Einführung in die Bayerische Kirchengeschichte
Einführung in die Bayerische Kirchengeschichte
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E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Bayerische</strong> <strong>Kirchengeschichte</strong><br />
Prof. Dr. Manfred Heim<br />
23. Oktober 2013<br />
Prälim<strong>in</strong>arien<br />
E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Bayerische</strong> <strong>Kirchengeschichte</strong><br />
Prof. Dr. Manfred Heim<br />
Zur E<strong>in</strong>führung<br />
Drei historische Rem<strong>in</strong>iszenzen:<br />
1700. Jahrestag der „Konstant<strong>in</strong>ischen Wende“: Mailänder Konventionen im<br />
Februar 313<br />
1200. Todestag Karls des Großen (28. Januar 814)<br />
„Wie aber <strong>die</strong> Gottesfurcht <strong>die</strong> Ursache für <strong>die</strong> Größe der Staaten ist, so ist ihr<br />
Schw<strong>in</strong>den <strong>die</strong> Ursache ihres Verfalls. Denn wo <strong>die</strong> Gottesfurcht fehlt, da muß<br />
e<strong>in</strong> Reich <strong>in</strong> Verfall geraten, oder <strong>die</strong> Furcht vor dem Fürsten muß den Mangel an<br />
Religion ersetzen.“ (Nicolò Machiavelli, Discorsi 1513-1517)<br />
Heiliges Römisches Reich (lat. Sacrum Romanum Imperium, Abkürzung S.R.I.),<br />
erstmals 1157 begegnende, seit 1254 offizielle Titulatur für den Herrschaftsbereich<br />
des abendländischen Römischen Kaisers und der <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Bereich verbundenen<br />
Reichsterritorien: Seit 1033 im wesentlichen <strong>die</strong> drei König- oder Teilreiche (lat.<br />
regna) Deutschland, Italien, Burgund. Die H<strong>in</strong>zufügung des Beiwortes "sacrum"<br />
(heilig) zum Reichstitel erfolgte gleichsam als Reaktion auf <strong>die</strong> "Entsakralisierung"<br />
des Kaisertums im Investiturstreit des 11./12. Jh.s, wodurch <strong>die</strong> Idee des Sakralen<br />
Herrschertums nach außen h<strong>in</strong> sichtbar gemacht werden sollte (und mußte).<br />
Die Reichstitulatur wurde <strong>in</strong> der deutschen Fassung seit Kaiser Karl IV. (1355-1378),<br />
dann im 15./16. Jh. und gelegentlich im 18. Jh. mit e<strong>in</strong>em Zusatz erweitert und<br />
lautete: Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation.<br />
Dieses Imperium war <strong>in</strong> der Nachfolge des antiken Römischen Reiches im Westen<br />
(Westrom) und <strong>in</strong> Konkurrenz zum Oströmischen, Byzant<strong>in</strong>ischen Reich des Ostens<br />
entstanden und wurde <strong>in</strong> der Kaiserkrönung des Frankenkönigs Karl des Großen<br />
durch Papst Leo III. an Weihnachten des Jahres 800 erneuert. Nach dem Zerfall des<br />
Fränkischen Reiches, e<strong>in</strong>geleitet mit dem Vertrag von Verdun im Jahr 843, wurde <strong>die</strong><br />
römische Kaiserwürde des Westens <strong>in</strong> der Salbung und Krönung des deutschen<br />
Königs Otto I. des Großen durch Papst Johannes XII. an Lichtmeß 962<br />
wiederhergestellt.<br />
Damit war der seither gültige, gewohnheitliche Rechtsanspruch des deutschen<br />
Königs auf <strong>die</strong> Kaiserwürde begründet, e<strong>in</strong>e Tradition, <strong>die</strong> 844 Jahre währte und erst<br />
ihr Ende fand, als der Habsburger Franz II. am 6. August 1806 <strong>in</strong> Wien <strong>die</strong> römische<br />
Kaiserwürde niederlegte. Krönung und Weihe des deutschen Königs zum Römischen<br />
Kaiser erfolgten trotz mancher Abweichungen, vor allem im Spätmittelalter, <strong>in</strong> Rom<br />
durch den Papst, zuletzt 1452. 1530 wurde mit Karl V. <strong>in</strong> Bologna zum letzten Mal e<strong>in</strong><br />
Kaiser vom Papst gekrönt. Die mit dem Reich von Anfang an aufs engste<br />
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verbundene Reichskirche war mit ihren geistlichen Reichsständen und Kurfürsten-<br />
