Arbeitsrecht
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<strong>Arbeitsrecht</strong><br />
Das Thema „Mobbing“ in der Rechtsprechung<br />
Dr. Susanne Adlberger<br />
E-Mail: Adlberger@klsal.de<br />
1. Hintergrund<br />
Das Thema Mobbing hat in den letzten Jahren zunehmend<br />
an Bedeutung gewonnen und beschäftigt<br />
vermehrt nun auch die Rechtsprechung auf der Ebene<br />
des BGH und diverser Oberlandesgerichte. Die<br />
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin<br />
(BAuA) hat vor einigen Jahren eine Studie dazu in<br />
Auftrag gegeben. Die Studie ergab, dass 2,7% der<br />
Befragten im Befragungszeitpunkt gemobbt wurden,<br />
wobei das Risiko für Mobbing für Frauen um 75%<br />
höher lag als bei Männern und insgesamt besonders<br />
gefährdet die Altersgruppe der unter 25-jährigen war.<br />
Mobbing hat weit reichende Konsequenzen für das<br />
Opfer, die sich sowohl im beruflichen als auch im privaten<br />
Bereich auswirken, und die von gesundheitlichen<br />
Beeinträchtigungen bis hin zum Suizid reichen. Betroffen<br />
ist aber nicht nur das Opfer selbst, auch das<br />
Betriebsklima leidet, die Produktivität nimmt ab und<br />
die Krankheitszeiten nehmen zu; ein Zustand, der keinesfalls<br />
im Interesse des Arbeitgebers ist und ihn im<br />
Übrigen Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen<br />
aussetzen kann.<br />
Mobbing ist zunächst kein juristischer Terminus, sondern<br />
ein aus dem Amerikanischen übernommener<br />
Begriff, der zwar eher ungenau, aber doch allgemein<br />
verständlich persönlichkeitsrechts- und arbeitsrechtsverletzende<br />
Situationen am Arbeitsplatz beschreibt.<br />
Die Ausformungen des Mobbings sind mannigfaltig.<br />
Sie reichen von z. B. Verweigerung der üblichen Höflichkeitsformen,<br />
falschen Anschuldigungen, übermäßiger<br />
Kritik bis hin zur offenen Diskriminierung und<br />
Schikane. In zwei aktuellen Entscheidungen (Urteil<br />
vom 16.05.2007, Aktenzeichen: 8 AZR 709/06<br />
und Urteil vom 25.10.2007, Aktenzeichen: 8 AZR<br />
596/06) hatte sich das Bundesarbeitsgericht (BAG)<br />
mit dem Thema Mobbing zu beschäftigen und nahm<br />
dabei auch zu einigen grundlegenden Fragen Stellung.<br />
2. Inhalt der Entscheidungen<br />
Im ersten Verfahren vor dem BAG hatte ein Diplom-<br />
Ingenieur vorgetragen, im Laufe seiner seit 1987<br />
währenden Beschäftigung in vielfältiger Weise systematischen<br />
„Mobbing“-Handlungen ausgesetzt gewesen<br />
und aufgrund dessen psychisch bedingt arbeitsunfähig<br />
erkrankt zu sein. Mit der Klage gegen seinen<br />
Arbeitgeber machte er Ansprüche auf Schadensersatz,<br />
Schmerzensgeld und Entschädigung wegen<br />
Persönlichkeitsrechtsverletzungen geltend. Die Vorinstanzen<br />
hatten die Klage abgewiesen aufgrund einer<br />
arbeitsvertraglich in Bezug genommenen tariflichen<br />
Ausschlussfrist, die vom Kläger bei der Geltendmachung<br />
seiner Ansprüche nicht beachtet wurde. Das<br />
BAG hat das vorinstanzliche Urteil aufgehoben und<br />
den Rechtsstreit zu weiteren Sachverhaltsaufklärung<br />
an das Landesarbeitsgericht (LAG) zurückverwiesen.<br />
Das BAG führt in seinem Urteil aus, dass vertraglich<br />
vereinbarte Ausschlussfristen grundsätzlich auch für<br />
Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche gelten<br />
und damit auch für Ansprüche aus mobbingbedingten<br />
Verletzungshandlungen. Dabei seien aber die Besonderheiten<br />
des Mobbings zu beachten.<br />
Die Rechtsprechung definiert Mobbing u. a. als fortgesetzte,<br />
aufeinander aufbauende oder ineinander<br />
übergreifende, der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung<br />
dienende Verhaltensweisen, die nach ihrer<br />
Art und ihrem Ablauf im Regelfalle einer übergeordneten<br />
Zielsetzung förderlich sind und jedenfalls in ihrer<br />
Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht,<br />
die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen.<br />
Rechtlich muss daher eine Gesamtschau erfolgen,<br />
ob einzelne Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts<br />
ein übergreifendes systematisches Vorgehen<br />
darstellen. Ein solches Gesamtverhalten ist dann<br />
als nur eine Verletzungshandlung zu qualifizieren. Ge-<br />
KLSAL Rechtsanwälte | Recht Aktuell 4/2007<br />
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<strong>Arbeitsrecht</strong><br />
mäß dem BAG beginnt die Ausschlussfrist daher nicht<br />
mit Abschluss jeder einzelnen Mobbinghandlung,<br />
sondern regelmäßig erst mit Abschluss der zeitlich<br />
letzten vorgetragenen Mobbinghandlung, so dass die<br />
Geltendmachung der Ansprüche im vorliegenden Fall<br />
noch rechtzeitig war.<br />
Für die Beurteilung der Ansprüche des Klägers gegen<br />
seinen Arbeitgeber selbst stellt das BAG dann noch<br />
einige vom LAG bei seiner neuen Entscheidung zu berücksichtigende<br />
wichtige Grundsätze auf:<br />
Das BAG bejaht grundsätzlich eine Pflicht des Arbeitgebers,<br />
den Arbeitnehmer vor Eingriffen in dessen<br />
Persönlichkeitsrecht oder Gesundheit zu schützen.<br />
Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht durch die<br />
Organe des Arbeitgebers oder durch Vorgesetzte und<br />
andere Angestellte als zurechenbare Erfüllungsgehilfen<br />
kann zu Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen<br />
führen. Diese Schutzpflicht erfordert nach<br />
Ansicht des BAG aber grundsätzlich nicht, dass der<br />
Arbeitgeber bei Meinungsverschiedenheiten zwischen<br />
Arbeitnehmern und Vorgesetzten über Sachfragen wie<br />
Beurteilungen, Inhalt des Weisungsrechts, Bewertung<br />
von Arbeitsergebnissen eingreift. Dies gilt auch dann,<br />
wenn der Ton der Auseinandersetzung die Ebene der<br />
Sachlichkeit im Einzelfall verlassen sollte, jedoch Anhaltspunkte<br />
dafür, dass die Meinungsverschiedenheit<br />
über das im Arbeitsleben sozial Übliche hinausgeht,<br />
nicht vorliegen. Regelmäßig erfüllen auch das Direktionsrecht<br />
überschreitende Weisungen, denen jedoch<br />
sachlich nachvollziehbare Erwägungen des Arbeitgebers<br />
zugrunde liegen, nicht die Tatbestandsvoraussetzungen.<br />
Reine Reaktionen von Vorgesetzten auf<br />
Provokationen durch den vermeintlich gemobbten<br />
Arbeitnehmer sind ebenso nicht einzubeziehen, ihnen<br />
mangelt es an der erforderlichen sog. Täter-Opfer-<br />
Konstellation. Die notwendige systematische Komponente<br />
fehlt z. B. bei längeren Zeiträumen zwischen<br />
den einzelnen Verhaltensweisen oder bei Handlungen<br />
