20.09.2014 Aufrufe

Eulenspiegel Wollt ihr den totalen Krieg?!! (Vorschau)

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DAS SATIREMAGAZIN<br />

Unbestechlich, aber käuflich!<br />

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42 Seiten Literatur-Eule<br />

10/14 · € 3,20 · SFR 5,00<br />

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60./68. Jahrgang • ISSN 0423-5975 86514


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Zeit im Bild<br />

EULENSPIEGEL 10/14 3<br />

Barbara Henniger


D<br />

ER D IC<br />

KE<br />

...<br />

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Inhalt<br />

Titel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freimut Woessner<br />

3 Zeit im Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Barbara Henniger<br />

5 Hausmitteilung<br />

6 Leserpost<br />

8 Modernes Leben<br />

11 Zeitansagen<br />

16 Die sanfte Regierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gregor Füller<br />

18 Suck it, bitch!. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gregor Füller / Andreas Koristka<br />

20 Unsere Besten: Er ist all dor –<br />

Frank-Walter Steinmeier . . . . . . . . . . . . . . Peter Köhler / Frank Hoppmann<br />

22 Das letzte Eckchen freie Erde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Felice von Senkbeil<br />

24 Zeitgeist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beck<br />

27 Fanal mit Apfel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Koristka<br />

28 Schnauze, sonst Beule!. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Robert Niemann<br />

32 Gute schlechte Witze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kriki<br />

34 Die neue Lust zu konsumieren . . . . Reinhard Ulbrich / Reiner Schwalme<br />

36 Schutz vor Ebola . . . . . . . . . . . . . . . . Felice von Senkbeil / Michael Garling<br />

38 Die Deutschen haben mehr gelitten<br />

als die alten Römer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerhard Henschel<br />

... mit ü<br />

ber 400 Cartoons<br />

Der mehrfach h mit dem deutschen Karikaturenpreis<br />

ausgezeichnete Cartoonist BECK spart die<br />

Absurditäten des Alltags auf und beweist,<br />

wie viel Nonsens sich darin fin<strong>den</strong> lässt!<br />

€ 14,95 (D) · ISBN 978-3-8303-3329-6<br />

40 Freizeit macht frei. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Kech / Guido Sieber<br />

42 Wahn & Sinn<br />

44 Kino: Familiensachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Renate Holland-Moritz<br />

45 Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerhard Glück<br />

46 Tag der offenen Moschee<br />

48 Artenvielfalt: Das Rehabilitand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ove Lieh<br />

49 Lebenshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Martin Zak<br />

50 Funzel: Eine Frage der Perspektive<br />

54 Zugvögel im Herbst. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Ehrt<br />

56 TV: Wenn die Merkel wie die Ferres wäre . . . . . . . . Felice von Senkbeil<br />

57 Am Tag des Herrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Andreas Schmid<br />

58 Schwarz auf Weiß<br />

60 Fehlanzeiger<br />

62 Leser machen mit / Rätsel / Meisterwerke<br />

64 Impressum / … und tschüs!<br />

65 Literatur-Eule<br />

Teilen der Auflage sind Beilagen des Atlas Verlages und des Freitag hinzugefügt<br />

Hat Ihnen eine Zeichnung im<br />

EULENSPIEGEL besonders gefallen?<br />

Dann lassen Sie sich ein Poster<br />

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Papier im Format A3+.<br />

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Viel Spaß auch auf<br />

4 EULENSPIEGEL 10/14<br />

Im eulenspiegel-la<strong>den</strong>.de oder telefonisch<br />

unter (030)29346319.


Haus mitteilung<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

haben Sie eigentlich Angst vor einer Ebola-Epidemie? Nein? Sollten Sie<br />

aber! Denn nach Ansicht namhafter Experten ist es nur eine Frage der Zeit,<br />

bis sich die Horror-Seuche auch bei uns ausbreitet und alles Leben<br />

vernichtet. Es sei <strong>den</strong>n, wir handeln jetzt! Deshalb gehe ich als Prominenter<br />

mit gutem Beispiel voran, und zwar so: Wenn ich in der Stadt unterwegs<br />

bin, schaue ich meine Mitmenschen genau an. Falls jemand verdächtige<br />

Symptome zeigt (z.B. laufende Nase, unsteter Blick), schlage ich ihn mit<br />

einem Holzhammer bewusstlos und lege ihn vor dem nächstgelegenen<br />

tropenmedizinischen Institut ab. Wenn Sie alle meinem Beispiel folgen,<br />

ist die Gefahr sicher bald gebannt.<br />

★<br />

Vor einigen Wochen saß ich ein wenig gelangweilt zu Hause herum, als<br />

ich plötzlich Heißhunger auf Hackbällchen bekam. Also auf zu Ikea! Und<br />

wo ich schon mal da war, machte ich natürlich auch gleich <strong>den</strong> Rundgang<br />

durch das Einrichtungshaus, an dessen Ende mir dann die »Self-Service«-<br />

Kasse auffiel. Davon hatte ich schon mal gelesen: Ikea lässt die Kun<strong>den</strong><br />

