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Eulenspiegel Zur Leipziger Buchmesse mit Literatur-Eule (Vorschau)

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DAS SATIREMAGAZIN<br />

Unbestechlich, aber käuflich!<br />

4/14 · € 3,20 · SFR 5,00<br />

www.eulenspiegel-zeitschrift.de<br />

60./68. Jahrgang • ISSN 0423-5975 86514<br />

Auf Augenhöhe:<br />

Vertrauen<br />

wiederhergestellt!<br />

<strong>Zur</strong> <strong>Leipziger</strong> <strong>Buchmesse</strong>:<br />

40 Seiten <strong>Literatur</strong>-<strong>Eule</strong>


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Zeit im Bild<br />

EULENSPIEGEL 4/14 3<br />

Reiner Schwalme


Inhalt<br />

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Titel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arno Funke<br />

3 Zeit im Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reiner Schwalme<br />

7 Haus<strong>mit</strong>teilung<br />

8 Leserpost<br />

10 Modernes Leben<br />

12 Zeitansagen<br />

17 Deutsches Blut und deutscher Samen . . . . . Mathias Wedel / Guido Sieber<br />

20 Zeitgeist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beck<br />

22 Unsere Besten: Nicht von dieser Welt –<br />

Helene Fischer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Felice von Senkbeil / Frank Hoppmann<br />

24 Praxisgebühr wird wieder eingeführt . . . . . . . . . . . . . Michael-André Werner<br />

25 Tugendterror – der Bildband . . . . . . . . . . . . . . . . . Füller / Koristka / Garling<br />

Martin Perscheid ist seit „Angeber<br />

der Karibik“ nicht untätig gewesen<br />

und lässt nun 1888 neue Cartoons<br />

auf die Leser-gemeinde emeinde los,<br />

schließlich blieben ben beim letzten<br />

Werk viele Fragen ungeklärt:<br />

Was reimt sich auf mega?<br />

Darf man Cartoons über Blinde<br />

machen? Wie gefährlich ist der<br />

Erdkern? Darf man Nazis überfahren?<br />

Über die wichtigste Frage hingegen sollten Sie<br />

als Leser selbst entscheiden: Wollten Sie die Katze am Stück?<br />

Martin Perscheid: Ich würde sie ja anzeigen, aber ich seh‘ nix!<br />

144 farbige Seiten · € 9,95 (D) · ISBN 978-3-8303-3354-8<br />

3-3354-8<br />

Meisterhafte Grafik, skurrile Pointen<br />

Ein Klassiker der Cartoonkunst!<br />

Matthias<br />

Sodtke,<br />

,<br />

hat <strong>mit</strong> seinem Titelcartoon<br />

Geschichte geschrieben.<br />

Kaum ein anderes es Blatt<br />

erzeugte so viele e Lacher<br />

und Nachahmer! h<br />

Er hat nie<br />

aufgehört Cartoons o zu zeich-<br />

nen, sie sind schräg, skurril<br />

und grafisch meisterhaft auf<br />

gutes Papier gebracht.<br />

Matthias Sodtke:<br />

Ja, leck mich doch am Arsch!<br />

Is das nich meine e alte Benimmlehrerin?<br />

96 farbige Seiten · € 19,95 (D) · ISBN 978-3-8303-3343-23-3343-2<br />

www.lappan.de<br />

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Viel Spaß auch auf<br />

30 Grün, grün, grün sind<br />

alle meine Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhard Ulbrich / Reiner Schwalme<br />

32 Da brennt schon mal was an . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Valentin Schark<br />

34 Unsere Lieder, unser Leben: Der Donnerbalken<br />

36 Fremde Länder: Die Schwyz<br />

Nebelspalter: Selbsthass ist keine Lösung. . . . . . . . . . . . . Roland Schäfli<br />

Der Dichtestress . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Kech<br />

Artenvielfalt: Das Schweizer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cathleen Held<br />

40 Zum Stehlen geschaffen, zum Klauen bestellt . . . . . . . . . . . . . . Peter Köhler<br />

42 Wahn & Sinn<br />

44 Kinder, die sich kümmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Felice von Senkbeil<br />

45 Leute heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerhard Glück<br />

46 Tödliche Gene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gregor Füller / Hannes Richert<br />

48 Im gelben Elend auf einem Bein . . . . . Felice von Senkbeil / Peter Muzeniek<br />

50 Kino: Zwischen Afghanistan und Altona . . . . . . . . . . Renate Holland-Moritz<br />

51 Lebenshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Martin Zak<br />

52 Funzel: Kunstskandal noch größer<br />

54 Wohnst du noch oder regierst du schon?. . . . . Weidner / Füller / Koristka<br />

58 Augen auf beim Uranstabwechsel! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Beuter<br />

59 Futter bei die Füchse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kriki<br />

60 Schwarz auf Weiß<br />

63 Vorsicht, Hirnfieber! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Schüler<br />

64 Fehlanzeiger<br />

66 Rätsel / Leser machen <strong>mit</strong> / Meisterwerke<br />

68 Impressum / ... und tschüs!<br />

69 Großes <strong>Literatur</strong>special zur <strong>Leipziger</strong> <strong>Buchmesse</strong><br />

Kleine und große Verlage, Autoren und Anzeigen<br />

4 EULENSPIEGEL 4/14


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Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

Haus <strong>mit</strong>teilung<br />

ein Team von Archäologen, so war es gerade in einem eigentlich renommierten<br />

Wissenschaftsmagazin zu lesen, hat angeblich bei Grabungen in der chinesischen<br />

Wüste den ältesten Käse der Welt entdeckt. Da muss ich entschieden<br />

widersprechen: Den ältesten Käse der Welt gibt es natürlich Monat für<br />

Monat exklusiv hier bei uns im Heft! Dafür stehe ich <strong>mit</strong> meinem guten Namen.<br />

★<br />

Mit leichtem Befremden nahm die Öffentlichkeit vor kurzem zur Kenntnis,<br />

dass Ursula von der Leyen im Verteidigungsministerium zu übernachten<br />

pflegt. Die weit verbreitete Ansicht, es handele sich dabei um den Versuch,<br />

die Miete für eine richtige Wohnung zu sparen, teile ich allerdings nicht.<br />

Meine Vermutung ist vielmehr, dass diese Räumlichkeiten ihr das passende<br />

Ambiente bieten, um den dringend benötigten Nachwuchs für die Bundeswehr<br />

zu zeugen, den sie dann in 18 Jahren als Bundeskanzlerin in den von<br />

ihr begonnenen Dritten Weltkrieg schicken kann. Absurd? Keineswegs – die<br />

Dame denkt bekanntlich immer mindestens zwei Schritte voraus, wie sicherlich<br />

auch unser Beitrag auf Seite 54 konstatieren wird.<br />

Ich selbst übernachte ja höchst selten am Arbeitsplatz. Genauer gesagt: Es<br />

ist bisher exakt dreimal vorgekommen, und zwar aus völlig unterschiedlichen<br />

Gründen. Beim ersten Mal wollte ich herausfinden, wer immer heimlich die<br />

brüllend komischen Titelblätter, die wir uns in der Redaktionskonferenz regelmäßig<br />

ausdenken, durch diese müden Witzchen ersetzt, die dann am Kiosk<br />

ankommen. Leider habe ich den Übeltäter nicht erwischt, wie Sie ja sicher<br />

nur allzu gut wissen. Beim zweiten Mal konnte ich nicht zu Hause schlafen,<br />

weil dort mein kleines Kind vor Hunger so laut geschrien hat (meine Frau lag<br />

gerade im Krankenhaus und hatte vorher nicht genug Essen zubereitet). Tja,<br />

und beim dritten Mal ging es um eine Wette: Unser Grafiker hatte behauptet,<br />

im Redaktionskühlschrank würde auch nachts das Licht brennen, was ich<br />

nicht glauben wollte – eine derartige Energieverschwendung konnte ich mir<br />

bei einem solch modernen Gerät beim besten Willen nicht vorstellen! Er<br />

hatte dann aber leider recht, worauf ich ihn natürlich sofort entlassen und<br />

durch einen willfährigeren Kollegen ersetzt habe.<br />

★<br />

+++ 11:30 Uhr Eilmeldung: Der EULENSPIEGEL-Chefredakteur hat sich soeben<br />

an seinen Schreibtisch gesetzt, um die Haus<strong>mit</strong>teilung fertig zu schreiben.<br />

+++ 11:35 Uhr: Der Autor sitzt seit fünf Minuten bewegungslos am Tisch und<br />

stiert geradeaus. +++ 11:50 Uhr: Es scheint weiterhin keine zündende Idee in<br />

Sicht. +++ 12:50 Uhr: Inzwischen sind anderthalb Flaschen Rotkäppchen getrunken<br />

worden, allerdings ohne sichtbaren Erfolg. +++ 13:10 Uhr: Er denkt<br />

sichtbar angestrengt nach, erste Schweißperlen bilden sich auf der fliehenden<br />

Denkerstirn. +++ 13:30 Uhr: Der Künstler hat sich bewegt! Seine Hand<br />

hebt sich, nähert sich langsam der Tastatur – und verscheucht eine Fliege.<br />

Entwarnung! +++ 13:55 Uhr: Der berühmte Top-Journalist hat sich soeben<br />

ausgiebig am Gesäß gekratzt. +++ 16:30 Uhr/Breaking News: Jetzt greift er<br />

aber wirklich zur Tastatur! Buchstaben fließen auf den Bildschirm!!! Welche<br />

geniale Idee werden wir gleich hier lesen können? +++ 16:35 Uhr: Und da ist<br />

der Text auch schon fertig:<br />

Mehr zum Thema Eilmeldung lesen Sie auf Seite 58.<br />

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»WIR HABEN<br />

SIE ENTFÜHRT,<br />

HERR JAUCH.«<br />

288 Seiten ∙ € 8,99 [D]<br />

ISBN 978-3-453-41063-3<br />

Auch als E-Book und Hörbuch<br />

Bei »Wer wird Millionär?« kann Paul immer alle Fragen<br />

beantworten. Aber als es soweit ist und er tatsächlich in<br />

der Auswahlrunde dabei ist, versagen ihm die Nerven –<br />

und es ist Zeit, einen anderen furchtbar genialen Plan in<br />

die Tat umzusetzen. Schräger Humor vom preisgekrönten<br />

Poetry Slammer Christian Ritter.<br />

Mit Grüßen in Echtzeit<br />

Chefredakteur<br />

Am 16. April sollte und wollte Horst Schrade 90 werden. Bis zu seiner Rente,<br />

hat er über 3 000 Zeichnungen für den EULENSPIEGEL geschaffen.<br />

Er war gerade dabei, sein Werk für eine Ausstellung aufzubereiten, das Werk<br />