Erzbischöfen von Ma<strong>in</strong>z, Köln und Trier, ihren Fürstbischöfen und Reichsäbten<br />
(geistliche Fürsten) <strong>in</strong>tegrierender Bestandteil des Reichs bis zum Zusammenbruch<br />
<strong>in</strong> der großen Säkularisation am Beg<strong>in</strong>n des 19. Jh.s.<br />
Aus: Manfred Heim, Von Ablass bis Zöibat. Kle<strong>in</strong>es Lexikon der <strong>Kirchengeschichte</strong> (Beck´sche Reihe),<br />
München 2008.<br />
Prälim<strong>in</strong>arien<br />
Das Christentum ist mit rund 2 Milliarden Christen gegenwärtig <strong>die</strong> größte der<br />
Religionen, benannt nach dem Würdetitel se<strong>in</strong>es Stifters Jesus Christus. Der weite<br />
Begriff "Christentum" fand und f<strong>in</strong>det se<strong>in</strong>e geschichtliche Ausprägung <strong>in</strong> der Kirche,<br />
<strong>in</strong> der Gesamtheit der geschichtlich gewordenen Kirchen und der kle<strong>in</strong>eren<br />
christlichen Geme<strong>in</strong>schaften. Das Wort "Kirche", abgeleitet vom Griechischen<br />
"kyriaké" [zu ergänzen: oikía], "kyriakón" (= Gotteshaus, eigentlich zum Herrn<br />
gehörig, dem Herrn geweihtes Haus), ist <strong>die</strong> Übersetzung vom Griechischen<br />
"ekklesía" (late<strong>in</strong>isch ecclesia; italienisch chiesa, englisch church, französisch église,<br />
spanisch iglesia, niederländisch kerk). Es bedeutet zunächst Gotteshaus, Haus<br />
Gottes, Haus der christlichen Gottesverehrung und das dem Gottes<strong>die</strong>nst geweihte<br />
Gebäude, dann <strong>die</strong> Geme<strong>in</strong>schaft der an Jesus Christus Glaubenden; damit ist<br />
"Kirche" zugleich auch Sammelbezeichnung für <strong>die</strong> organisierte Gestalt, das heißt<br />
<strong>die</strong> <strong>in</strong>stitutionell, rechtlich und sozial geformte (und als Hierarchie gegliederte)<br />
Organisation der christlichen Religionsgeme<strong>in</strong>schaften und ihrer Geschichte. Der <strong>in</strong><br />
den christlichen Konfessionen (late<strong>in</strong>isch confessio = Bekenntnis) jeweils<br />
verschiedene Kirchenbegriff ist für <strong>die</strong> Bestimmung von Gegenstand und Aufgabe<br />
der <strong>Kirchengeschichte</strong> grundlegend.<br />
Von ihrem Gegenstand her ist <strong>Kirchengeschichte</strong> zugleich e<strong>in</strong>e historische und e<strong>in</strong>e<br />
theologische Diszipl<strong>in</strong> (Kirchen-Geschichte).<br />
Beachte: Seit dem Mittelalter ist „Theologie“ (von griech. theós = Gott und lógos =<br />
Wort, d.h. also „Sprechen über Gott, Rede, Lehre und Wissenschaft von<br />
Gott“) Bezeichnung für <strong>die</strong> systematisch-wissenschaftliche Erhebung,<br />
Entfaltung, Darstellung, Aneignung und rationale Durchdr<strong>in</strong>gung der<br />
„Glaubensreflexion“.<br />
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Aufgabe und Methode:<br />
Ihre Aufgabe ist <strong>die</strong> Erforschung und Darstellung der Kirche im weiten Bereich ihrer<br />
geschichtlichen Ersche<strong>in</strong>ungsformen. Dabei hat der Begriff "Geschichte" (griechischlate<strong>in</strong>isch<br />
historia; althochdeutsch gisciht = [schicksalhaftes] Ereignis, Hergang,<br />
Zufall) e<strong>in</strong>en doppelten S<strong>in</strong>n: Er me<strong>in</strong>t das <strong>in</strong> der Vergangenheit Geschehene, <strong>die</strong><br />
Ereignisse und Taten (late<strong>in</strong>isch res gestae) sowie <strong>die</strong> Kunde davon, vermittelt durch<br />
<strong>die</strong> Geschichtswissenschaft, das heißt Erkenntnis, Darstellung<br />
(Geschichtsschreibung oder Historiographie) <strong>in</strong> historisch-kritischer Methode und<br />
Lehre. Das griechische Wort "historía" bedeutet lediglich "Forschung", schließt also<br />
den Gegenstand nicht mit e<strong>in</strong>. Dagegen haben das englische "history" und das<br />