<strong>ihr</strong>e Ware selbst scannen und am Automaten bezahlen – und spart damit<br />

jede Menge Geld für Kassenpersonal. Nun, dachte ich mir da, wenn ich<br />

einen Teil der Arbeit übernehme, steht mir ja wohl auch ein Rabatt zu,<br />

oder? Also scannte ich <strong>den</strong> Kleiderbügel »Bumerang« fünfmal ein und ließ<br />

dafür die vier »Billy«-Regale weg – schwups, über 200 Euro gespart! Zwar<br />

bemerkte das eine in der Nähe stehende Fachkraft, aber glücklicherweise<br />

hatte ich noch die Edelstahl-Bratpfanne »Trovärdig« im Einkaufswagen,<br />

mit deren Hilfe ich mir <strong>den</strong> Weg zum Ausgang freikämpfen konnte. (Die<br />

Pfanne war danach übrigens ziemlich verbeult, aber die Reklamation verlief<br />

problemlos.)<br />

Mein Fazit: Action, Spannung und bares Geld gespart – also von mir<br />

aus kann die Selbstbedienungskasse ruhig überall eingeführt wer<strong>den</strong>!<br />

Ähnlich positiv sieht das sicher auch der Autor unseres Artikels auf<br />

Seite 34.<br />

★<br />

Als ich vorgestern kurz nach dem Aufstehen, noch fast im Halbschlaf, das<br />

Radio anschaltete und hörte, dass ein EU-Kommissar seine Frau mit einem<br />

Staubsaugerkabel erdrosselt habe, rief ich sofort in der Redaktion an und<br />

befahl, umgehend einen Artikel zu diesem fantastischen Aufreger-Thema<br />

ins Heft zu heben. Die Einwände des Redakteurs, alle Seiten seien bereits<br />

belegt, überging ich natürlich: Aktualität geht vor! Dann musste eben die<br />

Reportage über <strong>den</strong> <strong>Krieg</strong> in der Ukraine rausfliegen; dieses Thema interessiert<br />

morgen sowieso nieman<strong>den</strong> mehr. Schwer beeindruckt von meiner<br />

eigenen Entscheidungsfreudigkeit frühstückte ich danach erst einmal ausgiebig<br />

und fuhr anschließend gegen 14 Uhr in die Redaktion, um <strong>den</strong><br />

gerade in Auftrag gegebenen Artikel zu begutachten. Dabei stellte sich<br />

leider heraus, dass ich mich wieder einmal verhört hatte: Tatsächlich wurde<br />

niemand erdrosselt; statt dessen will die EU-Kommission nur die Leistung<br />

von Staubsaugern drosseln, um Energie zu sparen. Oje! Aber Führungs -<br />

stärke bedeutet bekanntlich, um je<strong>den</strong> Preis zu einer einmal getroffenen<br />

Entscheidung zu stehen und Fehler auf keinen Fall zuzugeben. Lesen Sie<br />

also auf Seite 18 unseren spannen<strong>den</strong> – äh, also lesen Sie halt <strong>den</strong> Artikel,<br />

der da steht. Mit <strong>den</strong> Staubsaugern. Oder auch nicht. Mir doch egal.<br />

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Mit gedrosselten Grüßen<br />

Chefredakteur<br />

EULENSPIEGEL 10/14 5


www.eulenspiegel-zeitschrift.de<br />

60./68. Jahrgang • ISSN 0423-5975 86514<br />

Neu in der Minibibliothek<br />

Wir feiern <strong>den</strong> 300. Band!<br />

Rolf Hochhuth/Edgar Degas<br />

Frauen<br />

128 Seiten, 6,2 x 9,5 cm,<br />

vierfarbig, in Seide<br />

gebun<strong>den</strong>, im Farbschuber<br />

ISBN 978-3-89798-462-2<br />

soeben erschienen<br />

Betörend-schöne Gedichte<br />

über Liebe, Eros und<br />

Frauen von Rolf Hochuth<br />

und Aktbilder von Edgar<br />

Degas<br />

Limitierte Sonderausgabe:<br />

nur 555 Exemplare!<br />

Minibuch mit Schuber<br />

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mehr Mini-Neuerscheinungen<br />

