Eulenspiegel Zur Leipziger Buchmesse mit Literatur-Eule (Vorschau)
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DAS SATIREMAGAZIN<br />
Unbestechlich, aber käuflich!<br />
4/14 · € 3,20 · SFR 5,00<br />
www.eulenspiegel-zeitschrift.de<br />
60./68. Jahrgang • ISSN 0423-5975 86514<br />
Auf Augenhöhe:<br />
Vertrauen<br />
wiederhergestellt!<br />
<strong>Zur</strong> <strong>Leipziger</strong> <strong>Buchmesse</strong>:<br />
40 Seiten <strong>Literatur</strong>-<strong>Eule</strong>
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Zeit im Bild<br />
EULENSPIEGEL 4/14 3<br />
Reiner Schwalme
Inhalt<br />
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Titel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arno Funke<br />
3 Zeit im Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reiner Schwalme<br />
7 Haus<strong>mit</strong>teilung<br />
8 Leserpost<br />
10 Modernes Leben<br />
12 Zeitansagen<br />
17 Deutsches Blut und deutscher Samen . . . . . Mathias Wedel / Guido Sieber<br />
20 Zeitgeist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beck<br />
22 Unsere Besten: Nicht von dieser Welt –<br />
Helene Fischer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Felice von Senkbeil / Frank Hoppmann<br />
24 Praxisgebühr wird wieder eingeführt . . . . . . . . . . . . . Michael-André Werner<br />
25 Tugendterror – der Bildband . . . . . . . . . . . . . . . . . Füller / Koristka / Garling<br />
Martin Perscheid ist seit „Angeber<br />
der Karibik“ nicht untätig gewesen<br />
und lässt nun 1888 neue Cartoons<br />
auf die Leser-gemeinde emeinde los,<br />
schließlich blieben ben beim letzten<br />
Werk viele Fragen ungeklärt:<br />
Was reimt sich auf mega?<br />
Darf man Cartoons über Blinde<br />
machen? Wie gefährlich ist der<br />
Erdkern? Darf man Nazis überfahren?<br />
Über die wichtigste Frage hingegen sollten Sie<br />
als Leser selbst entscheiden: Wollten Sie die Katze am Stück?<br />
Martin Perscheid: Ich würde sie ja anzeigen, aber ich seh‘ nix!<br />
144 farbige Seiten · € 9,95 (D) · ISBN 978-3-8303-3354-8<br />
3-3354-8<br />
Meisterhafte Grafik, skurrile Pointen<br />
Ein Klassiker der Cartoonkunst!<br />
Matthias<br />
Sodtke,<br />
,<br />
hat <strong>mit</strong> seinem Titelcartoon<br />
Geschichte geschrieben.<br />
Kaum ein anderes es Blatt<br />
erzeugte so viele e Lacher<br />
und Nachahmer! h<br />
Er hat nie<br />
aufgehört Cartoons o zu zeich-<br />
nen, sie sind schräg, skurril<br />
und grafisch meisterhaft auf<br />
gutes Papier gebracht.<br />
Matthias Sodtke:<br />
Ja, leck mich doch am Arsch!<br />
Is das nich meine e alte Benimmlehrerin?<br />
96 farbige Seiten · € 19,95 (D) · ISBN 978-3-8303-3343-23-3343-2<br />
www.lappan.de<br />
pan.de<br />
Viel Spaß auch auf<br />
30 Grün, grün, grün sind<br />
alle meine Punkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reinhard Ulbrich / Reiner Schwalme<br />
32 Da brennt schon mal was an . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Valentin Schark<br />
34 Unsere Lieder, unser Leben: Der Donnerbalken<br />
36 Fremde Länder: Die Schwyz<br />
Nebelspalter: Selbsthass ist keine Lösung. . . . . . . . . . . . . Roland Schäfli<br />
Der Dichtestress . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Kech<br />
Artenvielfalt: Das Schweizer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Cathleen Held<br />
40 Zum Stehlen geschaffen, zum Klauen bestellt . . . . . . . . . . . . . . Peter Köhler<br />
42 Wahn & Sinn<br />
44 Kinder, die sich kümmern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Felice von Senkbeil<br />
45 Leute heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerhard Glück<br />
46 Tödliche Gene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gregor Füller / Hannes Richert<br />
48 Im gelben Elend auf einem Bein . . . . . Felice von Senkbeil / Peter Muzeniek<br />
50 Kino: Zwischen Afghanistan und Altona . . . . . . . . . . Renate Holland-Moritz<br />
51 Lebenshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Martin Zak<br />
52 Funzel: Kunstskandal noch größer<br />
54 Wohnst du noch oder regierst du schon?. . . . . Weidner / Füller / Koristka<br />
58 Augen auf beim Uranstabwechsel! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Beuter<br />
59 Futter bei die Füchse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kriki<br />
60 Schwarz auf Weiß<br />
63 Vorsicht, Hirnfieber! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Schüler<br />
64 Fehlanzeiger<br />
66 Rätsel / Leser machen <strong>mit</strong> / Meisterwerke<br />
68 Impressum / ... und tschüs!<br />
69 Großes <strong>Literatur</strong>special zur <strong>Leipziger</strong> <strong>Buchmesse</strong><br />
Kleine und große Verlage, Autoren und Anzeigen<br />
4 EULENSPIEGEL 4/14
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Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
Haus <strong>mit</strong>teilung<br />
ein Team von Archäologen, so war es gerade in einem eigentlich renommierten<br />
Wissenschaftsmagazin zu lesen, hat angeblich bei Grabungen in der chinesischen<br />
Wüste den ältesten Käse der Welt entdeckt. Da muss ich entschieden<br />
widersprechen: Den ältesten Käse der Welt gibt es natürlich Monat für<br />
Monat exklusiv hier bei uns im Heft! Dafür stehe ich <strong>mit</strong> meinem guten Namen.<br />
★<br />
Mit leichtem Befremden nahm die Öffentlichkeit vor kurzem zur Kenntnis,<br />
dass Ursula von der Leyen im Verteidigungsministerium zu übernachten<br />
pflegt. Die weit verbreitete Ansicht, es handele sich dabei um den Versuch,<br />
die Miete für eine richtige Wohnung zu sparen, teile ich allerdings nicht.<br />
Meine Vermutung ist vielmehr, dass diese Räumlichkeiten ihr das passende<br />
Ambiente bieten, um den dringend benötigten Nachwuchs für die Bundeswehr<br />
zu zeugen, den sie dann in 18 Jahren als Bundeskanzlerin in den von<br />
ihr begonnenen Dritten Weltkrieg schicken kann. Absurd? Keineswegs – die<br />
Dame denkt bekanntlich immer mindestens zwei Schritte voraus, wie sicherlich<br />
auch unser Beitrag auf Seite 54 konstatieren wird.<br />
Ich selbst übernachte ja höchst selten am Arbeitsplatz. Genauer gesagt: Es<br />
ist bisher exakt dreimal vorgekommen, und zwar aus völlig unterschiedlichen<br />
Gründen. Beim ersten Mal wollte ich herausfinden, wer immer heimlich die<br />
brüllend komischen Titelblätter, die wir uns in der Redaktionskonferenz regelmäßig<br />
ausdenken, durch diese müden Witzchen ersetzt, die dann am Kiosk<br />
ankommen. Leider habe ich den Übeltäter nicht erwischt, wie Sie ja sicher<br />
nur allzu gut wissen. Beim zweiten Mal konnte ich nicht zu Hause schlafen,<br />
weil dort mein kleines Kind vor Hunger so laut geschrien hat (meine Frau lag<br />
gerade im Krankenhaus und hatte vorher nicht genug Essen zubereitet). Tja,<br />
und beim dritten Mal ging es um eine Wette: Unser Grafiker hatte behauptet,<br />
im Redaktionskühlschrank würde auch nachts das Licht brennen, was ich<br />
nicht glauben wollte – eine derartige Energieverschwendung konnte ich mir<br />
bei einem solch modernen Gerät beim besten Willen nicht vorstellen! Er<br />
hatte dann aber leider recht, worauf ich ihn natürlich sofort entlassen und<br />
durch einen willfährigeren Kollegen ersetzt habe.<br />
★<br />
+++ 11:30 Uhr Eilmeldung: Der EULENSPIEGEL-Chefredakteur hat sich soeben<br />
an seinen Schreibtisch gesetzt, um die Haus<strong>mit</strong>teilung fertig zu schreiben.<br />
+++ 11:35 Uhr: Der Autor sitzt seit fünf Minuten bewegungslos am Tisch und<br />
stiert geradeaus. +++ 11:50 Uhr: Es scheint weiterhin keine zündende Idee in<br />
Sicht. +++ 12:50 Uhr: Inzwischen sind anderthalb Flaschen Rotkäppchen getrunken<br />
worden, allerdings ohne sichtbaren Erfolg. +++ 13:10 Uhr: Er denkt<br />
sichtbar angestrengt nach, erste Schweißperlen bilden sich auf der fliehenden<br />
Denkerstirn. +++ 13:30 Uhr: Der Künstler hat sich bewegt! Seine Hand<br />
hebt sich, nähert sich langsam der Tastatur – und verscheucht eine Fliege.<br />
Entwarnung! +++ 13:55 Uhr: Der berühmte Top-Journalist hat sich soeben<br />
ausgiebig am Gesäß gekratzt. +++ 16:30 Uhr/Breaking News: Jetzt greift er<br />
aber wirklich zur Tastatur! Buchstaben fließen auf den Bildschirm!!! Welche<br />
geniale Idee werden wir gleich hier lesen können? +++ 16:35 Uhr: Und da ist<br />
der Text auch schon fertig:<br />
Mehr zum Thema Eilmeldung lesen Sie auf Seite 58.<br />
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»WIR HABEN<br />
SIE ENTFÜHRT,<br />
HERR JAUCH.«<br />
288 Seiten ∙ € 8,99 [D]<br />
ISBN 978-3-453-41063-3<br />
Auch als E-Book und Hörbuch<br />
Bei »Wer wird Millionär?« kann Paul immer alle Fragen<br />
beantworten. Aber als es soweit ist und er tatsächlich in<br />
der Auswahlrunde dabei ist, versagen ihm die Nerven –<br />
und es ist Zeit, einen anderen furchtbar genialen Plan in<br />
die Tat umzusetzen. Schräger Humor vom preisgekrönten<br />
Poetry Slammer Christian Ritter.<br />
Mit Grüßen in Echtzeit<br />
Chefredakteur<br />
Am 16. April sollte und wollte Horst Schrade 90 werden. Bis zu seiner Rente,<br />
hat er über 3 000 Zeichnungen für den EULENSPIEGEL geschaffen.<br />
Er war gerade dabei, sein Werk für eine Ausstellung aufzubereiten, das Werk<br />
eines, wie er gerne betonte, »diplomierten Pressezeichners«. Ein Blatt von<br />
ihm ist in der Redaktion noch eingegangen. Nun kommt keins mehr. HWT<br />
EULENSPIEGEL 4/14 7<br />
Leseprobe und Infos zu den Veranstaltungen auf heyne.de<br />
© Anna Katharina Besserer
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60./68. Jahrgang • ISSN 0423-5975 86514<br />
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Je 128 Seiten, 6,2 x 9,5 cm, durchg. farbig, gebunden<br />
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Zum Titel<br />
DAS SATIREMAGAZIN<br />
3/14 · € 3,20 · SFR 5,00<br />
Unbestechlich, aber käuflich!<br />
Mit Arno Funke habt Ihr<br />
ohne Zweifel den »Rembrandt«<br />
unter den Zeichnern in<br />
Euren Reihen. Herrlich skurril<br />
und da<strong>mit</strong> ein »Karl Valentin«<br />
der Zeichner ist hingegen<br />
ZAK.<br />
Volker Markgraf, Nobitz<br />
Und zu unserem »Michelangelo des<br />
Comic« sagen Sie gar nichts?<br />
Noch mehr Essen von der Wiese<br />
ISBN 978-3-89798-450-9<br />
Feines Dinkelgebäck<br />
ISBN 978-3-89798-449-3<br />
Bauernweisheiten durchs Jahr<br />
ISBN 978-3-89798-451-6<br />
Salbei<br />
ISBN 978-3-89798-448-6<br />
Pasta vegetarisch<br />
ISBN 978-3-89798-452-3<br />
Das Thomaner-Büchlein<br />
ISBN 978-3-89798-453-0<br />
www.buchverlag-fuer-die-frau.de<br />
Der<br />
Kampfauftrag<br />
Seite 20<br />
Titel ist wieder große Klasse!<br />
Freuen kann sich darüber sicher<br />
auch Herr Gauck. Ist doch da<strong>mit</strong><br />
allem Anschein nach bestens<br />
für den Nachwuchs und dessen<br />
Ausbildung zur Verteidigung der<br />
Freiheit auf dieser Welt gesorgt.<br />
Bernhard Wand, Apolda<br />
Das möchte sein!<br />
Mir läuft es kalt den Rücken hinunter!<br />
Wohl erstmalig, aber<br />
sicher einmalig, dass eine Frau unter<br />
»Ja, <strong>mit</strong> Gottes Hilfe!« zur<br />
Kriegsministerin ernannt wurde.<br />
Möge Gott ihr den Missbrauch seines<br />
Namens verzeihen, wenn sie<br />
schließlich als »von der Leychen«<br />
in die Geschichte eingehen wird.<br />
Dr. Hans Weigel, Mühlhausen<br />
In der Wortspiel-Hölle ist mal<br />
wieder der Teufel los!<br />
Chapeau, gleich zwei köstliche<br />
Meisterwerke Ihres exkriminellen<br />
Westimportes in einem Heft (Titel<br />
und Alice im Wonderbra). Die<br />
nächste Preiserhöhung der EULE<br />
sei bereits jetzt verziehen.<br />
Dr. Peter-M. Schroeder, Brück<br />
Bitte um Geduld.<br />
Die Uschi auf der Titelseite ist<br />
ja schon Spitze, aber die Trulla<br />
von Seite 11 ist sensationell.<br />
Da kann man ja froh sein, dass<br />
Inge Meisel keine Steuern<br />
hinterzogen hat.<br />
Uwe Jentzsch, Altenburg<br />
Ist verjährt.<br />
Mit dem Titelbild direkt aus<br />
dem Herzen Afrikas konntet<br />
Ihr mich absolut von der Familienfreundlichkeit<br />
unserer Bundeswehr<br />
und der Notwendigkeit aller noch<br />
kommenden Bundeswehreinsätze<br />
überzeugen.<br />
Roland Lattermann, Neunhofen<br />
Na, bitte!<br />
Zu: Zeitansagen<br />
Habe selten so gelacht wie<br />
beim Aufschlagen der Seite 11.<br />
Knut Schneider, Meiningen<br />
Eine Seite aufschlagen – das bietet<br />
Ihnen das Internet nicht.<br />
Zu: Zeit im Bild, »Soll er?«<br />
Haben Sie Mut, mein Herr,<br />
und wagen Sie diesen Schritt<br />
nach vorn. Es ist zwar nur ein<br />
kleiner, aber ein großer in die<br />
richtige Richtung. Allerdings<br />
können Sie auch zurücktreten.<br />
Dietrich Schönweiß , Plauen<br />
Abstimmen sollten Sie –<br />
keinen Leserbrief schreiben!<br />
Zu: »Phantasie in Tarnfleckhose«<br />
Eigentlich müssen wir doch<br />
unserem begnadeten Bundespräsidenten<br />
dankbar sein, da<br />
wir aufgrund seiner Rede bald<br />
wieder die erste Strophe des<br />
Deutschlandliedes singen dürfen.<br />
Gottfried Dombrowski,<br />
Meerane<br />
Die hat uns noch gefehlt!<br />
Brillanter Beitrag von Mathias<br />
Wedel zu den Verrenkungen<br />
und Verwerfungen unserer staats -<br />
tragenden Vorturner, wenn es um<br />
Krieg (bzw. entsprechende Ersatzbezeichnungen)<br />
und diesbezüglich<br />
deutsche Befindlichkeiten geht.<br />
Zum Glück liegt die Intelligenzausstattung<br />
der EULE-Abonnenten im<br />
oberen Zehntel der Gesamtdeutschen.<br />
Horst Gläser, Pobershau<br />
Sind Sie sicher?<br />
Es wurde wieder der gekreuzigte<br />
Jesus gezeigt, also ein römischer<br />
Justizmord. So könnte zum<br />
Beispiel auch eine geöffnete Gaskammer<br />
oder ein Galgen <strong>mit</strong> Gehängtem<br />
gebracht werden. Aber so<br />
etwas gehört doch nicht in eine<br />
Zeitung für Satire und Humor!<br />
Auch Satire darf nicht alles!<br />
Werner Klopsteg, Berlin<br />
Jetzt fang Du nicht auch noch an,<br />
Werner!<br />
8 EULENSPIEGEL 4/14
Post<br />
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Da as ne<br />
ue<br />
Abente teuer<br />
beginnt<br />
jetz<br />
zt!<br />
Zu: Mittelseite, Keine Cola bei LIDL<br />
Ich verbitte mir, von Guido Sieber<br />
gezeichnet zu werden (der junge<br />
Mann rechts). Er hat sich schon<br />
einmal an mir vergriffen und mich<br />
gemalt, wie ich mir gerade an die<br />
Jogginghose fasse. Ich schicke<br />
euch meine Anwältin (links).<br />
Sven E. Sonntag,<br />
Berlin-Weiß ensee<br />
Oh, jetzt wird’s eng!<br />
Zu: »Es war doch mal wieder<br />
schlecht«<br />
Grundsatz in deutscher Regierungspolitik<br />
und angeschlossener<br />
veröffentlichter Meinung der<br />
BRD bleibt in Ewigkeit, auch wenn<br />
es jährlich Millionen Euro Steuergelder<br />
kostet: Die DDR konnte und<br />
darf nichts Gutes gehabt haben,<br />
weil ihr die Führung durch den<br />
Groß-Kapitalismus (Groß-Kannibalismus)<br />
des Dritten Reiches und<br />
des einzig rechtmäßigen Nachfolgestaates<br />
Bundesrepublik fehlte.<br />
Deren Ziel: Nie wieder einen verlorenen<br />
Weltkrieg! Mit Hilfe der USA<br />
gehört uns der Globus. Basta. Sieg<br />
Heil und Grüß Gott.<br />
Horst Schwarz, Teutschenthal<br />
Grüßt man bei Euch so?<br />
Zu: »Über sieben Eselsbrücken<br />
sollst du gehen«<br />
Ich wusste gar nicht, dass Kriki<br />
auch schreiben kann.<br />
Hildegard Nebel, Trier<br />
Wahrscheinlich sogar lesen –<br />
selten bei Cartoonisten!<br />
Zu: Zeichnung<br />
»Die Drei von der Tankstelle«<br />
Wenn sie nicht so traurig wären,<br />
könnte man über die<br />
Umstände in Deutschland lachen.<br />
Dieses Land ist das Beste, was es<br />
gibt, und es ist sehr reich. Ich<br />
schätze, wir werden bald wieder einen<br />
»Reichspräsidenten« haben.<br />
Lorenz Eyck per E-Mail<br />
Nee, der wurde ja vom Volk<br />
gewählt ...<br />
Zu: »Die Scham über den eigenen<br />
Penis«<br />
Den Text habe ich nicht gelesen,<br />
aber die Überschrift ist eine<br />
sexistische Sauerei weit unter der<br />
Gürtellinie! Penisse, Vaginas und<br />
dergleichen gehören nicht in eine<br />
Redaktion.<br />
Dr. Hans-Peter Olde, Flensburg<br />
... und sind an der Stechuhr<br />
abzugeben.<br />
Zu: »Voll Panne!«<br />
Lieber Herr Ulbrich, passen Sie<br />
auf, dass Sie nicht wegen<br />
Whistleblowing vor Gericht landen.<br />
Derartiges Detailwissen können<br />
doch nur Insider haben, oder?<br />
Johannes Döring per E-Mail<br />
Ulbrich ist »ausgestiegen« –<br />
genießt EULE-Asyl.<br />
Biete:<br />
EULENSPIEGEL-Jahrgänge,<br />
ungebunden, 1997, 1999, 2000,<br />
2001, 2002, 2003 vollständig,<br />
1995, 1996, 1998 fehlt je 1 Heft,<br />
A. Dube, E-Mail :<br />
papio@gmx.net<br />
EULENSPIEGEL 4/14 9
Modernes<br />
Leben<br />
Alff<br />
Ari Plikat<br />
Petra Kaster<br />
10 EULENSPIEGEL 4/14
George Riemann<br />
EULENSPIEGEL 4/14 11
Von unserem<br />
Hauptstadt-<br />
Korrespondenten<br />
Atze<br />
Svoboda<br />
Es ist eine Schande, …<br />
… dass immer die anderen in die Krisenregionen<br />
geschickt werden! Die<br />
Helden vom Majdan hatten eigentlich<br />
einen Korrespondenten verdient, in<br />
dem noch das Feuer von Stuttgart 21<br />
lodert! Und der sogar einen Stahl -<br />
helm und eine Gasmaske von seinem<br />
Opa besitzt. Ein Mann, der sich nicht<br />
zu fein ist, klaffende Gesichtswunden<br />
<strong>mit</strong> einem Schnipselchen Toilettenpapier<br />
zu stillen und der durch das<br />
Stahlbad des Bundespresseballs gegangen<br />
ist. Leider hatte ich Wichtigeres<br />
zu tun.<br />
Hätte ich vorher gewusst, wie uninspiriert<br />
die Kollegen auf den Balkonen<br />
ihrer Luxushotels agierten, ich<br />
hätte meinen Friseur-Termin glatt abgesagt.<br />
Sie standen da und sagten<br />
Sätze wie: »Es ist nicht klar, ob es sich<br />
um Schüsse oder illegale Osteuropa -<br />
böller handelt.« Heulsusen, eingepackt<br />
in Daunenjacken und <strong>mit</strong><br />
schlecht sitzender Föhnfrisur! Später<br />
sind sie dann vom Balkon ins Zimmer<br />
gegangen, haben die Vorhänge zugezogen<br />
und ihre schusssichere Weste<br />
in die Kamera gehalten. Da ist es uns<br />
natür lich eiskalt den Rücken heruntergelaufen.<br />
Wenn Sie die Ironie verstehen!<br />
Die Kollegen hätten lieber auf die<br />
Plätze gehen sollen, wo gestorben<br />
wurde für die Freiheit, die Demokratie<br />
und die EU-Regierung in Brüssel. Warum<br />
war denn keiner von den Reportern<br />
dort, wo das Grauen herrschte?<br />
Wo Mord, Totschlag und Kai Diek -<br />
mann sich ein schreckliches Stelldichein<br />
gaben? Es ist zwar immer leicht,<br />
jemanden aus der Ferne zu verur -<br />
teilen, aber diese Per formance, die<br />
ging ja mal gar nicht.<br />
Jetzt trauere ich ein wenig der<br />
verpass ten Gelegenheit nach. In den<br />
Berliner Redaktionsstuben wird<br />
schon gemunkelt, dass es einen Dritten<br />
Weltkrieg geben könnte. Wenn<br />
der Russe dann <strong>mit</strong> seinen Atomraketen<br />
ganz Europa und die Welt zerstört<br />
hat, wird man auch nie wieder<br />
aus der Ukraine berichten können.<br />
Ich werde mich doppelt ärgern.<br />
Antifa is watching you<br />
Wladimir Putin begründete die Entsendung<br />
russischer Truppen <strong>mit</strong><br />
den dort stattfindenden rechtsextremen<br />
und antise<strong>mit</strong>ischen Übergriffen.<br />
Die Äußerungen lösten in<br />
der ganzen Welt Besorgnis aus. Vor<br />
allem in Sach sen-Anhalt.<br />
Andreas Koristka<br />
Das große Schweigen<br />
US-Außenminister John Kerry droh -<br />
te Russland wegen der Krim-Krise<br />
<strong>mit</strong> einem G8-Ausschluss. Warum<br />
die Amerikaner sich nach ihrer Rol -<br />
le im Irak nicht selbst ausgeschlossen<br />
haben, verschwieg er aber lieber.<br />
Björn Brehe<br />
Wo bleibt der kleine Mann?<br />
Ukrainische Nationalisten <strong>mit</strong><br />
Sturm hauben, pro-russische Rus -<br />
sen <strong>mit</strong> Sturmgewehren, ehemalige<br />
Boxweltmeister <strong>mit</strong> ihren blonden<br />
Boxenludern – sie alle rangeln<br />
in Kiew und auf der Krim um die<br />
Macht. Es ist eine humanitäre Tragödie,<br />
dass ausgerechnet die Menschen<br />
von der Lösung der Ukraine-<br />
Frage ausgeschlossen werden, die<br />
am meisten betroffen sind: die<br />
Gaskunden im westlichen Eu ropa.<br />
Michael Kaiser<br />
Gute Antwort<br />
Die USA warnen Putin davor, in die<br />
Denkmuster des Kalten Krieges zu<br />
verfallen. Putin reagierte darauf<br />
<strong>mit</strong> Unverständnis: »Wieso kalt?«<br />
Erik Wenk<br />
Bernd Zeller<br />
12 EULENSPIEGEL 4/14
Ein bisschen Spaß<br />
muss sein<br />
Der Bundespräsident darf<br />
sich durchaus auch »in humorvoller<br />
Art« und auch ironisch<br />
äußern, wenn er sich<br />
dabei neutral verhält. Das<br />
bescheinigte ihm das Bundesverfassungsgericht.<br />
Ja,<br />
das wäre schön! Denn an<br />
der humorvollen Art hat es<br />
jüngst, als Gauck – strikt<br />
neutral – künftige Kriegsgebiete<br />
aufzählte, gefehlt. Vielleicht<br />
aber war das ja eine<br />
Rede »in ironischer Art« –<br />
und lustigerweise hat den<br />
Spaß keiner verstanden.<br />
Mathias Wedel<br />
Zeit ansagen<br />
Klaus Stuttmann (2)<br />
Lieber neu statt alt<br />
Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen<br />
kritisiert das mangelnde finanzielle<br />
Engagement Deutschlands für<br />
das Gedenken an den hundertsten<br />
Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkrieges.<br />
Bundespräsident Gauck nahm<br />
die Bundesregierung in Schutz: »Wenn<br />
wir das Geld lieber nachhaltig verwenden,<br />
um das friedens stiften de Auslandsengagement<br />
unserer Bun des -<br />
wehr zu fördern, werden wir in Zukunft<br />
noch viele schöne Kriegsgedenktage<br />
feiern können, so dass wir dieses Jahr<br />
auch ruhig mal eine Party auslassen<br />
können.«<br />
MK<br />
ADAC geschrumpft<br />
Als Folge des Skandals um den »Gelben<br />
Engel« verlor der ADAC nach eigenen<br />
Angaben fast 300 000 Mitglieder.<br />
Die Geschäftsführung des ADAC<br />
gibt jedoch Entwarnung, man habe<br />
die übliche Zählweise angewandt und<br />
könne deshalb von 3000 Austritten<br />
ausgehen.<br />
Carlo Dippold<br />
Wahr und unwahr<br />
Wahr ist, dass die Hohenzollern in<br />
Kürze 1,2 Millionen Euro Entschädigung<br />
bekommen werden, weil sie als<br />
Nazi-Förderer von den Sowjets enteignet<br />
wurden.<br />
Wahr ist auch, dass dies nur 7 bis 8<br />
Prozent des realen Marktwertes der<br />
betreffenden Immobilien entspricht.<br />
Unwahr ist hingegen, dass auch nur<br />
7 bis 8 Prozent des Hauses Hohenzollern<br />
reale Förderer der Nazis waren.<br />
Utz Bamberg<br />
Die dicksten<br />
Opfer<br />
Eine machtvolle<br />
Naturreligion muss<br />
in einem Land herrschen,<br />
in dem der<br />
Agrarminister als<br />
Bauernopfer dient!<br />
Kriki<br />
Schrumpfen<br />
Das Internet schrumpft die Krankenkassen«<br />
(FAZ). »Mercedes schrumpft die S-Klasse«<br />
(SZ). »Honda schrumpft den Diesel« (Zeit).<br />
»Zugleiter Christoph Kuckelkorn schrumpft ›seinen‹<br />
Zoch! 1500 Jecken müssen draußen bleiben«<br />
(Bild). »Seehofer schrumpft seine CSU« (Welt).<br />
»Samsung schrumpft sein Flaggschiff“ (Stern).<br />
»Star ker Euro schrumpft Gewinn von Elringklinger«<br />
(Handelsblatt). »Ford schrumpft den Transit«<br />
(Auto Motor und Sport). »Portugal schrumpft den<br />
Staatsapparat« (n-tv). »Sony schrumpft<br />
den Memo ry Stick« (Computerwoche).<br />
»Krise schrumpft den Fahrradmarkt«<br />
(taz). »Deutsche Bank schrumpft<br />
den Rohstoffhandel« (Spiegel).<br />
Als dieses gute alte Verb noch<br />
intransitiv war, konnten beispielsweise<br />
Bundesligatabellenvorsprün -<br />
ge, Äpfel, Guthaben und Erektionen<br />
schrumpfen sowie die Population, das Bindegewebe<br />
und das Bruttosozialprodukt. Damals vermochte<br />
die Deutsche Bank ihrerseits noch nichts<br />
und niemanden zu schrumpfen, sondern allenfalls<br />
zu schröpfen. »Der Körper schrumpft den weiten<br />
Rock«, heißt es zwar in einem knapp einhundert<br />
Jahre alten Schützengrabengedicht des Expressionisten<br />
August Stramm, aber man darf getrost<br />
annehmen, dass er da<strong>mit</strong> nicht den journalistischen<br />
Jargon bereichern wollte. Einen viel größeren<br />
Einfluß auf den heutigen Sprachgebrauch<br />
dürften die Leute ausgeübt haben, die 1989 die<br />
Walt-Disney-Komödie »Honey, I Shrunk the Kids«<br />
in Deutschland vermarkten wollten und auf den<br />
Titel »Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft«<br />
verfielen.<br />
Goldene Worte<br />
VON GERHARD HENSCHEL<br />
Wohin das geführt hat, geht aus einem Werk<br />
des Erziehungswissenschaftlers Prof. Dr. phil.<br />
Horst Rumpf hervor (Was hätte Einstein gedacht,<br />
wenn er nicht Geige gespielt hätte?, Weinheim und<br />
München 2010). »Die wissbar gemachte Welt –<br />
exemplarisch neuerdings INTERNET – schrumpft<br />
den Bewegungsalltag zu sitzenden Körpern«,<br />
schreibt Rumpf. Eine Welt, die den Alltag zu Körpern<br />
schrumpft – das ist meisterhaft scheußlich<br />
und vorbildlich stümperhaft for mu liert. Christian<br />
Schärf, der als Professor am Ins titut für Literarisches<br />
Schreiben und <strong>Literatur</strong>wissenschaft an der<br />
Universität Hildesheim wirkt, kann es freilich<br />
noch besser. Seinem Aufsatz »Die Fuge des Quartär.<br />
Essay und Finallage in Gottfried Benns Prosa<br />
nach 1935«, der 2007 in dem von Friederike<br />
Reents herausgegebenen Sam mel band Gottfried<br />
Benns Modernität erschienen ist, sei das fol -<br />
gende Zitat entnommen: »Das kulturelle Gedächtnis<br />
köchelt über dem Bun sen bren ner des Archivschmelzers.<br />
Der schrumpft den Stoff, komprimiert<br />
die Wortmasse bis zur äußersten Verdichtung.<br />
Benns Essay-Schreiben gleicht einem Hochofen,<br />
in dem aus dem Schutt der Wissenschaften neue<br />
Erregungsenergie gewonnen werden soll.« Benn<br />
hätte seiner Freundin also tri umphierend<br />
zurufen können: »Liebling, ich ha be den Stoff<br />
geschrumpft!«<br />
Dann lieber doch wieder nackter Trash-Journalismus:<br />
»BMW schrumpft den X62« (Auto-Bild).<br />
Denn dort ist es daheim, das transitive Schrumpfen,<br />
und dort soll es auch bleiben.<br />
EULENSPIEGEL 4/14 13
Andere Länder, ähnliche Sitten<br />
Ex-Bundespräsident Christian Wulff hat<br />
angeblich einen neuen Job. Er soll Unternehmen<br />
aus der Türkei und der arabischen<br />
Welt als Mandanten gewinnen.<br />
Mit Korruption kennt er sich ja aus.<br />
Frank B. Klinger<br />
Klaus Stuttmann<br />
Mario Lars<br />
Mein Gott, Walter!<br />
In seinem Wahlprogramm wollte der<br />
sächsische Landesverband der Alternative<br />
für Deutschland eigentlich die Einsetzung<br />
eines Rundfunk-Kommissars<br />
erreichen. Er sollte dafür sorgen, dass<br />
Populärmusik überwiegend in deutscher<br />
Sprache gesendet wird. Soweit<br />
ist es auf dem Parteitag in Zwickau nicht<br />
gekommen. Aber eine »Arbeitsgruppe<br />
Ulbricht« wurde eingesetzt. Ihr Auftrag:<br />
»Mit der Monotonie dieses Yeah-yeahyeah,<br />
und wie das alles heißt, Ge nos -<br />
sen, sollte man doch Schluss machen.«<br />
MW<br />
Minderjährigenschutz<br />
Die Gleichstellungsbeauftragte der Regierung<br />
dämpfte Erwartungen, nach der<br />
Homo-Ehe könne auch eine »Pädo-Ehe«<br />
rechtlich möglich werden. Zwar sei es<br />
richtig, dass Pädophilie – genauso wie<br />
Homosexualität – eine sexuelle Nei -<br />
gung unter vielen sei, für die man nichts<br />
kann, so dass ein Pädophiler sogar Bundeskanzler<br />
werden (aber nicht SPD-Mitglied<br />
bleiben) könne (siehe Spiegel<br />
Nr.9). Bei einer Pädophilen-Ehe wäre jedoch<br />
der Ehemann von Bundes kanz ler<br />
Sebastian Edathy zwangsläufig minderjährig.<br />
Und da ist das Gesetz vor.<br />
MW<br />
Gabriel sauer<br />
SPD-Chef Sigmar Gabriel reagierte<br />
sauer auf den Vorwurf Horst Seehofers,<br />
er sei geschwätzig. Gabriel hält sich absolut<br />
nicht für geschwätzig. Gleichzeitig<br />
ist er überzeugt, er sei eine schlanke<br />
Frau und würde 2017 Kanzlerin werden.<br />
BB<br />
Lebt<br />
eigentlich<br />
DAGMAR<br />
FREDERIC<br />
noch?<br />
dpa<br />
Uns das zu fragen, hatten wir an dieser<br />
Stelle häufig unguten Anlass. Und<br />
jedes Mal hat sie noch gelebt. Aber<br />
noch nie konnten wir <strong>mit</strong> solcher Frohgestimmtheit<br />
und Dankbarkeit wie<br />
heute ausrufen: JA! SIE LEBT! Vor dem<br />
Termin bei Gericht, den sie in Frankfurt/Oder<br />
wegen einer Lappalie, einer<br />
Lässlichkeit durchzustehen hatte,<br />
hörte man nämlich von Morddrohungen.<br />
Zwar war unklar, wer da eigentlich<br />
<strong>mit</strong> dem Tode bedroht wurde und<br />
ob der Todesfluch ursächlich etwas<br />
<strong>mit</strong> dem Liedschaffen der Künstlerin<br />
zu tun hat. Nun aber kam kurz vor Redaktionsschluss<br />
die erlösende Nachricht:<br />
Dagmar muss wahrscheinlich<br />
ein paar Eier an die Staatskasse zahlen<br />
– aber sie lebt, und zwar <strong>mit</strong> dem<br />
für sie typischen, dem Dasein in seiner<br />
ganzen Schönheit zugewandten<br />
Lächeln. Sie ist vor dem Richter nämlich<br />
gar nicht erschienen, sicherheitshalber.<br />
Daggi, wisse, wo immer Du<br />
bedroht bist – der EULENSPIEGEL<br />
ist <strong>mit</strong> Dir!<br />
MW<br />
14 EULENSPIEGEL 4/14
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Leit<br />
kultur<br />
EULENSPIEGEL 4/14 17
18 EULENSPIEGEL 4/14
Leit<br />
kultur<br />
Deutsches Blut und deutscher Samen<br />
Der Frühling ist da, aber diesmal sind wir nicht<br />
so von der Rolle wie im vorigen Jahr! Da gab es<br />
zum ersten Mal die »Aktion Samenspende«, groß<br />
angekündigt in den Anzeigenblättern von Torgelow<br />
bis rauf ans Haff bei Ueckermünde. Samenspende<br />
– so eine Sauerei, und »jeder, der Samen<br />
erübrigen kann«, sollte bitteschön welchen <strong>mit</strong>bringen,<br />
»in geigneten Gefäßen« natürlich, aber<br />
frisch sollte er sein, »nicht vorjährig«, sonst »kann<br />
daraus kein neues Leben entstehen«, und was<br />
der schlüpfrigen Formulierungen mehr waren!<br />
Hunderte Leute sind aus purer Neugier hingefahren<br />
und hatten – wie denn sonst? – ihren Samen<br />
in geeigneten Gefäßen dabei. Man traf sich<br />
auf einem alten Gut bei Eggesin, der Parkplatz<br />
gerammelt voll. Da hatten wir uns angeschmiert!<br />
Es ging um Sämereien! Um den kostenlosen Austausch<br />
derselben unter Landwirten und Gartenfreunden,<br />
und zwar zu einem guten Zweck, nämlich<br />
dem Erhalt alter deutscher Kulturpflanzen,<br />
zum Beispiel der Kartoffel, des Rettichs oder des<br />
fast vergessenen Wasserdost, deren Gebrauch<br />
unser deutsches Wesen in seinen rassischen Eigenarten<br />
nicht wenig geprägt hat.<br />
Dieses Jahr wissen wir gleich, worum es geht.<br />
Aber die kleine Irreführung <strong>mit</strong> der Samenspende<br />
ist ein schönes Beispiel, was sich pfiffige Leute<br />
hier in unserer national gesinnten Gegend einfallen<br />
lassen, um auf ihr Anliegen aufmerksam<br />
zu machen, das germanische Brauchtum hochzuhalten,<br />
unsere kleine völkische Siedlungsgemeinschaft<br />
zu festigen und zum Beispiel zu einer<br />
einfachen, gesunden Ernährung beizutragen, die<br />
auf alles Undeutsche, Slawische und – bei allem<br />
Respekt – auch Jüdische (z.B. koscher kochen<br />
wir nicht) verzichten kann. In Meck-Pomm muss<br />
man also nicht zwingend in der NPD sein, um<br />
Gu tes zu tun.<br />
Bei der Samenspende im vorigen Frühjahr allerdings<br />
hat das Motto, das über dem Tor zum<br />
alten germanischen Vierseiten-Hof stand, nicht<br />
jedem gefallen: »Deutsches Blut und deutscher<br />
Samen das ist unser nationaler Rahmen.« Dabei<br />
kann man den Spruch auch <strong>mit</strong> einem Augenzwinkern<br />
interpretieren – wenn man nicht gerade<br />
ein bolschewistischer Gymnasiallehrer ist und die<br />
Schweriner Volkszeitung postwendend <strong>mit</strong> einem<br />