eines, wie er gerne betonte, »diplomierten Pressezeichners«. Ein Blatt von<br />

ihm ist in der Redaktion noch eingegangen. Nun kommt keins mehr. HWT<br />

EULENSPIEGEL 4/14 7<br />

Leseprobe und Infos zu den Veranstaltungen auf heyne.de<br />

© Anna Katharina Besserer


www.eulenspiegel-zeitschrift.de<br />

60./68. Jahrgang • ISSN 0423-5975 86514<br />

Jetzt neu in der Minibibliothek<br />

Je 128 Seiten, 6,2 x 9,5 cm, durchg. farbig, gebunden<br />

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Zum Titel<br />

DAS SATIREMAGAZIN<br />

3/14 · € 3,20 · SFR 5,00<br />

Unbestechlich, aber käuflich!<br />

Mit Arno Funke habt Ihr<br />

ohne Zweifel den »Rembrandt«<br />

unter den Zeichnern in<br />

Euren Reihen. Herrlich skurril<br />

und da<strong>mit</strong> ein »Karl Valentin«<br />

der Zeichner ist hingegen<br />

ZAK.<br />

Volker Markgraf, Nobitz<br />

Und zu unserem »Michelangelo des<br />

Comic« sagen Sie gar nichts?<br />

Noch mehr Essen von der Wiese<br />

ISBN 978-3-89798-450-9<br />

Feines Dinkelgebäck<br />

ISBN 978-3-89798-449-3<br />

Bauernweisheiten durchs Jahr<br />

ISBN 978-3-89798-451-6<br />

Salbei<br />

ISBN 978-3-89798-448-6<br />

Pasta vegetarisch<br />

ISBN 978-3-89798-452-3<br />

Das Thomaner-Büchlein<br />

ISBN 978-3-89798-453-0<br />

www.buchverlag-fuer-die-frau.de<br />

Der<br />

Kampfauftrag<br />

Seite 20<br />

Titel ist wieder große Klasse!<br />

Freuen kann sich darüber sicher<br />

auch Herr Gauck. Ist doch da<strong>mit</strong><br />

allem Anschein nach bestens<br />

für den Nachwuchs und dessen<br />

Ausbildung zur Verteidigung der<br />

Freiheit auf dieser Welt gesorgt.<br />

Bernhard Wand, Apolda<br />

Das möchte sein!<br />

Mir läuft es kalt den Rücken hinunter!<br />

Wohl erstmalig, aber<br />

sicher einmalig, dass eine Frau unter<br />

»Ja, <strong>mit</strong> Gottes Hilfe!« zur<br />

Kriegsministerin ernannt wurde.<br />

Möge Gott ihr den Missbrauch seines<br />

Namens verzeihen, wenn sie<br />

schließlich als »von der Leychen«<br />

in die Geschichte eingehen wird.<br />

Dr. Hans Weigel, Mühlhausen<br />

In der Wortspiel-Hölle ist mal<br />

wieder der Teufel los!<br />

Chapeau, gleich zwei köstliche<br />

Meisterwerke Ihres exkriminellen<br />

Westimportes in einem Heft (Titel<br />

und Alice im Wonderbra). Die<br />

nächste Preiserhöhung der EULE<br />

sei bereits jetzt verziehen.<br />

Dr. Peter-M. Schroeder, Brück<br />

Bitte um Geduld.<br />

Die Uschi auf der Titelseite ist<br />

ja schon Spitze, aber die Trulla<br />

von Seite 11 ist sensationell.<br />

Da kann man ja froh sein, dass<br />

Inge Meisel keine Steuern<br />

hinterzogen hat.<br />

Uwe Jentzsch, Altenburg<br />

Ist verjährt.<br />

Mit dem Titelbild direkt aus<br />

dem Herzen Afrikas konntet<br />

Ihr mich absolut von der Familienfreundlichkeit<br />

unserer Bundeswehr<br />

und der Notwendigkeit aller noch<br />

kommenden Bundeswehreinsätze<br />

überzeugen.<br />

Roland Lattermann, Neunhofen<br />

Na, bitte!<br />

Zu: Zeitansagen<br />

Habe selten so gelacht wie<br />

beim Aufschlagen der Seite 11.<br />

Knut Schneider, Meiningen<br />

Eine Seite aufschlagen – das bietet<br />

Ihnen das Internet nicht.<br />

Zu: Zeit im Bild, »Soll er?«<br />

Haben Sie Mut, mein Herr,<br />

und wagen Sie diesen Schritt<br />

nach vorn. Es ist zwar nur ein<br />

kleiner, aber ein großer in die<br />

richtige Richtung. Allerdings<br />

können Sie auch zurücktreten.<br />

Dietrich Schönweiß , Plauen<br />

Abstimmen sollten Sie –<br />

keinen Leserbrief schreiben!<br />

Zu: »Phantasie in Tarnfleckhose«<br />

Eigentlich müssen wir doch<br />

unserem begnadeten Bundespräsidenten<br />

dankbar sein, da<br />

wir aufgrund seiner Rede bald<br />

wieder die erste Strophe des<br />

Deutschlandliedes singen dürfen.<br />

Gottfried Dombrowski,<br />

Meerane<br />

Die hat uns noch gefehlt!<br />

Brillanter Beitrag von Mathias<br />

Wedel zu den Verrenkungen<br />

und Verwerfungen unserer staats -<br />

tragenden Vorturner, wenn es um<br />

Krieg (bzw. entsprechende Ersatzbezeichnungen)<br />

und diesbezüglich<br />

deutsche Befindlichkeiten geht.<br />

Zum Glück liegt die Intelligenzausstattung<br />

der EULE-Abonnenten im<br />

oberen Zehntel der Gesamtdeutschen.<br />

Horst Gläser, Pobershau<br />

Sind Sie sicher?<br />

Es wurde wieder der gekreuzigte<br />

Jesus gezeigt, also ein römischer<br />

Justizmord. So könnte zum<br />

Beispiel auch eine geöffnete Gaskammer<br />

oder ein Galgen <strong>mit</strong> Gehängtem<br />

gebracht werden. Aber so<br />

etwas gehört doch nicht in eine<br />

Zeitung für Satire und Humor!<br />

Auch Satire darf nicht alles!<br />

Werner Klopsteg, Berlin<br />

Jetzt fang Du nicht auch noch an,<br />

Werner!<br />

8 EULENSPIEGEL 4/14


Post<br />

Anzeige<br />

Da as ne<br />

ue<br />

Abente teuer<br />

beginnt<br />

jetz<br />

zt!<br />

Zu: Mittelseite, Keine Cola bei LIDL<br />

Ich verbitte mir, von Guido Sieber<br />

gezeichnet zu werden (der junge<br />

Mann rechts). Er hat sich schon<br />

einmal an mir vergriffen und mich<br />

gemalt, wie ich mir gerade an die<br />

Jogginghose fasse. Ich schicke<br />

euch meine Anwältin (links).<br />

Sven E. Sonntag,<br />

Berlin-Weiß ensee<br />

Oh, jetzt wird’s eng!<br />

Zu: »Es war doch mal wieder<br />

schlecht«<br />

Grundsatz in deutscher Regierungspolitik<br />

und angeschlossener<br />

veröffentlichter Meinung der<br />

BRD bleibt in Ewigkeit, auch wenn<br />

es jährlich Millionen Euro Steuergelder<br />

kostet: Die DDR konnte und<br />

darf nichts Gutes gehabt haben,<br />

weil ihr die Führung durch den<br />

Groß-Kapitalismus (Groß-Kannibalismus)<br />

des Dritten Reiches und<br />

des einzig rechtmäßigen Nachfolgestaates<br />

Bundesrepublik fehlte.<br />

Deren Ziel: Nie wieder einen verlorenen<br />

Weltkrieg! Mit Hilfe der USA<br />

gehört uns der Globus. Basta. Sieg<br />

Heil und Grüß Gott.<br />

Horst Schwarz, Teutschenthal<br />

Grüßt man bei Euch so?<br />

Zu: »Über sieben Eselsbrücken<br />

sollst du gehen«<br />

Ich wusste gar nicht, dass Kriki<br />

auch schreiben kann.<br />

Hildegard Nebel, Trier<br />

Wahrscheinlich sogar lesen –<br />

selten bei Cartoonisten!<br />

Zu: Zeichnung<br />

»Die Drei von der Tankstelle«<br />

Wenn sie nicht so traurig wären,<br />

könnte man über die<br />

Umstände in Deutschland lachen.<br />

Dieses Land ist das Beste, was es<br />

gibt, und es ist sehr reich. Ich<br />

schätze, wir werden bald wieder einen<br />

»Reichspräsidenten« haben.<br />

Lorenz Eyck per E-Mail<br />

Nee, der wurde ja vom Volk<br />

gewählt ...<br />

Zu: »Die Scham über den eigenen<br />

Penis«<br />

Den Text habe ich nicht gelesen,<br />

aber die Überschrift ist eine<br />

sexistische Sauerei weit unter der<br />

Gürtellinie! Penisse, Vaginas und<br />

dergleichen gehören nicht in eine<br />

Redaktion.<br />

Dr. Hans-Peter Olde, Flensburg<br />

... und sind an der Stechuhr<br />

abzugeben.<br />

Zu: »Voll Panne!«<br />

Lieber Herr Ulbrich, passen Sie<br />

auf, dass Sie nicht wegen<br />

Whistleblowing vor Gericht landen.<br />

Derartiges Detailwissen können<br />

doch nur Insider haben, oder?<br />

Johannes Döring per E-Mail<br />

Ulbrich ist »ausgestiegen« –<br />

genießt EULE-Asyl.<br />

Biete:<br />

EULENSPIEGEL-Jahrgänge,<br />

ungebunden, 1997, 1999, 2000,<br />

2001, 2002, 2003 vollständig,<br />

1995, 1996, 1998 fehlt je 1 Heft,<br />

A. Dube, E-Mail :<br />

papio@gmx.net<br />

EULENSPIEGEL 4/14 9


Modernes<br />

Leben<br />

Alff<br />

Ari Plikat<br />

Petra Kaster<br />

10 EULENSPIEGEL 4/14


George Riemann<br />

EULENSPIEGEL 4/14 11


Von unserem<br />

Hauptstadt-<br />

Korrespondenten<br />

Atze<br />

Svoboda<br />

Es ist eine Schande, …<br />

… dass immer die anderen in die Krisenregionen<br />

geschickt werden! Die<br />

Helden vom Majdan hatten eigentlich<br />

einen Korrespondenten verdient, in<br />

dem noch das Feuer von Stuttgart 21<br />

lodert! Und der sogar einen Stahl -<br />

helm und eine Gasmaske von seinem<br />

Opa besitzt. Ein Mann, der sich nicht<br />

zu fein ist, klaffende Gesichtswunden<br />

<strong>mit</strong> einem Schnipselchen Toilettenpapier<br />

zu stillen und der durch das<br />

Stahlbad des Bundespresseballs gegangen<br />

ist. Leider hatte ich Wichtigeres<br />

zu tun.<br />

Hätte ich vorher gewusst, wie uninspiriert<br />

die Kollegen auf den Balkonen<br />

ihrer Luxushotels agierten, ich<br />

hätte meinen Friseur-Termin glatt abgesagt.<br />

Sie standen da und sagten<br />

Sätze wie: »Es ist nicht klar, ob es sich<br />

um Schüsse oder illegale Osteuropa -<br />

böller handelt.« Heulsusen, eingepackt<br />

in Daunenjacken und <strong>mit</strong><br />

schlecht sitzender Föhnfrisur! Später<br />

sind sie dann vom Balkon ins Zimmer<br />

gegangen, haben die Vorhänge zugezogen<br />

und ihre schusssichere Weste<br />

in die Kamera gehalten. Da ist es uns<br />

natür lich eiskalt den Rücken heruntergelaufen.<br />

Wenn Sie die Ironie verstehen!<br />

Die Kollegen hätten lieber auf die<br />

Plätze gehen sollen, wo gestorben<br />

wurde für die Freiheit, die Demokratie<br />

und die EU-Regierung in Brüssel. Warum<br />

war denn keiner von den Reportern<br />

dort, wo das Grauen herrschte?<br />

Wo Mord, Totschlag und Kai Diek -<br />

mann sich ein schreckliches Stelldichein<br />

gaben? Es ist zwar immer leicht,<br />

jemanden aus der Ferne zu verur -<br />

teilen, aber diese Per formance, die<br />

ging ja mal gar nicht.<br />

Jetzt trauere ich ein wenig der<br />

verpass ten Gelegenheit nach. In den<br />

Berliner Redaktionsstuben wird<br />

schon gemunkelt, dass es einen Dritten<br />

Weltkrieg geben könnte. Wenn<br />

der Russe dann <strong>mit</strong> seinen Atomraketen<br />

ganz Europa und die Welt zerstört<br />

hat, wird man auch nie wieder<br />

aus der Ukraine berichten können.<br />

Ich werde mich doppelt ärgern.<br />

Antifa is watching you<br />

Wladimir Putin begründete die Entsendung<br />

russischer Truppen <strong>mit</strong><br />

den dort stattfindenden rechtsextremen<br />

und antise<strong>mit</strong>ischen Übergriffen.<br />

Die Äußerungen lösten in<br />

der ganzen Welt Besorgnis aus. Vor<br />

allem in Sach sen-Anhalt.<br />

Andreas Koristka<br />

Das große Schweigen<br />

US-Außenminister John Kerry droh -<br />

te Russland wegen der Krim-Krise<br />

<strong>mit</strong> einem G8-Ausschluss. Warum<br />

die Amerikaner sich nach ihrer Rol -<br />

le im Irak nicht selbst ausgeschlossen<br />

haben, verschwieg er aber lieber.<br />

Björn Brehe<br />

Wo bleibt der kleine Mann?<br />

Ukrainische Nationalisten <strong>mit</strong><br />

Sturm hauben, pro-russische Rus -<br />

sen <strong>mit</strong> Sturmgewehren, ehemalige<br />

Boxweltmeister <strong>mit</strong> ihren blonden<br />

Boxenludern – sie alle rangeln<br />

in Kiew und auf der Krim um die<br />

Macht. Es ist eine humanitäre Tragödie,<br />

dass ausgerechnet die Menschen<br />

von der Lösung der Ukraine-<br />

Frage ausgeschlossen werden, die<br />

am meisten betroffen sind: die<br />

Gaskunden im westlichen Eu ropa.<br />

Michael Kaiser<br />

Gute Antwort<br />

Die USA warnen Putin davor, in die<br />

Denkmuster des Kalten Krieges zu<br />

verfallen. Putin reagierte darauf<br />

<strong>mit</strong> Unverständnis: »Wieso kalt?«<br />

Erik Wenk<br />

Bernd Zeller<br />

12 EULENSPIEGEL 4/14


Ein bisschen Spaß<br />

muss sein<br />

Der Bundespräsident darf<br />

sich durchaus auch »in humorvoller<br />

Art« und auch ironisch<br />

äußern, wenn er sich<br />

dabei neutral verhält. Das<br />

bescheinigte ihm das Bundesverfassungsgericht.<br />

Ja,<br />

das wäre schön! Denn an<br />

der humorvollen Art hat es<br />

jüngst, als Gauck – strikt<br />

neutral – künftige Kriegsgebiete<br />

aufzählte, gefehlt. Vielleicht<br />

aber war das ja eine<br />

Rede »in ironischer Art« –<br />

und lustigerweise hat den<br />

Spaß keiner verstanden.<br />

Mathias Wedel<br />

Zeit ansagen<br />

Klaus Stuttmann (2)<br />

Lieber neu statt alt<br />

Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen<br />

kritisiert das mangelnde finanzielle<br />

Engagement Deutschlands für<br />

das Gedenken an den hundertsten<br />

Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkrieges.<br />

Bundespräsident Gauck nahm<br />

die Bundesregierung in Schutz: »Wenn<br />

wir das Geld lieber nachhaltig verwenden,<br />

um das friedens stiften de Auslandsengagement<br />

unserer Bun des -<br />

wehr zu fördern, werden wir in Zukunft<br />

noch viele schöne Kriegsgedenktage<br />

feiern können, so dass wir dieses Jahr<br />

auch ruhig mal eine Party auslassen<br />

können.«<br />

MK<br />

ADAC geschrumpft<br />

Als Folge des Skandals um den »Gelben<br />

Engel« verlor der ADAC nach eigenen<br />

Angaben fast 300 000 Mitglieder.<br />

Die Geschäftsführung des ADAC<br />

gibt jedoch Entwarnung, man habe<br />

die übliche Zählweise angewandt und<br />

könne deshalb von 3000 Austritten<br />

ausgehen.<br />

Carlo Dippold<br />

Wahr und unwahr<br />

Wahr ist, dass die Hohenzollern in<br />

Kürze 1,2 Millionen Euro Entschädigung<br />

bekommen werden, weil sie als<br />

Nazi-Förderer von den Sowjets enteignet<br />

wurden.<br />

Wahr ist auch, dass dies nur 7 bis 8<br />

Prozent des realen Marktwertes der<br />

betreffenden Immobilien entspricht.<br />

Unwahr ist hingegen, dass auch nur<br />

7 bis 8 Prozent des Hauses Hohenzollern<br />

reale Förderer der Nazis waren.<br />

Utz Bamberg<br />

Die dicksten<br />

Opfer<br />

Eine machtvolle<br />

Naturreligion muss<br />

in einem Land herrschen,<br />

in dem der<br />

Agrarminister als<br />

Bauernopfer dient!<br />

Kriki<br />

Schrumpfen<br />

Das Internet schrumpft die Krankenkassen«<br />

(FAZ). »Mercedes schrumpft die S-Klasse«<br />

(SZ). »Honda schrumpft den Diesel« (Zeit).<br />

»Zugleiter Christoph Kuckelkorn schrumpft ›seinen‹<br />

Zoch! 1500 Jecken müssen draußen bleiben«<br />

(Bild). »Seehofer schrumpft seine CSU« (Welt).<br />

»Samsung schrumpft sein Flaggschiff“ (Stern).<br />

»Star ker Euro schrumpft Gewinn von Elringklinger«<br />

(Handelsblatt). »Ford schrumpft den Transit«<br />

(Auto Motor und Sport). »Portugal schrumpft den<br />

Staatsapparat« (n-tv). »Sony schrumpft<br />

den Memo ry Stick« (Computerwoche).<br />

»Krise schrumpft den Fahrradmarkt«<br />

(taz). »Deutsche Bank schrumpft<br />

den Rohstoffhandel« (Spiegel).<br />

Als dieses gute alte Verb noch<br />

intransitiv war, konnten beispielsweise<br />

Bundesligatabellenvorsprün -<br />

ge, Äpfel, Guthaben und Erektionen<br />

schrumpfen sowie die Population, das Bindegewebe<br />

und das Bruttosozialprodukt. Damals vermochte<br />

die Deutsche Bank ihrerseits noch nichts<br />

und niemanden zu schrumpfen, sondern allenfalls<br />

zu schröpfen. »Der Körper schrumpft den weiten<br />

Rock«, heißt es zwar in einem knapp einhundert<br />

Jahre alten Schützengrabengedicht des Expressionisten<br />

August Stramm, aber man darf getrost<br />

annehmen, dass er da<strong>mit</strong> nicht den journalistischen<br />

Jargon bereichern wollte. Einen viel größeren<br />

Einfluß auf den heutigen Sprachgebrauch<br />

dürften die Leute ausgeübt haben, die 1989 die<br />

Walt-Disney-Komödie »Honey, I Shrunk the Kids«<br />

in Deutschland vermarkten wollten und auf den<br />

Titel »Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft«<br />

verfielen.<br />

Goldene Worte<br />

VON GERHARD HENSCHEL<br />

Wohin das geführt hat, geht aus einem Werk<br />

des Erziehungswissenschaftlers Prof. Dr. phil.<br />

Horst Rumpf hervor (Was hätte Einstein gedacht,<br />

wenn er nicht Geige gespielt hätte?, Weinheim und<br />

München 2010). »Die wissbar gemachte Welt –<br />

exemplarisch neuerdings INTERNET – schrumpft<br />

den Bewegungsalltag zu sitzenden Körpern«,<br />

schreibt Rumpf. Eine Welt, die den Alltag zu Körpern<br />

schrumpft – das ist meisterhaft scheußlich<br />

und vorbildlich stümperhaft for mu liert. Christian<br />

Schärf, der als Professor am Ins titut für Literarisches<br />

Schreiben und <strong>Literatur</strong>wissenschaft an der<br />

Universität Hildesheim wirkt, kann es freilich<br />

noch besser. Seinem Aufsatz »Die Fuge des Quartär.<br />

Essay und Finallage in Gottfried Benns Prosa<br />

nach 1935«, der 2007 in dem von Friederike<br />

Reents herausgegebenen Sam mel band Gottfried<br />

Benns Modernität erschienen ist, sei das fol -<br />

gende Zitat entnommen: »Das kulturelle Gedächtnis<br />

köchelt über dem Bun sen bren ner des Archivschmelzers.<br />

Der schrumpft den Stoff, komprimiert<br />

die Wortmasse bis zur äußersten Verdichtung.<br />

Benns Essay-Schreiben gleicht einem Hochofen,<br />

in dem aus dem Schutt der Wissenschaften neue<br />

Erregungsenergie gewonnen werden soll.« Benn<br />

hätte seiner Freundin also tri umphierend<br />

zurufen können: »Liebling, ich ha be den Stoff<br />

geschrumpft!«<br />

Dann lieber doch wieder nackter Trash-Journalismus:<br />

»BMW schrumpft den X62« (Auto-Bild).<br />

Denn dort ist es daheim, das transitive Schrumpfen,<br />

und dort soll es auch bleiben.<br />

EULENSPIEGEL 4/14 13


Andere Länder, ähnliche Sitten<br />

Ex-Bundespräsident Christian Wulff hat<br />

angeblich einen neuen Job. Er soll Unternehmen<br />

aus der Türkei und der arabischen<br />

Welt als Mandanten gewinnen.<br />

Mit Korruption kennt er sich ja aus.<br />

Frank B. Klinger<br />

Klaus Stuttmann<br />

Mario Lars<br />

Mein Gott, Walter!<br />

In seinem Wahlprogramm wollte der<br />

sächsische Landesverband der Alternative<br />

für Deutschland eigentlich die Einsetzung<br />

eines Rundfunk-Kommissars<br />

erreichen. Er sollte dafür sorgen, dass<br />

Populärmusik überwiegend in deutscher<br />

Sprache gesendet wird. Soweit<br />

ist es auf dem Parteitag in Zwickau nicht<br />

gekommen. Aber eine »Arbeitsgruppe<br />

Ulbricht« wurde eingesetzt. Ihr Auftrag:<br />

»Mit der Monotonie dieses Yeah-yeahyeah,<br />

und wie das alles heißt, Ge nos -<br />

sen, sollte man doch Schluss machen.«<br />

MW<br />

Minderjährigenschutz<br />

Die Gleichstellungsbeauftragte der Regierung<br />

dämpfte Erwartungen, nach der<br />

Homo-Ehe könne auch eine »Pädo-Ehe«<br />

rechtlich möglich werden. Zwar sei es<br />

richtig, dass Pädophilie – genauso wie<br />

Homosexualität – eine sexuelle Nei -<br />

gung unter vielen sei, für die man nichts<br />

kann, so dass ein Pädophiler sogar Bundeskanzler<br />

werden (aber nicht SPD-Mitglied<br />

bleiben) könne (siehe Spiegel<br />

Nr.9). Bei einer Pädophilen-Ehe wäre jedoch<br />

der Ehemann von Bundes kanz ler<br />

Sebastian Edathy zwangsläufig minderjährig.<br />

Und da ist das Gesetz vor.<br />

MW<br />

Gabriel sauer<br />

SPD-Chef Sigmar Gabriel reagierte<br />

sauer auf den Vorwurf Horst Seehofers,<br />

er sei geschwätzig. Gabriel hält sich absolut<br />

nicht für geschwätzig. Gleichzeitig<br />

ist er überzeugt, er sei eine schlanke<br />

Frau und würde 2017 Kanzlerin werden.<br />

BB<br />

Lebt<br />

eigentlich<br />

DAGMAR<br />

FREDERIC<br />

noch?<br />

dpa<br />

Uns das zu fragen, hatten wir an dieser<br />

Stelle häufig unguten Anlass. Und<br />

jedes Mal hat sie noch gelebt. Aber<br />

noch nie konnten wir <strong>mit</strong> solcher Frohgestimmtheit<br />

und Dankbarkeit wie<br />

heute ausrufen: JA! SIE LEBT! Vor dem<br />

Termin bei Gericht, den sie in Frankfurt/Oder<br />

wegen einer Lappalie, einer<br />

Lässlichkeit durchzustehen hatte,<br />

hörte man nämlich von Morddrohungen.<br />

Zwar war unklar, wer da eigentlich<br />

<strong>mit</strong> dem Tode bedroht wurde und<br />

ob der Todesfluch ursächlich etwas<br />

<strong>mit</strong> dem Liedschaffen der Künstlerin<br />

zu tun hat. Nun aber kam kurz vor Redaktionsschluss<br />

die erlösende Nachricht:<br />

Dagmar muss wahrscheinlich<br />

ein paar Eier an die Staatskasse zahlen<br />

– aber sie lebt, und zwar <strong>mit</strong> dem<br />

für sie typischen, dem Dasein in seiner<br />

ganzen Schönheit zugewandten<br />

Lächeln. Sie ist vor dem Richter nämlich<br />

gar nicht erschienen, sicherheitshalber.<br />

Daggi, wisse, wo immer Du<br />

bedroht bist – der EULENSPIEGEL<br />

ist <strong>mit</strong> Dir!<br />

MW<br />

14 EULENSPIEGEL 4/14


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Leit<br />

kultur<br />

EULENSPIEGEL 4/14 17


18 EULENSPIEGEL 4/14


Leit<br />

kultur<br />

Deutsches Blut und deutscher Samen<br />

Der Frühling ist da, aber diesmal sind wir nicht<br />

so von der Rolle wie im vorigen Jahr! Da gab es<br />

zum ersten Mal die »Aktion Samenspende«, groß<br />

angekündigt in den Anzeigenblättern von Torgelow<br />

bis rauf ans Haff bei Ueckermünde. Samenspende<br />

– so eine Sauerei, und »jeder, der Samen<br />

erübrigen kann«, sollte bitteschön welchen <strong>mit</strong>bringen,<br />

»in geigneten Gefäßen« natürlich, aber<br />

frisch sollte er sein, »nicht vorjährig«, sonst »kann<br />

daraus kein neues Leben entstehen«, und was<br />

der schlüpfrigen Formulierungen mehr waren!<br />

Hunderte Leute sind aus purer Neugier hingefahren<br />

und hatten – wie denn sonst? – ihren Samen<br />

in geeigneten Gefäßen dabei. Man traf sich<br />

auf einem alten Gut bei Eggesin, der Parkplatz<br />

gerammelt voll. Da hatten wir uns angeschmiert!<br />

Es ging um Sämereien! Um den kostenlosen Austausch<br />

derselben unter Landwirten und Gartenfreunden,<br />

und zwar zu einem guten Zweck, nämlich<br />

dem Erhalt alter deutscher Kulturpflanzen,<br />

zum Beispiel der Kartoffel, des Rettichs oder des<br />

fast vergessenen Wasserdost, deren Gebrauch<br />

unser deutsches Wesen in seinen rassischen Eigenarten<br />

nicht wenig geprägt hat.<br />

Dieses Jahr wissen wir gleich, worum es geht.<br />

Aber die kleine Irreführung <strong>mit</strong> der Samenspende<br />

ist ein schönes Beispiel, was sich pfiffige Leute<br />

hier in unserer national gesinnten Gegend einfallen<br />

lassen, um auf ihr Anliegen aufmerksam<br />

zu machen, das germanische Brauchtum hochzuhalten,<br />

unsere kleine völkische Siedlungsgemeinschaft<br />

zu festigen und zum Beispiel zu einer<br />

einfachen, gesunden Ernährung beizutragen, die<br />

auf alles Undeutsche, Slawische und – bei allem<br />

Respekt – auch Jüdische (z.B. koscher kochen<br />

wir nicht) verzichten kann. In Meck-Pomm muss<br />

man also nicht zwingend in der NPD sein, um<br />

Gu tes zu tun.<br />

Bei der Samenspende im vorigen Frühjahr allerdings<br />

hat das Motto, das über dem Tor zum<br />

alten germanischen Vierseiten-Hof stand, nicht<br />

jedem gefallen: »Deutsches Blut und deutscher<br />

Samen das ist unser nationaler Rahmen.« Dabei<br />

kann man den Spruch auch <strong>mit</strong> einem Augenzwinkern<br />

interpretieren – wenn man nicht gerade<br />

ein bolschewistischer Gymnasiallehrer ist und die<br />

Schweriner Volkszeitung postwendend <strong>mit</strong> einem<br />

antideutschen Leserbrief »beglückt« (und »dummerweise«<br />

drunterschreibt, in welchem Dorf man<br />

wohnt und wie man heißt ... hier müsste ein Smiley<br />

stehen).<br />

Dieses Jahr ist das Motto zurückhaltender, aber<br />

auch recht humoristisch: »Wir sind deutsch vom<br />

Scheitel bis zur Sohle, nur bei der Ernte hilft uns<br />

mal der Pole.« Wer darin reflexhaft Rassismus erkennen<br />

will, passt wahrscheinlich wirklich nicht<br />

in unsere Region, wo man sehr direkt ist, aber<br />

ohne viele Worte auskommt. Sogar fast ganz<br />

ohne.<br />

Für Neusiedler ist es am Anfang nicht leicht<br />

<strong>mit</strong> uns. Manche bleiben hier hängen, wenn sie<br />

auf dem Usedom-Radweg hier durchkommen und<br />

ein leeres Gehöft sehen, an dem »Zu verkaufen«<br />

steht. Wenn sie allerdings an einem nationalen<br />

Feiertag hier durchradeln oder vor einer Wahl,<br />

dann wissen sie gleich, was bei uns die Glocke<br />

geschlagen hat, denn da hat unsere Volksgemeinschaft<br />

geflaggt »wie zum Führergeburtstag«, wie<br />

man früher ganz unbefangen sagte.<br />

Blut, Boden, Sonne und Wahrheit – das sind<br />

bei uns die Hauptwörter, schon im kommunalen<br />

Kindergarten, mag die Chefin auch klamm heim -<br />

lich bei der Linken sein. Im Morgenkreis rufen<br />

unsere Kleinen die germanischen Gotthei ten an<br />

und trällern manch völkische Weise – wenn nicht,<br />

wird die Dame bald alleine im Spielzimmer stehen<br />

(hat im Ort Duldungsstatus). Wir pflegen den Zusammenhalt,<br />

ja, auch <strong>mit</strong> Hilfe der Partei. Manchmal<br />

stehen zwei, drei Männer von uns in der<br />

Dämmerung auf der Schwelle so eines Neusiedlergehöfts<br />

und erklären ganz geduldig ein paar<br />

Zusammenhänge. Die Leutchen hören dann vielleicht<br />

das erste Mal, dass sie sich jetzt bei den<br />

Artamanen befinden und einzupassen haben,<br />

denn das ist unsere Tradition, etwa so, wie die<br />

Sozis den August Bebel haben.<br />

Wir Artamanen sind eine alte ritterliche Kampfgemeinschaft,<br />

die auf deutscher Erde die Urkräfte<br />

unseres Volkes auffrischt, im Hinterland des Haffs<br />

schon in der dritten, vierten Generation als Kader<br />

der Bewegung sesshaft. Vor hundert Jahren haben<br />

unsere Vorfahren Großgüter aufgekauft, ganze<br />

Dörfer. Wenn wir dann die Namen von Rudolf<br />

Höß (Kommandant eines relativ berühmten Strafvollzugs),<br />

Reichsführer SS Heinrich Himmler,<br />

Reichsbauernführer Darré nennen, geht man -<br />

chem, der dachte, er kommt einfach nur in eine<br />

hübsche Gegend <strong>mit</strong> saftigen Wiesen, ein Seifensieder<br />

auf. Man kann zu den genannten Herren<br />

eine geteilte Meinung haben, darüber mögen spätere<br />

Generationen richten – zumindest eine gute<br />

Seite hatten diese Leute jedoch: Sie waren die<br />

ersten konsequenten »Grünen«, die ersten deutschen<br />

Ökologen.<br />

Grün heißt doch nichts anderes, als das Gesunde<br />

zu fördern, das Krankmachende zu selektieren<br />

und ausmerzen. Sicherlich, Höß und Himmler<br />

mögen dabei (unverzeihlich und singulär)<br />

übertrieben haben. Aber was ist schlecht daran,<br />

dass wir unbehandelte, frische Kuhmilch<br />

anbieten (die Großmolkereien behaupten natürlich,<br />

man kriege davon Tbc), Chemiefasern und<br />

die jüdische Schulmedizin verabscheuen, Plastikspielzeug<br />

zertreten, noch <strong>mit</strong> der Sense mähen,<br />

im Winter Filz-Unterhosen tragen und auf dem<br />

Tanzboden nur das deutsche Idiom gutheißen?<br />

Andererseits, wieso sollten wir uns etwas Besseres<br />

dünken, nur weil unsere Pullover auf unseren<br />

eigenen Schafen wachsen und wir keine Bäckerburschen-Läden<br />

brauchen, weil unser Brot quasi<br />

hinter dem Gehöft auf der Dinkelwiese wächst?<br />

Nein, wir sind ganz normale Herrenmenschen,<br />

pflegen die heidnischen Feiern, organisieren Ferienlager<br />

und zelebrieren nationale Ehe-Weihen.<br />

»Bullerbü in Braun«, wie Die Zeit etwas neidisch<br />

über unseren idyllischen Landstrich schrieb, oder<br />

»Toskana für Ökofaschisten«, wie die Links me -<br />

dien geifern. Freilich dulden wir bei uns keine<br />

Rassenschande, weder auf dem Maisfeld noch<br />

im Stall noch – man verzeihe die Anspielung, der<br />

Frühling ist Schuld – im Stroh! Und eine »staatl.<br />

gepr. Geburtshelferin« ist eben keine völkische<br />

Hebamme und eine Sozialpädagogin <strong>mit</strong> linksliberalem<br />

»Master« keine nationale Tagesmutter!<br />

Und jetzt, im Mai, wird man noch einen kleinen<br />

Unterschied zwischen uns und dem Rest des Vielvölker-Deutschlands<br />

finden: Am 8. Mai kleben<br />

an unseren Laternenpfählen kleine Zettel: »Tag<br />

der Schande!« So, danach kann es aber richtig<br />

losgehen – 2014, das Jahr der Alliacea, der deutschen<br />

Zwiebel, die schon unsere Ortsbauern -<br />

führer ihren Ahnen in die Gräber legten!<br />

Mirco82@keimkeller.de<br />

Zeichnungen: Guido Sieber<br />

EULENSPIEGEL 4/14 19


20 EULENSPIEGEL 4/14


Zeit Geist<br />

Beck<br />

EULENSPIEGEL 4/14 21


Unsere<br />

Besten<br />

Helene Fischer ist perfekt. Strahlend schön,<br />

<strong>mit</strong> einer Stimme wie Sphärenklang, die<br />

sogar von Haus aus dumpfe Schlager wie<br />

das Bachsche Air hell erklingen lässt, und einem<br />

Charme, dem kein menschliches Wesen widerstehen<br />

kann. Ihre Zähne funkeln wie glasierte Tafelkreide,<br />

ihre Haut ist so glatt wie eine Wachstuchdecke.<br />

Nicht ein Härchen sprießt ihr aus der Nase,<br />

nie stockt auch nur ein Tröpfchen Schweiß in ihrer<br />

noch immer quasi jungfräulichen Achselhöhle,<br />

und es gibt keinerlei Beweis, dass sie jemals eine<br />

Toilette benutzt hat.<br />

Schon ihr Name ist göttlich. Helene, die Sonnenhafte,<br />

die Strahlende, die Schöne. Würde man<br />

an Übernatürliches glauben, man könnte meinen,<br />

sie sei nicht von dieser Welt. Aus der Unterwelt<br />

natürlich auch nicht, sondern eher aus einer, der<br />

die Gerüche in einem Regionalzugwaggon völlig<br />

unbekannt sind.<br />

Ihre Aura zieht Horden von Menschen an, so<br />

22 EULENSPIEGEL 4/14<br />

wie die Sonne den Zug der Vogelschwärme lenkt<br />

und Lemminge zu Tausenden vom Fels in den<br />

Tod springen lässt, Menschen, die ihre pastellfarbenen<br />

Anoraks waschen und ihre Jeans bügeln,<br />

sich wochenlang von Dosensoljanka ernähren<br />

und sich schließlich in Busse pferchen lassen,<br />

um ihre Helene live zu erleben, ach was: zu<br />

atmen! Naht der Fischer-Termin, kommt es entlang<br />

der Tour-Route zur Spontanprostitution:<br />

Weibliche Fans bieten sich als »dralle Schlagernudel«<br />

oder »Birne Helene« feil, um sich die Billets<br />

zu erarbeiten.<br />

Für alle anderen kommt sie direkt ins Wohnzimmer.<br />

Millionen verfolgen ihre Fernsehauftritte,<br />

wobei sie nicht selten das Schlucken oder das<br />

Atmen vergessen, einnässen oder hyperventilieren.<br />

Selbst wenn, was er regelmäßig tut, der verschlagen-schmierige<br />

Florian Silbereisen seine<br />

Griffel nach ihr ausstreckt, bleibt Helene in den<br />

Augen des Publikums rein. Ihr Glanz färbt<br />

offenbar auf den Widerling ab.<br />

Zumal die Saga geht, Helene habe – ob aus<br />

Mitleid oder Eigennutz, sei dahingestellt – ein<br />

ausgewachsenes Wunder bewirkt, als sie den Silbereisen<br />

durch einen einzigen beindruckenden<br />

Akt von seiner schrecklichen Veranlagung heilte<br />

– durch einen Gesangs-Akt, natürlich. Allerdings<br />

wurde er deshalb auch nie als Zeitzeuge zum<br />

Fußballer Hitzlsperger befragt.<br />

Helene kann alles. Sie schwebt als Akrobatin<br />

durch Konzerthallen (die Sicherungsseile sind<br />

nur Attrappen, um das Publikum nicht zu beunruhigen),<br />

trällert russische Balladen aus tiefster<br />

Seele und moderiert die Nebel in den Ruhestand.<br />

Angeblich werden ihre Tanzschritte von Rihanna<br />

und Justin Timberlake kopiert, will sich Britney<br />

Spears zu Helene ummodellieren lassen und trägt<br />

Angela Merkel heimlich Helenes ausrangierte<br />

Bühnenoutfits.<br />

Doch Helene ist der Ruhm egal. Sie hat andere<br />

Ziele. Mit ihren Songs will sie sich tief in den<br />

Hirnen und Herzen ihrer Fans einnisten. Und ihre<br />

heilsamen Kräfte werden schon jetzt gezielt genutzt.<br />

<strong>Zur</strong> Vorbeugung erektiler Dysfunktion bei<br />

Senioren zum Beispiel. Man munkelt, es seien<br />

Komapatienten durch den Klang ihrer Stimme erwacht.<br />

Allerdings waren sie danach irgendwie<br />

verändert.<br />

Doch nicht alle meinen es gut <strong>mit</strong> ihr. Helene<br />

Fischer ist ein begehrter Fang für die geldgeile<br />

Schlagermafia. Schon längst ist die reine Blume<br />

von Zuhältern umgeben, die versuchen, <strong>mit</strong> ihr<br />

Geschäfte zu machen. Es wurde unterstellt, ihr<br />

Manager Uwe Kanthak soll den MRD geschmiert<br />

haben, um Helene in die Shows zu bringen. Völliger<br />

Blödsinn. Eine Helene Fischer hat solche<br />

Tricks nicht nötig. Alle wollen sie. Für Wetten,<br />

dass..? war sie als Wunderwaffe an der Seite<br />

des Moderators im Gespräch. Aber Lanz soll den<br />

Intendanten gefragt haben: »Warum erschießt<br />

ihr mich nicht gleich?«<br />

Sogar kleine Patzer wie bei der Bambiverleihung,<br />

die sie <strong>mit</strong> dem Echo verwechselte, perlen<br />

an ihr ab wie Wasser an einer Reptilienhaut.<br />

Auch hinter der Bühne ist die Fischer eine Superfrau.<br />

In dem Dokumentarfilm Allein im Licht<br />

prä sen tiert sie sich privat. Das heißt, in ihrer vollendeten<br />

Perfektion. Sie spricht <strong>mit</strong> einer auffallend<br />

langen Engelszunge und strahlt <strong>mit</strong> ihren<br />

smaragd grü nen Augen. Alle liegen ihr zu Füßen.<br />

(Das heißt, ihre Füße hat bisher niemand ge se -<br />

hen. Ob sie tatsächlich fünf Zehen an jedem Fuß<br />

hat, soll ein Mysterium bleiben.) Leute aus ihrem<br />

Team versuchen, sie heimlich zu berühren, sammeln<br />

ihre Plastikbecher, stehlen ihre Bürsten.<br />

Wenn sie sich von einem Stuhl erhebt, entbrennt<br />

ein erbitterter Kampf innerhalb der Crew, wer<br />

sein Gesäß in die warme Wölbung des Helene-<br />

Fischer-Hinternabdrucks setzen darf.<br />

Nun drängt sich die Frage auf, wo kommt diese<br />

Lichtgestalt eigentlich her? Wer das deutsche<br />

Schulsystem durchlaufen hat, kann unmöglich<br />

so unverdorben und lieblich sein wie diese Helene.<br />

Angeblich besuchte sie eine Realschule in<br />

Wörrstadt. Dort begrüßt man sich <strong>mit</strong> »Fick deine<br />

Mutter« und hat den ersten Sex auf dem Schulklo.<br />

Nur ein Übermensch, oder vielleicht gar kein<br />

Mensch, bleibt davon unberührt.<br />

Helene, nicht<br />

von dieser Welt!<br />

Die kleine Helene soll in Sibirien das Licht der<br />

Welt erblickt haben. Ausgerechnet Sibirien! Hier<br />

sind schon einige Ufos vom Himmel gefallen.<br />

1984 gebar ihre Mutter Maria das Wesen, und<br />

der Russlanddeutsche Herr Fischer nahm das<br />

Mündel auf, als sei es das seinige. Sie fütterten<br />

es <strong>mit</strong> rohem Fleisch und Blut und Unmengen<br />

von Baikal-Fisch, bis es in rasender Geschwindigkeit<br />

zu dieser menschlichen Form fand. Wer<br />

genau hinschaut, sieht in den Augen der Schönen<br />

die Iris eines Reptils aufblitzen. Und als ihr versehentlich<br />

beim Mainzer Sommerkonzert eine<br />

einzelne Brust aus dem Kleid fiel, kam grüne<br />

Schuppenhaut zum Vorschein. Es besteht kein<br />

Zweifel, sie ist ein Reptiloid. Nun ist es raus! Die<br />

Reptiloiden wollen bekanntlich die Weltherr -<br />

schaft erringen. Liedtexte wie: »Diesen Schritt<br />

geh ich allein, möcht in tausend Herzen sein«,<br />

sagen alles. Das Geschöpf ruft zur Gefolgschaft<br />

für die Weltregierung auf: »Wir sind unzertrennlich,<br />

irgendwie unsterblich / Komm nimm’ meine<br />

Hand und geh’ <strong>mit</strong> mir.«<br />

Wohin die Reise geht, ist nicht bekannt. Vor<br />

allem bleibt ein Rätsel, was die Reptiloiden <strong>mit</strong><br />

all dem welken Fleisch der Schlagerfreunde anfangen<br />

wollen. Fressen kann man es nicht.<br />

Vielleicht reicht es, dass Helene Fischer ihnen<br />

das Hirn vernebelt und mental für den Tag X zurichtet:<br />

»Bis Wunder Wahrheit werden irgend -<br />

wann / Und dann Vollgas in den Himmel Arm in<br />

Arm.«<br />

Felice von Senkbeil


Frank Hoppmann


Praxisgebühr wird wieder eingeführt!<br />

Das Betreuungsgeld für Eltern, die trotz des Rechtsanspruchs auf einen<br />

Kitaplatz ihre Kinder nicht in die Kita schicken und da<strong>mit</strong> dem Staat Milliarden<br />

sparen, ist ein großer Erfolg. Deshalb ist geplant, weitere materielle Anreize<br />

zu schaffen:<br />

• Eltern, die auf die Schulpflicht verzichten<br />

und ihre Kinder zu Hause in den wichtigsten<br />

zivilisatorischen Grundlagen (Körperpflege,<br />

Computerspiele) unterrichten, erhalten<br />

pro Monat 200 Euro Schulgeld. Die Prüfungen<br />

zur Mittleren Reife und zum Abitur<br />

werden online abgelegt.<br />

• Für Jugendliche, die auf eine akademische<br />

Ausbildung verzichten, wird ein Studiengeld<br />

eingeführt – 1 500 Euro pro Monat für geisteswissenschaftliche<br />

Fächer, bis 2 500 Euro<br />

für Kunsthochschulen.<br />

• Ein Auslandsaufenthaltsgeld wird für Soldatinnen<br />

und Soldaten gezahlt, die nach einem<br />

Auslandseinsatz auf ihre Rückreise<br />

nach Deutschland verzichten. Die Höhe bemisst<br />

sich nach den eingesparten Verpackungs-<br />

und Flugkosten (Economy, eine<br />

Strecke).<br />

• Bürgerinnen und Bürger, die bei Krankheit<br />

keinen Arzt aufsuchen, erhalten pro Monat<br />

eine Praxisgebühr in Höhe von 10 Euro. Die<br />

Krankheit muss jedoch von der Krankenkasse<br />

gutachterlich bestätigt sein.<br />

• Analog dazu erhalten Pflegefälle, die sich<br />

selbst pflegen, das sogenannte Pflegegeld I.<br />

Wer seiner Pflegebedürftigkeit <strong>mit</strong> geeigneten<br />

Maßnahmen zuvorkommt, erhält Pflegegeld<br />

II, und zwar so rechtzeitig, dass die<br />

Summe noch ins Testament aufgenommen<br />

bzw. an karitative Organisationen gespendet<br />

werden kann. Es wird nur einmal fällig.<br />

• Bürgerinnen und Bürger, die auf den Eintritt<br />

ins Rentenalter aktiv durch Maßnahmen im<br />

häuslichen Umfeld (nicht in der Öffentlichkeit!)<br />

verzichten, erhalten ein Sterbegeld bis<br />

zu ihrem 67. Geburtstag. Es darf 80 Prozent<br />

des Hartz-IV-Satzes nicht übersteigen.<br />

• Wahlberechtigte, die ihre Stimme dauerhaft<br />

an eine Partei des demokratischen Spektrums<br />

verleihen, erhalten ein Demokratiegeld<br />

von 100 Euro pro Wahl, und als besonderes<br />

Dankeschön werden sie bei der Wahlbeteiligung<br />

<strong>mit</strong>gezählt.<br />

Ob die Regierung diese großzügigen sozialpolitischen<br />

Maßnahmen realisieren kann, ist<br />

noch offen. Denn für einen durchschnittlichen<br />

Deutschen würden bis zu seinem Ableben<br />

5 676, 27 Euro fällig. Falls er oder sie jedoch<br />

notariell vollständig auf sämtliche Zusatzgelder<br />

verzichtet, ist ein Verzichtsgeld in Höhe<br />

von 1 000 Euro – zahlbar am 18. Geburtstag –<br />

garantiert.<br />

Michael-André Werner<br />

Zeichnung: Jan Tomaschoff<br />

24 EULENSPIEGEL 4/14


Exklusiver<br />

Vorabdruck<br />

aus Thilo Sarrazins<br />

allerneuestem Buch<br />

Pressestimmen<br />

»Sein bisher persönlichstes<br />

Werk. Wie immer<br />

von Sarrazin <strong>mit</strong> einem<br />

Augenzwinkern<br />

vorgetragen.«<br />

Apotheken Umschau<br />

»Diese ungeschönte Wahrheit<br />

zu zeigen traut sich<br />

sonst keiner!«<br />

Junge Freiheit<br />

»Die Muskelmasse wird von<br />

Bild zu Bild mehr. So zeigt<br />

dieses Buch eindrucksvoll<br />

die Effekte einer Schlankim-Kopf-Diät.«<br />

GQ<br />

»Das ist mal wieder<br />

typisch! Würde eine Frau<br />

sich so in einem Buch<br />

präsentieren, würde es keiner<br />

kaufen.«<br />

Emma


Einleitung<br />

Am 24. Februar startete die SPD ein Parteiordnungsverfahren<br />

gegen meinen Parteifreund Sebastian Edathy. Er<br />

soll aufgrund seiner sexuellen Neigung aus der SPD<br />

ausgeschlossen werden. Die SPD vertritt die aktuell<br />

gängige Ansicht, alle Menschen müssten homosexuell<br />

sein. Abweichungen von dieser zeitgeistigen Norm werden<br />

geächtet. Heterosexuellen und Pädophilen wird ein<br />

schlechtes Gewissen eingeredet und behauptet, sie<br />

sollten sich was schämen. 1 Hierbei handelt es sich um<br />

genau jenen Tugendterror, den ich in meinem letzten<br />

Buch beschrieben habe. Dieser Tugendterror verkennt<br />

die wissenschaftliche Tatsache, dass die Menschen verschieden<br />

sind und daher auch durch verschiedene Stimuli,<br />

wie der Fachmann sagt, rattig werden. 2<br />

Aufgrund meiner Überlegungen zur modernen Eugenik<br />

war auch ich vor Jahren schlimmsten Anfeindungen ausgesetzt.<br />

3 Doch dank meiner guten Gene überstand ich<br />

das gegen mich angestrengte Parteiausschlussverfahren<br />

ohne größeren psychischen Schaden. Dieses Erlebnisses<br />

wegen möchte ich nun Sebastian Edathy gegen<br />

den Tugendterror meiner Partei verteidigen 4 und einen<br />

visuellen und vor allem konstruktiven Beitrag zum<br />

Thema Posing-Bilder in die gesellschaftliche Debatte<br />

einbringen. Ich verspreche mir davon dreierlei:<br />

- die Einsicht meiner Gegner, dass ich im Recht bin<br />

- außereheliche Sexualkontakte<br />

- viel Geld durch den Verkauf<br />

- mehr mathematische Wissenschaftlichkeit in der<br />

Debatte<br />

Während alle etablierten Medien wie üblich ihren Tugendterror<br />

ausleben, möchte ich ausdrücklich der Zeitschrift<br />

EULENSPIEGEL 5 für ihren Mut danken, dieser<br />

Form der Meinungsäußerung eine Plattform zu geben.<br />

Den im Anschluss an die Veröffentlichung <strong>mit</strong> Sicherheit<br />

wieder in Scharen auftretenden Kritikern dieses<br />

Bildbandes möchte ich <strong>mit</strong> den Worten Voltaires entgegnen:<br />

»Das wird man ja wohl noch zeigen dürfen in<br />

Deutschland!« 6<br />

1 Prof. Dr. Christian Hillgruber: Wo bleibt die Freiheit der anderen?,<br />

FAZ, 20.02.2014<br />

2 Larry Flint: Unterschiedliche sexuelle Präferenzen bei Laufente<br />

und Mensch, L.A., 1972<br />

3 Dr. Werner Bils et al.: Abitur-Training Biologie 2: Angewandte<br />

Genetik, Evolution, 2012<br />

4 Wodurch auch alle Verleumder, die behaupten, ich hätte was<br />

gegen niedere Rassen, wissenschaftlich widerlegt sind.<br />

5 Erhältlich im Abo und an jedem Kiosk, der den EULENSPIEGEL<br />

verkauft.<br />

6 Voltaire: Metaphysische Abhandlung, Werkausgabe, Band XXXII,<br />

letzte Seite, von mir handschriftlich eingefügte Notiz (TS)<br />

Die Klage über politische Korrektheit<br />

ist in den letzten Jahren zu einem<br />

Kampfbegriff geworden, ein Kampfbegriff,<br />

der inflationäre Verwendung findet.<br />

Heute darf man schon nicht mehr<br />

sagen, dass anatolische Zuwanderer<br />

ein schlechtes genetisches Material haben<br />

und nach Knoblauch stinken. Zukünftig<br />

wird es wahrscheinlich schon<br />

nicht mehr opportun sein, als Berliner<br />

Finanzsenator seinem Lieblingsgolfclub<br />

drei Millionen Euro aus Steuer<strong>mit</strong>teln<br />

zu schenken 7 oder als Aufsichtsratsvorsitzender<br />

der Berliner Verkehrsbetriebe<br />

ein Geschäft abzuschließen, von dem<br />

man zugibt, dass man es nicht versteht,<br />

und das letztlich 150 Millionen<br />

Euro Verlust bringt. Zugegeben, das ist<br />

überspitzt formuliert, aber wer viel<br />

Sport treibt, der darf auch mal polemisieren.<br />

7 Rechenschaftsbericht Golf- und Land-Club<br />

Berlin-Wannsee, 2009<br />

26 EULENSPIEGEL 4/14


Religiöse Menschen, so der gesellschaftliche<br />

Konsens, sollten<br />

erschossen werden. 8 Dies gilt<br />

laut öffentlich-rechtlichen Medien<br />

für Christen noch deutlicher als<br />

für Muslime, Scientologen oder<br />

die Internationale Gralsbewegung.<br />

Bekennt man sich heute<br />

offen zu seinem christlichen<br />

Glauben, kann es schnell passieren,<br />

dass Toleranz in Intoleranz<br />

umschlägt und man <strong>mit</strong> einem<br />

menschenverachtenden Achselzucken<br />

gestraft wird – Tugendterror<br />

der subtilen Art.<br />

8 Matthias Matussek: Das katholische<br />

Abenteuer, 2012<br />

EULENSPIEGEL 4/14 27


Immer wieder gab es in der Presse krasse Falschbehauptungen<br />

über meine Thesen, so zum Beispiel<br />

die, ich würde Leute, die den ganzen Tag faul auf<br />

dem Sofa rumliegen, als faul bezeichnen. 9 Solche<br />

Verleumdungen drücken jedoch aufs Gemüt und führen<br />

dazu, dass man tagelang nur vor dem Fernseher<br />

liegt und sich alte Talkshow-Aufnahmen von sich<br />

selbst ansieht. Die Meinungsdiktatur würde für solche<br />

Faulheit die Gesellschaft verantwortlich machen.<br />

Ich dagegen weiß, dass nicht die Gesellschaft, sondern<br />

der einzelne Journalist selbst dafür verantwortlich<br />

ist, wenn er meine Bücher für ausgemachten<br />

Stuss hält und ich deshalb beleidigt zu Hause rumlümmele.<br />

9 Thilo Sarrazin: Deutschland schafft sich ab, 2010<br />

Die Gleichheitsideologie zog während der letzten 230 Jahre eine<br />

breite Blutspur hinter sich her, die vom Gebrauch der Guillotine in<br />

der Französischen Revolution über die »killing fields« in Kambodscha<br />

bis hin zum Frauen-Wahlrecht führte. Doch sind Mann und Frau wirklich<br />

gleich? Man darf es zwar in Deutschland nicht sagen, aber: nein!<br />

Wer schon einmal ein einschlägiges Etablissement besucht hat, der<br />

weiß, wie wir Männer uns teilweise von der Damenwelt behandeln<br />

lassen müssen. Frauen wird eine exponierte gesellschaftliche Position<br />

zugestanden, ohne dass sie über einen entsprechenden Hochschulabschluss<br />

verfügen. 10 Wer dagegen etwas sagt, dem droht zwar nicht<br />

der Scheiterhaufen wie »Ketzern« in früheren Zeiten, aber <strong>mit</strong> heißem<br />

Wachs wird er dennoch übergossen.<br />

10) Dominastudio Flotte Lotte, Berlin, nach Uschi fragen!<br />

Stellt man in Deutschland in einer Diskussion fest, dass Menschen<br />

unterschiedlicher Kulturen auch unterschiedliche körperliche Merkmale<br />

aufweisen, und unterstreicht diese Tatsache durch das Präsentieren<br />

eindeutiger Fakten 11 , ist man schnell der Außenseiter auf dem<br />

Bundespresseball. Ist man obendrein nicht gewillt, sich belehren zu<br />

lassen und bleibt stattdessen steif und fest bei seiner Meinung, wird<br />

auch gerne mal nach der (Gesinnungs-)Polizei gerufen. Doch solange<br />

Medienvertreter nicht die Eier haben, sich dieser Tabus zu entledigen,<br />

wird die politische Diskussion blutleer bleiben.<br />

11) Roberto Blanco: Zehn nackte Neger: So viel Spaß kann sein,<br />

Wissenschaftsverlag, 2003<br />

28 EULENSPIEGEL 4/14


Die Verharmloser und Schönfärber<br />

im harmoniefreudigen Müsli-Milieu<br />

nehmen selbst normale natürliche<br />

Abläufe nicht zur Kenntnis. In ihrer<br />

Dümmlichkeit und Verblendung<br />

richten sie sich gegen Selbstverständlichkeiten:<br />

Eine Giraffe<br />

wächst in ihrem angestammten<br />

Habitat von 50 Quadratmetern auf<br />

und wird durch eine Druckluftpistole<br />

allerneuester Bauart getötet<br />

und danach den Löwen im Nebengehege<br />

zum Fraß vorgeworfen –<br />

und zwar in Dänemark. So geschieht<br />

es in der Natur jeden Tag.<br />

Doch wenn sich die Wirklichkeit<br />

dem eigenen Denkmuster nicht fügen<br />

will, dann konstatieren die<br />

Medien sofort, dass etwas faul ist<br />

in dem kleinen skandinavischen<br />

Staat. 12 Der Skandal könnte nur<br />

größer sein, wenn ich, der böse Autor,<br />

eine Giraffe töte und verspeise,<br />

die ich vorher sexuell missbraucht<br />

habe. Meine Leser teilen wohl die<br />

Freude <strong>mit</strong> mir darüber, dass dies<br />

im Abendland noch (!) nicht verboten<br />

ist.<br />

12) William Shakespeare: Hamlet,<br />

London, 1603<br />

Gregor Füller / Andreas Koristka, Collagen: Michael Garling<br />

Thilo Sarrazin<br />

Tugendterror –<br />

der Bildband<br />

Eigenverlag,<br />

Berlin 2014<br />

1284 Seiten,<br />

2,99 Euro<br />

EULENSPIEGEL 4/14 29


ehr geehrte Trauergemeinde,<br />

verehrte Hinterbliebene,<br />

wir sind heute zusammengekommen,<br />

um<br />

von einem lieben Angehörigen<br />

und Vertrauten,<br />

ja von einem Freund<br />

Abschied zu nehmen, der uns<br />

in goldenen Zeiten des Zusammenlebens wahrhaft<br />

ans Herz gewachsen war. Der Grüne Punkt<br />

ist uns ein echter Seelenverwandter gewesen,<br />

den, was schon beim ersten Mal nicht funktioniert<br />

hat? Ohne zu ahnen, dass heute schon<br />

komplette Regierungsparteien wiederverwendet<br />

werden, obwohl deren Mindesthaltbarkeit bereits<br />

seit Jahren abgelaufen ist. Und im Entsorgen<br />

war unser Grüner Punkt sowieso immer<br />

Weltmeister – getreu seiner berühmten Lebensmaxime:<br />

Nur was vorher ordentlich getrennt<br />

wurde, kann hinterher wieder komplett zusammengekippt<br />

werden.<br />

Und gehörte nicht das Verbindende zu den<br />

schönsten Eigenschaften unseres lieben Dahingeschiedenen?<br />

Ihm war es zu danken, dass wir<br />

viele neue Bekanntschaften schließen durften.<br />

Jeden Joghurtbecher begrüßten wir persönlich<br />

im Familienkreis, um gemeinsam zu überlegen,<br />

ob sein Deckel dranbleiben durfte oder nicht,<br />

jeden Salatbehälter wuschen wir <strong>mit</strong> mehr<br />

Liebe als den Hintern unseres Enkelkindes,<br />

jede Käseverpackung wurde gestapelt und jede<br />

Plastiktüte gefaltet. Wer arbeitslos war, fand<br />

durch den Grünen Punkt eine neue Vollbeschäftigung,<br />

und wer Arbeit hatte, riskierte plötzlich<br />

eine Kündigung, da er durch seine umfängliche<br />

Nebentätigkeit nicht mehr die volle Arbeitskraft<br />

in den Dienst des Lohnherrn stellen konnte.<br />

Und dennoch: Das Gefühl, höheren Zwecken<br />

gedient, also der Tetrapak- und Faltschachtelindustrie<br />

einen Gefallen getan zu haben, wird<br />

uns ewig unvergessen bleiben. Sogar irgendwas<br />

<strong>mit</strong> Umwelt sollte die Sache zu tun haben,<br />

wie man sich hinter vorgehaltenem Zellophanbeutel<br />

zumunkelte. Es wusste zwar keiner genau,<br />

was, aber Ökologie ist in Deutschland<br />

immer eingedenk der von Opa überlieferten Devise:<br />

Man schmeißt nichts weg, was man von<br />

anderen wegschmeißen lassen kann. Dafür war<br />

Grün, grün, grün<br />

unser teurer Verblichener berühmt: Mit Stolz<br />

und Genugtuung blicken wir heute auf die großen<br />

Glaubenskriege zurück, die seine Geburt<br />

damals begleiteten: Was soll das blöde Recycling,<br />

fragten die einen, und die anderen entgegneten:<br />

Wozu sollen wir etwas wiederverwen-<br />

heute das, was früher der Angriffskrieg war: ein<br />

folkloristisches Element, das im Gleichschritt<br />

und auf Kommando ausgeführt wird. Wer nicht<br />

<strong>mit</strong>macht, kann standrechtlich im Wertstoffhof<br />

geschreddert werden. So gesehen hat der<br />

Grüne Punkt auch Großes für das Gemeinschaftsgefühl<br />

unseres Volkes geleistet, reciclio<br />

ergo sum, ich verwerte, also stimmt die<br />

Summe. Dafür gebührt ihm unser wiederaufbereiteter<br />

Dank.<br />

Doch bei aller Anerkennung wollen wir auch<br />

nicht vergessen, wie unterhaltsam und kurzweilig<br />

das Zusammenleben <strong>mit</strong> ihm war. Wer<br />

denkt nicht gern an die schönen Morgenstunden<br />

zurück, wo wir <strong>mit</strong> sauber geschnürtem<br />

Pappebündel erwartungsfroh zum Altpapiercontainer<br />

aufgebrochen waren, um dann überrascht<br />

festzustellen, dass man denselben über<br />

Nacht ersatzlos entfernt hatte. Stets werden<br />

wir im Gedächtnis behalten, wie spannend sich<br />

die anschließende Suche nach einem der wenigen<br />

verbliebenen Standorte gestaltete! Welch<br />

Klacks war doch der Untergang Roms und die<br />

Völkerwanderung der Hunnen gegen den Untergang<br />

der Blauen Tonne und die Wanderung<br />

der Pappnasen!<br />

30 EULENSPIEGEL 4/14


sind alle meine Punkte<br />

Auch an den Gelben Sack erinnern wir uns<br />

gern. Aller äußeren Ähnlichkeit zum Trotz handelte<br />

es sich dabei nicht um Hans-Dietrich<br />

Genscher, sondern um einen Behälter für<br />

Leichtverpackungsmüll. Anfangs bekam man<br />

ihn vom Entsorger einfach über den Zaun geworfen,<br />

am Ende musste man ihn unter abenteuerlichen<br />

Umständen in irgendwelchen geheimnisvollen<br />

Verstecken selber abholen wie<br />

weiland Indiana Jones seinen verlorenen<br />

Schatz. <strong>Zur</strong> Strafe wurde der Sack dann <strong>mit</strong><br />

tonnenschwerem Gerümpel befüllt, weshalb<br />

er stets zerfleddert herumlag und den Hunden<br />

zum Einwurf ihrer biologisch abbaubaren<br />

Restprodukte diente. Man mag sich gar nicht<br />

ausdenken, wie unsere Städte zukünftig ohne<br />

dieses lustige Gestaltungselement aussehen<br />

mögen. Am Ende herrscht einfach Ordnung –<br />

unverantwortlich!<br />

Aber gemach, liebe Trauerklöße, noch ist<br />

nicht aller Säcke Abend, selbst wenn der<br />

Grüne Punkt nun in der Blüte seiner Jahre aus<br />

dem Leben gerissen wird. Wissen wir doch<br />

alle, dass er schon seit Langem an schwerer<br />

Auszehrung erkrankt war. Zwar hat er sich<br />

stets tapfer bemüht, die Symptome seiner<br />

Schwindsucht vor uns Angehörigen zu verheimlichen,<br />

aber es kam ihm zum Schluss<br />

trotzdem immer weniger in die Tüte. Um über<br />

ein Viertel soll sich allein die Verpackungszahl<br />

seit dem letzten Jahr verringert haben,<br />

obwohl die Menge insgesamt sogar gewachsen<br />

ist. Es handelt sich quasi um ein grünes<br />

Mirakel, denn mehr bedeutet jetzt weniger!<br />

Der Grund ist ganz einfach: Auf dem Entsorgungsschlachtfeld<br />

tummelt sich immer mehr<br />

Schmutzkonkurrenz: Jeder kleine Laden<br />

nimmt heute schon seine »Eigenverpackungen«<br />

zurück, Autobuden sammeln ihre abgefallenen<br />

Ersatzteile selber, und Krankenhäuser<br />

recyceln nicht nur abgefallene Gliedmaßen,<br />

sondern auch gebrauchte Chefärzte und Bettdecken.<br />

Das alles fehlt natürlich beim Grünen<br />

Punkt – weshalb die Rufe nach seiner Abschaffung<br />

immer lauter wurden.<br />

Es kann also sein, liebe Trauergäste, dass<br />

wir uns bald endgültig von diesem wichtigen<br />

Teil unseres Lebens verabschieden müssen.<br />

Und der Verlust wird schmerzlich sein. Zum<br />

Beispiel werden wir die herrlich verschlungenen<br />

Pfeile auf dem Grünen-Punkt-Logo vermissen:<br />

Waren sie nicht ein Wunder an Aussagekraft,<br />

so ähnlich wie Bim und Bam oder Dings<br />

und Bums? Auch der Mehrkammermülleimer<br />

wird uns fehlen oder die Verpackungsverordnung<br />

in der uns so lieb gewordenen Fassung<br />

Art. 6 Abs. 1 G. Sie alle gaben uns Halt in einer<br />

Welt schwindender Werte und überquellender<br />

Restmülltonnen.<br />

Deshalb wollen wir uns in ehrendem Gedenken<br />

erheben und alle einstimmen in das feierliche<br />

Gebet:<br />

Wertstoff unser im Beutel, geheiligt werde dein<br />

Name.<br />

Dein Entsorger komme.<br />

Deine Aufbereitung geschehe, wie im Bündel<br />

so auf Paletten.<br />

Unser täglich Recycling gib uns heute. Und<br />

vergib uns unsere Fehleinwürfe, wie auch wir<br />

vergeben alle ausgefallenen Abholtermine.<br />

Und führe uns nicht in Verwechslung, sondern<br />

erlöse uns von den Haushaltsabfällen.<br />

Denn dein ist der Sekundärrohstoff, und die<br />

Quote und die Umwelt in Ewigkeit.<br />

Amen.<br />

Reinhard Ulbrich<br />

Zeichnungen: Reiner Schwalme<br />

EULENSPIEGEL 4/14 31


„Eine hochaktuelle, eine köstliche Satire <strong>mit</strong> viel<br />

schwarzem Humor und womöglich erschreckend<br />

nah an der Wirklichkeit, wer weiß?“<br />

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Europa ist zu weich für diese Welt. Ob es um die Ukraine geht (»Fuck<br />

the EU«), um den Euro (»Missgeburt«) oder um die Freizügigkeit (»Bielefeld<br />

blutet aus«): Weltweit fehlt es an Respekt. Und jetzt das: Die<br />

EU-Grenzpolizei Frontex darf nicht mehr töten, nicht einmal ausnahmsweise<br />

oder an christlichen Feiertagen. Das ist nichts anderes als ein<br />

Eingriff in das Kerngeschäft dieser Organisation: die Gewerbefreiheit.<br />

Das EU-Parlament will der Grenzschutzagentur künftig verbieten, ihre<br />

Kunden, die <strong>mit</strong> dem Boot anreisen, zurück ins offene Meer zu schicken.<br />

»Stellen Sie sich vor, Sie sind Lehrer und dürfen keine Schüler mehr<br />

züchtigen! Oder Sie sind Staatsanwalt und dürfen nicht mehr foltern<br />

lassen! So ähnlich kommen wir uns jetzt vor«, kommentiert ein Frontexaner<br />

aus dem nordrhein-westfälischen Venusberg das EU-Vorhaben.<br />

Er schlürft einen African Dream <strong>mit</strong> ordentlich Cremelikör, schaut auf<br />

das Meer vor Lampedusa und wird nachdenklich. Einmal habe er bei<br />

einem beruflichen Austauschprogramm <strong>mit</strong>gemacht und Kollegen in<br />