im Herbst<br />

Alte Gemüsesorten - Junge Rezepte ISBN 978-3-89798-458-5<br />

Gewürze ISBN 978-3-89798-459-2<br />

Whisky ISBN 978-3-89798-460-8<br />

Süße Sünde: Schokolade ISBN 978-3-89798-461-5<br />

Erzgebirgisches Weihnachtsbüchlein ISBN 978-3-89798-464-6<br />

Filinchen: Die Legende lebt! ISBN 978-3-89798-463-9<br />

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für die Frau<br />

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Post<br />

Zum Titel:<br />

DAS SATIREMAGAZIN<br />

9/14 · € 3,20 · SFR 5,00<br />

Stoppt<br />

<strong>den</strong> irren<br />

Mautokraten!<br />

Unbestechlich, aber käuflich!<br />

Mich erinnert der Seehofer irgendwie<br />

an Putin. Oder tue<br />

ich ihm da Unrecht?<br />

Franz Alt, München<br />

Wem von bei<strong>den</strong>?<br />

Mautkassierer Horst: Selbstverständlich<br />

Maut auch auf <strong>den</strong><br />

grenzüberschreiten<strong>den</strong> Flüssen für<br />

jedermann!<br />

Dr. Manfred Gries, Oranienburg<br />

Weil die Österreicher auch unsere<br />

Isar befahren.<br />

So einen Deppen sah man auch<br />

schon in einem russischen<br />

Fluss. Nur waren da die Muskeln<br />

und die Fische größer.<br />

Wolfgang Triebel, Suhl<br />

Der Größenwahn aber gleich.<br />

Zu dem Kunstwerk von old Dagobert<br />

ist mir leider auch was eingefallen:<br />

Wenn Onkel Hotte <strong>den</strong><br />

kleinen Fisch würgen kann, um ihm<br />

ein paar Schuppen aus seinem Pelz<br />

zu ziehen, müsste sich da nicht<br />

seine Hose im Zwickel vorwölben?<br />

Oder kann er das auch nicht?<br />

Uwe Kollwitz, Weischlitz<br />

»Leider« war schon richtig.<br />

Zu: Zeit im Bild<br />

Der Gysi ist fast noch besser als<br />

der Seehofer getroffen. Wer ist<br />

der Künstler? Doch nicht etwa der<br />

Sieber, der sonst immer so abgrundtief<br />

hässliche Frauen malt. Was hat<br />

<strong>den</strong>n Gysi zu seinem Porträt gesagt?<br />

Hildegard Schreiber, Döbeln<br />

Ihm wird der Papierkorb nicht<br />

gefallen haben.<br />

Zu: Berlin geht ba<strong>den</strong><br />

Kinder, wie die Zeit vergeht.<br />

Beim Schreiben des Artikels Zu: Es fährt ein Bus vors Dixi-Klo<br />

D<br />

konnte der, die, das Kriki natürlich ieser Text wird dem gewerkschaftlichen<br />