antideutschen Leserbrief »beglückt« (und »dummerweise«<br />
drunterschreibt, in welchem Dorf man<br />
wohnt und wie man heißt ... hier müsste ein Smiley<br />
stehen).<br />
Dieses Jahr ist das Motto zurückhaltender, aber<br />
auch recht humoristisch: »Wir sind deutsch vom<br />
Scheitel bis zur Sohle, nur bei der Ernte hilft uns<br />
mal der Pole.« Wer darin reflexhaft Rassismus erkennen<br />
will, passt wahrscheinlich wirklich nicht<br />
in unsere Region, wo man sehr direkt ist, aber<br />
ohne viele Worte auskommt. Sogar fast ganz<br />
ohne.<br />
Für Neusiedler ist es am Anfang nicht leicht<br />
<strong>mit</strong> uns. Manche bleiben hier hängen, wenn sie<br />
auf dem Usedom-Radweg hier durchkommen und<br />
ein leeres Gehöft sehen, an dem »Zu verkaufen«<br />
steht. Wenn sie allerdings an einem nationalen<br />
Feiertag hier durchradeln oder vor einer Wahl,<br />
dann wissen sie gleich, was bei uns die Glocke<br />
geschlagen hat, denn da hat unsere Volksgemeinschaft<br />
geflaggt »wie zum Führergeburtstag«, wie<br />
man früher ganz unbefangen sagte.<br />
Blut, Boden, Sonne und Wahrheit – das sind<br />
bei uns die Hauptwörter, schon im kommunalen<br />
Kindergarten, mag die Chefin auch klamm heim -<br />
lich bei der Linken sein. Im Morgenkreis rufen<br />
unsere Kleinen die germanischen Gotthei ten an<br />
und trällern manch völkische Weise – wenn nicht,<br />
wird die Dame bald alleine im Spielzimmer stehen<br />
(hat im Ort Duldungsstatus). Wir pflegen den Zusammenhalt,<br />
ja, auch <strong>mit</strong> Hilfe der Partei. Manchmal<br />
stehen zwei, drei Männer von uns in der<br />
Dämmerung auf der Schwelle so eines Neusiedlergehöfts<br />
und erklären ganz geduldig ein paar<br />
Zusammenhänge. Die Leutchen hören dann vielleicht<br />
das erste Mal, dass sie sich jetzt bei den<br />
Artamanen befinden und einzupassen haben,<br />
denn das ist unsere Tradition, etwa so, wie die<br />
Sozis den August Bebel haben.<br />
Wir Artamanen sind eine alte ritterliche Kampfgemeinschaft,<br />
die auf deutscher Erde die Urkräfte<br />
unseres Volkes auffrischt, im Hinterland des Haffs<br />
schon in der dritten, vierten Generation als Kader<br />
der Bewegung sesshaft. Vor hundert Jahren haben<br />
unsere Vorfahren Großgüter aufgekauft, ganze<br />
Dörfer. Wenn wir dann die Namen von Rudolf<br />
Höß (Kommandant eines relativ berühmten Strafvollzugs),<br />
Reichsführer SS Heinrich Himmler,<br />
Reichsbauernführer Darré nennen, geht man -<br />
chem, der dachte, er kommt einfach nur in eine<br />
hübsche Gegend <strong>mit</strong> saftigen Wiesen, ein Seifensieder<br />
auf. Man kann zu den genannten Herren<br />
eine geteilte Meinung haben, darüber mögen spätere<br />
Generationen richten – zumindest eine gute<br />
Seite hatten diese Leute jedoch: Sie waren die<br />
ersten konsequenten »Grünen«, die ersten deutschen<br />
Ökologen.<br />
Grün heißt doch nichts anderes, als das Gesunde<br />
zu fördern, das Krankmachende zu selektieren<br />
und ausmerzen. Sicherlich, Höß und Himmler<br />
mögen dabei (unverzeihlich und singulär)<br />
übertrieben haben. Aber was ist schlecht daran,<br />
dass wir unbehandelte, frische Kuhmilch<br />
anbieten (die Großmolkereien behaupten natürlich,<br />
man kriege davon Tbc), Chemiefasern und<br />
die jüdische Schulmedizin verabscheuen, Plastikspielzeug<br />
zertreten, noch <strong>mit</strong> der Sense mähen,<br />
im Winter Filz-Unterhosen tragen und auf dem<br />
Tanzboden nur das deutsche Idiom gutheißen?<br />
Andererseits, wieso sollten wir uns etwas Besseres<br />
dünken, nur weil unsere Pullover auf unseren<br />
eigenen Schafen wachsen und wir keine Bäckerburschen-Läden<br />
brauchen, weil unser Brot quasi<br />
hinter dem Gehöft auf der Dinkelwiese wächst?<br />
Nein, wir sind ganz normale Herrenmenschen,<br />
pflegen die heidnischen Feiern, organisieren Ferienlager<br />
und zelebrieren nationale Ehe-Weihen.<br />
»Bullerbü in Braun«, wie Die Zeit etwas neidisch<br />
über unseren idyllischen Landstrich schrieb, oder<br />
»Toskana für Ökofaschisten«, wie die Links me -<br />
dien geifern. Freilich dulden wir bei uns keine<br />
Rassenschande, weder auf dem Maisfeld noch<br />
im Stall noch – man verzeihe die Anspielung, der<br />
Frühling ist Schuld – im Stroh! Und eine »staatl.<br />
gepr. Geburtshelferin« ist eben keine völkische<br />
Hebamme und eine Sozialpädagogin <strong>mit</strong> linksliberalem<br />
»Master« keine nationale Tagesmutter!<br />
Und jetzt, im Mai, wird man noch einen kleinen<br />
Unterschied zwischen uns und dem Rest des Vielvölker-Deutschlands<br />
finden: Am 8. Mai kleben<br />
an unseren Laternenpfählen kleine Zettel: »Tag<br />
der Schande!« So, danach kann es aber richtig<br />
losgehen – 2014, das Jahr der Alliacea, der deutschen<br />
Zwiebel, die schon unsere Ortsbauern -<br />
führer ihren Ahnen in die Gräber legten!<br />
Mirco82@keimkeller.de<br />
Zeichnungen: Guido Sieber<br />
EULENSPIEGEL 4/14 19
20 EULENSPIEGEL 4/14
Zeit Geist<br />
Beck<br />
EULENSPIEGEL 4/14 21
Unsere<br />
Besten<br />
Helene Fischer ist perfekt. Strahlend schön,<br />
<strong>mit</strong> einer Stimme wie Sphärenklang, die<br />
sogar von Haus aus dumpfe Schlager wie<br />
das Bachsche Air hell erklingen lässt, und einem<br />
Charme, dem kein menschliches Wesen widerstehen<br />
kann. Ihre Zähne funkeln wie glasierte Tafelkreide,<br />
ihre Haut ist so glatt wie eine Wachstuchdecke.<br />
Nicht ein Härchen sprießt ihr aus der Nase,<br />
nie stockt auch nur ein Tröpfchen Schweiß in ihrer<br />
noch immer quasi jungfräulichen Achselhöhle,<br />
und es gibt keinerlei Beweis, dass sie jemals eine<br />
Toilette benutzt hat.<br />
Schon ihr Name ist göttlich. Helene, die Sonnenhafte,<br />
die Strahlende, die Schöne. Würde man<br />
an Übernatürliches glauben, man könnte meinen,<br />
sie sei nicht von dieser Welt. Aus der Unterwelt<br />
natürlich auch nicht, sondern eher aus einer, der<br />
die Gerüche in einem Regionalzugwaggon völlig<br />
unbekannt sind.<br />
Ihre Aura zieht Horden von Menschen an, so<br />
22 EULENSPIEGEL 4/14<br />
wie die Sonne den Zug der Vogelschwärme lenkt<br />
und Lemminge zu Tausenden vom Fels in den<br />
Tod springen lässt, Menschen, die ihre pastellfarbenen<br />
Anoraks waschen und ihre Jeans bügeln,<br />
sich wochenlang von Dosensoljanka ernähren<br />
und sich schließlich in Busse pferchen lassen,<br />
um ihre Helene live zu erleben, ach was: zu<br />
atmen! Naht der Fischer-Termin, kommt es entlang<br />
der Tour-Route zur Spontanprostitution:<br />
Weibliche Fans bieten sich als »dralle Schlagernudel«<br />
oder »Birne Helene« feil, um sich die Billets<br />
zu erarbeiten.<br />
Für alle anderen kommt sie direkt ins Wohnzimmer.<br />
Millionen verfolgen ihre Fernsehauftritte,<br />
wobei sie nicht selten das Schlucken oder das<br />
Atmen vergessen, einnässen oder hyperventilieren.<br />
Selbst wenn, was er regelmäßig tut, der verschlagen-schmierige<br />
Florian Silbereisen seine<br />
Griffel nach ihr ausstreckt, bleibt Helene in den<br />
Augen des Publikums rein. Ihr Glanz färbt<br />
offenbar auf den Widerling ab.<br />
Zumal die Saga geht, Helene habe – ob aus<br />
Mitleid oder Eigennutz, sei dahingestellt – ein<br />
ausgewachsenes Wunder bewirkt, als sie den Silbereisen<br />
durch einen einzigen beindruckenden<br />
Akt von seiner schrecklichen Veranlagung heilte<br />
– durch einen Gesangs-Akt, natürlich. Allerdings<br />
wurde er deshalb auch nie als Zeitzeuge zum<br />
Fußballer Hitzlsperger befragt.<br />
Helene kann alles. Sie schwebt als Akrobatin<br />
durch Konzerthallen (die Sicherungsseile sind<br />
nur Attrappen, um das Publikum nicht zu beunruhigen),<br />
trällert russische Balladen aus tiefster<br />
Seele und moderiert die Nebel in den Ruhestand.<br />
Angeblich werden ihre Tanzschritte von Rihanna<br />
und Justin Timberlake kopiert, will sich Britney<br />
Spears zu Helene ummodellieren lassen und trägt<br />
Angela Merkel heimlich Helenes ausrangierte<br />
Bühnenoutfits.<br />
Doch Helene ist der Ruhm egal. Sie hat andere<br />
Ziele. Mit ihren Songs will sie sich tief in den<br />
Hirnen und Herzen ihrer Fans einnisten. Und ihre<br />
heilsamen Kräfte werden schon jetzt gezielt genutzt.<br />
<strong>Zur</strong> Vorbeugung erektiler Dysfunktion bei<br />
Senioren zum Beispiel. Man munkelt, es seien<br />
Komapatienten durch den Klang ihrer Stimme erwacht.<br />
Allerdings waren sie danach irgendwie<br />
verändert.<br />
Doch nicht alle meinen es gut <strong>mit</strong> ihr. Helene<br />
Fischer ist ein begehrter Fang für die geldgeile<br />
Schlagermafia. Schon längst ist die reine Blume<br />
von Zuhältern umgeben, die versuchen, <strong>mit</strong> ihr<br />
Geschäfte zu machen. Es wurde unterstellt, ihr<br />
Manager Uwe Kanthak soll den MRD geschmiert<br />
haben, um Helene in die Shows zu bringen. Völliger<br />
Blödsinn. Eine Helene Fischer hat solche<br />
Tricks nicht nötig. Alle wollen sie. Für Wetten,<br />
dass..? war sie als Wunderwaffe an der Seite<br />
des Moderators im Gespräch. Aber Lanz soll den<br />
Intendanten gefragt haben: »Warum erschießt<br />
ihr mich nicht gleich?«<br />
Sogar kleine Patzer wie bei der Bambiverleihung,<br />
die sie <strong>mit</strong> dem Echo verwechselte, perlen<br />
an ihr ab wie Wasser an einer Reptilienhaut.<br />
Auch hinter der Bühne ist die Fischer eine Superfrau.<br />
In dem Dokumentarfilm Allein im Licht<br />
prä sen tiert sie sich privat. Das heißt, in ihrer vollendeten<br />
Perfektion. Sie spricht <strong>mit</strong> einer auffallend<br />
langen Engelszunge und strahlt <strong>mit</strong> ihren<br />
smaragd grü nen Augen. Alle liegen ihr zu Füßen.<br />
(Das heißt, ihre Füße hat bisher niemand ge se -<br />
hen. Ob sie tatsächlich fünf Zehen an jedem Fuß<br />
hat, soll ein Mysterium bleiben.) Leute aus ihrem<br />
Team versuchen, sie heimlich zu berühren, sammeln<br />
ihre Plastikbecher, stehlen ihre Bürsten.<br />
Wenn sie sich von einem Stuhl erhebt, entbrennt<br />
ein erbitterter Kampf innerhalb der Crew, wer<br />
sein Gesäß in die warme Wölbung des Helene-<br />
Fischer-Hinternabdrucks setzen darf.<br />
Nun drängt sich die Frage auf, wo kommt diese<br />
Lichtgestalt eigentlich her? Wer das deutsche<br />
Schulsystem durchlaufen hat, kann unmöglich<br />
so unverdorben und lieblich sein wie diese Helene.<br />
Angeblich besuchte sie eine Realschule in<br />
Wörrstadt. Dort begrüßt man sich <strong>mit</strong> »Fick deine<br />
Mutter« und hat den ersten Sex auf dem Schulklo.<br />
Nur ein Übermensch, oder vielleicht gar kein<br />
Mensch, bleibt davon unberührt.<br />
Helene, nicht<br />
von dieser Welt!<br />
Die kleine Helene soll in Sibirien das Licht der<br />
Welt erblickt haben. Ausgerechnet Sibirien! Hier<br />
sind schon einige Ufos vom Himmel gefallen.<br />
1984 gebar ihre Mutter Maria das Wesen, und<br />
der Russlanddeutsche Herr Fischer nahm das<br />
Mündel auf, als sei es das seinige. Sie fütterten<br />
es <strong>mit</strong> rohem Fleisch und Blut und Unmengen<br />
von Baikal-Fisch, bis es in rasender Geschwindigkeit<br />
zu dieser menschlichen Form fand. Wer<br />
genau hinschaut, sieht in den Augen der Schönen<br />
die Iris eines Reptils aufblitzen. Und als ihr versehentlich<br />
beim Mainzer Sommerkonzert eine<br />
einzelne Brust aus dem Kleid fiel, kam grüne<br />
Schuppenhaut zum Vorschein. Es besteht kein<br />
Zweifel, sie ist ein Reptiloid. Nun ist es raus! Die<br />
Reptiloiden wollen bekanntlich die Weltherr -<br />
schaft erringen. Liedtexte wie: »Diesen Schritt<br />
geh ich allein, möcht in tausend Herzen sein«,<br />
sagen alles. Das Geschöpf ruft zur Gefolgschaft<br />
für die Weltregierung auf: »Wir sind unzertrennlich,<br />
irgendwie unsterblich / Komm nimm’ meine<br />
Hand und geh’ <strong>mit</strong> mir.«<br />
Wohin die Reise geht, ist nicht bekannt. Vor<br />
allem bleibt ein Rätsel, was die Reptiloiden <strong>mit</strong><br />
all dem welken Fleisch der Schlagerfreunde anfangen<br />
wollen. Fressen kann man es nicht.<br />
Vielleicht reicht es, dass Helene Fischer ihnen<br />
das Hirn vernebelt und mental für den Tag X zurichtet:<br />
»Bis Wunder Wahrheit werden irgend -<br />
wann / Und dann Vollgas in den Himmel Arm in<br />
Arm.«<br />
Felice von Senkbeil
Frank Hoppmann
Praxisgebühr wird wieder eingeführt!<br />
Das Betreuungsgeld für Eltern, die trotz des Rechtsanspruchs auf einen<br />
Kitaplatz ihre Kinder nicht in die Kita schicken und da<strong>mit</strong> dem Staat Milliarden<br />
sparen, ist ein großer Erfolg. Deshalb ist geplant, weitere materielle Anreize<br />
zu schaffen:<br />
• Eltern, die auf die Schulpflicht verzichten<br />
und ihre Kinder zu Hause in den wichtigsten<br />
zivilisatorischen Grundlagen (Körperpflege,<br />
Computerspiele) unterrichten, erhalten<br />
pro Monat 200 Euro Schulgeld. Die Prüfungen<br />
zur Mittleren Reife und zum Abitur<br />
werden online abgelegt.<br />
• Für Jugendliche, die auf eine akademische<br />
Ausbildung verzichten, wird ein Studiengeld<br />
eingeführt – 1 500 Euro pro Monat für geisteswissenschaftliche<br />
Fächer, bis 2 500 Euro<br />
für Kunsthochschulen.<br />
• Ein Auslandsaufenthaltsgeld wird für Soldatinnen<br />
und Soldaten gezahlt, die nach einem<br />
Auslandseinsatz auf ihre Rückreise<br />
nach Deutschland verzichten. Die Höhe bemisst<br />
sich nach den eingesparten Verpackungs-<br />
und Flugkosten (Economy, eine<br />
Strecke).<br />
• Bürgerinnen und Bürger, die bei Krankheit<br />
keinen Arzt aufsuchen, erhalten pro Monat<br />
eine Praxisgebühr in Höhe von 10 Euro. Die<br />
Krankheit muss jedoch von der Krankenkasse<br />
gutachterlich bestätigt sein.<br />
• Analog dazu erhalten Pflegefälle, die sich<br />
selbst pflegen, das sogenannte Pflegegeld I.<br />
Wer seiner Pflegebedürftigkeit <strong>mit</strong> geeigneten<br />
Maßnahmen zuvorkommt, erhält Pflegegeld<br />
II, und zwar so rechtzeitig, dass die<br />
Summe noch ins Testament aufgenommen<br />
bzw. an karitative Organisationen gespendet<br />
werden kann. Es wird nur einmal fällig.<br />
• Bürgerinnen und Bürger, die auf den Eintritt<br />
ins Rentenalter aktiv durch Maßnahmen im<br />
häuslichen Umfeld (nicht in der Öffentlichkeit!)<br />
verzichten, erhalten ein Sterbegeld bis<br />
zu ihrem 67. Geburtstag. Es darf 80 Prozent<br />
des Hartz-IV-Satzes nicht übersteigen.<br />
• Wahlberechtigte, die ihre Stimme dauerhaft<br />
an eine Partei des demokratischen Spektrums<br />
verleihen, erhalten ein Demokratiegeld<br />
von 100 Euro pro Wahl, und als besonderes<br />
Dankeschön werden sie bei der Wahlbeteiligung<br />
<strong>mit</strong>gezählt.<br />
Ob die Regierung diese großzügigen sozialpolitischen<br />
Maßnahmen realisieren kann, ist<br />
noch offen. Denn für einen durchschnittlichen<br />
Deutschen würden bis zu seinem Ableben<br />
5 676, 27 Euro fällig. Falls er oder sie jedoch<br />
notariell vollständig auf sämtliche Zusatzgelder<br />
verzichtet, ist ein Verzichtsgeld in Höhe<br />
von 1 000 Euro – zahlbar am 18. Geburtstag –<br />
garantiert.<br />
Michael-André Werner<br />
Zeichnung: Jan Tomaschoff<br />
24 EULENSPIEGEL 4/14
Exklusiver<br />
Vorabdruck<br />
aus Thilo Sarrazins<br />
allerneuestem Buch<br />
Pressestimmen<br />
»Sein bisher persönlichstes<br />
Werk. Wie immer<br />
von Sarrazin <strong>mit</strong> einem<br />
Augenzwinkern<br />
vorgetragen.«<br />
Apotheken Umschau<br />
»Diese ungeschönte Wahrheit<br />
zu zeigen traut sich<br />
sonst keiner!«<br />
Junge Freiheit<br />
»Die Muskelmasse wird von<br />
Bild zu Bild mehr. So zeigt<br />
dieses Buch eindrucksvoll<br />
die Effekte einer Schlankim-Kopf-Diät.«<br />
GQ<br />
»Das ist mal wieder<br />
typisch! Würde eine Frau<br />
sich so in einem Buch<br />
präsentieren, würde es keiner<br />
kaufen.«<br />
Emma
Einleitung<br />
Am 24. Februar startete die SPD ein Parteiordnungsverfahren<br />
gegen meinen Parteifreund Sebastian Edathy. Er<br />
soll aufgrund seiner sexuellen Neigung aus der SPD<br />
ausgeschlossen werden. Die SPD vertritt die aktuell<br />
gängige Ansicht, alle Menschen müssten homosexuell<br />
sein. Abweichungen von dieser zeitgeistigen Norm werden<br />
geächtet. Heterosexuellen und Pädophilen wird ein<br />
schlechtes Gewissen eingeredet und behauptet, sie<br />
sollten sich was schämen. 1 Hierbei handelt es sich um<br />
genau jenen Tugendterror, den ich in meinem letzten<br />
Buch beschrieben habe. Dieser Tugendterror verkennt<br />
die wissenschaftliche Tatsache, dass die Menschen verschieden<br />
sind und daher auch durch verschiedene Stimuli,<br />
wie der Fachmann sagt, rattig werden. 2<br />
Aufgrund meiner Überlegungen zur modernen Eugenik<br />
war auch ich vor Jahren schlimmsten Anfeindungen ausgesetzt.<br />
3 Doch dank meiner guten Gene überstand ich<br />
das gegen mich angestrengte Parteiausschlussverfahren<br />
ohne größeren psychischen Schaden. Dieses Erlebnisses<br />
wegen möchte ich nun Sebastian Edathy gegen<br />
den Tugendterror meiner Partei verteidigen 4 und einen<br />
visuellen und vor allem konstruktiven Beitrag zum<br />
Thema Posing-Bilder in die gesellschaftliche Debatte<br />
einbringen. Ich verspreche mir davon dreierlei:<br />
- die Einsicht meiner Gegner, dass ich im Recht bin<br />
- außereheliche Sexualkontakte<br />
- viel Geld durch den Verkauf<br />
- mehr mathematische Wissenschaftlichkeit in der<br />
Debatte<br />
Während alle etablierten Medien wie üblich ihren Tugendterror<br />
ausleben, möchte ich ausdrücklich der Zeitschrift<br />
EULENSPIEGEL 5 für ihren Mut danken, dieser<br />
Form der Meinungsäußerung eine Plattform zu geben.<br />
Den im Anschluss an die Veröffentlichung <strong>mit</strong> Sicherheit<br />
wieder in Scharen auftretenden Kritikern dieses<br />
Bildbandes möchte ich <strong>mit</strong> den Worten Voltaires entgegnen:<br />
»Das wird man ja wohl noch zeigen dürfen in<br />
Deutschland!« 6<br />
1 Prof. Dr. Christian Hillgruber: Wo bleibt die Freiheit der anderen?,<br />
FAZ, 20.02.2014<br />
2 Larry Flint: Unterschiedliche sexuelle Präferenzen bei Laufente<br />
und Mensch, L.A., 1972<br />
3 Dr. Werner Bils et al.: Abitur-Training Biologie 2: Angewandte<br />
Genetik, Evolution, 2012<br />
4 Wodurch auch alle Verleumder, die behaupten, ich hätte was<br />
gegen niedere Rassen, wissenschaftlich widerlegt sind.<br />
5 Erhältlich im Abo und an jedem Kiosk, der den EULENSPIEGEL<br />
verkauft.<br />
6 Voltaire: Metaphysische Abhandlung, Werkausgabe, Band XXXII,<br />
letzte Seite, von mir handschriftlich eingefügte Notiz (TS)<br />
Die Klage über politische Korrektheit<br />
ist in den letzten Jahren zu einem<br />
Kampfbegriff geworden, ein Kampfbegriff,<br />
der inflationäre Verwendung findet.<br />
Heute darf man schon nicht mehr<br />
sagen, dass anatolische Zuwanderer<br />
ein schlechtes genetisches Material haben<br />
und nach Knoblauch stinken. Zukünftig<br />
wird es wahrscheinlich schon<br />
nicht mehr opportun sein, als Berliner<br />
Finanzsenator seinem Lieblingsgolfclub<br />
drei Millionen Euro aus Steuer<strong>mit</strong>teln<br />
zu schenken 7 oder als Aufsichtsratsvorsitzender<br />
der Berliner Verkehrsbetriebe<br />
ein Geschäft abzuschließen, von dem<br />
man zugibt, dass man es nicht versteht,<br />
und das letztlich 150 Millionen<br />
Euro Verlust bringt. Zugegeben, das ist<br />
überspitzt formuliert, aber wer viel<br />
Sport treibt, der darf auch mal polemisieren.<br />
7 Rechenschaftsbericht Golf- und Land-Club<br />
Berlin-Wannsee, 2009<br />
26 EULENSPIEGEL 4/14
Religiöse Menschen, so der gesellschaftliche<br />
Konsens, sollten<br />
erschossen werden. 8 Dies gilt<br />
laut öffentlich-rechtlichen Medien<br />
für Christen noch deutlicher als<br />
für Muslime, Scientologen oder<br />
die Internationale Gralsbewegung.<br />
Bekennt man sich heute<br />
offen zu seinem christlichen<br />
Glauben, kann es schnell passieren,<br />
dass Toleranz in Intoleranz<br />
umschlägt und man <strong>mit</strong> einem<br />
menschenverachtenden Achselzucken<br />
gestraft wird – Tugendterror<br />
der subtilen Art.<br />
8 Matthias Matussek: Das katholische<br />
Abenteuer, 2012<br />
EULENSPIEGEL 4/14 27
Immer wieder gab es in der Presse krasse Falschbehauptungen<br />
über meine Thesen, so zum Beispiel<br />
die, ich würde Leute, die den ganzen Tag faul auf<br />
dem Sofa rumliegen, als faul bezeichnen. 9 Solche<br />
Verleumdungen drücken jedoch aufs Gemüt und führen<br />
dazu, dass man tagelang nur vor dem Fernseher<br />
liegt und sich alte Talkshow-Aufnahmen von sich<br />
selbst ansieht. Die Meinungsdiktatur würde für solche<br />
Faulheit die Gesellschaft verantwortlich machen.<br />
Ich dagegen weiß, dass nicht die Gesellschaft, sondern<br />
der einzelne Journalist selbst dafür verantwortlich<br />
ist, wenn er meine Bücher für ausgemachten<br />
Stuss hält und ich deshalb beleidigt zu Hause rumlümmele.<br />
9 Thilo Sarrazin: Deutschland schafft sich ab, 2010<br />
Die Gleichheitsideologie zog während der letzten 230 Jahre eine<br />
breite Blutspur hinter sich her, die vom Gebrauch der Guillotine in<br />
der Französischen Revolution über die »killing fields« in Kambodscha<br />
bis hin zum Frauen-Wahlrecht führte. Doch sind Mann und Frau wirklich<br />
gleich? Man darf es zwar in Deutschland nicht sagen, aber: nein!<br />
Wer schon einmal ein einschlägiges Etablissement besucht hat, der<br />
weiß, wie wir Männer uns teilweise von der Damenwelt behandeln<br />
lassen müssen. Frauen wird eine exponierte gesellschaftliche Position<br />
zugestanden, ohne dass sie über einen entsprechenden Hochschulabschluss<br />
verfügen. 10 Wer dagegen etwas sagt, dem droht zwar nicht<br />
der Scheiterhaufen wie »Ketzern« in früheren Zeiten, aber <strong>mit</strong> heißem<br />
Wachs wird er dennoch übergossen.<br />
10) Dominastudio Flotte Lotte, Berlin, nach Uschi fragen!<br />
Stellt man in Deutschland in einer Diskussion fest, dass Menschen<br />
unterschiedlicher Kulturen auch unterschiedliche körperliche Merkmale<br />
aufweisen, und unterstreicht diese Tatsache durch das Präsentieren<br />
eindeutiger Fakten 11 , ist man schnell der Außenseiter auf dem<br />
Bundespresseball. Ist man obendrein nicht gewillt, sich belehren zu<br />
lassen und bleibt stattdessen steif und fest bei seiner Meinung, wird<br />
auch gerne mal nach der (Gesinnungs-)Polizei gerufen. Doch solange<br />
Medienvertreter nicht die Eier haben, sich dieser Tabus zu entledigen,<br />
wird die politische Diskussion blutleer bleiben.<br />
11) Roberto Blanco: Zehn nackte Neger: So viel Spaß kann sein,<br />
Wissenschaftsverlag, 2003<br />
28 EULENSPIEGEL 4/14
Die Verharmloser und Schönfärber<br />
im harmoniefreudigen Müsli-Milieu<br />
nehmen selbst normale natürliche<br />
Abläufe nicht zur Kenntnis. In ihrer<br />
Dümmlichkeit und Verblendung<br />
richten sie sich gegen Selbstverständlichkeiten:<br />
Eine Giraffe<br />
wächst in ihrem angestammten<br />
Habitat von 50 Quadratmetern auf<br />
und wird durch eine Druckluftpistole<br />
allerneuester Bauart getötet<br />
und danach den Löwen im Nebengehege<br />
zum Fraß vorgeworfen –<br />
und zwar in Dänemark. So geschieht<br />
es in der Natur jeden Tag.<br />
Doch wenn sich die Wirklichkeit<br />
dem eigenen Denkmuster nicht fügen<br />
will, dann konstatieren die<br />
Medien sofort, dass etwas faul ist<br />
in dem kleinen skandinavischen<br />
Staat. 12 Der Skandal könnte nur<br />
größer sein, wenn ich, der böse Autor,<br />
eine Giraffe töte und verspeise,<br />
die ich vorher sexuell missbraucht<br />
habe. Meine Leser teilen wohl die<br />
Freude <strong>mit</strong> mir darüber, dass dies<br />
im Abendland noch (!) nicht verboten<br />
ist.<br />
12) William Shakespeare: Hamlet,<br />
London, 1603<br />
Gregor Füller / Andreas Koristka, Collagen: Michael Garling<br />
Thilo Sarrazin<br />
Tugendterror –<br />
der Bildband<br />
Eigenverlag,<br />
Berlin 2014<br />
1284 Seiten,<br />
2,99 Euro<br />
EULENSPIEGEL 4/14 29
ehr geehrte Trauergemeinde,<br />
verehrte Hinterbliebene,<br />
wir sind heute zusammengekommen,<br />
um<br />
von einem lieben Angehörigen<br />
und Vertrauten,<br />
ja von einem Freund<br />
Abschied zu nehmen, der uns<br />
in goldenen Zeiten des Zusammenlebens wahrhaft<br />
ans Herz gewachsen war. Der Grüne Punkt<br />
ist uns ein echter Seelenverwandter gewesen,<br />
den, was schon beim ersten Mal nicht funktioniert<br />
hat? Ohne zu ahnen, dass heute schon<br />
komplette Regierungsparteien wiederverwendet<br />
werden, obwohl deren Mindesthaltbarkeit bereits<br />
seit Jahren abgelaufen ist. Und im Entsorgen<br />
war unser Grüner Punkt sowieso immer<br />
Weltmeister – getreu seiner berühmten Lebensmaxime:<br />
Nur was vorher ordentlich getrennt<br />
wurde, kann hinterher wieder komplett zusammengekippt<br />
werden.<br />
Und gehörte nicht das Verbindende zu den<br />
schönsten Eigenschaften unseres lieben Dahingeschiedenen?<br />
Ihm war es zu danken, dass wir<br />
viele neue Bekanntschaften schließen durften.<br />
Jeden Joghurtbecher begrüßten wir persönlich<br />
im Familienkreis, um gemeinsam zu überlegen,<br />
ob sein Deckel dranbleiben durfte oder nicht,<br />
jeden Salatbehälter wuschen wir <strong>mit</strong> mehr<br />
Liebe als den Hintern unseres Enkelkindes,<br />
jede Käseverpackung wurde gestapelt und jede<br />
Plastiktüte gefaltet. Wer arbeitslos war, fand<br />
durch den Grünen Punkt eine neue Vollbeschäftigung,<br />
und wer Arbeit hatte, riskierte plötzlich<br />
eine Kündigung, da er durch seine umfängliche<br />
Nebentätigkeit nicht mehr die volle Arbeitskraft<br />
in den Dienst des Lohnherrn stellen konnte.<br />
Und dennoch: Das Gefühl, höheren Zwecken<br />
gedient, also der Tetrapak- und Faltschachtelindustrie<br />
einen Gefallen getan zu haben, wird<br />
uns ewig unvergessen bleiben. Sogar irgendwas<br />
<strong>mit</strong> Umwelt sollte die Sache zu tun haben,<br />
wie man sich hinter vorgehaltenem Zellophanbeutel<br />
zumunkelte. Es wusste zwar keiner genau,<br />
was, aber Ökologie ist in Deutschland<br />
immer eingedenk der von Opa überlieferten Devise:<br />
Man schmeißt nichts weg, was man von<br />
anderen wegschmeißen lassen kann. Dafür war<br />
Grün, grün, grün<br />
unser teurer Verblichener berühmt: Mit Stolz<br />
und Genugtuung blicken wir heute auf die großen<br />
Glaubenskriege zurück, die seine Geburt<br />
damals begleiteten: Was soll das blöde Recycling,<br />
fragten die einen, und die anderen entgegneten:<br />
Wozu sollen wir etwas wiederverwen-<br />
heute das, was früher der Angriffskrieg war: ein<br />
folkloristisches Element, das im Gleichschritt<br />
und auf Kommando ausgeführt wird. Wer nicht<br />
<strong>mit</strong>macht, kann standrechtlich im Wertstoffhof<br />
geschreddert werden. So gesehen hat der<br />
Grüne Punkt auch Großes für das Gemeinschaftsgefühl<br />
unseres Volkes geleistet, reciclio<br />
ergo sum, ich verwerte, also stimmt die<br />
Summe. Dafür gebührt ihm unser wiederaufbereiteter<br />
Dank.<br />
Doch bei aller Anerkennung wollen wir auch<br />
nicht vergessen, wie unterhaltsam und kurzweilig<br />
das Zusammenleben <strong>mit</strong> ihm war. Wer<br />
denkt nicht gern an die schönen Morgenstunden<br />
zurück, wo wir <strong>mit</strong> sauber geschnürtem<br />
Pappebündel erwartungsfroh zum Altpapiercontainer<br />
aufgebrochen waren, um dann überrascht<br />
festzustellen, dass man denselben über<br />
Nacht ersatzlos entfernt hatte. Stets werden<br />
wir im Gedächtnis behalten, wie spannend sich<br />
die anschließende Suche nach einem der wenigen<br />
verbliebenen Standorte gestaltete! Welch<br />
Klacks war doch der Untergang Roms und die<br />
Völkerwanderung der Hunnen gegen den Untergang<br />
der Blauen Tonne und die Wanderung<br />
der Pappnasen!<br />
30 EULENSPIEGEL 4/14
sind alle meine Punkte<br />
Auch an den Gelben Sack erinnern wir uns<br />
gern. Aller äußeren Ähnlichkeit zum Trotz handelte<br />
es sich dabei nicht um Hans-Dietrich<br />
Genscher, sondern um einen Behälter für<br />
Leichtverpackungsmüll. Anfangs bekam man<br />
ihn vom Entsorger einfach über den Zaun geworfen,<br />
am Ende musste man ihn unter abenteuerlichen<br />
Umständen in irgendwelchen geheimnisvollen<br />
Verstecken selber abholen wie<br />
weiland Indiana Jones seinen verlorenen<br />
Schatz. <strong>Zur</strong> Strafe wurde der Sack dann <strong>mit</strong><br />
tonnenschwerem Gerümpel befüllt, weshalb<br />
er stets zerfleddert herumlag und den Hunden<br />
zum Einwurf ihrer biologisch abbaubaren<br />
Restprodukte diente. Man mag sich gar nicht<br />
ausdenken, wie unsere Städte zukünftig ohne<br />
dieses lustige Gestaltungselement aussehen<br />
mögen. Am Ende herrscht einfach Ordnung –<br />
unverantwortlich!<br />
Aber gemach, liebe Trauerklöße, noch ist<br />
nicht aller Säcke Abend, selbst wenn der<br />
Grüne Punkt nun in der Blüte seiner Jahre aus<br />
dem Leben gerissen wird. Wissen wir doch<br />
alle, dass er schon seit Langem an schwerer<br />
Auszehrung erkrankt war. Zwar hat er sich<br />
stets tapfer bemüht, die Symptome seiner<br />
Schwindsucht vor uns Angehörigen zu verheimlichen,<br />
aber es kam ihm zum Schluss<br />
trotzdem immer weniger in die Tüte. Um über<br />
ein Viertel soll sich allein die Verpackungszahl<br />
seit dem letzten Jahr verringert haben,<br />
obwohl die Menge insgesamt sogar gewachsen<br />
ist. Es handelt sich quasi um ein grünes<br />
Mirakel, denn mehr bedeutet jetzt weniger!<br />
Der Grund ist ganz einfach: Auf dem Entsorgungsschlachtfeld<br />
tummelt sich immer mehr<br />
Schmutzkonkurrenz: Jeder kleine Laden<br />
nimmt heute schon seine »Eigenverpackungen«<br />
zurück, Autobuden sammeln ihre abgefallenen<br />
Ersatzteile selber, und Krankenhäuser<br />
recyceln nicht nur abgefallene Gliedmaßen,<br />
sondern auch gebrauchte Chefärzte und Bettdecken.<br />
Das alles fehlt natürlich beim Grünen<br />
Punkt – weshalb die Rufe nach seiner Abschaffung<br />
immer lauter wurden.<br />
Es kann also sein, liebe Trauergäste, dass<br />
wir uns bald endgültig von diesem wichtigen<br />
Teil unseres Lebens verabschieden müssen.<br />
Und der Verlust wird schmerzlich sein. Zum<br />
Beispiel werden wir die herrlich verschlungenen<br />
Pfeile auf dem Grünen-Punkt-Logo vermissen:<br />
Waren sie nicht ein Wunder an Aussagekraft,<br />
so ähnlich wie Bim und Bam oder Dings<br />
und Bums? Auch der Mehrkammermülleimer<br />
wird uns fehlen oder die Verpackungsverordnung<br />
in der uns so lieb gewordenen Fassung<br />
Art. 6 Abs. 1 G. Sie alle gaben uns Halt in einer<br />
Welt schwindender Werte und überquellender<br />
Restmülltonnen.<br />
Deshalb wollen wir uns in ehrendem Gedenken<br />
erheben und alle einstimmen in das feierliche<br />
Gebet:<br />
Wertstoff unser im Beutel, geheiligt werde dein<br />
Name.<br />
Dein Entsorger komme.<br />
Deine Aufbereitung geschehe, wie im Bündel<br />
so auf Paletten.<br />
Unser täglich Recycling gib uns heute. Und<br />
vergib uns unsere Fehleinwürfe, wie auch wir<br />
vergeben alle ausgefallenen Abholtermine.<br />
Und führe uns nicht in Verwechslung, sondern<br />
erlöse uns von den Haushaltsabfällen.<br />
Denn dein ist der Sekundärrohstoff, und die<br />
Quote und die Umwelt in Ewigkeit.<br />
Amen.<br />
Reinhard Ulbrich<br />
Zeichnungen: Reiner Schwalme<br />
EULENSPIEGEL 4/14 31
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Europa ist zu weich für diese Welt. Ob es um die Ukraine geht (»Fuck<br />
the EU«), um den Euro (»Missgeburt«) oder um die Freizügigkeit (»Bielefeld<br />
blutet aus«): Weltweit fehlt es an Respekt. Und jetzt das: Die<br />
EU-Grenzpolizei Frontex darf nicht mehr töten, nicht einmal ausnahmsweise<br />
oder an christlichen Feiertagen. Das ist nichts anderes als ein<br />
Eingriff in das Kerngeschäft dieser Organisation: die Gewerbefreiheit.<br />
Das EU-Parlament will der Grenzschutzagentur künftig verbieten, ihre<br />