nicht zusammenwirkender bzw. zeitlich aufeinander<br />
folgender Vorgesetzter.<br />
Hinsichtlich der Beweislast tritt das BAG einigen abweichenden<br />
landesgerichtlichen Rechtsprechungstendenzen<br />
entgegen, und hält an den allgemeinen Grundsätzen<br />
der Beweislast fest. Dies bedeutet, dass der<br />
Arbeitnehmer als Anspruchssteller, die Pflichtverletzung<br />
und deren Kausalität für die Rechtsgutverletzung<br />
beweisen muss. Geht es um Erkrankungen, die<br />
im engen zeitlichen Zusammenhang mit feststehenden<br />
Persönlichkeitsverletzungen beim betroffenen Arbeitnehmer<br />
auftreten, so spricht nach Ansicht des BAG<br />
aber zumindest ein starkes Indiz für den kausalen Zusammenhang.<br />
Mit dem zweiten, noch nicht vollständig veröffentlichten<br />
Urteil stützt das BAG seine Rechtsprechung zur<br />
Arbeitgeberverantwortung bei Mobbing. In diesem<br />
Verfahren hatte ein Oberarzt, der vortrug, durch den<br />
Chefarzt seiner Abteilung in seiner fachlichen Qualifikation<br />
herabgesetzt worden und infolgedessen psychisch<br />
erkrankt zu sein, u. a. Schmerzensgeld gegen<br />
seinen Arbeitgeber geltend gemacht. Die Vorinstanz<br />
hatte zwar „mobbingtypische Verhaltensweisen“ festgestellt,<br />
den Anspruch aber daran scheitern lassen,<br />
dass der Chefarzt nicht habe erkennen können, dass<br />
der Kläger wegen der Auseinandersetzungen psychisch<br />
erkranken werde.<br />
Auch hier hat das BAG das Urteil aufgehoben und die<br />
Klage an das LAG zur Bestimmung der Schmerzensgeldhöhe<br />
zurückverwiesen. Das BAG stellt fest, dass<br />
die Beklagte als Arbeitgeberin, für die schuldhafte<br />
Herbeiführung der psychischen Erkrankung durch den<br />
Chefarzt einstehen müsse, da ihr dieser als Erfüllungsgehilfe<br />
zuzurechnen sei. Offen und vom LAG noch zu<br />
prüfen, ist nach Ansicht des BAG darüber hinaus, ob<br />
nicht auch Ansprüche gegen die Beklagte unmittelbar<br />
bestehen wegen Verletzung ihrer eigenen Pflicht,<br />
den Arbeitnehmer vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen<br />
am Arbeitsplatz zu schützen.<br />
3. Fazit<br />
Die beiden Entscheidungen entsprechen dem Bestreben<br />
der Rechtsprechung, eine klare Linie zu schaffen<br />
und die rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen in dem<br />
ausufernden Themenkreis Mobbing zu konkretisieren.<br />
Arbeitgebern ist schon aufgrund ihrer Schutzpflichten<br />
und damit verbundener Haftungstatbestände anzuraten,<br />
Mobbingbeschwerden von Arbeitnehmern ernst<br />
zu nehmen und den Vorwürfen nachzugehen. Betroffene<br />
Arbeitnehmer sollten wegen der relativ hohen<br />
Anforderungen an die Darlegung und den Nachweis<br />
der einzelnen Verletzungshandlungen und ihrer Auswirkungen<br />
genaue Aufzeichnungen führen. In jedem<br />
Falle sollten sie sich aber frühzeitig dem Arbeitgeber<br />
anvertrauen und um Abhilfe nachsuchen. Nur wenn<br />
der Arbeitgeber Bescheid weiß, können Maßnahmen<br />
wie Personalgespräche, Abmahnung, Versetzung und<br />
in letzter Konsequenz eine verhaltensbedingte Kündigung<br />
gegen den mobbenden Vorgesetzten oder Mitarbeiter<br />
getroffen werden.<br />
KLSAL Rechtsanwälte | Recht Aktuell 4/2007<br />
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