Kampf nicht voll-<br />

noch nicht wissen, dass der Regierende<br />

Bürgermeister der Hauptstadt<br />

abreagiert hat. Klar. Aber wo-<br />

Dr. Junge, Leipzig<br />

ständig gerecht.<br />

her er die >blitzgeschwinde Bundes-<br />

Aber fast.<br />

bahn< nimmt, ist unklar. Hat Kriki<br />

so lange an der Collage gearbeitet,<br />

dass er das Verschwin<strong>den</strong> der Bundesbahn<br />

nicht bemerkt hat?<br />

Wolfgang Kroschel, Cottbus<br />

Kriki sagt immer »Bundesbahn«,<br />

das ist seine Form des Widerstands!<br />

Ich schreibe seit 1954 (erste Leseversuche<br />

mit sechs) zum ersten<br />

Mal. Das Qualitätsblatt macht mit<br />

9/14 in Text und Bild wohl die beste<br />

Ausgabe, seitdem Europa wieder<br />

mal die Krätze hat. Will nicht als inspirationshemmender<br />

Schleimer,<br />

sondern als Wut- und Weltbürger in<br />

Besorgnis verstan<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>.<br />

Frage: Steht der Russe schon am Atlantik?<br />

Wenn ja, so meldet das bitte.<br />

Werner Schüler, Plauen<br />

Wenn Sie von Chrieschwitz her<br />

Schüsse hören – dann ist er da!<br />

Zu: Comic und Unsere Besten<br />

Das CDU-Dreamteam Altmaier<br />

und Pofalla und vor allem der<br />

wunderbare Mehdorn in Heft 9<br />

sind gut charakterisiert. Bevor Mehdorn<br />

eingestellt wurde, habe ich<br />

immer noch geglaubt, dass der<br />

Flughafen Schönefeld irgendwann<br />

einmal fertiggestellt wird.<br />

Dr. Kurt Laser, Berlin<br />

»Wo Glaube ist, da ist auch Lachen.«<br />

(Martin Luther)<br />

Zu: Die fröhliche Schicksalsgemeinschaft<br />

Frage an Sender Jerewan: Warum<br />

ist ausgerechnet in Deutschland<br />

die Vorsehung so nachhaltig?<br />

Karl Marr, Querfurt<br />

Weil man hierzulande das Nachsehen<br />

nicht vorhältig hat.<br />

Zu: Die Geschädigte<br />

Woher weiß Mathias Wedel,<br />

dass ich am liebsten in <strong>den</strong><br />

Bildband »Romy Schneider« etwas<br />

zurücklege? (Kein Geld!) Das ist<br />

nicht mal meinem Mann bekannt,<br />

mit dem ich seit fast 54 Jahren verheiratet<br />

bin! Ich werde mir ein<br />

neues Versteck suchen müssen,<br />

eventuell in <strong>den</strong> Bildband »Villen<br />

der Toscana«.<br />

Jutta-Maria Friedemann, Rangsdorf<br />

Vorsicht, Leserbriefe wer<strong>den</strong> auch<br />

von Kleinkriminellen gelesen.<br />

6 EULENSPIEGEL 10/14


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Zu: Leben ohne Stasi<br />

Zu: Der Glücksatlas<br />

W H<br />

arum sollte die Stasi-Behörde at der EULENSPIEGEL mit einer<br />

abgeschafft wer<strong>den</strong>? Es gibt Reform der Bundesländer begonnen?<br />

Im »Glücksatlas 2014«<br />

doch so viele Geheimdienste in<br />

<strong>den</strong> gelenkten, freiheitlichen Demokratien<br />

der Welt von heute. Mehr nur 15 statt 16 Bundesländer. Und<br />

fehlt das Bundesland Bremen! Also<br />

Aufklärung über Sinn und Tätigkeit das ohne Volksentscheid! Aber <strong>den</strong><br />

wäre wohl nützlich. Wird jeder gibt es in unserer Demokratie sowieso<br />

kaum.<br />

Weltbürger über- und bewacht? Zu<br />

wessen Nutzen? Tag und Nacht? Werner Klopsteg, Berlin<br />

Gute Nacht!<br />

Erbsenzähler.<br />

Horst Schwarz, Teutschenthal<br />

I<br />

Und süsse Träume!<br />

hr spezial guest W.K. (der Name<br />

ist mir gerade nicht geläufig) gehört<br />

doch zu <strong>den</strong> meistgelesenen<br />

Zu: Die Trachtensaison hat begonnen<br />

Autoren der Gegenwart. Wäre es<br />

Was soll die komische Aufmachung<br />

»Zieh dir deinen Putin von Senkbeil ihm ein Porträt wid-<br />

nicht mal an der Zeit, dass Frau<br />

an!«? Ich hätte nie geglaubt, dass met, vielleicht auch unter der Rubrik<br />

»Das Leserbriefschreiber«.<br />

Sie sich in die Kategorie der Russenhasser<br />

eingliedern. Ist das der Aber bitte mit vollständiger Bibliographie.<br />

Moderne geschuldet? Diese Sorte<br />

Deutsche habe ich schon vor 75 Udo Hagner, Gera<br />

Jahren erlebt und kann für sie bis Aber erst, wenn sein Denkmal auf<br />

heute keine Entschuldigung fin<strong>den</strong>. dem Schlossplatz fertig ist.<br />