Kunden, die <strong>mit</strong> dem Boot anreisen, zurück ins offene Meer zu schicken.<br />
»Stellen Sie sich vor, Sie sind Lehrer und dürfen keine Schüler mehr<br />
züchtigen! Oder Sie sind Staatsanwalt und dürfen nicht mehr foltern<br />
lassen! So ähnlich kommen wir uns jetzt vor«, kommentiert ein Frontexaner<br />
aus dem nordrhein-westfälischen Venusberg das EU-Vorhaben.<br />
Er schlürft einen African Dream <strong>mit</strong> ordentlich Cremelikör, schaut auf<br />
das Meer vor Lampedusa und wird nachdenklich. Einmal habe er bei<br />
einem beruflichen Austauschprogramm <strong>mit</strong>gemacht und Kollegen in<br />
Texas, nahe der mexikanischen Grenze, besucht. »Die US-Grenzer<br />
können gar nicht so schnell nachladen, wie sie den Latinos Kugeln in<br />
den Arsch jagen«, sagt er wehmütig. Es gebe dort ein Spiel. Man ballert<br />
zwei Latinos Blei in unterschiedliche Organe und schaut, wer von beiden<br />
weiter kommt. Mit zerschossener Niere seien es durchschnittlich 50<br />
Meter, bei einer zerfetzten Lunge knapp 30 Meter. »In Europa ist all<br />
das nicht vorstellbar. No Fun, no Wettbewerb!«<br />
Denn in der EU weht ein gutmenschlicher Wind: Mit langweiligen<br />
Wärmekameras werden an den Außengrenzen durchgefrorene Fremdkörper<br />
irgendwo im Wald aufgewärmt, um <strong>mit</strong> ihnen in entspannter<br />
Atmosphäre und Wohlfühlambiente über Kants kategorischen Imperativ<br />
zu diskutieren:. »Wie würdest du es denn finden, wenn wir Europäer<br />
bei euch im Busch einfielen, eure Frauen behelligen und einfach nicht<br />
mehr gehen wollen?«, und so weiter. Manchmal versucht man die Meinungsverschiedenheiten<br />
in Rollenspielen aufzulösen. Dann werden die<br />
Bengel wieder zurückgeschickt und versuchen es erneut.<br />
Manch ein Frontexaner fragt sich, warum er sich nicht gleich bei der<br />
Caritas beworben hat. »Selbst Kollegen, die in Afghanistan Mäd chen -<br />
schulen betreut und Nadelarbeit unterrichtet haben, machen sich jetzt<br />
über uns lustig. Wir werden sogar gefragt, ob man schwul sein müsse<br />
oder Krankenschwester, um bei uns genommen zu werden«, heißt es<br />
hinter vorgehaltener Hand. Ein Grenzer hat von seinem Schwiegervater<br />
aus der Heimat zum Geburtstag eine rosafarbene Unterhose zugeschickt<br />
bekommen. Und Frontex hatte schon Angebote, sich an der Lotterie<br />
Aktion Mensch zu beteiligen. Die Folgen: Burn-out, Traumata, Depressionen,<br />
Geschlechtsumwandlungen … Fast 60 Prozent der Frontexaner<br />
leiden an Hitzewallungen, Schwindel und Schweißausbrüchen –<br />
typische Symptome von Frauen in den Wechseljahren. Es häufen sich<br />
32 EULENSPIEGEL 4/14
an der Küste Lampedusas<br />
t schon mal was an!<br />
Gerüchte, den Soldaten würden Östrogene in den Haferbrei gemischt,<br />
da<strong>mit</strong> sie auf hoher See auch mal ein Negerbaby stillen können, wenn<br />
die Mama ertrunken ist.<br />
Das Schlimmste ist die Missachtung seitens der Heimat. »Es wird einfach<br />
nicht anerkannt, was wir hier leisten«, so ein Frontexaner aus dem brandenburgischen<br />
Busendorf, dessen Mutter ihm verbietet, sich <strong>mit</strong> Namen<br />
zitieren zu lassen. Nicht einmal die Ereignisse vom Oktober 2013 hätten<br />
die lang ersehnte Aufmerksamkeit gebracht. Über 250 colored Fremd -<br />
körper, mutmaßlich islamistische Terroristen, Kriminelle und Studienabbrecher,<br />
wurden damals erfolgreich an der Einreise gehindert. Es war ein<br />
Moment des Stolzes. Ein kurzer Moment. »Wir haben Warnschüsse abgegeben,<br />
aber da<strong>mit</strong> sie nachts auch gesehen werden können, waren es<br />
natürlich Leuchtfeuer. Da brennt dann schon mal was an, da hilft nur untertauchen«,<br />
erinnert sich der Busendorfer an die Komplexität seiner Aufgabe,<br />
die ihn eigentlich zum Helden machen sollte. Angst habe er in dem<br />
Moment keine gehabt. »Dafür war ich viel zu sehr auf meine Arbeit konzentriert.«<br />
Anschließend habe man die Vorkommnisse der Pressestelle<br />
<strong>mit</strong>geteilt – 250 illegal Einreisende, die bestimmt nicht wiederkommen!<br />
»Aber die glaubten uns einfach nicht!« Die Frontexaner waren fassungslos.<br />
Am Ende reichte es gerade einmal für die Schlagzeile »Unglück vor Lampedusa«.<br />
Es ist einfach jämmerlich.<br />
Und nun setzt die EU <strong>mit</strong> ihren neuen Einsatzregeln allem noch die<br />
Krone auf. »Vorher war es schon so, als hätten die da in Brüssel uns die<br />
Eier abgeschnitten«, sagt der Venusberger Frontexaner <strong>mit</strong> dem Cremelikör.<br />
»Aber jetzt kauen sie auch noch auf ihnen herum!« Dann wird er wieder<br />
nachdenklich und schaut auf das Meer. Manchmal sei der Weg hin zu Anerkennung<br />
und Achtung als Teil der Gesellschaft eben lang. »Aber wir<br />
geben nicht auf. Wir kämpfen um unsere Würde. Gehen Sie da raus, und<br />
erzählen Sie der Welt von uns!«, so sein Hilferuf von der Küste Lampedusas.<br />
Valentin Schark<br />
Zeichnung: Klaus Stuttmann<br />
EULENSPIEGEL 4/14 33
Unsere<br />
Lieder -<br />
Unser<br />
Leben<br />
34 EULENSPIEGEL 4/14
em Ersten Weltkrieg, dessen freudigen Beginn wir in diesem<br />
Jahr feiern, darf man nicht nur <strong>mit</strong> Achtung vor der<br />
technischen und militärischen Leistung, man sollte seiner<br />
auch <strong>mit</strong> Dankbarkeit gedenken: Er hat der Zivilisation den Donnerbalken<br />
geschenkt! Sein Erfinder ist unbekannt gefallen. Der D. sorgte<br />
nicht nur für ein unverzichtbares Maß an Hygiene in den Gräben. Ihn<br />
vor der Schlacht aufzusuchen, war zudem für einen erfolgreichen Angriff<br />
dringend geboten (zu oft hatten sich Männer dies- und jenseits der Front<br />
vor dem Tod gedrückt, indem sie sich aufs WC im Hinterland abmeldeten).<br />
Der D. hatte auch einen gemeinschaftsstiftenden Wert: Ernst Jünger<br />
(1895-1998) beschrieb in Stahlgewittern eindrücklich, wie auf ihm<br />
die Kameradschaft wuchs, ja eine gewisse Inti<strong>mit</strong>ät entstand und der<br />
Krieg sich von seiner lustigen Seite zeigte. Letztmalig wurde der<br />
D. im vorigen Jahrhundert auf FKK-Zeltplätzen an der Ostsee und als<br />
Disziplinierungs<strong>mit</strong>tel in Kinderkrippen der DDR verwendet.<br />
Dem D. gelang es, sich eine herausragende Stellung im deutschen<br />
humoristischen Volksschaffen – das ja vornehmlich Fäkalhumor ist –<br />
zu erobern und diese bis heute zu halten. In unten stehendem Werk<br />
beachte man den optimistischen Schluss, der <strong>mit</strong> der Realität des<br />
Krieges zwar nichts zu tun hatte, aber den »ersehnten« Sieg (ein baldiges<br />
Sich-erleichtern-dürfen) antizipierte.<br />
MW<br />
Der Donnerbalken (Dichter<br />
unbekannt)<br />
Auf dem Donnerbalken saßen zwei Gestalten,<br />
und sie schrien nach Klopapier, Klopapier!<br />
Und dann kam der Dritte, setzt sich in die Mitte,<br />
und sie schrien nach Klopapier, Klopapier!<br />
Und dann kam der Vierte, der sich gleich beschmierte,<br />
und sie schrien nach Klopapier, Klopapier!<br />
Und dann kam der Fünfte, der die Nase rümpfte,<br />
und sie schrien nach Klopapier, Klopapier!<br />
Und dann kam der Sechste, der sich gleich bekleckste,<br />
und sie schrien nach Klopapier, Klopapier!<br />
Und dann kam der Siebte, der die Scheiße siebte,<br />
und sie schrien nach Klopapier, Klopapier!<br />
Und dann kam der Achte, als der Balken krachte,<br />
und sie schrien nach Klopapier, Klopapier!<br />
Und dann kam der Neunte, als die Scheiße schäumte,<br />
und sie schrien nach Klopapier, Klopapier!<br />
Und dann kam der zehnte, brachte das ersehnte<br />
Klo – pa – pier!<br />
EULENSPIEGEL 4/14 35
Fremde<br />
Länder<br />
Der Nebelspalter, gegründet 1875, ist das älteste Satireblatt der Welt. Jedoch – von seinen<br />
über 89 Abonnenten abgesehen – kennt ihn kaum einer, weil er in einem winzigen Land erscheint,<br />
das sehr versteckt liegt und einen Humor pflegt, der nur in der Schweiz verstanden<br />
wird. Deutsche, die dieses Land besuchen, bringen fast nie einen Nebelspalter <strong>mit</strong> nach<br />
Hause, weil sie so viel anderes Papier schleppen müssen.<br />
Von Anfang an dabei ist Roland Schäfli, nach eigenen und nach Angaben seines Chefredaktors<br />
der beste noch lebende Autor der Schweiz. Nach schwierigen Vertragsverhandlungen<br />
(er wollte das Honorar auf ein anonymes Nummernkonto der Stadtsparkasse Eisenhüttenstadt),<br />
war er bereit, dem EULENSPIEGEL seine Welt zu erklären.<br />
haarscharf aus, bei Fussball-Weltmeisterschaften<br />
und Weltkriegen, stets fehlte<br />
zum Endsieg der nötige Biss. Für Freudianer<br />
ein klarer Fall: Wo normale Menschen<br />
im Unterbewusstsein ein Phallussymbol<br />
stehen haben, steht beim Deutschen<br />
die nackte Angst vor dem eigenen<br />
Versagen. Psychologen sind sich einig,<br />
dass Selbsthass zu Potenzangst führt.<br />
Jüngstes Beispiel für diese deutsche Urangst,<br />
sich selbst nicht genügen zu können,<br />
ist der Rücktritt des deutschen Papstes.<br />
Die deutsche Geschichte ist voll von<br />
Ereignissen, die diese Theorie stützen.<br />
So nannte sich der deutsche Erfinder des<br />
Penisneids selbst »Karl der Große« (auch<br />
der spätere »Friedrich der Große« soll<br />
im Bett kein Eurofighter gewesen sein).<br />
Viele Deutsche sind ja fest davon überzeugt,<br />
Helvetien sei eigentlich ein Bundesland,<br />
dessen putzige Bewohner einen<br />
etwas komischen deutschen Dialekt<br />
sprechen. Seit wir 1648 vom Großdeutschen<br />
Reich abgetrennt worden sind, bestreiten<br />
wir, überhaupt je zu Deutsch -<br />
land gehört zu haben. Wie eine Verwandtschaft,<br />
die einem etwas peinlich<br />
ist. Deshalb führt der bloße Gedanke an<br />
den EU-Beitritt beim Schweizer zu Phantomschmerzen.<br />
Schon vor der 50,3-Abstimmung begannen<br />
überzählige Deutsche, in ihre<br />
Heimat zurückzukehren. Sonst muss<br />
man ja für Deutsche immer erst eine<br />
Mauer einreißen, bevor die nach Hause<br />
zurückkehren. Als Souvenirs ihres<br />
Schweiz-Aufenthalts nehmen viele eine<br />
Schweizerin <strong>mit</strong>. Es ist das erste Mal in<br />
der Geschichtsschreibung, dass Deut -<br />
sche friedlich aus einem besetzten<br />
Gebiet abziehen. Dieser Rückzug ist die<br />
größte deutsche Völkerwanderung seit<br />
den Jahren der germanischen Expansion<br />
39-45. Darum gilt es innerhalb der Bes-<br />
Als mich der EULENSPIEGEL aufforderte,<br />
in 6 000 Zeichen zu schreiben, warum<br />
die Schweiz Deutschland hasst, war<br />
meine spontane Reaktion, unter 12 000<br />
Zeichen geht da gar nichts. So knappe<br />
meiner neuen Schweizer Freunde (ehemals<br />
Deutsche) gefragt, was sie denn an<br />
Deutschen ganz besonders stört, und dabei<br />
wie die meisten von uns nachsichtig<br />
über ihren Akzent hinweggehört. Als<br />
milienväter ihre Dienstwaffe auf die Familie<br />
richten, nur weil ein Deutscher namens<br />
Schiller eine Geschichte um einen<br />
Vater verzapfte, der dem Sohn den Appel<br />
vom Kopp schießt. Dass unsere Tatort-<br />
Mehrheiten machen manchmal viel aus. gute Schweizer sagten sie erst, von den Kommissare ein Kuhschweizerisch<br />
In der Volksabstimmung darüber, ob<br />
Deutsche weiterhin ungehindert in die<br />
Schweiz einwandern dürfen, sagten 50,3<br />
Prozent Nein zu Deutschen. Wer waren<br />
diese 0,3 Prozent? Unser Bundesamt für<br />
Statistik hat er<strong>mit</strong>telt, dieses Drittel Prozent,<br />
das Zünglein an der Waage, setzt<br />
sich aus eingebürgerten Deutschen zusammen.<br />
Jawohl, Papierli-Schweizer, abtrünnige<br />
Deutsche also, die sich so gut<br />
integriert haben, dass sie Deutsche hassen,<br />
als hätten sie schon immer hier gelebt.<br />
Gegen ihre vormaligen Landsleute<br />
zu stimmen, war der letzte Schritt ihres<br />
freiwilligen Ausschlusses (umgekehrter<br />
Vorgang von Anschluss). Ex-Deutsche,<br />
haben sie den Exorzismus ihrer deutschen<br />
Staatsangehörigkeit erst mal hinter<br />
sich, gleichen militanten Nichtrauchern.<br />
Warum hassen Deutsche Deutsche<br />
<strong>mit</strong> einer Inbrunst, die nur in einem tief<br />
verwurzelten Selbsthass begründet sein<br />
kann? Für diese ausgeprägte Selbstverachtung<br />
gibt es einen Grund: Sie ist berechtigt.<br />
Ich habe für diesen Text einige<br />
Schwaben wollten sie gar nicht erst anfangen.<br />
Da sie aber trotz deutscher Modekrankheiten<br />
wie Laktoseintoleranz<br />
echte Kuhschweizer geworden sind, ließen<br />
sie diese günstige Gelegenheit nicht<br />
ungenutzt:<br />
Dass sie sich in den Kader-Jobs, die<br />
sie gutmütigen Schweizern weggeschnappt<br />
haben, aufführen wie deutsche<br />
Filmregisseure <strong>mit</strong> Megafon und Reitstiefeln.<br />
Dass unsere Banken Bußen zahlen<br />
sollen, weil sie jahrelang treu das<br />
Geld der Deutschen verwaltet haben,<br />
was schließlich zu unserem Kern ge -<br />
schäft zählt. Dass wir heute noch die nervige<br />
Debatte führen müssen, warum Fa-<br />
reden müssen, obwohl sie es im Fall besser<br />
könnten, gell! Dass sie stets von<br />
Neuem darauf hinweisen, wie sehr sie<br />
die Schweiz lieben, weil hier alles so<br />
klein und niedlich sei. Dass sie sich auf<br />
subtiles Mobbing verstehen: »Schon gemerkt?<br />
Der Rainer stinkt.« Dass sie beharrlich<br />
darauf bestehen, sie könnten<br />
Schwyzerdütsch sprechen, wenn sie nur<br />
wollten. Dass wir ihre Fluglärm-Proteste<br />
nicht mehr hören können. Wir haben damals<br />
schließlich auch den Lärm der Berliner<br />
Luftbrücke klaglos erduldet.<br />
Das haarscharfe Resultat von 50,3 wiederspiegelt<br />
auch deutsche Geschichte.<br />
Immer schon ging es für die Deutschen<br />
Selbsthass ist<br />
keine Lösung<br />
Alois Reltih ist in den Bergen zu Hause. Obwohl<br />
er dem Flachland nicht traut, hat sich der naturbelassene<br />
Milchbauer an diesem frühen Morgen<br />
hinunter ins Tal begeben. Es ist Tag eins nach<br />
dem Volksentscheid. Reltih will sich <strong>mit</strong> eigenen<br />
Augen davon überzeugen, dass sich etwas verändert<br />
hat.<br />
Am Ufer von Grottighofen legt im blutroten<br />
Morgengrauen ein rostiger Frachter an. Er kommt<br />
aus Deutschland und hat Deutsche an Bord. Alle<br />
wissen das. Der Kapitän sagt, er habe Bananen<br />
aus dem Kaiserstuhl geladen, wie immer, und<br />
zwinkert dem Zollbeamten zu. Bislang war er da<strong>mit</strong><br />
durchgekommen. Nie wurde seine Fracht kontrolliert.<br />
Reltih spitzt seine moosigen Ohren, die<br />
Haarbüschel, die aus den Gehörgängen wuchern,<br />
bewegen sich im Einklang <strong>mit</strong> dem Wind. Dann<br />
hört er den entscheidenden Satz. »Sie händ sicher<br />
nünt dägege, wenn ich mol en Blick hinei<br />
Solch lange Strapazen nimmt<br />
nur auf sich, wer nichts zu verlieren hat.<br />
Lehrer, Bauingenieure, Architekten,<br />
Pharmazeuten<br />
werf, odrr?«, fragt der Zöllner. Reltih spürt eine<br />
behagliche Wärme, es ist, als würde er von der<br />
Heimat umarmt. In diesem Moment wird ihm klar,<br />
dass er nicht umsonst abgestimmt hat.<br />
Ungläubig schaut der deutsche Kapitän den<br />
Zöllner an, öffnet das Schloss und wuchtet unter<br />
lautem Knarzen die schwere Containertür auf.<br />
Ein ängstliches Wimmern dringt aus dem Dunkel.<br />
Das Tageslicht trifft auf ein Meer von weit aufgesperrten<br />
Augen. Reltih zählt nach und kommt<br />
auf 56 Augen. »Das entspricht 56 neuen Zuwanderern«,<br />
sagt er, dem als kleiner Bub ein Kuhhorn<br />
den linken Augapfel ausstach.<br />
Mit verschreckten Trippelschritten folgen die<br />
Deutschen dem Befehl des Zöllners und stellen<br />
sich in Zweierreihen auf. Sie sind gezeichnet,<br />
manche fallen vor Schwäche in Ohnmacht.<br />
Zusammengepfercht hatten sie in dieser Hölle<br />
36 EULENSPIEGEL 4/14
Burkhard Fritsche Jan Tomaschoff<br />
ten Armee der Schweiz als militärischer<br />
Sieg, die Hunnen bis an den Rhein zurückgeworfen<br />
zu haben, hinter unsere<br />
natürliche Grenze.<br />
Was uns (und da<strong>mit</strong> schließe ich die<br />
eingebürgerten Deutschen ein) neuerdings<br />
vor ein Problem stellt. Denn uns<br />
fehlt das deutsche Fachpersonal. Zugegeben.<br />
In bestimmten Branchen standet<br />
ihr Deutschen uns nämlich wirklich<br />
nahe. Ich denke da an das besondere Vertrauensverhältnis,<br />
wenn der deutsche<br />
Pfleger meine Bettpfannen leert. Unentbehrlich<br />
machten sich Deutsche auch als<br />
Chauffeure. Wussten Sie nicht? Weil der<br />
Schweizer Nachwuchs fehlt, lenken<br />
Deutsche unsere Postautos. Seither kommen<br />
diese nicht mehr pünktlich. Sie sind<br />
zu früh da.<br />
Wir werden ganz einfach wieder deutsche<br />
Billigland-Arbeiter heim ins Reich<br />
holen, wenn wir sie brauchen. Die Amis<br />
haben sich ja damals für die Raumfahrt<br />
auch deutsche Experten geholt. Wenn Ihr<br />
nur erst diesen Selbsthass in den Griff<br />
kriegt. Menschen, die sich selbst hassen,<br />
machen sich dadurch auch für andere<br />
hassenswert. Aber ich und die Meinen<br />
(da<strong>mit</strong> schließe ich die Ex-Deutschen<br />
ein) machen uns keine großen Sorgen.<br />
Die Deutschen sind immer wiedergekommen,<br />
egal wie schlecht wir sie behandelt<br />
haben. Selbst der Sterbetourismus<br />
floriert. Remarque und Mann machten<br />
sich auf unseren Friedhof-Hotspots<br />
schon lange breit. Seit Neuestem haben<br />
Deutsche den Service unserer Sterbehilfeorganisationen<br />
entdeckt. Nach der<br />
Behandlung lassen sie ihre Überreste in<br />
unseren klaren Bergseen versenken.<br />
Selbst Sterben finden viele Deutsche bei<br />
uns schöner als daheim. Wir können es<br />
Euch nicht verdenken.<br />
Roland Schäfli<br />
rmungslos und tödlich!<br />
aus Blech ausharren müssen – von Konstanz<br />
nach Grottighofen. Die Überfahrt dauert ganze<br />
sieben Minuten. Solch lange Strapazen nimmt<br />
nur auf sich, wer nichts zu verlieren hat. Lehrer,<br />
Bauingenieure, Architekten, Pharmazeuten<br />
und noch mehr Lehrer. Sie träumten von einem<br />
besseren Leben, jetzt droht ihnen die<br />
Abschiebung, noch ehe sie angekommen sind.<br />
»Wir haben doch nur Hunger«, fleht einer, der<br />
gerade seine Notdurft in die eigene Lap top -<br />
tasche verrichtet hat. Dieses Elend geht auch<br />
Reltih ans Herz. Wäre seine Schadenfreude<br />
nicht so groß, würde er am liebsten wegschauen.<br />
Wie in Grottighofen haben Schleuserbanden<br />
täglich Millionen von Deutschen in die Schweiz<br />
verschifft. Wer den Transport überstand, blieb<br />
Seit den Tagen Pizarros war ein Naturvolk<br />
nie wieder von einer fremden Macht so<br />
rücksichtslos behandelt worden wie die<br />
Schweizer von den Deutschen.<br />
nicht nur für immer, sondern nahm den Einheimischen<br />
auch noch Arbeit und Frauen weg und<br />
pflanzte sich fort, als gäbe es keinen Morgestraich<br />
mehr. Der Volksentscheid wird diesen Flüchtlings-<br />
Tsunami nun stoppen. Ausländer im Allgemeinen<br />
und Deutsche im ganz Besonderen sollen nicht<br />
mehr ungefiltert und ungewaschen die Grenze<br />
überqueren können. Mit Hochdruck bereitet der<br />
Bundesrat maßvoll-menschenverachtende Verordnungen<br />
vor. So soll es Migran ten, die sich in<br />
der Schweiz Arbeit und Wohnsitz erschlichen haben,<br />
bald nicht mehr gestattet sein, ihre Familien<br />
oder Haustiere nachzuholen beziehungsweise<br />
<strong>mit</strong> diesen zu skypen. Einheimische, die sich <strong>mit</strong><br />
einem Deutschen einlassen, verlieren <strong>mit</strong> sofortiger<br />
Wirkung die Staatsbürgerschaft und gelten<br />
als vogelfrei. Mischlingskinder, die zwar keine<br />
Mundart sprechen, aber immerhin eine gene -<br />
tische Disposition dafür besitzen, kommen ins<br />
Sprachumerzierhungslager nach Davos, wo sie<br />
EULENSPIEGEL 4/14 37
Das Schweizer<br />
Arten<br />
vielfalt<br />
Es spricht Deutsch – oder etwas,<br />
das so ähnlich klingt. Es<br />
gibt auch frankophone Exemplare.<br />
Im südlichen Bereich<br />
ist das Schweizer zu einer lustigen Unterart <strong>mit</strong><br />
Hütchen mutiert, die sogar besser Italienisch<br />
sprechen kann als jeder deutsche Tourist, der einen<br />
Kaffee bestellt.<br />
Das gemeine Schweizer ist ein kleiner Bergbewohner,<br />
der <strong>mit</strong> Goldbarrenrasseln links und<br />
rechts in den Händen und einer goldenen Kuhglocke<br />
um den Hals geboren wird und homosexuelle<br />
Handlungen seit 1942 offiziell legal bzw.<br />
anal verrichtet. Dass es sich auf der Alm <strong>mit</strong><br />
Ziegen paart, gehört wohl ins Reich der naturwissenschaftlichen<br />
Spekulation. Was man ihm<br />
aber vorhalten muss, ist, dass es eine gewisse<br />
»Heidi« nicht vom warmen Schoß ihres Großvaters<br />
gerettet hat!<br />
Das Schweizer ist scheu. Doch wenn es sich<br />
provoziert fühlt, kann es unangenehm werden.<br />
Um nicht in Beißereien zu geraten, hat das<br />
Schweizer eine geölte Muskete unterm Bett: Lieber<br />
eine Waffe im Schrank als eine Wade<br />
zwischen den Zähnen, lautet der Slogan im Land<br />
der Kantone.<br />
Andreas Prüstel<br />
Der Lebensraum des Schweizer ist imposant<br />
und schwer zugänglich. Es ist kein Wunder, dass<br />
das Schweizer glaubt, allein auf der Welt zu sein,<br />
da es die Berge kaum überwinden kann. Es entwickelte<br />
in der Einsamkeit merkwürdige Gewohnheiten<br />
wie das Trycheln (böse Geister <strong>mit</strong> Kuhschellen<br />
vertreiben), den Inzest und das Alphornblasen.<br />
Seinen Nachkommen gibt das Schweizer gern<br />
lustige Namen wie Peterli oder Hansi, ob diese<br />
im Zusammenhang <strong>mit</strong> dem Müsli stehen, weiß<br />
man nicht.<br />
Außer 26 Kantonen, so groß wie ein Bankschließfach,<br />
hat das Schweizer nichts zu bieten.<br />
Vermutlich ist es die Luft, die nach Geld riecht,<br />
die viele Fremde in sein Land lockt. Das Schwei -<br />
zer gibt auch gern Asyl, z.B. Steuerflüchtlingen<br />
aus Deutschland. Die sind deshalb gern gesehen,<br />
weil sie körperlich zu Hause bleiben, aber ihre<br />
Ersparnisse dem Schweizer überlassen.<br />
Schokolade und Käse sind für das Schweizer<br />
ein lebensnotwendiges Nähr<strong>mit</strong>tel. Gern behauptet<br />
es, es habe alles erfunden. Beim Schweizer<br />
gibt es abwechselnd Käsefondue und Käse-Raclette,<br />
und jeden Abend eine Lindt-Sprüngli-Schokolade<br />
hinten drauf. Reich ist das Schweizer auch<br />
an Uhren. Das macht es zu einer ordentlichen<br />
und präzisen Art. Allerdings tickt es recht lang -<br />
sam, was auch seine maximale Geschwindigkeit<br />
von 120 km/h auf deutschen Autobahnen <strong>mit</strong> seinem<br />
500 PS starken Porsche Cayenne erklärt.<br />
Insgesamt ist das Schweizer aber der Wissenschaft<br />
immer noch ein Rätsel. Zum Beispiel gibt<br />
es ein Exemplar, das kann durch bloßes mentales<br />
Starren einen goldenen Löffel verbiegen ...<br />
Cathleen Held<br />
täglich acht Stunden Rätoromanisch pauken und<br />
Emil-Sketche anschauen müssen.<br />
»Ich habe ja nichts gegen Ausländer«, sagt<br />
Alois Reltih beinahe entschuldigend. »Neger, Zigeuner<br />
oder Talibanesen können meinetwegen<br />
hier blei ben. Aber die Deutschen passen einfach<br />
nicht in unseren Kulturkreis.« Der 94-jährige Philanthrop<br />
ist wieder auf seine Alm zurückgekehrt<br />
und hat auf einem Baumstumpf Platz genommen.<br />
Seine einzige Kuh leistet ihm Gesellschaft und<br />
schleckt Brotreste und Insekten aus seinem Bart.<br />
Sie heißt Helvetia. An diesem Ort fühlt sich Reltih<br />
aufgehoben, das ist sein Land, hier kommt er<br />
zur Ruhe. Plötzlich zuckt sein rechtes Augenlid,<br />
auf dem geröteten Nacken bilden sich Pusteln,<br />
seine Stirn glänzt vor Angstschweiz. Helfen<br />
lassen will er sich nicht. »Das ist der Dich -<br />
testress«, sagt er und schnappt nach Atem. Er<br />
zeigt auf einen schwarzen Punkt auf der anderen<br />
Seite des Tals, den Nachbarshof in nur acht Kilometer<br />
Entfernung. Reltih ist sich sicher: »Da<br />
haben sich heimlich Deutsche eingenistet.« Er<br />
schaut zu Helvetia, sie schaut benommen zurück<br />
und schweigt. Dann lässt er seinen Blick zu den<br />
weißen Gipfeln schweifen und sagt: »Der Herrgott<br />
hat die Alpen nicht aus Zufall aufgefaltet.«<br />
Alois Reltih ist alt genug, um sich an die Zeit<br />
vor der Invasion zu erinnern. Anfangs seien die<br />
Deutschen durchaus beliebt gewesen. Auch er<br />
hatte zwei auf seiner Alm. Mit welcher Kraft sie<br />
die Egge zogen, nötigt ihm noch heute Respekt<br />
ab. Doch die beiden Deutschen wurden immer<br />
maßloser. Zunächst verlangten sie eine warme<br />
Mahlzeit pro Woche, dann einen Mindestlohn, später<br />
gar eine Krankenversicherung. Aus Knechten<br />
wurden Herren.<br />
Und es wurden immer mehr. Ringsum unter -<br />
warfen sie Höfe (Migros, Novartis, Nestle), plünderten<br />
Rohstoffe (Käse, Schokolade, Edelweiß)<br />
und schleppten unbekannte Krankheiten ein (Pocken,<br />
Burn-out, Hochdeutsch). Seit den Tagen<br />
Pizarros war ein Naturvolk nie wieder von einer<br />
fremden Macht so rücksichtslos behandelt worden<br />
wie die Schweizer von den Deutschen.<br />
Wer sich diese Geschichte vor Augen führt,<br />
lernt das Abstimmungsverhalten der Eid ge nos -<br />
sen besser zu verstehen. Gerade wir Deutschen<br />
sollten runter von unserem hohen Kolonialross.<br />
Zumal ein Volksentscheid bei uns wahrscheinlich<br />
ähnlich ausgegangen wäre. Zumindest vor gut<br />
achtzig Jahren. Weshalb wir heute von Glück<br />
reden können, dass es bei uns 1933 keine plebiszitäre<br />
Demokratie gab. Wir stünden sonst genauso<br />
am Pranger.<br />
Der Dichtestress hat Alois Reltih im Laufe der<br />
Jahre müde gemacht. Er schaut hinüber zu seiner<br />
Milchkuh, die für ihn immer mehr war als nur<br />
Rohstofflieferantin und Gespielin. Sie trottet ein<br />
paar Meter, bleibt stehen und fällt um. Bei aller<br />
Freude über den Erfolg: Für Helvetia kam der<br />
Volksentscheid zu spät.<br />
Florian Kech<br />
38 EULENSPIEGEL 4/14
Anzeige
Zum Stehlen geschaffen,<br />
zum Klauen bestellt<br />
Auf die Korruptheit unserer Politiker dürfen wir <strong>mit</strong> Recht stolz sein.<br />
Wie korrupt sind nach Adam Riese unsere deutschen<br />
Politiker, und wenn ja, warum denn auch<br />
nicht? Wer unter dem Wahlvolk seine wirklichen<br />
Empfindungen an die Oberfläche lässt, muss doch<br />
zugeben, dass er nicht <strong>mit</strong> wohlfeil schmeckender<br />
Empörung, sondern von A bis Z angefüllt <strong>mit</strong> Spannung,<br />
Befriedigung und Wohlbehagen die jüngsten<br />
Entwicklungen dieses Sektors verfolgt hat. Kaum<br />
war die meterhohe Freude am Casus Eckart von<br />
Klaeden (Kanzleramt c/o Daimler AG) verpufft, fütterte<br />
der Fall des Ronald Pofalla, der von seinem<br />
jahrelangen Wohnsitz unter Angela Merkel zügig<br />
in den Vorstand der Deutschen Bahn umzuziehen<br />
gedachte, die Flamme der Begeisterung von Neu -<br />
em. Ältere Leser haben auch noch die Fußballeuropameisterschaft<br />
2012 in ihrem guten Kopf, als<br />
während des Halbfinals Deutschland gegen Italien<br />
binnen 57 Sekunden das klammheimlich zurechtgebogene<br />
Meldegesetz durch den Bundestag<br />
rutschte, ein Modellfall effizienten Arbeitens!<br />
Lo Blickensdorf<br />
Richtig also, dass die Justiz die Spezies der<br />
lupenreinen Bundespolitiker weitgehend in Frieden<br />
durch die Welt rudern lässt. Nur weiter unten<br />
wird sie gelegentlich frech bis unter die Schädelhaube.<br />
Um ein aktuelles Beispiel aus der deutschen<br />
Presse zu fischen: Seit Mitte Februar 2014<br />
muss sich der Gubener Bürgermeister Klaus-Dieter<br />
Hübner (FDP) vor dem Landgericht Cottbus<br />
nackt ausziehen, obwohl er sich von einer Garten -<br />
baufirma kostenlos das eigene Grundstück aufbrezeln<br />
ließ, ihr dafür fette Aufträge für die städtische<br />
Rasenpflege in die weit offene Tasche<br />
schob und also genau das tat, wofür Politiker<br />
nun einmal da sind.<br />
Dass Politiker nicht anders können, als sie<br />
eben können, ist dem <strong>mit</strong> Grundrechenarten vertrauten<br />
Wahlvolk sonnenklar. Siehe die Causa<br />
des schön anzuschauenden Hans-Peter Uhl<br />
(CSU), der das oben bezifferte Meldegesetz auf<br />
die Beine brachte und 2013 in seinem Münchner<br />
Wahlkreis erneut direkt in den Bundestag hineingewählt<br />
wurde, und zwar <strong>mit</strong> noch mehr Prozenten<br />
in der Tasche als 2009: Man gönnt den Politikern<br />
ihr eigens für sie zurechtgeschniegeltes<br />
Biotop, in dem sie nach Herzenslust Geld und<br />
Posten ernten können. Da gibt es ein luxuriöses<br />
Abendessen <strong>mit</strong> ein paar Damen zum Nachtisch;<br />
eine saftige Lustreise wie im Fall des 1999 leider<br />
abgeschossenen niedersächsischen Ministerpräsidenten<br />
Gerhard Glogowski (SPD); ein bezahltes<br />
Hotelbett wie im Fall des 2012 dummerweise fortgeekelten<br />
Bundespräsidenten Christian Wulff<br />
(CDU); hochglanzvergütete Vorträge wie im Fall<br />
des noblen Peer Steinbrück (SPD); leckere Ver<strong>mit</strong>tlung<br />
von prickelnden Kontakten zu den Erhabenen<br />
von Industrie und Handel durch Stiftungen<br />
etwa des Medienkonzerns Bertelsmann oder<br />
des Versandhauses Otto (vor allem für Kommunalpolitiker<br />
lukratives Stichwort: Stiftung Lebendige<br />
Stadt), durch Institute wie das European<br />
Centre for Energy and Resource Studies des Fried-<br />
40 EULENSPIEGEL 4/14
Andreas Prüstel<br />
bert Pflüger (CDU) oder PR-Büros wie das des<br />
Moritz Hunzinger, der Rudolf Scharping (SPD) an<br />
der Angel hatte; und flächendeckend den Wink<br />
<strong>mit</strong> einem hübsch gepolsterten Posten in der Wirtschaft<br />
nach dem Ende der politischen Laufbahn<br />
wie für Gerhard Schröder, Joschka Fischer, Wolfgang<br />
Clement, Roland Koch, Kurt Beck, Walter<br />
Riester, Otto Schily, Bert Rürup usw. usf.<br />
Egal ob Erziehung, Umwelteinflüsse oder genetische<br />
Veranlagung – darüber mögen Molekularpädagogen<br />
und Soziobiologen sich bis in die<br />
Wolle streiten –, die vielen Namen beweisen so<br />
klipp wie klar, dass Politiker so sind, wie sie sein<br />
müssen, nämlich bestmöglich an ihr Milieu ange -<br />
passt: Bis auf die Stelle hinter dem Komma besteht<br />
es aus 2 159 Lobbyverbänden, die beim<br />
Bundestag legal ihr Geschäft verrichten, vom<br />
Deutschen Abbruchverband über die Tuberöse<br />
Sklerose Deutschland bis zum Verband der Seemannsfrauen,<br />
von der Bundesvereinigung Sadomasochismus<br />
e.V. über den Fach- und Interessen -<br />
verband für seilunterstützte Arbeitstechniken bis<br />
zum Zentralverband Naturdarm.<br />
Dass Deutschland der UN-Konvention gegen<br />
Korruption jahrhundertelang nicht beitrat bzw.<br />
solche Pläne stets in den Kinderschuhen einschliefen,<br />
hat nun zwar ein Ende, muss aber niemanden<br />
nervös aus den Schuhen heben. Gewiss:<br />
Offiziell droht demnächst trockenes Wasser und<br />
Brot allen, die sich »ungerechtfertigte Vorteile«<br />
oder »Gegenleistungen« auf den Teller laden und<br />
»eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehmen<br />
oder unterlassen«, wobei nicht nur der<br />
klar zitierte Stimmenkauf zum Tod führt, sondern<br />
auch, wenn man an fremder Leine geführt Gesetzesvorschläge<br />
oder -passagen einbringt. Doch<br />
das alles ist zum Glück niemals auf Strich und<br />
Faden nachweisbar und im Übrigen der Bestechungsversuch<br />
weiterhin nicht strafbar, also<br />
legal; und schön leuchtet im Gesetzentwurf der<br />
Satz: »Für die Wirtschaft, insbesondere für <strong>mit</strong>telständische<br />
Unternehmen, entstehen durch dieses<br />
Gesetz keine Kosten.«<br />
Die entstanden nota besonders bene bisher<br />
auch nicht, wenn Minister auf Auslandsreisen ihre<br />
einschlägig befreundeten Unternehmer und Manager<br />
an Bord hievten. Schließlich werden sie<br />