französische "histoire" <strong>die</strong> gleiche zweifache Bedeutung wie das deutsche Wort<br />
"Geschichte".<br />
Die eigentliche methodische Schwierigkeit der Geschichte als Wissenschaft liegt vor<br />
allem <strong>in</strong> dem Umstand, daß <strong>in</strong> der Betrachtung dessen, was "vergangen" ist, vielerlei<br />
Fragestellungen möglich s<strong>in</strong>d, je nach Zeit, Ort und S<strong>in</strong>n des Fragens. Dies gilt <strong>in</strong><br />
besonderer Weise dann, wenn das Postulat des berühmten Erforschers der<br />
Römischen Geschichte Theodor Mommsen (1817-1903) berücksichtigt werden will:<br />
"Alle Geschichte soll <strong>in</strong> ihren Beziehungen zur Gegenwart betrachtet werden"<br />
(Römische Kaisergeschichte. Nach den Vorlesungsmitschriften von Sebastian und<br />
Paul Hensel 1882-1886. Hrg. von Barbara und Alexander Demandt, München 1992,<br />
MH.II 366f.). Anders gesagt: Was nach Hans-Georg Gadamer (Wahrheit und<br />
Methode. Grundzüge e<strong>in</strong>er philosophischen Hermeneutik, Tüb<strong>in</strong>gen 1960, 6 1990) für<br />
sämtliche Wissenschaften, selbst für <strong>die</strong> "exaktesten" unter ihnen gilt, ist gleichfalls<br />
Pr<strong>in</strong>zip für <strong>die</strong> Glaubenswissenschaft, zu der <strong>die</strong> <strong>Kirchengeschichte</strong> auch gehört:<br />
nämlich <strong>die</strong> Notwendigkeit, <strong>die</strong> Grenze zwischen vorwissenschaftlicher und<br />
methodisch wissenschaftlicher Erkenntnis im rationalen Erkenntnisprozeß ständig<br />
neu zu "vermessen".<br />
Ke<strong>in</strong>e Methode wissenschaftlicher Arbeit kann völlig voraussetzungslos se<strong>in</strong>. Als<br />
Geschichtswissenschaft wendet <strong>die</strong> <strong>Kirchengeschichte</strong> für <strong>die</strong> Erforschung und<br />
Darstellung der Kirche im weiten Bereich ihrer historischen Ersche<strong>in</strong>ungsformen<br />
ohne E<strong>in</strong>schränkung <strong>die</strong> historisch-kritische Methode an, wie sie <strong>in</strong> der<br />
abendländischen Neuzeit, besonders im 17./18. Jahrhundert (verfe<strong>in</strong>ert ausgebaut<br />
im 19. Jahrhundert), entwickelt worden ist. Insofern unterscheidet sich <strong>die</strong><br />
Arbeitsweise <strong>in</strong>nerhalb der <strong>Kirchengeschichte</strong> nicht von der Methode der allgeme<strong>in</strong>en<br />
Geschichtswissenschaft ("Profangeschichte"). Ausgangspunkt s<strong>in</strong>d dabei <strong>die</strong><br />
jeweiligen Quellen, <strong>die</strong> von empirisch faßbaren Tatsachen Kunde geben, deren<br />
Verständnis aber aufzubereiten ist: Es ist <strong>die</strong>s <strong>die</strong> Kunst und Lehre vom Verstehen,<br />
<strong>die</strong> Theorie und Methode der Interpretation oder Auslegung, <strong>die</strong> Hermeneutik<br />
(griechisch hermeneía = Fähigkeit, sich auszudrücken, Auslegung, Erklärung,<br />
Verdolmetschung). Die historische Methode stellt zwar ke<strong>in</strong>e formale Methodenlehre<br />
dar, wohl aber ist sie, vor allem <strong>in</strong> den Geisteswissenschaften (im Unterschied zu<br />
den Naturwissenschaften), das allgeme<strong>in</strong>e Erkenntnispr<strong>in</strong>zip, das "deutende<br />
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Prälim<strong>in</strong>arien<br />
Verstehen" historischer Entwicklungen, wie es Johann Gustav Droysen (1808-1886)<br />
als Selbstreflexion der Geschichtswissenschaft klassisch formuliert hat (Historik.<br />
Vorlesungen über Enzyklopä<strong>die</strong> und Methodologie der Geschichte, München 5 1987).<br />
Durch äußere und <strong>in</strong>nere Quellenkritik, das heißt <strong>in</strong> kritischer Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />
mit dem zuvor "gefundenen" und gesammelten gedruckten und ungedruckten<br />