Soll man W. Putin mit einer SS-Uniform<br />

beklei<strong>den</strong>? Zwei ältere Brüder Zu: Schwarz auf Weiß<br />

E<br />

von ihm sind im Kindesalter gestorben.<br />

Womöglich während der Blohof<br />

<strong>den</strong> Kreuzzug. Den Witz hat<br />

in Kreuzritter verpasst am Bahnckade<br />

der Deutschen Wehrmacht Harm Bengen aber aus der ARDund<br />

SS in Leningrad. Bitte nicht Sendung Düsseldorf helau von<br />

vergessen: Die Deutschen sind 1979 geklaut, gebt es zu!<br />

auch Weltmeister im Töten.<br />

Christoph Cavazzini, Göttingen<br />

Lorenz Eyck per E-Mail<br />

Da hatte er noch keinen Fernseher.<br />

Im Bratwurstessen aber auch.<br />

Zu: Artenvielfalt. Das Säufer<br />

A W<br />

ls echten Skandal empfinde ich er, wie ich, an der Alkoholkrankheit<br />

leidet, könnte jetzt<br />

es, einen der vier Präsi<strong>den</strong>ten<br />

der Siegermächte über <strong>den</strong> faschistischen<br />

Verbrecherstaat in SS-ähnli-<br />

ich spüle <strong>den</strong> Ärger einfach runter.<br />

beleidigt sein. Bin ich aber nicht –<br />

che Uniform plus EK1 und HH-Bildnis<br />

klei<strong>den</strong> zu sollen (oder zu wol-<br />

Prost!<br />

Günther Halbritter, Aachen<br />

len!).<br />

Günter Wendel, Berlin<br />

Biete:<br />

Dass Putin »der neue Hitler« ist, EULENSPIEGEL-Jahrgänge, komplett,<br />

wird Hillary Clinton wohl noch sagen<br />

dürfen.<br />

Katrin Keybe, Tel.: 0178-23 36<br />

ab Heft 09/03 – 02/11,<br />

108<br />

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Schneckensteiff<br />

Hannes Richert<br />

8 EULENSPIEGEL 10/14


Modernes<br />

Leben<br />

Alff Peter Thulke<br />

Piero Masztalerz<br />

Freimut Woessner<br />

Burkhard Fritsche<br />

EULENSPIEGEL 10/14 9


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Und da wundert sich<br />

noch einer, dass ich<br />

Amok laufe ...<br />

Zeit ansagen<br />

Von unserem<br />

Hauptstadt-<br />

Korrespon<strong>den</strong>ten<br />

Atze<br />

Svoboda<br />

In <strong>den</strong> sauren Apfel beißen? Ähnliche Interessen<br />

Bundeslandwirtschaftsminister<br />

Christian Schmidt hat die deut -<br />

sche Bevölkerung aufgefordert,<br />

Obst und Gemüse, das wegen des<br />

russischen Lebensmittelembargos<br />

nicht exportiert wer<strong>den</strong> kann, selber<br />

zu verzehren:<br />

»Sie sollten essen, ich sollte essen,<br />

wir sollten essen.« Da kann Wahr und unwahr (1)<br />

man nur hoffen, dass das Waffenembargo<br />

nicht noch weiter ausgedehnt<br />

wird, sonst heißt es zukünftig:<br />

»Sie sollten schießen, ich<br />

sollte schießen, wir sollten schießen.«<br />

Michael Kaiser<br />

Eigentlich seltsam, dass es zwischen<br />

Putin und der EU gerade so<br />

schlecht läuft. Im Grunde haben<br />

die bei<strong>den</strong> dasselbe Projekt:<br />

Schluss mit der europäischen<br />

Kleinstaaterei!<br />

Patrick Fischer<br />

Wahr ist, dass mit dem Ukrainer<br />

Leonid Stadnik (2,57 m) einer der<br />

längsten Menschen kürzlich verschied.<br />

Unwahr ist, dass er mit einem<br />

russischen Kampfjet kollidierte.<br />

Guido Pauly<br />

Foto: sueddeutsche.de<br />

Brukhard Fritsche Carlo Dippold<br />

Strafandrohung<br />

Wenn eine lupenreine Demokratie,<br />

wie die Ukraine, <strong>ihr</strong>e Grenze durch<br />

eine perfekt gesicherte Mauer<br />

schützen will, sollte Deutschland<br />

sich solida risch zeigen und <strong>den</strong> Slo -<br />

gan »Die Mauer muss weg!« grundgesetzlich<br />

unter Strafe stellen.<br />

Matti Friedrich<br />

Auf Erfolgskurs<br />

Die EU droht Putin mit einem Boykott<br />

der WM 2018. Die Russen<br />

scheinen sich <strong>ihr</strong>em Ziel zu nä -<br />

hern, die Weltmeisterschaft im eigenen<br />

Land zu gewinnen.<br />

Manfred Beuter<br />

Eine Schande …<br />

... ist es nicht, dass Nacktfotos von<br />

<strong>den</strong> heißesten Hollywoodstars im Internet<br />

aufgetaucht sind. Aber skandalös<br />

ist es, dass Bild kein einziges<br />

davon drucken darf. Pressefreiheit<br />

und so! Wozu ist Bild <strong>den</strong>n sonst da?<br />

