen, traumatische Ereignisse: das Leben in einem<br />

Konzentrationslager, den Verlust eines geliebten Menschen, eine chronische Krankheit oder das<br />

Eintreten einer Behinderung, auch die Suchtabhängigkeit und später die Ablösung von der Sucht.<br />

Dramatischer Identitätswandel beginnt nach Athens (1995) <strong>mit</strong> der qualvollen Erfahrung, dass die<br />

alten Lebensmuster zerbrochen sind, dass die eigene Identität fragmentiert ist. Alte<br />

Lebensorientierungen sind nicht mehr brauchbar. Was mir bisher im Leben wichtig war, ist mir<br />

verlorengegangen, und ich muss mich von alten Denkweisen und Verhaltensweisen trennen. <strong>Die</strong><br />

Suche nach Neuorientierungen geschieht im Denken, im Geist, in meiner "phantom community".<br />

2 <strong>Die</strong>se Hinweise zur Unterscheidung der Geister verdanken wir Prof. Dr. Andrea Tafferner von der Katholischen<br />

Fachhochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Münster.

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