Texas, nahe der mexikanischen Grenze, besucht. »Die US-Grenzer<br />

können gar nicht so schnell nachladen, wie sie den Latinos Kugeln in<br />

den Arsch jagen«, sagt er wehmütig. Es gebe dort ein Spiel. Man ballert<br />

zwei Latinos Blei in unterschiedliche Organe und schaut, wer von beiden<br />

weiter kommt. Mit zerschossener Niere seien es durchschnittlich 50<br />

Meter, bei einer zerfetzten Lunge knapp 30 Meter. »In Europa ist all<br />

das nicht vorstellbar. No Fun, no Wettbewerb!«<br />

Denn in der EU weht ein gutmenschlicher Wind: Mit langweiligen<br />

Wärmekameras werden an den Außengrenzen durchgefrorene Fremdkörper<br />

irgendwo im Wald aufgewärmt, um <strong>mit</strong> ihnen in entspannter<br />

Atmosphäre und Wohlfühlambiente über Kants kategorischen Imperativ<br />

zu diskutieren:. »Wie würdest du es denn finden, wenn wir Europäer<br />

bei euch im Busch einfielen, eure Frauen behelligen und einfach nicht<br />

mehr gehen wollen?«, und so weiter. Manchmal versucht man die Meinungsverschiedenheiten<br />

in Rollenspielen aufzulösen. Dann werden die<br />

Bengel wieder zurückgeschickt und versuchen es erneut.<br />

Manch ein Frontexaner fragt sich, warum er sich nicht gleich bei der<br />

Caritas beworben hat. »Selbst Kollegen, die in Afghanistan Mäd chen -<br />

schulen betreut und Nadelarbeit unterrichtet haben, machen sich jetzt<br />

über uns lustig. Wir werden sogar gefragt, ob man schwul sein müsse<br />

oder Krankenschwester, um bei uns genommen zu werden«, heißt es<br />

hinter vorgehaltener Hand. Ein Grenzer hat von seinem Schwiegervater<br />

aus der Heimat zum Geburtstag eine rosafarbene Unterhose zugeschickt<br />

bekommen. Und Frontex hatte schon Angebote, sich an der Lotterie<br />

Aktion Mensch zu beteiligen. Die Folgen: Burn-out, Traumata, Depressionen,<br />

Geschlechtsumwandlungen … Fast 60 Prozent der Frontexaner<br />

leiden an Hitzewallungen, Schwindel und Schweißausbrüchen –<br />

typische Symptome von Frauen in den Wechseljahren. Es häufen sich<br />

32 EULENSPIEGEL 4/14


an der Küste Lampedusas<br />

t schon mal was an!<br />

Gerüchte, den Soldaten würden Östrogene in den Haferbrei gemischt,<br />

da<strong>mit</strong> sie auf hoher See auch mal ein Negerbaby stillen können, wenn<br />

die Mama ertrunken ist.<br />

Das Schlimmste ist die Missachtung seitens der Heimat. »Es wird einfach<br />

nicht anerkannt, was wir hier leisten«, so ein Frontexaner aus dem brandenburgischen<br />

Busendorf, dessen Mutter ihm verbietet, sich <strong>mit</strong> Namen<br />

zitieren zu lassen. Nicht einmal die Ereignisse vom Oktober 2013 hätten<br />

die lang ersehnte Aufmerksamkeit gebracht. Über 250 colored Fremd -<br />

körper, mutmaßlich islamistische Terroristen, Kriminelle und Studienabbrecher,<br />

wurden damals erfolgreich an der Einreise gehindert. Es war ein<br />

Moment des Stolzes. Ein kurzer Moment. »Wir haben Warnschüsse abgegeben,<br />

aber da<strong>mit</strong> sie nachts auch gesehen werden können, waren es<br />

natürlich Leuchtfeuer. Da brennt dann schon mal was an, da hilft nur untertauchen«,<br />

erinnert sich der Busendorfer an die Komplexität seiner Aufgabe,<br />

die ihn eigentlich zum Helden machen sollte. Angst habe er in dem<br />

Moment keine gehabt. »Dafür war ich viel zu sehr auf meine Arbeit konzentriert.«<br />

Anschließend habe man die Vorkommnisse der Pressestelle<br />

<strong>mit</strong>geteilt – 250 illegal Einreisende, die bestimmt nicht wiederkommen!<br />

»Aber die glaubten uns einfach nicht!« Die Frontexaner waren fassungslos.<br />

Am Ende reichte es gerade einmal für die Schlagzeile »Unglück vor Lampedusa«.<br />

Es ist einfach jämmerlich.<br />

Und nun setzt die EU <strong>mit</strong> ihren neuen Einsatzregeln allem noch die<br />

Krone auf. »Vorher war es schon so, als hätten die da in Brüssel uns die<br />

Eier abgeschnitten«, sagt der Venusberger Frontexaner <strong>mit</strong> dem Cremelikör.<br />

»Aber jetzt kauen sie auch noch auf ihnen herum!« Dann wird er wieder<br />

nachdenklich und schaut auf das Meer. Manchmal sei der Weg hin zu Anerkennung<br />

und Achtung als Teil der Gesellschaft eben lang. »Aber wir<br />

geben nicht auf. Wir kämpfen um unsere Würde. Gehen Sie da raus, und<br />

erzählen Sie der Welt von uns!«, so sein Hilferuf von der Küste Lampedusas.<br />

Valentin Schark<br />

Zeichnung: Klaus Stuttmann<br />

EULENSPIEGEL 4/14 33


Unsere<br />

Lieder -<br />

Unser<br />

Leben<br />

34 EULENSPIEGEL 4/14


em Ersten Weltkrieg, dessen freudigen Beginn wir in diesem<br />

Jahr feiern, darf man nicht nur <strong>mit</strong> Achtung vor der<br />

technischen und militärischen Leistung, man sollte seiner<br />

auch <strong>mit</strong> Dankbarkeit gedenken: Er hat der Zivilisation den Donnerbalken<br />

geschenkt! Sein Erfinder ist unbekannt gefallen. Der D. sorgte<br />

nicht nur für ein unverzichtbares Maß an Hygiene in den Gräben. Ihn<br />

vor der Schlacht aufzusuchen, war zudem für einen erfolgreichen Angriff<br />

dringend geboten (zu oft hatten sich Männer dies- und jenseits der Front<br />

vor dem Tod gedrückt, indem sie sich aufs WC im Hinterland abmeldeten).<br />

Der D. hatte auch einen gemeinschaftsstiftenden Wert: Ernst Jünger<br />

(1895-1998) beschrieb in Stahlgewittern eindrücklich, wie auf ihm<br />

die Kameradschaft wuchs, ja eine gewisse Inti<strong>mit</strong>ät entstand und der<br />

Krieg sich von seiner lustigen Seite zeigte. Letztmalig wurde der<br />

D. im vorigen Jahrhundert auf FKK-Zeltplätzen an der Ostsee und als<br />

Disziplinierungs<strong>mit</strong>tel in Kinderkrippen der DDR verwendet.<br />

Dem D. gelang es, sich eine herausragende Stellung im deutschen<br />

humoristischen Volksschaffen – das ja vornehmlich Fäkalhumor ist –<br />

zu erobern und diese bis heute zu halten. In unten stehendem Werk<br />

beachte man den optimistischen Schluss, der <strong>mit</strong> der Realität des<br />

Krieges zwar nichts zu tun hatte, aber den »ersehnten« Sieg (ein baldiges<br />

Sich-erleichtern-dürfen) antizipierte.<br />

MW<br />

Der Donnerbalken (Dichter<br />

unbekannt)<br />

Auf dem Donnerbalken saßen zwei Gestalten,<br />

und sie schrien nach Klopapier, Klopapier!<br />

Und dann kam der Dritte, setzt sich in die Mitte,<br />

und sie schrien nach Klopapier, Klopapier!<br />

Und dann kam der Vierte, der sich gleich beschmierte,<br />

und sie schrien nach Klopapier, Klopapier!<br />

Und dann kam der Fünfte, der die Nase rümpfte,<br />

und sie schrien nach Klopapier, Klopapier!<br />

Und dann kam der Sechste, der sich gleich bekleckste,<br />

und sie schrien nach Klopapier, Klopapier!<br />

Und dann kam der Siebte, der die Scheiße siebte,<br />

und sie schrien nach Klopapier, Klopapier!<br />

Und dann kam der Achte, als der Balken krachte,<br />

und sie schrien nach Klopapier, Klopapier!<br />

Und dann kam der Neunte, als die Scheiße schäumte,<br />

und sie schrien nach Klopapier, Klopapier!<br />

Und dann kam der zehnte, brachte das ersehnte<br />

Klo – pa – pier!<br />

EULENSPIEGEL 4/14 35


Fremde<br />

Länder<br />

Der Nebelspalter, gegründet 1875, ist das älteste Satireblatt der Welt. Jedoch – von seinen<br />

über 89 Abonnenten abgesehen – kennt ihn kaum einer, weil er in einem winzigen Land erscheint,<br />

das sehr versteckt liegt und einen Humor pflegt, der nur in der Schweiz verstanden<br />

wird. Deutsche, die dieses Land besuchen, bringen fast nie einen Nebelspalter <strong>mit</strong> nach<br />

Hause, weil sie so viel anderes Papier schleppen müssen.<br />

Von Anfang an dabei ist Roland Schäfli, nach eigenen und nach Angaben seines Chefredaktors<br />

der beste noch lebende Autor der Schweiz. Nach schwierigen Vertragsverhandlungen<br />

(er wollte das Honorar auf ein anonymes Nummernkonto der Stadtsparkasse Eisenhüttenstadt),<br />

war er bereit, dem EULENSPIEGEL seine Welt zu erklären.<br />

haarscharf aus, bei Fussball-Weltmeisterschaften<br />

und Weltkriegen, stets fehlte<br />

zum Endsieg der nötige Biss. Für Freudianer<br />

ein klarer Fall: Wo normale Menschen<br />

im Unterbewusstsein ein Phallussymbol<br />

stehen haben, steht beim Deutschen<br />

die nackte Angst vor dem eigenen<br />

Versagen. Psychologen sind sich einig,<br />

dass Selbsthass zu Potenzangst führt.<br />

Jüngstes Beispiel für diese deutsche Urangst,<br />

sich selbst nicht genügen zu können,<br />

ist der Rücktritt des deutschen Papstes.<br />

Die deutsche Geschichte ist voll von<br />

Ereignissen, die diese Theorie stützen.<br />

So nannte sich der deutsche Erfinder des<br />

Penisneids selbst »Karl der Große« (auch<br />

der spätere »Friedrich der Große« soll<br />

im Bett kein Eurofighter gewesen sein).<br />

Viele Deutsche sind ja fest davon überzeugt,<br />

Helvetien sei eigentlich ein Bundesland,<br />

dessen putzige Bewohner einen<br />

etwas komischen deutschen Dialekt<br />

sprechen. Seit wir 1648 vom Großdeutschen<br />

Reich abgetrennt worden sind, bestreiten<br />

wir, überhaupt je zu Deutsch -<br />

land gehört zu haben. Wie eine Verwandtschaft,<br />

die einem etwas peinlich<br />

ist. Deshalb führt der bloße Gedanke an<br />

den EU-Beitritt beim Schweizer zu Phantomschmerzen.<br />

Schon vor der 50,3-Abstimmung begannen<br />

überzählige Deutsche, in ihre<br />

Heimat zurückzukehren. Sonst muss<br />

man ja für Deutsche immer erst eine<br />

Mauer einreißen, bevor die nach Hause<br />

zurückkehren. Als Souvenirs ihres<br />

Schweiz-Aufenthalts nehmen viele eine<br />

Schweizerin <strong>mit</strong>. Es ist das erste Mal in<br />

der Geschichtsschreibung, dass Deut -<br />

sche friedlich aus einem besetzten<br />

Gebiet abziehen. Dieser Rückzug ist die<br />

größte deutsche Völkerwanderung seit<br />

den Jahren der germanischen Expansion<br />

39-45. Darum gilt es innerhalb der Bes-<br />

Als mich der EULENSPIEGEL aufforderte,<br />

in 6 000 Zeichen zu schreiben, warum<br />

die Schweiz Deutschland hasst, war<br />

meine spontane Reaktion, unter 12 000<br />

Zeichen geht da gar nichts. So knappe<br />

meiner neuen Schweizer Freunde (ehemals<br />

Deutsche) gefragt, was sie denn an<br />

Deutschen ganz besonders stört, und dabei<br />

wie die meisten von uns nachsichtig<br />

über ihren Akzent hinweggehört. Als<br />

milienväter ihre Dienstwaffe auf die Familie<br />

richten, nur weil ein Deutscher namens<br />

Schiller eine Geschichte um einen<br />

Vater verzapfte, der dem Sohn den Appel<br />

vom Kopp schießt. Dass unsere Tatort-<br />

Mehrheiten machen manchmal viel aus. gute Schweizer sagten sie erst, von den Kommissare ein Kuhschweizerisch<br />

In der Volksabstimmung darüber, ob<br />

Deutsche weiterhin ungehindert in die<br />

Schweiz einwandern dürfen, sagten 50,3<br />

Prozent Nein zu Deutschen. Wer waren<br />

diese 0,3 Prozent? Unser Bundesamt für<br />

Statistik hat er<strong>mit</strong>telt, dieses Drittel Prozent,<br />

das Zünglein an der Waage, setzt<br />

sich aus eingebürgerten Deutschen zusammen.<br />

Jawohl, Papierli-Schweizer, abtrünnige<br />

Deutsche also, die sich so gut<br />

integriert haben, dass sie Deutsche hassen,<br />

als hätten sie schon immer hier gelebt.<br />

Gegen ihre vormaligen Landsleute<br />

zu stimmen, war der letzte Schritt ihres<br />

freiwilligen Ausschlusses (umgekehrter<br />

Vorgang von Anschluss). Ex-Deutsche,<br />

haben sie den Exorzismus ihrer deutschen<br />

Staatsangehörigkeit erst mal hinter<br />

sich, gleichen militanten Nichtrauchern.<br />

Warum hassen Deutsche Deutsche<br />

<strong>mit</strong> einer Inbrunst, die nur in einem tief<br />

verwurzelten Selbsthass begründet sein<br />

kann? Für diese ausgeprägte Selbstverachtung<br />

gibt es einen Grund: Sie ist berechtigt.<br />

Ich habe für diesen Text einige<br />

Schwaben wollten sie gar nicht erst anfangen.<br />

Da sie aber trotz deutscher Modekrankheiten<br />

wie Laktoseintoleranz<br />

echte Kuhschweizer geworden sind, ließen<br />

sie diese günstige Gelegenheit nicht<br />

ungenutzt:<br />

Dass sie sich in den Kader-Jobs, die<br />

sie gutmütigen Schweizern weggeschnappt<br />

haben, aufführen wie deutsche<br />

Filmregisseure <strong>mit</strong> Megafon und Reitstiefeln.<br />

Dass unsere Banken Bußen zahlen<br />

sollen, weil sie jahrelang treu das<br />

Geld der Deutschen verwaltet haben,<br />

was schließlich zu unserem Kern ge -<br />

schäft zählt. Dass wir heute noch die nervige<br />

Debatte führen müssen, warum Fa-<br />

reden müssen, obwohl sie es im Fall besser<br />

könnten, gell! Dass sie stets von<br />

Neuem darauf hinweisen, wie sehr sie<br />

die Schweiz lieben, weil hier alles so<br />

klein und niedlich sei. Dass sie sich auf<br />

subtiles Mobbing verstehen: »Schon gemerkt?<br />

Der Rainer stinkt.« Dass sie beharrlich<br />

darauf bestehen, sie könnten<br />

Schwyzerdütsch sprechen, wenn sie nur<br />

wollten. Dass wir ihre Fluglärm-Proteste<br />

nicht mehr hören können. Wir haben damals<br />

schließlich auch den Lärm der Berliner<br />

Luftbrücke klaglos erduldet.<br />

Das haarscharfe Resultat von 50,3 wiederspiegelt<br />

auch deutsche Geschichte.<br />

Immer schon ging es für die Deutschen<br />

Selbsthass ist<br />

keine Lösung<br />

Alois Reltih ist in den Bergen zu Hause. Obwohl<br />

er dem Flachland nicht traut, hat sich der naturbelassene<br />

Milchbauer an diesem frühen Morgen<br />

hinunter ins Tal begeben. Es ist Tag eins nach<br />

dem Volksentscheid. Reltih will sich <strong>mit</strong> eigenen<br />

Augen davon überzeugen, dass sich etwas verändert<br />

hat.<br />

Am Ufer von Grottighofen legt im blutroten<br />

Morgengrauen ein rostiger Frachter an. Er kommt<br />

aus Deutschland und hat Deutsche an Bord. Alle<br />

wissen das. Der Kapitän sagt, er habe Bananen<br />

aus dem Kaiserstuhl geladen, wie immer, und<br />

zwinkert dem Zollbeamten zu. Bislang war er da<strong>mit</strong><br />

durchgekommen. Nie wurde seine Fracht kontrolliert.<br />

Reltih spitzt seine moosigen Ohren, die<br />

Haarbüschel, die aus den Gehörgängen wuchern,<br />

bewegen sich im Einklang <strong>mit</strong> dem Wind. Dann<br />

hört er den entscheidenden Satz. »Sie händ sicher<br />

nünt dägege, wenn ich mol en Blick hinei<br />

Solch lange Strapazen nimmt<br />

nur auf sich, wer nichts zu verlieren hat.<br />

Lehrer, Bauingenieure, Architekten,<br />

Pharmazeuten<br />

werf, odrr?«, fragt der Zöllner. Reltih spürt eine<br />

behagliche Wärme, es ist, als würde er von der<br />

Heimat umarmt. In diesem Moment wird ihm klar,<br />

dass er nicht umsonst abgestimmt hat.<br />

Ungläubig schaut der deutsche Kapitän den<br />

Zöllner an, öffnet das Schloss und wuchtet unter<br />

lautem Knarzen die schwere Containertür auf.<br />

Ein ängstliches Wimmern dringt aus dem Dunkel.<br />

Das Tageslicht trifft auf ein Meer von weit aufgesperrten<br />

Augen. Reltih zählt nach und kommt<br />

auf 56 Augen. »Das entspricht 56 neuen Zuwanderern«,<br />

sagt er, dem als kleiner Bub ein Kuhhorn<br />

den linken Augapfel ausstach.<br />

Mit verschreckten Trippelschritten folgen die<br />

Deutschen dem Befehl des Zöllners und stellen<br />

sich in Zweierreihen auf. Sie sind gezeichnet,<br />

manche fallen vor Schwäche in Ohnmacht.<br />

Zusammengepfercht hatten sie in dieser Hölle<br />

36 EULENSPIEGEL 4/14


Burkhard Fritsche Jan Tomaschoff<br />

ten Armee der Schweiz als militärischer<br />

Sieg, die Hunnen bis an den Rhein zurückgeworfen<br />

zu haben, hinter unsere<br />

natürliche Grenze.<br />

Was uns (und da<strong>mit</strong> schließe ich die<br />

eingebürgerten Deutschen ein) neuerdings<br />

vor ein Problem stellt. Denn uns<br />

fehlt das deutsche Fachpersonal. Zugegeben.<br />

In bestimmten Branchen standet<br />

ihr Deutschen uns nämlich wirklich<br />

nahe. Ich denke da an das besondere Vertrauensverhältnis,<br />

wenn der deutsche<br />

Pfleger meine Bettpfannen leert. Unentbehrlich<br />

machten sich Deutsche auch als<br />

Chauffeure. Wussten Sie nicht? Weil der<br />

Schweizer Nachwuchs fehlt, lenken<br />

Deutsche unsere Postautos. Seither kommen<br />

diese nicht mehr pünktlich. Sie sind<br />

zu früh da.<br />

Wir werden ganz einfach wieder deutsche<br />

Billigland-Arbeiter heim ins Reich<br />

holen, wenn wir sie brauchen. Die Amis<br />

haben sich ja damals für die Raumfahrt<br />

auch deutsche Experten geholt. Wenn Ihr<br />

nur erst diesen Selbsthass in den Griff<br />

kriegt. Menschen, die sich selbst hassen,<br />

machen sich dadurch auch für andere<br />

hassenswert. Aber ich und die Meinen<br />

(da<strong>mit</strong> schließe ich die Ex-Deutschen<br />

ein) machen uns keine großen Sorgen.<br />

Die Deutschen sind immer wiedergekommen,<br />

egal wie schlecht wir sie behandelt<br />

haben. Selbst der Sterbetourismus<br />

floriert. Remarque und Mann machten<br />

sich auf unseren Friedhof-Hotspots<br />

schon lange breit. Seit Neuestem haben<br />

Deutsche den Service unserer Sterbehilfeorganisationen<br />

entdeckt. Nach der<br />

Behandlung lassen sie ihre Überreste in<br />

unseren klaren Bergseen versenken.<br />

Selbst Sterben finden viele Deutsche bei<br />

uns schöner als daheim. Wir können es<br />

Euch nicht verdenken.<br />

Roland Schäfli<br />

rmungslos und tödlich!<br />

aus Blech ausharren müssen – von Konstanz<br />

nach Grottighofen. Die Überfahrt dauert ganze<br />

sieben Minuten. Solch lange Strapazen nimmt<br />

nur auf sich, wer nichts zu verlieren hat. Lehrer,<br />

Bauingenieure, Architekten, Pharmazeuten<br />

und noch mehr Lehrer. Sie träumten von einem<br />

besseren Leben, jetzt droht ihnen die<br />

Abschiebung, noch ehe sie angekommen sind.<br />

»Wir haben doch nur Hunger«, fleht einer, der<br />

gerade seine Notdurft in die eigene Lap top -<br />

tasche verrichtet hat. Dieses Elend geht auch<br />

Reltih ans Herz. Wäre seine Schadenfreude<br />

nicht so groß, würde er am liebsten wegschauen.<br />

Wie in Grottighofen haben Schleuserbanden<br />

täglich Millionen von Deutschen in die Schweiz<br />

verschifft. Wer den Transport überstand, blieb<br />

Seit den Tagen Pizarros war ein Naturvolk<br />

nie wieder von einer fremden Macht so<br />

rücksichtslos behandelt worden wie die<br />

Schweizer von den Deutschen.<br />

nicht nur für immer, sondern nahm den Einheimischen<br />

auch noch Arbeit und Frauen weg und<br />

pflanzte sich fort, als gäbe es keinen Morgestraich<br />

mehr. Der Volksentscheid wird diesen Flüchtlings-<br />

Tsunami nun stoppen. Ausländer im Allgemeinen<br />

und Deutsche im ganz Besonderen sollen nicht<br />

mehr ungefiltert und ungewaschen die Grenze<br />

überqueren können. Mit Hochdruck bereitet der<br />

Bundesrat maßvoll-menschenverachtende Verordnungen<br />

vor. So soll es Migran ten, die sich in<br />

der Schweiz Arbeit und Wohnsitz erschlichen haben,<br />

bald nicht mehr gestattet sein, ihre Familien<br />

oder Haustiere nachzuholen beziehungsweise<br />

<strong>mit</strong> diesen zu skypen. Einheimische, die sich <strong>mit</strong><br />

einem Deutschen einlassen, verlieren <strong>mit</strong> sofortiger<br />

Wirkung die Staatsbürgerschaft und gelten<br />

als vogelfrei. Mischlingskinder, die zwar keine<br />

Mundart sprechen, aber immerhin eine gene -<br />

tische Disposition dafür besitzen, kommen ins<br />

Sprachumerzierhungslager nach Davos, wo sie<br />

EULENSPIEGEL 4/14 37


Das Schweizer<br />

Arten<br />

vielfalt<br />

Es spricht Deutsch – oder etwas,<br />

das so ähnlich klingt. Es<br />

gibt auch frankophone Exemplare.<br />

Im südlichen Bereich<br />

ist das Schweizer zu einer lustigen Unterart <strong>mit</strong><br />

Hütchen mutiert, die sogar besser Italienisch<br />

sprechen kann als jeder deutsche Tourist, der einen<br />

Kaffee bestellt.<br />

Das gemeine Schweizer ist ein kleiner Bergbewohner,<br />

der <strong>mit</strong> Goldbarrenrasseln links und<br />

rechts in den Händen und einer goldenen Kuhglocke<br />

um den Hals geboren wird und homosexuelle<br />

Handlungen seit 1942 offiziell legal bzw.<br />

anal verrichtet. Dass es sich auf der Alm <strong>mit</strong><br />

Ziegen paart, gehört wohl ins Reich der naturwissenschaftlichen<br />

Spekulation. Was man ihm<br />

aber vorhalten muss, ist, dass es eine gewisse<br />

»Heidi« nicht vom warmen Schoß ihres Großvaters<br />

gerettet hat!<br />

Das Schweizer ist scheu. Doch wenn es sich<br />

provoziert fühlt, kann es unangenehm werden.<br />

Um nicht in Beißereien zu geraten, hat das<br />

Schweizer eine geölte Muskete unterm Bett: Lieber<br />

eine Waffe im Schrank als eine Wade<br />

zwischen den Zähnen, lautet der Slogan im Land<br />

der Kantone.<br />

Andreas Prüstel<br />

Der Lebensraum des Schweizer ist imposant<br />

und schwer zugänglich. Es ist kein Wunder, dass<br />

das Schweizer glaubt, allein auf der Welt zu sein,<br />

da es die Berge kaum überwinden kann. Es entwickelte<br />

in der Einsamkeit merkwürdige Gewohnheiten<br />

wie das Trycheln (böse Geister <strong>mit</strong> Kuhschellen<br />

vertreiben), den Inzest und das Alphornblasen.<br />

Seinen Nachkommen gibt das Schweizer gern<br />

lustige Namen wie Peterli oder Hansi, ob diese<br />

im Zusammenhang <strong>mit</strong> dem Müsli stehen, weiß<br />

man nicht.<br />

Außer 26 Kantonen, so groß wie ein Bankschließfach,<br />

hat das Schweizer nichts zu bieten.<br />

Vermutlich ist es die Luft, die nach Geld riecht,<br />

die viele Fremde in sein Land lockt. Das Schwei -<br />

zer gibt auch gern Asyl, z.B. Steuerflüchtlingen<br />

aus Deutschland. Die sind deshalb gern gesehen,<br />

weil sie körperlich zu Hause bleiben, aber ihre<br />

Ersparnisse dem Schweizer überlassen.<br />

Schokolade und Käse sind für das Schweizer<br />

ein lebensnotwendiges Nähr<strong>mit</strong>tel. Gern behauptet<br />

es, es habe alles erfunden. Beim Schweizer<br />

gibt es abwechselnd Käsefondue und Käse-Raclette,<br />

und jeden Abend eine Lindt-Sprüngli-Schokolade<br />

hinten drauf. Reich ist das Schweizer auch<br />

an Uhren. Das macht es zu einer ordentlichen<br />

und präzisen Art. Allerdings tickt es recht lang -<br />

sam, was auch seine maximale Geschwindigkeit<br />

von 120 km/h auf deutschen Autobahnen <strong>mit</strong> seinem<br />

500 PS starken Porsche Cayenne erklärt.<br />

Insgesamt ist das Schweizer aber der Wissenschaft<br />

immer noch ein Rätsel. Zum Beispiel gibt<br />

es ein Exemplar, das kann durch bloßes mentales<br />

Starren einen goldenen Löffel verbiegen ...<br />

Cathleen Held<br />

täglich acht Stunden Rätoromanisch pauken und<br />

Emil-Sketche anschauen müssen.<br />

»Ich habe ja nichts gegen Ausländer«, sagt<br />

Alois Reltih beinahe entschuldigend. »Neger, Zigeuner<br />

oder Talibanesen können meinetwegen<br />

hier blei ben. Aber die Deutschen passen einfach<br />

nicht in unseren Kulturkreis.« Der 94-jährige Philanthrop<br />

ist wieder auf seine Alm zurückgekehrt<br />

und hat auf einem Baumstumpf Platz genommen.<br />

Seine einzige Kuh leistet ihm Gesellschaft und<br />

schleckt Brotreste und Insekten aus seinem Bart.<br />

Sie heißt Helvetia. An diesem Ort fühlt sich Reltih<br />

aufgehoben, das ist sein Land, hier kommt er<br />

zur Ruhe. Plötzlich zuckt sein rechtes Augenlid,<br />

auf dem geröteten Nacken bilden sich Pusteln,<br />

seine Stirn glänzt vor Angstschweiz. Helfen<br />

lassen will er sich nicht. »Das ist der Dich -<br />

testress«, sagt er und schnappt nach Atem. Er<br />

zeigt auf einen schwarzen Punkt auf der anderen<br />

Seite des Tals, den Nachbarshof in nur acht Kilometer<br />

Entfernung. Reltih ist sich sicher: »Da<br />

haben sich heimlich Deutsche eingenistet.« Er<br />

schaut zu Helvetia, sie schaut benommen zurück<br />

und schweigt. Dann lässt er seinen Blick zu den<br />

weißen Gipfeln schweifen und sagt: »Der Herrgott<br />

hat die Alpen nicht aus Zufall aufgefaltet.«<br />

Alois Reltih ist alt genug, um sich an die Zeit<br />

vor der Invasion zu erinnern. Anfangs seien die<br />

Deutschen durchaus beliebt gewesen. Auch er<br />

hatte zwei auf seiner Alm. Mit welcher Kraft sie<br />

die Egge zogen, nötigt ihm noch heute Respekt<br />

ab. Doch die beiden Deutschen wurden immer<br />

maßloser. Zunächst verlangten sie eine warme<br />

Mahlzeit pro Woche, dann einen Mindestlohn, später<br />

gar eine Krankenversicherung. Aus Knechten<br />

wurden Herren.<br />

Und es wurden immer mehr. Ringsum unter -<br />

warfen sie Höfe (Migros, Novartis, Nestle), plünderten<br />

Rohstoffe (Käse, Schokolade, Edelweiß)<br />

und schleppten unbekannte Krankheiten ein (Pocken,<br />

Burn-out, Hochdeutsch). Seit den Tagen<br />

Pizarros war ein Naturvolk nie wieder von einer<br />

fremden Macht so rücksichtslos behandelt worden<br />

wie die Schweizer von den Deutschen.<br />

Wer sich diese Geschichte vor Augen führt,<br />

lernt das Abstimmungsverhalten der Eid ge nos -<br />

sen besser zu verstehen. Gerade wir Deutschen<br />

sollten runter von unserem hohen Kolonialross.<br />

Zumal ein Volksentscheid bei uns wahrscheinlich<br />

ähnlich ausgegangen wäre. Zumindest vor gut<br />

achtzig Jahren. Weshalb wir heute von Glück<br />

reden können, dass es bei uns 1933 keine plebiszitäre<br />

Demokratie gab. Wir stünden sonst genauso<br />

am Pranger.<br />

Der Dichtestress hat Alois Reltih im Laufe der<br />

Jahre müde gemacht. Er schaut hinüber zu seiner<br />

Milchkuh, die für ihn immer mehr war als nur<br />

Rohstofflieferantin und Gespielin. Sie trottet ein<br />

paar Meter, bleibt stehen und fällt um. Bei aller<br />

Freude über den Erfolg: Für Helvetia kam der<br />

Volksentscheid zu spät.<br />

Florian Kech<br />

38 EULENSPIEGEL 4/14


Anzeige


Zum Stehlen geschaffen,<br />

zum Klauen bestellt<br />

Auf die Korruptheit unserer Politiker dürfen wir <strong>mit</strong> Recht stolz sein.<br />

Wie korrupt sind nach Adam Riese unsere deutschen<br />

Politiker, und wenn ja, warum denn auch<br />

nicht? Wer unter dem Wahlvolk seine wirklichen<br />

Empfindungen an die Oberfläche lässt, muss doch<br />

zugeben, dass er nicht <strong>mit</strong> wohlfeil schmeckender<br />

Empörung, sondern von A bis Z angefüllt <strong>mit</strong> Spannung,<br />

Befriedigung und Wohlbehagen die jüngsten<br />

Entwicklungen dieses Sektors verfolgt hat. Kaum<br />

war die meterhohe Freude am Casus Eckart von<br />

Klaeden (Kanzleramt c/o Daimler AG) verpufft, fütterte<br />

der Fall des Ronald Pofalla, der von seinem<br />

jahrelangen Wohnsitz unter Angela Merkel zügig<br />

in den Vorstand der Deutschen Bahn umzuziehen<br />

gedachte, die Flamme der Begeisterung von Neu -<br />

em. Ältere Leser haben auch noch die Fußballeuropameisterschaft<br />

2012 in ihrem guten Kopf, als<br />

während des Halbfinals Deutschland gegen Italien<br />

binnen 57 Sekunden das klammheimlich zurechtgebogene<br />

Meldegesetz durch den Bundestag<br />

rutschte, ein Modellfall effizienten Arbeitens!<br />

Lo Blickensdorf<br />

Richtig also, dass die Justiz die Spezies der<br />

lupenreinen Bundespolitiker weitgehend in Frieden<br />

durch die Welt rudern lässt. Nur weiter unten<br />

wird sie gelegentlich frech bis unter die Schädelhaube.<br />

Um ein aktuelles Beispiel aus der deutschen<br />

Presse zu fischen: Seit Mitte Februar 2014<br />

muss sich der Gubener Bürgermeister Klaus-Dieter<br />

Hübner (FDP) vor dem Landgericht Cottbus<br />

nackt ausziehen, obwohl er sich von einer Garten -<br />

baufirma kostenlos das eigene Grundstück aufbrezeln<br />

ließ, ihr dafür fette Aufträge für die städtische<br />

Rasenpflege in die weit offene Tasche<br />

schob und also genau das tat, wofür Politiker<br />

nun einmal da sind.<br />

Dass Politiker nicht anders können, als sie<br />

eben können, ist dem <strong>mit</strong> Grundrechenarten vertrauten<br />

Wahlvolk sonnenklar. Siehe die Causa<br />

des schön anzuschauenden Hans-Peter Uhl<br />

(CSU), der das oben bezifferte Meldegesetz auf<br />

die Beine brachte und 2013 in seinem Münchner<br />

Wahlkreis erneut direkt in den Bundestag hineingewählt<br />

wurde, und zwar <strong>mit</strong> noch mehr Prozenten<br />

in der Tasche als 2009: Man gönnt den Politikern<br />

ihr eigens für sie zurechtgeschniegeltes<br />

Biotop, in dem sie nach Herzenslust Geld und<br />

Posten ernten können. Da gibt es ein luxuriöses<br />

Abendessen <strong>mit</strong> ein paar Damen zum Nachtisch;<br />

eine saftige Lustreise wie im Fall des 1999 leider<br />

abgeschossenen niedersächsischen Ministerpräsidenten<br />

Gerhard Glogowski (SPD); ein bezahltes<br />

Hotelbett wie im Fall des 2012 dummerweise fortgeekelten<br />

Bundespräsidenten Christian Wulff<br />

(CDU); hochglanzvergütete Vorträge wie im Fall<br />

des noblen Peer Steinbrück (SPD); leckere Ver<strong>mit</strong>tlung<br />

von prickelnden Kontakten zu den Erhabenen<br />

von Industrie und Handel durch Stiftungen<br />

etwa des Medienkonzerns Bertelsmann oder<br />

des Versandhauses Otto (vor allem für Kommunalpolitiker<br />

lukratives Stichwort: Stiftung Lebendige<br />

Stadt), durch Institute wie das European<br />

Centre for Energy and Resource Studies des Fried-<br />

40 EULENSPIEGEL 4/14


Andreas Prüstel<br />

bert Pflüger (CDU) oder PR-Büros wie das des<br />

Moritz Hunzinger, der Rudolf Scharping (SPD) an<br />

der Angel hatte; und flächendeckend den Wink<br />

<strong>mit</strong> einem hübsch gepolsterten Posten in der Wirtschaft<br />

nach dem Ende der politischen Laufbahn<br />

wie für Gerhard Schröder, Joschka Fischer, Wolfgang<br />

Clement, Roland Koch, Kurt Beck, Walter<br />

Riester, Otto Schily, Bert Rürup usw. usf.<br />

Egal ob Erziehung, Umwelteinflüsse oder genetische<br />

Veranlagung – darüber mögen Molekularpädagogen<br />

und Soziobiologen sich bis in die<br />

Wolle streiten –, die vielen Namen beweisen so<br />

klipp wie klar, dass Politiker so sind, wie sie sein<br />

müssen, nämlich bestmöglich an ihr Milieu ange -<br />

passt: Bis auf die Stelle hinter dem Komma besteht<br />

es aus 2 159 Lobbyverbänden, die beim<br />

Bundestag legal ihr Geschäft verrichten, vom<br />

Deutschen Abbruchverband über die Tuberöse<br />

Sklerose Deutschland bis zum Verband der Seemannsfrauen,<br />

von der Bundesvereinigung Sadomasochismus<br />

e.V. über den Fach- und Interessen -<br />

verband für seilunterstützte Arbeitstechniken bis<br />

zum Zentralverband Naturdarm.<br />

Dass Deutschland der UN-Konvention gegen<br />

Korruption jahrhundertelang nicht beitrat bzw.<br />

solche Pläne stets in den Kinderschuhen einschliefen,<br />

hat nun zwar ein Ende, muss aber niemanden<br />

nervös aus den Schuhen heben. Gewiss:<br />

Offiziell droht demnächst trockenes Wasser und<br />

Brot allen, die sich »ungerechtfertigte Vorteile«<br />

oder »Gegenleistungen« auf den Teller laden und<br />

»eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehmen<br />

oder unterlassen«, wobei nicht nur der<br />

klar zitierte Stimmenkauf zum Tod führt, sondern<br />

auch, wenn man an fremder Leine geführt Gesetzesvorschläge<br />

oder -passagen einbringt. Doch<br />

das alles ist zum Glück niemals auf Strich und<br />

Faden nachweisbar und im Übrigen der Bestechungsversuch<br />

weiterhin nicht strafbar, also<br />

legal; und schön leuchtet im Gesetzentwurf der<br />

Satz: »Für die Wirtschaft, insbesondere für <strong>mit</strong>telständische<br />