da für ihrem Daseinszweck gemäß nach ihrem Politikerleben<br />
durch ein weiches Kissen in Aufsichtsräten,<br />
Kuratorien etc. entlohnt, auf dem sie weiter<br />
durch ihr Leben reiten. Ach, wenn man da <strong>mit</strong>reiten<br />
dürfte!<br />
Peter Köhler<br />
EULENSPIEGEL 4/14 41
Wetterfest<br />
Dieser Kulturpessimismus, diese irrationalen<br />
Ängste, die Technik würde<br />
dem Menschen das Denken rauben!<br />
Und nie ist man bereit, sich der Bereicherung<br />
an Aufklärung, an Sicherheit<br />
und Information, die <strong>mit</strong> dem<br />
Fortschritt einhergehen, einmal dankbarerweise<br />
bewusst zu werden! Meint<br />
doch mein durch und durch analoger<br />
Chef, dass nunmehr der ideale Zeitpunkt<br />
(er sagt: »dein Kairos, Kollege!«)<br />
sei, meinen Kehrdienst auf<br />
dem Hof aufzunehmen. Ja, blickt man<br />
lediglich aus dem Fenster heraus, so<br />
macht es, was ich dem Chef zugutehalten<br />
muss, realiter den Eindruck,<br />
als scheine die Sonne. Aber ist das<br />
auch »wahr« im erkenntnistheoretischen<br />
Sinne? Erst mein Smartphone<br />
weiß, dass es stürmt und regnet.<br />
Beinahe wäre ich raus in dieses<br />
Scheißwetter und würde dafür <strong>mit</strong><br />
verächtlichen Blicken meiner digitalen<br />
Community im Frühstücksraum<br />
gestraft.<br />
Fabian Lichter<br />
Aufbestandsnahme<br />
Zuflussende Vernehmung von Giften,<br />
Schmutzverluftung, schmocken -<br />
de Gift-Knebel, gebrochene System-<br />
Ökos, furzende Methan-Kühe,<br />
sinn liche Wahn-Rinder, grippig Vögelnde<br />
und pestende Schweine, lasagnehaltige<br />
Fleischpferde, Übermeerung<br />
von Fischen, Schwarten-<br />
Sterben, Knappstoff-Verrohung, abgeregnete<br />
Holzwälder, Ozonbau der<br />
Abschicht, gletschernde Schmel zen,<br />
spiegelnde Steigmeere, flutende<br />
Schwemm-Übungen, Wellen-Hitze,<br />
periodisch Dürre, Sturzsammlung<br />
aller Ketten-Nahrungen, hungernd<br />
Nötige, finanzielle Knappen, beschäftigte<br />
Verhältnis-Prekäre, scherende<br />
Kluften, Mut-Arme, Klon-<br />
Dumping, Hetzkrieger, fanatöse Religiösiker,<br />
die platt Denkende anders<br />
machen, rüstige Wahnsinnige,<br />
staatlicher Schurken-Terror, terroristische<br />
Staats-Schurken und schurkige<br />
Terror-Staaten, Überbewölkung,<br />
bazillige Organisten, die <strong>mit</strong><br />
Sagen und Pleuchen wie Schreu -<br />
hecken oder Mechstücken und Fle-<br />
Fle-Ziegen den Überzug <strong>mit</strong> Erde<br />
ballen, der gerichtlich Jüngste, der<br />
ewige Krampf zwischen GOTAN und<br />
Max Marsalek<br />
SATT, reitende Apos, die kalyptisch<br />
ihren Johannes offenbaren, das flutende<br />
Große, gewaltige Höhere, gegen<br />
die schwere Normalkräfte wie<br />
Gartenkinder würgen, erdige Krusten<br />
<strong>mit</strong> schrückenden und diebenden<br />
Tekkno-Platten, Ausbrecher, die<br />
Vulkane werden, Beb-Erden, Nortados,<br />
Na<strong>mit</strong>sumis, Klyzone, Windelwirbel,<br />
Hosenwasser, Brald-Wände,<br />
wüstende Verdeppung und ewiglich<br />
kalte Zeiteisen.<br />
Es ist ein Leben, dass wir noch<br />
am Wundern sind!<br />
Zarras<br />
Der Sabberack<br />
Wer kennt ihn nicht, den Mann, der<br />
uns wie zufällig begegnet und fragt:<br />
»Na, wie geht’s?« Ein Monster – ein<br />
zeitfressendes Monster!<br />
Wehe dem, der jetzt nicht unter Vorbringung<br />
eines auch noch so absurden<br />
Vorwandes (zum Beispiel: »Ich<br />
habe Wurst im Auto!«) sein Schicksal<br />
wendet und das Hasenpanier ergreift<br />
– der Sabberack lässt keine verspäteten<br />
Versuche zu.<br />
»Also, wir waren in diesem Jahr ...«<br />
könnte man antworten, aber der<br />
Sabberack hat schon die Gesprächsleitung<br />
an sich gerissen und wendet<br />
ein: »Hör’ mir auf <strong>mit</strong> diesem Jahr –<br />
nur Regen! Und die Kinder! Meine<br />
Frau hat meiner Schwester ...«<br />
Das Leben rauscht im Zeitraffer an einem<br />
vorüber. Man weiß, gleich ist es<br />
zu Ende, man fühlt keinen Schmerz –<br />
man fühlt nur, dass man stirbt.<br />
Wann? Das weiß man nicht so genau.<br />
Man weiß nur, warum: Sabberack<br />
frisst Leben auf.<br />
Ihm ist jedes Mittel recht: Er reißt<br />
Seitenspiegel von anfahrenden Autos,<br />
er steht wie angewurzelt in Aufzugstüren,<br />
er ignoriert Schließzeiten<br />
von Geschäften, er folgt einem auf<br />
die Toilette, er ist resistent gegen<br />
verbale Attacken wie: »Hast Du keinen<br />
Schrank zum Vollquatschen?«<br />
oder »Kau’ mir doch kein Ohr ab!«.<br />
Man müsste ihn erschlagen. Das Einzige,<br />
was uns davon abhält, ist die<br />
Aussicht auf 25 Jahre Doppelzelle in<br />
Gegenwart eines Sabberacks.<br />
Das Erstaunliche ist, dass der Sabberack<br />
selbst keine Befriedigung beim<br />
Sabberacken empfindet. Mit wegwerfender<br />
Handbewegung wendet er<br />
sich von seinem Opfer ab und murmelt:<br />
»So ein Langweiler – die pure<br />
Zeitverschwendung!«<br />
Kay Kowollik<br />
Anzeigen<br />
Dircksenstr. 48 Am Hackeschen Markt Mo-Fr 10-20 Sa 10-17<br />
Oranienstr. 32 Kreuzberg Mo-Mi 10-18.30 Do-Fr 10-20 Sa 10-16<br />
42 EULENSPIEGEL 4/14
Der schlechte Witz<br />
»Ich mache nicht viele<br />
Worte«, erklärte der<br />
Chef dem neuen Lehrling,<br />
»wenn ich <strong>mit</strong> dem<br />
Finger schnippe,<br />
kommst du, klar?« –<br />
»Ich mache auch nicht<br />
viele Worte«, antwor tete<br />
der Knabe, »wenn ich<br />
den Kopf schüttele,<br />
komme ich nicht.«<br />
Bedrohte Mitbewohner:<br />
Der Gemeine Senkel<br />
(Nanostricklus vulgaris)<br />
Einst konnte er einem ganz schön auf den<br />
Senkel gehen. Dann aber wurde er durch<br />
eingebürgerte Unarten (sogenannte Neoobszöne)<br />
wie den Klettverschluss verdrängt,<br />
und immer seltener konnte man<br />
ihn beim Schnüren beobachten. Inzwischen<br />
steht er auf der Toten Liste. Nun<br />
konnte er jedoch erneut nachgewiesen<br />
werden, wenn auch nur als Totfund, wahrscheinlich<br />
ein Opfer des motorisierten Verkehrs.<br />
Zoolo gisch betrachtet gehört er zur<br />
Ordnung der Schnürbänder, den abiotischen<br />
Schnur- oder B(l)indwürmern. Er<br />
lebt parasitär von Fußgeruch.<br />
Andreas Arnold<br />
Dem Ringelnatz (Natrix natrix) zum Verwechseln<br />
ähnlich: Verkehrsopfer Gemeiner<br />
Senkel. Charakteristisch für die gesamte<br />
Gattung: Er hat zwei Enden, von denen<br />
eins der Anfang ist.<br />
Ein richtiger Schritt<br />
Rentnerbereinigungsgesetz<br />
(ReBeGes)<br />
Wegen der demografischen Entwicklung<br />
in Verknüpfung <strong>mit</strong> dem<br />
Klimawandel sowie aus ästhetischen<br />
Gründen sind Bürger nach<br />
Vollendung ihres 68. Lebensjahres<br />
kostenpflichtig rentnerzubereinigen.<br />
Dies geschieht in einer<br />
frei heitlich-demokratischen, auf<br />
wis senschaftlichen Grundlagen<br />
basierenden Entrentnerungsprozedur<br />
durch einen demokratisch<br />
gewählten Rentnerberein ger in einer<br />
zentralen Rent ner be reini -<br />
gungs stelle (ReBeSt), die von jeder<br />
Gemeinde bereitgestellt werden<br />
muss. Einzelheiten zu der Ent -<br />
rentnerungsprozedur werden in<br />
der ersten Durchfüh rungs bestim -<br />
mung geregelt. Die Kosten setzen<br />
sich wie folgt zusammen:<br />
• Entrentnerungsprozedur:<br />
0,10 Eu ro<br />
• Rentnerbereiniger: 13,50 Euro<br />
• Allgemeine Verwaltungskosten:<br />
181,75<br />
Bei Rentnerzubereinigenden <strong>mit</strong><br />
einer möglicherweise bei der Entrentnerungsprozedur<br />
störenden<br />
Allergie (z.B. gegen Stahl/Nickel)<br />
kann unter Vorlage eines ärztlichen<br />
Attestes der Einsatz anderer Materialien<br />
(z.B. Titan, Silber) beantragt<br />
werden. Die zusätzlichen Kosten<br />
übernimmt die Gemeinde. Auf<br />
Wunsch des zu Rent nerbereinigen -<br />
den kann die Rentnerbereinigung<br />
auch in dessen vertrauter Umgebung<br />
in der Woh nung des zu Rentn -<br />
erbereinigenden durchgeführt wer -<br />
den. Bestimmungen des Rent ner -<br />
berei ni gungs lärmschutzes (ReBe-<br />
LäSchu) sind dabei einzuhalten.<br />
Die Stärkung des sozialen Netzes ist ein ständiges<br />
Anliegen der Politiker. Aus populistisch-demagogischen<br />
Kreisen ist <strong>mit</strong>unter die Forderung<br />
zu hören, einfach den Reicheren etwas weniger<br />
und den Ärmeren etwas mehr Geld zu geben.<br />
Doch dies ist verwerf lich, denn Erstere haben<br />
als sogenannte Leistungsträger ohnehin schwer<br />
zu tragen. Es ist deshalb ein glücklicher Umstand,<br />
dass eine kleine, aber noch nicht völlig<br />
bedeutungslose Partei einen Vorschlag gemacht<br />
hat, der insbesondere eine Veränderung der uns<br />
alle bela stenden demografischen Struktur unserer<br />
Bevölkerung zum Ziel hat. Der Vorschlag<br />
mündete glücklich in das Rentnerbereini -<br />
gungsgesetz, das nunmehr im ersten Entwurf<br />
vorliegt:<br />
Bei Privatversicherten übernimmt<br />
die Versicherung 50 Pro -<br />
zent der Kosten. Sollte ein Rentnerzubereinigender<br />
die Kosten<br />
nicht selbst aufbringen können,<br />
wer den diese auf Antrag vom Sozialamt<br />
rückerstattet. Dem Antrag<br />
sind beizufügen:<br />
- beglaubigte Rentnerbereinigungsdurchführungsbestätigung<br />
(zweifach)<br />
- Impfausweis<br />
- polizeiliches Führungszeugnis<br />
- Geburtsurkunde<br />
Sollte sich herausstellen, dass ein<br />
Beitrag zu den Kosten einer Rentnerbereinigung<br />
durch falsche Angaben<br />
erschlichen wurde, wird<br />
dies <strong>mit</strong> Haft nicht unter zwei Jahren<br />
geahndet. Posthum. In einer<br />
Justizurnenverwahranstalt (JUVA).<br />
Rainer Franke<br />
Das Wiedersehen<br />
Als ich neulich im Café saß, bemerkte<br />
ich die stechenden Blicke<br />
des Tischnachbarn. Ein betagter<br />
Mann, grau meliertes schütteres<br />
Haar, hervorstechende Wangenknochen,<br />
das Gesicht voller Falten<br />
und <strong>mit</strong> Altersflecken übersät. Er<br />
kam schleichenden Schrittes in gebeugter<br />
Körperhaltung auf mich<br />
zu: »Erkennst du mich denn<br />
nicht?« Ich studierte ihn, und dann<br />
brach es aus mir heraus: »Natürlich,<br />
Herr Vogt, mein alter Klassenlehrer.<br />
Ist ja voll cool. Wie geht es<br />
Ihnen?«<br />
»Wie bitte?«, raunzte mein Gegenüber.<br />
»Ich bin’s, die Elvira,<br />
deine Jugendliebe!« – Ich musterte<br />
ihn: Tatsächlich, sie hatte recht!<br />
Guido Pauly<br />
Tacitus sagt<br />
Nicht alles wird belohnt:<br />
Der Wasserfall fällt<br />
auch des Nachts,<br />
obwohl ihn<br />
nachts<br />
niemand bewundert.<br />
EULENSPIEGEL 4/14 43
Bushido, 35, Rapper. Er kennt seinen Papa nur<br />
aus dem Fernsehen. Bushido wurde gezeugt,<br />
als der umtriebige Peter Scholl-Latour über die<br />
Brotunruhen in Tunesien berichtete. Nach dem<br />
Interview hatte eine junge Muslimin statt eines<br />
Fladenbrotes einen Bushido im Bauch. Seitdem<br />
gab es keinen Kontakt zwischen Sohn und Erzeuger.<br />
Bushido: »Isch hab echt immer Schiss, was der<br />
wieder fürn Scheiß labert, bei Jauch und so.<br />
Isch weiß jetzt auch nisch, wie isch den Vadder<br />
von der Öffentlischkeit fernhalten soll. Kohle<br />
hab isch ihm schon gegeben, abber er will bei<br />
uns in Kleinmachnow in der Villa wohnen.<br />
Muss isch den Ollen jetzt aufnehmen?«<br />
Kinder, die<br />
sich kümmern<br />
Das Bundesgericht in Karlsruhe hat entschieden: Erwachsene Kinder müssen sich um ihre bedürftigen<br />
Eltern kümmern, auch wenn kein liebvoller Kontakt besteht. Kinder sind unterhaltsverpflichtet<br />
und haben dafür Sorge zu tragen, dass ihre betagten Eltern behütet, gepflegt,<br />
weggesperrt oder (wenn keine finanziellen Mittel vorhanden sind) abgespritzt werden.<br />
Daniela Katzenberger, 27. Eigentlich sollte sie<br />
nie erfahren, wer ihre leibliche Mutter ist. Aber<br />
das neue Gesetz brachte nun die Wahrheit ans<br />
Licht. Alice Schwarzer gebar ein kleines Mädchen<br />
und musste es (weil es das ungeschriebene<br />
feministische Gesetz befahl) dem Jugendamt<br />
übergeben. Die kleine Daniela wuchs <strong>mit</strong><br />
dem Glauben auf, sie könnte auch im Alter<br />
noch schön sein.<br />
Nun ist für sie eine Welt zusammengebrochen.<br />
Daniela Katzenberger: »Isch weiß nisch, was<br />
das soll ... Ich hab doch schon ’ne abgebrannte<br />
Mudda. Mit der Schwarzer kann isch misch<br />
doch nirgends sehen lassen. Und nun soll isch<br />
für die die Schlüpper waschen, wenn se im<br />
Knast sitzt. Das ist doch voll peinlich. Ich<br />
dacht, isch biet ihr an, <strong>mit</strong> mir ’ne Kreuzfahrt<br />
zu machen, und dann geb isch ihr ’nen kleenen<br />
Schubs. Das wär doch für alle das Beste,<br />
odder?«<br />
Till Lindemann, 51, Schwiegersohn. Das Gericht<br />
hat nicht nur Kinder in die Pflicht genommen.<br />
Auch Schwiegerkinder müssen sich um<br />
die Eltern des Partners kümmern.<br />
Seit Till Lindemann <strong>mit</strong> Sophia Thomalla liiert<br />
ist, kann er sich seiner Verantwortung nicht<br />
entziehen. Nun, nach dem Tatort-Rausschmiss<br />
von Schwiegermutter Simone Thomalla, ist ihr<br />
Verfall offensichtlich.<br />
Lindemann: »Ich würde Mutti Simone gern bei<br />
uns zu Hause pflegen. Ich bin kräftig und traue<br />
mir zu, sie zu heben. Wir sind bereit, unseren<br />
SM-Keller aufzugeben und ein Seniorenbett<br />
reinzustellen. Man kann den gefliesten Raum<br />
wunderbar <strong>mit</strong> dem Hochdruckgerät reinigen,<br />
und sämtliche Aufhängungen wären auch<br />
schon vorhanden.«<br />
Rasmus J. (links), 26, ist der heimliche Spross<br />
von Thomas Gottschalk. Der Vater wandte sich<br />
von dem Sohn ab, nachdem dieser seine blonden<br />
Locken <strong>mit</strong> der Bastelschere abschnitt und<br />
schwarz färbte. Rasmus J. ist <strong>mit</strong> dem RTL-Senderchef<br />
im Kontakt, um eine Lösung für den<br />
Vati zu finden.<br />
J.: »Ich weiß, dass er mich nicht lieb hat. Aber<br />
ich bin ein anständiger Bürger und werde meinen<br />
Pflichten nachkommen. Der Vati braucht<br />
Hilfe; wenn er bei RTL rausfliegt, hat er nichts<br />
mehr. Es wird schwer <strong>mit</strong> ihm. Schließlich ist er<br />
verwirrt und aggressiv. Aber ich und meine<br />
Kumpels werden für ihn da sein.«<br />
44 EULENSPIEGEL 4/14<br />
Edeltraut und Rosi sind die Töchter<br />
von Horst Seehofer. Sie haben ein<br />
inniges Verhältnis zum Papa und sind<br />
bereit, die volle Verantwortung für ihn<br />
zu übernehmen.<br />
Rosi: »Der liebe Papa hat nach seinem<br />
letzten Wutanfall oft Aussetzer. Wir<br />
müssen sehr behutsam <strong>mit</strong> ihm umgehen.<br />
Ein Heim kommt nicht infrage. Er<br />
braucht Leute um sich herum. Der Dobrindt<br />
kümmert sich besonders herzig<br />
um unsern Papa. Da blüht er richtig<br />
auf. Manchmal weiß er nicht, wo er ist<br />
und was er sagt. Dann hat er so einen<br />
Pieper um den Hals, der verständigt<br />
die Pfleger, die ihn dann in ein Auto<br />
setzen und ins Bett bringen. Zum<br />
Glück übernimmt im Moment der<br />
Staat die Pflegekosten.«<br />
Felice von Senkbeil
Leute heute<br />
Gerhard Glück<br />
EULENSPIEGEL 4/14 45
Tödliche<br />
Experteninterview<br />
»Das ist<br />
doch eine<br />
Falle!«<br />
W<br />
er sind Sie? Wie kommen<br />
Sie hier rein?<br />
Sie haben mich doch hierher bestellt.<br />
Was? Wer? Quatsch! Raus hier!<br />
Gleich kommt der Landwirtschaftsminister.<br />
Ich bin der Landwirtschaftsminister.<br />
Christian Schmidt mein<br />
Name. Googeln Sie mich doch<br />
mal!<br />
Moment! – Tatsächlich. Also gut.<br />
Herr Schmidt, Sie waren acht<br />
Jahre lang Staatssekretär im Verteidigungsministerium,<br />
was halten<br />
Sie von genetisch veränderten<br />
Nahrungs<strong>mit</strong>teln?<br />
Fast 90 Prozent der Bevölkerung<br />
lehnen solche Nahrungs<strong>mit</strong>tel<br />
ab. Darauf müssen wir natürlich<br />
Rücksicht nehmen.<br />
Im Bundestag haben Sie aber<br />
trotzdem einem Antrag zum Verbot<br />
von Gen-Mais nicht zugestimmt.<br />
Aus gutem Grund.<br />
Der da wäre?<br />
Das sag ich Ihnen doch nicht!<br />
Mein Parteifreund Hans-Peter<br />
Friedrich hat seinen Posten verloren,<br />
weil er zu viel gesagt hat.<br />
Den Fehler mache ich nicht. Das<br />
ist doch eine Falle! Die Debatte<br />
über Gen-Nahrung wird mir ohnehin<br />
viel zu hysterisch geführt und<br />
zwar von Pfeifen wie Ihnen, die<br />
von der Materie keine Ahnung haben.<br />
Auf Wiedersehen!<br />
Wiedersehen! Wir haben zum<br />
Glück noch einen zweiten Experten<br />
zum Thema hier, der hoffentlich<br />
ein wenig Sachlichkeit in die<br />
Debatte bringen kann. Herr Frank<br />
N. Stein … Entschuldigung, da<br />
hab ich mich verlesen. Herr Wigald<br />
Mömmsen, Sie sind Chef des<br />
Instituts »Gene? – Gerne!« und<br />
sind ein Befürworter der Gentechnik<br />
im Essen. Weshalb unterstützen<br />
Sie, was sonst alle ablehnen?<br />
Da erinnere ich gerne an die<br />
Worte unserer neuen Umweltministerin,<br />
die gesagt hat: »Die<br />
Wettbewerbsfähigkeit der europäischen<br />
Landwirtschaft hängt<br />
garantiert nicht vom Einsatz gentechnisch<br />
veränderter Organismen<br />
ab.« Und da hat sie recht,<br />
denn die europäische Landwirtschaft<br />
hängt ausschließlich von<br />
Subventionen ab. Und wenn wir<br />
die nicht mehr zahlen wollen,<br />
brauchen wir dringend effizientere<br />
Nahrungs<strong>mit</strong>tel, da<strong>mit</strong> der Afrikaner<br />
sein Essen auch weiterhin<br />
von uns kauft und nicht umgekehrt.<br />
Aber es ging doch bisher auch<br />
ohne Gentechnik.<br />
Ja, aber wir können uns dem<br />
Fortschritt nicht einfach verschließen.<br />
Es ist ja nicht mehr wie früher,<br />
wo jeder sein Gemüse einfach<br />
hat wachsen lassen, wie es<br />
ihm gepasst hat. Diese pri<strong>mit</strong>iven<br />
Zeiten sind zum Glück vorbei.<br />
Man benötigt heute auch in der<br />
Landwirtschaft ständig Updates.<br />
Ihren Computer müssen Sie zum<br />
Beispiel auch alle paar Minuten<br />
wieder gegen neue Gefahren<br />
schützen. Und <strong>mit</strong> Pflanzen ist<br />
das genauso. Sie entwickeln eine<br />
Pflanze, die den Schädling abwehrt.<br />
Doch der Schädling findet<br />
neue Wege, die Pflanze zu attackieren.<br />
Also muss die Pflanze<br />
nachgerüstet werden. Der Schädling<br />
passt sich abermals an und<br />
so weiter und so weiter, bis der<br />
Schädling so groß ist, dass man<br />
ihn schießen und eine afrikanische<br />
Familie drei Wochen lang<br />
davon ernähren kann.<br />
Klingt gut.<br />
Ist es auch. Vor allem wenn wir<br />
den Schädling genetisch auch<br />
noch so verändern, dass er nach,<br />
sagen wir, Nigiri Sushi schmeckt.<br />
Der neueste Clou<br />
Der<br />
gentechnisch<br />
veränderte<br />
Landwirt<br />
Die Technik macht auch vor<br />
dem Menschen nicht mehr Halt.<br />
Amerikanischen Wissenschaftlern<br />
ist es erstmals gelungen,<br />
Gene eines Grottenolms und<br />
einer Tauben in das Genom eines<br />
Bauern einzukreuzen. –<br />
Der aus diesem Experiment hervorgegangene<br />
Landwirt erweist<br />
sich im Vergleich zu dem in<br />
freier Natur vorkommenden<br />
sogenannten Wildtyp als<br />
deutlich resistenter gegen<br />
vermeintliche Argumente<br />
grüner Öko-Spinner, die<br />
Angst vor Genen haben.<br />
46 EULENSPIEGEL 4/14
Gene<br />
Naja.<br />
Also gut, dann meinetwegen nach<br />
Schnitzel <strong>mit</strong> Pommes.<br />
Einverstanden. Aber können solche Veränderungen<br />
dem menschlichen Organismus<br />
nicht schaden?<br />
Unfug! Nehmen Sie zum Beispiel eine<br />
Kartoffel, die durch genetische Veränderung<br />
ein Enzym produziert, das beim Kartoffelkäfer<br />
dazu führt, dass ihm die Flügel<br />
abfallen. Und haben Sie etwa Flügel?<br />
– Nein. Also kann Ihnen das Enzym auch<br />
nichts anhaben. Oder anderes Beispiel:<br />
Kälbern in Brandenburg hat unser Institut<br />
ein Gen eingeschleust, das im Muskelfleisch<br />
der Kälber ein Protein herstellt,<br />
das bei Kontakt <strong>mit</strong> der Magenflüssigkeit<br />
von Fressfeinden wie etwa Wölfen den<br />
Magen explodieren lässt. Und haben Sie<br />
etwa vor, Kälber zu reißen? – Nein. Also<br />
kann Ihnen auch da das Protein gar<br />
nichts.<br />
Doch warum sind dann so viele Leute gegen<br />
diese grüne Gentechnik?<br />
Weil sie wollen, dass die Menschheit<br />
verhungert! Und weil sie die Möglichkeiten<br />
nicht kennen. Wir haben zum Beispiel<br />
eine Kiefer genetisch so verändert,<br />
dass ihre Zapfen deutlich mehr Vitamin C<br />
produzieren als in freier Natur vorkommende<br />
Exemplare. Solche Projekte können<br />
in Gegenden, wo es Kiefern, aber<br />
keine Drogerien <strong>mit</strong> Vitaminpräparaten<br />
gibt, Leben retten. Nach dem Verzehr von<br />
vier Kilo Kiefernzapfen hat man bereits<br />
ein Drittel des Tagesbedarfs gedeckt.<br />
Ja, aber wäre da nicht etwa ein Apfel …<br />
Ein Apfel? Wollen Sie sich umbringen?<br />
Die sind doch alle <strong>mit</strong> Pestiziden belastet.<br />
Nein, nein, <strong>mit</strong> der Gentechnik sind<br />
wir da auf der sicheren Seite. Die Leute<br />
müssen ihre Vorurteile über Bord werfen<br />
und müssen sich auch mal auf die Chancen<br />
konzentrieren, die durch das Kreuzen<br />
verschiedener Nutzpflanzen entstehen:<br />
Rosen, die nach Lavendel riechen, Reis,<br />
der Spuren von Nüssen enthält, oder<br />
Tomaten, die nach rein gar nichts schmecken.<br />
Dieser Fortschritt ist nicht aufzuhalten.<br />
Verkauf der Ernte<br />
an die<br />
Firma Monsanto<br />
Ernte<br />
Der<br />
Kreislauf<br />
der Natur<br />
Runde Sache<br />
Schritt für Schritt<br />
So entsteht ein transgenes Nahrungs<strong>mit</strong>tel<br />
1. Gattung A produziert<br />
gewünschtes Nahrungs<strong>mit</strong>tel<br />
A<br />
Evolution resistenter<br />
Schädlinge und<br />
Unkräuter<br />
Ausbringen der Herbizide<br />
4. Verpflanzung des Embryos<br />
in adultes Exemplar der<br />
Gattung B<br />
7. Wiederholung der Schritte 1<br />
bis 5 durch Forscher B <strong>mit</strong>tels<br />
Förder<strong>mit</strong>tel B, C, D und E<br />
Kauf von Herbiziden der<br />
Firma Monsanto<br />
2. Entnahme des für die Produktion<br />
von Nahrungs<strong>mit</strong>tel A zu -<br />
ständigen DNS-Abschnitts A<br />
5. Geburt eines Zellklumpens A<br />
und Ableben des adulten<br />
Exemplars der Gattung B<br />
8. Geburt eines Exemplars der<br />
Gattung B, das Nahrungs<strong>mit</strong>tel<br />
A produziert<br />
Kauf von Saatgut der<br />
Firma Monsanto<br />
Ausbringen der<br />
Pestizide<br />
Ausbringen der Saat<br />
Kauf von Pestiziden der<br />
Firma Monsanto<br />
3. Injektion des Abschnitts A<br />
in embryonale Stammzellen<br />
der Gattung B<br />
6. Enttäuschung bei Forscher A<br />
bei gleichzeitiger Streichung<br />
sämtlicher Förder<strong>mit</strong>tel A<br />
9. Stillung des Welthungers<br />
Gregor Füller / Illustrationen: Hannes Richert / Wissenschaftliche Beratung: Dr. Arno Wielgoss<br />
EULENSPIEGEL 4/14 47
Im Gelben<br />
Murat ist acht und geht eigentlich gern zur<br />
Schule, wegen Sport und »wegen Ausdrücke und<br />
so«, die er von Ahmed aus der Fünften lernt.<br />
Aber seitdem in seiner 3a die Diktatur aus -<br />
gerufen wurde, ist ihm mulmig zumute. Frau Roggenbrot<br />
hat gesagt: Diktatur ist das Gegenteil<br />
von Demokratie, und eins von beiden ist nichts<br />
Gutes – nur welches, das hat Murat vergessen.<br />
Diktatur muss man sich so vorstellen, hat sie<br />
gesagt, als ob ständig Winter ist, aber keiner<br />
von der schönen Sorte, sondern von der ollen.<br />
Und wir könnten glücklich sein, sozusagen<br />
immer im Frühling der Demokratie zu leben.<br />
Dann hat sie das Paket von der Bundesstiftung<br />
zur Aufarbeitung der SED-Diktatur ausgepackt,<br />
das auf dem Lehrertisch lag. Es enthielt was<br />
ganz Feines – eine Riesen-Keilerei, -Klopperei<br />
und -Knallerei: die Spielanleitung für den Proleten-Flash-Mob<br />
vom 17. Juni 1953.<br />
Frau Roggenbrot ist dankbar für diese Unterrichtshilfe.<br />
Das Spiel samt DVD <strong>mit</strong> Zeitzeugen<br />
(Eppelmann!) kostet die Schule, die ständig<br />
knausern muss, nichts und ist nicht so nervig<br />
wie ein Ausflug in den Zoo. Sie hätte auch das<br />
Modul Friedliche Revolution wählen können,<br />
doch fand sie das zu langweilig – <strong>mit</strong> Kerzen,<br />
Günther Krause und Helmut Kohl. Aber das Pa -<br />
ket Warschauer Ghetto macht sie vielleicht <strong>mit</strong><br />
der 4b, wenn die wieder so frech sind und bei<br />
einem Projekttag das Wetter zu schlecht zum<br />
Rausgehen ist.<br />
Der erste didaktische Schritt: Was war die<br />
DDR? Ein Land, in dem es keine Nutella gab. Sie<br />
habe einen Brieffreund, Uwe, dort in Jena gehabt,<br />
erzählt Frau Roggenbrot. Leider ist Uwe jetzt<br />
eine ziemlich bekannte Nummer bei der NPD,<br />
aber das erklärt sie lieber ein anderes Mal. Jedenfalls<br />
ist klar, dass die Stasi alle Briefe <strong>mit</strong>gelesen<br />
hat.<br />
Die rothaarige Nele meldet sich und behaup -<br />
tet, ihre Eltern würden gerne wieder dorthin zurückkehren,<br />
in diese DDR. Frau Roggenbrot unterbricht<br />
sie <strong>mit</strong> einem breiten Grinsen. »Nee,<br />
Nele, das ist die Dominikanische Republik, was<br />
deine Eltern sicher meinen, nicht die Demokratische<br />
Republik. Deine Mama hätte dort sicher<br />
nur ein paar geflickte Feinstumpfhosen gehabt,<br />
und du hättest statt Barbies Puppen aus Stroh.«<br />
Nele schaut verunsichert zu ihren Freunden.<br />
Die hämmern und werkeln in einer Ecke des<br />
Klassenraumes, was das Zeug hält. Das große<br />
Verkleiden ist angesagt, wie Fasching nur ohne<br />
Ritter und Superman, dafür <strong>mit</strong> fleißigen Arbeitern.<br />
Die 3a hat Plastikhelme und Holzhämmerchen<br />
vom Hausmeister bekommen.<br />
Darius weigert sich, den Helm aufzusetzen. Er<br />
will, das heißt, er soll später einmal<br />
Rechtsanwalt werden, wie sein<br />
Vater, da muss er keinen doofen<br />
Helm tragen. Frau Roggenbrot<br />
schickt ihn ins Gefängnis. In der<br />
Spielanleitung steht, man soll es Gelbes<br />
Elend nennen, wegen der Authentizität.<br />
Ein Gefängnis ist natürlich nicht vorhanden<br />
– ersatzweise muss Darius auf einem<br />
Bein in einer Ecke stehen, bis er zu heulen<br />
beginnt. »Ja, so war das damals. Wer nicht<br />
gespurt hat, wurde weggesperrt«, nutzt Frau<br />
Roggenbrot den emotionalen Moment.<br />
Nun werden die anderen Rollen verteilt.<br />
»Wer will Gewerkschafter sein?«, fragt Frau<br />
Roggenbrot euphorisch. Keiner<br />
mel det sich. Fiete ruft: »Das ist voll<br />
der Scheißjob!« Die dicke Mia muss<br />
den übernehmen. Frau Roggenbrot sagt,<br />
dass sei eine sehr wichtige Aufgabe, aber<br />
bei diesem Spiel habe sie ohnehin nicht<br />
viel zu melden. Mia ist einverstanden und<br />
klebt sich den Gewerkschaftsaufkleber an ihren<br />
pinken Pferdepulli.<br />
Dann werden die Parteigenossen bestimmt,<br />
die komische Mützen, Brillen und aufgemalte<br />
Bärte tragen und böse gucken sollen. Der<br />
böseste und mächtigste von allen<br />
heißt Ulbricht. Murat würde gern<br />
mal der Mächtigste sein und einen<br />
Bart wie sein Onkel Mohammed tragen. Aber<br />
Felix meint, dass Ulbricht doch kein Scheißtürke<br />
gewesen sei. Den Ulbricht darf schließlich der<br />
<strong>mit</strong> den wenigsten Fehlstunden spielen. Das ist<br />
Milan, der Streber. Er hängt sich den Spitzbart<br />
ans Kinn und stellt einen Stuhl auf den Tisch.<br />
»Richtig!«, ruft die Roggenbrot entzückt. Denn<br />
die Diktatoren haben sich über das Volk erhöht.<br />
Was doch so ein Arbeiteraufstand für Talente<br />
bei den Kindern freisetzt!<br />
48 EULENSPIEGEL 4/14
Elend auf einem Bein<br />
Mittlerweile hat sich die Arbeiterbrigade verselbstständigt.<br />
Einige probieren aus, was die<br />
Helme so abhalten. Frau Roggenbrot<br />
greift zur Trillerpfeife. Die Polizei<br />
muss her. Die Roggenbrot hat<br />
bereits einen <strong>mit</strong> Pappschwertern<br />
»bewaffneten«<br />
Fünfertrupp sogenannter<br />
Vopos bei den<br />
Kleiderhaken postiert,<br />
musste dort allerdings auch entgegen den<br />
historischen Fakten drei Mädchen unterbringen.<br />
Eifrig reißen die Aufständischen die Arme hoch.<br />
Dann klingelt es zur Pause. Frau Roggenbrot<br />
gibt Lebens<strong>mit</strong>telkarten aus, an Mädchen, die<br />
in der Schlange stehen und »Hunger!« rufen<br />
müssen. Paula verlangt eine Sonderration <strong>mit</strong><br />
der Begründung, sie müsse ihr Kind stillen. Der<br />
Frau Roggenbrot läuft es eiskalt den Rücken runter.<br />
Für die Arbeiter gibt es nur Schmalzstullen,<br />
allerdings auch Hohes C aus Tütchen <strong>mit</strong> Halm.<br />
»Das ist voll scheiße!«, ruft Alexej. Er darf<br />
während des Arbeiteraufstands in den Westen<br />
abhauen, aber nur fünf Gegenstände <strong>mit</strong> -<br />
nehmen. Alexej ist sauer. Seine Eltern sind aus<br />
dem Kaukasus gekommen, und<br />
wer weiß, ob sie »im<br />
Westen« noch<br />
mal eingebürgert<br />
werden.<br />
»Das ist<br />
doch nur ein<br />
Spiel«, sagt<br />
Frau Roggenbrot, »wenn auch ein sehr ernstes.<br />
Aber wenn du jetzt rumposaunst, dass du die<br />
Fluchtkarte hast, musst du den Rest der Stunde<br />
auf einem Bein im Gelben Elend stehen.« Alexej<br />
beißt die Zähne zusammen und malt auf kleine<br />
Zettel die Dinge, die er <strong>mit</strong>nimmt, die Spiel ko -<br />
nsole zum Beispiel.<br />
Indessen schieben die Arbeiter Kohldampf<br />
und werden laut. Die Partei soll Essen raus -<br />
rücken. Einige Mädchen jammern, dass das alles<br />
so gemein und ungerecht sei. Frau Roggenbrot<br />
stellt sich dazwischen. »Ja, genau so ist Diktatur,<br />
gemein und ungerecht.« Fiete will wissen, wann<br />
endlich losgekloppt werden kann. Frau Roggenbrot<br />
spürt, dass ihre Aufständischen von der<br />
Fahne gehen werden, wenn nicht gleich was passiert.<br />
Jetzt erst einmal alle die Losungen nachsprechen,<br />
die an der Tafel stehen: »Spitzbart,<br />
Hut und Brille sind nicht des Volkes Wille«. Milan,<br />
der Ulbricht, sitzt noch immer auf seinem Stuhl<br />
auf dem Tisch. »Eh, du Wichser, komm runter,<br />
wir machen dich fertig!«, ruft Fiete. »Nein Fiete,<br />
in diesem Ton reden wir nicht <strong>mit</strong>einander!«,<br />
schreitet die Lehrerin ein. Schließlich rütteln die<br />
Arbeiter an dem Tisch und bringen Ulbricht zu<br />
Fall. »Ergreift die Drahtzieher und Westagen -<br />
ten!«, schreit Ulbricht – das steht auf dem Zettel,<br />
den er seit zehn Minuten still vor sich hin gelesen<br />
hat. Aber was ist ein Drahtzieher?<br />
»Klassenkeile!«, brüllt Darius und bricht aus<br />
dem Einbeingefängnis aus. Frau Roggenbrot fordert<br />
die dicke Mia <strong>mit</strong> dem Gewerkschaftsaufkleber<br />
auf, sich als lebender Puffer zwischen die<br />
Fronten zu stellen. Mit den Holzhämmern und<br />
den Pappschwertern gehen die Kinder aufeinander<br />
los. »Es wird viele Tote geben«, murmelt<br />
die Roggenbrot wohlig erhitzt. »Genau wie damals«,<br />
sagt der Hausmeister, der seine Helme<br />
wiederhaben will.<br />
Hofpause! Friede zieht ein. Ulbricht lässt sich<br />
den Rest der Woche krankschreiben.<br />
Felice von Senkbeil<br />
Zeichnung: Peter Muzeniek<br />
EULENSPIEGEL 4/14 49
Kino<br />
Zwischen Afghanistan und Altona<br />
Bevor Feo Aladag zum Hindukusch aufbrach,<br />
fragte sie sich in ihrem (zu späterer Veröffentlichung<br />
im Presseheft bestimmten) Tagebuch:<br />
»Was tut Deutschland in Afghanistan? Ist es Krieg?<br />
Dürfen wir das? Wollen wir das?« Und antwortete<br />
ebenda: »Am Ende eines langen Abends unter<br />
meist klugen Menschen blieb dann aber unterm<br />
Strich nur die Absage an die Sinnhaftigkeit des<br />
Einsatzes in seiner Gesamtheit.«<br />
Die meisten Leute, <strong>mit</strong> denen Feo Aladag ihre<br />
langen Abende verbringt, scheinen klug genug<br />
zu sein, um den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan<br />