Etwa nur zur <strong>Krieg</strong>sberichterstattung?<br />

Es handelt sich hier nicht um irgendwelche<br />

Hupfdohlen, sondern um Weltstars.<br />

Wo sie gehen und liegen, springen<br />

<strong>den</strong> Damen »zufällig« die Brustwarzen<br />

aus <strong>den</strong> Designerroben oder<br />

sie wer<strong>den</strong> »zufällig« splitternackt auf<br />

<strong>ihr</strong>en Yachten geknipst. Und nun machen<br />

sie auf Mauerblümchen! Auf »Hackeropfer«!<br />

Als hätten wir uns nicht<br />

längst jede Ritze von Rihanna, die Nippel<br />

von Kate Upton oder <strong>den</strong> Venushügel<br />

von Miley Cyrus bildlich vorgestellt.<br />

Ich war schon immer ein Verfechter<br />

meiner Persönlichkeitsrechte. Aber öffentliche<br />

Personen sollten ruhig was<br />

gucken lassen, dafür heißen sie ja »öffentlich«.<br />

Schließlich gehört das zum<br />

Geschäft. Gut, wenn es um behaarte<br />

Schwänze und nicht behaarte Schlitze<br />

geht, sollte man sich schon das<br />

»Okay« vom Inhaber einholen. Millionen<br />

User klicken sich seit der Veröffentlichung<br />

dieser »Hackerattacke«<br />

durchs Internet, um sich selbst ein<br />

Bild von der angeblichen Verletzung<br />

der Intimsphäre zu machen.<br />

Ich dachte mir, auch einige meiner<br />

Promibekanntschaften könnten mal<br />

wieder etwas Medienrummel vertragen.<br />

Maren Gilzer oder Birgit Schrowange<br />

sind auch ganz lecker. Von Verona<br />

Poth oder Jenny Elvers ganz zu<br />

schweigen. Also suchte ich meine<br />

Handyfilmchen durch und stellte <strong>den</strong><br />

ein oder anderen ins Netz. Meine Kollegen<br />

von Bild habe ich schon per<br />

Twitter informiert. Die haben versprochen,<br />

diesmal alles zu drucken, auch<br />

wenn’s schon bisschen welk ist. Mir<br />

winkt ein beschei<strong>den</strong>es Honorar.<br />

Ob ich mir damit aber auch Dank<br />

bei <strong>den</strong> Damen einhandle? Rechtlich<br />

bin ich je<strong>den</strong>falls auf der sicheren<br />

Seite: Die Urheberrechte für die Vi de -<br />

os liegen bei mir (Webcam in meinem<br />

Schlafgemach).<br />

EULENSPIEGEL 10/14 11


Zeit ansagen<br />

Was das wieder kostet!<br />

Nachdem die Bundesregierung <strong>den</strong><br />

Kur<strong>den</strong> ohne Parlamentsbeschluss<br />

Raketen versprochen hatte, will der<br />

Bundestag zukünftig über Waffenlieferungen<br />

mitentschei<strong>den</strong>. Bundeskanzlerin<br />

Merkel winkt jedoch<br />

ab. Bei <strong>den</strong> vielen Überhangmandaten<br />

könne man der Waffenlobby<br />

nicht zumuten, das ganze Parlament<br />

für Abstimmungsergebnisse zu bezahlen.<br />

MK<br />

Team-Therapie<br />

Barack Obama hat die IS-Terroristen<br />

als »Krebsgeschwür« bezeichnet.<br />

Eine solche Diagnose zieht in vielen<br />

Fällen eine Chemotherapie nach<br />

sich. Der ausgewiesene Spezialist<br />

dafür in der Region wäre eigentlich<br />

Dr. Assad, für eine eventuell notwendige<br />

Bestrahlung im Anschluss<br />

käme ein Team aus Teheran in Frage.<br />

PF<br />

Der kleine Unterschied<br />

Vor ein paar Wochen hießen die »IS-<br />

Truppen« noch »ISIS-Kämpfer«.<br />

»ISIS« klingt aber nicht gefährlich<br />

genug. Man assoziiert damit die zauberhafte<br />

ägyptische Göttin Isis oder<br />

die zauberhafte Blume Iris. Den Begriff<br />

»IS-Truppen« hingegen umflutet<br />

die Aura des Bösen: Er erinnert<br />

sofort an <strong>den</strong> Terminus »US-Truppen«.<br />

MK<br />

Mario Lars<br />

Der Umwelt zuliebe<br />

Während die Linken geschlossen gegen<br />

Waffenlieferungen in Krisenregionen<br />

sind, haben eini ge Grü -<br />

ne <strong>ihr</strong>e Zustimmung erteilt. Direkt<br />

in <strong>Krieg</strong>sgebiete zu liefern ist Co2-<br />

günstiger als über <strong>den</strong> Umweg sicherer<br />

Drittstaaten.<br />

GP<br />

Kein netter Beutezug<br />

Stolz präsentierten IS-Kämpfer deutsche<br />

Waffen, die sie in Syrien er -<br />

obert haben. Die Bundesre gie rung<br />

reagierte empört: »Die sollen <strong>ihr</strong>e<br />