Unternehmen, entstehen durch dieses<br />

Gesetz keine Kosten.«<br />

Die entstanden nota besonders bene bisher<br />

auch nicht, wenn Minister auf Auslandsreisen ihre<br />

einschlägig befreundeten Unternehmer und Manager<br />

an Bord hievten. Schließlich werden sie<br />

da für ihrem Daseinszweck gemäß nach ihrem Politikerleben<br />

durch ein weiches Kissen in Aufsichtsräten,<br />

Kuratorien etc. entlohnt, auf dem sie weiter<br />

durch ihr Leben reiten. Ach, wenn man da <strong>mit</strong>reiten<br />

dürfte!<br />

Peter Köhler<br />

EULENSPIEGEL 4/14 41


Wetterfest<br />

Dieser Kulturpessimismus, diese irrationalen<br />

Ängste, die Technik würde<br />

dem Menschen das Denken rauben!<br />

Und nie ist man bereit, sich der Bereicherung<br />

an Aufklärung, an Sicherheit<br />

und Information, die <strong>mit</strong> dem<br />

Fortschritt einhergehen, einmal dankbarerweise<br />

bewusst zu werden! Meint<br />

doch mein durch und durch analoger<br />

Chef, dass nunmehr der ideale Zeitpunkt<br />

(er sagt: »dein Kairos, Kollege!«)<br />

sei, meinen Kehrdienst auf<br />

dem Hof aufzunehmen. Ja, blickt man<br />

lediglich aus dem Fenster heraus, so<br />

macht es, was ich dem Chef zugutehalten<br />

muss, realiter den Eindruck,<br />

als scheine die Sonne. Aber ist das<br />

auch »wahr« im erkenntnistheoretischen<br />

Sinne? Erst mein Smartphone<br />

weiß, dass es stürmt und regnet.<br />

Beinahe wäre ich raus in dieses<br />

Scheißwetter und würde dafür <strong>mit</strong><br />

verächtlichen Blicken meiner digitalen<br />

Community im Frühstücksraum<br />

gestraft.<br />

Fabian Lichter<br />

Aufbestandsnahme<br />

Zuflussende Vernehmung von Giften,<br />

Schmutzverluftung, schmocken -<br />

de Gift-Knebel, gebrochene System-<br />

Ökos, furzende Methan-Kühe,<br />

sinn liche Wahn-Rinder, grippig Vögelnde<br />

und pestende Schweine, lasagnehaltige<br />

Fleischpferde, Übermeerung<br />

von Fischen, Schwarten-<br />

Sterben, Knappstoff-Verrohung, abgeregnete<br />

Holzwälder, Ozonbau der<br />

Abschicht, gletschernde Schmel zen,<br />

spiegelnde Steigmeere, flutende<br />

Schwemm-Übungen, Wellen-Hitze,<br />

periodisch Dürre, Sturzsammlung<br />

aller Ketten-Nahrungen, hungernd<br />

Nötige, finanzielle Knappen, beschäftigte<br />

Verhältnis-Prekäre, scherende<br />

Kluften, Mut-Arme, Klon-<br />

Dumping, Hetzkrieger, fanatöse Religiösiker,<br />

die platt Denkende anders<br />

machen, rüstige Wahnsinnige,<br />

staatlicher Schurken-Terror, terroristische<br />

Staats-Schurken und schurkige<br />

Terror-Staaten, Überbewölkung,<br />

bazillige Organisten, die <strong>mit</strong><br />

Sagen und Pleuchen wie Schreu -<br />

hecken oder Mechstücken und Fle-<br />

Fle-Ziegen den Überzug <strong>mit</strong> Erde<br />

ballen, der gerichtlich Jüngste, der<br />

ewige Krampf zwischen GOTAN und<br />

Max Marsalek<br />

SATT, reitende Apos, die kalyptisch<br />

ihren Johannes offenbaren, das flutende<br />

Große, gewaltige Höhere, gegen<br />

die schwere Normalkräfte wie<br />

Gartenkinder würgen, erdige Krusten<br />

<strong>mit</strong> schrückenden und diebenden<br />

Tekkno-Platten, Ausbrecher, die<br />

Vulkane werden, Beb-Erden, Nortados,<br />

Na<strong>mit</strong>sumis, Klyzone, Windelwirbel,<br />

Hosenwasser, Brald-Wände,<br />

wüstende Verdeppung und ewiglich<br />

kalte Zeiteisen.<br />

Es ist ein Leben, dass wir noch<br />

am Wundern sind!<br />

Zarras<br />

Der Sabberack<br />

Wer kennt ihn nicht, den Mann, der<br />

uns wie zufällig begegnet und fragt:<br />

»Na, wie geht’s?« Ein Monster – ein<br />

zeitfressendes Monster!<br />

Wehe dem, der jetzt nicht unter Vorbringung<br />

eines auch noch so absurden<br />

Vorwandes (zum Beispiel: »Ich<br />

habe Wurst im Auto!«) sein Schicksal<br />

wendet und das Hasenpanier ergreift<br />

– der Sabberack lässt keine verspäteten<br />

Versuche zu.<br />

»Also, wir waren in diesem Jahr ...«<br />

könnte man antworten, aber der<br />

Sabberack hat schon die Gesprächsleitung<br />

an sich gerissen und wendet<br />

ein: »Hör’ mir auf <strong>mit</strong> diesem Jahr –<br />

nur Regen! Und die Kinder! Meine<br />

Frau hat meiner Schwester ...«<br />

Das Leben rauscht im Zeitraffer an einem<br />

vorüber. Man weiß, gleich ist es<br />

zu Ende, man fühlt keinen Schmerz –<br />

man fühlt nur, dass man stirbt.<br />

Wann? Das weiß man nicht so genau.<br />

Man weiß nur, warum: Sabberack<br />

frisst Leben auf.<br />

Ihm ist jedes Mittel recht: Er reißt<br />

Seitenspiegel von anfahrenden Autos,<br />

er steht wie angewurzelt in Aufzugstüren,<br />

er ignoriert Schließzeiten<br />

von Geschäften, er folgt einem auf<br />

die Toilette, er ist resistent gegen<br />

verbale Attacken wie: »Hast Du keinen<br />

Schrank zum Vollquatschen?«<br />

oder »Kau’ mir doch kein Ohr ab!«.<br />

Man müsste ihn erschlagen. Das Einzige,<br />

was uns davon abhält, ist die<br />

Aussicht auf 25 Jahre Doppelzelle in<br />

Gegenwart eines Sabberacks.<br />

Das Erstaunliche ist, dass der Sabberack<br />

selbst keine Befriedigung beim<br />

Sabberacken empfindet. Mit wegwerfender<br />

Handbewegung wendet er<br />

sich von seinem Opfer ab und murmelt:<br />

»So ein Langweiler – die pure<br />

Zeitverschwendung!«<br />

Kay Kowollik<br />

Anzeigen<br />

Dircksenstr. 48 Am Hackeschen Markt Mo-Fr 10-20 Sa 10-17<br />

Oranienstr. 32 Kreuzberg Mo-Mi 10-18.30 Do-Fr 10-20 Sa 10-16<br />

42 EULENSPIEGEL 4/14


Der schlechte Witz<br />

»Ich mache nicht viele<br />

Worte«, erklärte der<br />

Chef dem neuen Lehrling,<br />

»wenn ich <strong>mit</strong> dem<br />

Finger schnippe,<br />

kommst du, klar?« –<br />

»Ich mache auch nicht<br />

viele Worte«, antwor tete<br />

der Knabe, »wenn ich<br />

den Kopf schüttele,<br />

komme ich nicht.«<br />

Bedrohte Mitbewohner:<br />

Der Gemeine Senkel<br />

(Nanostricklus vulgaris)<br />

Einst konnte er einem ganz schön auf den<br />

Senkel gehen. Dann aber wurde er durch<br />

eingebürgerte Unarten (sogenannte Neoobszöne)<br />

wie den Klettverschluss verdrängt,<br />

und immer seltener konnte man<br />

ihn beim Schnüren beobachten. Inzwischen<br />

steht er auf der Toten Liste. Nun<br />

konnte er jedoch erneut nachgewiesen<br />

werden, wenn auch nur als Totfund, wahrscheinlich<br />

ein Opfer des motorisierten Verkehrs.<br />

Zoolo gisch betrachtet gehört er zur<br />

Ordnung der Schnürbänder, den abiotischen<br />

Schnur- oder B(l)indwürmern. Er<br />

lebt parasitär von Fußgeruch.<br />

Andreas Arnold<br />

Dem Ringelnatz (Natrix natrix) zum Verwechseln<br />

ähnlich: Verkehrsopfer Gemeiner<br />

Senkel. Charakteristisch für die gesamte<br />

Gattung: Er hat zwei Enden, von denen<br />

eins der Anfang ist.<br />

Ein richtiger Schritt<br />

Rentnerbereinigungsgesetz<br />

(ReBeGes)<br />

Wegen der demografischen Entwicklung<br />

in Verknüpfung <strong>mit</strong> dem<br />

Klimawandel sowie aus ästhetischen<br />

Gründen sind Bürger nach<br />

Vollendung ihres 68. Lebensjahres<br />

kostenpflichtig rentnerzubereinigen.<br />

Dies geschieht in einer<br />

frei heitlich-demokratischen, auf<br />

wis senschaftlichen Grundlagen<br />

basierenden Entrentnerungsprozedur<br />

durch einen demokratisch<br />

gewählten Rentnerberein ger in einer<br />

zentralen Rent ner be reini -<br />

gungs stelle (ReBeSt), die von jeder<br />

Gemeinde bereitgestellt werden<br />

muss. Einzelheiten zu der Ent -<br />

rentnerungsprozedur werden in<br />

der ersten Durchfüh rungs bestim -<br />

mung geregelt. Die Kosten setzen<br />

sich wie folgt zusammen:<br />

• Entrentnerungsprozedur:<br />

0,10 Eu ro<br />

• Rentnerbereiniger: 13,50 Euro<br />

• Allgemeine Verwaltungskosten:<br />

181,75<br />

Bei Rentnerzubereinigenden <strong>mit</strong><br />

einer möglicherweise bei der Entrentnerungsprozedur<br />

störenden<br />

Allergie (z.B. gegen Stahl/Nickel)<br />

kann unter Vorlage eines ärztlichen<br />

Attestes der Einsatz anderer Materialien<br />

(z.B. Titan, Silber) beantragt<br />

werden. Die zusätzlichen Kosten<br />

übernimmt die Gemeinde. Auf<br />

Wunsch des zu Rent nerbereinigen -<br />

den kann die Rentnerbereinigung<br />

auch in dessen vertrauter Umgebung<br />

in der Woh nung des zu Rentn -<br />

erbereinigenden durchgeführt wer -<br />

den. Bestimmungen des Rent ner -<br />

berei ni gungs lärmschutzes (ReBe-<br />

LäSchu) sind dabei einzuhalten.<br />

Die Stärkung des sozialen Netzes ist ein ständiges<br />

Anliegen der Politiker. Aus populistisch-demagogischen<br />

Kreisen ist <strong>mit</strong>unter die Forderung<br />

zu hören, einfach den Reicheren etwas weniger<br />

und den Ärmeren etwas mehr Geld zu geben.<br />

Doch dies ist verwerf lich, denn Erstere haben<br />

als sogenannte Leistungsträger ohnehin schwer<br />

zu tragen. Es ist deshalb ein glücklicher Umstand,<br />

dass eine kleine, aber noch nicht völlig<br />

bedeutungslose Partei einen Vorschlag gemacht<br />

hat, der insbesondere eine Veränderung der uns<br />

alle bela stenden demografischen Struktur unserer<br />

Bevölkerung zum Ziel hat. Der Vorschlag<br />

mündete glücklich in das Rentnerbereini -<br />

gungsgesetz, das nunmehr im ersten Entwurf<br />

vorliegt:<br />

Bei Privatversicherten übernimmt<br />

die Versicherung 50 Pro -<br />

zent der Kosten. Sollte ein Rentnerzubereinigender<br />

die Kosten<br />

nicht selbst aufbringen können,<br />

wer den diese auf Antrag vom Sozialamt<br />

rückerstattet. Dem Antrag<br />

sind beizufügen:<br />

- beglaubigte Rentnerbereinigungsdurchführungsbestätigung<br />

(zweifach)<br />

- Impfausweis<br />

- polizeiliches Führungszeugnis<br />

- Geburtsurkunde<br />

Sollte sich herausstellen, dass ein<br />

Beitrag zu den Kosten einer Rentnerbereinigung<br />

durch falsche Angaben<br />

erschlichen wurde, wird<br />

dies <strong>mit</strong> Haft nicht unter zwei Jahren<br />

geahndet. Posthum. In einer<br />

Justizurnenverwahranstalt (JUVA).<br />

Rainer Franke<br />

Das Wiedersehen<br />

Als ich neulich im Café saß, bemerkte<br />

ich die stechenden Blicke<br />

des Tischnachbarn. Ein betagter<br />

Mann, grau meliertes schütteres<br />

Haar, hervorstechende Wangenknochen,<br />

das Gesicht voller Falten<br />

und <strong>mit</strong> Altersflecken übersät. Er<br />

kam schleichenden Schrittes in gebeugter<br />

Körperhaltung auf mich<br />

zu: »Erkennst du mich denn<br />

nicht?« Ich studierte ihn, und dann<br />

brach es aus mir heraus: »Natürlich,<br />

Herr Vogt, mein alter Klassenlehrer.<br />

Ist ja voll cool. Wie geht es<br />

Ihnen?«<br />

»Wie bitte?«, raunzte mein Gegenüber.<br />

»Ich bin’s, die Elvira,<br />

deine Jugendliebe!« – Ich musterte<br />

ihn: Tatsächlich, sie hatte recht!<br />

Guido Pauly<br />

Tacitus sagt<br />

Nicht alles wird belohnt:<br />

Der Wasserfall fällt<br />

auch des Nachts,<br />

obwohl ihn<br />

nachts<br />

niemand bewundert.<br />

EULENSPIEGEL 4/14 43


Bushido, 35, Rapper. Er kennt seinen Papa nur<br />

aus dem Fernsehen. Bushido wurde gezeugt,<br />

als der umtriebige Peter Scholl-Latour über die<br />

Brotunruhen in Tunesien berichtete. Nach dem<br />

Interview hatte eine junge Muslimin statt eines<br />

Fladenbrotes einen Bushido im Bauch. Seitdem<br />

gab es keinen Kontakt zwischen Sohn und Erzeuger.<br />

Bushido: »Isch hab echt immer Schiss, was der<br />

wieder fürn Scheiß labert, bei Jauch und so.<br />

Isch weiß jetzt auch nisch, wie isch den Vadder<br />

von der Öffentlischkeit fernhalten soll. Kohle<br />

hab isch ihm schon gegeben, abber er will bei<br />

uns in Kleinmachnow in der Villa wohnen.<br />

Muss isch den Ollen jetzt aufnehmen?«<br />

Kinder, die<br />

sich kümmern<br />

Das Bundesgericht in Karlsruhe hat entschieden: Erwachsene Kinder müssen sich um ihre bedürftigen<br />

Eltern kümmern, auch wenn kein liebvoller Kontakt besteht. Kinder sind unterhaltsverpflichtet<br />

und haben dafür Sorge zu tragen, dass ihre betagten Eltern behütet, gepflegt,<br />

weggesperrt oder (wenn keine finanziellen Mittel vorhanden sind) abgespritzt werden.<br />

Daniela Katzenberger, 27. Eigentlich sollte sie<br />

nie erfahren, wer ihre leibliche Mutter ist. Aber<br />

das neue Gesetz brachte nun die Wahrheit ans<br />

Licht. Alice Schwarzer gebar ein kleines Mädchen<br />

und musste es (weil es das ungeschriebene<br />

feministische Gesetz befahl) dem Jugendamt<br />

übergeben. Die kleine Daniela wuchs <strong>mit</strong><br />

dem Glauben auf, sie könnte auch im Alter<br />

noch schön sein.<br />

Nun ist für sie eine Welt zusammengebrochen.<br />

Daniela Katzenberger: »Isch weiß nisch, was<br />

das soll ... Ich hab doch schon ’ne abgebrannte<br />

Mudda. Mit der Schwarzer kann isch misch<br />

doch nirgends sehen lassen. Und nun soll isch<br />

für die die Schlüpper waschen, wenn se im<br />

Knast sitzt. Das ist doch voll peinlich. Ich<br />

dacht, isch biet ihr an, <strong>mit</strong> mir ’ne Kreuzfahrt<br />

zu machen, und dann geb isch ihr ’nen kleenen<br />

Schubs. Das wär doch für alle das Beste,<br />

odder?«<br />

Till Lindemann, 51, Schwiegersohn. Das Gericht<br />

hat nicht nur Kinder in die Pflicht genommen.<br />

Auch Schwiegerkinder müssen sich um<br />

die Eltern des Partners kümmern.<br />

Seit Till Lindemann <strong>mit</strong> Sophia Thomalla liiert<br />

ist, kann er sich seiner Verantwortung nicht<br />

entziehen. Nun, nach dem Tatort-Rausschmiss<br />

von Schwiegermutter Simone Thomalla, ist ihr<br />

Verfall offensichtlich.<br />

Lindemann: »Ich würde Mutti Simone gern bei<br />

uns zu Hause pflegen. Ich bin kräftig und traue<br />

mir zu, sie zu heben. Wir sind bereit, unseren<br />

SM-Keller aufzugeben und ein Seniorenbett<br />

reinzustellen. Man kann den gefliesten Raum<br />

wunderbar <strong>mit</strong> dem Hochdruckgerät reinigen,<br />

und sämtliche Aufhängungen wären auch<br />

schon vorhanden.«<br />

Rasmus J. (links), 26, ist der heimliche Spross<br />

von Thomas Gottschalk. Der Vater wandte sich<br />

von dem Sohn ab, nachdem dieser seine blonden<br />

Locken <strong>mit</strong> der Bastelschere abschnitt und<br />

schwarz färbte. Rasmus J. ist <strong>mit</strong> dem RTL-Senderchef<br />

im Kontakt, um eine Lösung für den<br />

Vati zu finden.<br />

J.: »Ich weiß, dass er mich nicht lieb hat. Aber<br />

ich bin ein anständiger Bürger und werde meinen<br />

Pflichten nachkommen. Der Vati braucht<br />

Hilfe; wenn er bei RTL rausfliegt, hat er nichts<br />

mehr. Es wird schwer <strong>mit</strong> ihm. Schließlich ist er<br />

verwirrt und aggressiv. Aber ich und meine<br />

Kumpels werden für ihn da sein.«<br />

44 EULENSPIEGEL 4/14<br />

Edeltraut und Rosi sind die Töchter<br />

von Horst Seehofer. Sie haben ein<br />

inniges Verhältnis zum Papa und sind<br />

bereit, die volle Verantwortung für ihn<br />

zu übernehmen.<br />

Rosi: »Der liebe Papa hat nach seinem<br />

letzten Wutanfall oft Aussetzer. Wir<br />

müssen sehr behutsam <strong>mit</strong> ihm umgehen.<br />

Ein Heim kommt nicht infrage. Er<br />

braucht Leute um sich herum. Der Dobrindt<br />

kümmert sich besonders herzig<br />

um unsern Papa. Da blüht er richtig<br />

auf. Manchmal weiß er nicht, wo er ist<br />

und was er sagt. Dann hat er so einen<br />

Pieper um den Hals, der verständigt<br />

die Pfleger, die ihn dann in ein Auto<br />

setzen und ins Bett bringen. Zum<br />

Glück übernimmt im Moment der<br />

Staat die Pflegekosten.«<br />

Felice von Senkbeil


Leute heute<br />

Gerhard Glück<br />

EULENSPIEGEL 4/14 45


Tödliche<br />

Experteninterview<br />

»Das ist<br />

doch eine<br />

Falle!«<br />

W<br />

er sind Sie? Wie kommen<br />

Sie hier rein?<br />

Sie haben mich doch hierher bestellt.<br />

Was? Wer? Quatsch! Raus hier!<br />

Gleich kommt der Landwirtschaftsminister.<br />

Ich bin der Landwirtschaftsminister.<br />

Christian Schmidt mein<br />

Name. Googeln Sie mich doch<br />

mal!<br />

Moment! – Tatsächlich. Also gut.<br />

Herr Schmidt, Sie waren acht<br />

Jahre lang Staatssekretär im Verteidigungsministerium,<br />

was halten<br />

Sie von genetisch veränderten<br />

Nahrungs<strong>mit</strong>teln?<br />

Fast 90 Prozent der Bevölkerung<br />

lehnen solche Nahrungs<strong>mit</strong>tel<br />

ab. Darauf müssen wir natürlich<br />

Rücksicht nehmen.<br />

Im Bundestag haben Sie aber<br />

trotzdem einem Antrag zum Verbot<br />

von Gen-Mais nicht zugestimmt.<br />

Aus gutem Grund.<br />

Der da wäre?<br />

Das sag ich Ihnen doch nicht!<br />

Mein Parteifreund Hans-Peter<br />

Friedrich hat seinen Posten verloren,<br />

weil er zu viel gesagt hat.<br />

Den Fehler mache ich nicht. Das<br />

ist doch eine Falle! Die Debatte<br />

über Gen-Nahrung wird mir ohnehin<br />

viel zu hysterisch geführt und<br />

zwar von Pfeifen wie Ihnen, die<br />

von der Materie keine Ahnung haben.<br />

Auf Wiedersehen!<br />

Wiedersehen! Wir haben zum<br />

Glück noch einen zweiten Experten<br />

zum Thema hier, der hoffentlich<br />

ein wenig Sachlichkeit in die<br />

Debatte bringen kann. Herr Frank<br />

N. Stein … Entschuldigung, da<br />

hab ich mich verlesen. Herr Wigald<br />

Mömmsen, Sie sind Chef des<br />

Instituts »Gene? – Gerne!« und<br />

sind ein Befürworter der Gentechnik<br />

im Essen. Weshalb unterstützen<br />

Sie, was sonst alle ablehnen?<br />

Da erinnere ich gerne an die<br />

Worte unserer neuen Umweltministerin,<br />

die gesagt hat: »Die<br />

Wettbewerbsfähigkeit der europäischen<br />

Landwirtschaft hängt<br />

garantiert nicht vom Einsatz gentechnisch<br />

veränderter Organismen<br />

ab.« Und da hat sie recht,<br />

denn die europäische Landwirtschaft<br />

hängt ausschließlich von<br />

Subventionen ab. Und wenn wir<br />

die nicht mehr zahlen wollen,<br />

brauchen wir dringend effizientere<br />

Nahrungs<strong>mit</strong>tel, da<strong>mit</strong> der Afrikaner<br />

sein Essen auch weiterhin<br />

von uns kauft und nicht umgekehrt.<br />

Aber es ging doch bisher auch<br />

ohne Gentechnik.<br />

Ja, aber wir können uns dem<br />

Fortschritt nicht einfach verschließen.<br />

Es ist ja nicht mehr wie früher,<br />

wo jeder sein Gemüse einfach<br />

hat wachsen lassen, wie es<br />

ihm gepasst hat. Diese pri<strong>mit</strong>iven<br />

Zeiten sind zum Glück vorbei.<br />

Man benötigt heute auch in der<br />

Landwirtschaft ständig Updates.<br />

Ihren Computer müssen Sie zum<br />

Beispiel auch alle paar Minuten<br />

wieder gegen neue Gefahren<br />

schützen. Und <strong>mit</strong> Pflanzen ist<br />

das genauso. Sie entwickeln eine<br />

Pflanze, die den Schädling abwehrt.<br />

Doch der Schädling findet<br />

neue Wege, die Pflanze zu attackieren.<br />

Also muss die Pflanze<br />

nachgerüstet werden. Der Schädling<br />

passt sich abermals an und<br />

so weiter und so weiter, bis der<br />

Schädling so groß ist, dass man<br />

ihn schießen und eine afrikanische<br />

Familie drei Wochen lang<br />

davon ernähren kann.<br />

Klingt gut.<br />

Ist es auch. Vor allem wenn wir<br />

den Schädling genetisch auch<br />

noch so verändern, dass er nach,<br />

sagen wir, Nigiri Sushi schmeckt.<br />

Der neueste Clou<br />

Der<br />

gentechnisch<br />

veränderte<br />

Landwirt<br />

Die Technik macht auch vor<br />

dem Menschen nicht mehr Halt.<br />

Amerikanischen Wissenschaftlern<br />

ist es erstmals gelungen,<br />

Gene eines Grottenolms und<br />

einer Tauben in das Genom eines<br />

Bauern einzukreuzen. –<br />

Der aus diesem Experiment hervorgegangene<br />

Landwirt erweist<br />

sich im Vergleich zu dem in<br />

freier Natur vorkommenden<br />

sogenannten Wildtyp als<br />

deutlich resistenter gegen<br />

vermeintliche Argumente<br />

grüner Öko-Spinner, die<br />

Angst vor Genen haben.<br />

46 EULENSPIEGEL 4/14


Gene<br />

Naja.<br />

Also gut, dann meinetwegen nach<br />

Schnitzel <strong>mit</strong> Pommes.<br />

Einverstanden. Aber können solche Veränderungen<br />

dem menschlichen Organismus<br />

nicht schaden?<br />

Unfug! Nehmen Sie zum Beispiel eine<br />

Kartoffel, die durch genetische Veränderung<br />

ein Enzym produziert, das beim Kartoffelkäfer<br />

dazu führt, dass ihm die Flügel<br />

abfallen. Und haben Sie etwa Flügel?<br />

– Nein. Also kann Ihnen das Enzym auch<br />

nichts anhaben. Oder anderes Beispiel:<br />

Kälbern in Brandenburg hat unser Institut<br />

ein Gen eingeschleust, das im Muskelfleisch<br />

der Kälber ein Protein herstellt,<br />

das bei Kontakt <strong>mit</strong> der Magenflüssigkeit<br />

von Fressfeinden wie etwa Wölfen den<br />

Magen explodieren lässt. Und haben Sie<br />

etwa vor, Kälber zu reißen? – Nein. Also<br />

kann Ihnen auch da das Protein gar<br />

nichts.<br />

Doch warum sind dann so viele Leute gegen<br />

diese grüne Gentechnik?<br />

Weil sie wollen, dass die Menschheit<br />

verhungert! Und weil sie die Möglichkeiten<br />

nicht kennen. Wir haben zum Beispiel<br />

eine Kiefer genetisch so verändert,<br />

dass ihre Zapfen deutlich mehr Vitamin C<br />

produzieren als in freier Natur vorkommende<br />

Exemplare. Solche Projekte können<br />

in Gegenden, wo es Kiefern, aber<br />

keine Drogerien <strong>mit</strong> Vitaminpräparaten<br />

gibt, Leben retten. Nach dem Verzehr von<br />

vier Kilo Kiefernzapfen hat man bereits<br />

ein Drittel des Tagesbedarfs gedeckt.<br />

Ja, aber wäre da nicht etwa ein Apfel …<br />

Ein Apfel? Wollen Sie sich umbringen?<br />

Die sind doch alle <strong>mit</strong> Pestiziden belastet.<br />

Nein, nein, <strong>mit</strong> der Gentechnik sind<br />

wir da auf der sicheren Seite. Die Leute<br />

müssen ihre Vorurteile über Bord werfen<br />

und müssen sich auch mal auf die Chancen<br />

konzentrieren, die durch das Kreuzen<br />

verschiedener Nutzpflanzen entstehen:<br />

Rosen, die nach Lavendel riechen, Reis,<br />

der Spuren von Nüssen enthält, oder<br />

Tomaten, die nach rein gar nichts schmecken.<br />

Dieser Fortschritt ist nicht aufzuhalten.<br />

Verkauf der Ernte<br />

an die<br />

Firma Monsanto<br />

Ernte<br />

Der<br />

Kreislauf<br />

der Natur<br />

Runde Sache<br />

Schritt für Schritt<br />

So entsteht ein transgenes Nahrungs<strong>mit</strong>tel<br />

1. Gattung A produziert<br />

gewünschtes Nahrungs<strong>mit</strong>tel<br />

A<br />

Evolution resistenter<br />

Schädlinge und<br />

Unkräuter<br />

Ausbringen der Herbizide<br />

4. Verpflanzung des Embryos<br />

in adultes Exemplar der<br />

Gattung B<br />

7. Wiederholung der Schritte 1<br />

bis 5 durch Forscher B <strong>mit</strong>tels<br />

Förder<strong>mit</strong>tel B, C, D und E<br />

Kauf von Herbiziden der<br />

Firma Monsanto<br />

2. Entnahme des für die Produktion<br />

von Nahrungs<strong>mit</strong>tel A zu -<br />

ständigen DNS-Abschnitts A<br />

5. Geburt eines Zellklumpens A<br />

und Ableben des adulten<br />

Exemplars der Gattung B<br />

8. Geburt eines Exemplars der<br />

Gattung B, das Nahrungs<strong>mit</strong>tel<br />

A produziert<br />

Kauf von Saatgut der<br />

Firma Monsanto<br />

Ausbringen der<br />

Pestizide<br />

Ausbringen der Saat<br />

Kauf von Pestiziden der<br />

Firma Monsanto<br />

3. Injektion des Abschnitts A<br />

in embryonale Stammzellen<br />

der Gattung B<br />

6. Enttäuschung bei Forscher A<br />

bei gleichzeitiger Streichung<br />

sämtlicher Förder<strong>mit</strong>tel A<br />

9. Stillung des Welthungers<br />

Gregor Füller / Illustrationen: Hannes Richert / Wissenschaftliche Beratung: Dr. Arno Wielgoss<br />