für sinnlos zu halten. Dem hätte sie<br />
sich anschließen, vielleicht noch ein letztes Glas<br />
Rotwein trinken und getrost, wenn auch nicht<br />
getröstet, ins Bett gehen können. Aber nein, irgendetwas<br />
piekte sie, so ein dumpfes Gefühl,<br />
hier werde womöglich der Opfermut tapferer Freiwilliger<br />
frevelhaft negiert. »Daraus erwuchs in mir<br />
das Bedürfnis, von der Leistung dieser Menschen,<br />
unserer Soldaten, jenseits jeder Kritik oder Legitimierung<br />
des konkreten Einsatzes, des politischen<br />
Auftrags und des Warums zu erzählen.«<br />
Die ordentlichem Piefke-Deutsch offenbar abholde<br />
Wienerin Aladag wollte also – vier Jahre<br />
nach ihrem preisgekrönten Erstling Die Fremde –<br />
einen Film über »unsere Soldaten« drehen. Sechs<br />
staatliche Förderanstalten, das ZDF, ARTE sowie<br />
hardthöchste Militärs standen Gewehr bei Fuß,<br />
um ihre im original afghanischen Wüstensand<br />
nahe Kunduz und Mazar-i-Sharif angesiedelten<br />
Zwischen Welten<br />
finanziell und logistisch abzusichern. Die Sicherheit<br />
der dort lebenden Dorfbevölkerung vor Talibanangriffen<br />
obliegt der örtlichen Miliz, die ihrerseits<br />
von einem ISAF-Trupp unterstützt werden<br />
Mario Lars<br />
soll. Deren Chef ist Hauptmann Jesper (Ronald<br />
Zehrfeld), dessen Bruder aus nämlichem Einsatz<br />
im Zinksarg zurückkehrte. Jespers Wut auf die Taliban<br />
ist folglich groß, die auf seinen direkten<br />
Vorgesetzten Oberst Haar (Burghart Klaußner)<br />
kaum geringer. Denn der gefällt sich als Verkünder<br />
bürokratischer Stillhaltekommandos.<br />
Seine Soldaten dürfen den Afghanen bei nächtlichen<br />
Scharmützeln nicht zu Hilfe eilen, weil das<br />
zu Kollateralschäden an deutschen Volkskörpern<br />
führen könnte. Einem Bauern dürfen sie für eine<br />
erschossene Kuh, die einzige Existenzgrundlage<br />
seiner Familie, keinen Schadenersatz leisten, weil<br />
die geforderten 500 Euro die Kriegskasse wohl<br />
erheblich dezimieren würden. Sie dürfen weder<br />
ihrem von islamistischen Lynchmördern bedrohten<br />
Dolmetscher ein Ausreisevisum nach Deutschland<br />
besorgen noch seine schwerverletzte<br />
Schwes ter ins Bundeswehrkrankenhaus einliefern.<br />
All dies wird von den Kujonierten gemäß deutscher<br />
Landserart schmollend, johlend, aber letztendlich<br />
widerspruchslos akzeptiert. Das führt zu<br />
höchst zweifelhafter Gemeinsamkeit derer auf der<br />
Leinwand <strong>mit</strong> denen im Parkett: Sie haben sich<br />
für den falschen Film entschieden.<br />
★<br />
Dass Christian Alvart nach mehreren rechtmäßig<br />
gefloppten Horrorschinken (Antikörper, Fall 39,<br />
Pandorium) endlich einen richtig guten Film machen<br />
konnte, verdankt er seiner ausgezeichneten<br />
Hauptdarstellerin Nadeshda Brennicke. Die hatte<br />
eine NDR-Dokumentation über Westdeutsch -<br />
lands erste Bankräuberin gesehen, die Mitte der<br />
Wirtschaftswunderjahre Weltbild und Fahndungsmethoden<br />
der Hamburger Kriminalpolizei völlig<br />
durcheinanderbrachte. Und war, gewiss schon im<br />
Hinblick auf eigene Rollenübernahme, fasziniert<br />
von dieser nur scheinbar unscheinbaren Gisela<br />
Werler. Um den wegen ihres kriegsinvaliden<br />
Vaters dürftigen Familienetat aufzubessern, malocht<br />
die 30-jährige als Hilfsarbeiterin in einer Altonaer<br />
Tapetenfabrik, bewohnt immer noch ihr<br />
altes Kinderzimmer und träumt sich auf die Sonneninsel<br />
Capri.<br />
Natürlich machen sich die Eltern Sorgen um<br />
ihr spätes Mädchen. Nicht, weil sie keinen Beruf<br />
erlernt hat, das war zu jener Zeit in jenem<br />
Deutschland normal. Eher, weil ihr kein Heiratskandidat<br />
als potentieller Ernährer gut genug ist.<br />
Aber Gisela Werler kann warten, auf den richtigen<br />
Mann und den richtigen Moment.<br />
Beide sind gekommen, als ihr langweiliger Verehrer<br />
Uwe (Andreas Schmidt) seinen charmesprühenden<br />
Kumpel Peter (Charly Hübner) <strong>mit</strong>bringt.<br />
Der will nur einen von Uwe versehentlich vergessenen<br />
Geldkoffer abholen, und Gisela begreift<br />
sofort, dass da auch für sie was drin sein muss.<br />
Fünf Prozent zum Beispiel. Verknüpft <strong>mit</strong> der dringenden<br />
Bitte, beim nächsten Sparkassenbesuch<br />
ihr kriminelles Gesellenstück abliefern zu dürfen.<br />
Verliebt bis über beide Ohren und cool bis ans<br />
Herz hinan, genießt die <strong>mit</strong> Perücke und Sonnenbrille<br />
verkleidete, ab sofort auf allen Titelseiten<br />
gefeierte<br />
Banklady<br />
ihre Überraschungsauftritte, lässt sich von den<br />
ungläubig-irritierten, weil an männliche Räuber<br />
gewöhnten Schalterbeamten die Sore einpacken<br />
und verabschiedet sich jeweils <strong>mit</strong> den höflichen<br />
Worten: »Danke, und schönen Tag noch!«<br />
Giselas schöne Tage von Aranjuez scheinen vorbei<br />
zu sein, als sie dahinterkommt, dass ihr Peter<br />
eigentlich Hermann heißt, verheiratet ist und bei<br />
seinem Schwiegervater schwer in der Kreide steht.<br />
Rasend vor Eifersucht liefert sie ihren Traummann<br />
beinahe ans Messer, entscheidet sich dann aber<br />
für die pragmatische Alternative. Stets die Polizei<br />
am Hacken, baldowert sie den letzten, wirklich<br />
großen Coup aus. Wenn er gelingt, kann sich Hermann<br />
frei entscheiden, ob er bei seiner Frau bleiben<br />
oder auf Capri der roten Sonne beim Untergehen<br />
zusehen will. Doch nach irrwitzigem Showdown<br />
schnappt die Falle zu. Das Pärchen steht<br />
vor Gericht, und noch bevor das Urteil gesprochen<br />
ist, nimmt Hermann alle Schuld auf sich und<br />
erklärt der Komplizin, was sie immer hören wollte:<br />
seine Liebe. Die hält, bis Gisela 2003 stirbt.<br />
Für diese spannende, noch dazu authentische<br />
Geschichte sei ihrem Regisseur Christian Alvart<br />
sogar sein blutrünstiger Til-Schweiger-Tatort Willkommen<br />
in Hamburg verziehen.<br />
Renate Holland-Moritz<br />
50 EULENSPIEGEL 4/14
Lebens hilfe<br />
EULENSPIEGEL 4/14 51<br />
www.martin-zak.de
Kunstskandal<br />
noch größer!<br />
Der Münchner Kunstsammler Cornelius<br />
Dingsda hat über seine Anwälte<br />
Beschwerde einlegen lassen.<br />
Er protestiert da<strong>mit</strong> gegen<br />
den hohen Bierpreis, die schlechten<br />
Skilaufbedingungen im letzten<br />
Winter und die allgemeine Lage.<br />
Außerdem möchte er mehrere Bilder<br />
von Lovis Corinth, Oskar Kokoschka<br />
und Edvard Munch zurückhaben,<br />
<strong>mit</strong> deren Hilfe er früher<br />
den unangenehmen Durchzug<br />
in seiner Schwabinger Neubauwohnung<br />
verhindern konnte.<br />
Doch da<strong>mit</strong> nicht genug: Wie<br />
ein Team von investigativen<br />
FUNZEL-Reportern herausfand,<br />
hat das Amtsgericht Augsburg<br />
nicht nur die Gemälde selbst beschlagnahmt,<br />
sondern auch<br />
noch eine zufällig anwesende<br />
Gemäldebetrachterin. Das entsprechende<br />
Beweisfoto wurde<br />
inzwischen der zuständigen<br />
bayerischen Strafverfolgungsbehörde<br />
zusammen <strong>mit</strong> der Forderung<br />
nach einer unverzüglichen<br />
Rückgabe übergeben.<br />
Das Einbehalten der Dame, so<br />
die Anwälte, hätte keinerlei Beweisrelevanz<br />
für irgendwas,<br />
deshalb sei ihre schnellstmögliche<br />
Herausgabe erforderlich, allein<br />
schon um das Verstreichen<br />
möglicher Restitutionsfristen zu<br />
verhindern. Außerdem gibt der<br />
FUNZEL-Justiziar zu bedenken,<br />
dass <strong>mit</strong> der Einziehung des<br />
Frauenzimmers auch gegen den<br />
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit<br />
verstoßen wurde. Der<br />
Kunstsammler verfüge nunmehr<br />
nur noch über ein Herrenzimmer,<br />
und das auch<br />
noch ohne Kunstsammlung!<br />
Da<strong>mit</strong> aber sei er<br />
weder in der Lage, sein<br />
Herz noch andere Glieder<br />
zu erwärmen. Richtig, finden<br />
auch die FUNZEL-Mitarbeiter,<br />
da hätte er ja gleich ins<br />
Altersheim gehen können! Allerdings<br />
nicht ohne vorher die Corinths,<br />
Kokoschkas und Munchs<br />
für die Pflegekosten zu verkaufen.<br />
ru/ke<br />
Wer noch mehr Aufdeckung wünscht,<br />
findet sie im neuen Buch von Klaus Ender:<br />
Frei Körper Kolumnen<br />
80 Seiten, 25 Kolumnen, 46 SW-Bilder<br />
ISBN 978-3-00-044668-9, Preis: 12,50 Euro<br />
Bestellungen: Tel. 03838-252481
Blitz<br />
sauber!<br />
Erzschurken in Frauenkleidern (I)<br />
Heute: Bischof Elstbart van Terz<br />
Wegen des großen Erfolges<br />
den Handel zu bringen.<br />
ist die Polizei in Da auf die Interessen-<br />
Brandenburg jetzt ten Kosten in nicht unbeträchtlicher<br />
dazu übergangen, die<br />
Höhe<br />
schönsten Schnappschüsse<br />
zukommen, konnte als<br />
aus dem Lan-<br />
Partner dankenswer-<br />
desfotowettbewerb terweise die Sparkasse<br />
»Unser Dorf soll<br />
gewonnen wer-<br />
schneller werden« in den.<br />
ub/sg<br />
Joint Venture<br />
WAS<br />
bin ich?<br />
Auf seinem Streifengang<br />
durch Bad Mer -<br />
gen theim machte in<br />
den frühen Morgenstunden<br />
Wachtmeister<br />
Rauhfuß (58) seinen<br />
spektakulärsten Fund.<br />
Der Beamte beobachtete<br />
auf dem Marktplatz<br />
drei Männer im<br />
Alter von 21, 23 und 24<br />
Jahren. Diese versuchten<br />
gerade, sich einen<br />
Riesenjoint anzuzünden.<br />
Als er sie zur Rede<br />
stell te, wollten sie ihm<br />
dreist weismachen, sie<br />
übten gerade für Wetten,<br />
dass..? Bei dem<br />
23-Jährigen fand der<br />
Beamte noch ein Bob -<br />
by-Car, welches vermutlich<br />
als Fluchtfahrzeug<br />
dienen sollte. »Die<br />
waren Dichter als Goe -<br />
the!«, erzählte Wacht -<br />
meister Rauhfuß auf<br />
der anschließenden<br />
Pres sekonferenz, wo er<br />
auch demonstrierte,<br />
wie die Täter den Joint<br />
benutzten (s. Foto). Nun<br />
ist er der Held von Bad<br />
Mergentheim, der den<br />
wahrscheinlich längsten<br />
Joint der Welt unschädlich<br />
gemacht hat .<br />
Wie sagt man doch so<br />
schön? Am Morgen ein<br />
Joint und der Tag ist<br />
dein Freund.<br />
Lo<br />
Ein echter Hingoogler<br />
MENSCH<br />
& NATUR<br />
von Hellmuth Njuhten<br />
hw<br />
Leute heute<br />
Frau Katz<br />
Einen Autounfall bei Tempo 200,<br />
einen Flugzeugabsturz, den<br />
Biss einer Korallenschlange in<br />
den Hals, einen Vulkanausbruch<br />
direkt vor der Haustür, ein gewaltiges<br />
Erdbeben un<strong>mit</strong>telbar<br />
unter dem eigenen Bett, den<br />
Einschlag eines kilometergroßen<br />
Asteroiden genau auf<br />
ihren Kopf, alles das hatte Frau<br />
Katz überlebt, denn sie hatte<br />
neun Leben, weshalb es ihr<br />
auch nichts ausmachte, als sie<br />
von einer Dampfwalze überrollt<br />
und bei einer Safari von einem<br />
Löwen gefressen wurde. Sie<br />
kroch einfach hinten wieder<br />
heraus und lebte gesund und<br />
fröhlich weiter, und als sie sich<br />
jetzt beim Trinken verschluckte,<br />
machte sie sich ebenfalls keine<br />
Sorgen. Doch diesmal war es<br />
Unfall Nummer neun, und Frau<br />
Katz ging hops.<br />
pk<br />
Impressum<br />
Kriki<br />
Verdrehter.<br />
kriki<br />
Nachdem Google Earth in<br />
Deutschland jahrelang auf Ablehnung<br />
gestoßen war, geht<br />
das Unternehmen jetzt neue<br />
Wege.<br />
So soll die Anonymisierung<br />
von Autokennzeichen ab sofort<br />
durch persönliche Betreuerinnen<br />
vorgenommen werden. Der<br />
bisherige Zuspruch sei großartig,<br />
heißt es dazu aus der Firmenzentrale:<br />
Es hätten sich für<br />
die neue Anonymisierung sogar<br />
extra Leute Autoschilder<br />
anfertigen lassen, die gar kein<br />
Auto haben. ub / ss<br />
Funzel-RÄTSELab<br />
in die<br />
FUNZEL<br />
gehört<br />
kein<br />
Mann,<br />
sondern<br />
ein<br />
nacktes<br />
Mädel!<br />
Erst die Arbeit, dann<br />
das Vergnügen, sagt<br />
das Sprichwort. Erst<br />
der <strong><strong>Eule</strong>nspiegel</strong>, dann<br />
die FUNZEL, sagen die<br />
vergnügten FUNZEL-<br />
Mitarbeiter Utz Bamberg,<br />
Andreas Behling,<br />
Lo Blickensdorf, Klaus<br />
Ender, Siegfried Gajewski,<br />
Peter Köhler,<br />
Kriki, Siegfried Steinach,<br />
Reinhard Ulbrich<br />
und Hendrik Weise.
Wohnst du noch od<br />
Die neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat sich etwas erfüllt, wovon viele Arbeitnehmer<br />
in diesem Land träumen: Sie darf schlafen, wo sie arbeitet und so<strong>mit</strong> auch die Nacht auf ihrer<br />
Dienststelle im Bendlerblock in Berlin verbringen. Ein 7,4 Quadratmeter großes Durchgangszimmer<br />
macht es möglich. Dafür bekommt sie 221 Euro weniger Gehalt, was einer Warmmiete von knapp 30<br />
Euro pro Quadratmeter entspricht, worüber sich der Bundesrechnungshof bereits beschwert hat. Aber<br />
solchen Luxus kann man sich als Verteidigungsministerin natürlich leisten.<br />
So wohnt die Ministerin:<br />
Die Außentoilette teilt sich<br />
die Ministerin <strong>mit</strong> dem<br />
Hausmeister und dem Wachbataillon.<br />
Einer ihrer Vorgänger<br />
im Amt sprach angesichts<br />
dieser sanitären Katastrophe<br />
von toilettenähnlichen<br />
Zuständen.<br />
Die Klolektüre ist so vielfältig<br />
wie die Besucher: Wendy<br />
und geheime Dossiers (von<br />
der Leyen), Arbitrium – Zeitschrift<br />
für Rezensionen zur<br />
germanistischen <strong>Literatur</strong>wissenschaft<br />
(Hausmeister),<br />
Siegessäule (Wachbatallion).<br />
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<br />
Abstellkammer.<br />
Von der Leyens Lieblingsstute<br />
»Tretmine« und ihr<br />
Lieblingszuchthengst<br />
»Heiko von der Leyen«.<br />
Mit dieser Zeitung wehrt die<br />
Verteidigungsministerin den<br />
zudringlichen Hausmeister<br />
ab, der im Heizungskeller<br />
des Ministeriums wohnt.<br />
Nachts schläft die Ministerin<br />
hier. Ihr Bett ist voller<br />
Wanzen, die die NSA dort<br />
platziert hat. Am Tag dient<br />
es als Psychologen-Couch,<br />
auf der sich traumatisierte<br />
Soldaten ausweinen, weil<br />
sie Kindererziehung und Taliban-Totschießen<br />
so<br />
schlecht vereinbaren können.<br />
Wochentags zwischen<br />
8 und 17 Uhr laufen Beamte<br />
durchs Schlafzimmer. Ein<br />
Grund für Mietminderung?<br />
Nachttopf für den Notfall.<br />
Zum Aufnahmeritual für Verteidigungsminister<br />
gehört<br />
es, zu jeder vollen Stunde<br />
nackt an die Bürohaubitze<br />
gefesselt die Champagner-<br />
Bong zu leeren.<br />
Die Ministerin spart nicht nur die<br />
Zeit für die Anfahrt zur Arbeit,<br />
sie spart auch Zeit für die Nahrungsaufnahme,<br />
indem sie sich<br />
alle lebensnotwendigen Nährstoffe<br />
intravenös verabreichen<br />
lässt.<br />
Für die zahlreichen Werbegeschenke<br />
der Rüstungsindustrie<br />
soll demnächst ein eigener Trakt<br />
angebaut werden.<br />
Altlasten des Vorgängers zu Guttenberg:<br />
zwei Tonnen Haargel<br />
der Marke »3. Weltkrieg Taft«.<br />
54 EULENSPIEGEL 4/14
er regierst du schon?<br />
<br />
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Wenn die Ministerin diesen Knopf<br />
drückt, geschehen zwei Dinge.<br />
Erstens: Irgendwo auf der Welt<br />
sterben 1 000 Menschen, die die<br />
Ministerin nicht kennt. Zweitens:<br />
Die Ministerin erhält ein Monatsgehalt<br />
von 13 000 Euro.<br />
<br />
Mit der Drohnenklatsche geht<br />
von der Leyen gegen die im Ministerium<br />
zur Plage gewordenen<br />
Flugobjekte vor.<br />
Familie und Beruf im Einklang:<br />
Hier schlafen die Kinder, wenn<br />
sie zu Besuch sind.<br />
Hier proben die Soldaten für den<br />
Ernstfall in Afrika, indem sie Verantwortung<br />
übernehmen. Vorerst<br />
nur für die aussortierten Haustiere<br />
der Kinder der Ministerin.<br />
Zeichnung: Kat Weidner / Text: Gregor Füller / Andreas Koristka<br />
EULENSPIEGEL 4/14 55
TICKETLINE: (030) 5 42 70 91<br />
TICKETLINE: (030) 5 42 70 91<br />
jungeWelt<br />
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Alles.<br />
Nur<br />
kein<br />
Theater.<br />
Mädler Passage<br />
04109 Leipzig<br />
(03 41) 961 23 46<br />
kabarett-theater-sanftwut.de<br />
<br />
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Deutschland<br />
erlache!<br />
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Do<br />
3.4.<br />
Do<br />
3.4.<br />
16.00<br />
16.00<br />
So<br />
13.4.<br />
So<br />
13.4.<br />
15.00<br />
15.00<br />
Di<br />
15.4.<br />
Di<br />
15.4.<br />
19.00<br />
19.00<br />
Sa<br />
26.4.<br />
Sa<br />
26.4.<br />
15.00<br />
15.00<br />
Sa<br />
26.4.<br />
Sa<br />
26.4.<br />
20.00<br />
20.00<br />
So<br />
27.4.<br />
So<br />
27.4.<br />
16.00<br />
16.00<br />
Ausgebucht für<br />
eine Macht<br />
<strong>mit</strong> Marion Bach<br />
und Heike Ronniger<br />
Klavier: Oliver Vogt /<br />
Christoph Deckbar<br />
GASTSPIEL<br />
FRANK SCHÖBEL<br />
& BAND<br />
„Sternenzeiten“<br />
Live-Konzert<br />
auch am Fr., 4.4.2014, 19.30 Uhr<br />
FRANK SCHÖBEL<br />
& BAND<br />
„Sternenzeiten“<br />
Live-Konzert<br />
auch am Fr., 4.4.2014, 19.30 Uhr<br />
GISELA STEINECKERT<br />
& JÜRGEN WALTER<br />
„Das Leben hat was“<br />
Konzertlesung<br />
GISELA STEINECKERT<br />
& JÜRGEN WALTER<br />
„Das Leben hat was“<br />
Konzertlesung<br />
33. ÖFFENTLICHER<br />
FOTOSTAMMTISCH<br />
der Gesellschaft für Fotografie<br />
Ausstellungseröffnung und<br />
Diskussion – Interessenten sind<br />
herzlich eingeladen!<br />
33. ÖFFENTLICHER<br />
FOTOSTAMMTISCH<br />
der Gesellschaft für Fotografie<br />
Ausstellungseröffnung und<br />
Diskussion – Interessenten sind<br />
herzlich eingeladen!<br />
MUSIKALISCHER SALON<br />
W. A. Mozart<br />
Klarinettenquintett<br />
und andere Werke<br />
MUSIKALISCHER SALON<br />
W. A. Mozart<br />
Klarinettenquintett<br />
und andere Werke<br />
„CELTIC COUSINS –<br />
FOR ALL THAT“<br />
<strong>mit</strong> Riverdance-Geigerin<br />
Máire Breatnach und<br />
Matthias Kießling (Wacholder)<br />
„CELTIC COUSINS –<br />
FOR ALL THAT“<br />
<strong>mit</strong> Riverdance-Geigerin<br />
Máire Breatnach und<br />
Matthias Kießling (Wacholder)<br />
„PITTIPLATSCH<br />
UND SEINE FREUNDE“<br />
Ein Programm für die ganze<br />
Familie <strong>mit</strong> den Puppenspielern<br />
des Pittiplatsch-Ensembles<br />
„PITTIPLATSCH<br />
UND SEINE FREUNDE“<br />
Ein Programm für die ganze<br />
Familie <strong>mit</strong> den Puppenspielern<br />
des Pittiplatsch-Ensembles<br />
Wo ein Weg ist<br />
fehlt der Wille<br />
<strong>mit</strong> Marion Bach<br />
und<br />
Hans-Günther<br />
Pölitz<br />
„Schmähschmelze“<br />
Chansonkabarett <strong>mit</strong><br />
Tom Haydn<br />
4. April, 20 Uhr<br />
„Mit Schirmer,<br />
Charme und Melone“<br />
Dagmar Frederic<br />
zu Gast bei<br />
Lothar Schirmer<br />
27. April, 17 Uhr<br />
Der Spielplan: www.zwickmuehle.de<br />
Magdeburger Zwickmühle<br />
Leiterstraße 2a, 39104 Magdeburg<br />
Telefon: (03 91) 5 41 44 26<br />
56 EULENSPIEGEL 4/14
Anzeigen · Veranstaltungen<br />
Satirisches Theater und Kabarett e.V.<br />
Ratskeller/ Marktplatz 2a · 15230 Frankfurt/Oder<br />
www.oderhaehne.de<br />
Spielplan April 2014<br />
Halbe Stadt – Ein Frankfurtissimo<br />
12. April um 20 Uhr<br />
17. April um 17 Uhr<br />
OHNE OBEN – UNTEN MIT<br />
24. und 26. April um 20 Uhr<br />
Männer, ermannt euch! –<br />
Ein Herrenabend<br />
10./11./18. und 19. April um 20 Uhr<br />
9. April um 15 Uhr<br />
Verdammt und zugewählt<br />
3. und 4. April um 20 Uhr<br />
Gastspiel <strong>mit</strong> Lothar Bölck<br />
„Zwischen Tür und Angel(a)“<br />
4. April um 20 Uhr – ausverkauft<br />
5. April um 15 Uhr - Zusatztermin<br />
Gastspiel Kabarett<br />
„Die Herkuleskeule“<br />
Heileits<br />
27. April um 15 und 20 Uhr<br />
Gastspiel <strong>mit</strong> Walter Plathe<br />
Alles weg’n de‘ Leut<br />
25. April um 20 Uhr<br />
Ticket-Hotline: 03 35 / 23 7 23<br />
An der Markthalle 1-3<br />
09111 Chemnitz<br />
EULENSPIEGEL 4/14 57
Augen auf beim<br />
Uranstabwechsel!<br />
Journalisten haben niemals Freizeit. Egal, welcher<br />
Wochentag, welcher Monat oder wie betrunken<br />
sie gerade sind. Sie arbeiten für das Wohl der Öffentlichkeit.<br />
Ihre Augenringe hängen ihnen wie Treckerreifen<br />
vor dem Oberkörper, und schneiden sie<br />
sich ihre Edelfederfinger an einem Manuskriptblatt,<br />
dann sprudelt kein Blut, sondern Kaffee – starker<br />
Kaffee <strong>mit</strong> Spuren von Kokain und der Kaiser’s<br />
Knusperstange <strong>mit</strong> Ei. Ausgelaugt sitzen sie herum,<br />
bis es passiert:<br />
Eilmeldung! Ein Martinshorn ertönt, und <strong>mit</strong> der<br />
gebotenen Geschwindigkeit bleiben alle an ihren<br />
Arbeitsrechnern sitzen und formulieren los. Denn<br />
abseits der Schreibwerkstätten gieren die Leser<br />
schon nach Neuigkeiten. Sie sind es, die auf die<br />
dringlichen Informationen angewiesen sind. Denn<br />
nur, wer es gelb unterlegt auf Spiegel Online liest,<br />
der glaubt auch wirklich Eiligkeiten wie »Marcel<br />
Reich-Ranicki ist tot«.<br />
Dass solch eine Nachricht pressiert, ist augenfällig.<br />
Schließlich ist die Welt voll von perversen<br />
Gewalttätern, russischen Langstreckenraketen und<br />
ungeräumten Gehwegen. Wer da nicht augenblicklich<br />
über den Tod des deutschen <strong>Literatur</strong>papstes<br />
informiert wird, läuft Gefahr, dumm zu sterben.<br />
Auch die Mitarbeiter von Focus Online waren sich<br />
dessen bewusst und beförderten sofort »Neues<br />
aus dem Verkehrsrecht – Blitzer, Strafzettel, Handy:<br />
21 Urteile, die jeder Autofahrer kennen muss« zur<br />
Eilmeldung. Hätten sie es nicht getan, wären Millionen<br />
Menschen vielleicht zu spät auf diese Information<br />
gestoßen: »Beim Ausparken müssen<br />
Fahrer besonders vorsichtig sein.« Das ist richtig,<br />
genauso übrigens, dass man beim Auswech seln<br />
von Uranstäben äußerste Wachsamkeit walten lassen<br />
sollte.<br />
Neben aller Freude über das breit aufgestellte<br />
Mediennetz, das uns in Deutschland eine Qualitätsjournalismus-Rundumversorgung<br />
ermöglicht,<br />
bleibt ein fader Beigeschmack: Ist es nicht so, dass<br />
das Leben früher besser war, als wir noch nicht in<br />
einer lauten und diffusen Postmoderne lebten?<br />
Hatten wir nicht viel ruhigere Minuten, ganz eilmeldungs-<br />
und sorgenfrei? Als wir abends nur beim<br />
Feuer saßen, lange Gespräche führten oder die<br />
Frauen vom Nachbarstamm vergewaltigten? Die<br />
Luft war rein, die Vögel sangen, und auf Spiegel<br />
Online gab es nur ganz normale Nachrichten.<br />
Es nützt nichts, dieser goldenen Ära hinterherzuweinen.<br />
Man muss eben das Beste aus den<br />
Gegebenheiten machen und es genießen, wenn<br />
SZ Online einen <strong>mit</strong> dieser Eilmeldung vom 20.<br />
Dezember 2013 um 09:14 Uhr versorgt: »Russ -<br />
land: Putin-Kritiker Michail Chodorkowskij ist<br />
frei.« Auch sollte man sich freuen, wenn um 09:56<br />
Uhr eine weitere Eilmeldung nachgelegt wird:<br />
»Nach zehn Jahren im Straflager ist Kreml-Kritiker<br />
Chodorkowskij wieder frei.« Und wenigstens überrascht<br />
sollte man tun, wenn man um 14:01 Uhr<br />
liest: »Russland: Chodorkowskij frei – Verwirrung<br />
um Gnadengesuch.«<br />
Doch egal, ob Chordorkowskij nun frei, frei oder<br />
aber frei ist, hängen bleibt, dass draußen in den<br />
Redaktionen Menschen sitzen, denen wir nicht<br />
egal sind. Menschen aus Fleisch und Kaffee, die<br />
sich sorgen, die uns bemuttern und sagen: »Heda!<br />
Sieh, was vor sich geht in der Welt! Aber tu<br />
es schnell, verdammt. Noch schneller, du dummes<br />
Arschloch!« Und sie erwarten nichts für ihre Bemühungen<br />
– keine Liebe, kein Geld, nicht einmal,<br />
dass wir auf ihre Werbeanzeigen klicken.<br />
Manfred Beuter<br />
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Kururlauben an der Müritz, an der polnischen Ostsee,<br />
im Riesengebirge, in Kroatien und in Tschechien begeistern.<br />
Unser Extra: Haustürabholung (aber ohne Kurschwester)
Was ist die Tötung einer Giraffe<br />
gegen die Gründung eines<br />
Zoos?«, hätte Brecht gefragt, wäre<br />
er Zeuge der Verfütterung einer Giraffe<br />
an einen Löwen geworden.<br />
Die hat im Zoo zu Kopenhagen<br />
stattgefunden. Der Tierfreund weiß:<br />
Natürlich ist so was natürlich nicht.<br />
In freier Wildbahn muss sich der<br />
Löwe seine Beute selbst verdienen<br />
oder »reißen«, wie wir Fachleute etwas<br />
reißerisch sagen. Doch <strong>mit</strong> diesem<br />
blutigen Vollzug will sich der<br />
»Herr« der Wildnis im Kuschelzoo<br />
die Klauen nicht schmutzig machen,<br />
er mag’s sauber tranchiert und portioniert.<br />
Zu Zeiten von Darwin, des Begründers<br />
des Darwinismus, galt noch die<br />
Regel »survival of the fittest«. Warum<br />
wird der überflüssige Esser Marius,<br />
der Giraffenbulle, nicht einfach<br />
zum Löwen ins Gehege gelassen?<br />
Da ließe man der Natur ihren freien<br />
Lauf, und man könnte Wetten abschließen.<br />
Wir ahnen es: Marius würde dem<br />
faulen Löwenpack ein paar gepfleg -<br />
te Giraffentritte auf die empfindliche<br />
Löwennase verpassen, und die Löwen<br />
würden unwürdig nach dem Veterinär<br />
brüllen. So ein peinliches<br />
Schauspiel möchte die Zoo-Direktion<br />
natürlich vermeiden. Deshalb<br />
schießt man einfach dem Giraffenbullen,<br />
kaum dass er in die Morgensonne<br />
geblinzelt hat, einen Betäubungspfeil<br />
in den Hals (den kann<br />
man kaum verfehlen) und tötet das<br />
Tier anschließend in aller Ruhe.<br />
Diese feige Tat geschieht natürlich<br />
ohne Zuschauer, die Täter sind nicht<br />
einmal vermummt. Beim anschließenden<br />
Zerlegen dürfen dann ausgewählte<br />
Rohlinge zusehen, meist<br />
Kinder aus Intensivtäter-Haus hal -<br />
ten. Dann wird der Kadaver dem<br />
Lö wenpack vorgeworfen, das tut,<br />
was man von ihm erwartet – es<br />
schlägt sich den Wanst voll.<br />
Futter bei<br />
die Füchse<br />
Dass es anders geht, zeigt der Berliner<br />
Zoo: Dort reißen wilde Füchse<br />
am helllichten Tag vor aller Augen<br />
leckere Parmakängurus, zwergen -<br />
kleine Zwergantilopen und kurzsichtige<br />
Brillenpinguine! 40 gerissene Insassen<br />
in den letzten Wochen beklagt<br />
die Zoosprecherin. Was kann<br />
der Zoodirektor dagegen tun? Nichts,<br />
denn die Füchse spazieren einfach<br />
zu den Öffnungszeiten durch die Eingänge.<br />
Den Einsatz von Kontrolleuren<br />
wie in der U-Bahn erwägt der<br />
Zoo bislang nicht, obwohl die U-Bahnen<br />
bei dem Kontrolldruck fuchsfrei<br />
sind. 1 600 Füchse gibt es in der<br />
Stadt, keiner fährt U-Bahn, aber viele<br />
gehen gern in den Zoo. Dort wird<br />
natürlich dann der eine oder andere<br />
Imbiss genommen …<br />
Die Füchse abschießen? Geht<br />
nicht, im Zoo ist Jagen verboten. Da<br />
hilft nur eins: Es müssen offene Jagdgehege<br />
für Füchse angelegt werden,<br />
in denen die eleganten Räuber zu<br />
festen Fütterungszeiten <strong>mit</strong> ihrem<br />
Proviant öffentlich konfrontiert werden.<br />
Das können niedliche Eiderenten,<br />
kurzsichtige Brillenpinguine<br />
oder auch einmal ein halskranker<br />
Giraffenbulle sein. Möge der Besse -<br />
re gewinnen!<br />
Text und Zeichnung:<br />
Kriki<br />
EULENSPIEGEL 4/14 59
Schwarz<br />
auf weiß<br />
Andreas Prüstel<br />
Jan Tomaschoff Hannes Richert<br />
60 EULENSPIEGEL 4/14
Erik Wenk<br />
Peter Thulke<br />
Horst Rudolph<br />
EULENSPIEGEL 4/14 61
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Vorsicht, Hirnfieber!<br />
Juris Potenz<br />
Mal angenommen, ein gewisser André Sch<strong>mit</strong>z,<br />
eben jener, ohne den die Künstler in Berlin angeblich<br />
gar nicht mehr leben wollen, hat in der<br />
Kantine vom Roten Rathaus einen Getränkebon<br />
im Wert von 1,25 Euro unter einem Stuhlbein gefunden<br />
und, weil man ja nichts verkommen<br />
lassen soll, für sich eingelöst: Dann wäre er<br />
selbstverständlich schnurstracks <strong>mit</strong> Pauken und<br />
Trompeten, aber ohne Zapfenstreich aus seinem<br />
Staatssekretärsanzug gefegt worden. Bei einer<br />
im Vergleich dazu völlig harmlosen Straftat namens<br />
Steuerhinterziehung jedoch blieb dem Regierenden<br />
Bürgermeister Klaus Wowereit nichts<br />
anders übrig, als seinen »Froind Sch<strong>mit</strong>ti, das<br />
Sch<strong>mit</strong>zel« schweren Herzens zunächst im Amte<br />
zu behalten.<br />
Wowi hatte schlichtweg keine Wahl: Vor dem<br />
Steuergesetz sind nämlich alle gleich. Deshalb<br />
haben die Jobcenter knallharte Merkblätter an<br />
die Hartzis verteilt, die bekanntlich dazu neigen,<br />
in unguter Absicht in die Schweiz und auf die<br />
Cayman-Inseln zu reisen. »Mutwillige Steuerverkürzung<br />
ist kein Kavaliersdelikt!« stand dort zu<br />
lesen. »Wer hohe Zinseinnahmen im Ausland zu<br />
verbuchen hat und nicht zum Instrument der freiwilligen<br />
Selbstanzeige greift, gefährdet seinen<br />
Leistungsbezug in der Grundsicherung.« Das<br />
heißt, es ergeht einem wie dem o.g. Sch<strong>mit</strong>ti: Er<br />
wird für drei Jahre in den einstweiligen Ruhestand<br />
geschickt und muss <strong>mit</strong> 1/3 weniger Cash im Monat<br />
auskommen. Dann sieht es <strong>mit</strong> dem Flow<br />
ganz schön mau aus.<br />
Wo<strong>mit</strong> wir bei einer anderen populären Verbrauchsabgabe<br />
wären, der Umsatzsteuer, vom<br />
Volksmund auch liebevoll »Märchensteuer« genannt.<br />
Sie wurde 1916 im Deutschen Kaiserreich<br />
eingeführt und betrug damals 0,5 Prozent.<br />
Daraus erklärt sich der Sinn des Slogans »Wir<br />
wollen unsern alten Kaiser Wilhelm wiederhaben«.<br />
1935 war Schluss <strong>mit</strong> lustig. Die Nazis in ihrer<br />
Barbarei steigerten die sogenannte Allphasen-<br />
Bruttoumsatzsteuer auf sage und schreibe 400<br />
Prozent – von 0,5 auf 2 Prozent. Merke: Bei Hitler<br />
war nicht alles schlecht, besser jedenfalls als bei<br />
Merkel.<br />
Denn inzwischen beträgt die Umsatzsteuer 19<br />
Prozent (Regel), 7 Prozent (Ausnahme) und 0 Prozent<br />
(Porti Deutsche Post – ganz große Ausnahme).<br />
Das leicht durchschaubare System lässt<br />
sich ganz leicht merken: 7 Prozent werden vor<br />
allem für Dinge erhoben, die irgendwie etwas<br />
<strong>mit</strong> Essen zu tun haben, also Bücher und Eintritt<br />
für Schwimmbäder. Und für Leistungen von Zahntechnikern,<br />
denn ohne Zähne bricht der gesamte<br />
Konsum zusammen. Aber auch für den Besuch<br />
im Zirkus zahlt man geringere Umsatzsteuer, obwohl<br />
die Zeiten vorbei sind, in denen Manegentiere<br />
nach der Vorstellung als Bulette ans Publikum<br />
gereicht wurden.<br />
Sehr lange her ist auch eine Partei, die<br />
sich FDP nannte. Sie führte den ermäßigten<br />
Steu ersatz von 7 Prozent für Hotelübernachtungen<br />
ein – aus sozialen<br />
Gründen, denn jeder Deutsche soll es<br />
sich leisten können, zwei, drei Mal im Hotel<br />
zu übernachten. Dadurch geriet das<br />
bis dahin glasklare System etwas durcheinander:<br />
Der Abschlag auf 7 Prozent<br />
gilt nämlich nur für die Pennratzen an<br />
sich, nicht jedoch für ihr morgendliches<br />
Frühstück im Hotel. Dann werden hammermäßige<br />
19 Prozent fällig. Und wer im<br />
Bett zur Steigerung seines Appetits auf das<br />
gleiche Geschlecht (Fußballer, Balletttänzer<br />
und Eiskunstläufer) ein Buch oder Heftchen <strong>mit</strong><br />
explizit sexuellem Inhalt »liest«, muss für dieses<br />
Druckwerk ebenfalls 19 Prozent berappen. Letzteres<br />
gilt im Sinne des Diskriminierungsverbotes<br />
natürlich auch für Heterosexuelle, Liebhaber von<br />
Nutz tieren und andere Ferkel. Sudel-Ede, also<br />
der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian<br />
Edathy, hat sich die 19 Prozent wahrscheinlich<br />
gespart und sich die Bilder im Internet<br />
besorgt.<br />
Weil wir uns jedoch den Gesetzgeber als wunderlichen<br />
älteren Herrn vorstellen müssen, der<br />
auf Spatzen im Kirschbaum schießt und zu manch<br />
anderem Schabernack neigt, hat er in seine Umsatzsteuertabelle<br />