Quellenmaterial - <strong>die</strong>se Vorgänge bezeichnet man als Heuristik (Quellenf<strong>in</strong>dung) -<br />
ermittelt, erschließt, analysiert und <strong>in</strong>terpretiert <strong>die</strong> Geschichtswissenschaft unter<br />
Beiziehung ihrer "Hilfswissenschaften" ("Historische Hilfswissenschaften")<br />
geschichtliche Tatsachen und Geschichtsabläufe <strong>in</strong> ihrem Werden, ihren<br />
Zusammenhängen und Wirkungen. Heuristik, Kritik und Interpretation s<strong>in</strong>d demnach<br />
<strong>die</strong> Bestandteile e<strong>in</strong>er "Methodik der Geisteswissenschaften", e<strong>in</strong>er Lehre auch vom<br />
methodischen Vorgehen (Methodologie) historischer Forschung.<br />
In der historisch-kritischen Arbeit <strong>die</strong>nen der <strong>Kirchengeschichte</strong> als "Historische<br />
Hilfswissenschaften": Schriftkunde (Paläographie), Inschriftenkunde (Epigraphik) und<br />
Papyrologie, Buch- und Bibliothekswesen, Urkundenlehre (Diplomatik) und<br />
Archivwesen, Münzkunde (Numismatik) und Geldgeschichte, Siegelkunde<br />
(Sphragistik), Wappenkunde (Heraldik), Symbol- und Insignienkunde, historische<br />
Personenforschung, Genealogie (griechisch = Stammtafel) und Prosopographie<br />
(griechisch = Personengeschichte), Philologie und Altertumskunde, historische<br />
Geographie und Statistik sowie Zeitrechnungslehre (Chronologie, von griechisch<br />
chrónos = Zeit); <strong>die</strong> historische Chronologie behandelt <strong>die</strong> Geschichte der<br />
Zeite<strong>in</strong>teilung und Zeitrechnung.<br />
Zeitrechnung und <strong>Kirchengeschichte</strong><br />
Die für <strong>die</strong> <strong>Kirchengeschichte</strong> wichtigsten Zeitrechnungen s<strong>in</strong>d: Die Rechnung nach<br />
dem traditionellen Jahr der Gründung Roms (753 vor Christus) und nach römischen<br />
Konsulats- und Postkonsulatsjahren; der Cyclus Indictionum, e<strong>in</strong> Zyklus von je 15<br />
Jahren, der seit Kaiser Diokletian im Jahr 297 bis <strong>in</strong>s 16. Jahrhundert h<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />
gebraucht wurde; <strong>die</strong> Weltära, gerechnet von der Erschaffung der Welt an und <strong>in</strong><br />
verschiedenen Formen üblich (byzant<strong>in</strong>isch: Anfang 5509 vor Christus, <strong>in</strong> Rußland<br />
bis auf Kaiser Peter den Großen 1700, bei Griechen, Serben und Rumänen bis <strong>in</strong>s<br />
19. Jahrhundert <strong>in</strong> Gebrauch; alexandr<strong>in</strong>isch: Anfang 5492 vor Christus; jüdisch:<br />
Anfang 3761 vor Christus). Die christliche Zeitrechnung geht zurück auf den<br />
gelehrten Mönch Dionysius Exiguus († nach 550 <strong>in</strong> Rom), der <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Ostertafel ab<br />
532 <strong>die</strong> Jahre nicht mehr mit Kaiser Diokletian, sondern mit der Geburt Christi<br />
beg<strong>in</strong>nen ließ, <strong>die</strong> er mit 754 "ab urbe condita" (seit Gründung der Stadt Rom) etwa<br />
sechs bis sieben Jahre zu spät ansetzte. Erst Jahrhunderte später kam <strong>die</strong>se<br />
Jahreszählung <strong>in</strong> der Christenheit allgeme<strong>in</strong> zur Geltung. Auch <strong>die</strong> lange<br />
bestehenden Unsicherheiten im H<strong>in</strong>blick auf den Osterterm<strong>in</strong> wurden durch <strong>die</strong><br />
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Ostertafel des Dionysius Exiguus beigelegt (e<strong>in</strong>e Ostertafel, late<strong>in</strong>isch tabula<br />
paschalis, auch Osterkanon, gibt <strong>in</strong> Tabellenform den beweglichen Osterterm<strong>in</strong> an).<br />
Schon <strong>in</strong> frühchristlicher Zeit war es um den Term<strong>in</strong> des Osterfestes zum Steit<br />