EULENSPIEGEL 4/14 47


Im Gelben<br />

Murat ist acht und geht eigentlich gern zur<br />

Schule, wegen Sport und »wegen Ausdrücke und<br />

so«, die er von Ahmed aus der Fünften lernt.<br />

Aber seitdem in seiner 3a die Diktatur aus -<br />

gerufen wurde, ist ihm mulmig zumute. Frau Roggenbrot<br />

hat gesagt: Diktatur ist das Gegenteil<br />

von Demokratie, und eins von beiden ist nichts<br />

Gutes – nur welches, das hat Murat vergessen.<br />

Diktatur muss man sich so vorstellen, hat sie<br />

gesagt, als ob ständig Winter ist, aber keiner<br />

von der schönen Sorte, sondern von der ollen.<br />

Und wir könnten glücklich sein, sozusagen<br />

immer im Frühling der Demokratie zu leben.<br />

Dann hat sie das Paket von der Bundesstiftung<br />

zur Aufarbeitung der SED-Diktatur ausgepackt,<br />

das auf dem Lehrertisch lag. Es enthielt was<br />

ganz Feines – eine Riesen-Keilerei, -Klopperei<br />

und -Knallerei: die Spielanleitung für den Proleten-Flash-Mob<br />

vom 17. Juni 1953.<br />

Frau Roggenbrot ist dankbar für diese Unterrichtshilfe.<br />

Das Spiel samt DVD <strong>mit</strong> Zeitzeugen<br />

(Eppelmann!) kostet die Schule, die ständig<br />

knausern muss, nichts und ist nicht so nervig<br />

wie ein Ausflug in den Zoo. Sie hätte auch das<br />

Modul Friedliche Revolution wählen können,<br />

doch fand sie das zu langweilig – <strong>mit</strong> Kerzen,<br />

Günther Krause und Helmut Kohl. Aber das Pa -<br />

ket Warschauer Ghetto macht sie vielleicht <strong>mit</strong><br />

der 4b, wenn die wieder so frech sind und bei<br />

einem Projekttag das Wetter zu schlecht zum<br />

Rausgehen ist.<br />

Der erste didaktische Schritt: Was war die<br />

DDR? Ein Land, in dem es keine Nutella gab. Sie<br />

habe einen Brieffreund, Uwe, dort in Jena gehabt,<br />

erzählt Frau Roggenbrot. Leider ist Uwe jetzt<br />

eine ziemlich bekannte Nummer bei der NPD,<br />

aber das erklärt sie lieber ein anderes Mal. Jedenfalls<br />

ist klar, dass die Stasi alle Briefe <strong>mit</strong>gelesen<br />

hat.<br />

Die rothaarige Nele meldet sich und behaup -<br />

tet, ihre Eltern würden gerne wieder dorthin zurückkehren,<br />

in diese DDR. Frau Roggenbrot unterbricht<br />

sie <strong>mit</strong> einem breiten Grinsen. »Nee,<br />

Nele, das ist die Dominikanische Republik, was<br />

deine Eltern sicher meinen, nicht die Demokratische<br />

Republik. Deine Mama hätte dort sicher<br />

nur ein paar geflickte Feinstumpfhosen gehabt,<br />

und du hättest statt Barbies Puppen aus Stroh.«<br />

Nele schaut verunsichert zu ihren Freunden.<br />

Die hämmern und werkeln in einer Ecke des<br />

Klassenraumes, was das Zeug hält. Das große<br />

Verkleiden ist angesagt, wie Fasching nur ohne<br />

Ritter und Superman, dafür <strong>mit</strong> fleißigen Arbeitern.<br />

Die 3a hat Plastikhelme und Holzhämmerchen<br />

vom Hausmeister bekommen.<br />

Darius weigert sich, den Helm aufzusetzen. Er<br />

will, das heißt, er soll später einmal<br />

Rechtsanwalt werden, wie sein<br />

Vater, da muss er keinen doofen<br />

Helm tragen. Frau Roggenbrot<br />

schickt ihn ins Gefängnis. In der<br />

Spielanleitung steht, man soll es Gelbes<br />

Elend nennen, wegen der Authentizität.<br />

Ein Gefängnis ist natürlich nicht vorhanden<br />

– ersatzweise muss Darius auf einem<br />

Bein in einer Ecke stehen, bis er zu heulen<br />

beginnt. »Ja, so war das damals. Wer nicht<br />

gespurt hat, wurde weggesperrt«, nutzt Frau<br />

Roggenbrot den emotionalen Moment.<br />

Nun werden die anderen Rollen verteilt.<br />

»Wer will Gewerkschafter sein?«, fragt Frau<br />

Roggenbrot euphorisch. Keiner<br />

mel det sich. Fiete ruft: »Das ist voll<br />

der Scheißjob!« Die dicke Mia muss<br />

den übernehmen. Frau Roggenbrot sagt,<br />

dass sei eine sehr wichtige Aufgabe, aber<br />

bei diesem Spiel habe sie ohnehin nicht<br />

viel zu melden. Mia ist einverstanden und<br />

klebt sich den Gewerkschaftsaufkleber an ihren<br />

pinken Pferdepulli.<br />

Dann werden die Parteigenossen bestimmt,<br />

die komische Mützen, Brillen und aufgemalte<br />

Bärte tragen und böse gucken sollen. Der<br />

böseste und mächtigste von allen<br />

heißt Ulbricht. Murat würde gern<br />

mal der Mächtigste sein und einen<br />

Bart wie sein Onkel Mohammed tragen. Aber<br />

Felix meint, dass Ulbricht doch kein Scheißtürke<br />

gewesen sei. Den Ulbricht darf schließlich der<br />

<strong>mit</strong> den wenigsten Fehlstunden spielen. Das ist<br />

Milan, der Streber. Er hängt sich den Spitzbart<br />

ans Kinn und stellt einen Stuhl auf den Tisch.<br />

»Richtig!«, ruft die Roggenbrot entzückt. Denn<br />

die Diktatoren haben sich über das Volk erhöht.<br />

Was doch so ein Arbeiteraufstand für Talente<br />

bei den Kindern freisetzt!<br />

48 EULENSPIEGEL 4/14


Elend auf einem Bein<br />

Mittlerweile hat sich die Arbeiterbrigade verselbstständigt.<br />

Einige probieren aus, was die<br />

Helme so abhalten. Frau Roggenbrot<br />

greift zur Trillerpfeife. Die Polizei<br />

muss her. Die Roggenbrot hat<br />

bereits einen <strong>mit</strong> Pappschwertern<br />

»bewaffneten«<br />

Fünfertrupp sogenannter<br />

Vopos bei den<br />

Kleiderhaken postiert,<br />

musste dort allerdings auch entgegen den<br />

historischen Fakten drei Mädchen unterbringen.<br />

Eifrig reißen die Aufständischen die Arme hoch.<br />

Dann klingelt es zur Pause. Frau Roggenbrot<br />

gibt Lebens<strong>mit</strong>telkarten aus, an Mädchen, die<br />

in der Schlange stehen und »Hunger!« rufen<br />

müssen. Paula verlangt eine Sonderration <strong>mit</strong><br />

der Begründung, sie müsse ihr Kind stillen. Der<br />

Frau Roggenbrot läuft es eiskalt den Rücken runter.<br />

Für die Arbeiter gibt es nur Schmalzstullen,<br />

allerdings auch Hohes C aus Tütchen <strong>mit</strong> Halm.<br />

»Das ist voll scheiße!«, ruft Alexej. Er darf<br />

während des Arbeiteraufstands in den Westen<br />

abhauen, aber nur fünf Gegenstände <strong>mit</strong> -<br />

nehmen. Alexej ist sauer. Seine Eltern sind aus<br />

dem Kaukasus gekommen, und<br />

wer weiß, ob sie »im<br />

Westen« noch<br />

mal eingebürgert<br />

werden.<br />

»Das ist<br />

doch nur ein<br />

Spiel«, sagt<br />

Frau Roggenbrot, »wenn auch ein sehr ernstes.<br />

Aber wenn du jetzt rumposaunst, dass du die<br />

Fluchtkarte hast, musst du den Rest der Stunde<br />

auf einem Bein im Gelben Elend stehen.« Alexej<br />

beißt die Zähne zusammen und malt auf kleine<br />

Zettel die Dinge, die er <strong>mit</strong>nimmt, die Spiel ko -<br />

nsole zum Beispiel.<br />

Indessen schieben die Arbeiter Kohldampf<br />

und werden laut. Die Partei soll Essen raus -<br />

rücken. Einige Mädchen jammern, dass das alles<br />

so gemein und ungerecht sei. Frau Roggenbrot<br />

stellt sich dazwischen. »Ja, genau so ist Diktatur,<br />

gemein und ungerecht.« Fiete will wissen, wann<br />

endlich losgekloppt werden kann. Frau Roggenbrot<br />

spürt, dass ihre Aufständischen von der<br />

Fahne gehen werden, wenn nicht gleich was passiert.<br />

Jetzt erst einmal alle die Losungen nachsprechen,<br />

die an der Tafel stehen: »Spitzbart,<br />

Hut und Brille sind nicht des Volkes Wille«. Milan,<br />

der Ulbricht, sitzt noch immer auf seinem Stuhl<br />

auf dem Tisch. »Eh, du Wichser, komm runter,<br />

wir machen dich fertig!«, ruft Fiete. »Nein Fiete,<br />

in diesem Ton reden wir nicht <strong>mit</strong>einander!«,<br />

schreitet die Lehrerin ein. Schließlich rütteln die<br />

Arbeiter an dem Tisch und bringen Ulbricht zu<br />

Fall. »Ergreift die Drahtzieher und Westagen -<br />

ten!«, schreit Ulbricht – das steht auf dem Zettel,<br />

den er seit zehn Minuten still vor sich hin gelesen<br />

hat. Aber was ist ein Drahtzieher?<br />

»Klassenkeile!«, brüllt Darius und bricht aus<br />

dem Einbeingefängnis aus. Frau Roggenbrot fordert<br />

die dicke Mia <strong>mit</strong> dem Gewerkschaftsaufkleber<br />

auf, sich als lebender Puffer zwischen die<br />

Fronten zu stellen. Mit den Holzhämmern und<br />

den Pappschwertern gehen die Kinder aufeinander<br />

los. »Es wird viele Tote geben«, murmelt<br />

die Roggenbrot wohlig erhitzt. »Genau wie damals«,<br />

sagt der Hausmeister, der seine Helme<br />

wiederhaben will.<br />

Hofpause! Friede zieht ein. Ulbricht lässt sich<br />

den Rest der Woche krankschreiben.<br />

Felice von Senkbeil<br />

Zeichnung: Peter Muzeniek<br />

EULENSPIEGEL 4/14 49


Kino<br />

Zwischen Afghanistan und Altona<br />

Bevor Feo Aladag zum Hindukusch aufbrach,<br />

fragte sie sich in ihrem (zu späterer Veröffentlichung<br />

im Presseheft bestimmten) Tagebuch:<br />

»Was tut Deutschland in Afghanistan? Ist es Krieg?<br />

Dürfen wir das? Wollen wir das?« Und antwortete<br />

ebenda: »Am Ende eines langen Abends unter<br />

meist klugen Menschen blieb dann aber unterm<br />

Strich nur die Absage an die Sinnhaftigkeit des<br />

Einsatzes in seiner Gesamtheit.«<br />

Die meisten Leute, <strong>mit</strong> denen Feo Aladag ihre<br />

langen Abende verbringt, scheinen klug genug<br />

zu sein, um den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan<br />

für sinnlos zu halten. Dem hätte sie<br />

sich anschließen, vielleicht noch ein letztes Glas<br />

Rotwein trinken und getrost, wenn auch nicht<br />

getröstet, ins Bett gehen können. Aber nein, irgendetwas<br />

piekte sie, so ein dumpfes Gefühl,<br />

hier werde womöglich der Opfermut tapferer Freiwilliger<br />

frevelhaft negiert. »Daraus erwuchs in mir<br />

das Bedürfnis, von der Leistung dieser Menschen,<br />

unserer Soldaten, jenseits jeder Kritik oder Legitimierung<br />

des konkreten Einsatzes, des politischen<br />

Auftrags und des Warums zu erzählen.«<br />

Die ordentlichem Piefke-Deutsch offenbar abholde<br />

Wienerin Aladag wollte also – vier Jahre<br />

nach ihrem preisgekrönten Erstling Die Fremde –<br />

einen Film über »unsere Soldaten« drehen. Sechs<br />

staatliche Förderanstalten, das ZDF, ARTE sowie<br />

hardthöchste Militärs standen Gewehr bei Fuß,<br />

um ihre im original afghanischen Wüstensand<br />

nahe Kunduz und Mazar-i-Sharif angesiedelten<br />

Zwischen Welten<br />

finanziell und logistisch abzusichern. Die Sicherheit<br />

der dort lebenden Dorfbevölkerung vor Talibanangriffen<br />

obliegt der örtlichen Miliz, die ihrerseits<br />

von einem ISAF-Trupp unterstützt werden<br />

Mario Lars<br />

soll. Deren Chef ist Hauptmann Jesper (Ronald<br />

Zehrfeld), dessen Bruder aus nämlichem Einsatz<br />

im Zinksarg zurückkehrte. Jespers Wut auf die Taliban<br />

ist folglich groß, die auf seinen direkten<br />

Vorgesetzten Oberst Haar (Burghart Klaußner)<br />

kaum geringer. Denn der gefällt sich als Verkünder<br />

bürokratischer Stillhaltekommandos.<br />

Seine Soldaten dürfen den Afghanen bei nächtlichen<br />

Scharmützeln nicht zu Hilfe eilen, weil das<br />

zu Kollateralschäden an deutschen Volkskörpern<br />

führen könnte. Einem Bauern dürfen sie für eine<br />

erschossene Kuh, die einzige Existenzgrundlage<br />

seiner Familie, keinen Schadenersatz leisten, weil<br />

die geforderten 500 Euro die Kriegskasse wohl<br />

erheblich dezimieren würden. Sie dürfen weder<br />

ihrem von islamistischen Lynchmördern bedrohten<br />

Dolmetscher ein Ausreisevisum nach Deutschland<br />

besorgen noch seine schwerverletzte<br />

Schwes ter ins Bundeswehrkrankenhaus einliefern.<br />

All dies wird von den Kujonierten gemäß deutscher<br />

Landserart schmollend, johlend, aber letztendlich<br />

widerspruchslos akzeptiert. Das führt zu<br />

höchst zweifelhafter Gemeinsamkeit derer auf der<br />

Leinwand <strong>mit</strong> denen im Parkett: Sie haben sich<br />

für den falschen Film entschieden.<br />

★<br />

Dass Christian Alvart nach mehreren rechtmäßig<br />

gefloppten Horrorschinken (Antikörper, Fall 39,<br />

Pandorium) endlich einen richtig guten Film machen<br />

konnte, verdankt er seiner ausgezeichneten<br />

Hauptdarstellerin Nadeshda Brennicke. Die hatte<br />

eine NDR-Dokumentation über Westdeutsch -<br />

lands erste Bankräuberin gesehen, die Mitte der<br />

Wirtschaftswunderjahre Weltbild und Fahndungsmethoden<br />

der Hamburger Kriminalpolizei völlig<br />

durcheinanderbrachte. Und war, gewiss schon im<br />

Hinblick auf eigene Rollenübernahme, fasziniert<br />

von dieser nur scheinbar unscheinbaren Gisela<br />

Werler. Um den wegen ihres kriegsinvaliden<br />

Vaters dürftigen Familienetat aufzubessern, malocht<br />

die 30-jährige als Hilfsarbeiterin in einer Altonaer<br />

Tapetenfabrik, bewohnt immer noch ihr<br />

altes Kinderzimmer und träumt sich auf die Sonneninsel<br />

Capri.<br />

Natürlich machen sich die Eltern Sorgen um<br />

ihr spätes Mädchen. Nicht, weil sie keinen Beruf<br />

erlernt hat, das war zu jener Zeit in jenem<br />

Deutschland normal. Eher, weil ihr kein Heiratskandidat<br />

als potentieller Ernährer gut genug ist.<br />

Aber Gisela Werler kann warten, auf den richtigen<br />

Mann und den richtigen Moment.<br />

Beide sind gekommen, als ihr langweiliger Verehrer<br />

Uwe (Andreas Schmidt) seinen charmesprühenden<br />

Kumpel Peter (Charly Hübner) <strong>mit</strong>bringt.<br />

Der will nur einen von Uwe versehentlich vergessenen<br />

Geldkoffer abholen, und Gisela begreift<br />

sofort, dass da auch für sie was drin sein muss.<br />

Fünf Prozent zum Beispiel. Verknüpft <strong>mit</strong> der dringenden<br />

Bitte, beim nächsten Sparkassenbesuch<br />

ihr kriminelles Gesellenstück abliefern zu dürfen.<br />

Verliebt bis über beide Ohren und cool bis ans<br />

Herz hinan, genießt die <strong>mit</strong> Perücke und Sonnenbrille<br />

verkleidete, ab sofort auf allen Titelseiten<br />

gefeierte<br />

Banklady<br />

ihre Überraschungsauftritte, lässt sich von den<br />

ungläubig-irritierten, weil an männliche Räuber<br />

gewöhnten Schalterbeamten die Sore einpacken<br />

und verabschiedet sich jeweils <strong>mit</strong> den höflichen<br />

Worten: »Danke, und schönen Tag noch!«<br />

Giselas schöne Tage von Aranjuez scheinen vorbei<br />

zu sein, als sie dahinterkommt, dass ihr Peter<br />

eigentlich Hermann heißt, verheiratet ist und bei<br />

seinem Schwiegervater schwer in der Kreide steht.<br />

Rasend vor Eifersucht liefert sie ihren Traummann<br />

beinahe ans Messer, entscheidet sich dann aber<br />

für die pragmatische Alternative. Stets die Polizei<br />

am Hacken, baldowert sie den letzten, wirklich<br />

großen Coup aus. Wenn er gelingt, kann sich Hermann<br />

frei entscheiden, ob er bei seiner Frau bleiben<br />

oder auf Capri der roten Sonne beim Untergehen<br />

zusehen will. Doch nach irrwitzigem Showdown<br />

schnappt die Falle zu. Das Pärchen steht<br />

vor Gericht, und noch bevor das Urteil gesprochen<br />

ist, nimmt Hermann alle Schuld auf sich und<br />

erklärt der Komplizin, was sie immer hören wollte:<br />

seine Liebe. Die hält, bis Gisela 2003 stirbt.<br />

Für diese spannende, noch dazu authentische<br />

Geschichte sei ihrem Regisseur Christian Alvart<br />

sogar sein blutrünstiger Til-Schweiger-Tatort Willkommen<br />

in Hamburg verziehen.<br />

Renate Holland-Moritz<br />

50 EULENSPIEGEL 4/14


Lebens hilfe<br />

EULENSPIEGEL 4/14 51<br />

www.martin-zak.de


Kunstskandal<br />

noch größer!<br />

Der Münchner Kunstsammler Cornelius<br />

Dingsda hat über seine Anwälte<br />

Beschwerde einlegen lassen.<br />

Er protestiert da<strong>mit</strong> gegen<br />

den hohen Bierpreis, die schlechten<br />

Skilaufbedingungen im letzten<br />

Winter und die allgemeine Lage.<br />

Außerdem möchte er mehrere Bilder<br />

von Lovis Corinth, Oskar Kokoschka<br />

und Edvard Munch zurückhaben,<br />

<strong>mit</strong> deren Hilfe er früher<br />

den unangenehmen Durchzug<br />

in seiner Schwabinger Neubauwohnung<br />

verhindern konnte.<br />

Doch da<strong>mit</strong> nicht genug: Wie<br />

ein Team von investigativen<br />

FUNZEL-Reportern herausfand,<br />

hat das Amtsgericht Augsburg<br />

nicht nur die Gemälde selbst beschlagnahmt,<br />

sondern auch<br />

noch eine zufällig anwesende<br />

Gemäldebetrachterin. Das entsprechende<br />

Beweisfoto wurde<br />

inzwischen der zuständigen<br />

bayerischen Strafverfolgungsbehörde<br />

zusammen <strong>mit</strong> der Forderung<br />

nach einer unverzüglichen<br />

Rückgabe übergeben.<br />

Das Einbehalten der Dame, so<br />

die Anwälte, hätte keinerlei Beweisrelevanz<br />

für irgendwas,<br />

deshalb sei ihre schnellstmögliche<br />

Herausgabe erforderlich, allein<br />

schon um das Verstreichen<br />

möglicher Restitutionsfristen zu<br />

verhindern. Außerdem gibt der<br />

FUNZEL-Justiziar zu bedenken,<br />

dass <strong>mit</strong> der Einziehung des<br />

Frauenzimmers auch gegen den<br />

Grundsatz der Verhältnismäßigkeit<br />

verstoßen wurde. Der<br />

Kunstsammler verfüge nunmehr<br />

nur noch über ein Herrenzimmer,<br />

und das auch<br />

noch ohne Kunstsammlung!<br />

Da<strong>mit</strong> aber sei er<br />

weder in der Lage, sein<br />

Herz noch andere Glieder<br />

zu erwärmen. Richtig, finden<br />

auch die FUNZEL-Mitarbeiter,<br />

da hätte er ja gleich ins<br />

Altersheim gehen können! Allerdings<br />

nicht ohne vorher die Corinths,<br />

Kokoschkas und Munchs<br />

für die Pflegekosten zu verkaufen.<br />

ru/ke<br />

Wer noch mehr Aufdeckung wünscht,<br />

findet sie im neuen Buch von Klaus Ender:<br />

Frei Körper Kolumnen<br />

80 Seiten, 25 Kolumnen, 46 SW-Bilder<br />

ISBN 978-3-00-044668-9, Preis: 12,50 Euro<br />

Bestellungen: Tel. 03838-252481


Blitz<br />

sauber!<br />

Erzschurken in Frauenkleidern (I)<br />

Heute: Bischof Elstbart van Terz<br />

Wegen des großen Erfolges<br />

den Handel zu bringen.<br />

ist die Polizei in Da auf die Interessen-<br />

Brandenburg jetzt ten Kosten in nicht unbeträchtlicher<br />

dazu übergangen, die<br />

Höhe<br />

schönsten Schnappschüsse<br />

zukommen, konnte als<br />

aus dem Lan-<br />

Partner dankenswer-<br />

desfotowettbewerb terweise die Sparkasse<br />

»Unser Dorf soll<br />

gewonnen wer-<br />

schneller werden« in den.<br />

ub/sg<br />

Joint Venture<br />

WAS<br />

bin ich?<br />

Auf seinem Streifengang<br />

durch Bad Mer -<br />

gen theim machte in<br />

den frühen Morgenstunden<br />

Wachtmeister<br />

Rauhfuß (58) seinen<br />

spektakulärsten Fund.<br />

Der Beamte beobachtete<br />

auf dem Marktplatz<br />

drei Männer im<br />

Alter von 21, 23 und 24<br />

Jahren. Diese versuchten<br />

gerade, sich einen<br />

Riesenjoint anzuzünden.<br />

Als er sie zur Rede<br />

stell te, wollten sie ihm<br />

dreist weismachen, sie<br />

übten gerade für Wetten,<br />

dass..? Bei dem<br />

23-Jährigen fand der<br />

Beamte noch ein Bob -<br />

by-Car, welches vermutlich<br />

als Fluchtfahrzeug<br />

dienen sollte. »Die<br />

waren Dichter als Goe -<br />

the!«, erzählte Wacht -<br />

meister Rauhfuß auf<br />

der anschließenden<br />

Pres sekonferenz, wo er<br />

auch demonstrierte,<br />

wie die Täter den Joint<br />

benutzten (s. Foto). Nun<br />

ist er der Held von Bad<br />

Mergentheim, der den<br />

wahrscheinlich längsten<br />

Joint der Welt unschädlich<br />

gemacht hat .<br />

Wie sagt man doch so<br />

schön? Am Morgen ein<br />

Joint und der Tag ist<br />

dein Freund.<br />

Lo<br />

Ein echter Hingoogler<br />

MENSCH<br />

& NATUR<br />

von Hellmuth Njuhten<br />

hw<br />

Leute heute<br />

Frau Katz<br />

Einen Autounfall bei Tempo 200,<br />

einen Flugzeugabsturz, den<br />

Biss einer Korallenschlange in<br />

den Hals, einen Vulkanausbruch<br />

direkt vor der Haustür, ein gewaltiges<br />

Erdbeben un<strong>mit</strong>telbar<br />

unter dem eigenen Bett, den<br />

Einschlag eines kilometergroßen<br />

Asteroiden genau auf<br />

ihren Kopf, alles das hatte Frau<br />

Katz überlebt, denn sie hatte<br />

neun Leben, weshalb es ihr<br />

auch nichts ausmachte, als sie<br />

von einer Dampfwalze überrollt<br />

und bei einer Safari von einem<br />

Löwen gefressen wurde. Sie<br />

kroch einfach hinten wieder<br />

heraus und lebte gesund und<br />

fröhlich weiter, und als sie sich<br />

jetzt beim Trinken verschluckte,<br />

machte sie sich ebenfalls keine<br />

Sorgen. Doch diesmal war es<br />

Unfall Nummer neun, und Frau<br />

Katz ging hops.<br />

pk<br />

Impressum<br />

Kriki<br />

Verdrehter.<br />

kriki<br />

Nachdem Google Earth in<br />

Deutschland jahrelang auf Ablehnung<br />

gestoßen war, geht<br />

das Unternehmen jetzt neue<br />

Wege.<br />

So soll die Anonymisierung<br />

von Autokennzeichen ab sofort<br />

durch persönliche Betreuerinnen<br />

vorgenommen werden. Der<br />

bisherige Zuspruch sei großartig,<br />

heißt es dazu aus der Firmenzentrale:<br />

Es hätten sich für<br />

die neue Anonymisierung sogar<br />

extra Leute Autoschilder<br />

anfertigen lassen, die gar kein<br />

Auto haben. ub / ss<br />

Funzel-RÄTSELab<br />

in die<br />

FUNZEL<br />

gehört<br />

kein<br />

Mann,<br />

sondern<br />

ein<br />

nacktes<br />

Mädel!<br />

Erst die Arbeit, dann<br />

das Vergnügen, sagt<br />

das Sprichwort. Erst<br />

der <strong><strong>Eule</strong>nspiegel</strong>, dann<br />

die FUNZEL, sagen die<br />

vergnügten FUNZEL-<br />

Mitarbeiter Utz Bamberg,<br />

Andreas Behling,<br />

Lo Blickensdorf, Klaus<br />

Ender, Siegfried Gajewski,<br />

Peter Köhler,<br />

Kriki, Siegfried Steinach,<br />

Reinhard Ulbrich<br />

und Hendrik Weise.


Wohnst du noch od<br />

Die neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat sich etwas erfüllt, wovon viele Arbeitnehmer<br />

in diesem Land träumen: Sie darf schlafen, wo sie arbeitet und so<strong>mit</strong> auch die Nacht auf ihrer<br />

Dienststelle im Bendlerblock in Berlin verbringen. Ein 7,4 Quadratmeter großes Durchgangszimmer<br />

macht es möglich. Dafür bekommt sie 221 Euro weniger Gehalt, was einer Warmmiete von knapp 30<br />

Euro pro Quadratmeter entspricht, worüber sich der Bundesrechnungshof bereits beschwert hat. Aber<br />

solchen Luxus kann man sich als Verteidigungsministerin natürlich leisten.<br />

So wohnt die Ministerin:<br />

Die Außentoilette teilt sich<br />

die Ministerin <strong>mit</strong> dem<br />

Hausmeister und dem Wachbataillon.<br />

Einer ihrer Vorgänger<br />

im Amt sprach angesichts<br />

dieser sanitären Katastrophe<br />

von toilettenähnlichen<br />

Zuständen.<br />

Die Klolektüre ist so vielfältig<br />

wie die Besucher: Wendy<br />

und geheime Dossiers (von<br />

der Leyen), Arbitrium – Zeitschrift<br />

für Rezensionen zur<br />

germanistischen <strong>Literatur</strong>wissenschaft<br />

(Hausmeister),<br />

Siegessäule (Wachbatallion).<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Abstellkammer.<br />

Von der Leyens Lieblingsstute<br />

»Tretmine« und ihr<br />

Lieblingszuchthengst<br />

»Heiko von der Leyen«.<br />

Mit dieser Zeitung wehrt die<br />

Verteidigungsministerin den<br />

zudringlichen Hausmeister<br />

ab, der im Heizungskeller<br />

des Ministeriums wohnt.<br />

Nachts schläft die Ministerin<br />

hier. Ihr Bett ist voller<br />

Wanzen, die die NSA dort<br />

platziert hat. Am Tag dient<br />

es als Psychologen-Couch,<br />

auf der sich traumatisierte<br />

Soldaten ausweinen, weil<br />

sie Kindererziehung und Taliban-Totschießen<br />

so<br />

schlecht vereinbaren können.<br />

Wochentags zwischen<br />

8 und 17 Uhr laufen Beamte<br />

durchs Schlafzimmer. Ein<br />

Grund für Mietminderung?<br />

Nachttopf für den Notfall.<br />

Zum Aufnahmeritual für Verteidigungsminister<br />

gehört<br />

es, zu jeder vollen Stunde<br />

nackt an die Bürohaubitze<br />

gefesselt die Champagner-<br />

Bong zu leeren.<br />

Die Ministerin spart nicht nur die<br />

Zeit für die Anfahrt zur Arbeit,<br />

sie spart auch Zeit für die Nahrungsaufnahme,<br />

indem sie sich<br />

alle lebensnotwendigen Nährstoffe<br />

intravenös verabreichen<br />

lässt.<br />

Für die zahlreichen Werbegeschenke<br />

der Rüstungsindustrie<br />

soll demnächst ein eigener Trakt<br />

angebaut werden.<br />

Altlasten des Vorgängers zu Guttenberg:<br />

zwei Tonnen Haargel<br />

der Marke »3. Weltkrieg Taft«.<br />

54 EULENSPIEGEL 4/14


er regierst du schon?<br />

<br />

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<br />

<br />

Wenn die Ministerin diesen Knopf<br />

drückt, geschehen zwei Dinge.<br />

Erstens: Irgendwo auf der Welt<br />

sterben 1 000 Menschen, die die<br />

Ministerin nicht kennt. Zweitens:<br />

Die Ministerin erhält ein Monatsgehalt<br />

von 13 000 Euro.<br />

<br />

Mit der Drohnenklatsche geht<br />

von der Leyen gegen die im Ministerium<br />

zur Plage gewordenen<br />

Flugobjekte vor.<br />

Familie und Beruf im Einklang:<br />

Hier schlafen die Kinder, wenn<br />

sie zu Besuch sind.<br />

Hier proben die Soldaten für den<br />

Ernstfall in Afrika, indem sie Verantwortung<br />

übernehmen. Vorerst<br />

nur für die aussortierten Haustiere<br />

der Kinder der Ministerin.<br />

Zeichnung: Kat Weidner / Text: Gregor Füller / Andreas Koristka<br />

EULENSPIEGEL 4/14 55


TICKETLINE: (030) 5 42 70 91<br />

TICKETLINE: (030) 5 42 70 91<br />

jungeWelt<br />

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Alles.<br />

Nur<br />

kein<br />

Theater.<br />

Mädler Passage<br />

04109 Leipzig<br />

(03 41) 961 23 46<br />

kabarett-theater-sanftwut.de<br />

<br />

<br />

Deutschland<br />

erlache!<br />

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Do<br />

3.4.<br />

Do<br />

3.4.<br />

16.00<br />

16.00<br />

So<br />

13.4.<br />

So<br />

13.4.<br />

15.00<br />

15.00<br />

Di<br />

15.4.<br />

Di<br />

15.4.<br />

19.00<br />

19.00<br />

Sa<br />

26.4.<br />

Sa<br />

26.4.<br />

15.00<br />

15.00<br />

Sa<br />

26.4.<br />

Sa<br />

26.4.<br />

20.00<br />

20.00<br />

So<br />

27.4.<br />

So<br />

27.4.<br />

16.00<br />

16.00<br />

Ausgebucht für<br />

eine Macht<br />

<strong>mit</strong> Marion Bach<br />

und Heike Ronniger<br />

Klavier: Oliver Vogt /<br />

Christoph Deckbar<br />

GASTSPIEL<br />

FRANK SCHÖBEL<br />

& BAND<br />

„Sternenzeiten“<br />

Live-Konzert<br />

auch am Fr., 4.4.2014, 19.30 Uhr<br />

FRANK SCHÖBEL<br />

& BAND<br />

„Sternenzeiten“<br />

Live-Konzert<br />

auch am Fr., 4.4.2014, 19.30 Uhr<br />

GISELA STEINECKERT<br />

& JÜRGEN WALTER<br />

„Das Leben hat was“<br />

Konzertlesung<br />

GISELA STEINECKERT<br />

& JÜRGEN WALTER<br />

„Das Leben hat was“<br />

Konzertlesung<br />

33. ÖFFENTLICHER<br />

FOTOSTAMMTISCH<br />

der Gesellschaft für Fotografie<br />

Ausstellungseröffnung und<br />

Diskussion – Interessenten sind<br />

herzlich eingeladen!<br />

33. ÖFFENTLICHER<br />

FOTOSTAMMTISCH<br />

der Gesellschaft für Fotografie<br />

Ausstellungseröffnung und<br />

Diskussion – Interessenten sind<br />

herzlich eingeladen!<br />

MUSIKALISCHER SALON<br />

W. A. Mozart<br />

Klarinettenquintett<br />

und andere Werke<br />

MUSIKALISCHER SALON<br />

W. A. Mozart<br />

Klarinettenquintett<br />

und andere Werke<br />

„CELTIC COUSINS –<br />

FOR ALL THAT“<br />

<strong>mit</strong> Riverdance-Geigerin<br />

Máire Breatnach und<br />

Matthias Kießling (Wacholder)<br />

„CELTIC COUSINS –<br />

FOR ALL THAT“<br />

<strong>mit</strong> Riverdance-Geigerin<br />

Máire Breatnach und<br />

Matthias Kießling (Wacholder)<br />

„PITTIPLATSCH<br />

UND SEINE FREUNDE“<br />

Ein Programm für die ganze<br />

Familie <strong>mit</strong> den Puppenspielern<br />

des Pittiplatsch-Ensembles<br />

„PITTIPLATSCH<br />

UND SEINE FREUNDE“<br />

Ein Programm für die ganze<br />

Familie <strong>mit</strong> den Puppenspielern<br />

des Pittiplatsch-Ensembles<br />

Wo ein Weg ist<br />

fehlt der Wille<br />

<strong>mit</strong> Marion Bach<br />

und<br />

Hans-Günther<br />

Pölitz<br />

„Schmähschmelze“<br />

Chansonkabarett <strong>mit</strong><br />

Tom Haydn<br />

4. April, 20 Uhr<br />

„Mit Schirmer,<br />

Charme und Melone“<br />

Dagmar Frederic<br />

zu Gast bei<br />

Lothar Schirmer<br />

27. April, 17 Uhr<br />

Der Spielplan: www.zwickmuehle.de<br />

Magdeburger Zwickmühle<br />

Leiterstraße 2a, 39104 Magdeburg<br />

Telefon: (03 91) 5 41 44 26<br />

56 EULENSPIEGEL 4/14


Anzeigen · Veranstaltungen<br />

Satirisches Theater und Kabarett e.V.<br />

Ratskeller/ Marktplatz 2a · 15230 Frankfurt/Oder<br />

www.oderhaehne.de<br />

Spielplan April 2014<br />

Halbe Stadt – Ein Frankfurtissimo<br />

12. April um 20 Uhr<br />

17. April um 17 Uhr<br />

OHNE OBEN – UNTEN MIT<br />

24. und 26. April um 20 Uhr<br />

Männer, ermannt euch! –<br />

Ein Herrenabend<br />

10./11./18. und 19. April um 20 Uhr<br />

9. April um 15 Uhr<br />

Verdammt und zugewählt<br />

3. und 4. April um 20 Uhr<br />

Gastspiel <strong>mit</strong> Lothar Bölck<br />

„Zwischen Tür und Angel(a)“<br />

4. April um 20 Uhr – ausverkauft<br />

5. April um 15 Uhr - Zusatztermin<br />

Gastspiel Kabarett<br />

„Die Herkuleskeule“<br />

Heileits<br />

27. April um 15 und 20 Uhr<br />

Gastspiel <strong>mit</strong> Walter Plathe<br />

Alles weg’n de‘ Leut<br />

25. April um 20 Uhr<br />

Ticket-Hotline: 03 35 / 23 7 23<br />

An der Markthalle 1-3<br />

09111 Chemnitz<br />

EULENSPIEGEL 4/14 57


Augen auf beim<br />

Uranstabwechsel!<br />

Journalisten haben niemals Freizeit. Egal, welcher<br />

Wochentag, welcher Monat oder wie betrunken<br />

sie gerade sind. Sie arbeiten für das Wohl der Öffentlichkeit.<br />

Ihre Augenringe hängen ihnen wie Treckerreifen<br />

vor dem Oberkörper, und schneiden sie<br />

sich ihre Edelfederfinger an einem Manuskriptblatt,<br />

dann sprudelt kein Blut, sondern Kaffee – starker<br />

Kaffee <strong>mit</strong> Spuren von Kokain und der Kaiser’s<br />

Knusperstange <strong>mit</strong> Ei. Ausgelaugt sitzen sie herum,<br />

bis es passiert:<br />

Eilmeldung! Ein Martinshorn ertönt, und <strong>mit</strong> der<br />

gebotenen Geschwindigkeit bleiben alle an ihren<br />

Arbeitsrechnern sitzen und formulieren los. Denn<br />

abseits der Schreibwerkstätten gieren die Leser<br />

schon nach Neuigkeiten. Sie sind es, die auf die<br />

dringlichen Informationen angewiesen sind. Denn<br />

nur, wer es gelb unterlegt auf Spiegel Online liest,<br />

der glaubt auch wirklich Eiligkeiten wie »Marcel<br />

Reich-Ranicki ist tot«.<br />

Dass solch eine Nachricht pressiert, ist augenfällig.<br />

Schließlich ist die Welt voll von perversen<br />

Gewalttätern, russischen Langstreckenraketen und<br />

ungeräumten Gehwegen. Wer da nicht augenblicklich<br />

über den Tod des deutschen <strong>Literatur</strong>papstes<br />

informiert wird, läuft Gefahr, dumm zu sterben.<br />

Auch die Mitarbeiter von Focus Online waren sich<br />

dessen bewusst und beförderten sofort »Neues<br />

aus dem Verkehrsrecht – Blitzer, Strafzettel, Handy:<br />

21 Urteile, die jeder Autofahrer kennen muss« zur<br />

Eilmeldung. Hätten sie es nicht getan, wären Millionen<br />

Menschen vielleicht zu spät auf diese Information<br />

gestoßen: »Beim Ausparken müssen<br />

Fahrer besonders vorsichtig sein.« Das ist richtig,<br />

genauso übrigens, dass man beim Auswech seln<br />

von Uranstäben äußerste Wachsamkeit walten lassen<br />

sollte.<br />

Neben aller Freude über das breit aufgestellte<br />

Mediennetz, das uns in Deutschland eine Qualitätsjournalismus-Rundumversorgung<br />

ermöglicht,<br />

bleibt ein fader Beigeschmack: Ist es nicht so, dass<br />

das Leben früher besser war, als wir noch nicht in<br />

einer lauten und diffusen Postmoderne lebten?<br />

Hatten wir nicht viel ruhigere Minuten, ganz eilmeldungs-<br />

und sorgenfrei? Als wir abends nur beim<br />

Feuer saßen, lange Gespräche führten oder die<br />

Frauen vom Nachbarstamm vergewaltigten? Die<br />

Luft war rein, die Vögel sangen, und auf Spiegel<br />

Online gab es nur ganz normale Nachrichten.<br />

Es nützt nichts, dieser goldenen Ära hinterherzuweinen.<br />

Man muss eben das Beste aus den<br />

Gegebenheiten machen und es genießen, wenn<br />

SZ Online einen <strong>mit</strong> dieser Eilmeldung vom 20.<br />

Dezember 2013 um 09:14 Uhr versorgt: »Russ -<br />

land: Putin-Kritiker Michail Chodorkowskij ist<br />

frei.« Auch sollte man sich freuen, wenn um 09:56<br />

Uhr eine weitere Eilmeldung nachgelegt wird:<br />

»Nach zehn Jahren im Straflager ist Kreml-Kritiker<br />

Chodorkowskij wieder frei.« Und wenigstens überrascht<br />

sollte man tun, wenn man um 14:01 Uhr<br />

liest: »Russland: Chodorkowskij frei – Verwirrung<br />

um Gnadengesuch.«<br />

Doch egal, ob Chordorkowskij nun frei, frei oder<br />

aber frei ist, hängen bleibt, dass draußen in den<br />

Redaktionen Menschen sitzen, denen wir nicht<br />

egal sind. Menschen aus Fleisch und Kaffee, die<br />

sich sorgen, die uns bemuttern und sagen: »Heda!<br />

Sieh, was vor sich geht in der Welt! Aber tu<br />

es schnell, verdammt. Noch schneller, du dummes<br />

Arschloch!« Und sie erwarten nichts für ihre Bemühungen<br />

– keine Liebe, kein Geld, nicht einmal,<br />

dass wir auf ihre Werbeanzeigen klicken.<br />

Manfred Beuter<br />

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VON DR. MED. TREISE EMPFOHLEN:<br />

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im Riesengebirge, in Kroatien und in Tschechien begeistern.<br />

Unser Extra: Haustürabholung (aber ohne Kurschwester)


Was ist die Tötung einer Giraffe<br />

gegen die Gründung eines<br />

Zoos?«, hätte Brecht gefragt, wäre<br />

er Zeuge der Verfütterung einer Giraffe<br />

an einen Löwen geworden.<br />

Die hat im Zoo zu Kopenhagen<br />

stattgefunden. Der Tierfreund weiß:<br />

Natürlich ist so was natürlich nicht.<br />

In freier Wildbahn muss sich der<br />

Löwe seine Beute selbst verdienen<br />

oder »reißen«, wie wir Fachleute etwas<br />

reißerisch sagen. Doch <strong>mit</strong> diesem<br />

blutigen Vollzug will sich der<br />

»Herr« der Wildnis im Kuschelzoo<br />

die Klauen nicht schmutzig machen,<br />

er mag’s sauber tranchiert und portioniert.<br />

Zu Zeiten von Darwin, des Begründers<br />

des Darwinismus, galt noch die<br />

Regel »survival of the fittest«. Warum<br />

wird der überflüssige Esser Marius,<br />

der Giraffenbulle, nicht einfach<br />

zum Löwen ins Gehege gelassen?<br />

Da ließe man der Natur ihren freien<br />

Lauf, und man könnte Wetten abschließen.<br />

Wir ahnen es: Marius würde dem<br />

faulen Löwenpack ein paar gepfleg -<br />

te Giraffentritte auf die empfindliche<br />

Löwennase verpassen, und die Löwen<br />

würden unwürdig nach dem Veterinär<br />

brüllen. So ein peinliches<br />

Schauspiel möchte die Zoo-Direktion<br />

natürlich vermeiden. Deshalb<br />

schießt man einfach dem Giraffenbullen,<br />

kaum dass er in die Morgensonne<br />

geblinzelt hat, einen Betäubungspfeil<br />

in den Hals (den kann<br />

man kaum verfehlen) und tötet das<br />

Tier anschließend in aller Ruhe.<br />

Diese feige Tat geschieht natürlich<br />

ohne Zuschauer, die Täter sind nicht<br />

einmal vermummt. Beim anschließenden<br />

Zerlegen dürfen dann ausgewählte<br />

Rohlinge zusehen, meist<br />

Kinder aus Intensivtäter-Haus hal -<br />

ten. Dann wird der Kadaver dem<br />

Lö wenpack vorgeworfen, das tut,<br />

was man von ihm erwartet – es<br />

schlägt sich den Wanst voll.<br />

Futter bei<br />

die Füchse<br />

Dass es anders geht, zeigt der Berliner<br />

Zoo: Dort reißen wilde Füchse<br />

am helllichten Tag vor aller Augen<br />

leckere Parmakängurus, zwergen -<br />

kleine Zwergantilopen und kurzsichtige<br />

Brillenpinguine! 40 gerissene Insassen<br />

in den letzten Wochen beklagt<br />

die Zoosprecherin. Was kann<br />

der Zoodirektor dagegen tun? Nichts,<br />

denn die Füchse spazieren einfach<br />

zu den Öffnungszeiten durch die Eingänge.<br />

Den Einsatz von Kontrolleuren<br />

wie in der U-Bahn erwägt der<br />

Zoo bislang nicht, obwohl die U-Bahnen<br />

bei dem Kontrolldruck fuchsfrei<br />

sind. 1 600 Füchse gibt es in der<br />

Stadt, keiner fährt U-Bahn, aber viele<br />

gehen gern in den Zoo. Dort wird<br />

natürlich dann der eine oder andere<br />

Imbiss genommen …<br />

Die Füchse abschießen? Geht<br />

nicht, im Zoo ist Jagen verboten. Da<br />

hilft nur eins: Es müssen offene Jagdgehege<br />

für Füchse angelegt werden,<br />

in denen die eleganten Räuber zu<br />

festen Fütterungszeiten <strong>mit</strong> ihrem<br />

Proviant öffentlich konfrontiert werden.<br />

Das können niedliche Eiderenten,<br />

kurzsichtige Brillenpinguine<br />

oder auch einmal ein halskranker<br />

Giraffenbulle sein. Möge der Besse -<br />

re gewinnen!<br />

Text und Zeichnung:<br />

Kriki<br />

EULENSPIEGEL 4/14 59


Schwarz<br />

auf weiß<br />

Andreas Prüstel<br />

Jan Tomaschoff Hannes Richert<br />

60 EULENSPIEGEL 4/14


Erik Wenk<br />

Peter Thulke<br />

Horst Rudolph<br />

EULENSPIEGEL 4/14 61


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Vorsicht, Hirnfieber!<br />

Juris Potenz<br />

Mal angenommen, ein gewisser André Sch<strong>mit</strong>z,<br />

eben jener, ohne den die Künstler in Berlin angeblich<br />

gar nicht mehr leben wollen, hat in der<br />

Kantine vom Roten Rathaus einen Getränkebon<br />

im Wert von 1,25 Euro unter einem Stuhlbein gefunden<br />

und, weil man ja nichts verkommen<br />

lassen soll, für sich eingelöst: Dann wäre er<br />

selbstverständlich schnurstracks <strong>mit</strong> Pauken und<br />

Trompeten, aber ohne Zapfenstreich aus seinem<br />

Staatssekretärsanzug gefegt worden. Bei einer<br />

im Vergleich dazu völlig harmlosen Straftat namens<br />

Steuerhinterziehung jedoch blieb dem Regierenden<br />

Bürgermeister Klaus Wowereit nichts<br />

anders übrig, als seinen »Froind Sch<strong>mit</strong>ti, das<br />

Sch<strong>mit</strong>zel« schweren Herzens zunächst im Amte<br />

zu behalten.<br />

Wowi hatte schlichtweg keine Wahl: Vor dem<br />

Steuergesetz sind nämlich alle gleich. Deshalb<br />

haben die Jobcenter knallharte Merkblätter an<br />

die Hartzis verteilt, die bekanntlich dazu neigen,<br />

in unguter Absicht in die Schweiz und auf die<br />

Cayman-Inseln zu reisen. »Mutwillige Steuerverkürzung<br />

ist kein Kavaliersdelikt!« stand dort zu<br />

lesen. »Wer hohe Zinseinnahmen im Ausland zu<br />

verbuchen hat und nicht zum Instrument der freiwilligen<br />

Selbstanzeige greift, gefährdet seinen<br />

Leistungsbezug in der Grundsicherung.« Das<br />

heißt, es ergeht einem wie dem o.g. Sch<strong>mit</strong>ti: Er<br />

wird für drei Jahre in den einstweiligen Ruhestand<br />

geschickt und muss <strong>mit</strong> 1/3 weniger Cash im Monat<br />

auskommen. Dann sieht es <strong>mit</strong> dem Flow<br />

ganz schön mau aus.<br />

Wo<strong>mit</strong> wir bei einer anderen populären Verbrauchsabgabe<br />

wären, der Umsatzsteuer, vom<br />

Volksmund auch liebevoll »Märchensteuer« genannt.<br />

Sie wurde 1916 im Deutschen Kaiserreich<br />

eingeführt und betrug damals 0,5 Prozent.<br />

Daraus erklärt sich der Sinn des Slogans »Wir<br />

wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wiederhaben«.<br />

1935 war Schluss <strong>mit</strong> lustig. Die Nazis in ihrer<br />

Barbarei steigerten die sogenannte Allphasen-<br />

Bruttoumsatzsteuer auf sage und schreibe 400<br />

Prozent – von 0,5 auf 2 Prozent. Merke: Bei Hitler<br />

war nicht alles schlecht, besser jedenfalls als bei<br />

Merkel.<br />

Denn inzwischen beträgt die Umsatzsteuer 19<br />

Prozent (Regel), 7 Prozent (Ausnahme) und 0 Prozent<br />

(Porti Deutsche Post – ganz große Ausnahme).<br />

Das leicht durchschaubare System lässt<br />

sich ganz leicht merken: 7 Prozent werden vor<br />

allem für Dinge erhoben, die irgendwie etwas<br />

<strong>mit</strong> Essen zu tun haben, also Bücher und Eintritt<br />

für Schwimmbäder. Und für Leistungen von Zahntechnikern,<br />

denn ohne Zähne bricht der gesamte<br />

Konsum zusammen. Aber auch für den Besuch<br />

im Zirkus zahlt man geringere Umsatzsteuer, obwohl<br />

die Zeiten vorbei sind, in denen Manegentiere<br />

nach der Vorstellung als Bulette ans Publikum<br />

gereicht wurden.<br />

Sehr lange her ist auch eine Partei, die<br />

sich FDP nannte. Sie führte den ermäßigten<br />

Steu ersatz von 7 Prozent für Hotelübernachtungen<br />

ein – aus sozialen<br />

Gründen, denn jeder Deutsche soll es<br />

sich leisten können, zwei, drei Mal im Hotel<br />

zu übernachten. Dadurch geriet das<br />

bis dahin glasklare System etwas durcheinander:<br />

Der Abschlag auf 7 Prozent<br />

gilt nämlich nur für die Pennratzen an<br />

sich, nicht jedoch für ihr morgendliches<br />

Frühstück im Hotel. Dann werden hammermäßige<br />

19 Prozent fällig. Und wer im<br />

Bett zur Steigerung seines Appetits auf das<br />

gleiche Geschlecht (Fußballer, Balletttänzer<br />

und Eiskunstläufer) ein Buch oder Heftchen <strong>mit</strong><br />

explizit sexuellem Inhalt »liest«, muss für dieses<br />

Druckwerk ebenfalls 19 Prozent berappen. Letzteres<br />

gilt im Sinne des Diskriminierungsverbotes<br />

natürlich auch für Heterosexuelle, Liebhaber von<br />

Nutz tieren und andere Ferkel. Sudel-Ede, also<br />

der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian<br />

Edathy, hat sich die 19 Prozent wahrscheinlich<br />

gespart und sich die Bilder im Internet<br />

besorgt.<br />

Weil wir uns jedoch den Gesetzgeber als wunderlichen<br />

älteren Herrn vorstellen müssen, der<br />

auf Spatzen im Kirschbaum schießt und zu manch<br />

anderem Schabernack neigt, hat er in seine Umsatzsteuertabelle<br />

noch anderen Hallodri aufgenommen.<br />

Kreuzen Sie bitte an:<br />

Maulesel: a) 7 % oder b) 19 %?<br />

Esel: a) 7 % oder b) 19 %?<br />

Flusspferde: a) 7 % oder b) 19 %?<br />

Hausschweine: a) 7 % oder b) 19 %?<br />

Kanarienvögel: a) 7 % oder b) 19 %?<br />

Eselsfleisch: a) 7 % oder b) 19 %?<br />

Quallen: a) 7 % oder b) 19 %?<br />

Wale: a) 7 % oder b) 19 %?<br />

künstliche<br />

Gelenke: a) 7 % oder b) 19 %?<br />

Teile von<br />

künstlichen<br />

Gelenken: a) 7 % oder b) 19 %?<br />

Ungültige<br />

Banknoten: a) 7 % oder b) 19 %?<br />

Holzwolle: a) 7 % oder b) 19 %?<br />

Ammoniumcarbonat:<br />

a) 7 % oder b) 19 %?<br />

Natriumcarbonat: a) 7 % oder b) 19 %?<br />

Hühnermist: a) 7 % oder b) 19 %?<br />

(Doch ob so oder so, zur Zeit scheint der<br />

Handel <strong>mit</strong> gebrauchtem Hühnermist<br />

keine große Zukunft zu haben.)<br />

Ist es wiederum nicht wahrhaft bewundernswert,<br />

dass Menschen wie du und ich (nur älter) jahrzehntelang<br />

über die spannende Frage debattiert<br />

haben, ob es tatsächlich einen steuerrechtlich<br />

relevanten Unterschied zwischen einem Esel und<br />

einem Maulesel geben mag? Womöglich könnten<br />

sie sogar jene geheime Logik erklären, die der<br />

Lösung dieses Problems innewohnt, wenn es sie<br />

nur gäbe.<br />

Aber es gibt sie nicht.<br />

Auflösung:<br />

1. a), 2. b), 3.b), 4.a), 5.)b), 6.a), 7.a), 8.b), 9.a),<br />

10.b), 11.a), 12.a), 13.a), 14.b), 15.a)<br />

– Drei Richtige und weniger: Sie sind der<br />

ideale Kandidat für Veranstalter von Kaffeefahrten<br />

und andere Nepper, Schlepper, Bauernfänger.<br />

– Fünf Richtige: Nicht schlecht für den Anfang.<br />

Auch Kleinvieh macht Hühnermist.<br />

– Zehn Richtige: Sie haben schon fast den vollen<br />

Durchblick (und bestimmt zehn Sorten<br />

von Rabattkarten vom Dänischen Bettenlager<br />

bis hin zu Shell).<br />

– Dreizehn Richtige: Geben Sie es zu: Sie haben<br />

heimlich geschmult!<br />

– Fünfzehn Richtige: Wow, alle Achtung! Karl<br />

Valentin soll einen ähnlichen Geistesriesen<br />

Ihres Kaliber gekannt haben. Der konnte auf<br />

Anhieb seine gesamte Steuererklärung ohne<br />

fremde Hilfe ausfüllen. Danach ist er allerdings<br />

an Hirnfieber gestorben. Also Vorsicht!<br />

RA Wolfgang Schüler<br />

Vignette: Jan Tomaschoff<br />

EULENSPIEGEL 4/14 63


Friedrich?<br />

Aus: Thüringer Allgemeine<br />

Einsender: Josef Keppler,<br />

Lindewerra<br />

Stimmen aus dem Jenseits.<br />

Aus: Lübecker Nachrichten, Einsender: Sidney Gennies, per E-Mail<br />

Höchste Zeit.<br />

Aus: Volksstimme Magdeburg, Einsender: Thoralf Ramm, per E-Mail<br />

Dort auch kein korrekter Satz<br />

aufgefunden.<br />

Aus: Mitteldeutsche Zeitung<br />

Einsender: Andreas Behling,<br />

Oranienbaum<br />

Großeinkauf.<br />

Aus: Ostthüringer Zeitung<br />

Einsenderin: Eveline Werner,<br />

per E-Mail<br />

Der Rest liegt im Gepäcknetz.<br />

Aus: Ostsee-Zeitung<br />

Einsender: Thomas Strobach,<br />

Rostock, u. a.<br />

Gibt ja auch noch andere Speisen.<br />

Aus: Döbelner Rundschau, Einsender: Karl-Heinz Ring, Hartha<br />

Aber ohne Dativ.<br />

Etikett von Pluma<br />

Einsenderin: Dagmar Pliefke, Berlin<br />

Die Polizei dankt für den Hinweis.<br />

Werbung Autohaus Grimm, Torgelow<br />

Einsender: Jörg Görlich, Torgelow<br />

Scheißwetter!<br />

Aus dem Katalog von Pearl, Einsender: André Otto, per E-Mail<br />

Und Vorsicht: Holprige Sprache!<br />

Im Hotel Villa Luisa Resort, Italien, Einsender: Carl Kühn, per E-Mail<br />

Nicht das einzige Problem.<br />

Aus: Schweriner Volkszeitung<br />

Einsender: Manfred Preuß, Güstrow<br />

Sind so kleine Hände ...<br />

Aus dem Online-Menü von<br />

IGS Sassenburg<br />

Einsender: René Liebich,<br />

Wahrenholz<br />

Richter wieder da?<br />

Aus: Aachener Nachrichten, Einsender: Thomas Dabelow, Aachen<br />

Schönes Porträtfoto.<br />

Aus: Thüringer Allgemeine, Einsenderin: Regina Ellmer, Regensburg<br />

Der Alkohol ging tiefer.<br />

Aus: Eckernförder Zeitung, Einsender: Klaus-Peter Frerichs,<br />

Eckernförde<br />

64 EULENSPIEGEL 4/14


Fehl anzeiger<br />

Sorgen gibt’s auch so.<br />

Aus: Neues Deutschland<br />

Einsender: Dieter Anderson, Radebeul<br />

Altersentsprechend.<br />

Aus: Dresdner Neueste Nachrichten<br />

Einsender: Dr. Lydia und Reimund<br />

Böhmig-Weißgerber<br />

(Beifall gestattet.)<br />

Fotografiert auf Rügen<br />

von Torsten Joswig, Ostseebad Binz<br />

Für die Schneeschmelze.<br />

Aus: Wolfsburger Allgemeine Zeitung<br />

Einsender: Rainer Bräuer, Wolfsburg<br />

Zum Glück auch nicht ihre Deutschlehrer.<br />

Aushang in Velten, Brandenburg<br />

Einsender: Paul Hörnig, per E-Mail<br />

War wahrscheinlich ein<br />

Auto <strong>mit</strong> Boxermotor.<br />

Aus: Sächsische Zeitung<br />

Einsenderin: Evelyn Jahnke, Dresden<br />

Poetische Kostbarkeit<br />

Zu schnell gerannt?<br />

Aus: Generalanzeiger<br />

Einsender: Martin Piela, Magdeburg<br />

Und keine Grammatik.<br />

Anhänger in Barleben<br />

Einsender: Günter Hoppe, per E-Mail<br />

Zum Beispiel die Rechtschreibung.<br />

Wandinschrift in Köthen, Einsender: Bernhard Salomon, per E-Mail<br />

Für uns bitte auch<br />

Geld bearbeiten!<br />

Aus: Neues Deutschland<br />

Einsenderin:<br />

Gabriele Parakeninks, Berlin<br />

Aus: Thüringer Allgemeine<br />

Einsender: Dr. Thomas Freitag, Potsdam<br />

Jetzt gibt’s was auf<br />

die Fräse!<br />

Aus: Braunschweiger Zeitung<br />

Einsender: Klaus Schäfter,<br />

Helmstedt<br />

... und das Personal zum Deutschkurs.<br />

Bäckerei im Penny-Markt Frankenberg<br />

Einsenderin: Uta Hentschel, Rossau<br />

fehlanzeiger@eulenspiegel-zeitschrift.de<br />

EULENSPIEGEL 4/14 65


LMM 1497 … Leser machen <strong>mit</strong><br />

Liefern Sie uns zu dieser Zeichnung eine witzige Unterschrift.<br />

Für die drei originellsten Sprüche berappen wir 16, 15 und 14 €.<br />

LMM-Adresse: <strong><strong>Eule</strong>nspiegel</strong>, Gubener Straße 47, 10243 Berlin<br />