noch anderen Hallodri aufgenommen.<br />
Kreuzen Sie bitte an:<br />
Maulesel: a) 7 % oder b) 19 %?<br />
Esel: a) 7 % oder b) 19 %?<br />
Flusspferde: a) 7 % oder b) 19 %?<br />
Hausschweine: a) 7 % oder b) 19 %?<br />
Kanarienvögel: a) 7 % oder b) 19 %?<br />
Eselsfleisch: a) 7 % oder b) 19 %?<br />
Quallen: a) 7 % oder b) 19 %?<br />
Wale: a) 7 % oder b) 19 %?<br />
künstliche<br />
Gelenke: a) 7 % oder b) 19 %?<br />
Teile von<br />
künstlichen<br />
Gelenken: a) 7 % oder b) 19 %?<br />
Ungültige<br />
Banknoten: a) 7 % oder b) 19 %?<br />
Holzwolle: a) 7 % oder b) 19 %?<br />
Ammoniumcarbonat:<br />
a) 7 % oder b) 19 %?<br />
Natriumcarbonat: a) 7 % oder b) 19 %?<br />
Hühnermist: a) 7 % oder b) 19 %?<br />
(Doch ob so oder so, zur Zeit scheint der<br />
Handel <strong>mit</strong> gebrauchtem Hühnermist<br />
keine große Zukunft zu haben.)<br />
Ist es wiederum nicht wahrhaft bewundernswert,<br />
dass Menschen wie du und ich (nur älter) jahrzehntelang<br />
über die spannende Frage debattiert<br />
haben, ob es tatsächlich einen steuerrechtlich<br />
relevanten Unterschied zwischen einem Esel und<br />
einem Maulesel geben mag? Womöglich könnten<br />
sie sogar jene geheime Logik erklären, die der<br />
Lösung dieses Problems innewohnt, wenn es sie<br />
nur gäbe.<br />
Aber es gibt sie nicht.<br />
Auflösung:<br />
1. a), 2. b), 3.b), 4.a), 5.)b), 6.a), 7.a), 8.b), 9.a),<br />
10.b), 11.a), 12.a), 13.a), 14.b), 15.a)<br />
– Drei Richtige und weniger: Sie sind der<br />
ideale Kandidat für Veranstalter von Kaffeefahrten<br />
und andere Nepper, Schlepper, Bauernfänger.<br />
– Fünf Richtige: Nicht schlecht für den Anfang.<br />
Auch Kleinvieh macht Hühnermist.<br />
– Zehn Richtige: Sie haben schon fast den vollen<br />
Durchblick (und bestimmt zehn Sorten<br />
von Rabattkarten vom Dänischen Bettenlager<br />
bis hin zu Shell).<br />
– Dreizehn Richtige: Geben Sie es zu: Sie haben<br />
heimlich geschmult!<br />
– Fünfzehn Richtige: Wow, alle Achtung! Karl<br />
Valentin soll einen ähnlichen Geistesriesen<br />
Ihres Kaliber gekannt haben. Der konnte auf<br />
Anhieb seine gesamte Steuererklärung ohne<br />
fremde Hilfe ausfüllen. Danach ist er allerdings<br />
an Hirnfieber gestorben. Also Vorsicht!<br />
RA Wolfgang Schüler<br />
Vignette: Jan Tomaschoff<br />
EULENSPIEGEL 4/14 63
Friedrich?<br />
Aus: Thüringer Allgemeine<br />
Einsender: Josef Keppler,<br />
Lindewerra<br />
Stimmen aus dem Jenseits.<br />
Aus: Lübecker Nachrichten, Einsender: Sidney Gennies, per E-Mail<br />
Höchste Zeit.<br />
Aus: Volksstimme Magdeburg, Einsender: Thoralf Ramm, per E-Mail<br />
Dort auch kein korrekter Satz<br />
aufgefunden.<br />
Aus: Mitteldeutsche Zeitung<br />
Einsender: Andreas Behling,<br />
Oranienbaum<br />
Großeinkauf.<br />
Aus: Ostthüringer Zeitung<br />
Einsenderin: Eveline Werner,<br />
per E-Mail<br />
Der Rest liegt im Gepäcknetz.<br />
Aus: Ostsee-Zeitung<br />
Einsender: Thomas Strobach,<br />
Rostock, u. a.<br />
Gibt ja auch noch andere Speisen.<br />
Aus: Döbelner Rundschau, Einsender: Karl-Heinz Ring, Hartha<br />
Aber ohne Dativ.<br />
Etikett von Pluma<br />
Einsenderin: Dagmar Pliefke, Berlin<br />
Die Polizei dankt für den Hinweis.<br />
Werbung Autohaus Grimm, Torgelow<br />
Einsender: Jörg Görlich, Torgelow<br />
Scheißwetter!<br />
Aus dem Katalog von Pearl, Einsender: André Otto, per E-Mail<br />
Und Vorsicht: Holprige Sprache!<br />
Im Hotel Villa Luisa Resort, Italien, Einsender: Carl Kühn, per E-Mail<br />
Nicht das einzige Problem.<br />
Aus: Schweriner Volkszeitung<br />
Einsender: Manfred Preuß, Güstrow<br />
Sind so kleine Hände ...<br />
Aus dem Online-Menü von<br />
IGS Sassenburg<br />
Einsender: René Liebich,<br />
Wahrenholz<br />
Richter wieder da?<br />
Aus: Aachener Nachrichten, Einsender: Thomas Dabelow, Aachen<br />
Schönes Porträtfoto.<br />
Aus: Thüringer Allgemeine, Einsenderin: Regina Ellmer, Regensburg<br />
Der Alkohol ging tiefer.<br />
Aus: Eckernförder Zeitung, Einsender: Klaus-Peter Frerichs,<br />
Eckernförde<br />
64 EULENSPIEGEL 4/14
Fehl anzeiger<br />
Sorgen gibt’s auch so.<br />
Aus: Neues Deutschland<br />
Einsender: Dieter Anderson, Radebeul<br />
Altersentsprechend.<br />
Aus: Dresdner Neueste Nachrichten<br />
Einsender: Dr. Lydia und Reimund<br />
Böhmig-Weißgerber<br />
(Beifall gestattet.)<br />
Fotografiert auf Rügen<br />
von Torsten Joswig, Ostseebad Binz<br />
Für die Schneeschmelze.<br />
Aus: Wolfsburger Allgemeine Zeitung<br />
Einsender: Rainer Bräuer, Wolfsburg<br />
Zum Glück auch nicht ihre Deutschlehrer.<br />
Aushang in Velten, Brandenburg<br />
Einsender: Paul Hörnig, per E-Mail<br />
War wahrscheinlich ein<br />
Auto <strong>mit</strong> Boxermotor.<br />
Aus: Sächsische Zeitung<br />
Einsenderin: Evelyn Jahnke, Dresden<br />
Poetische Kostbarkeit<br />
Zu schnell gerannt?<br />
Aus: Generalanzeiger<br />
Einsender: Martin Piela, Magdeburg<br />
Und keine Grammatik.<br />
Anhänger in Barleben<br />
Einsender: Günter Hoppe, per E-Mail<br />
Zum Beispiel die Rechtschreibung.<br />
Wandinschrift in Köthen, Einsender: Bernhard Salomon, per E-Mail<br />
Für uns bitte auch<br />
Geld bearbeiten!<br />
Aus: Neues Deutschland<br />
Einsenderin:<br />
Gabriele Parakeninks, Berlin<br />
Aus: Thüringer Allgemeine<br />
Einsender: Dr. Thomas Freitag, Potsdam<br />
Jetzt gibt’s was auf<br />
die Fräse!<br />
Aus: Braunschweiger Zeitung<br />
Einsender: Klaus Schäfter,<br />
Helmstedt<br />
... und das Personal zum Deutschkurs.<br />
Bäckerei im Penny-Markt Frankenberg<br />
Einsenderin: Uta Hentschel, Rossau<br />
fehlanzeiger@eulenspiegel-zeitschrift.de<br />
EULENSPIEGEL 4/14 65
LMM 1497 … Leser machen <strong>mit</strong><br />
Liefern Sie uns zu dieser Zeichnung eine witzige Unterschrift.<br />
Für die drei originellsten Sprüche berappen wir 16, 15 und 14 €.<br />
LMM-Adresse: <strong><strong>Eule</strong>nspiegel</strong>, Gubener Straße 47, 10243 Berlin<br />
oder per E-Mail an: verlag@eulenspiegel-zeitschrift.de<br />
Absender nicht vergessen!<br />
Kennwort: LMM 1497 · Einsendeschluss: 31. März 2014<br />
LMM-Gewinner der 1496. Runde<br />
Die Schönsten im ganzen Land sind:<br />
»Der Rotstift für den<br />
Investitionsplan 2015<br />
ist ganz nach meinem<br />
Geschmack.«<br />
Beate Schmager,<br />
Annaberg<br />
»Wenn ich jetzt nicht<br />
belästigt werde, kündige<br />
ich.«<br />
Christoph Cavazzini,<br />
Göttingen<br />
»Sie sollten auch etwas<br />
mehr auf Ihr Äußeres<br />
achten, Herr<br />
Direktor.«<br />
Detlef Krüger,<br />
Berlin<br />
Zeichnungen: Heinz Jankofsky<br />
Waagerecht: 1. nur für Aussteiger,<br />
die es nötig haben, 7. Impertinenz<br />
gewisser Dachse, 9. Großteil eines<br />
Studienhalbjahres, 11. großer Böller,<br />
14. klemmt im Kontakteisen, 17. ausgehöhlter<br />
Tarockstar, 18. Halteteil des<br />
Tabledancers, 19. wieder in Mode gekommenes<br />
Herrenfrisörgeschäft,<br />
22. selten auffindbar in Politikerhirnen,<br />
23. Informationsform.<br />
Senkrecht: 1. manchmal voll, immer<br />
vorn, 2. seidener Ex-US-Präsident,<br />
3. Ingredienz der Säuferleber, 4. folgt<br />
dem Wald, 5. Kern der Schreibererfahrung,<br />
6. schwedische Gardine, 8. amputierter<br />
Herrscher, 10. beschnittene<br />
Glaubensgemeinschaft, 12. Sportboot-<br />
Palindrom, 13. kurzgefasstes Tagebuch,<br />
14. puckert im Bassisegrim,<br />
15. taktvolle Kampfführung, 16. stachlige<br />
Friedensheldin, 19. Seele der Karenina,<br />
20. erzwungener Straßenhalt,<br />
21. billiger als Loge.<br />
Auflösung aus Heft 03/14:<br />
Waagerecht: 1. Eisenbahner, 7. Nektarine,<br />
9. Euter, 11. Cremer, 14. Hotel,<br />
15. Lader, 18. Totale, 19. Masur, 22.<br />
Teichrose, 23. Nordgermane.<br />
Senkrecht: 1. Eunuch, 2. Sekret,<br />
3. Neapel, 4. Arie, 5. Niet, 6.Rohr, 8.<br />
Nugat, 10. Esel, 12. Rosa, 13. Menue,<br />
15. Locher, 16. Dakota, 17. Resede,<br />
19. Mann, 20. Ster, 21. Ring.<br />
Meisterwerke Kunst von EULENSPIEGEL-Lesern, gediegen interpretiert<br />
Der äußerst agile Mann, der hier <strong>mit</strong><br />
heruntergelassener Hose auf einem<br />
Panzer kniet und eine körperlich<br />
vollkommen deformierte Frau in roten<br />
Pumps von hinten beglückt: Es<br />
könnte glatt der Geschäftsführer eines<br />
Panzerherstellers sein.<br />
Nach »Mähdr... Mäh« verlangt<br />
die Penetrierte und meint vielleicht<br />
so etwas wie »Mähdrescher«. Denkt<br />
sie während des Aktes also womöglich<br />
an ein anderes Gefährt, auf dem<br />
sie ihre Spielchen treiben könnte? –<br />
Den unbekannten Geschäftsführer<br />
scheint diese Verwechslung nicht zu<br />
stören.<br />
Es ist eine friedliche Szene trotz<br />
des kriegerischen Gerätes, auf dem<br />
dieser barbarische Akt stattfindet,<br />
denn dank der Personen rückt der<br />
Panzer in den Hintergrund. Der<br />
fähnchenschwingende Mann im<br />
Nachthemd hat selig lächelnd auf<br />
dem Kanonenrohr Platz genommen,<br />
das von einem Büstenhalter verziert<br />
Christoph Plum, Düsseldorf<br />
wird. Man fühlt sich an alte Hippie-<br />
Zeiten erinnert. »Make love, not<br />
war!«, will uns die Zeichnung sagen.<br />
Lediglich der Bedenkenträger im<br />
Anzug trübt ein wenig die lockere<br />
Stimmung. Mit streng erhobenem<br />
Zeigefinger weist er auf die Risiken<br />
dieses Vergnügens hin: Einer der beiden<br />
Kopulierenden solle, so meint<br />
er, »Ver-ant-wort-ung« für sein<br />
Handeln übernehmen und für Verhütung<br />
sorgen. Denn bei aller<br />
Freude an der Sache sollten sich<br />
wirklich nicht alle fortpflanzen, die<br />
das auch können.<br />
Die Botschaft des Werkes ist klar:<br />
Auch eine Frau, deren linker Arm<br />
aus ihrem Oberschenkel wächst und<br />
deren Knie eine Art Nippel hat, hat<br />
ein Recht auf körperliche Zuwendung<br />
durch den Geschäftsführer eines<br />
Rüstungsunternehmens. Familienfreundlichkeit<br />
und Panzer sind<br />
keine Gegensätze!<br />
H. Königshaus<br />
66 EULENSPIEGEL 4/14
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sad<br />
EULENSPIEGEL Oster-Abos enden automatisch.<br />
2014_04
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Der nächste EULENSPIEGEL er scheint am 17. April 2014 ohne folgende Themen:<br />
Christian Wulff von Richter freigesprochen: Ist es ein väterlicher Freund?<br />
Rundfunkbeitrag sinkt um 73 Cent: Wird Markus Lanz doch entlassen?<br />
Verfahren gegen Hans-Peter Friedrich eingeleitet: Fordert er mehr<br />
Überwachungskameras?<br />
Großer Loveparade-Prozess findet in Düsseldorfer Messe statt:<br />
Sind die Zugänge breit genug?<br />
Andreas Prüstel<br />
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Glück, Barbara Henniger, Gerhard<br />
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Kaiser, Christian Kandeler, Florian Kech,<br />
Dr. Peter Köhler, Kriki, Uwe Krumbiegel,<br />
Mario Lars, Ove Lieh, Werner Lutz, Peter<br />
Muzeniek, Nel, Robert Niemann, Ari Plikat,<br />
Andreas Prüstel, Erich Rauschenbach,<br />
Hannes Richert, Ernst Röhl, Reiner<br />
Schwalme, André Sedlaczek, Guido<br />
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68 EULENSPIEGEL 4/14
Ein Buch muss die Axt sein<br />
für das gefrorene Meer<br />
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Manuel Neuer<br />
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ng er lacht, ist s<br />
päter tot.<br />
sein ist keinee Sünde.<br />
es so lustig, in Öster-<br />
reich zu leben? Was machen unsere<br />
N achbarn falsch? Wie tickt er wirklich, der kleine Bruder<br />
Deutschlands? Stellt sich das Leben aus seiner Perspektive<br />
tatsächlich h so anders dar? Ta<br />
ausend Fragen u<br />
nd noch mehr<br />
Antworten. 60 Geschichten zum Lachen, <strong>mit</strong> skurrilen<br />
Schlussfolgerungen,<br />
witzigen, scharfzüngigen,<br />
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liebevollen Skizzierungen der menschlichen n Seele. „Caba-<br />
ret to go“ für den feinen Genuss zwischendurch. Dazu viel<br />
Biografisches, gespickt <strong>mit</strong> Lebensweisheiten n …<br />
Inhalt<br />
69 Titel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Burkhard Fritsche<br />
73 Zauberkiste der dekonstruktivistischen Philologie. . . . . . . . . . . . . . Peter Köhler<br />
74 Modernes Lesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ari Plikat / Johann Mayr<br />
76 Kein Wort zu Mausi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Klis<br />
79 Lesezeichnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kriki / Uwe Krumbiegel<br />
81 Auslese: Alles Bio, Criminale, Die lieben Kleinen . . . . . . . . . Matthias Biskupek<br />
86 Was tun, wenn Schreibblockade? . . . . . . . . . . Michael Kaiser / Oliver Ottitsch<br />
89 Lesezeichen: Bankgeflüster<br />
90 Two B or not two B? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kaiser<br />
93 Wie Dichter Unternuckel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Franke<br />
97 Angegoethet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kaiser<br />
98 Die Autobiografie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ove Lieh<br />
101 Schriftstellerdämmerung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jan Decker<br />
103 Juden unter sich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernhard Spring<br />
PETER THULKE<br />
Manuskripte herzlich<br />
willkommen!<br />
104 Das Buch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ove Lieh<br />
106 Textfabrik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Köhler / Kriki<br />
70 LITERATUREULE 4/14
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Pubertierende Teenager, tanzwütige<br />
Senioren, persönlich adres sierte Treppenlift-Reklame.<br />
Plötzlich stürzt das Alter von<br />
allen Seiten auf Charlotte Niesguth zu.<br />
Dabei ist sie doch erst Ende dreißig und<br />
hatte <strong>mit</strong> dem Älterwerden keine Probleme.<br />
Dachte sie.<br />
ARI PLIKAT<br />
Die Kölner Autorin und Kabarettistin<br />
(bekannt aus »Stratmanns« und der<br />
WDR-»Ladies Night«) begibt sich in ihrem<br />
Episodenroman auf eine unterhaltsame<br />
Gratwanderung zwi schen<br />
jung und alt, Komik und<br />
Melancholie, Dope<br />
und Doppelherz.<br />
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Frank Sorge<br />
DEGENERATION<br />
INTERNET<br />
Surf- & Klickgeschichten<br />
Was passiert eine halbe Stunde lang auf<br />
dem Twitter-Profil von Justin Bieber?<br />
Darf man die SMS wildfremder Leute im<br />
Internet <strong>mit</strong>lesen? Was macht Jesus im<br />
Netz, und hört die NSA etwa auch Gott<br />
ab? Wann ist ein Nerd ein Nerd?<br />
Der Berliner Autor und Vorleser erzählt<br />
Geschichten aus dem Alltag der digitalen<br />
Revolution – von seinen Anfängen und<br />
den oft sehr schrägen Auswüchsen.<br />
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160 S., 11,90€, ISBN 978-3-944035-30-7, auch als E-Book<br />
72 LITERATUREULE 4/14
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Aus PETER KÖHLERs Zauberkiste der<br />
dekon struktivistischen Philologie:<br />
Grotesk!<br />
Die Groteske, die <strong>mit</strong> den Mitteln des<br />
Absurden sich der Burleske nähert,<br />
ohne in der Form der Posse die Tradition<br />
der Farce aufzugreifen und zu verraten,<br />
gewinnt in der übersteigerten<br />
Parodie der darstellenden Karikatur<br />
kraft der Figur des historisch entbundenen<br />
Narren den Anschluss an eine<br />
Geschichte der Travestie als eines surrealistischen<br />
Motivs von Humor, wenn<br />
sie in prononciert polemischer Satire<br />
den Gestus der Fratze <strong>mit</strong> dem Understatement<br />
der Ironie hermetisch offen<br />
gestaltet, und wird durch die dadaistisch<br />
begründete Perspektive der Weltzertrümmerung<br />
als eines der Heiterkeit<br />
verpflichteten Topos des Bizarr-Komischen,<br />
ohne zur Hanswurstiade zu<br />
verflachen, zum anerkannten Kunstwerk,<br />
d.h. zur Groteske.<br />
Wohin Lesen führen kann<br />
Das Haus hatte seinen Peter Handke<br />
gelesen, aber offenbar nicht ganz richtig<br />
verstanden. Das Haus hatte nämlich<br />
nie eine Schule besucht, und weil<br />
es am Stadtrand lag, konnte es nur wenige<br />
andere Häuser fragen; aber die lasen<br />
nicht, sondern waren dumm wie<br />
ihre Bewohner. »Die Innenwelt der Außenwelt<br />
der Innenwelt«, ramenterte es<br />
dem Haus durchs Dachstübchen, und<br />
endlich kam, was kommen musste:<br />
Das Haus vertauschte Innenwelt und<br />
DANIEL NOLL<br />
Außenwelt, stülpte Zimmer, Flure und<br />
Treppenhaus nach außen und holte<br />
sich Wald, Straße und Vorgarten rein.<br />
»Es ist doch ein merkwürdig Ding die<br />
<strong>Literatur</strong>«, grübelte das Haus, als es die<br />
empörten Mieter schimpfend und die<br />
Schaulustigen lachend um sich sah, »jeder<br />
nimmt einen Text anders wahr!«<br />
Der schöne Konjünktiv<br />
Gäbe es den Konjünktiv des Imperfekts<br />
nicht, die deutsche Sprache erfände ihn.<br />
Stürbe er aus, das Deutsche verlöre<br />
an Schönheit, die es aber ohnehin nur<br />
besäße, wenn die Deutschen den Konjünktiv<br />
nicht falsch gebrauchen würden,<br />
sondern richtig gebräuchten. Beföhle<br />
man ihnen jedoch die richtige Anwendungsweise,<br />
es hülfe wenig, denn<br />
sie errieten nie die richtige Form, sondern<br />
erräten sie, so dass es vielmehr<br />
gar nichts hälfe, vielleicht auch hielfe.<br />
Selbst die Begabtesten würden es nicht<br />
schaffen – bestenfalls schüfen sie es.<br />
Und zwar Verwirrung. Oh, dass man<br />
sie darob in Pfannen briete, in Töpfen<br />
sötte und in Öfen büke, wonach man<br />
sie aufäße!<br />
Dabei wöre es doch sehr einfach, sich<br />
eine gewisse Fertigkeit zu erwürben,<br />
sägte man nicht ständig, wie schäuerlich<br />
die Fähler klüngen. Sie gefälem<br />
nämläch jödem, wenn sie ihrerseits<br />
noch Sprachgefiehl verröten. Und däs<br />
tün sie jä wöhl. Öder?<br />
»WENN<br />
CHANCE<br />
MAN DIE<br />
HAT,<br />
NICHTS<br />
SOLLTE<br />
MAN SIE<br />
ERGREIFEN.«<br />
ZU TUN,<br />
IMMER<br />
DER ALTE, DEN<br />
SIE NICHT VERGESSEN<br />
WERDEN<br />
DANIEL FRIEDMAN<br />
Der Alte, dem Kugeln nichts<br />
anhaben konnten<br />
Roman. 320 Seiten. Geb. € [D] 17,99<br />
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LITERATUREULE 4/14 75
Kein Wort zu Mausi<br />
Die Tochter ist am Telefon. Ob ich ihrem<br />
Sohn das Abi vermiesen wolle oder<br />
was. Ihm Albernheiten aus der Familiengeschichte<br />
zu erzählen, die dann allesamt<br />
in einem Aufsatz auftauchen!<br />
Es dauert eine volle Zigarettenlänge,<br />
bis es mir gelingt, einen Hustenanfall<br />
anzubringen und noch mal eine halbe,<br />
bis sie sich so weit verausgabt hat, dass<br />
ich die begütigende Tour versuchen<br />
kann. Es sei um das Aufsatzthema Zufall<br />
gegangen, um nichts sonst. Es gäbe<br />
doch schließlich Leute, die wiederholt<br />
den Jackpot knackten oder wie Ranger<br />
Sullivan aus Virginia siebenmal vom<br />
Blitz getroffen würden, zuletzt im Büro.<br />
»Und unsere Familie …«<br />
»Papa!«<br />
»Und in unserer Familie, Mausi, gibt<br />
es ein solches Phänomen auch. Keine<br />
Ahnung, warum das Schicksal gerade<br />
dich auslässt. Jedenfalls Lotti kam als<br />
Kind zum Führergeburtstag <strong>mit</strong> Hitler<br />
auf eine Briefmarke, von ihrer kleinen<br />
Tochter Traudel gibt’s ein Blechabzeichen,<br />
das sie auf dem Arm eines Rotarmisten<br />
zeigt, und Großvater endlich<br />
wurde als Genosse Konstrukteur <strong>mit</strong><br />
einer Papierrolle in der Hand neben<br />
Walter Ulbricht gemalt – ein Riesenschinken<br />
...«<br />
»... der bis zuletzt im Zentralko<strong>mit</strong>ee<br />
am Werderschen Markt hing. Die<br />
ganze Schule weiß es und dein Enkel<br />
ist noch stolz drauf. Er ist überzeugt,<br />
dass ihm bald Obama oder Osama oder<br />
beide zusammen übern Weg laufen<br />
werden.«<br />
»Na, passt doch! Mich hat’s ja auch<br />
mal erwischt, Mausi. Und Onkel Bruno<br />
und Tante Gerdi gleich <strong>mit</strong>. Nächstes<br />
Jahr kann dein Sohn in seinem<br />
Deutsch-Plus-Buch nachlesen, wie.«<br />
»Bitte nicht, Papa.«<br />
»Verkauft ist verkauft, aber du<br />
bringst mich auf eine Idee.«<br />
Sie lässt die Luft ab, dass mir der<br />
Hörer vom Ohr fliegt.<br />
»Doch, doch. Was spricht dagegen,<br />
dass ich die Geschichte für die Wochenendbeilage<br />
anbiete und unser Telefonat<br />
zum Aufhänger nehm’? Du musst<br />
nicht das ganze Jahr warten, und vom<br />
Honorar lade ich dich ein zu gebackenen<br />
Scampi.«<br />
Sie legt auf, bisschen spät für ihr<br />
Temperament, was aber trotzdem<br />
heißt, dass sie nicht annimmt. Ich hole<br />
mir den Text auf den Schirm, bringe<br />
noch den Familienbezug hinein, da<strong>mit</strong><br />
Mausi als Deutschlehrerin sieht, wie<br />
authentisch es zugeht bei mir, und fertig<br />
der Lack. Im Kern läse sich das dann<br />
so:<br />
Wir sind im Spreewald verabredet,<br />
mein Bruder Bruno, Schwägerin Gerdi,<br />
die damals noch rank und schlank und<br />
eins zu eins die Doppelgängerin Gudrun<br />
Ensslins war, und ich.<br />
Früh am Morgen, Nebel liegt über<br />
Feldern und Auen, schlendern wir dem<br />
Hafen zu, vorbei an einem ersten Touristenpaar.<br />
Wir wünschen guten Morgen,<br />
und die beiden grüßen freundlich<br />
zurück. Dann bleiben wir wie auf Kommando<br />
stehen. »Könnte es sein, dass ...«<br />
»Klar«, sagt Bruno. »Das ist der Kanzler.«<br />
Vorsichtig drehe ich mich um. Das<br />
Paar will zum Hafen wie wir. Vier Touristenkähne<br />
liegen leer. Aber dahinter<br />
das, was wir uns vorstellen: Bootstische,<br />
weiß gedeckt, Körbchen <strong>mit</strong> Spreewaldschnäpschen<br />
und Schüsselchen<br />
<strong>mit</strong> Spreewaldgurken. Der Fährmann,<br />
in gebügeltem Hemd, wartet bereits.<br />
Der Wasserarm dampft, im Wald erwachen<br />
die Vögel.<br />
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»Wir brauchen Bier«, sagt Bruno und<br />
vergewissert sich, dass der Kanzler noch<br />
nicht aufgeholt hat. Es ist zehn vor<br />
sechs, doch wir bekommen es am<br />
Stand, der wundersamerweise schon<br />
geöffnet hat, lassen uns einen Beutel<br />
geben. Den Beutel trägt Bruno. Ich<br />
spiele <strong>mit</strong> meinem neuen Jagdmesser:<br />
Klinge raus, Klinge rein.<br />
»Steck du das Messer weg«, raunt<br />
Gerdi.<br />
Der Kanzler hat jetzt den Kiosk erreicht.<br />
Wir sind schon beim Kahn, und<br />
Bruno sagt salopp: »Meister, er kommt<br />
jetzt.«<br />
»Was sag ich dem bloß?«, fragt uns<br />
der Schiffer. Er ist nervös, hofft auf Anweisungen.<br />
»Bleiben Sie ruhig, Mann«, sagt<br />
Bruno, der sich als Nervenarzt in die<br />
Pflicht genommen fühlt, »seien Sie locker.<br />
Sagen Sie ihm, der Kubaner und<br />
der Psychiater sind schon an Bord. Es<br />
hat alles seine Ordnung.«<br />
Der Mann atmet durch, zieht die<br />
Weste glatt. »Ich gehe jetzt mal hin.«<br />
Wir beobachten, wie der Kanzler herüberblickt.<br />
Soll er oder soll er nicht?<br />
Er kommt heran. Wie aus der Erde gestiegen,<br />
finden sich grußlos zwei ältere<br />
Leute ein, besetzen den <strong>mit</strong>tleren Tisch,<br />
lassen uns nicht aus den Augen. Für<br />
den berühmten Mann haben sie keinen<br />
Blick. Der trägt eine Öljacke und hilft<br />
seiner Frau ins Boot. Ansonsten sieht<br />
er aus wie auf Plakaten.<br />
Wir legen ab, fahren in den Wald.<br />
Der Fährmann erzählt über Spreewaldhäuser.<br />
Dass, wenn man sie abreißt,<br />
keine neue Baugenehmigung zu bekommen<br />
ist.<br />
»Muss man eben eine Wand stehen<br />
lassen«, rät der Sozialdemokrat, »dann<br />
ist es eine Reparatur.« Er lacht, wirft<br />
BECK<br />
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aber Blicke zu uns dreien: zwei Männer,<br />
eine Frau, ein Beutel. Wir grinsen<br />
zurück.<br />
Jetzt die Schleuse. Der Regierungs -<br />
chef, ganz locker, darf an Land springen,<br />
<strong>mit</strong> einem eisernen Rad ein Wehr<br />
hochkurbeln. Gerdi, die wirklich keine<br />
Linke ist, die Linken für zu weit rechts<br />
hält, kreiert im Flüsterton einen Wahl -<br />
slogan: »Ein Mann, der Schleusen öffnet!«<br />
»Das glaubt uns kein Mensch«, murmelt<br />
Bruno, lädt den Apparat durch<br />
und schießt ein Foto.<br />
»Kein Wort davon zu Mausi«, flüstere<br />
ich zurück, »das heb ich mir für<br />
später auf, okay?«<br />
Dann sind wir wieder alle im Boot.<br />
Der hohe Gast, seine Frau, die feindseligen<br />
alten Würstchen, wir.<br />
Die Kneipe zur Rast liegt weitab<br />
vom letzten Dorf. Zwei Männer <strong>mit</strong><br />
Rollerskates an den Füßen lümmeln<br />
am Tisch und werden von den Herrschaften<br />
lässig begrüßt. Bruno und ich<br />
lassen Gerdi, die sich hinter einer großen<br />
Sonnenbrille versteckt, auf der<br />
Terrasse zurück, schauen uns um: eine<br />
ausgebaute Scheune, ein Backhaus.<br />
Plötzlich ist ein junger Mann um uns.<br />
Er wirkt gestresst, steckt in einem<br />
Sportanzug <strong>mit</strong> Ellbogenschützern,<br />
Knieschalen. Sein Schuhwerk erinnert<br />
an Science-Fiction-Filme, sein futuristisches<br />
Rad, das an der Wand lehnt,<br />
nicht minder. Wir halten ihn zunächst<br />
für den durchgeknallten Sohn des<br />
Hauses.<br />
»Schön zum Feiern«, sagt er zusammenhanglos,<br />
turnt in allen Ecken herum,<br />
als suche er was. Dann gewahren<br />
wir, wie er sich <strong>mit</strong> den beiden anderen<br />
Sportlern verständigt. Wir wissen<br />
jetzt, wer die sind. Wer aber, glauben<br />
die, sind wir?<br />
Später steigen wir wieder in den<br />
Kahn, unseren Kahn. Der Radfahrer<br />
gibt den Skatern ein Zeichen, klappt<br />
ein Kopfmikrofon unterm Basecup<br />
runter. Bruno grinst und gebraucht<br />
sein Lieblingswort: »Zwanghaft!«<br />
Der Fährmann wirkt bedrückt, beobachtet<br />
uns jetzt auch. Auf offenem<br />
Feld, in Sichtweite ihres Hotels, lässt<br />
er die hohen Gäste plötzlich an Land.<br />
Vom Ufer her, entspannt, winken sie<br />
uns zu.<br />
»So«, sagt Bruno, »jetzt, wo der Chef<br />
von Bord ist, können wir uns ans Bier<br />
machen! Haben Sie Becher dabei?«<br />
»Klar, Jungs!« Er wirft sie uns zu.<br />
»Hat der Massel bei Frauen«, schwärmt<br />
er, »aber sonst – ein ganz normaler<br />
Mensch, was?« Er ist erleichtert.<br />
Gerdi beißt den Verschluss von der<br />
Flasche. »Das wär’s gewesen«, sagt sie,<br />
lächelt aufmunternd den zwei düsteren<br />
Mordwurzen zu, die immer noch<br />
im Boot hocken.<br />
»Wir haben wieder mal überlebt«,<br />
gebe ich zu und stecke mir eine Havanna<br />
an.<br />
»Die anderen ebenso.« Bruder Bru -<br />
no lächelt fein.<br />
»Alles verschenkt«, sagt Gerdi Ensslin<br />
und zieht <strong>mit</strong> einem Plopp den Finger<br />
aus der Flasche.<br />
»Frohe Ostern!«, ruft der Fährmann,<br />
und das war’s dann auch.<br />
Bleibt noch die Frage, ob ich nicht<br />
aus der Tochter einen Sohn und aus<br />
dem Enkel eine Enkelin oder Zwillinge<br />
machen sollte, zumal Mausi sich immer<br />
welche wünschte. Wenigstens sähe<br />
sie den guten Willen.<br />
Andererseits: warum dann nicht<br />
auch den Kanzler in die Kanzlerin umwandeln<br />
oder gleich in den Ersten Sekretär<br />
des Politbüros? Kann man ausschließen,<br />
dass einen der Altkanzler<br />
<strong>mit</strong> Anwälten beaast, wenn seine Spezis<br />
die Geschichte erst mal rastern?<br />
Besser, ich kaschiere nichts – als Co-<br />
Autor für Aufsätze muss man redlich<br />
sein.<br />
Rainer Klis<br />
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❦Lesezeichnen❦<br />
LITERATUREULE 4/14 79
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Biskupeks Auslese (I)<br />
Alles Bio<br />
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Informieren & Akzente setzen<br />
szene nicht kennt, wird hier gut unterrichtet.<br />
Dabei geht es dem Autor<br />
immer um Politik, Liebe, linke Politik,<br />
um das Schreiben, die Poetenseminare<br />
seligen Angedenkens und Existenzängste<br />
eines Schriftstellers, um Erinnern<br />
und Vergessen: »Jeder Mann<br />
ist ein Sexobjekt – oder er ist es eben<br />
nicht, dann hat er Pech gehabt.«<br />
★<br />
Jan Eik erzählt über »30 Jahre im<br />
Rundfunk der DDR«, wo er Eine<br />
Als Gisela Kraft im Januar 2010 starb, Menge Spaß hatte (Kulturmaschinen).<br />
Als Krimiautor ist er berühmt,<br />
hinterließ sie »Deutsch-deutsche Erinnerungen«.<br />
Die Veröffentlichung ließ wenn es dieses Etikett für Krimi -<br />
auf sich warten, denn in Gisela Krafts schreiber jenseits der Chandlersimenons<br />
überhaupt gibt; als »Weltbühne«-<br />
letztem Wohnort Weimar, von Kisch als<br />
»Naturschutzpark der Geistigkeit« bespöttelt,<br />
tobte ein Kampf der Kraft-Verkannt,<br />
und in diesem Buch zeigt er<br />
Autor und Jazz-Kritiker war er bewalter:<br />
Sind UNSERE MENSCHEN so sich als Kindheits-Erinnerer von Rang.<br />
weit, das richtig einzuordnen? Wird da Wie das bei Autobiografien und der<br />
nicht die DDR geschönt, schlimmer: Hautfarbe ist: blasser im Alter. Eik erzählt<br />
ohne Zorn und Eifer, aber <strong>mit</strong><br />
Wird das Kraft-Gesamtwerk durch dieses<br />
letzte nicht entkräftet?<br />
Details von Unkraut-Ex bis Azeton,<br />
Nun erschien Mein Land, ein anderes,<br />
unverändert, <strong>mit</strong> Vor- und werden beim Namen genannt, jene<br />
von RIAS bis RBI. Manche Freunde<br />
Nachwort, in einem kleinen, mutigen <strong>mit</strong> geheimen Namen bleiben in geschlossenen<br />
Akten: Eik petzt nicht, ver-<br />
Dresdner Verlag (edition azur). Erinnerungs-Zentrum<br />
ist die Übersiedlung rät aber, dass der EULENSPIEGEL<br />
der Übersetzerin, Dichterin und Erzählerin<br />
Gisela Kraft in falscher Richtung: sandte.<br />
einst seine Texte <strong>mit</strong>leidlos zurück-<br />
Von Berlin-Kreuzberg nach Berlin-<br />
★<br />
Friedrichshain. 1984! Und siehe: keine Ein Milchmädchenstreich ist Laura<br />
Beschönigung, sondern ein humorvoller,<br />
auch sarkastischer Blick auf einen Fotobuch In den Fängen der Ge-<br />
von Wangenheims kommentiertes<br />
Staat zwischen Balkan und Preußen. schichte (Rotbuch). Ihre Großmutter<br />
Porträts der Freunde, Liebesgeschichten,<br />
Geheim-Geschichten, verpatzte der Sekretärin ihres Mannes durch-<br />
Inge von Wangenheim, die einst <strong>mit</strong><br />
Schauspielerinnengeschichten. Kleine brannte und lesbische Liebe in einer<br />
Blicke in die Übersetzer-Trickkiste und Kleinstadt lebte (Ende der Fünfziger!),<br />
weite Blicke in Morgenländereien: Wer wäre Roman plus Biografie plus Zeit-<br />
Biografien mag, muss diese lesen. Report wert. Hier werden ihre mehr<br />
★<br />
oder weniger guten, längst bekannten<br />
Der Berliner Schriftsteller und Schwulen-Aktivist<br />
Michael Sollorz erzählt hanebüchenen und fehlerhaften Kom-<br />
Fotos aus dem sowjetischen Exil <strong>mit</strong><br />
sein Leben anhand eines Jahres: mentaren versehen, <strong>mit</strong> Zeitbetrachtungen,<br />
die Hubertus Knabe samt al-<br />
Fünfzig – Ein Tagebuch (MännerschwarmVerlag).<br />
Sling und FSM, GK len Opferverbandsschriftstellern kaum<br />
und natürlich BDSM – Buchstaben, kenntnisfreier gelängen: Großmama<br />
hinter denen Sollorz seine Erlebnisse war einfach unbelehrbar und dämlich.<br />
versteckt und hervorholt. Wer Berlin Wie im Märchen hat sich Enkelchen<br />
kennt, wird Kneipen, Straßen, Clubs da<strong>mit</strong> selbst ihr Urteil gesprochen.<br />
wiederfinden, und wer die Schwulen-<br />
★<br />
»Eva und der Wolf« hieß 1998 Eva-<br />
Maria Hagens Buch-Affäre <strong>mit</strong> Wolf<br />
Biermann. Nun hat sie »Maria und Peter«<br />
zum viel leichteren, aber schnörkeligen<br />
Liebesbriefbüchlein gebündelt:<br />
Liaison amoureuse (<strong><strong>Eule</strong>nspiegel</strong><br />
Verlag) <strong>mit</strong> wie immer meisterlichen<br />
Texten auch von Peter<br />
Hacks. Vorm Hintergrund beider Bücher<br />
wird deutlich, warum der Hacks<br />
den Biermann nicht ausstehen moch -<br />
te. Und umgekehrt.<br />