gekommen zwischen kle<strong>in</strong>asiatischen, syrischen und judenchristlichen Geme<strong>in</strong>den,<br />
<strong>die</strong> am jüdischen Passah-Term<strong>in</strong> (14. Nisan, von daher Quartodecimaner genannt)<br />
festhielten, und der römisch-heidenchristlichen Geme<strong>in</strong>de, <strong>die</strong> Ostern am Sonntag<br />
nach dem jüdischen Passah feierte. Der unter Papst Viktor I. (189?-198?) verschärfte<br />
Osterfeststreit wurde durch das Konzil von Nizäa (325) zugunsten Roms<br />
entschieden. Seit Dionysius Exiguus' Ostertafel wird Ostern am Sonntag nach dem<br />
ersten Frühl<strong>in</strong>gsvollmond gefeiert.<br />
Wie <strong>die</strong> Jahresrechnung war auch <strong>die</strong> Datierung des Jahresanfangs lange<br />
verschieden (1. Januar; 1. März; 1. September; Weihnachten; Mariä Verkündigung,<br />
25. März); erst seit dem 16. Jahrhundert wurde der 1. Januar allgeme<strong>in</strong> als<br />
Jahresanfang üblich. In der Berechnung der Jahresdauer galt bis dah<strong>in</strong> <strong>die</strong><br />
Festlegung durch C. Julius Caesar (100-44 vor Christus). Papst Gregor XIII. (1572-<br />
1585) führte im Jahr 1582 den bis heute üblichen Kalender e<strong>in</strong>, mit dem <strong>die</strong> Länge<br />
des Jahres (Ausgangspunkt der Jahreszählung ist Christi Geburt, "nach Christus")<br />
auf 365,2425 mittlere Sonnentage festgelegt wurde. Diese Kalenderreform korrigierte<br />
den "Julianischen Kalender" Caesars, der aufgrund se<strong>in</strong>er Schaltregel <strong>die</strong><br />
Jahreslänge auf 365,25 mittlere Sonnentage berechnete. Weil <strong>die</strong>ses feste<br />
Julianische (Sonnen-) Jahr um 0,0076 Bruchteile länger als das tropische<br />
Sonnenjahr ist, war es bis zum Ende des 16. Jahrhunderts zu e<strong>in</strong>er Verschiebung<br />
des Jahresbeg<strong>in</strong>ns um zehn Tage gekommen.<br />
Mit dem "Gregorianischen Kalender" wurde <strong>die</strong>se Differenz gegenüber dem<br />
tropischen Sonnenjahr durch den Ausfall von zehn Tagen aufgehoben, <strong>in</strong>dem man<br />
auf den 4. Oktober den 15. Oktober 1582 folgen ließ. Zudem wurde der jährliche<br />
Frühl<strong>in</strong>gsanfang auf den 21. März gelegt und <strong>in</strong> der Schaltregel bestimmt, daß alle<br />
400 Jahre drei Schalttage auszufallen haben, nämlich <strong>die</strong> nicht durch 400 teilbaren<br />
Säkularjahre, also 1700, 1800, 1900, <strong>die</strong> ke<strong>in</strong>e Schaltjahre waren, woh<strong>in</strong>gegen das<br />
Jahr 2000 e<strong>in</strong> Schaltjahr ist. Damit waren <strong>die</strong> Abweichungen gegenüber dem<br />
tropischen Sonnenjahr verr<strong>in</strong>gert worden; der verbleibende Fehlerrest wird erst <strong>in</strong><br />
3333 Jahren genau e<strong>in</strong>en Tag ausmachen. Zur E<strong>in</strong>führung des Gregorianischen<br />
Kalenders und damit der Datierungen "nach neuem Stil" (late<strong>in</strong>isch stilus novus/novi<br />
calendarii) im Gegensatz zum "alten Stil" (late<strong>in</strong>isch stilus vetus/antiquus) des<br />
Julianischen Kalenders kam es im evangelischen Deutschland und <strong>in</strong> den Ländern<br />
Skand<strong>in</strong>aviens erst 1700, <strong>in</strong> England 1752, <strong>in</strong> den orthodoxen Ländern Ostmittel- und<br />
Südosteuropas erst am Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrhunderts (<strong>in</strong> Rußland 1918), woh<strong>in</strong>gegen<br />
<strong>die</strong> meisten orthodoxen und unierten Ostkirchen (für das Kirchenjahr) weiter nach<br />
dem Julianischen Kalender rechnen, so daß hier das Weihnachtsfest gegenwärtig<br />
auf den 6./7. Januar fällt.<br />
Aus: Manfred Heim, E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Kirchengeschichte</strong> (C.H. Beck Studium), München 2000, 2 2008,<br />
S. 9-16.<br />
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