oder per E-Mail an: verlag@eulenspiegel-zeitschrift.de<br />

Absender nicht vergessen!<br />

Kennwort: LMM 1497 · Einsendeschluss: 31. März 2014<br />

LMM-Gewinner der 1496. Runde<br />

Die Schönsten im ganzen Land sind:<br />

»Der Rotstift für den<br />

Investitionsplan 2015<br />

ist ganz nach meinem<br />

Geschmack.«<br />

Beate Schmager,<br />

Annaberg<br />

»Wenn ich jetzt nicht<br />

belästigt werde, kündige<br />

ich.«<br />

Christoph Cavazzini,<br />

Göttingen<br />

»Sie sollten auch etwas<br />

mehr auf Ihr Äußeres<br />

achten, Herr<br />

Direktor.«<br />

Detlef Krüger,<br />

Berlin<br />

Zeichnungen: Heinz Jankofsky<br />

Waagerecht: 1. nur für Aussteiger,<br />

die es nötig haben, 7. Impertinenz<br />

gewisser Dachse, 9. Großteil eines<br />

Studienhalbjahres, 11. großer Böller,<br />

14. klemmt im Kontakteisen, 17. ausgehöhlter<br />

Tarockstar, 18. Halteteil des<br />

Tabledancers, 19. wieder in Mode gekommenes<br />

Herrenfrisörgeschäft,<br />

22. selten auffindbar in Politikerhirnen,<br />

23. Informationsform.<br />

Senkrecht: 1. manchmal voll, immer<br />

vorn, 2. seidener Ex-US-Präsident,<br />

3. Ingredienz der Säuferleber, 4. folgt<br />

dem Wald, 5. Kern der Schreibererfahrung,<br />

6. schwedische Gardine, 8. amputierter<br />

Herrscher, 10. beschnittene<br />

Glaubensgemeinschaft, 12. Sportboot-<br />

Palindrom, 13. kurzgefasstes Tagebuch,<br />

14. puckert im Bassisegrim,<br />

15. taktvolle Kampfführung, 16. stachlige<br />

Friedensheldin, 19. Seele der Karenina,<br />

20. erzwungener Straßenhalt,<br />

21. billiger als Loge.<br />

Auflösung aus Heft 03/14:<br />

Waagerecht: 1. Eisenbahner, 7. Nektarine,<br />

9. Euter, 11. Cremer, 14. Hotel,<br />

15. Lader, 18. Totale, 19. Masur, 22.<br />

Teichrose, 23. Nordgermane.<br />

Senkrecht: 1. Eunuch, 2. Sekret,<br />

3. Neapel, 4. Arie, 5. Niet, 6.Rohr, 8.<br />

Nugat, 10. Esel, 12. Rosa, 13. Menue,<br />

15. Locher, 16. Dakota, 17. Resede,<br />

19. Mann, 20. Ster, 21. Ring.<br />

Meisterwerke Kunst von EULENSPIEGEL-Lesern, gediegen interpretiert<br />

Der äußerst agile Mann, der hier <strong>mit</strong><br />

heruntergelassener Hose auf einem<br />

Panzer kniet und eine körperlich<br />

vollkommen deformierte Frau in roten<br />

Pumps von hinten beglückt: Es<br />

könnte glatt der Geschäftsführer eines<br />

Panzerherstellers sein.<br />

Nach »Mähdr... Mäh« verlangt<br />

die Penetrierte und meint vielleicht<br />

so etwas wie »Mähdrescher«. Denkt<br />

sie während des Aktes also womöglich<br />

an ein anderes Gefährt, auf dem<br />

sie ihre Spielchen treiben könnte? –<br />

Den unbekannten Geschäftsführer<br />

scheint diese Verwechslung nicht zu<br />

stören.<br />

Es ist eine friedliche Szene trotz<br />

des kriegerischen Gerätes, auf dem<br />

dieser barbarische Akt stattfindet,<br />

denn dank der Personen rückt der<br />

Panzer in den Hintergrund. Der<br />

fähnchenschwingende Mann im<br />

Nachthemd hat selig lächelnd auf<br />

dem Kanonenrohr Platz genommen,<br />

das von einem Büstenhalter verziert<br />

Christoph Plum, Düsseldorf<br />

wird. Man fühlt sich an alte Hippie-<br />

Zeiten erinnert. »Make love, not<br />

war!«, will uns die Zeichnung sagen.<br />

Lediglich der Bedenkenträger im<br />

Anzug trübt ein wenig die lockere<br />

Stimmung. Mit streng erhobenem<br />

Zeigefinger weist er auf die Risiken<br />

dieses Vergnügens hin: Einer der beiden<br />

Kopulierenden solle, so meint<br />

er, »Ver-ant-wort-ung« für sein<br />

Handeln übernehmen und für Verhütung<br />

sorgen. Denn bei aller<br />

Freude an der Sache sollten sich<br />

wirklich nicht alle fortpflanzen, die<br />

das auch können.<br />

Die Botschaft des Werkes ist klar:<br />

Auch eine Frau, deren linker Arm<br />

aus ihrem Oberschenkel wächst und<br />

deren Knie eine Art Nippel hat, hat<br />

ein Recht auf körperliche Zuwendung<br />

durch den Geschäftsführer eines<br />

Rüstungsunternehmens. Familienfreundlichkeit<br />

und Panzer sind<br />

keine Gegensätze!<br />

H. Königshaus<br />

66 EULENSPIEGEL 4/14


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sad<br />

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2014_04


Und<br />

tschüs!<br />

Herausgeber<br />

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Gregor Füller, Andreas Koristka,<br />

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möller druck und verlag gmbh, Berlin<br />

Der nächste EULENSPIEGEL er scheint am 17. April 2014 ohne folgende Themen:<br />

Christian Wulff von Richter freigesprochen: Ist es ein väterlicher Freund?<br />

Rundfunkbeitrag sinkt um 73 Cent: Wird Markus Lanz doch entlassen?<br />

Verfahren gegen Hans-Peter Friedrich eingeleitet: Fordert er mehr<br />

Überwachungskameras?<br />

Großer Loveparade-Prozess findet in Düsseldorfer Messe statt:<br />

Sind die Zugänge breit genug?<br />

Andreas Prüstel<br />

Ständige Mitarbeiter<br />

Utz Bamberg, Beck, Anke Behrend,<br />

Harm Bengen, Matthias Biskupek,<br />

Lo Blickensdorf, Peter Butschkow,<br />

Carlo Dippold, Matti Friedrich,<br />

Burkhard Fritsche, Arno Funke, Gerhard<br />

Glück, Barbara Henniger, Gerhard<br />

Henschel, Renate Holland-Moritz, Frank<br />

Hoppmann, Rudi Hurzl meier, Michael<br />

Kaiser, Christian Kandeler, Florian Kech,<br />

Dr. Peter Köhler, Kriki, Uwe Krumbiegel,<br />

Mario Lars, Ove Lieh, Werner Lutz, Peter<br />

Muzeniek, Nel, Robert Niemann, Ari Plikat,<br />

Andreas Prüstel, Erich Rauschenbach,<br />

Hannes Richert, Ernst Röhl, Reiner<br />

Schwalme, André Sedlaczek, Guido<br />

Sieber, Klaus Stuttmann, Atze Svoboda,<br />

Peter Thulke, Kat Weidner, Freimut<br />

Woessner, Erik Wenk, Martin Zak<br />

Für unverlangt eingesandte Texte, Zeichnungen,<br />

Fotos übernimmt der Verlag keine<br />

Haftung (Rücksendung nur, wenn Porto<br />

beiliegt). Für Fotos, deren Urheber nicht<br />

er<strong>mit</strong>telt werden konnten, bleiben berechtigte<br />

Honorar ansprüche erhalten.<br />

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an:<br />

<strong><strong>Eule</strong>nspiegel</strong> GmbH,<br />

Gubener Straße 47,<br />

10243 Berlin<br />

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68 EULENSPIEGEL 4/14


Ein Buch muss die Axt sein<br />

für das gefrorene Meer<br />

in uns.<br />

Manuel Neuer<br />

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päter tot.<br />

sein ist keinee Sünde.<br />

es so lustig, in Öster-<br />

reich zu leben? Was machen unsere<br />

N achbarn falsch? Wie tickt er wirklich, der kleine Bruder<br />

Deutschlands? Stellt sich das Leben aus seiner Perspektive<br />

tatsächlich h so anders dar? Ta<br />

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nd noch mehr<br />

Antworten. 60 Geschichten zum Lachen, <strong>mit</strong> skurrilen<br />

Schlussfolgerungen,<br />

witzigen, scharfzüngigen,<br />

aber auch<br />

liebevollen Skizzierungen der menschlichen n Seele. „Caba-<br />

ret to go“ für den feinen Genuss zwischendurch. Dazu viel<br />

Biografisches, gespickt <strong>mit</strong> Lebensweisheiten n …<br />

Inhalt<br />

69 Titel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Burkhard Fritsche<br />

73 Zauberkiste der dekonstruktivistischen Philologie. . . . . . . . . . . . . . Peter Köhler<br />

74 Modernes Lesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ari Plikat / Johann Mayr<br />

76 Kein Wort zu Mausi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Klis<br />

79 Lesezeichnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kriki / Uwe Krumbiegel<br />

81 Auslese: Alles Bio, Criminale, Die lieben Kleinen . . . . . . . . . Matthias Biskupek<br />

86 Was tun, wenn Schreibblockade? . . . . . . . . . . Michael Kaiser / Oliver Ottitsch<br />

89 Lesezeichen: Bankgeflüster<br />

90 Two B or not two B? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kaiser<br />

93 Wie Dichter Unternuckel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Franke<br />

97 Angegoethet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kaiser<br />

98 Die Autobiografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ove Lieh<br />

101 Schriftstellerdämmerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jan Decker<br />

103 Juden unter sich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernhard Spring<br />

PETER THULKE<br />

Manuskripte herzlich<br />

willkommen!<br />

104 Das Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ove Lieh<br />

106 Textfabrik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Köhler / Kriki<br />

70 LITERATUREULE 4/14


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Dabei ist sie doch erst Ende dreißig und<br />

hatte <strong>mit</strong> dem Älterwerden keine Probleme.<br />

Dachte sie.<br />

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WDR-»Ladies Night«) begibt sich in ihrem<br />

Episodenroman auf eine unterhaltsame<br />

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jung und alt, Komik und<br />

Melancholie, Dope<br />

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Darf man die SMS wildfremder Leute im<br />

Internet <strong>mit</strong>lesen? Was macht Jesus im<br />

Netz, und hört die NSA etwa auch Gott<br />

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Revolution – von seinen Anfängen und<br />

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72 LITERATUREULE 4/14


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dekon struktivistischen Philologie:<br />

Grotesk!<br />

Die Groteske, die <strong>mit</strong> den Mitteln des<br />

Absurden sich der Burleske nähert,<br />

ohne in der Form der Posse die Tradition<br />

der Farce aufzugreifen und zu verraten,<br />

gewinnt in der übersteigerten<br />

Parodie der darstellenden Karikatur<br />

kraft der Figur des historisch entbundenen<br />

Narren den Anschluss an eine<br />

Geschichte der Travestie als eines surrealistischen<br />

Motivs von Humor, wenn<br />

sie in prononciert polemischer Satire<br />

den Gestus der Fratze <strong>mit</strong> dem Understatement<br />

der Ironie hermetisch offen<br />

gestaltet, und wird durch die dadaistisch<br />

begründete Perspektive der Weltzertrümmerung<br />

als eines der Heiterkeit<br />

verpflichteten Topos des Bizarr-Komischen,<br />

ohne zur Hanswurstiade zu<br />

verflachen, zum anerkannten Kunstwerk,<br />

d.h. zur Groteske.<br />

Wohin Lesen führen kann<br />

Das Haus hatte seinen Peter Handke<br />

gelesen, aber offenbar nicht ganz richtig<br />

verstanden. Das Haus hatte nämlich<br />

nie eine Schule besucht, und weil<br />

es am Stadtrand lag, konnte es nur wenige<br />

andere Häuser fragen; aber die lasen<br />

nicht, sondern waren dumm wie<br />

ihre Bewohner. »Die Innenwelt der Außenwelt<br />

der Innenwelt«, ramenterte es<br />

dem Haus durchs Dachstübchen, und<br />

endlich kam, was kommen musste:<br />

Das Haus vertauschte Innenwelt und<br />

DANIEL NOLL<br />

Außenwelt, stülpte Zimmer, Flure und<br />

Treppenhaus nach außen und holte<br />

sich Wald, Straße und Vorgarten rein.<br />

»Es ist doch ein merkwürdig Ding die<br />

<strong>Literatur</strong>«, grübelte das Haus, als es die<br />

empörten Mieter schimpfend und die<br />

Schaulustigen lachend um sich sah, »jeder<br />

nimmt einen Text anders wahr!«<br />

Der schöne Konjünktiv<br />

Gäbe es den Konjünktiv des Imperfekts<br />

nicht, die deutsche Sprache erfände ihn.<br />

Stürbe er aus, das Deutsche verlöre<br />

an Schönheit, die es aber ohnehin nur<br />

besäße, wenn die Deutschen den Konjünktiv<br />

nicht falsch gebrauchen würden,<br />

sondern richtig gebräuchten. Beföhle<br />

man ihnen jedoch die richtige Anwendungsweise,<br />

es hülfe wenig, denn<br />

sie errieten nie die richtige Form, sondern<br />

erräten sie, so dass es vielmehr<br />

gar nichts hälfe, vielleicht auch hielfe.<br />

Selbst die Begabtesten würden es nicht<br />

schaffen – bestenfalls schüfen sie es.<br />

Und zwar Verwirrung. Oh, dass man<br />

sie darob in Pfannen briete, in Töpfen<br />

sötte und in Öfen büke, wonach man<br />

sie aufäße!<br />

Dabei wöre es doch sehr einfach, sich<br />

eine gewisse Fertigkeit zu erwürben,<br />

sägte man nicht ständig, wie schäuerlich<br />

die Fähler klüngen. Sie gefälem<br />

nämläch jödem, wenn sie ihrerseits<br />

noch Sprachgefiehl verröten. Und däs<br />

tün sie jä wöhl. Öder?<br />

»WENN<br />

CHANCE<br />

MAN DIE<br />

HAT,<br />

NICHTS<br />

SOLLTE<br />

MAN SIE<br />

ERGREIFEN.«<br />

ZU TUN,<br />

IMMER<br />

DER ALTE, DEN<br />

SIE NICHT VERGESSEN<br />

WERDEN<br />

DANIEL FRIEDMAN<br />

Der Alte, dem Kugeln nichts<br />

anhaben konnten<br />

Roman. 320 Seiten. Geb. € [D] 17,99<br />

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LITERATUREULE 4/14 75


Kein Wort zu Mausi<br />

Die Tochter ist am Telefon. Ob ich ihrem<br />

Sohn das Abi vermiesen wolle oder<br />

was. Ihm Albernheiten aus der Familiengeschichte<br />

zu erzählen, die dann allesamt<br />

in einem Aufsatz auftauchen!<br />

Es dauert eine volle Zigarettenlänge,<br />

bis es mir gelingt, einen Hustenanfall<br />

anzubringen und noch mal eine halbe,<br />

bis sie sich so weit verausgabt hat, dass<br />

ich die begütigende Tour versuchen<br />

kann. Es sei um das Aufsatzthema Zufall<br />

gegangen, um nichts sonst. Es gäbe<br />

doch schließlich Leute, die wiederholt<br />

den Jackpot knackten oder wie Ranger<br />

Sullivan aus Virginia siebenmal vom<br />

Blitz getroffen würden, zuletzt im Büro.<br />

»Und unsere Familie …«<br />

»Papa!«<br />

»Und in unserer Familie, Mausi, gibt<br />

es ein solches Phänomen auch. Keine<br />

Ahnung, warum das Schicksal gerade<br />

dich auslässt. Jedenfalls Lotti kam als<br />

Kind zum Führergeburtstag <strong>mit</strong> Hitler<br />

auf eine Briefmarke, von ihrer kleinen<br />

Tochter Traudel gibt’s ein Blechabzeichen,<br />

das sie auf dem Arm eines Rotarmisten<br />

zeigt, und Großvater endlich<br />

wurde als Genosse Konstrukteur <strong>mit</strong><br />

einer Papierrolle in der Hand neben<br />

Walter Ulbricht gemalt – ein Riesenschinken<br />

...«<br />

»... der bis zuletzt im Zentralko<strong>mit</strong>ee<br />

am Werderschen Markt hing. Die<br />

ganze Schule weiß es und dein Enkel<br />

ist noch stolz drauf. Er ist überzeugt,<br />

dass ihm bald Obama oder Osama oder<br />

beide zusammen übern Weg laufen<br />

werden.«<br />

»Na, passt doch! Mich hat’s ja auch<br />

mal erwischt, Mausi. Und Onkel Bruno<br />

und Tante Gerdi gleich <strong>mit</strong>. Nächstes<br />

Jahr kann dein Sohn in seinem<br />

Deutsch-Plus-Buch nachlesen, wie.«<br />

»Bitte nicht, Papa.«<br />

»Verkauft ist verkauft, aber du<br />

bringst mich auf eine Idee.«<br />

Sie lässt die Luft ab, dass mir der<br />

Hörer vom Ohr fliegt.<br />

»Doch, doch. Was spricht dagegen,<br />

dass ich die Geschichte für die Wochenendbeilage<br />

anbiete und unser Telefonat<br />

zum Aufhänger nehm’? Du musst<br />

nicht das ganze Jahr warten, und vom<br />

Honorar lade ich dich ein zu gebackenen<br />

Scampi.«<br />

Sie legt auf, bisschen spät für ihr<br />

Temperament, was aber trotzdem<br />

heißt, dass sie nicht annimmt. Ich hole<br />

mir den Text auf den Schirm, bringe<br />

noch den Familienbezug hinein, da<strong>mit</strong><br />

Mausi als Deutschlehrerin sieht, wie<br />

authentisch es zugeht bei mir, und fertig<br />

der Lack. Im Kern läse sich das dann<br />

so:<br />

Wir sind im Spreewald verabredet,<br />

mein Bruder Bruno, Schwägerin Gerdi,<br />

die damals noch rank und schlank und<br />

eins zu eins die Doppelgängerin Gudrun<br />

Ensslins war, und ich.<br />

Früh am Morgen, Nebel liegt über<br />

Feldern und Auen, schlendern wir dem<br />

Hafen zu, vorbei an einem ersten Touristenpaar.<br />

Wir wünschen guten Morgen,<br />

und die beiden grüßen freundlich<br />

zurück. Dann bleiben wir wie auf Kommando<br />

stehen. »Könnte es sein, dass ...«<br />

»Klar«, sagt Bruno. »Das ist der Kanzler.«<br />

Vorsichtig drehe ich mich um. Das<br />

Paar will zum Hafen wie wir. Vier Touristenkähne<br />

liegen leer. Aber dahinter<br />

das, was wir uns vorstellen: Bootstische,<br />

weiß gedeckt, Körbchen <strong>mit</strong> Spreewaldschnäpschen<br />

und Schüsselchen<br />

<strong>mit</strong> Spreewaldgurken. Der Fährmann,<br />

in gebügeltem Hemd, wartet bereits.<br />

Der Wasserarm dampft, im Wald erwachen<br />

die Vögel.<br />

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»Wir brauchen Bier«, sagt Bruno und<br />

vergewissert sich, dass der Kanzler noch<br />

nicht aufgeholt hat. Es ist zehn vor<br />

sechs, doch wir bekommen es am<br />

Stand, der wundersamerweise schon<br />

geöffnet hat, lassen uns einen Beutel<br />

geben. Den Beutel trägt Bruno. Ich<br />

spiele <strong>mit</strong> meinem neuen Jagdmesser:<br />

Klinge raus, Klinge rein.<br />

»Steck du das Messer weg«, raunt<br />

Gerdi.<br />

Der Kanzler hat jetzt den Kiosk erreicht.<br />

Wir sind schon beim Kahn, und<br />

Bruno sagt salopp: »Meister, er kommt<br />

jetzt.«<br />

»Was sag ich dem bloß?«, fragt uns<br />

der Schiffer. Er ist nervös, hofft auf Anweisungen.<br />

»Bleiben Sie ruhig, Mann«, sagt<br />

Bruno, der sich als Nervenarzt in die<br />

Pflicht genommen fühlt, »seien Sie locker.<br />

Sagen Sie ihm, der Kubaner und<br />

der Psychiater sind schon an Bord. Es<br />

hat alles seine Ordnung.«<br />

Der Mann atmet durch, zieht die<br />

Weste glatt. »Ich gehe jetzt mal hin.«<br />

Wir beobachten, wie der Kanzler herüberblickt.<br />

Soll er oder soll er nicht?<br />

Er kommt heran. Wie aus der Erde gestiegen,<br />

finden sich grußlos zwei ältere<br />

Leute ein, besetzen den <strong>mit</strong>tleren Tisch,<br />

lassen uns nicht aus den Augen. Für<br />

den berühmten Mann haben sie keinen<br />

Blick. Der trägt eine Öljacke und hilft<br />

seiner Frau ins Boot. Ansonsten sieht<br />

er aus wie auf Plakaten.<br />

Wir legen ab, fahren in den Wald.<br />

Der Fährmann erzählt über Spreewaldhäuser.<br />

Dass, wenn man sie abreißt,<br />

keine neue Baugenehmigung zu bekommen<br />

ist.<br />

»Muss man eben eine Wand stehen<br />

lassen«, rät der Sozialdemokrat, »dann<br />

ist es eine Reparatur.« Er lacht, wirft<br />

BECK<br />

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aber Blicke zu uns dreien: zwei Männer,<br />

eine Frau, ein Beutel. Wir grinsen<br />

zurück.<br />

Jetzt die Schleuse. Der Regierungs -<br />

chef, ganz locker, darf an Land springen,<br />

<strong>mit</strong> einem eisernen Rad ein Wehr<br />

hochkurbeln. Gerdi, die wirklich keine<br />

Linke ist, die Linken für zu weit rechts<br />

hält, kreiert im Flüsterton einen Wahl -<br />

slogan: »Ein Mann, der Schleusen öffnet!«<br />

»Das glaubt uns kein Mensch«, murmelt<br />

Bruno, lädt den Apparat durch<br />

und schießt ein Foto.<br />

»Kein Wort davon zu Mausi«, flüstere<br />

ich zurück, »das heb ich mir für<br />

später auf, okay?«<br />

Dann sind wir wieder alle im Boot.<br />

Der hohe Gast, seine Frau, die feindseligen<br />

alten Würstchen, wir.<br />

Die Kneipe zur Rast liegt weitab<br />

vom letzten Dorf. Zwei Männer <strong>mit</strong><br />

Rollerskates an den Füßen lümmeln<br />

am Tisch und werden von den Herrschaften<br />

lässig begrüßt. Bruno und ich<br />

lassen Gerdi, die sich hinter einer großen<br />

Sonnenbrille versteckt, auf der<br />

Terrasse zurück, schauen uns um: eine<br />

ausgebaute Scheune, ein Backhaus.<br />

Plötzlich ist ein junger Mann um uns.<br />

Er wirkt gestresst, steckt in einem<br />

Sportanzug <strong>mit</strong> Ellbogenschützern,<br />

Knieschalen. Sein Schuhwerk erinnert<br />

an Science-Fiction-Filme, sein futuristisches<br />

Rad, das an der Wand lehnt,<br />

nicht minder. Wir halten ihn zunächst<br />

für den durchgeknallten Sohn des<br />

Hauses.<br />

»Schön zum Feiern«, sagt er zusammenhanglos,<br />

turnt in allen Ecken herum,<br />

als suche er was. Dann gewahren<br />

wir, wie er sich <strong>mit</strong> den beiden anderen<br />

Sportlern verständigt. Wir wissen<br />

jetzt, wer die sind. Wer aber, glauben<br />

die, sind wir?<br />

Später steigen wir wieder in den<br />

Kahn, unseren Kahn. Der Radfahrer<br />

gibt den Skatern ein Zeichen, klappt<br />

ein Kopfmikrofon unterm Basecup<br />

runter. Bruno grinst und gebraucht<br />

sein Lieblingswort: »Zwanghaft!«<br />

Der Fährmann wirkt bedrückt, beobachtet<br />

uns jetzt auch. Auf offenem<br />

Feld, in Sichtweite ihres Hotels, lässt<br />

er die hohen Gäste plötzlich an Land.<br />

Vom Ufer her, entspannt, winken sie<br />

uns zu.<br />

»So«, sagt Bruno, »jetzt, wo der Chef<br />

von Bord ist, können wir uns ans Bier<br />

machen! Haben Sie Becher dabei?«<br />

»Klar, Jungs!« Er wirft sie uns zu.<br />

»Hat der Massel bei Frauen«, schwärmt<br />

er, »aber sonst – ein ganz normaler<br />

Mensch, was?« Er ist erleichtert.<br />

Gerdi beißt den Verschluss von der<br />

Flasche. »Das wär’s gewesen«, sagt sie,<br />

lächelt aufmunternd den zwei düsteren<br />

Mordwurzen zu, die immer noch<br />

im Boot hocken.<br />

»Wir haben wieder mal überlebt«,<br />

gebe ich zu und stecke mir eine Havanna<br />

an.<br />

»Die anderen ebenso.« Bruder Bru -<br />

no lächelt fein.<br />

»Alles verschenkt«, sagt Gerdi Ensslin<br />

und zieht <strong>mit</strong> einem Plopp den Finger<br />

aus der Flasche.<br />

»Frohe Ostern!«, ruft der Fährmann,<br />

und das war’s dann auch.<br />

Bleibt noch die Frage, ob ich nicht<br />

aus der Tochter einen Sohn und aus<br />

dem Enkel eine Enkelin oder Zwillinge<br />

machen sollte, zumal Mausi sich immer<br />

welche wünschte. Wenigstens sähe<br />

sie den guten Willen.<br />

Andererseits: warum dann nicht<br />

auch den Kanzler in die Kanzlerin umwandeln<br />

oder gleich in den Ersten Sekretär<br />

des Politbüros? Kann man ausschließen,<br />

dass einen der Altkanzler<br />

<strong>mit</strong> Anwälten beaast, wenn seine Spezis<br />

die Geschichte erst mal rastern?<br />

Besser, ich kaschiere nichts – als Co-<br />

Autor für Aufsätze muss man redlich<br />

sein.<br />

Rainer Klis<br />

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KRIKI<br />

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❦Lesezeichnen❦<br />

LITERATUREULE 4/14 79


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Biskupeks Auslese (I)<br />

Alles Bio<br />

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Informieren & Akzente setzen<br />

szene nicht kennt, wird hier gut unterrichtet.<br />

Dabei geht es dem Autor<br />

immer um Politik, Liebe, linke Politik,<br />

um das Schreiben, die Poetenseminare<br />

seligen Angedenkens und Existenzängste<br />

eines Schriftstellers, um Erinnern<br />

und Vergessen: »Jeder Mann<br />

ist ein Sexobjekt – oder er ist es eben<br />

nicht, dann hat er Pech gehabt.«<br />

★<br />

Jan Eik erzählt über »30 Jahre im<br />

Rundfunk der DDR«, wo er Eine<br />

Als Gisela Kraft im Januar 2010 starb, Menge Spaß hatte (Kulturmaschinen).<br />

Als Krimiautor ist er berühmt,<br />

hinterließ sie »Deutsch-deutsche Erinnerungen«.<br />

Die Veröffentlichung ließ wenn es dieses Etikett für Krimi -<br />

auf sich warten, denn in Gisela Krafts schreiber jenseits der Chandlersimenons<br />

überhaupt gibt; als »Weltbühne«-<br />

letztem Wohnort Weimar, von Kisch als<br />

»Naturschutzpark der Geistigkeit« bespöttelt,<br />

tobte ein Kampf der Kraft-Verkannt,<br />

und in diesem Buch zeigt er<br />

Autor und Jazz-Kritiker war er bewalter:<br />

Sind UNSERE MENSCHEN so sich als Kindheits-Erinnerer von Rang.<br />

weit, das richtig einzuordnen? Wird da Wie das bei Autobiografien und der<br />

nicht die DDR geschönt, schlimmer: Hautfarbe ist: blasser im Alter. Eik erzählt<br />

ohne Zorn und Eifer, aber <strong>mit</strong><br />

Wird das Kraft-Gesamtwerk durch dieses<br />

letzte nicht entkräftet?<br />

Details von Unkraut-Ex bis Azeton,<br />

Nun erschien Mein Land, ein anderes,<br />

unverändert, <strong>mit</strong> Vor- und werden beim Namen genannt, jene<br />

von RIAS bis RBI. Manche Freunde<br />

Nachwort, in einem kleinen, mutigen <strong>mit</strong> geheimen Namen bleiben in geschlossenen<br />

Akten: Eik petzt nicht, ver-<br />

Dresdner Verlag (edition azur). Erinnerungs-Zentrum<br />

ist die Übersiedlung rät aber, dass der EULENSPIEGEL<br />

der Übersetzerin, Dichterin und Erzählerin<br />

Gisela Kraft in falscher Richtung: sandte.<br />

einst seine Texte <strong>mit</strong>leidlos zurück-<br />

Von Berlin-Kreuzberg nach Berlin-<br />

★<br />

Friedrichshain. 1984! Und siehe: keine Ein Milchmädchenstreich ist Laura<br />

Beschönigung, sondern ein humorvoller,<br />

auch sarkastischer Blick auf einen Fotobuch In den Fängen der Ge-<br />

von Wangenheims kommentiertes<br />

Staat zwischen Balkan und Preußen. schichte (Rotbuch). Ihre Großmutter<br />

Porträts der Freunde, Liebesgeschichten,<br />

Geheim-Geschichten, verpatzte der Sekretärin ihres Mannes durch-<br />

Inge von Wangenheim, die einst <strong>mit</strong><br />

Schauspielerinnengeschichten. Kleine brannte und lesbische Liebe in einer<br />

Blicke in die Übersetzer-Trickkiste und Kleinstadt lebte (Ende der Fünfziger!),<br />

weite Blicke in Morgenländereien: Wer wäre Roman plus Biografie plus Zeit-<br />

Biografien mag, muss diese lesen. Report wert. Hier werden ihre mehr<br />

★<br />

oder weniger guten, längst bekannten<br />

Der Berliner Schriftsteller und Schwulen-Aktivist<br />

Michael Sollorz erzählt hanebüchenen und fehlerhaften Kom-<br />

Fotos aus dem sowjetischen Exil <strong>mit</strong><br />

sein Leben anhand eines Jahres: mentaren versehen, <strong>mit</strong> Zeitbetrachtungen,<br />

die Hubertus Knabe samt al-<br />

Fünfzig – Ein Tagebuch (MännerschwarmVerlag).<br />

Sling und FSM, GK len Opferverbandsschriftstellern kaum<br />

und natürlich BDSM – Buchstaben, kenntnisfreier gelängen: Großmama<br />

hinter denen Sollorz seine Erlebnisse war einfach unbelehrbar und dämlich.<br />

versteckt und hervorholt. Wer Berlin Wie im Märchen hat sich Enkelchen<br />

kennt, wird Kneipen, Straßen, Clubs da<strong>mit</strong> selbst ihr Urteil gesprochen.<br />

wiederfinden, und wer die Schwulen-<br />

★<br />

»Eva und der Wolf« hieß 1998 Eva-<br />

Maria Hagens Buch-Affäre <strong>mit</strong> Wolf<br />

Biermann. Nun hat sie »Maria und Peter«<br />

zum viel leichteren, aber schnörkeligen<br />

Liebesbriefbüchlein gebündelt:<br />

Liaison amoureuse (<strong><strong>Eule</strong>nspiegel</strong><br />

Verlag) <strong>mit</strong> wie immer meisterlichen<br />

Texten auch von Peter<br />

Hacks. Vorm Hintergrund beider Bücher<br />

wird deutlich, warum der Hacks<br />

den Biermann nicht ausstehen moch -<br />

te. Und umgekehrt.<br />

LITERATUREULE 4/14 81<br />

Von Erfolgsautor<br />

Günter F. Gross<br />

Älter werden Sie.<br />

Jung bleiben Sie!<br />

Bewahren Sie Ihre Jugendlichkeit!<br />

288 Seiten, Hardcover<br />

H 24,90<br />

„Menschen bleiben so<br />

lange jung wie sie ent-<br />

schlossen sind, zu wirken und zu geben.“<br />

Maximen, Ideen und Weisheitsregeln für<br />

Ältere, die ihre Freiheit und Zeit schöpferisch<br />

für sich und andere nutzen wollen.<br />

Hans-Joachim Hahn<br />

Lutz Simon<br />

Höllensturz und Hoffnung<br />

Warum unsere Zivilisation<br />

zusammenbricht und wie sie sich<br />

erneuern kann<br />

256 Seiten, Hardcover<br />

H 22,90<br />

Wohin steuert unsere sellschaft? Droht unsere<br />

Zivilisation im Inneren zu kollabieren, die innere<br />

Ge-<br />

Verfassung unserer westlichen Welt zu zerbrechen?<br />

Wer wollte den Krieg, wer<br />

den Frieden? Viele Fragen,<br />

die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ be-<br />

treffend, sind noch geklärt oder müssen neu<br />

gestellt werden. Der Freiburger Historiker Prof.<br />

Hans Fenske nimmt sich dieser Aufgabe an.<br />

Zehn Professoren betrachten aus ihrem jeweiligen<br />

Fachgebiet die zukunftsbedrohenden Entwicklungen<br />

im Inneren unserer Zivilisation: Uns droht<br />

ein „Höllensturz“, wenn wir nicht zur Umkehr<br />

<br />

Hans Fenske<br />

Der Anfang vom Ende<br />

des alten Europa<br />

Die alliierte Verweigerung von<br />

Friedensgesprächen 1914 – 1919<br />

144 Seiten, Broschur<br />

H 19,90<br />

www.lau-verlag.de<br />

ISBN 978-3-95768-084-6<br />

ISBN 978-3-95768-022-8<br />

ISBN 978-3-95768-096-9


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Biskupeks Auslese (II)<br />