LITERATUREULE 4/14 81<br />
Von Erfolgsautor<br />
Günter F. Gross<br />
Älter werden Sie.<br />
Jung bleiben Sie!<br />
Bewahren Sie Ihre Jugendlichkeit!<br />
288 Seiten, Hardcover<br />
H 24,90<br />
„Menschen bleiben so<br />
lange jung wie sie ent-<br />
schlossen sind, zu wirken und zu geben.“<br />
Maximen, Ideen und Weisheitsregeln für<br />
Ältere, die ihre Freiheit und Zeit schöpferisch<br />
für sich und andere nutzen wollen.<br />
Hans-Joachim Hahn<br />
Lutz Simon<br />
Höllensturz und Hoffnung<br />
Warum unsere Zivilisation<br />
zusammenbricht und wie sie sich<br />
erneuern kann<br />
256 Seiten, Hardcover<br />
H 22,90<br />
Wohin steuert unsere sellschaft? Droht unsere<br />
Zivilisation im Inneren zu kollabieren, die innere<br />
Ge-<br />
Verfassung unserer westlichen Welt zu zerbrechen?<br />
Wer wollte den Krieg, wer<br />
den Frieden? Viele Fragen,<br />
die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ be-<br />
treffend, sind noch geklärt oder müssen neu<br />
gestellt werden. Der Freiburger Historiker Prof.<br />
Hans Fenske nimmt sich dieser Aufgabe an.<br />
Zehn Professoren betrachten aus ihrem jeweiligen<br />
Fachgebiet die zukunftsbedrohenden Entwicklungen<br />
im Inneren unserer Zivilisation: Uns droht<br />
ein „Höllensturz“, wenn wir nicht zur Umkehr<br />
<br />
Hans Fenske<br />
Der Anfang vom Ende<br />
des alten Europa<br />
Die alliierte Verweigerung von<br />
Friedensgesprächen 1914 – 1919<br />
144 Seiten, Broschur<br />
H 19,90<br />
www.lau-verlag.de<br />
ISBN 978-3-95768-084-6<br />
ISBN 978-3-95768-022-8<br />
ISBN 978-3-95768-096-9
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Biskupeks Auslese (II)<br />
Criminale<br />
Auch das muss sein: deutscher Krimi.<br />
Wir wenden uns liebevoll dieser zarten<br />
heimischen Pflanze zu und sind<br />
bei Beate Vera, was wir <strong>mit</strong> »Glücklicher<br />
Glaube« übersetzen, denn der<br />
Name wird doch hoffentlich ein Pseudonym<br />
sein. Wo der Hund begraben<br />
liegt (Jaron) nennt sich »Ein Provinzkrimi<br />
aus Berlin«. Denn der<br />
Mords-Schauplatz liegt dort, wo Berlin<br />
am südwestlichsten ist. Es gibt einen<br />
Kommissar und seine ihn immer<br />
heftiger liebende Hobby-Er<strong>mit</strong>tlerin,<br />
die sich vor allem dadurch auszeichnet,<br />
dass sie glamouröse Whisky-Sorten<br />
kennt und während der Handlung<br />
selbige genießt. Bekleidet man nun<br />
noch die handelnden Figuren <strong>mit</strong><br />
rauchblauen Trägerkleidern aus Viskose<br />
oder <strong>mit</strong> schwarzen Etuikleidern<br />
samt U-Boot-Ausschnitt, lässt Party-<br />
Einladungskarten aus schlichtem Büttenpapier<br />
<strong>mit</strong> eigens dafür gekaufter<br />
brauner Tinte von Hand beschreiben,<br />
haben wir die Story begriffen. Denn<br />
glücklich ist, wer glaubt, das seien die<br />
wichtigen Quellen und Bestandteile eines<br />
deutschen Krimis.<br />
★<br />
Auch in Berlin, aber vor gut achtzig<br />
Jahren spielt Martin Keunes Krimi<br />
Die Blender (be.bra). Der Buchtitel<br />
taucht in einer Rede erstmals auf Seite<br />
33 auf; es geht um »übersinnliche Phänomene«,<br />
folglich verschmort ein Opfer<br />
im Blitz und lebt danach dennoch.<br />
Da<strong>mit</strong> wir den Zeitgeist aber wirklich<br />
begreifen, hat der Kommissar »expressionistische<br />
Gesichtszüge«, und »der<br />
Tod verlieh dem fein geschnittenen<br />
ebenmäßigen Gesicht der Greisin eine<br />
filigrane Transparenz, die jede kleine<br />
Falte wie von innen leuchten ließ«. Alfred<br />
Döblin grüßt vom Alexanderplatz,<br />
lediglich die von der Polizei bevorzugte<br />
»Teamarbeit« passt nicht<br />
ganz in die fein geschnittene, ebenmäßige<br />
Erzählweise.<br />
★<br />
Nachdem Leonhard F. Seidl schon<br />
in Krankenhäusern kriminalistisch tätig<br />
war und dies in seinem Debüt<br />
durchaus spannend aufbereitete, steht<br />
nun das Genre »Kriminalroman« auch<br />
auf dem Umschlag. Genagelt(emons)<br />
wurde das erste Opfer ans »Schwammerl«.<br />
Wir sind <strong>mit</strong>ten in einer stockkatholischen<br />
Gegend, wo man die<br />
Kreuzigung als bodenständige Hinrichtungsart<br />
praktiziert. Der handelnde<br />
Privatdetektiv, ein Vegetarier, wird das<br />
ganze lange Buch als Täter verdächtigt,<br />
doch niemals geht er der Polizei<br />
ins Netz, obwohl er ständig seinen<br />
Sohn, in Windeln gewickelt (!), aber eigentlich<br />
doch kreuz(!)brav, <strong>mit</strong> sich führen<br />
muss. Neben den praktischen<br />
Mordtaten geht es um Landschaftszerstörung,<br />
Autobahnbau, Schuh platteln,<br />
Schwulenhass, Haxenessen, Trachtengruppen,<br />
CSU-Filz, also alles, was wir<br />
Nichtbayern <strong>mit</strong> Bayern verbinden.<br />
Wirkliches <strong>Literatur</strong>neuland betritt<br />
Seidl <strong>mit</strong> eingestreuten Dialektausdrücken;<br />
wir empfehlen für künftige<br />
Bücher, die Rätselstruktur des Krimis<br />
<strong>mit</strong> Dialekträtseln zu verknüpfen.<br />
★<br />
»Das ist hier doch kein Till-Schweiger-<br />
Tatort oder irgendein hanebüchen erdachter<br />
Krimi eines Möchtegern-Autors!«<br />
Solche Sätze von Kommissaren<br />
muss man in fast jedem deutschen<br />
Krimi lesen. Bernd Kaufholz lässt<br />
in seinem Magde-Bürger-Buch Tödlicher<br />
Skorpion (Mitteldeutscher<br />
Verlag) so viele Morde veranstalten,<br />
wie ganz Sachsen-Anhalt in einem<br />
Jahr kaum aufzubringen vermag. Weil<br />
der Hauptbösewicht entkommt, muss<br />
man befürchten, dass dem Skorpion<br />
Krebs, Wassermann, Steinbock oder<br />
Jungfrau folgen.<br />
Ein viel spannenderer Krimi, um es<br />
in einem Satz zu sagen, aus demselben<br />
Verlag, zwar streckenweise etwas unbeholfen<br />
geschrieben, aber <strong>mit</strong> großer<br />
Materialfülle, <strong>mit</strong> überraschenden<br />
Wendungen, <strong>mit</strong> Handlungsorten von<br />
Rostock bis Rudolstadt, <strong>mit</strong> geheimen<br />
Berichten, prominenten Persönlichkeiten,<br />
entlarvten Tätern und bitter enttäuschten<br />
Opfern und <strong>mit</strong> immer wieder<br />
herausragenden stolzen Ergebnissen,<br />
die die deutsche Nationalliteratur<br />
bis heute bewegen, herausgegeben von<br />
einer Ménage à trois, nämlich Siegfried<br />
Lokatis, Theresia Rost und<br />
Grit Steuer, (Achtung, jetzt kommt<br />
das Prädikat!) berichtet von »Abenteuern<br />
im Leseland« und trägt die Kennung<br />
Vom Autor zur Zensurakte.<br />
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Extrem gefährlich<br />
Lassen Sie sich fesseln …<br />
Franziska Steinhauer<br />
Die Stunde des Medicus<br />
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374 S. · € 12,99<br />
Im Herbst 1813 wird in Leipzig eine<br />
geschundene Frauenleiche gefunden.<br />
Gerüchte über ein riesiges wildes Tier<br />
kursieren, das sein Unwesen in der<br />
Gegend treiben soll. Der Medicus Dr.<br />
Prätorius hingegen hält einen Menschen<br />
für den Schuldigen<br />
…<br />
Patricia Holland Moritz<br />
Die Einsamkeit des Chamäleons<br />
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347 S. · € 11,99<br />
Die Häufung von Todesfällen in einer<br />
Berliner Recyclingfirma scheint niemandem<br />
aufzufallen. Also er<strong>mit</strong>telt Rebekka<br />
Schomberg ungefragt und stößt auf einen<br />
perfiden Kunstdeal sowie auf ein tatsäch-<br />
lich totgeschwiegenes Verbrechen.<br />
G. Bode-Hoffmann / M. Hoffmann<br />
Infantizid<br />
.................................................<br />
436 S. · € 11,99<br />
Im thüringischen Weimar wird ein<br />
brutaler Raubüberfall auf einen Geldtransporter<br />
verübt, bei dem die Sicherheitsleute<br />
getötet werden. Der Täter<br />
kann entkommen, verursacht jedoch<br />
auf seiner Flucht einen schweren Verkehrsunfall<br />
…<br />
Herbert Beckmann<br />
Verrohung<br />
.................................................<br />
315 S. · € 11,99<br />
Zuerst trifft es eine junge Frau in einem<br />
Multiplexkino am Potsdamer Platz. Auf<br />
sie wird ein tödlicher Brandanschlag<br />
verübt. Kurz darauf wird ein alter<br />
Mann gegenüber dem Sony-Center vor<br />
einen Bus gestoßen. Die Morde halten<br />
ganz Berlin in Atem!<br />
Steffen Mohr<br />
Merks er<strong>mit</strong>telt in Leipzig<br />
.................................................<br />
160 S. · € 6,99<br />
Steffen Mohr schickt seinen Kommissar<br />
Gustav Merks quer durch Leipzig. Der<br />
Er<strong>mit</strong>tler muss 40 Verbrechen lösen. Ob<br />
ihm das gelingt? Für den gilt es, die eigenen<br />
kriminalistischen Fähigkeiten unter<br />
Beweis zu stellen und Gustav Merks<br />
zum Tatort zu begleiten.<br />
LITERATUREULE 4/14 83<br />
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Biskupeks Auslese (III)<br />
Die lieben Kleinen<br />
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Mecklenburg-Vorpommern<br />
auf kulturellen Pfaden entdecken!<br />
Der pädagogische Zeigefinger ist aus men und Reimlichkeiten nutzt, ergibt<br />
guten – oder schlechten – Gründen das Kindergedichte. Haben Ringelnatz,<br />
dem männlichen skabrösen Requisit Mor genstern & Co. umsonst Käse in<br />
(Heinrich Heine) ähnlich. In moderner<br />
Kinderliteratur taucht er nie auf, »Montag früh« gereimt?<br />
Sofaritzen gestopft und »Pitschü« auf<br />
aber lauert immer, weil für Kinder so In Anton fährt aufs Land (annette<br />
betz) sind die farbigen Zeichnun-<br />
geschrieben werden muss, wie für Erwachsene,<br />
nur politisch noch korrekter.<br />
Ein Negerkönig ist ein Südseeköniger<br />
vielschichtig, dafür will der Text<br />
gen von Nele Palmtag vielleicht wenig<br />
ist ein Südseekönig ist kein Negerkönig.<br />
anderes sein als die gereimte Ge-<br />
von Xochil A. Schütz auch nichts<br />
Ob Laika - Die Kosmonautin schichte, die im Titel steht. Das hat einen<br />
kleinen Witz, aber auch keinen<br />
(annette betz) heutzutage in Ländereien,<br />
die einst von sowjetischen Weltraumerfolgen<br />
besetzt waren, nicht völ-<br />
★<br />
großen Anspruch.<br />
lig falsche Assoziationen hervorruft? Die Indianerbücher von Antje Babendererde<br />
sind seit Jahren Lesetipps für<br />
Im englischen Originalverlag trug das<br />
Bilderbuch von Owen Daveyden Untertitel<br />
»Die Astronautin«, wies aber die Autorin erstmals ins gegenwärtige<br />
heranwachsende Damen. Jetzt hat sich<br />
<strong>mit</strong> kyrillischen Buchstabenbildern Thüringen begeben und bringt in Isegrim<br />
(Arena) zudem den Wolf, den Zu-<br />
eindeutig auf das Moskau des Jahres<br />
1957 hin. »Laika war eine kleine Streunerin,<br />
die in den Straßen Moskaus um-<br />
Schafzerfleischer, ins Jugendbuch. Jola,<br />
wanderer aus Polen und gruseligen<br />
herstreifte.« Bürger, die vor fünfzig bis 16, hat zwar Dauerfreund Kai, sucht<br />
sechzig Jahren Kinderbücher lasen – aber in der Einsamkeit des Waldes, auf<br />
nein lesen mussten –, werden fortsetzen<br />
können: Laika und später Belka platz, etwas anderes. Natürlich die<br />
einem ehemaligen Truppenübungs-<br />
und Strelka waren die ersten sozialistischen<br />
Lebewesen im All. Es gab da-<br />
Abenteuers der Natur.<br />
große Liebe, am besten in<strong>mit</strong>ten des<br />
mals in der demokratischen und besten<br />
aller Welten schauerliche Storys eine Dorfgemeinschaft, in der sich<br />
In Jolas Dorf Altenwinkel gibt es<br />
über die hundeverachtende Sowjetgesellschaft,<br />
die Laika im All sterben ließ. gab es einen Mord und vor sehr vie-<br />
plötzlich Wölfisches zeigt: Vor Jahren<br />
Kindern in den Sowjetlagern erzählte len Jahren Besatzer und Manöver. Und<br />
man, dass sie ein Futter bekommen jetzt haust im Wald ein polnischer<br />
hatte, das sie tief einschlafen ließ. Junge …<br />
Owen nun lässt seine Laika weiterleben.<br />
Das ist hundefreundlich und vol-<br />
bietet allerdings arg viel Personal auf,<br />
Babendererde schreibt spannend,<br />
ler Humor. Doch an keiner Stelle des das eines Besetzungszettels bedurft<br />
Bandes wird darauf hingewiesen, dass hätte. Ihr gelingen packende Episoden,<br />
sowjetische Weltraumerfolge nur die zu genießen man auch als Erwachsener<br />
sich nicht schämen muss. Wolfs-<br />
dank Doping und Spionage erreicht<br />
wurden.<br />
hasser und Wolfsschützer liefern sich<br />
★<br />
wie im richtigen Forstverwaltungsleben<br />
heftige Kämpfe, und wenn die je-<br />
Mario Wirzhat Krähenkrach und<br />
Katzenträume (Annette Betz) irgendwann<br />
vor sich hin gedichtet. Von berichte einander an den Kopf knallen<br />
weiligen Lager nicht nur dürre Fakten-<br />
drei Illustratorinnen wurden sie jetzt, möchten, sondern im Wortsinn blutvolle<br />
Erlebnisse, sollten sie dieses viel-<br />
nach seinem Tode, zu einem bunten<br />
Buch gemacht, in dem nur eines stört: leicht nicht immer politisch korrekte<br />
Mario Wirz’ Texte. Er glaubte wohl, Buch nutzen. Enthält auch skabröse Requisiten<br />
im Heineschen Sin wenn er genügend Verkleinerungsfor-<br />
ne.<br />
LITERATUREULE 4/14 85<br />
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WOLFGANG HELD,<br />
der Autor des international<br />
erfolgreichen Films und des<br />
danach entstandenen Romans<br />
„Einer trage des anderen Last“<br />
erzählt aus seinem Leben, über<br />
Freunde und Kollegen, von<br />
seinen Reisen, und er zitiert Passagen<br />
aus seinen Tage büchern.<br />
„Ich erinnere mich“ ist Wolfgang<br />
Helds beeindruckende Schilderung<br />
seines reichen literarischen<br />
Schaffens ebenso wie das überzeugende<br />
Bekenntnis seines<br />
politischen Lebens.<br />
OLIVER OTTITSCH<br />
Wolfgang Held: Ich erinnere<br />
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Was tun, wenn<br />
Schreibblockade?<br />
• Lernen Sie erst mal Lesen und<br />
Schreiben.<br />
• Schreiben Sie sich <strong>mit</strong> ein paar Autogrammkarten<br />
warm.<br />
• Schreiben Sie niemals auf leeren<br />
Kopf.<br />
• Wenn Sie merken, dass Ihr kreativer<br />
Motor ins Stottern gerät, speichern<br />
Sie den Text bitte rechtsbündig<br />
ab, da<strong>mit</strong> der nachfolgende<br />
Schriftverkehr links vorbeiziehen<br />
kann.<br />
• Haben Sie keine neuen Ideen, verwenden<br />
Sie Recycling-Papier.<br />
• Achten Sie auf leichte Kost, wie<br />
zum Beispiel Wortsalat.<br />
• Lassen Sie eine Schriftprobe auf<br />
Bandwurmsätze überprüfen, die<br />
als Begleitsymptom häufig Sprechdurchfälle<br />
auslösen.<br />
• Wollen Sie sich von der Muse küssen<br />
lassen, nehmen Sie sich vor<br />
Lippenherpes in Acht.<br />
• Der Druck des Schreibenmüssens<br />
führt oftmals zu einer Konsonantenverdichtung,<br />
der nflsbrKlpnrzgt.<br />
• Falls Sie sich häufig verschreiben,<br />
sollten Sie alle verschreibungspflichtigen<br />
Medikamente absetzen.<br />
• Da sich im Zuge einer Schreibblockade<br />
häufig zahlreiche abgedroschene<br />
Metaphern anstauen, sollten<br />
Sie für den Fall, dass Ihnen ein<br />
zündender Gedanke kommt, vorsichtshalber<br />
Löschpapier bereithalten.<br />
• Überwinden Sie die Schreibblockade<br />
<strong>mit</strong>hilfe einer Überschrift.<br />
Wertvolle Tipps<br />
für Jungautoren<br />
• Falls das nicht funktioniert, versuchen<br />
Sie es <strong>mit</strong> einer Unterschrift.<br />
• Wenn Sie die harte Tour bevorzugen,<br />
können Sie es auch <strong>mit</strong> einer<br />
Durchschrift versuchen.<br />
• Kaufen Sie sich ein Oxymoron und<br />
machen Sie aus Ihrer Schreibblockade<br />
eine produktive Schreibblockade.<br />
• Möglicherweise ist Ihre Schreibblockade<br />
nur ein Denkzettel Ihres Unterbewusstseins,<br />
da Sie als Autor<br />
noch ein unbeschriebenes Blatt<br />
sind.<br />
• Solange Sie Ihren Druckkopf nicht<br />
freikriegen, werden Sie auch keine<br />
Tinte auf den Füller bekommen.<br />
• Sollten Sie den roten Faden in Ihrer<br />
Geschichte verloren haben,<br />
wäre es ratsam, sich nur <strong>mit</strong> einem<br />
Minothesaurus ins Labyrinth der<br />
Sprache zu wagen.<br />
• Gewinnen Sie trotzdem den <strong>Literatur</strong>nobelpreis,<br />
indem Sie – so der<br />
O-Ton der Jury – »eine Generation<br />
verkörpern, die nichts zu sagen<br />
hat«.<br />
• Wenn Sie keine eigenen Ideen haben,<br />
suchen Sie sich ein Abschreibungsobjekt.<br />
• Bei länger anhaltender Schreibblockade<br />
schulen Sie am besten zum<br />
Spamfilter um.<br />
• Beginnen Sie niemals einen Text<br />
<strong>mit</strong> dem Satz »Im Anfang war das<br />
Wort«, wenn Sie es nicht auch so<br />
meinen. Michael Kaiser<br />
www.eckhaus-v<br />
erlag.de 86 LITERATUREULE 4/14
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Bankgeflüster<br />
Ich: Guten Morgen.<br />
Frau Befeld: Tach.<br />
Ich: Kann ich Sie was fragen?<br />
Frau Befeld: Ob Se könn, weeß ick nich, aber Se<br />
könn’s jerne ma vasuchen.<br />
Ich: Geht auch ganz schnell.<br />
Frau Befeld: Jaja. Dit sach ich och imma. Stümmt<br />
nie.<br />
Ich: Darf ich trotzdem?<br />
Frau Befeld: Klar. Dabei mach ich hia seit neune<br />
extra ’n Jesicht, dass niemand uffe Idee kommt, mia<br />
wat fragen zu woll’n. Aber bitte bitte. Schieß’n Se ruhig<br />
los, junger Mann.<br />
Ich: Ich hab Probleme <strong>mit</strong> dem Bankautomat.<br />
Frau Befeld: Soll ich Ihn ma was anvertraun?<br />
Ich: Aber bitte. Gern.<br />
Frau Befeld: Dit is keene Frage, dit is ’ne Aussage.<br />
Ich: Wo Sie recht haben, haben Sie recht.<br />
Frau Befeld: Seh’n Se.<br />
Aber Sie sehn mia aus wie’n kleveret Kerlchen, Sie<br />
kriejen dit schon noch hin <strong>mit</strong> die Fragerei. Sie müssen<br />
dit Janze nur’n bißchen umformulieren.<br />
Ich: Einverstanden: Warum hab ich Probleme <strong>mit</strong><br />
dem Bankautomat?<br />
Frau Befeld: So jut kenn ick Se leider nicht, dass<br />
ich dit beantworten könnte.<br />
Ich: Sind sie kaputt?<br />
Frau Befeld: Nee. Ick war schon immer so.<br />
Ich: Nicht Sie! Ob die Bankautomaten kaputt sind,<br />
will ich wissen.<br />
Frau Befeld: »Da kommt keen Geld aus’m Automat.<br />
Ick gloob, der is im Eimer!«<br />
Ich: Bitte?<br />
Frau Befeld: Dit is imma dit Erste, was ick zu hören<br />
bekomme. Is Ihn’ schon ma in’n Sinn jekommen,<br />
dass es da vielleicht ’ne andre Ursache jibt, wenn der<br />
Automat nichts herjeben will?<br />
Ich: Ich will aber gar nichts abheben.<br />
Frau Befeld: Ach so! Na, dann ist dit ja och keen<br />
Wunder, dass da nüscht kommt! Sin Se also doch<br />
Anzeigen<br />
nich so klever, wie ick anfangs jedacht hab.<br />
Ich: Sie versteh’n mich nicht.<br />
Frau Befeld: Würd ick zwar ’n bißchen anders formulieren,<br />
aber im Grunde ham Se recht. Ich vasteh<br />
Se würklich nich.<br />
Ich: Ich will nichts abheben. Ich will was einzahlen!<br />
Frau Befeld: Wat woll’n Se?<br />
Ich: Was einzahlen!<br />
Frau Befeld: Wie »was einzahlen«!?<br />
Ich: Na, was einzahlen will ich! Geld. Aus meiner<br />
Hand auf mein Konto!<br />
Frau Befeld: Se sind nich von hia, wa?<br />
Ich: Was?<br />
Frau Befeld: Komm Se ma her.<br />
Ich: Was?<br />
Frau Befeld: Komm Se ma näher ... noch näher ...<br />
Dreh’n Se sich ma um. Aber langsam. Sehn Se dit?<br />
Die Leute da. Inna Schlange hinta Ihn? 20 traurige<br />
Jesichter. Eens häßlicher wie dit andere. Glooben Se<br />
ernsthaft, von denen will och nur eener wat einzahln?<br />
Ich: Wollen Sie mir weismachen, dass man bei Ihrer<br />
Bank kein Geld einzahlen kann?<br />
Frau Befeld: Wenn dit meene Bank wär, würd ich<br />
och keene Einzahlungen anbieten. Ick würd aber<br />
och keene Auszahlungen machen. Is aba nich meene<br />
Bank.<br />
Ich: Zum Glück.<br />
Frau Befeld: Jetz wer’n Se mia ma nich unfreundlich,<br />
junger Mann.<br />
Ich: Kann ich nun was einzahlen oder nicht?<br />
Frau Befeld: Kann ick Ihn’ nich sagen. Kommt hia<br />
nich so häufig vor. Ick arbeite ja och noch nicht so<br />
lange hia.<br />
Ich: Seit wann denn?<br />
Frau Befeld: Lassen Se mich ma rechnen. Wann<br />
war dit <strong>mit</strong> die Mauer?<br />
Ich: ’89?<br />
17.02.14 21:46 Seite 1<br />
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88 LITERATUREULE 4/14
Frau Befeld: Nee. ’61.<br />
Ich: Ich hab das Jefühl, wir kommen hier nicht<br />
weiter.<br />
Frau Befeld: Kenn ick. Kenn ick sehr jut. Ick hab<br />
dit Jefühl jeden Tag. Montag bis Freitag. Von neune<br />
bis um fünf.<br />
Ich: Sie können also gar nichts für mich tun?<br />
Frau Befeld: Ick kann ma den Filialleiter fragen,<br />
wejen die Einzahlung. Heeßt dat wirklich so? Ein-<br />
Zahlung? Klingt so komisch. Gloob nich, dass ick<br />
dit Wort schoma in’n Mund jenommen hab. Ein-<br />
Zahlung. Na ick frag mal den Herrn Heßlein, da<strong>mit</strong><br />
Se sich ’n bißchen besser fühlen, wa.<br />
HERR HESSLEIN! Hier will eeiner wat einzahlen.<br />
Herr Heßlein: Wat will der?<br />
Frau Befeld: Wat einzahlen will der.<br />
Herr Heßlein: Wie »was einzahlen«!?<br />
Frau Befeld: Na, wat einzahlen! Geld. Vonner<br />
Kralle uffs Konto!<br />
Herr Heßlein: Is nich von hier, wa?<br />
Frau Befeld: Nee. Ick gloob, der will investieren.<br />
Herr Heßlein: Investieren? Im Wedding?<br />
Frau Befeld: Ja.<br />
Herr Heßlein: Hat der ma inne Zeitung gekuckt<br />
die letzten zwei Jahre? Wie’s uns hier so jeht? Bei<br />
dem ganzen Euro-Debakel will doch keener mehr<br />
was einzahlen. Zeig’n Se ihm ma den Conny.<br />
Ich: Wen?<br />
Frau Befeld: Na, Conny!<br />
Ich: Wer ist denn Conny?<br />
Herr Heßlein: Kiecken Se ma raus. Rüber. Auff’n<br />
Platz! Seh’n Se den Mann <strong>mit</strong> die Brüste und die<br />
Lederweste? Mit der tätowierten Gesichtshälfte und<br />
dem Sternburg inna Hand? Dit is Conny! Conny is<br />
der Letzte, der hier wat einjezahlt hat. Und jetzt<br />
schaun Se ma, was aus dem jeworden is.<br />
Frau Befeld: Verstecken Sie Ihr Geld doch lieba<br />
unter die Matratze. Wenn Se kein Bettnässer mehr<br />
sind, ham Se da wenigstens Kapitalschutz.<br />
Ich: Sie müssen mir doch irgendeine Form von Kapitalzuwachs<br />
anbieten können. Tagesgeld, Sparbuch,<br />
Anleihen, Festgeld, irgendwas.<br />
Herr Heßlein: Kenn Se dit Nähmaschinencenter<br />
anna Ecke? Gleich gegenüber is ’ne Türkenbank.<br />
Die sind noch nich inner EU. Den’ jeht’s noch besser<br />
als uns. Probier’n Se da ma Ihr Glück.<br />
Ich: Ich kann doch nicht mal Türkisch!<br />
Frau Befeld: Wat soll er denn dann bei die Türken?<br />
Herr Heßlein: Dann soll er halt in die Zahnklinik<br />
nebenan gehen und sich ein paar Goldzähne<br />
machen lassen. Dann hat er wenigstens wat für später.<br />
Für die Kinder. Zum Vererben.<br />
Ich: Ich will keine Goldzähne. Ich will auch zu keiner<br />
türkischen Bank. Hör’n Sie, ich bin extra von<br />
der Deutschen Bank zur Sparkasse gewechselt. Ich<br />
will mein Geld anlegen!<br />
Herr Heßlein: Jetzt mach’n Se doch kee’n Uffstand.<br />
Wie viel will er denn?<br />
Frau Befeld: Was?<br />
Herr Heßlein: Na, einzahl’n!<br />
Frau Befeld: Wie viel woll’n Se denn einzahl’n?<br />
Ich: Hundert.<br />
Frau Befeld: Hundert was?<br />
Ich: Euro!<br />
Frau Befeld: Euro will er einzahl’n!<br />
Herr Heßlein: Hundert Euro? Was ham Se denn<br />
vor? Woll’n Se ’ne Bank übernehmen?<br />
Ich: Bitte?<br />
Herr Heßlein: Ich mach Ihn’n Vorschlag. Sie lassen<br />
das <strong>mit</strong> die Einzahlung.<br />
Ich: Nein! Ich will jetzt was <strong>mit</strong> Zinssatz. Irgendwas!<br />
Ich kauf auch Aktien.<br />
Herr Heßlein: Jetzt hör’n Se doch ma zu! Das<br />
brauch in der Zentrale doch niemand zu wissen,<br />
dass hier bei uns jemand versucht hat, Jeld einzuzahlen.<br />
Wir regeln dit unter uns! Sie lassen dit <strong>mit</strong><br />
der Einzahlung einfach und wir jeben Ihnen dafür<br />
’ne pauschale Zinsauszahlung.<br />
Ich: Eine pauschale Zinsauszahlung!?<br />
Herr Heßlein: Ja. Sagen wir fuffzich Euro. Bar<br />
uff die Hand. Aus reiner Kulanz! Bleibt aber unter<br />
uns! Und nur, wenn Sie mir versprechen, dit Se nie<br />
wieder zu uns in die Filiale kommen.<br />
Frau Befeld: Na, dit Glück will ick och ma ham!<br />
Ich: Gut. Abgemacht!<br />
Herr Heßlein: Frau Befeld, zahl’n Sie dem jungen<br />
Mann bitte fuffzich Euro aus, und dann raus<br />
hier <strong>mit</strong> dem Kapitalistenschwein.<br />
Frau Befeld: Da ham Se ja richtig Glück jehabt,<br />
junger Mann. Sonst ist der Herr Heßlein nich so ’ne<br />
kulante Type. Schon jar nich im Umgang <strong>mit</strong> die<br />
Kundschaft. Hier ham Se Ihre fuffzich Euro.<br />
Ich: Danke.<br />
Frau Befeld: Eene Frage hätt ick da aber noch.<br />
Kann ick?<br />
Ich: Ob Sie können, weiß ich nicht, aber Sie könn’s<br />
gerne mal versuchen.<br />
Frau Befeld: So unter uns. Sie <strong>mit</strong> Ihrem Hunni.<br />
Bei wie vielen Banken sinn’ Se heute schon jewesen?<br />
Ich: 17 oder 18.<br />
Frau Befeld: Und wo jehn’ Se jetz hin?<br />
Ich: Ich probier’s mal bei den Türken.<br />
Frau Befeld: Hab ich’s doch jesacht: ’n janz<br />
kleveret Kerlchen ...<br />
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Ist wirklich überall Shakespeare drin, wo Shakespeare draufsteht? Schon<br />
seit Jahren kursiert das Gerücht, dass der vielzitierte britische Nationaldichter<br />
viel zu schlicht gewesen sei, um so großartige und tiefsinnige<br />
Verse wie »What, what, what? Ill luck, ill luck?« zu schmieden.<br />
War William Shakespeare also nur so etwas wie der »Milli Vanilli« der <strong>Literatur</strong>branche?<br />
Hat es ihn überhaupt gegeben? Oder ist dies am Ende<br />
doch alles nur ein Marketinggag von RTL?<br />
Die Shakespeare-Gesellschaft Paderborn eröffnete das Shakespeare-Jahr<br />
2014 <strong>mit</strong> einer sensationellen Enthüllung: Hinter dem Phantom »William<br />
Shakespeare« verbergen sich keinesfalls illustre Persönlichkeiten wie<br />
Francis Bacon, Sir Walter Raleigh, Edmund Spenser oder William<br />
Shakespeare, sondern der 58-jährige langzeitarbeitslose<br />
Werkzeugschlosser Herbert Trockenbrodt aus Lippstadt.<br />
Trockenbrodt gilt als typischer<br />
Quereinsteiger in<br />
den <strong>Literatur</strong>olymp. Lan -<br />
ge Zeit bei der Zweiten Her -<br />
renmannschaft von Borussia<br />
Lippstadt als Manndeckertalent gehandelt,<br />
verfiel er nach seiner Entlassung aus einem<br />
regionalen <strong>mit</strong>telständischen Unternehmen<br />
im Jahre 1985 mehr und mehr dem Teufel<br />
Alkohol. Eines Abends saß er in seiner Lieblingskneipe<br />
und schmachtete seine dralle Lieblingskellnerin<br />
Nancy an. »Das ist eine so Net -<br />
te«, dachte er bei sich und schrieb im<br />
Vollsuff seine ersten Sonette auf<br />
einen selbstvergessenen Bierdeckel.<br />
Der Wirt riet seinem<br />
zahlungsunfähigen Gast, <strong>mit</strong><br />
seinem »selbstgedichteten<br />
Schmonzes« Geld zu verdienen<br />
und motivierte ihn, indem<br />
er ihm als Alternative eine gebrochene<br />
Kniescheibe in Aussicht stellte.<br />
Trockenbrodt entschloss sich, auf der damaligen<br />
»Depeche Mode«-Welle <strong>mit</strong>zusurfen und rechnete<br />
sich <strong>mit</strong> einem englisch klingenden Künstlernamen<br />
gute Chancen aus, die britischen Charts zu dessen konsumiert er nur noch Chrystal Meth.<br />
dass er seine Alkoholsucht besiegen konnte; statt-<br />
stürmen. Da seine Gaststätte das »Shakespeare« war Der Künstler leidet allerdings sehr unter der mangelnden<br />
Qualität der Übersetzung seiner frühen<br />
und sein Urgroßvater <strong>mit</strong> Zweitnamen Wilhelm<br />
hieß, war im Handumdrehen das Pseudonym »William<br />
Shakespeare« geboren. Die kommenden Jahre beispielsweise in Trockenbrodts Originalstück von<br />
Werke. »Der Widerspenstigen Zähmung« handelte<br />
schrieb Trockenbrodt wie im Rausch ein Shakespeare-Stück<br />
nach dem anderen, von denen die der Übersetzer machte aus der »screw« mir nichts,<br />
einer verkanteten Senk-Rund-Kopf-Schraube, doch<br />
meisten leider im Laufe der Jahrhunderte verloren dir nichts eine »shrew«. In seinen Historiendramen<br />
gingen. Der Schriftstellerei hat er es zu verdanken, ehrte Trockenbrodt berühmte Persönlichkeiten sei-<br />
90 LITERATUREULE 4/14
not 2 B?<br />
ner Heimatstadt, die jedoch von seinem skrupellosen<br />
Verleger dem englischen Massengeschmack gestand<br />
den Witz nicht und grunzte: ›Was denn jetzt?<br />
meinem Herbert <strong>mit</strong>zählen. Der Sachbearbeiter veropfert<br />
und durch hierzulande weniger bekannte Figuren<br />
ersetzt wurden. So verwandelte sich »Karl- und so schrieb ich den Satz ›Two B or not two B‹<br />
Zwei B oder nicht zwei B?‹ Das fand ich urkomisch,<br />
Heinz Rummenigge« in »Richard II.«, »Michael Rummenigge«<br />
mutierte zu »Richard III.« und »Matze machte daraus aber ›To be or not to be‹, und so<br />
in meinen Hamlet hinein. Mein britischer Lektor<br />
Knop« fand sich im Gewande eines gewissen »Julius<br />
Cäsar« wieder. Als aus den »Verpeilten Trat-<br />
Auch über die Entstehung der Shakespeare-Zi-<br />
wurde urplötzlich aus der Komödie eine Tragödie.«<br />
schen von Bad Wünnenberg« auch noch »Die lustigen<br />
Weiber von Windsor« wurden, hatte Herbert richten: »Nach der Europameisterschaft 1992 ist<br />
tate weiß Herbert Trockenbrodt Amüsantes zu be-<br />
Trockenbrodt die Faxen dicke; er belegte kurzentschlossen<br />
den Kursus »Best Literal Shakespeare- durchs Wohnzimmer gelaufen und hat geschrieen:<br />
mein Freund Jürgen Patzkoweit wutentbrannt<br />
English für Anfänger« an der Volkshochschule Gütersloh.<br />
das berühmte ›Es ist was faul im Staate Dänemark‹<br />
›Die waren doch gedopt, die Dänen.‹ Daraus ist dann<br />
Obwohl er seine Stücke nun auf Englisch schrieb, geworden. Und als ich meinem Großonkel Alfred<br />
riss die nachträgliche Verunstaltung seiner Werke beim Schach einmal die Springer abgeluchst hatte<br />
nicht ab. Besonders hart traf den Lippstädter Or - und mich dann hinter einem dichten Bauernwall<br />
pheus die Versaubeutelung seines »Hamlet«. In seiner<br />
Autobiographie »William Shakespeare – Sein bevor er die Figuren <strong>mit</strong> der Handkante durch das<br />
verschanzte, schrie er: ›Ein Königreich für ein Pferd!‹,<br />
Le ben, seine Werke, seine vergeblichen Vor - halbe Wohnzimmer schleuderte. Nur den Satz<br />
stellungs gespräche als langzeitarbeitsloser Werkzeugschlosser«<br />
beschreibt Trockenbrodt, wie es zu schon, seitdem ich <strong>mit</strong> meiner Ollen verheiratet bin.«<br />
›Schwachheit, dein Name ist Weib!‹ – den sage ich<br />
einem der größten Missverständnisse in der <strong>Literatur</strong>geschichte<br />
kam: »Mein Sachbearbeiter bei der statt froh zu sein, dass Deutschland endlich Shake-<br />
Doch was gilt der Prophet im eigenen Land? An-<br />
Agentur für Arbeit hatte meinen Namen aus Versehen<br />
<strong>mit</strong> Doppel-B geschrieben. Da ich damals getive<br />
den Versuch, Shakespeares Geburtshaus in<br />
speare ist, stoppte erst kürzlich eine Bürgerinitiarade<br />
voll auf Komödie war, flachste ich, dass zwei Stratford-upon-Avon ab- und in Lippstadt wieder<br />
B ja auch richtig seien, man müsse nur das B in aufzubauen, aus Angst, ihr Heimatort könnte zu einer<br />
Pilgerstätte talentloser Laiendarsteller werden.<br />
Und eine Amok laufende Femen-Aktivistin drückte<br />
Trockenbrodt während der Verleihung des »William<br />
Shakespeare Award« ihre nackten Brüste ins Gesicht<br />
und bezeichnete ihn als »chauvinistisches<br />
Arschloch«. Auf Shakespeares Facebook-Profil hat<br />
ein besonders böswilliger Geist Trockenbrodt sogar<br />
als »Scharlatan« beschimpft.<br />
Der tragische Tragödiendichter vermutet, dass<br />
hinter dieser Schmutzkampagne reaktionäre <strong>Literatur</strong>wissenschaftskreise<br />
stecken, die nicht zugeben<br />
wollen, dass sie sich jahrhundertelang geirrt haben.<br />
Sie möchten seine Existenz am liebsten unter den<br />
Teppich der <strong>Literatur</strong>geschichte kehren.<br />
Trockenbrodt hat sich inzwischen entnervt aus<br />
dem Theaterbusiness zurückgezogen und öffentlich<br />
erklärt, keine weiteren Shakespeare-Stücke<br />