Waffen – wie alle anderen auch –<br />

gefälligst bei uns kaufen.« MK<br />

In falsche Hände<br />

Schlussendlich hat auch die CSU<br />

<strong>den</strong> Waffenlieferungen in <strong>den</strong> Irak<br />

zugestimmt. Wahrscheinlich in der<br />

heimlichen Hoffnung, dass das<br />

<strong>Krieg</strong>s gerät früher oder später bei<br />

radikalen Maut-Befürwortern lan -<br />

<strong>den</strong> wird.<br />

PF<br />

Klatsch und Tratsch<br />

Sigmar Gabriel lästerte über Ursula<br />

von der Leyens Presseinszenierungen:<br />

Selbst wenn sie am Kopierer<br />

stehe, schaue sie in die Ferne, soll<br />

er gesagt haben. Ganz schön ge -<br />

wagt für jeman<strong>den</strong>, <strong>den</strong> man am Kopierer<br />

noch nie ohne Schokoriegel<br />

sah.<br />

MB<br />

Lebt<br />

eigentlich<br />

KLAUS<br />

WOWEREIT<br />

noch?<br />

dapd<br />

Was heißt »noch«? Jetzt geht die<br />

Sause erst richtig los! Der Tag ist nah,<br />

auf <strong>den</strong> er so lange gewartet hat. Da<br />

ging es ihm nicht anders als jedem<br />

Arbeitnehmer über Vierzig: Zähne zusammenbeißen,<br />

Energieverbrauch<br />

runterschrauben, Arbeit delegieren<br />

und auf Erlösung hoffen!<br />

Aber Wowereit hat mehr getan. Er<br />

hat in seinem Scheißjob Tango tanzen<br />

gelernt, hat eine tolle Routine<br />

bekommen, Jungs rumzukriegen, hat<br />

seine sagenhafte Pointentechnik<br />

entwickelt und weiß immer, in welche<br />

Kamera er gucken muss. Er hat<br />

Maßanzüge, Schwulenwitze und Prominente<br />

gesammelt. Was <strong>den</strong> Bekanntheitsgrad<br />

beim deutschen Volke<br />

betrifft, liegt er vor Boris Becker und<br />

knapp hinter <strong>den</strong> Wildecker Herzbuben,<br />

was seine Beliebtheit betrifft<br />

noch vor Thilo Sarrazin und Alice<br />

Schwarzer! Praktisch mit allen Comedians<br />

dieses Landes ist er per Du.<br />

Aber auch bei Castorf und Peymann<br />

hat er immer einen Platz in der Kantine.<br />

Braucht er aber gar nicht, <strong>den</strong>n<br />

in sämtlichen Prominentenkneipen<br />

springen die Lakaien herbei und fegen<br />

ein Separee frei, wenn Wowi hereingerauscht<br />

kommt.<br />

Jetzt läuft er zu großer Form auf:<br />

Nach seiner Abschiedsplauderei bei<br />

Sandra Maischberger jubelte die<br />

Weltpresse: »So telegen war er noch<br />

nie!«, »Wowi – reich und sexy« und<br />

»Berliner verlieben sich neu in diesen<br />

tollen Mann!«.<br />

Davon wird er sich hoffentlich<br />

nicht beindrucken lassen und etwa<br />

auf die Galeere zurückehren. Nein, er<br />

wird mit Rolf E<strong>den</strong> ein Unisex-Bordell<br />

aufmachen, mit Udo Walz eine Talk -<br />

show »Klaus&Udo« auf Pro7 mode -<br />

rieren, die Regie bei der Schwulenparade,<br />

die Intendanz des Berliner Ensembles<br />

übernehmen, sich für entsprechende<br />

Magazine ausziehen und<br />

Herausgeber von GQ wer<strong>den</strong>, er wird<br />

für Lagerfeld Bademo<strong>den</strong> präsentieren<br />

und für Rasierwassser werben. »Ich<br />

liebe euch alle, ich liebe doch alle<br />

Menschen, sofern sie Berliner sind«,<br />

wird sein Alters-Credo sein. Nur <strong>den</strong><br />

Mehdorn, <strong>den</strong> wird er nicht mal mit<br />

dem A… angucken.<br />

Mathias Wedel<br />

12 EULENSPIEGEL 10/14


Merkels Instrukteure<br />

bringen im Irak <strong>den</strong><br />

Kur<strong>den</strong> das Schießen bei.<br />

Arno Funke


Zeit<br />

ansagen<br />

Hörfehler<br />

Manche Sachsen, die AfD wählten,<br />

haben wahrscheinlich gehört, dass<br />

man ab dem Wahltermin Gebrauchtes<br />

ohne Zeitbegrenzung zurückgeben<br />

kann. Sie hätten besser hinhören<br />

sollen – gilt nur für Ikea! MF<br />

Leicht zu erheitern<br />

Trübsal blies die NPD in Sachsen,<br />

als sie <strong>den</strong> Wiedereinzug in <strong>den</strong><br />

Landtag verfehlte. Fidel wur<strong>den</strong> die<br />

Kamera<strong>den</strong> erst wieder, als einer<br />

au sgerechnet hatte, dass ihnen 88<br />

Stimmen fehlten.<br />

GP<br />

Krankenhausreif<br />