Criminale<br />

Auch das muss sein: deutscher Krimi.<br />

Wir wenden uns liebevoll dieser zarten<br />

heimischen Pflanze zu und sind<br />

bei Beate Vera, was wir <strong>mit</strong> »Glücklicher<br />

Glaube« übersetzen, denn der<br />

Name wird doch hoffentlich ein Pseudonym<br />

sein. Wo der Hund begraben<br />

liegt (Jaron) nennt sich »Ein Provinzkrimi<br />

aus Berlin«. Denn der<br />

Mords-Schauplatz liegt dort, wo Berlin<br />

am südwestlichsten ist. Es gibt einen<br />

Kommissar und seine ihn immer<br />

heftiger liebende Hobby-Er<strong>mit</strong>tlerin,<br />

die sich vor allem dadurch auszeichnet,<br />

dass sie glamouröse Whisky-Sorten<br />

kennt und während der Handlung<br />

selbige genießt. Bekleidet man nun<br />

noch die handelnden Figuren <strong>mit</strong><br />

rauchblauen Trägerkleidern aus Viskose<br />

oder <strong>mit</strong> schwarzen Etuikleidern<br />

samt U-Boot-Ausschnitt, lässt Party-<br />

Einladungskarten aus schlichtem Büttenpapier<br />

<strong>mit</strong> eigens dafür gekaufter<br />

brauner Tinte von Hand beschreiben,<br />

haben wir die Story begriffen. Denn<br />

glücklich ist, wer glaubt, das seien die<br />

wichtigen Quellen und Bestandteile eines<br />

deutschen Krimis.<br />

★<br />

Auch in Berlin, aber vor gut achtzig<br />

Jahren spielt Martin Keunes Krimi<br />

Die Blender (be.bra). Der Buchtitel<br />

taucht in einer Rede erstmals auf Seite<br />

33 auf; es geht um »übersinnliche Phänomene«,<br />

folglich verschmort ein Opfer<br />

im Blitz und lebt danach dennoch.<br />

Da<strong>mit</strong> wir den Zeitgeist aber wirklich<br />

begreifen, hat der Kommissar »expressionistische<br />

Gesichtszüge«, und »der<br />

Tod verlieh dem fein geschnittenen<br />

ebenmäßigen Gesicht der Greisin eine<br />

filigrane Transparenz, die jede kleine<br />

Falte wie von innen leuchten ließ«. Alfred<br />

Döblin grüßt vom Alexanderplatz,<br />

lediglich die von der Polizei bevorzugte<br />

»Teamarbeit« passt nicht<br />

ganz in die fein geschnittene, ebenmäßige<br />

Erzählweise.<br />

★<br />

Nachdem Leonhard F. Seidl schon<br />

in Krankenhäusern kriminalistisch tätig<br />

war und dies in seinem Debüt<br />

durchaus spannend aufbereitete, steht<br />

nun das Genre »Kriminalroman« auch<br />

auf dem Umschlag. Genagelt(emons)<br />

wurde das erste Opfer ans »Schwammerl«.<br />

Wir sind <strong>mit</strong>ten in einer stockkatholischen<br />

Gegend, wo man die<br />

Kreuzigung als bodenständige Hinrichtungsart<br />

praktiziert. Der handelnde<br />

Privatdetektiv, ein Vegetarier, wird das<br />

ganze lange Buch als Täter verdächtigt,<br />

doch niemals geht er der Polizei<br />

ins Netz, obwohl er ständig seinen<br />

Sohn, in Windeln gewickelt (!), aber eigentlich<br />

doch kreuz(!)brav, <strong>mit</strong> sich führen<br />

muss. Neben den praktischen<br />

Mordtaten geht es um Landschaftszerstörung,<br />

Autobahnbau, Schuh platteln,<br />

Schwulenhass, Haxenessen, Trachtengruppen,<br />

CSU-Filz, also alles, was wir<br />

Nichtbayern <strong>mit</strong> Bayern verbinden.<br />

Wirkliches <strong>Literatur</strong>neuland betritt<br />

Seidl <strong>mit</strong> eingestreuten Dialektausdrücken;<br />

wir empfehlen für künftige<br />

Bücher, die Rätselstruktur des Krimis<br />

<strong>mit</strong> Dialekträtseln zu verknüpfen.<br />

★<br />

»Das ist hier doch kein Till-Schweiger-<br />

Tatort oder irgendein hanebüchen erdachter<br />

Krimi eines Möchtegern-Autors!«<br />

Solche Sätze von Kommissaren<br />

muss man in fast jedem deutschen<br />

Krimi lesen. Bernd Kaufholz lässt<br />

in seinem Magde-Bürger-Buch Tödlicher<br />

Skorpion (Mitteldeutscher<br />

Verlag) so viele Morde veranstalten,<br />

wie ganz Sachsen-Anhalt in einem<br />

Jahr kaum aufzubringen vermag. Weil<br />

der Hauptbösewicht entkommt, muss<br />

man befürchten, dass dem Skorpion<br />

Krebs, Wassermann, Steinbock oder<br />

Jungfrau folgen.<br />

Ein viel spannenderer Krimi, um es<br />

in einem Satz zu sagen, aus demselben<br />

Verlag, zwar streckenweise etwas unbeholfen<br />

geschrieben, aber <strong>mit</strong> großer<br />

Materialfülle, <strong>mit</strong> überraschenden<br />

Wendungen, <strong>mit</strong> Handlungsorten von<br />

Rostock bis Rudolstadt, <strong>mit</strong> geheimen<br />

Berichten, prominenten Persönlichkeiten,<br />

entlarvten Tätern und bitter enttäuschten<br />

Opfern und <strong>mit</strong> immer wieder<br />

herausragenden stolzen Ergebnissen,<br />

die die deutsche Nationalliteratur<br />

bis heute bewegen, herausgegeben von<br />

einer Ménage à trois, nämlich Siegfried<br />

Lokatis, Theresia Rost und<br />

Grit Steuer, (Achtung, jetzt kommt<br />

das Prädikat!) berichtet von »Abenteuern<br />

im Leseland« und trägt die Kennung<br />

Vom Autor zur Zensurakte.<br />

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Extrem gefährlich<br />

Lassen Sie sich fesseln …<br />

Franziska Steinhauer<br />

Die Stunde des Medicus<br />

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374 S. · € 12,99<br />

Im Herbst 1813 wird in Leipzig eine<br />

geschundene Frauenleiche gefunden.<br />

Gerüchte über ein riesiges wildes Tier<br />

kursieren, das sein Unwesen in der<br />

Gegend treiben soll. Der Medicus Dr.<br />

Prätorius hingegen hält einen Menschen<br />

für den Schuldigen<br />

…<br />

Patricia Holland Moritz<br />

Die Einsamkeit des Chamäleons<br />

.................................................<br />

347 S. · € 11,99<br />

Die Häufung von Todesfällen in einer<br />

Berliner Recyclingfirma scheint niemandem<br />

aufzufallen. Also er<strong>mit</strong>telt Rebekka<br />

Schomberg ungefragt und stößt auf einen<br />

perfiden Kunstdeal sowie auf ein tatsäch-<br />

lich totgeschwiegenes Verbrechen.<br />

G. Bode-Hoffmann / M. Hoffmann<br />

Infantizid<br />

.................................................<br />

436 S. · € 11,99<br />

Im thüringischen Weimar wird ein<br />

brutaler Raubüberfall auf einen Geldtransporter<br />

verübt, bei dem die Sicherheitsleute<br />

getötet werden. Der Täter<br />

kann entkommen, verursacht jedoch<br />

auf seiner Flucht einen schweren Verkehrsunfall<br />

…<br />

Herbert Beckmann<br />

Verrohung<br />

.................................................<br />

315 S. · € 11,99<br />

Zuerst trifft es eine junge Frau in einem<br />

Multiplexkino am Potsdamer Platz. Auf<br />

sie wird ein tödlicher Brandanschlag<br />

verübt. Kurz darauf wird ein alter<br />

Mann gegenüber dem Sony-Center vor<br />

einen Bus gestoßen. Die Morde halten<br />

ganz Berlin in Atem!<br />

Steffen Mohr<br />

Merks er<strong>mit</strong>telt in Leipzig<br />

.................................................<br />

160 S. · € 6,99<br />

Steffen Mohr schickt seinen Kommissar<br />

Gustav Merks quer durch Leipzig. Der<br />

Er<strong>mit</strong>tler muss 40 Verbrechen lösen. Ob<br />

ihm das gelingt? Für den gilt es, die eigenen<br />

kriminalistischen Fähigkeiten unter<br />

Beweis zu stellen und Gustav Merks<br />

zum Tatort zu begleiten.<br />

LITERATUREULE 4/14 83<br />

Wir machen’s spannend<br />

www.gmeiner-verlag.de


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Biskupeks Auslese (III)<br />

Die lieben Kleinen<br />

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Das Ferienland<br />

Mecklenburg-Vorpommern<br />

auf kulturellen Pfaden entdecken!<br />

Der pädagogische Zeigefinger ist aus men und Reimlichkeiten nutzt, ergibt<br />

guten – oder schlechten – Gründen das Kindergedichte. Haben Ringelnatz,<br />

dem männlichen skabrösen Requisit Mor genstern & Co. umsonst Käse in<br />

(Heinrich Heine) ähnlich. In moderner<br />

Kinderliteratur taucht er nie auf, »Montag früh« gereimt?<br />

Sofaritzen gestopft und »Pitschü« auf<br />

aber lauert immer, weil für Kinder so In Anton fährt aufs Land (annette<br />

betz) sind die farbigen Zeichnun-<br />

geschrieben werden muss, wie für Erwachsene,<br />

nur politisch noch korrekter.<br />

Ein Negerkönig ist ein Südseeköniger<br />

vielschichtig, dafür will der Text<br />

gen von Nele Palmtag vielleicht wenig<br />

ist ein Südseekönig ist kein Negerkönig.<br />

anderes sein als die gereimte Ge-<br />

von Xochil A. Schütz auch nichts<br />

Ob Laika - Die Kosmonautin schichte, die im Titel steht. Das hat einen<br />

kleinen Witz, aber auch keinen<br />

(annette betz) heutzutage in Ländereien,<br />

die einst von sowjetischen Weltraumerfolgen<br />

besetzt waren, nicht völ-<br />

★<br />

großen Anspruch.<br />

lig falsche Assoziationen hervorruft? Die Indianerbücher von Antje Babendererde<br />

sind seit Jahren Lesetipps für<br />

Im englischen Originalverlag trug das<br />

Bilderbuch von Owen Daveyden Untertitel<br />

»Die Astronautin«, wies aber die Autorin erstmals ins gegenwärtige<br />

heranwachsende Damen. Jetzt hat sich<br />

<strong>mit</strong> kyrillischen Buchstabenbildern Thüringen begeben und bringt in Isegrim<br />

(Arena) zudem den Wolf, den Zu-<br />

eindeutig auf das Moskau des Jahres<br />

1957 hin. »Laika war eine kleine Streunerin,<br />

die in den Straßen Moskaus um-<br />

Schafzerfleischer, ins Jugendbuch. Jola,<br />

wanderer aus Polen und gruseligen<br />

herstreifte.« Bürger, die vor fünfzig bis 16, hat zwar Dauerfreund Kai, sucht<br />

sechzig Jahren Kinderbücher lasen – aber in der Einsamkeit des Waldes, auf<br />

nein lesen mussten –, werden fortsetzen<br />

können: Laika und später Belka platz, etwas anderes. Natürlich die<br />

einem ehemaligen Truppenübungs-<br />

und Strelka waren die ersten sozialistischen<br />

Lebewesen im All. Es gab da-<br />

Abenteuers der Natur.<br />

große Liebe, am besten in<strong>mit</strong>ten des<br />

mals in der demokratischen und besten<br />

aller Welten schauerliche Storys eine Dorfgemeinschaft, in der sich<br />

In Jolas Dorf Altenwinkel gibt es<br />

über die hundeverachtende Sowjetgesellschaft,<br />

die Laika im All sterben ließ. gab es einen Mord und vor sehr vie-<br />

plötzlich Wölfisches zeigt: Vor Jahren<br />

Kindern in den Sowjetlagern erzählte len Jahren Besatzer und Manöver. Und<br />

man, dass sie ein Futter bekommen jetzt haust im Wald ein polnischer<br />

hatte, das sie tief einschlafen ließ. Junge …<br />

Owen nun lässt seine Laika weiterleben.<br />

Das ist hundefreundlich und vol-<br />

bietet allerdings arg viel Personal auf,<br />

Babendererde schreibt spannend,<br />

ler Humor. Doch an keiner Stelle des das eines Besetzungszettels bedurft<br />

Bandes wird darauf hingewiesen, dass hätte. Ihr gelingen packende Episoden,<br />

sowjetische Weltraumerfolge nur die zu genießen man auch als Erwachsener<br />

sich nicht schämen muss. Wolfs-<br />

dank Doping und Spionage erreicht<br />

wurden.<br />

hasser und Wolfsschützer liefern sich<br />

★<br />

wie im richtigen Forstverwaltungsleben<br />

heftige Kämpfe, und wenn die je-<br />

Mario Wirzhat Krähenkrach und<br />

Katzenträume (Annette Betz) irgendwann<br />

vor sich hin gedichtet. Von berichte einander an den Kopf knallen<br />

weiligen Lager nicht nur dürre Fakten-<br />

drei Illustratorinnen wurden sie jetzt, möchten, sondern im Wortsinn blutvolle<br />

Erlebnisse, sollten sie dieses viel-<br />

nach seinem Tode, zu einem bunten<br />

Buch gemacht, in dem nur eines stört: leicht nicht immer politisch korrekte<br />

Mario Wirz’ Texte. Er glaubte wohl, Buch nutzen. Enthält auch skabröse Requisiten<br />

im Heineschen Sin wenn er genügend Verkleinerungsfor-<br />

ne.<br />

LITERATUREULE 4/14 85<br />

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Foto: Sascha Fromm<br />

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WOLFGANG HELD,<br />

der Autor des international<br />

erfolgreichen Films und des<br />

danach entstandenen Romans<br />

„Einer trage des anderen Last“<br />

erzählt aus seinem Leben, über<br />

Freunde und Kollegen, von<br />

seinen Reisen, und er zitiert Passagen<br />

aus seinen Tage büchern.<br />

„Ich erinnere mich“ ist Wolfgang<br />

Helds beeindruckende Schilderung<br />

seines reichen literarischen<br />

Schaffens ebenso wie das überzeugende<br />

Bekenntnis seines<br />

politischen Lebens.<br />

OLIVER OTTITSCH<br />

Wolfgang Held: Ich erinnere<br />

mich. Eine Autobiografie.<br />

Eckhaus Verlag Weimar<br />

ISBN 978-3-945294-00-0<br />

ca. 200 Seiten, Festeinband<br />

Preis: 19,95 €<br />

Erscheint im<br />

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Fax: 03643 · 457 93 99<br />

Was tun, wenn<br />

Schreibblockade?<br />

• Lernen Sie erst mal Lesen und<br />

Schreiben.<br />

• Schreiben Sie sich <strong>mit</strong> ein paar Autogrammkarten<br />

warm.<br />

• Schreiben Sie niemals auf leeren<br />

Kopf.<br />

• Wenn Sie merken, dass Ihr kreativer<br />

Motor ins Stottern gerät, speichern<br />

Sie den Text bitte rechtsbündig<br />

ab, da<strong>mit</strong> der nachfolgende<br />

Schriftverkehr links vorbeiziehen<br />

kann.<br />

• Haben Sie keine neuen Ideen, verwenden<br />

Sie Recycling-Papier.<br />

• Achten Sie auf leichte Kost, wie<br />

zum Beispiel Wortsalat.<br />

• Lassen Sie eine Schriftprobe auf<br />

Bandwurmsätze überprüfen, die<br />

als Begleitsymptom häufig Sprechdurchfälle<br />

auslösen.<br />

• Wollen Sie sich von der Muse küssen<br />

lassen, nehmen Sie sich vor<br />

Lippenherpes in Acht.<br />

• Der Druck des Schreibenmüssens<br />

führt oftmals zu einer Konsonantenverdichtung,<br />

der nflsbrKlpnrzgt.<br />

• Falls Sie sich häufig verschreiben,<br />

sollten Sie alle verschreibungspflichtigen<br />

Medikamente absetzen.<br />

• Da sich im Zuge einer Schreibblockade<br />

häufig zahlreiche abgedroschene<br />

Metaphern anstauen, sollten<br />

Sie für den Fall, dass Ihnen ein<br />

zündender Gedanke kommt, vorsichtshalber<br />

Löschpapier bereithalten.<br />

• Überwinden Sie die Schreibblockade<br />

<strong>mit</strong>hilfe einer Überschrift.<br />

Wertvolle Tipps<br />

für Jungautoren<br />

• Falls das nicht funktioniert, versuchen<br />

Sie es <strong>mit</strong> einer Unterschrift.<br />

• Wenn Sie die harte Tour bevorzugen,<br />

können Sie es auch <strong>mit</strong> einer<br />

Durchschrift versuchen.<br />

• Kaufen Sie sich ein Oxymoron und<br />

machen Sie aus Ihrer Schreibblockade<br />

eine produktive Schreibblockade.<br />

• Möglicherweise ist Ihre Schreibblockade<br />

nur ein Denkzettel Ihres Unterbewusstseins,<br />

da Sie als Autor<br />

noch ein unbeschriebenes Blatt<br />

sind.<br />

• Solange Sie Ihren Druckkopf nicht<br />

freikriegen, werden Sie auch keine<br />

Tinte auf den Füller bekommen.<br />

• Sollten Sie den roten Faden in Ihrer<br />

Geschichte verloren haben,<br />

wäre es ratsam, sich nur <strong>mit</strong> einem<br />

Minothesaurus ins Labyrinth der<br />

Sprache zu wagen.<br />

• Gewinnen Sie trotzdem den <strong>Literatur</strong>nobelpreis,<br />

indem Sie – so der<br />

O-Ton der Jury – »eine Generation<br />

verkörpern, die nichts zu sagen<br />

hat«.<br />

• Wenn Sie keine eigenen Ideen haben,<br />

suchen Sie sich ein Abschreibungsobjekt.<br />

• Bei länger anhaltender Schreibblockade<br />

schulen Sie am besten zum<br />

Spamfilter um.<br />

• Beginnen Sie niemals einen Text<br />

<strong>mit</strong> dem Satz »Im Anfang war das<br />

Wort«, wenn Sie es nicht auch so<br />

meinen. Michael Kaiser<br />

www.eckhaus-v<br />

erlag.de 86 LITERATUREULE 4/14


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Bankgeflüster<br />

Ich: Guten Morgen.<br />

Frau Befeld: Tach.<br />

Ich: Kann ich Sie was fragen?<br />

Frau Befeld: Ob Se könn, weeß ick nich, aber Se<br />

könn’s jerne ma vasuchen.<br />

Ich: Geht auch ganz schnell.<br />

Frau Befeld: Jaja. Dit sach ich och imma. Stümmt<br />

nie.<br />

Ich: Darf ich trotzdem?<br />

Frau Befeld: Klar. Dabei mach ich hia seit neune<br />

extra ’n Jesicht, dass niemand uffe Idee kommt, mia<br />

wat fragen zu woll’n. Aber bitte bitte. Schieß’n Se ruhig<br />

los, junger Mann.<br />

Ich: Ich hab Probleme <strong>mit</strong> dem Bankautomat.<br />

Frau Befeld: Soll ich Ihn ma was anvertraun?<br />

Ich: Aber bitte. Gern.<br />

Frau Befeld: Dit is keene Frage, dit is ’ne Aussage.<br />

Ich: Wo Sie recht haben, haben Sie recht.<br />

Frau Befeld: Seh’n Se.<br />

Aber Sie sehn mia aus wie’n kleveret Kerlchen, Sie<br />

kriejen dit schon noch hin <strong>mit</strong> die Fragerei. Sie müssen<br />

dit Janze nur’n bißchen umformulieren.<br />

Ich: Einverstanden: Warum hab ich Probleme <strong>mit</strong><br />

dem Bankautomat?<br />

Frau Befeld: So jut kenn ick Se leider nicht, dass<br />

ich dit beantworten könnte.<br />

Ich: Sind sie kaputt?<br />

Frau Befeld: Nee. Ick war schon immer so.<br />

Ich: Nicht Sie! Ob die Bankautomaten kaputt sind,<br />

will ich wissen.<br />

Frau Befeld: »Da kommt keen Geld aus’m Automat.<br />

Ick gloob, der is im Eimer!«<br />

Ich: Bitte?<br />

Frau Befeld: Dit is imma dit Erste, was ick zu hören<br />

bekomme. Is Ihn’ schon ma in’n Sinn jekommen,<br />

dass es da vielleicht ’ne andre Ursache jibt, wenn der<br />

Automat nichts herjeben will?<br />

Ich: Ich will aber gar nichts abheben.<br />

Frau Befeld: Ach so! Na, dann ist dit ja och keen<br />

Wunder, dass da nüscht kommt! Sin Se also doch<br />

Anzeigen<br />

nich so klever, wie ick anfangs jedacht hab.<br />

Ich: Sie versteh’n mich nicht.<br />

Frau Befeld: Würd ick zwar ’n bißchen anders formulieren,<br />

aber im Grunde ham Se recht. Ich vasteh<br />

Se würklich nich.<br />

Ich: Ich will nichts abheben. Ich will was einzahlen!<br />

Frau Befeld: Wat woll’n Se?<br />

Ich: Was einzahlen!<br />

Frau Befeld: Wie »was einzahlen«!?<br />

Ich: Na, was einzahlen will ich! Geld. Aus meiner<br />

Hand auf mein Konto!<br />

Frau Befeld: Se sind nich von hia, wa?<br />

Ich: Was?<br />

Frau Befeld: Komm Se ma her.<br />

Ich: Was?<br />

Frau Befeld: Komm Se ma näher ... noch näher ...<br />

Dreh’n Se sich ma um. Aber langsam. Sehn Se dit?<br />

Die Leute da. Inna Schlange hinta Ihn? 20 traurige<br />

Jesichter. Eens häßlicher wie dit andere. Glooben Se<br />

ernsthaft, von denen will och nur eener wat einzahln?<br />

Ich: Wollen Sie mir weismachen, dass man bei Ihrer<br />

Bank kein Geld einzahlen kann?<br />

Frau Befeld: Wenn dit meene Bank wär, würd ich<br />

och keene Einzahlungen anbieten. Ick würd aber<br />

och keene Auszahlungen machen. Is aba nich meene<br />

Bank.<br />

Ich: Zum Glück.<br />

Frau Befeld: Jetz wer’n Se mia ma nich unfreundlich,<br />

junger Mann.<br />

Ich: Kann ich nun was einzahlen oder nicht?<br />

Frau Befeld: Kann ick Ihn’ nich sagen. Kommt hia<br />

nich so häufig vor. Ick arbeite ja och noch nicht so<br />

lange hia.<br />

Ich: Seit wann denn?<br />

Frau Befeld: Lassen Se mich ma rechnen. Wann<br />

war dit <strong>mit</strong> die Mauer?<br />

Ich: ’89?<br />

17.02.14 21:46 Seite 1<br />

Christian Amling<br />

MOCK<br />

Die Höhlenfrau<br />

Kriminalroman<br />

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Oschersleben<br />

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88 LITERATUREULE 4/14


Frau Befeld: Nee. ’61.<br />

Ich: Ich hab das Jefühl, wir kommen hier nicht<br />

weiter.<br />

Frau Befeld: Kenn ick. Kenn ick sehr jut. Ick hab<br />

dit Jefühl jeden Tag. Montag bis Freitag. Von neune<br />

bis um fünf.<br />

Ich: Sie können also gar nichts für mich tun?<br />

Frau Befeld: Ick kann ma den Filialleiter fragen,<br />

wejen die Einzahlung. Heeßt dat wirklich so? Ein-<br />

Zahlung? Klingt so komisch. Gloob nich, dass ick<br />

dit Wort schoma in’n Mund jenommen hab. Ein-<br />

Zahlung. Na ick frag mal den Herrn Heßlein, da<strong>mit</strong><br />

Se sich ’n bißchen besser fühlen, wa.<br />

HERR HESSLEIN! Hier will eeiner wat einzahlen.<br />

Herr Heßlein: Wat will der?<br />

Frau Befeld: Wat einzahlen will der.<br />

Herr Heßlein: Wie »was einzahlen«!?<br />

Frau Befeld: Na, wat einzahlen! Geld. Vonner<br />

Kralle uffs Konto!<br />

Herr Heßlein: Is nich von hier, wa?<br />

Frau Befeld: Nee. Ick gloob, der will investieren.<br />

Herr Heßlein: Investieren? Im Wedding?<br />

Frau Befeld: Ja.<br />

Herr Heßlein: Hat der ma inne Zeitung gekuckt<br />

die letzten zwei Jahre? Wie’s uns hier so jeht? Bei<br />

dem ganzen Euro-Debakel will doch keener mehr<br />

was einzahlen. Zeig’n Se ihm ma den Conny.<br />

Ich: Wen?<br />

Frau Befeld: Na, Conny!<br />

Ich: Wer ist denn Conny?<br />

Herr Heßlein: Kiecken Se ma raus. Rüber. Auff’n<br />

Platz! Seh’n Se den Mann <strong>mit</strong> die Brüste und die<br />

Lederweste? Mit der tätowierten Gesichtshälfte und<br />

dem Sternburg inna Hand? Dit is Conny! Conny is<br />

der Letzte, der hier wat einjezahlt hat. Und jetzt<br />

schaun Se ma, was aus dem jeworden is.<br />

Frau Befeld: Verstecken Sie Ihr Geld doch lieba<br />

unter die Matratze. Wenn Se kein Bettnässer mehr<br />

sind, ham Se da wenigstens Kapitalschutz.<br />

Ich: Sie müssen mir doch irgendeine Form von Kapitalzuwachs<br />

anbieten können. Tagesgeld, Sparbuch,<br />

Anleihen, Festgeld, irgendwas.<br />

Herr Heßlein: Kenn Se dit Nähmaschinencenter<br />

anna Ecke? Gleich gegenüber is ’ne Türkenbank.<br />

Die sind noch nich inner EU. Den’ jeht’s noch besser<br />

als uns. Probier’n Se da ma Ihr Glück.<br />

Ich: Ich kann doch nicht mal Türkisch!<br />

Frau Befeld: Wat soll er denn dann bei die Türken?<br />

Herr Heßlein: Dann soll er halt in die Zahnklinik<br />

nebenan gehen und sich ein paar Goldzähne<br />

machen lassen. Dann hat er wenigstens wat für später.<br />

Für die Kinder. Zum Vererben.<br />

Ich: Ich will keine Goldzähne. Ich will auch zu keiner<br />

türkischen Bank. Hör’n Sie, ich bin extra von<br />

der Deutschen Bank zur Sparkasse gewechselt. Ich<br />

will mein Geld anlegen!<br />

Herr Heßlein: Jetzt mach’n Se doch kee’n Uffstand.<br />

Wie viel will er denn?<br />

Frau Befeld: Was?<br />

Herr Heßlein: Na, einzahl’n!<br />

Frau Befeld: Wie viel woll’n Se denn einzahl’n?<br />

Ich: Hundert.<br />

Frau Befeld: Hundert was?<br />

Ich: Euro!<br />

Frau Befeld: Euro will er einzahl’n!<br />

Herr Heßlein: Hundert Euro? Was ham Se denn<br />

vor? Woll’n Se ’ne Bank übernehmen?<br />

Ich: Bitte?<br />

Herr Heßlein: Ich mach Ihn’n Vorschlag. Sie lassen<br />

das <strong>mit</strong> die Einzahlung.<br />

Ich: Nein! Ich will jetzt was <strong>mit</strong> Zinssatz. Irgendwas!<br />

Ich kauf auch Aktien.<br />

Herr Heßlein: Jetzt hör’n Se doch ma zu! Das<br />

brauch in der Zentrale doch niemand zu wissen,<br />

dass hier bei uns jemand versucht hat, Jeld einzuzahlen.<br />

Wir regeln dit unter uns! Sie lassen dit <strong>mit</strong><br />

der Einzahlung einfach und wir jeben Ihnen dafür<br />

’ne pauschale Zinsauszahlung.<br />

Ich: Eine pauschale Zinsauszahlung!?<br />

Herr Heßlein: Ja. Sagen wir fuffzich Euro. Bar<br />

uff die Hand. Aus reiner Kulanz! Bleibt aber unter<br />

uns! Und nur, wenn Sie mir versprechen, dit Se nie<br />

wieder zu uns in die Filiale kommen.<br />

Frau Befeld: Na, dit Glück will ick och ma ham!<br />

Ich: Gut. Abgemacht!<br />

Herr Heßlein: Frau Befeld, zahl’n Sie dem jungen<br />

Mann bitte fuffzich Euro aus, und dann raus<br />

hier <strong>mit</strong> dem Kapitalistenschwein.<br />

Frau Befeld: Da ham Se ja richtig Glück jehabt,<br />

junger Mann. Sonst ist der Herr Heßlein nich so ’ne<br />

kulante Type. Schon jar nich im Umgang <strong>mit</strong> die<br />

Kundschaft. Hier ham Se Ihre fuffzich Euro.<br />

Ich: Danke.<br />

Frau Befeld: Eene Frage hätt ick da aber noch.<br />

Kann ick?<br />

Ich: Ob Sie können, weiß ich nicht, aber Sie könn’s<br />

gerne mal versuchen.<br />

Frau Befeld: So unter uns. Sie <strong>mit</strong> Ihrem Hunni.<br />

Bei wie vielen Banken sinn’ Se heute schon jewesen?<br />

Ich: 17 oder 18.<br />

Frau Befeld: Und wo jehn’ Se jetz hin?<br />

Ich: Ich probier’s mal bei den Türken.<br />

Frau Befeld: Hab ich’s doch jesacht: ’n janz<br />

kleveret Kerlchen ...<br />

Paul Bokowski: Hauptsache<br />

nichts <strong>mit</strong> Menschen, Geschichten.<br />

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Peter Priskils Werk über den Kalten Krieg zeigt auf,<br />

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Ist wirklich überall Shakespeare drin, wo Shakespeare draufsteht? Schon<br />

seit Jahren kursiert das Gerücht, dass der vielzitierte britische Nationaldichter<br />

viel zu schlicht gewesen sei, um so großartige und tiefsinnige<br />

Verse wie »What, what, what? Ill luck, ill luck?« zu schmieden.<br />

War William Shakespeare also nur so etwas wie der »Milli Vanilli« der <strong>Literatur</strong>branche?<br />

Hat es ihn überhaupt gegeben? Oder ist dies am Ende<br />

doch alles nur ein Marketinggag von RTL?<br />

Die Shakespeare-Gesellschaft Paderborn eröffnete das Shakespeare-Jahr<br />

2014 <strong>mit</strong> einer sensationellen Enthüllung: Hinter dem Phantom »William<br />

Shakespeare« verbergen sich keinesfalls illustre Persönlichkeiten wie<br />

Francis Bacon, Sir Walter Raleigh, Edmund Spenser oder William<br />

Shakespeare, sondern der 58-jährige langzeitarbeitslose<br />

Werkzeugschlosser Herbert Trockenbrodt aus Lippstadt.<br />

Trockenbrodt gilt als typischer<br />

Quereinsteiger in<br />

den <strong>Literatur</strong>olymp. Lan -<br />

ge Zeit bei der Zweiten Her -<br />

renmannschaft von Borussia<br />

Lippstadt als Manndeckertalent gehandelt,<br />

verfiel er nach seiner Entlassung aus einem<br />

regionalen <strong>mit</strong>telständischen Unternehmen<br />

im Jahre 1985 mehr und mehr dem Teufel<br />

Alkohol. Eines Abends saß er in seiner Lieblingskneipe<br />

und schmachtete seine dralle Lieblingskellnerin<br />

Nancy an. »Das ist eine so Net -<br />

te«, dachte er bei sich und schrieb im<br />

Vollsuff seine ersten Sonette auf<br />

einen selbstvergessenen Bierdeckel.<br />

Der Wirt riet seinem<br />

zahlungsunfähigen Gast, <strong>mit</strong><br />

seinem »selbstgedichteten<br />

Schmonzes« Geld zu verdienen<br />

und motivierte ihn, indem<br />

er ihm als Alternative eine gebrochene<br />

Kniescheibe in Aussicht stellte.<br />

Trockenbrodt entschloss sich, auf der damaligen<br />

»Depeche Mode«-Welle <strong>mit</strong>zusurfen und rechnete<br />

sich <strong>mit</strong> einem englisch klingenden Künstlernamen<br />

gute Chancen aus, die britischen Charts zu dessen konsumiert er nur noch Chrystal Meth.<br />

dass er seine Alkoholsucht besiegen konnte; statt-<br />

stürmen. Da seine Gaststätte das »Shakespeare« war Der Künstler leidet allerdings sehr unter der mangelnden<br />

Qualität der Übersetzung seiner frühen<br />

und sein Urgroßvater <strong>mit</strong> Zweitnamen Wilhelm<br />

hieß, war im Handumdrehen das Pseudonym »William<br />

Shakespeare« geboren. Die kommenden Jahre beispielsweise in Trockenbrodts Originalstück von<br />

Werke. »Der Widerspenstigen Zähmung« handelte<br />

schrieb Trockenbrodt wie im Rausch ein Shakespeare-Stück<br />

nach dem anderen, von denen die der Übersetzer machte aus der »screw« mir nichts,<br />

einer verkanteten Senk-Rund-Kopf-Schraube, doch<br />

meisten leider im Laufe der Jahrhunderte verloren dir nichts eine »shrew«. In seinen Historiendramen<br />

gingen. Der Schriftstellerei hat er es zu verdanken, ehrte Trockenbrodt berühmte Persönlichkeiten sei-<br />

90 LITERATUREULE 4/14


not 2 B?<br />

ner Heimatstadt, die jedoch von seinem skrupellosen<br />

Verleger dem englischen Massengeschmack gestand<br />

den Witz nicht und grunzte: ›Was denn jetzt?<br />

meinem Herbert <strong>mit</strong>zählen. Der Sachbearbeiter veropfert<br />

und durch hierzulande weniger bekannte Figuren<br />

ersetzt wurden. So verwandelte sich »Karl- und so schrieb ich den Satz ›Two B or not two B‹<br />

Zwei B oder nicht zwei B?‹ Das fand ich urkomisch,<br />

Heinz Rummenigge« in »Richard II.«, »Michael Rummenigge«<br />

mutierte zu »Richard III.« und »Matze machte daraus aber ›To be or not to be‹, und so<br />

in meinen Hamlet hinein. Mein britischer Lektor<br />

Knop« fand sich im Gewande eines gewissen »Julius<br />

Cäsar« wieder. Als aus den »Verpeilten Trat-<br />

Auch über die Entstehung der Shakespeare-Zi-<br />

wurde urplötzlich aus der Komödie eine Tragödie.«<br />

schen von Bad Wünnenberg« auch noch »Die lustigen<br />

Weiber von Windsor« wurden, hatte Herbert richten: »Nach der Europameisterschaft 1992 ist<br />

tate weiß Herbert Trockenbrodt Amüsantes zu be-<br />

Trockenbrodt die Faxen dicke; er belegte kurzentschlossen<br />

den Kursus »Best Literal Shakespeare- durchs Wohnzimmer gelaufen und hat geschrieen:<br />

mein Freund Jürgen Patzkoweit wutentbrannt<br />

English für Anfänger« an der Volkshochschule Gütersloh.<br />

das berühmte ›Es ist was faul im Staate Dänemark‹<br />

›Die waren doch gedopt, die Dänen.‹ Daraus ist dann<br />

Obwohl er seine Stücke nun auf Englisch schrieb, geworden. Und als ich meinem Großonkel Alfred<br />

riss die nachträgliche Verunstaltung seiner Werke beim Schach einmal die Springer abgeluchst hatte<br />

nicht ab. Besonders hart traf den Lippstädter Or - und mich dann hinter einem dichten Bauernwall<br />

pheus die Versaubeutelung seines »Hamlet«. In seiner<br />

Autobiographie »William Shakespeare – Sein bevor er die Figuren <strong>mit</strong> der Handkante durch das<br />

verschanzte, schrie er: ›Ein Königreich für ein Pferd!‹,<br />

Le ben, seine Werke, seine vergeblichen Vor - halbe Wohnzimmer schleuderte. Nur den Satz<br />

stellungs gespräche als langzeitarbeitsloser Werkzeugschlosser«<br />

beschreibt Trockenbrodt, wie es zu schon, seitdem ich <strong>mit</strong> meiner Ollen verheiratet bin.«<br />

›Schwachheit, dein Name ist Weib!‹ – den sage ich<br />

einem der größten Missverständnisse in der <strong>Literatur</strong>geschichte<br />

kam: »Mein Sachbearbeiter bei der statt froh zu sein, dass Deutschland endlich Shake-<br />

Doch was gilt der Prophet im eigenen Land? An-<br />

Agentur für Arbeit hatte meinen Namen aus Versehen<br />

<strong>mit</strong> Doppel-B geschrieben. Da ich damals getive<br />

den Versuch, Shakespeares Geburtshaus in<br />

speare ist, stoppte erst kürzlich eine Bürgerinitiarade<br />

voll auf Komödie war, flachste ich, dass zwei Stratford-upon-Avon ab- und in Lippstadt wieder<br />

B ja auch richtig seien, man müsse nur das B in aufzubauen, aus Angst, ihr Heimatort könnte zu einer<br />

Pilgerstätte talentloser Laiendarsteller werden.<br />

Und eine Amok laufende Femen-Aktivistin drückte<br />

Trockenbrodt während der Verleihung des »William<br />

Shakespeare Award« ihre nackten Brüste ins Gesicht<br />

und bezeichnete ihn als »chauvinistisches<br />

Arschloch«. Auf Shakespeares Facebook-Profil hat<br />

ein besonders böswilliger Geist Trockenbrodt sogar<br />

als »Scharlatan« beschimpft.<br />

Der tragische Tragödiendichter vermutet, dass<br />

hinter dieser Schmutzkampagne reaktionäre <strong>Literatur</strong>wissenschaftskreise<br />

stecken, die nicht zugeben<br />

wollen, dass sie sich jahrhundertelang geirrt haben.<br />

Sie möchten seine Existenz am liebsten unter den<br />

Teppich der <strong>Literatur</strong>geschichte kehren.<br />

Trockenbrodt hat sich inzwischen entnervt aus<br />

dem Theaterbusiness zurückgezogen und öffentlich<br />

erklärt, keine weiteren Shakespeare-Stücke<br />

mehr verfassen zu wollen. Doch einen Vollblut-<br />

Schriftsteller wie ihn juckt es natürlich schon wieder<br />

in seinen begnadeten Fingern. Er überlegt, ob<br />

er nicht unter einem neuen Pseudonym so wundervolle<br />

Gedichte wie »Die Glocke« oder »Der Taucher«<br />

schreiben sollte.<br />

Text und Zeichnungen: Michael Kaiser<br />

LITERATUREULE 4/14 91<br />

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Jenny von Westphalen: eigenwillig und engagiert, klug und<br />

gebildet, eine starke, schöne Frau an der Seite eines der<br />

bekanntesten Männer der Weltgeschichte. Doch die vierzigjährige<br />

Partnerschaft <strong>mit</strong> Karl Marx war nicht frei von<br />

Krisen, und nicht immer gelang Jenny der Spagat zwischen<br />

ihrer großbürgerlichen Herkunftsfamilie und dem frei<br />

gewählten Leben.<br />

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Gesammelte Werke<br />

Band 6, hrsg. von Annelies Laschitza und Eckhard Müller<br />

Der erste Ergänzungsband<br />

enthält 270 neue bzw. erstmals<br />

wieder veröffentlichte<br />

Dokumente. Weitere Bände<br />

sind in Vorbereitung.<br />

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Günter Gaus<br />

Von den Hoffnungen eines Skeptikers<br />

»Es gibt wohl Zeiten,<br />

in denen Antworten<br />

möglich sind,<br />

und solche, in denen es<br />

am redlichsten ist,<br />

deutlich zu fragen.<br />

Wir sind noch ratlos,<br />

fragt weiter.«<br />

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176 Seiten, Klappenbroschur<br />