mehr verfassen zu wollen. Doch einen Vollblut-<br />
Schriftsteller wie ihn juckt es natürlich schon wieder<br />
in seinen begnadeten Fingern. Er überlegt, ob<br />
er nicht unter einem neuen Pseudonym so wundervolle<br />
Gedichte wie »Die Glocke« oder »Der Taucher«<br />
schreiben sollte.<br />
Text und Zeichnungen: Michael Kaiser<br />
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Wie Dichter<br />
Unternuckel und<br />
seine Elisabeth<br />
zueinander fanden<br />
Sophia Meyer, Ortsvorsteherin in der Gemeinde<br />
Schönforsten in Brandenburg, fand, ihrer Gemeinde<br />
werde nicht die gebührende Aufmerksamkeit zuteil.<br />
Touristen blieben aus, und selbst Wanderratten<br />
machten einen großen Bogen um den Ort. Sophia<br />
fand, dass dies geändert werden müsse. Man könnte<br />
beispielsweise Schönforsten <strong>mit</strong> einem zündenden<br />
Beinamen versehen. Z.B. irgendetwas <strong>mit</strong> Wölfen.<br />
Das wäre prima, denn dann könnten Förder<strong>mit</strong>tel<br />
der Landesregierung erwartet werden. Leider war<br />
aber der letzte Wolf in der Gegend im Jahre 1785<br />
an Altersschwäche gestorben, und die neu zuwandernden<br />
Tiere zeigten wenig Neigung, sich hier niederzulassen.<br />
Vielleicht auch wegen der fehlenden<br />
Ratten.<br />
Goethedorf, dachte Sophia, das wäre es. Schließlich<br />
war der Kerl ja überall. Sogar auf dem Mount<br />
Everest: Wie vermutet wird, musste Sir Hillary das<br />
ursprüngliche Gipfelbuch <strong>mit</strong> der Eintragung<br />
Die Luft ist dünn,<br />
doch herrlich klar<br />
mir schwindet fast der Sinn<br />
ganz wunderbar.<br />
Ich war hier. gez. Goethe<br />
verschwinden lassen, um als Erstbesteiger durchgehen<br />
zu können. Sogar in Radebeul war er, der<br />
Goethe (nicht Sir Hillary), aber leider nicht in Schönforsten.<br />
Ein Heimatdichter, so dachte Sophia, wäre auch<br />
nicht schlecht. Plötzlich kam die Erleuchtung. Sophia<br />
erinnerte sich, die folgenden eindrucksvollen<br />
Zeilen an der Wand des stillen Örtchens in der einzigen<br />
vorhandenen Kneipe gesehen zu haben:<br />
Mach’s Fenster auf, lass Luft herein,<br />
der Nächste wird Dir dankbar sein.<br />
Das war doch mal ein Anfang. Sophia ließ die noch<br />
vorhandene Inschrift sofort durch eine ➤<br />
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Glasscheibe schützen. Der Autor ließ sich bald als<br />
der Wirt der Kneipe identifizieren. Sein Name war<br />
Heribert Unternuckel. Weitere Recherchen ergaben,<br />
dass er vor wenigen Jahren <strong>mit</strong> einem fröhlichen<br />
Trinklied fast den lokalen Dichterpreis gewonnen<br />
hätte. Veröffentlicht in der lokalen Zeitung hat sich<br />
der Wortlaut glücklicherweise erhalten:<br />
Trinklied<br />
Meine liebe Frau im Haus<br />
Bürstet flott die Hemden aus<br />
Und der Hund läuft dann hinaus<br />
In den grünen Wald hinfort<br />
Der umgibt den ganzen Ort<br />
Den Briefträger tut dies nicht stören<br />
Bei der Verteilung unserer Post<br />
Wo jeder wird gerecht bedacht<br />
Am frühen Morgen wie auch bei Nacht<br />
Leuchten die Sonne und auch der Mond<br />
Auf unser Dorf, wo Freude wohnt<br />
In all den schönen Häuslein fein<br />
Heut Mittag gibt es Gänseklein<br />
Schön ist es, hier zu leben<br />
Ja, sagte der stolze Mann, das habe er geschrieben.<br />
Dies aber sei nicht seine größte geistige Leistung.<br />
In den Dichter-Rang erhebe ihn seine Erfindung<br />
der Abkürzungen in der folgenden Annonce, die<br />
ihm nicht nur viel Geld gespart, sondern auch zu<br />
seiner lieben Frau verholfen hätten. Der Originaltext<br />
der Annonce lautete:<br />
Heimatverbundener, dunkelblond und feinsinnig,<br />
sucht naturverbundene liebe Frau zwecks<br />
Haushälterin und Erotik<br />
Die raffinierten Abkürzungen unseres Heimatdichters<br />
(so wurde er schon genannt) machten daraus:<br />
Hmtvbd., dklbl. und fnsn., sucht ntrvb. lbe. Frau<br />
zwecks Hshltrn. und Erik.<br />
Ganz große <strong>Literatur</strong>! Die auf Partnersuche befindliche<br />
Elisabeth Liebeshäuser verstand diese Annonce<br />
wie folgt:<br />
Hutmacherverbandsdirektor, dickleibig und fernsehend,<br />
sucht naturverbliebene liebe Frau<br />
zwecks Hosenhalterin und Esoterik<br />
Natürlich verfiel sie dem Autor sofort in leidenschaftlicher<br />
Liebe. Sie zeugten sieben Kinder, von<br />
denen einige noch in Schönforsten herumlaufen.<br />
Da<strong>mit</strong> ließ sich doch etwas anfangen. Analog<br />
zu der »Kleiststadt Frankfurt« könnte die Gemein -<br />
de dann z.B. »Unternuckeldorf Schönforsten« heißen.<br />
Bloß – Unternuckel? Zwar würde man Heribert<br />
Unternuckel weiterhin als großen Sohn des<br />
Ortes intensiv ehren, aber als Namengeber war er<br />
eher ungeeignet.<br />
Nur »Dichterdorf Schönforsten« war vielleicht<br />
zu allgemein. Aber immerhin – etwas Literarisches<br />
wäre sicher nicht schlecht. In diesem Moment erblickte<br />
Sophia den Teenager Kevin Schulze lesend<br />
auf einer Bank unter der Dorflinde. Völlig verblüfft<br />
– sie hatte in Schönforsten noch nie jemand<br />
lesen sehen – fragte sie, was er da tue. »Ick lese«,<br />
verkündete der Jüngling und verdeckte den Titel<br />
des Buches Der brünftige Tiger und ich – Lebensbeichte<br />
einer Prostituierten. Mit praktischen Anweisungen<br />
<strong>mit</strong> der Hand.<br />
»Lesen denn deine Freunde auch?«, fragte Sophia.<br />
Kevin kannte drei Klassenkameraden, die<br />
besagtes Buch bereits verschlungen hatten und<br />
bejahte. »Schönforsten ist ein Lesedorf«, jubelte<br />
Sophia.<br />
Wie sich herausstellte, verfügten die 200 Einwohner<br />
von Schönforsten über mehr als 350 Bücher<br />
(Telefonbücher und Kataloge eingerechnet),<br />
was im Vergleich zum durchschnittlichen Lesehunger<br />
der Deutschen (etwa ein Buch pro Jahr, dünn)<br />
eine beachtliche Zahl war. Da nun außerdem Heribert<br />
Unternuckel fröhlich drohte, jedes Jahr ein<br />
weiteres Trinklied oder ein anderes, geeignetes Gedicht<br />
zu veröffentlichen, stand fest: »Lese- und<br />
Dichterdorf Schönforsten« sollte es sein! Was für<br />
ein Knaller!<br />
★<br />
Auf einer Pressekonferenz, die von einem Reporter<br />
der lokalen Presse besucht wurde, gab Sophia<br />
stolz dieses wichtige Ergebnis bekannt. Auf einem<br />
Foto war sie <strong>mit</strong> einer Bronzetafel <strong>mit</strong> dem neuen<br />
Namen zu sehen. Eingerahmt wurde sie von einem<br />
intellektuell wirkenden Heribert Unternuckel<br />
(lange Haare, schütter) und einem schüchternen<br />
Rentner, der ein Buch <strong>mit</strong> dem Titel »Die Pilze der<br />
heimischen Wälder – wie ich Giftpilze erkennen<br />
kann« (gebraucht) in die Kamera hielt.<br />
Reiner Franke<br />
94 LITERATUREULE 4/14
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Angegoethet!<br />
Einem dpa-Bericht zufolge wundert sich die Schauspielerin<br />
und Moderatorin Collien Ulmen-Fernandes:<br />
»Ich habe von meiner Nichte neulich gehört,<br />
dass Goethe auf Schulhöfen als abwertendes Wort<br />
benutzt wird. Niemals hätte ich Goethe <strong>mit</strong> einem<br />
Schimpfwort in Verbindung gebracht.« Der Trend<br />
gehe offenbar auf den Kinofilm »Fack ju Göhte« zurück.<br />
Wir wundern uns zwar, dass dpa Collien Ulmen-Fernandes<br />
als Schauspielerin bezeichnet, nicht<br />
aber, dass unsere literarisch interessierte Jugend<br />
sehr differenziert <strong>mit</strong> den Namen großer Schriftsteller<br />
umgeht, um sich <strong>mit</strong>zuteilen. Hier ein kleines<br />
Wörterbuch der gängigsten jugendsprachlichen Ausdrücke:<br />
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Was verbindet die Menschen<br />
zwischen Eisenach und Gera,<br />
zwischen Nordhausen und Sonneberg?<br />
Was haben Doppelkorn<br />
und Rhönschaf, Muschelkalk<br />
und Heringssalat gemeinsam?<br />
Gibt es mehr Erwähnenswertes<br />
in Thüringen als das Lob von<br />
Dichtern und Denkern, Rostbratwurst<br />
und Klöße?<br />
Ausdruck<br />
’ne Bachmann gefällig?<br />
Darf ich dich um den Block karlmayen?<br />
Der Barthes ist ab!<br />
Du bist ja kafkaesk!<br />
Du kannst mich mal an der Charlotte rochen!<br />
Gestern wollt er vogelweiden!<br />
Halt den Böll!<br />
Haste mal ’nen Brecht?<br />
Heg keinen Grimm!<br />
Homer nicht rum!<br />
Bedeutung<br />
Kann ich dir noch eine letzte Zigarette anbieten?<br />
Hast du Lust, eine Runde in meinem schwarzen<br />
Mustang zu drehen?<br />
Du hast dir offensichtlich deine Gesichtsbehaarung<br />
dekonstruiert.<br />
Du bist ein tuberkulosekranker Obersekretär der<br />
Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt für das<br />
Königreich Böhmen aus Prag – was rede ich<br />
eigentlich <strong>mit</strong> dir?<br />
Du kannst mich mal an der Pupe schmatzen!<br />
Tandaradei! Gestern wollte er in den Puff!<br />
Deine Ansichten sind jetzt nicht gefragt, du Clown!<br />
Haste mal drei Groschen (umgerechnet: ein Euro)?<br />
Erzähl keine Märchen!<br />
jetzt werd’ nicht episch!<br />
Tobias Prüwer<br />
Ein Panoptikum<br />
Tobias Prüwer<br />
Thüringen<br />
Ein Panoptikum<br />
ISBN 978-3-939611-62-2<br />
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Ich bin die Aischylos (gesprochen: Ayşe los). Nicht weiter tragisch ...<br />
Ich fühl’ mich dürrenmatt!<br />
Ich geb’ dir gleich den Klopstock!<br />
Ich hau dich Novalis!<br />
Ich verpasse dir eine blaue Blume der Romantik<br />
Ich heine dann mal los zur Harz-Reise ...<br />
Ich hesse dich!<br />
Ich kästner gleich die Schule in die Luft!<br />
Jetzt werd’ bloß nicht tolkien ...<br />
Lass uns noch ein wenig schillern ...<br />
Oh, ein neuer Joyce-Tick (gesprochen: Joy-Stick)?<br />
Proust mich nicht an!<br />
Rilk’ nicht so panther!<br />
Spar dir den Fallersleben!<br />
Zum Henker, ich habe da so einen Verdacht!<br />
Ich möchte <strong>mit</strong> dir über die »Gelehrtenrepublik«<br />
diskutieren.<br />
Ich zieh dir eins <strong>mit</strong> dem Baseballschläger über.<br />
(bevorzugt ein Veilchen)!<br />
Ich hab einen Termin im Job-Center.<br />
Ich mag dich nicht mehr, seitdem ich aus der Pubertät<br />
raus bin!<br />
Das fliegende Klassenzimmer.<br />
... sonst werd’ ich zum Mordor.<br />
Wir haben noch Zeit bis die Glocke läutet, um die<br />
Erstklässler auszuräubern ...<br />
Dafür bräuchtest du aber einen größeren<br />
Arbeitsspeicher!<br />
Stiehl mir nicht die Zeit!<br />
Lauf nicht ständig in deiner Zelle auf und ab!<br />
Laber keine Hymnen!<br />
André Kudernatsch<br />
Dieser Zug hält nicht<br />
in Weimar<br />
Thüringer Kolumnen<br />
ISBN 978-3-939611-75-2<br />
EUR 12,90<br />
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Wenn ich dir mal was goethen darf ... Wenn ich dir einen geheimen Rat geben darf ...<br />
Michael Kaiser<br />
LITERATUREULE 4/14 97
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Die Autobiografie<br />
EULENSPIEGELs <strong>Literatur</strong>-Special –<br />
ist ja schön und gut, aber da geht es<br />
doch immer nur um Bücher, alte und<br />
junge Autoren und so. Wenn wir ehrlich<br />
sind: <strong>Literatur</strong> findet dort nur noch<br />
selten statt. Besser wäre, ich käme in<br />
einer der diversen <strong>Literatur</strong>zeitschriften<br />
unter. Die können einem den Weg<br />
auf die Bestsellerliste bahnen. Denn<br />
neben dem öffentlichen Skandal ist es<br />
besonders hilfreich, in ausreichend<br />
weit verbreiteten Werbeträgern wohlwollend,<br />
das heißt verkaufsfördernd<br />
erwähnt zu werden, wozu auch der<br />
Verriss durch eine geeignete Person<br />
gehört. Selbst in der Talkrunde des regionalen<br />
Fernsehens sein Buch in die<br />
Kamera zu halten oder halten zu lassen,<br />
könnte etwas bringen.<br />
Nun will aber keine dieser verfickten<br />
Sauzeitschriften meine Autobiografie<br />
abdrucken, obwohl ich schon siebzehn<br />
bin, zweimal in Spanien war und<br />
sogar Typen aus meiner Parallelklasse<br />
kenne, also durchaus als lebenserfahren<br />
gelten kann. Und über Sex habe<br />
ich unflätiger geschrieben als Charles<br />
Bukowski, von dem ich übrigens zwei<br />
Gedichte kopiert und eingereicht habe,<br />
welche <strong>mit</strong> der flachwichsigen Begründung<br />
»Unoriginell!« bzw. »Unverständlich!«<br />
abgelehnt wurden.<br />
Es gibt auch keinen Verlag, der mich<br />
hochbringen will, weil in diesen literarischen<br />
Faulgruben überhaupt keiner<br />
mehr einen hochbringt. Wenn ich<br />
98 LITERATUREULE 4/14<br />
denen meine Autobiografie, Titel: »Ich<br />
hatte Sex <strong>mit</strong> Reich-Ranicki«, vorlege,<br />
ziehen die sich auf völlig überalterte<br />
Formvorstellungen zurück. Ein Schrift -<br />
steller muss eben einen langen Atem<br />
haben. Gerade die berühmtesten Autoren<br />
sind immer erst von den Verlagen<br />
abgelehnt worden, das adelt also<br />
geradezu.<br />
Aber die Zeitschriften müssten doch<br />
zugreifen! Da<strong>mit</strong> sie sich später meiner<br />
Entdeckung rühmen können. Worauf<br />
warten die nur? Vielleicht sollte<br />
ich Reich-Ranicki durch Karasek ersetzen,<br />
da<strong>mit</strong> es perverser klingt, oder<br />
durch Elke Heidenreich, wegen der Homowelle,<br />
oder Susanne Fröhlich, am<br />
besten wohl durch Denis Scheck, weil<br />
der Nachname genau in die richtige<br />
Richtung zielt.<br />
Die Verlagsleute haben einfach keinen<br />
Blick für die Zukunft. Wenn denen<br />
die DDR-Bürgerin Angela Merkel<br />
<strong>mit</strong> siebzehn gesagt hätte, dass sie<br />
Bundeskanzlerin der BRD werden<br />
wolle, hätte man sie auch nicht gefördert,<br />
sondern eingesperrt. Heute ist sie<br />
es. Weil sie sich nicht scheute, dicke<br />
Bretter zu bohren, die in ihrem Fall<br />
nicht selten dicke Männer waren. Der<br />
ihre Autobiografie verkauft sich bestimmt<br />
super, weil sie so berühmt ist.<br />
Vielleicht gehe ich auch diesen Weg,<br />
erst berühmt, dann Buch. Wann war<br />
noch mal dieses Casting …<br />
Ove Lieh
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Schriftstellerdämmerung<br />
Ein neblig-trüber Tag in Wien. Daniel Kehlmann<br />
spielt <strong>mit</strong> Blechsoldaten. Auf der rechten Seite des<br />
opulenten Schreibzimmers schart er seine Mannen<br />
zusammen: Die Blechkameraden namens FAZ, SZ,<br />
Zeit und Welt. Das gegnerische Heer auf der linken<br />
Seite, einen Fußmarsch von drei Minuten entfernt,<br />
besteht nur aus einem einarmigen Banditen<br />
namens Taz. Die »große Presseschlacht zu Wien«,<br />
die der Erfolgsschriftsteller jeden Morgen nachstellt.<br />
Weil es ohne Gegner langweilig ist, macht sich<br />
Daniel Kehlmann das Gesicht <strong>mit</strong> einem Waschlappen<br />
frisch, eingestickt die Initialen TM. Mit Schreiben<br />
wird es heute nichts, das Leid des Erfolgsschriftstellers.<br />
In einer Stunde bekommt er einen Wirtschaftspreis<br />
verliehen. »Kehlmanns Figuren«, heißt<br />
es in der Laudatio, »sind notorische Streber, und<br />
ohne die, das weißt du, Daniel, ließe sich unsere<br />
Wirtschaft nicht so schön am Laufen halten.«<br />
Das <strong>mit</strong> den Preisen läuft wie geschmiert. So<br />
muss in der Villa Kehlfried überhaupt nicht mehr<br />
geschrieben werden. Zeit, sich als Wotan, Hagen<br />
oder Mime, in schwachen Stunden gar als Brünnhilde,<br />
zu verkleiden. Die Sache <strong>mit</strong> den Wagner-<br />
Rollenspielen hat sich Daniel Kehlmann von Thomas<br />
Mann abgeguckt. Bei den Damen im Opernfundus<br />
ist er »der total verrückte Daniel <strong>mit</strong> dem<br />
Wagner-Tick«.<br />
Kürzlich unternahm er eine Lesereise ins niederländische<br />
Demenzdorf De Hogeweyk. Dort kannte<br />
man ihn nicht, was er ironisch fand. Dass er sich<br />
weder an den Grund dieser Reise noch an den Titel<br />
seines nächsten Romans erinnerte, wurmte ihn<br />
allerdings – und dass Dr. Koonies ihn am liebsten<br />
gleich dabehalten hätte. Schnell signierte er seine<br />
Romane, die ein Alberich in die »Lehnsprache Niederländisch«<br />
übersetzt hatte, <strong>mit</strong> seinen Initialen<br />
TM und verschwand.<br />
Gelangweilt kontrolliert Kehlmann seine E-Mails.<br />
Thomas Mann hat ihm die schicksalhafte E-Mail-<br />
Adresse tannhaeuser@venusberg.de im Schlaf eingeflüstert,<br />
<strong>mit</strong> der Bitte, ihm ein paar Bilder von<br />
»knackigen Jungs« downzuloaden, aber außerhalb<br />
des strafrechtlich relevanten Bereichs. Dass Thomas<br />
Mann im Traum behauptet, er sei Richard Wagner,<br />
macht die Sache einfacher: »Dann ist Thomas Mann<br />
frei«, sozusagen als Kehlmann-Domain<br />
in der analogen Welt!<br />
Dr. Koonies hält Kehlmann<br />
für ein typisch deutsches<br />
Genie: »Psychotisch,<br />
vergesslich und reizbar. Angepisst und narzisstisch.<br />
Er wird als erstes die Niederlande überrennen.<br />
Am besten, wir sperren ihn in De Hogeweyk<br />
ein. In zwei Jahren kann sich kein Schwein<br />
mehr an ihn erinnern.« Doch wer hört denn auf die<br />
Stimme des Humanismus?<br />
Kehlmann überlegt, den nervigen Dr. Koonies in<br />
seinem Roman zu porträtieren, als Fliegender Holländer.<br />
Sehr ironisch! Nur weiß er immer noch nicht,<br />
wovon dieser Roman handeln soll. Die SM-Haftigkeit<br />
des <strong>Literatur</strong>betriebs? Seine eigene TM-Haftigkeit?<br />
Noch nicht einmal der Titel steht. Shades of<br />
Thomas? Die Blechsoldaten? Der Wirtschaftspreis?<br />
Keine E-Mails. Kein Blechsoldat legt ihm eine Interviewanfrage<br />
zu Füßen. Es donnert in der Villa<br />
Kehlfried, wie er seine Singlevilla ironisch nennt.<br />
An solchen Tagen zweifelt der Erfolgsschriftsteller<br />
an seiner Existenz. Da kommt ihm ein ironischer<br />
Gedanke: Er könnte sich selbst interviewen. Den<br />
Text schickt er an den Blechsoldaten von der Welt.<br />
Drucken, sonst gibt’s was auf den Helm! Das Interview<br />
<strong>mit</strong> sich selbst beschließt Kehlmann <strong>mit</strong> einem<br />
denkwürdigen Satz: »Wo ich bin, ist deutsche<br />
Kultur.« Der ist zwar von Thomas Mann, aber jeder<br />
wird verstehen, wer wirklich diesem Satz gewachsen<br />
ist.<br />
Der einzige, <strong>mit</strong> dem er kommuniziert, ist Jona -<br />
than Franzen, weil der ihm versichert hat, ihre Gespräche<br />
in seinem nächsten Roman zu verbraten.<br />
Franzen weiß, dass sich Kehlmann seinen Schreibtisch<br />
von einem livrierten Diener nachtragen lässt<br />
(einen Kinderschreibtisch), und sei es für einen Ausflug<br />
in den Wienerwald, um dann drei Stunden <strong>mit</strong><br />
dem Platzieren der Kerzenständer (»Kandelaber«)<br />
zu verbringen.<br />
Noch 20 Minuten bis zur Preisverleihung. Nein,<br />
er will kein Streber sein, er bleibt im Pyjama. Er<br />
bringt seine Blechsoldaten in Stellung. »Grandios«,<br />
»atemberaubend«, »das wird unseren Blick auf die<br />
Welt verändern«, flüstert er – alles Claims für seinen<br />
nächsten Roman. Der Blechsoldat Freitag kriegt<br />
eins auf die Mütze.<br />
Dr. Koonies ahnt, dass Daniel Kehlmann die Sache<br />
<strong>mit</strong> Thomas Mann als Verkaufsmasche erfunden,<br />
diesen kapitalen Umstand aber längst wieder<br />
vergessen hat. Im Demenzdorf De<br />
Hogeweyk kennt man solche<br />
traurigen Fälle tausendfach.<br />
Jan Decker<br />
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Juden unter sich<br />
Die gesamte Bagage lud ich zu mir<br />
nach Hause ein, und tatsächlich – obwohl<br />
viel beschäftigt und untereinander<br />
zerstritten – kamen sie: zuerst<br />
Kisch. Der dachte ja immer, er verpasst<br />
was. Sagte natürlich schon in der Tür,<br />
dass er später noch was vorhätte und<br />
früher gehen müsste, zog den Notizblock<br />
und fragte, welche Getränke vorrätig<br />
seien.<br />
Tucholsky, klein und rund. Spöttisch,<br />
leicht angetrunken, geräuschvolle<br />
Atemzüge durch die Nase. Er sagte etwas<br />
von einer bevorstehenden Operation,<br />
brach aber ab, als er den Kisch in<br />
der Ecke sitzen und seine beachtlichen<br />
Ohren spitzen sah. Tucho griff zum<br />
Wein und sagte erst mal gar nichts<br />
mehr.<br />
Feuchtwanger kam. Kregel und<br />
bayerisch jovial. Er widmete sich sogleich<br />
dem Bücherregal, das er nach<br />
historischen Romanen durchsuchte,<br />
trank nicht, rauchte nicht, sagte nichts.<br />
Dann Kafka <strong>mit</strong> der Baum bzw. die<br />
Baum <strong>mit</strong> dem Kafka. Kafka sah jämmerlich<br />
aus. Wahrscheinlich hatte ihn<br />
wieder mal die Verlobte sitzen gelassen.<br />
Die Baum hingegen sah aus, als<br />
käme sie gerade vom Einkaufen.<br />
»Trink du gefälligst auch was, du ekliger<br />
Zwerg!«, herrschte sie den Kafka<br />
an, der sich sogleich am Whiskey verschluckte.<br />
Dann tanzten sie <strong>mit</strong>einander,<br />
Kisch machte Notizen.<br />
Zuletzt kam Werfel. Entgegen der<br />
Absprache brachte er seine Frau <strong>mit</strong>,<br />
diese grässliche Alma. Die drehte die<br />
Klunkern um ihren Hals der Reihe<br />
nach durch und sah dabei ungeniert<br />
von einem zum anderen, während Werfel<br />
neben ihr versuchte, im Boden zu<br />
versinken. Er kannte ja sein Weib.<br />
»Wissen Sie eigentlich, dass Sie alle<br />
Juden sind?«, krähte Alma in die<br />
Runde. Dem Kisch fiel der Bleistift runter.<br />
Feuchtwanger trat aus dem Buchregal<br />
heraus, wenn auch nur einen<br />
Schritt.<br />
»Im Ernst, wussten Sie das?« Alma<br />
ließ nicht locker.<br />
Zuerst lachte die Baum, wobei sie<br />
Kafka auf die Schulter klopfte, als habe<br />
sie ihn bei etwas Unanständigem ertappt.<br />
Dann gluckste auch Tucholsky<br />
los, dann Kisch. Von Feuchtwanger<br />
kam ein Hüsteln. »Ich meine es ernst«,<br />
rief die Mahler-Werfel, fast ein wenig<br />
beleidigt, »Sie sind doch alle Juden.«<br />
»Ja«, gab Kisch zur Antwort, »und<br />
Schriftsteller sind wir auch.«<br />
»Und erfolgreich«, tönte die Baum.<br />
»Und immer abgebrannt«, ergänzte<br />
Tucho matt.<br />
Die Runde lachte und auch Werfel<br />
konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.<br />
Die Alma aber war gar nicht zum<br />
Spaßen aufgelegt.<br />
»Sie da«, keifte sie und spießte <strong>mit</strong><br />
ihrem Zeigefinger den Kafka auf. »Sie<br />
sind doch der traurige Jude aus Prag,<br />
den keiner versteht! Ist das noch<br />
deutsch, was Sie schreiben?«<br />
»Hoppla!«, rief da die Baum und<br />
baute sich vor Alma auf. »Machen Sie<br />
mir nicht den Franzel kaputt. Kieksen<br />
Sie gefälligst Ihren eigenen Mann!«<br />
Alma versuchte sich zu fassen, was<br />
ihr mäßig gelang. Ein versöhnliches Lächeln<br />
huschte über ihr Gesicht, wenn<br />
auch nur kurz. »Aber Sie müssen doch<br />
zugeben, dass es ulkig ist, wie jüdisch<br />
Sie … also ich meine … dass Sie eben<br />
alle … ja … halt Juden sind.«<br />
Keiner lachte. Nicht einmal die<br />
Baum. Feuchtwanger sah betreten auf<br />
seine Schuhe.<br />
»Und was machen Sie so unter Ihresgleichen?«<br />
»Wir kochen koscher«, antwortete<br />
Tucho spöttisch.<br />
»Wir ondulieren unsere Schläfenlocken«,<br />
frohlockte Kisch.<br />
»Wir feiern den beschnittenen Unterschied«,<br />
äffte die Baum so frivol, dass<br />
dem armen Kafka die Knie hörbar<br />
schlotterten.<br />
»Und zu so was schleppst du mich«,<br />
zischte Alma ihren Werfel an.<br />
»Also echt, Franz!«, brüllte die ganze<br />
Runde so ausgelassen, dass Alma auf<br />
der Hacke kehrt machte und zur Tür<br />
lief, Werfel beflissen hinterher.<br />
Wieder Schweigen.<br />
»Also ehrlich!«, entrüstete sich die<br />
Baum. »Wo ich ja nur vom Blatt her jüdisch<br />
bin und überhaupt!«<br />
»Kann man wohl sagen«, gab Feuchtwanger<br />
zu. »Dennoch sehr reizend, dieses<br />
Temperament, nicht wahr?«<br />
Tucho lächelte still, während Kisch<br />
sich seine Notizen machte. »Was wären<br />
wir nur ohne die Gojim«, wagte Kafka<br />
zu äußern, bevor ihn sich die Baum<br />
wieder zur Brust nahm. »Janz jewöhnliche<br />
Leutchen wärn wir! Nich auszudenken!«,<br />
rief sie. »Und jetzt trink mal<br />
endlich weiter, du Würstchen. Du<br />
quatschst ja schon Unfug.«<br />
Bernhard Spring<br />
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LITERATUREULE 4/14 103
Einfälle<br />
❦ und ❦<br />
Abfälle<br />
I<br />
ch habe dir das Buch <strong>mit</strong>gebracht,<br />
das du schon immer haben<br />
wolltest«, sagte die Frau. In ihrer<br />
Stimme schwang neben einer<br />
aufgesetzten Nettigkeit auch ein wenig<br />
Unsicherheit <strong>mit</strong>. Der Mann<br />
brummte nur etwas wie: »Schön,<br />
hat aber auch lang genug gedauert.«<br />
Sie bemühte sich, nicht beleidigt zu<br />
sein und schlug vor: »Wir könnten<br />
es uns heute Abend gemütlich machen,<br />
und du liest mir aus dem Buch<br />
vor.« Dabei wusste die Frau doch<br />
genau, dass der Mann dienstags immer<br />
ausging, offiziell zum Bier in<br />
eine Kneipe, wirklich aber zu einer<br />
anderen Frau, der er nichts vorlas.<br />
Den Mann zu verleiten, lieber <strong>mit</strong><br />
ihr zu vögeln, war der Frau nicht<br />
gelungen, deshalb versuchte sie es<br />
<strong>mit</strong> dem Buch. Wenn Bücher sogar<br />
die ganze Welt verbessern konnten,<br />
warum dann nicht auch einen einzelnen<br />
Menschen. Es schien ganz<br />
kurz, als schwanke der Mann, und<br />
Das Buch<br />
ANDREAS PRÜSTEL<br />
die Frau schöpfte kurz Hoffnung, da<br />
sagte der Mann: »Nein, heute nicht,<br />
morgen vielleicht.« Die Frau sackte<br />
innerlich zusammen, fing sich aber<br />
schnell und bat den Mann, das Buch<br />
dann wenigstens noch ins Regal zu<br />
stellen.<br />
Der Notarzt und der leitende Kriminalbeamte<br />
wunderten sich zwar,<br />
dass jemand ein noch eingeschweißtes<br />
Buch ganz oben ins Regal stellen<br />
wollte, aber der Mann hatte es<br />
versucht, und war, als der wacklige<br />
Stuhl unter ihm zusammenbrach,<br />
nicht nur <strong>mit</strong> dem Genick auf einen<br />
zufällig hinter ihm stehenden Tisch<br />
gefallen, wobei es brach, das Genick,<br />
sondern auch noch vom umstürzenden<br />
Regal begraben worden, das der<br />
Mann bei dem Versuch, den Sturz<br />
zu verhindern, selbst umgerissen<br />
hatte, was ihn auch ohne das Tischlein<br />
getötet hätte.<br />
»Sie sollten Ihre Stühle mal kontrollieren«,<br />
sagte der Polizist, »oder<br />
noch besser, sich eine Leiter zulegen.«<br />
Die Frau schwieg. Sie wusste,<br />
dass es in ihrem Haushalt nur den<br />
einen instabilen Stuhl gegeben<br />
hatte.<br />
Ove Lieh<br />
Je gebildeter der Baum,<br />
desto teurer das Papier.<br />
★<br />
Wehe dir,<br />
humoristischer Autor,<br />
wenn dein Rechtschreibprogramm<br />
witzigere Einfälle hat<br />
als du!<br />
★<br />
Das Wort »Ich«<br />
hält sich für den Mittelpunkt<br />
der Sprache.<br />
★<br />
Wie oft schämt sich das Papier<br />
für das, was einer darauf schreibt!<br />
★<br />
Was dein Computer wirklich denkt,<br />
wird er dir niemals<br />
auf dem Monitor<br />
anzeigen.<br />
★<br />
Sebastian Vettels<br />
Lieblingsbuchstabe ist das O.<br />
Stundenlang fährt er<br />
<strong>mit</strong> dem Finger entlang.<br />
Peter Köhler<br />
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✹ Schinschilla ✹ Mäusecken Wackelohr ✹ Krawitter,<br />
Krawatter, die Kiste, die Mäuse ✹ Hinterm Busch<br />
zwei lange Ohren ✹ Zum Geburtstag eine Schwester<br />
✹ Der Sylvesterhund ✹ Das Mitternachtsgespenst<br />
✹ Schalmei und Krüglein ✹ Känguru Konrad ✹ Auf<br />
dem ABC-Stern ✹ Daniel und der Maler ✹ Die<br />
Windvogelschule ✹ Pantommel malt das Meer<br />
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Situation im Gerichtssaal während der APO- und<br />
RAF-Prozesse? Welche langfristigen Wirkungen auf die<br />
Rechtskultur schreiben en sie der 68er Bewegung zu? Wie be-<br />
urteilen sie rückblickend die Herausforderung des bundes-<br />
deutschen Terrorismus und das Stammheim-Vererfahren?<br />
Diese Fragen stehen en im Zentrum der dreizehn Interviews<br />
des vorliegenden Bandes, der erstmals die Perspektiven von<br />
Ver<br />
erteidigern, Richtern und Bundesanwä<br />
wälten versa<br />
ammelt<br />
und die Stimme eines es politischen Beobachters einbezieht.<br />
Gespräche wurden geführt <strong>mit</strong> sieben Strafverteidigern<br />
(K laus Eschen, Armin G<br />
olzem, Rupert von Plottnitz, tz, Hein-<br />
rich Hannover, Kurt t Groenewold, Ulrich K. Preuß und<br />
Hans-Christian Ströbele), drei Richtern (Kurt Breucker,<br />
Eberhard Foth und Klaus Pflieger), zwei Bundesanwälten<br />
(Joachim Lampe und Peter Morré) und einem ehemaligen<br />
Bundesinnenminister er (Gerhart Baum). Alle waren an expo-<br />
nierter Stelle le in APO- und RAF-Prozessen involviert. Die<br />
Interviewpartner t reflek<br />
kt<br />
tieren nicht nur die politischen KoK<br />
on-<br />
troversen und die beklemmende Atmosphäre in den Pro-<br />
zessen, sondern auch die damals kaum überbrückbaren<br />
Gegensätze unter den Beteiligten.<br />
www.duncker-humblot.de<br />
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Textfabrik<br />
Der Leserbegann, eine Geschichte<br />
zu lesen. Je mehr er las, desto weiter<br />
schritt die Geschichte voran. Der<br />
Leser ahnte, worauf das hinauslief,<br />
aber sagte sich: »Vielleicht geschieht<br />
etwas Unerwartetes!«, und fuhr in<br />
der Lektüre fort. Plötzlich las er, dass<br />
der Autor den Leser an der Nase herumführe<br />
und keinen Respekt vor<br />
ihm habe. Der Leser stutzte und las<br />
noch mal. Da stand es wortwörtlich:<br />
»dass der Autor den Leser an der<br />
Nase herumführe und keinen Respekt<br />
vor ihm habe«. Der Leser<br />
wusste nicht, ob er schmunzeln oder<br />
zetern solle, da las er: »Wer das liest,<br />
ist doof!« Der Leser dachte: »Wie kindisch!<br />
Der Autor ist doch selber<br />
doof!« Das kam so unerwartet, dass<br />
der Autor innehielt.<br />
★<br />
Alles Regal<br />
»Du gehst doch immer lieber laufen,<br />
anstatt einmal ein Buch zu kaufen.<br />
Wozu dann die Bücherschränke?«<br />
»Für isotonische Getränke.«<br />
Kriki<br />
Trockene Spätlese<br />
10 nach 10 abends ist Spätlesezeit an<br />
Bord. Und wenn dann drei Bücher bereit<br />
liegen und fünf gutgefüllte Schubladen<br />
<strong>mit</strong> Trockenfisch zum Knabbern<br />
warten, dann weiß der erfahrene Kapitän:<br />
Die Leseratten verlassen garantiert<br />
als Letzte das sinkende Schiff!<br />
Käpt’n Kriki<br />
Kaum dass die Hauptperson genannt<br />
wird, verlässt sie die Geschichte.<br />
An ihrer Stelle betritt eine<br />
Nebenperson den folgenden Satz.<br />
Sie bleibt anwesend, während eine<br />
weitere Figur hinzukommt. Es wird<br />
geredet, auch übers Handeln. Indem<br />
der Autor die leeren Wände des Raumes<br />
erwähnt, lenkt er die Aufmerksamkeit<br />
der Leser auf die leeren<br />
Wände des Raumes im Kopf des Lesers.<br />
Die Figuren haben unterdessen<br />
weitergeredet, doch worüber, ist unbekannt,<br />
weil niemand sonst zugehört<br />
hat. Nach einer Weile trinken sie ein<br />
Bier, zumindest auf dem Papier. Es<br />
wird geschwiegen, man hört in der<br />
Stille den Autor kritzeln. Dann betritt<br />
die Hauptperson die Geschichte, und<br />
da<strong>mit</strong> ist sie zu Ende.<br />
★<br />
Es war einmal ein Wort, das lautete<br />
»Frau« und ging in den Text, d.h. in den<br />
Keller, um einen Plural zu holen, Kartoffeln.<br />
Die Frau bzw. das Wort ging<br />
also, wie gesagt, in den Keller oder Text,<br />
weil es (die Frau) dort einen Plural holen<br />
wollte, die Kartoffeln; und nachdem<br />
dieses Gehen oder besser Beschreiben<br />
erfolgt war, waren beide im Keller, sie<br />
(das Wort) und sie (der Plural). Es nahm<br />
ihn und trug sie hinauf in seinen Keller,<br />
nein: ihre Wohnung (ebenfalls im<br />
Text!). Jetzt war die Frau nicht mehr in<br />
den Kartoffeln, stop: im Keller, und die<br />
Kartoffeln nicht mehr im Keller, sondern<br />
in der Frau, Unsinn: im Keller.<br />
Nein, nicht im Keller! Dort ist jetzt nur<br />
noch der Leser.<br />
Peter Köhler<br />
106 LITERATUREULE 4/14