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Wie Dichter<br />

Unternuckel und<br />

seine Elisabeth<br />

zueinander fanden<br />

Sophia Meyer, Ortsvorsteherin in der Gemeinde<br />

Schönforsten in Brandenburg, fand, ihrer Gemeinde<br />

werde nicht die gebührende Aufmerksamkeit zuteil.<br />

Touristen blieben aus, und selbst Wanderratten<br />

machten einen großen Bogen um den Ort. Sophia<br />

fand, dass dies geändert werden müsse. Man könnte<br />

beispielsweise Schönforsten <strong>mit</strong> einem zündenden<br />

Beinamen versehen. Z.B. irgendetwas <strong>mit</strong> Wölfen.<br />

Das wäre prima, denn dann könnten Förder<strong>mit</strong>tel<br />

der Landesregierung erwartet werden. Leider war<br />

aber der letzte Wolf in der Gegend im Jahre 1785<br />

an Altersschwäche gestorben, und die neu zuwandernden<br />

Tiere zeigten wenig Neigung, sich hier niederzulassen.<br />

Vielleicht auch wegen der fehlenden<br />

Ratten.<br />

Goethedorf, dachte Sophia, das wäre es. Schließlich<br />

war der Kerl ja überall. Sogar auf dem Mount<br />

Everest: Wie vermutet wird, musste Sir Hillary das<br />

ursprüngliche Gipfelbuch <strong>mit</strong> der Eintragung<br />

Die Luft ist dünn,<br />

doch herrlich klar<br />

mir schwindet fast der Sinn<br />

ganz wunderbar.<br />

Ich war hier. gez. Goethe<br />

verschwinden lassen, um als Erstbesteiger durchgehen<br />

zu können. Sogar in Radebeul war er, der<br />

Goethe (nicht Sir Hillary), aber leider nicht in Schönforsten.<br />

Ein Heimatdichter, so dachte Sophia, wäre auch<br />

nicht schlecht. Plötzlich kam die Erleuchtung. Sophia<br />

erinnerte sich, die folgenden eindrucksvollen<br />

Zeilen an der Wand des stillen Örtchens in der einzigen<br />

vorhandenen Kneipe gesehen zu haben:<br />

Mach’s Fenster auf, lass Luft herein,<br />

der Nächste wird Dir dankbar sein.<br />

Das war doch mal ein Anfang. Sophia ließ die noch<br />

vorhandene Inschrift sofort durch eine ➤<br />

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Glasscheibe schützen. Der Autor ließ sich bald als<br />

der Wirt der Kneipe identifizieren. Sein Name war<br />

Heribert Unternuckel. Weitere Recherchen ergaben,<br />

dass er vor wenigen Jahren <strong>mit</strong> einem fröhlichen<br />

Trinklied fast den lokalen Dichterpreis gewonnen<br />

hätte. Veröffentlicht in der lokalen Zeitung hat sich<br />

der Wortlaut glücklicherweise erhalten:<br />

Trinklied<br />

Meine liebe Frau im Haus<br />

Bürstet flott die Hemden aus<br />

Und der Hund läuft dann hinaus<br />

In den grünen Wald hinfort<br />

Der umgibt den ganzen Ort<br />

Den Briefträger tut dies nicht stören<br />

Bei der Verteilung unserer Post<br />

Wo jeder wird gerecht bedacht<br />

Am frühen Morgen wie auch bei Nacht<br />

Leuchten die Sonne und auch der Mond<br />

Auf unser Dorf, wo Freude wohnt<br />

In all den schönen Häuslein fein<br />

Heut Mittag gibt es Gänseklein<br />

Schön ist es, hier zu leben<br />

Ja, sagte der stolze Mann, das habe er geschrieben.<br />

Dies aber sei nicht seine größte geistige Leistung.<br />

In den Dichter-Rang erhebe ihn seine Erfindung<br />

der Abkürzungen in der folgenden Annonce, die<br />

ihm nicht nur viel Geld gespart, sondern auch zu<br />

seiner lieben Frau verholfen hätten. Der Originaltext<br />

der Annonce lautete:<br />

Heimatverbundener, dunkelblond und feinsinnig,<br />

sucht naturverbundene liebe Frau zwecks<br />

Haushälterin und Erotik<br />

Die raffinierten Abkürzungen unseres Heimatdichters<br />

(so wurde er schon genannt) machten daraus:<br />

Hmtvbd., dklbl. und fnsn., sucht ntrvb. lbe. Frau<br />

zwecks Hshltrn. und Erik.<br />

Ganz große <strong>Literatur</strong>! Die auf Partnersuche befindliche<br />

Elisabeth Liebeshäuser verstand diese Annonce<br />

wie folgt:<br />

Hutmacherverbandsdirektor, dickleibig und fernsehend,<br />

sucht naturverbliebene liebe Frau<br />

zwecks Hosenhalterin und Esoterik<br />

Natürlich verfiel sie dem Autor sofort in leidenschaftlicher<br />

Liebe. Sie zeugten sieben Kinder, von<br />

denen einige noch in Schönforsten herumlaufen.<br />

Da<strong>mit</strong> ließ sich doch etwas anfangen. Analog<br />

zu der »Kleiststadt Frankfurt« könnte die Gemein -<br />

de dann z.B. »Unternuckeldorf Schönforsten« heißen.<br />

Bloß – Unternuckel? Zwar würde man Heribert<br />

Unternuckel weiterhin als großen Sohn des<br />

Ortes intensiv ehren, aber als Namengeber war er<br />

eher ungeeignet.<br />

Nur »Dichterdorf Schönforsten« war vielleicht<br />

zu allgemein. Aber immerhin – etwas Literarisches<br />

wäre sicher nicht schlecht. In diesem Moment erblickte<br />

Sophia den Teenager Kevin Schulze lesend<br />

auf einer Bank unter der Dorflinde. Völlig verblüfft<br />

– sie hatte in Schönforsten noch nie jemand<br />

lesen sehen – fragte sie, was er da tue. »Ick lese«,<br />

verkündete der Jüngling und verdeckte den Titel<br />

des Buches Der brünftige Tiger und ich – Lebensbeichte<br />

einer Prostituierten. Mit praktischen Anweisungen<br />

<strong>mit</strong> der Hand.<br />

»Lesen denn deine Freunde auch?«, fragte Sophia.<br />

Kevin kannte drei Klassenkameraden, die<br />

besagtes Buch bereits verschlungen hatten und<br />

bejahte. »Schönforsten ist ein Lesedorf«, jubelte<br />

Sophia.<br />

Wie sich herausstellte, verfügten die 200 Einwohner<br />

von Schönforsten über mehr als 350 Bücher<br />

(Telefonbücher und Kataloge eingerechnet),<br />

was im Vergleich zum durchschnittlichen Lesehunger<br />

der Deutschen (etwa ein Buch pro Jahr, dünn)<br />

eine beachtliche Zahl war. Da nun außerdem Heribert<br />

Unternuckel fröhlich drohte, jedes Jahr ein<br />

weiteres Trinklied oder ein anderes, geeignetes Gedicht<br />

zu veröffentlichen, stand fest: »Lese- und<br />

Dichterdorf Schönforsten« sollte es sein! Was für<br />

ein Knaller!<br />

★<br />

Auf einer Pressekonferenz, die von einem Reporter<br />

der lokalen Presse besucht wurde, gab Sophia<br />

stolz dieses wichtige Ergebnis bekannt. Auf einem<br />

Foto war sie <strong>mit</strong> einer Bronzetafel <strong>mit</strong> dem neuen<br />

Namen zu sehen. Eingerahmt wurde sie von einem<br />

intellektuell wirkenden Heribert Unternuckel<br />

(lange Haare, schütter) und einem schüchternen<br />

Rentner, der ein Buch <strong>mit</strong> dem Titel »Die Pilze der<br />

heimischen Wälder – wie ich Giftpilze erkennen<br />

kann« (gebraucht) in die Kamera hielt.<br />

Reiner Franke<br />

94 LITERATUREULE 4/14


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Angegoethet!<br />

Einem dpa-Bericht zufolge wundert sich die Schauspielerin<br />

und Moderatorin Collien Ulmen-Fernandes:<br />

»Ich habe von meiner Nichte neulich gehört,<br />

dass Goethe auf Schulhöfen als abwertendes Wort<br />

benutzt wird. Niemals hätte ich Goethe <strong>mit</strong> einem<br />

Schimpfwort in Verbindung gebracht.« Der Trend<br />

gehe offenbar auf den Kinofilm »Fack ju Göhte« zurück.<br />

Wir wundern uns zwar, dass dpa Collien Ulmen-Fernandes<br />

als Schauspielerin bezeichnet, nicht<br />

aber, dass unsere literarisch interessierte Jugend<br />

sehr differenziert <strong>mit</strong> den Namen großer Schriftsteller<br />

umgeht, um sich <strong>mit</strong>zuteilen. Hier ein kleines<br />

Wörterbuch der gängigsten jugendsprachlichen Ausdrücke:<br />

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Was verbindet die Menschen<br />

zwischen Eisenach und Gera,<br />

zwischen Nordhausen und Sonneberg?<br />

Was haben Doppelkorn<br />

und Rhönschaf, Muschelkalk<br />

und Heringssalat gemeinsam?<br />

Gibt es mehr Erwähnenswertes<br />

in Thüringen als das Lob von<br />

Dichtern und Denkern, Rostbratwurst<br />

und Klöße?<br />

Ausdruck<br />

’ne Bachmann gefällig?<br />

Darf ich dich um den Block karlmayen?<br />

Der Barthes ist ab!<br />

Du bist ja kafkaesk!<br />

Du kannst mich mal an der Charlotte rochen!<br />

Gestern wollt er vogelweiden!<br />

Halt den Böll!<br />

Haste mal ’nen Brecht?<br />

Heg keinen Grimm!<br />

Homer nicht rum!<br />

Bedeutung<br />

Kann ich dir noch eine letzte Zigarette anbieten?<br />

Hast du Lust, eine Runde in meinem schwarzen<br />

Mustang zu drehen?<br />

Du hast dir offensichtlich deine Gesichtsbehaarung<br />

dekonstruiert.<br />

Du bist ein tuberkulosekranker Obersekretär der<br />

Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt für das<br />

Königreich Böhmen aus Prag – was rede ich<br />

eigentlich <strong>mit</strong> dir?<br />

Du kannst mich mal an der Pupe schmatzen!<br />

Tandaradei! Gestern wollte er in den Puff!<br />

Deine Ansichten sind jetzt nicht gefragt, du Clown!<br />

Haste mal drei Groschen (umgerechnet: ein Euro)?<br />

Erzähl keine Märchen!<br />

jetzt werd’ nicht episch!<br />

Tobias Prüwer<br />

Ein Panoptikum<br />

Tobias Prüwer<br />

Thüringen<br />

Ein Panoptikum<br />

ISBN 978-3-939611-62-2<br />

EUR 18,00<br />

Ich bin die Aischylos (gesprochen: Ayşe los). Nicht weiter tragisch ...<br />

Ich fühl’ mich dürrenmatt!<br />

Ich geb’ dir gleich den Klopstock!<br />

Ich hau dich Novalis!<br />

Ich verpasse dir eine blaue Blume der Romantik<br />

Ich heine dann mal los zur Harz-Reise ...<br />

Ich hesse dich!<br />

Ich kästner gleich die Schule in die Luft!<br />

Jetzt werd’ bloß nicht tolkien ...<br />

Lass uns noch ein wenig schillern ...<br />

Oh, ein neuer Joyce-Tick (gesprochen: Joy-Stick)?<br />

Proust mich nicht an!<br />

Rilk’ nicht so panther!<br />

Spar dir den Fallersleben!<br />

Zum Henker, ich habe da so einen Verdacht!<br />

Ich möchte <strong>mit</strong> dir über die »Gelehrtenrepublik«<br />

diskutieren.<br />

Ich zieh dir eins <strong>mit</strong> dem Baseballschläger über.<br />

(bevorzugt ein Veilchen)!<br />

Ich hab einen Termin im Job-Center.<br />

Ich mag dich nicht mehr, seitdem ich aus der Pubertät<br />

raus bin!<br />

Das fliegende Klassenzimmer.<br />

... sonst werd’ ich zum Mordor.<br />

Wir haben noch Zeit bis die Glocke läutet, um die<br />

Erstklässler auszuräubern ...<br />

Dafür bräuchtest du aber einen größeren<br />

Arbeitsspeicher!<br />

Stiehl mir nicht die Zeit!<br />

Lauf nicht ständig in deiner Zelle auf und ab!<br />

Laber keine Hymnen!<br />

André Kudernatsch<br />

Dieser Zug hält nicht<br />

in Weimar<br />

Thüringer Kolumnen<br />

ISBN 978-3-939611-75-2<br />

EUR 12,90<br />

www.salierverlag.de<br />

Wenn ich dir mal was goethen darf ... Wenn ich dir einen geheimen Rat geben darf ...<br />

Michael Kaiser<br />

LITERATUREULE 4/14 97


KARSTEN WEYERSHAUSEN<br />

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Schreibhefte, Sammelmappen, Magnete –<br />

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TUSHITA Verlag GmbH · Meidericher Strasse 6–8 · 47058 Duisburg<br />

0203-80097-22 · info@tushita.de<br />

Die Autobiografie<br />

EULENSPIEGELs <strong>Literatur</strong>-Special –<br />

ist ja schön und gut, aber da geht es<br />

doch immer nur um Bücher, alte und<br />

junge Autoren und so. Wenn wir ehrlich<br />

sind: <strong>Literatur</strong> findet dort nur noch<br />

selten statt. Besser wäre, ich käme in<br />

einer der diversen <strong>Literatur</strong>zeitschriften<br />

unter. Die können einem den Weg<br />

auf die Bestsellerliste bahnen. Denn<br />

neben dem öffentlichen Skandal ist es<br />

besonders hilfreich, in ausreichend<br />

weit verbreiteten Werbeträgern wohlwollend,<br />

das heißt verkaufsfördernd<br />

erwähnt zu werden, wozu auch der<br />

Verriss durch eine geeignete Person<br />

gehört. Selbst in der Talkrunde des regionalen<br />

Fernsehens sein Buch in die<br />

Kamera zu halten oder halten zu lassen,<br />

könnte etwas bringen.<br />

Nun will aber keine dieser verfickten<br />

Sauzeitschriften meine Autobiografie<br />

abdrucken, obwohl ich schon siebzehn<br />

bin, zweimal in Spanien war und<br />

sogar Typen aus meiner Parallelklasse<br />

kenne, also durchaus als lebenserfahren<br />

gelten kann. Und über Sex habe<br />

ich unflätiger geschrieben als Charles<br />

Bukowski, von dem ich übrigens zwei<br />

Gedichte kopiert und eingereicht habe,<br />

welche <strong>mit</strong> der flachwichsigen Begründung<br />

»Unoriginell!« bzw. »Unverständlich!«<br />

abgelehnt wurden.<br />

Es gibt auch keinen Verlag, der mich<br />

hochbringen will, weil in diesen literarischen<br />

Faulgruben überhaupt keiner<br />

mehr einen hochbringt. Wenn ich<br />

98 LITERATUREULE 4/14<br />

denen meine Autobiografie, Titel: »Ich<br />

hatte Sex <strong>mit</strong> Reich-Ranicki«, vorlege,<br />

ziehen die sich auf völlig überalterte<br />

Formvorstellungen zurück. Ein Schrift -<br />

steller muss eben einen langen Atem<br />

haben. Gerade die berühmtesten Autoren<br />

sind immer erst von den Verlagen<br />

abgelehnt worden, das adelt also<br />

geradezu.<br />

Aber die Zeitschriften müssten doch<br />

zugreifen! Da<strong>mit</strong> sie sich später meiner<br />

Entdeckung rühmen können. Worauf<br />

warten die nur? Vielleicht sollte<br />

ich Reich-Ranicki durch Karasek ersetzen,<br />

da<strong>mit</strong> es perverser klingt, oder<br />

durch Elke Heidenreich, wegen der Homowelle,<br />

oder Susanne Fröhlich, am<br />

besten wohl durch Denis Scheck, weil<br />

der Nachname genau in die richtige<br />

Richtung zielt.<br />

Die Verlagsleute haben einfach keinen<br />

Blick für die Zukunft. Wenn denen<br />

die DDR-Bürgerin Angela Merkel<br />

<strong>mit</strong> siebzehn gesagt hätte, dass sie<br />

Bundeskanzlerin der BRD werden<br />

wolle, hätte man sie auch nicht gefördert,<br />

sondern eingesperrt. Heute ist sie<br />

es. Weil sie sich nicht scheute, dicke<br />

Bretter zu bohren, die in ihrem Fall<br />

nicht selten dicke Männer waren. Der<br />

ihre Autobiografie verkauft sich bestimmt<br />

super, weil sie so berühmt ist.<br />

Vielleicht gehe ich auch diesen Weg,<br />

erst berühmt, dann Buch. Wann war<br />

noch mal dieses Casting …<br />

Ove Lieh


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Schriftstellerdämmerung<br />

Ein neblig-trüber Tag in Wien. Daniel Kehlmann<br />

spielt <strong>mit</strong> Blechsoldaten. Auf der rechten Seite des<br />

opulenten Schreibzimmers schart er seine Mannen<br />

zusammen: Die Blechkameraden namens FAZ, SZ,<br />

Zeit und Welt. Das gegnerische Heer auf der linken<br />

Seite, einen Fußmarsch von drei Minuten entfernt,<br />

besteht nur aus einem einarmigen Banditen<br />

namens Taz. Die »große Presseschlacht zu Wien«,<br />

die der Erfolgsschriftsteller jeden Morgen nachstellt.<br />

Weil es ohne Gegner langweilig ist, macht sich<br />

Daniel Kehlmann das Gesicht <strong>mit</strong> einem Waschlappen<br />

frisch, eingestickt die Initialen TM. Mit Schreiben<br />

wird es heute nichts, das Leid des Erfolgsschriftstellers.<br />

In einer Stunde bekommt er einen Wirtschaftspreis<br />

verliehen. »Kehlmanns Figuren«, heißt<br />

es in der Laudatio, »sind notorische Streber, und<br />

ohne die, das weißt du, Daniel, ließe sich unsere<br />

Wirtschaft nicht so schön am Laufen halten.«<br />

Das <strong>mit</strong> den Preisen läuft wie geschmiert. So<br />

muss in der Villa Kehlfried überhaupt nicht mehr<br />

geschrieben werden. Zeit, sich als Wotan, Hagen<br />

oder Mime, in schwachen Stunden gar als Brünnhilde,<br />

zu verkleiden. Die Sache <strong>mit</strong> den Wagner-<br />

Rollenspielen hat sich Daniel Kehlmann von Thomas<br />

Mann abgeguckt. Bei den Damen im Opernfundus<br />

ist er »der total verrückte Daniel <strong>mit</strong> dem<br />

Wagner-Tick«.<br />

Kürzlich unternahm er eine Lesereise ins niederländische<br />

Demenzdorf De Hogeweyk. Dort kannte<br />

man ihn nicht, was er ironisch fand. Dass er sich<br />

weder an den Grund dieser Reise noch an den Titel<br />

seines nächsten Romans erinnerte, wurmte ihn<br />

allerdings – und dass Dr. Koonies ihn am liebsten<br />

gleich dabehalten hätte. Schnell signierte er seine<br />

Romane, die ein Alberich in die »Lehnsprache Niederländisch«<br />

übersetzt hatte, <strong>mit</strong> seinen Initialen<br />

TM und verschwand.<br />

Gelangweilt kontrolliert Kehlmann seine E-Mails.<br />

Thomas Mann hat ihm die schicksalhafte E-Mail-<br />

Adresse tannhaeuser@venusberg.de im Schlaf eingeflüstert,<br />

<strong>mit</strong> der Bitte, ihm ein paar Bilder von<br />

»knackigen Jungs« downzuloaden, aber außerhalb<br />

des strafrechtlich relevanten Bereichs. Dass Thomas<br />

Mann im Traum behauptet, er sei Richard Wagner,<br />

macht die Sache einfacher: »Dann ist Thomas Mann<br />

frei«, sozusagen als Kehlmann-Domain<br />

in der analogen Welt!<br />

Dr. Koonies hält Kehlmann<br />

für ein typisch deutsches<br />

Genie: »Psychotisch,<br />

vergesslich und reizbar. Angepisst und narzisstisch.<br />

Er wird als erstes die Niederlande überrennen.<br />

Am besten, wir sperren ihn in De Hogeweyk<br />

ein. In zwei Jahren kann sich kein Schwein<br />

mehr an ihn erinnern.« Doch wer hört denn auf die<br />

Stimme des Humanismus?<br />

Kehlmann überlegt, den nervigen Dr. Koonies in<br />

seinem Roman zu porträtieren, als Fliegender Holländer.<br />

Sehr ironisch! Nur weiß er immer noch nicht,<br />

wovon dieser Roman handeln soll. Die SM-Haftigkeit<br />

des <strong>Literatur</strong>betriebs? Seine eigene TM-Haftigkeit?<br />

Noch nicht einmal der Titel steht. Shades of<br />

Thomas? Die Blechsoldaten? Der Wirtschaftspreis?<br />

Keine E-Mails. Kein Blechsoldat legt ihm eine Interviewanfrage<br />

zu Füßen. Es donnert in der Villa<br />

Kehlfried, wie er seine Singlevilla ironisch nennt.<br />

An solchen Tagen zweifelt der Erfolgsschriftsteller<br />

an seiner Existenz. Da kommt ihm ein ironischer<br />

Gedanke: Er könnte sich selbst interviewen. Den<br />

Text schickt er an den Blechsoldaten von der Welt.<br />

Drucken, sonst gibt’s was auf den Helm! Das Interview<br />

<strong>mit</strong> sich selbst beschließt Kehlmann <strong>mit</strong> einem<br />

denkwürdigen Satz: »Wo ich bin, ist deutsche<br />

Kultur.« Der ist zwar von Thomas Mann, aber jeder<br />

wird verstehen, wer wirklich diesem Satz gewachsen<br />

ist.<br />

Der einzige, <strong>mit</strong> dem er kommuniziert, ist Jona -<br />

than Franzen, weil der ihm versichert hat, ihre Gespräche<br />

in seinem nächsten Roman zu verbraten.<br />

Franzen weiß, dass sich Kehlmann seinen Schreibtisch<br />

von einem livrierten Diener nachtragen lässt<br />

(einen Kinderschreibtisch), und sei es für einen Ausflug<br />

in den Wienerwald, um dann drei Stunden <strong>mit</strong><br />

dem Platzieren der Kerzenständer (»Kandelaber«)<br />

zu verbringen.<br />

Noch 20 Minuten bis zur Preisverleihung. Nein,<br />

er will kein Streber sein, er bleibt im Pyjama. Er<br />

bringt seine Blechsoldaten in Stellung. »Grandios«,<br />

»atemberaubend«, »das wird unseren Blick auf die<br />

Welt verändern«, flüstert er – alles Claims für seinen<br />

nächsten Roman. Der Blechsoldat Freitag kriegt<br />

eins auf die Mütze.<br />

Dr. Koonies ahnt, dass Daniel Kehlmann die Sache<br />

<strong>mit</strong> Thomas Mann als Verkaufsmasche erfunden,<br />

diesen kapitalen Umstand aber längst wieder<br />

vergessen hat. Im Demenzdorf De<br />

Hogeweyk kennt man solche<br />

traurigen Fälle tausendfach.<br />

Jan Decker<br />

Zeichnung: Jan Tomaschoff<br />

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Michael Uhland<br />

Chaostheorie<br />

Sie wollen die Hintergründe von Wirtschaftswunder,<br />

Kubakrise und PISA-Studie<br />

kennenlernen? Michael Uhland erzählt<br />

sehr unterhaltsam von seinen höchst ›wissenschaftlichen‹<br />

Chaostheorien. Hardco-<br />

ver, 192 Seiten, Format: 13,2 x 21 cm.<br />

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Jagen, Sex & Tiere essen<br />

Dieses Buch deckt anhand schonungsloser<br />

Beispiele die uralten Parallelen zwischen<br />

Bordell und Pirsch, Bett und Hochsitz, Potenz<br />

und Rohrkrepierer auf und beweist:<br />

Eine gute Jagd macht Spaß, wie guter Sex<br />

befriedigt und Fleisch einen hungrigen<br />

Mann wohlig satt macht. Alle drei haben<br />

dabei eins gemeinsam: Man(n) will es immer<br />

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Seiten, Format: 12,5 x 19 cm.<br />

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LITERATUREULE 4/14 101<br />

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NEUERSCHEINUNG<br />

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LOTHAR OTTO<br />

Juden unter sich<br />

Die gesamte Bagage lud ich zu mir<br />

nach Hause ein, und tatsächlich – obwohl<br />

viel beschäftigt und untereinander<br />

zerstritten – kamen sie: zuerst<br />

Kisch. Der dachte ja immer, er verpasst<br />

was. Sagte natürlich schon in der Tür,<br />

dass er später noch was vorhätte und<br />

früher gehen müsste, zog den Notizblock<br />

und fragte, welche Getränke vorrätig<br />

seien.<br />

Tucholsky, klein und rund. Spöttisch,<br />

leicht angetrunken, geräuschvolle<br />

Atemzüge durch die Nase. Er sagte etwas<br />

von einer bevorstehenden Operation,<br />

brach aber ab, als er den Kisch in<br />

der Ecke sitzen und seine beachtlichen<br />

Ohren spitzen sah. Tucho griff zum<br />

Wein und sagte erst mal gar nichts<br />

mehr.<br />

Feuchtwanger kam. Kregel und<br />

bayerisch jovial. Er widmete sich sogleich<br />

dem Bücherregal, das er nach<br />

historischen Romanen durchsuchte,<br />

trank nicht, rauchte nicht, sagte nichts.<br />

Dann Kafka <strong>mit</strong> der Baum bzw. die<br />

Baum <strong>mit</strong> dem Kafka. Kafka sah jämmerlich<br />

aus. Wahrscheinlich hatte ihn<br />

wieder mal die Verlobte sitzen gelassen.<br />

Die Baum hingegen sah aus, als<br />

käme sie gerade vom Einkaufen.<br />

»Trink du gefälligst auch was, du ekliger<br />

Zwerg!«, herrschte sie den Kafka<br />

an, der sich sogleich am Whiskey verschluckte.<br />

Dann tanzten sie <strong>mit</strong>einander,<br />

Kisch machte Notizen.<br />

Zuletzt kam Werfel. Entgegen der<br />

Absprache brachte er seine Frau <strong>mit</strong>,<br />

diese grässliche Alma. Die drehte die<br />

Klunkern um ihren Hals der Reihe<br />

nach durch und sah dabei ungeniert<br />

von einem zum anderen, während Werfel<br />

neben ihr versuchte, im Boden zu<br />

versinken. Er kannte ja sein Weib.<br />

»Wissen Sie eigentlich, dass Sie alle<br />

Juden sind?«, krähte Alma in die<br />

Runde. Dem Kisch fiel der Bleistift runter.<br />

Feuchtwanger trat aus dem Buchregal<br />

heraus, wenn auch nur einen<br />

Schritt.<br />

»Im Ernst, wussten Sie das?« Alma<br />

ließ nicht locker.<br />

Zuerst lachte die Baum, wobei sie<br />

Kafka auf die Schulter klopfte, als habe<br />

sie ihn bei etwas Unanständigem ertappt.<br />

Dann gluckste auch Tucholsky<br />

los, dann Kisch. Von Feuchtwanger<br />

kam ein Hüsteln. »Ich meine es ernst«,<br />

rief die Mahler-Werfel, fast ein wenig<br />

beleidigt, »Sie sind doch alle Juden.«<br />

»Ja«, gab Kisch zur Antwort, »und<br />

Schriftsteller sind wir auch.«<br />

»Und erfolgreich«, tönte die Baum.<br />

»Und immer abgebrannt«, ergänzte<br />

Tucho matt.<br />

Die Runde lachte und auch Werfel<br />

konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.<br />

Die Alma aber war gar nicht zum<br />

Spaßen aufgelegt.<br />

»Sie da«, keifte sie und spießte <strong>mit</strong><br />

ihrem Zeigefinger den Kafka auf. »Sie<br />

sind doch der traurige Jude aus Prag,<br />

den keiner versteht! Ist das noch<br />

deutsch, was Sie schreiben?«<br />

»Hoppla!«, rief da die Baum und<br />

baute sich vor Alma auf. »Machen Sie<br />

mir nicht den Franzel kaputt. Kieksen<br />

Sie gefälligst Ihren eigenen Mann!«<br />

Alma versuchte sich zu fassen, was<br />

ihr mäßig gelang. Ein versöhnliches Lächeln<br />

huschte über ihr Gesicht, wenn<br />

auch nur kurz. »Aber Sie müssen doch<br />

zugeben, dass es ulkig ist, wie jüdisch<br />

Sie … also ich meine … dass Sie eben<br />

alle … ja … halt Juden sind.«<br />

Keiner lachte. Nicht einmal die<br />

Baum. Feuchtwanger sah betreten auf<br />

seine Schuhe.<br />

»Und was machen Sie so unter Ihresgleichen?«<br />

»Wir kochen koscher«, antwortete<br />

Tucho spöttisch.<br />

»Wir ondulieren unsere Schläfenlocken«,<br />

frohlockte Kisch.<br />

»Wir feiern den beschnittenen Unterschied«,<br />

äffte die Baum so frivol, dass<br />

dem armen Kafka die Knie hörbar<br />

schlotterten.<br />

»Und zu so was schleppst du mich«,<br />

zischte Alma ihren Werfel an.<br />

»Also echt, Franz!«, brüllte die ganze<br />

Runde so ausgelassen, dass Alma auf<br />

der Hacke kehrt machte und zur Tür<br />

lief, Werfel beflissen hinterher.<br />

Wieder Schweigen.<br />

»Also ehrlich!«, entrüstete sich die<br />

Baum. »Wo ich ja nur vom Blatt her jüdisch<br />

bin und überhaupt!«<br />

»Kann man wohl sagen«, gab Feuchtwanger<br />

zu. »Dennoch sehr reizend, dieses<br />

Temperament, nicht wahr?«<br />

Tucho lächelte still, während Kisch<br />

sich seine Notizen machte. »Was wären<br />

wir nur ohne die Gojim«, wagte Kafka<br />

zu äußern, bevor ihn sich die Baum<br />

wieder zur Brust nahm. »Janz jewöhnliche<br />

Leutchen wärn wir! Nich auszudenken!«,<br />

rief sie. »Und jetzt trink mal<br />

endlich weiter, du Würstchen. Du<br />

quatschst ja schon Unfug.«<br />

Bernhard Spring<br />

Das Buch erscheint im Verlag Neuer<br />

Weg und wird auf der <strong>Leipziger</strong><br />

<strong>Buchmesse</strong> vorgestellt. Es kostet im<br />

Buchhandel 17,50 Euro.<br />

Bei Bestellungen an den Verlag bis<br />

einschließlich 3. März 2014<br />

ist das Buch zum Subskriptionspreis<br />

von 15,00 Euro erhältlich.<br />

Verlag Neuer Weg<br />

in der Mediengruppe Neuer Weg GmbH<br />

Alte Bottroper Str. 42, 45356 Essen<br />

Tel.: 0201 25915 verlag@neuerweg.de<br />

Web-Shop: www.people-to-people.de<br />

LITERATUREULE 4/14 103


Einfälle<br />

❦ und ❦<br />

Abfälle<br />

I<br />

ch habe dir das Buch <strong>mit</strong>gebracht,<br />

das du schon immer haben<br />

wolltest«, sagte die Frau. In ihrer<br />

Stimme schwang neben einer<br />

aufgesetzten Nettigkeit auch ein wenig<br />

Unsicherheit <strong>mit</strong>. Der Mann<br />

brummte nur etwas wie: »Schön,<br />

hat aber auch lang genug gedauert.«<br />

Sie bemühte sich, nicht beleidigt zu<br />

sein und schlug vor: »Wir könnten<br />

es uns heute Abend gemütlich machen,<br />

und du liest mir aus dem Buch<br />

vor.« Dabei wusste die Frau doch<br />

genau, dass der Mann dienstags immer<br />

ausging, offiziell zum Bier in<br />

eine Kneipe, wirklich aber zu einer<br />

anderen Frau, der er nichts vorlas.<br />

Den Mann zu verleiten, lieber <strong>mit</strong><br />

ihr zu vögeln, war der Frau nicht<br />

gelungen, deshalb versuchte sie es<br />

<strong>mit</strong> dem Buch. Wenn Bücher sogar<br />

die ganze Welt verbessern konnten,<br />

warum dann nicht auch einen einzelnen<br />

Menschen. Es schien ganz<br />

kurz, als schwanke der Mann, und<br />

Das Buch<br />

ANDREAS PRÜSTEL<br />

die Frau schöpfte kurz Hoffnung, da<br />

sagte der Mann: »Nein, heute nicht,<br />

morgen vielleicht.« Die Frau sackte<br />

innerlich zusammen, fing sich aber<br />

schnell und bat den Mann, das Buch<br />

dann wenigstens noch ins Regal zu<br />

stellen.<br />

Der Notarzt und der leitende Kriminalbeamte<br />

wunderten sich zwar,<br />

dass jemand ein noch eingeschweißtes<br />

Buch ganz oben ins Regal stellen<br />

wollte, aber der Mann hatte es<br />

versucht, und war, als der wacklige<br />

Stuhl unter ihm zusammenbrach,<br />

nicht nur <strong>mit</strong> dem Genick auf einen<br />

zufällig hinter ihm stehenden Tisch<br />

gefallen, wobei es brach, das Genick,<br />

sondern auch noch vom umstürzenden<br />

Regal begraben worden, das der<br />

Mann bei dem Versuch, den Sturz<br />

zu verhindern, selbst umgerissen<br />

hatte, was ihn auch ohne das Tischlein<br />

getötet hätte.<br />

»Sie sollten Ihre Stühle mal kontrollieren«,<br />

sagte der Polizist, »oder<br />

noch besser, sich eine Leiter zulegen.«<br />

Die Frau schwieg. Sie wusste,<br />

dass es in ihrem Haushalt nur den<br />

einen instabilen Stuhl gegeben<br />

hatte.<br />

Ove Lieh<br />

Je gebildeter der Baum,<br />

desto teurer das Papier.<br />

★<br />

Wehe dir,<br />

humoristischer Autor,<br />

wenn dein Rechtschreibprogramm<br />

witzigere Einfälle hat<br />

als du!<br />

★<br />

Das Wort »Ich«<br />

hält sich für den Mittelpunkt<br />

der Sprache.<br />

★<br />

Wie oft schämt sich das Papier<br />

für das, was einer darauf schreibt!<br />

★<br />

Was dein Computer wirklich denkt,<br />

wird er dir niemals<br />

auf dem Monitor<br />

anzeigen.<br />

★<br />

Sebastian Vettels<br />

Lieblingsbuchstabe ist das O.<br />

Stundenlang fährt er<br />

<strong>mit</strong> dem Finger entlang.<br />

Peter Köhler<br />

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Eine wahre Schatzkiste!<br />

Von mutigen Mäusen und Hasenkindern, vom Glück<br />

ein Geschwisterchen zu bekommen, vom ersten<br />

Schultag und von ganz besonderen Freundschaften …<br />

Enthält die Geschichten: Adebar, der Klapperstorch<br />

✹ Schinschilla ✹ Mäusecken Wackelohr ✹ Krawitter,<br />

Krawatter, die Kiste, die Mäuse ✹ Hinterm Busch<br />

zwei lange Ohren ✹ Zum Geburtstag eine Schwester<br />

✹ Der Sylvesterhund ✹ Das Mitternachtsgespenst<br />

✹ Schalmei und Krüglein ✹ Känguru Konrad ✹ Auf<br />

dem ABC-Stern ✹ Daniel und der Maler ✹ Die<br />

Windvogelschule ✹ Pantommel malt das Meer<br />

✹ Schnurzel, das Neinchen ✹ u.v.a.<br />

Besuchen Sie uns auf der<br />

<strong>Leipziger</strong> <strong>Buchmesse</strong>!<br />

Halle 2 Stand F 101<br />

Lies mir vor von Mäusecken Wackelohr<br />

Klassische Kindergeschichten der DDR<br />

Gebunden, 254 Seiten, ab 4 Jahren, a 14,95 D<br />

ISBN 978-3-407-77167-4


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Zwischen den Fronten<br />

Gespräche<br />

Herausgegeben von<br />

Gisela Diewald-Kerkmann<br />

und Ingrid Holtey<br />

312 S. 2013<br />

〈978-3-428-13805-0〈<br />

978-3-428-13805-0〉 〉 € 38,90<br />

W<br />

Auch als E-Book erhältlich<br />

ie erinnern Anwälte, Richter und Bundesanwälte w die<br />

Situation im Gerichtssaal während der APO- und<br />

RAF-Prozesse? Welche langfristigen Wirkungen auf die<br />

Rechtskultur schreiben en sie der 68er Bewegung zu? Wie be-<br />

urteilen sie rückblickend die Herausforderung des bundes-<br />

deutschen Terrorismus und das Stammheim-Vererfahren?<br />

Diese Fragen stehen en im Zentrum der dreizehn Interviews<br />

des vorliegenden Bandes, der erstmals die Perspektiven von<br />

Ver<br />

erteidigern, Richtern und Bundesanwä<br />

wälten versa<br />

ammelt<br />

und die Stimme eines es politischen Beobachters einbezieht.<br />

Gespräche wurden geführt <strong>mit</strong> sieben Strafverteidigern<br />

(K laus Eschen, Armin G<br />

olzem, Rupert von Plottnitz, tz, Hein-<br />

rich Hannover, Kurt t Groenewold, Ulrich K. Preuß und<br />

Hans-Christian Ströbele), drei Richtern (Kurt Breucker,<br />

Eberhard Foth und Klaus Pflieger), zwei Bundesanwälten<br />

(Joachim Lampe und Peter Morré) und einem ehemaligen<br />

Bundesinnenminister er (Gerhart Baum). Alle waren an expo-<br />

nierter Stelle le in APO- und RAF-Prozessen involviert. Die<br />

Interviewpartner t reflek<br />

kt<br />

tieren nicht nur die politischen KoK<br />

on-<br />

troversen und die beklemmende Atmosphäre in den Pro-<br />

zessen, sondern auch die damals kaum überbrückbaren<br />

Gegensätze unter den Beteiligten.<br />

www.duncker-humblot.de<br />

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Textfabrik<br />

Der Leserbegann, eine Geschichte<br />

zu lesen. Je mehr er las, desto weiter<br />

schritt die Geschichte voran. Der<br />

Leser ahnte, worauf das hinauslief,<br />

aber sagte sich: »Vielleicht geschieht<br />

etwas Unerwartetes!«, und fuhr in<br />

der Lektüre fort. Plötzlich las er, dass<br />

der Autor den Leser an der Nase herumführe<br />

und keinen Respekt vor<br />

ihm habe. Der Leser stutzte und las<br />

noch mal. Da stand es wortwörtlich:<br />

»dass der Autor den Leser an der<br />

Nase herumführe und keinen Respekt<br />

vor ihm habe«. Der Leser<br />

wusste nicht, ob er schmunzeln oder<br />

zetern solle, da las er: »Wer das liest,<br />

ist doof!« Der Leser dachte: »Wie kindisch!<br />

Der Autor ist doch selber<br />

doof!« Das kam so unerwartet, dass<br />

der Autor innehielt.<br />

★<br />

Alles Regal<br />

»Du gehst doch immer lieber laufen,<br />

anstatt einmal ein Buch zu kaufen.<br />

Wozu dann die Bücherschränke?«<br />

»Für isotonische Getränke.«<br />

Kriki<br />

Trockene Spätlese<br />

10 nach 10 abends ist Spätlesezeit an<br />

Bord. Und wenn dann drei Bücher bereit<br />

liegen und fünf gutgefüllte Schubladen<br />

<strong>mit</strong> Trockenfisch zum Knabbern<br />

warten, dann weiß der erfahrene Kapitän:<br />

Die Leseratten verlassen garantiert<br />

als Letzte das sinkende Schiff!<br />

Käpt’n Kriki<br />

Kaum dass die Hauptperson genannt<br />

wird, verlässt sie die Geschichte.<br />

An ihrer Stelle betritt eine<br />

Nebenperson den folgenden Satz.<br />

Sie bleibt anwesend, während eine<br />

weitere Figur hinzukommt. Es wird<br />

geredet, auch übers Handeln. Indem<br />

der Autor die leeren Wände des Raumes<br />

erwähnt, lenkt er die Aufmerksamkeit<br />

der Leser auf die leeren<br />

Wände des Raumes im Kopf des Lesers.<br />

Die Figuren haben unterdessen<br />

weitergeredet, doch worüber, ist unbekannt,<br />

weil niemand sonst zugehört<br />

hat. Nach einer Weile trinken sie ein<br />

Bier, zumindest auf dem Papier. Es<br />

wird geschwiegen, man hört in der<br />

Stille den Autor kritzeln. Dann betritt<br />

die Hauptperson die Geschichte, und<br />

da<strong>mit</strong> ist sie zu Ende.<br />

★<br />

Es war einmal ein Wort, das lautete<br />

»Frau« und ging in den Text, d.h. in den<br />

Keller, um einen Plural zu holen, Kartoffeln.<br />

Die Frau bzw. das Wort ging<br />

also, wie gesagt, in den Keller oder Text,<br />

weil es (die Frau) dort einen Plural holen<br />

wollte, die Kartoffeln; und nachdem<br />

dieses Gehen oder besser Beschreiben<br />

erfolgt war, waren beide im Keller, sie<br />

(das Wort) und sie (der Plural). Es nahm<br />

ihn und trug sie hinauf in seinen Keller,<br />

nein: ihre Wohnung (ebenfalls im<br />

Text!). Jetzt war die Frau nicht mehr in<br />

den Kartoffeln, stop: im Keller, und die<br />

Kartoffeln nicht mehr im Keller, sondern<br />

in der Frau, Unsinn: im Keller.<br />

Nein, nicht im Keller! Dort ist jetzt nur<br />

noch der Leser.<br />

Peter Köhler<br />

106 LITERATUREULE 4/14

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