In Ferguson, Missouri, gehen Polizei<br />

und Nationalgarde mit aller Härte gegen<br />

die Demonstranten vor, die<br />

größtenteils der schwarzen Unterschicht<br />

angehören. Deshalb ist es<br />

ein echter Segen, dass die meisten<br />

von ihnen dank Obama-Care jetzt or<strong>den</strong>tlich<br />

krankenversichert sind. PF<br />

Wahr und Unwahr (2)<br />

Wahr ist, dass Apple nach dem<br />

Nacktfoto-Hackerangriff <strong>den</strong> Diebstahl<br />

privater Daten von Prominenten<br />

als »empörend« bezeichnete.<br />

Unwahr ist, dass Apple die Bereitstellung<br />

von Daten seiner Kun<strong>den</strong><br />

an Geheimdienste als »empörend«<br />

bezeichnete.<br />

Erik Wenk<br />

Neue Liberale<br />

Ehemalige FDP-Mitglieder haben angekündigt,<br />

eine neue liberale Partei<br />

zu grün<strong>den</strong>, die echte liberale Werte<br />

vertritt. Das ist bemerkenswert –<br />

wer hätte gedacht, dass die FDP<br />

noch genügend Mitglieder für eine<br />

Abspaltung hat?<br />

EW<br />

Soziallastenexporte<br />

Neuesten Statistiken zufolge gehen<br />

immer mehr deutsche Rentner ins<br />

Ausland. Flaschensammeln lohnt<br />

sich also doch!<br />

Werner Lutz<br />

Mario Lars<br />

Webmaster<br />

Günther Oettinger wird der neue EU-<br />

Kommissar für die digitale Agenda.<br />

Er zeigte sich bereits sehr erfreut<br />

über die neue Aufgabe: »That’s totally<br />

mei job! Ei always use a digital<br />

clock, and not a clock with Zeigers!«<br />

EW<br />

Clever<br />

»Im Jahr 2020 soll die Renteneinheit<br />

erreicht sein«, verkündete Angela<br />

Merkel kürzlich.<br />

Die Kanzlerin kann eben rechnen.<br />

Sie ist jetzt 60 gewor<strong>den</strong>. 2020 wäre<br />

sie … Genau! Frank B. Klinger<br />

Große Lücke<br />

Die Medienwelt trauert um Peter<br />

Scholl-Latour. Besonders schmerzlich<br />

spüren die Programm-Macher<br />

von ARD und ZDF <strong>den</strong> Verlust. Angeblich<br />

stehen nicht weniger als<br />

sechs der 32 politischen Talkshows<br />

zur Disposition.<br />

PF<br />

Gleich und gleich<br />

Til Schweiger hat Ärger mit Tierschützern,<br />

weil er im Strandurlaub<br />

eine Qualle gequält haben soll. Wissenschaftler<br />

verweisen aber darauf,<br />

dass die hirnlosen Tiere gar keinen<br />

Schmerz empfin<strong>den</strong> können. So war<br />

das Ganze wohl eher eine Auseinandersetzung<br />

auf Augenhöhe. PF<br />

Komischer Vogel<br />

Britische Forscher haben in Experimenten<br />

festgestellt, dass die Elster<br />

gar nicht diebisch ist. Das mag in<br />

England so sein. In Deutschland<br />

heißt das elektroni sche Programm<br />

für die Steuererklärung »Elster«.<br />

FBK<br />

Einst hatten wir ein<br />

Einparteiensystem.<br />

Jetzt haben wir nur noch<br />

Einsystemparteien.<br />

Ove Lieh<br />

Knufflinge<br />

heit in Person. Sie quiekt <strong>den</strong> ganzen Tag vor<br />

Spaß und kugelt sich vor Lachen herum. Mit<br />

<strong>ihr</strong>em Rüssel hat sie ein super Gespür für Schabernack<br />

und lässt keine Gelegenheit für Scherze<br />

Sie heißen Fritzi Feix, Schorschi Schlau, Carla<br />

Cool, Hugo Hui, Donnie Dreist und Wilma aus.« Was hätte Mama Wutz aus der Augsburger<br />

Wuschel. Es handelt sich um süßlich gestylte Puppenkiste dazu gesagt? Öff-öff?<br />

Plüschtiere. »Die sechs süßen Freunde leben im »Immer spielt <strong>ihr</strong> und scherzt? <strong>ihr</strong> müßt! o<br />

PENNY Markt und lieben die Nacht. Kaum ist das Freunde! mir geht dies / in die Seele, <strong>den</strong>n dies<br />

Licht im Markt aus, erwachen sie zum<br />

müssen Verzweifelte nur« (Friedrich Hölder-<br />

Leben und treiben allerhand<br />

Schabernack. Nichts ist vor ihnen<br />

sicher. Aber so wild sie in<br />

der Nacht sind, so ruhig sind<br />

sie am Tag. Still und mit großen<br />

Augen sitzen sie im Regal, als<br />

sei nichts gewesen. Eine gute Zeit,<br />

die Knufflinge zu schnappen. Entweder für<br />

Gol<strong>den</strong>e Worte<br />

VON GERHARD HENSCHEL<br />

14,99 Euro. Oder mit 50 Treuepunkten für nur lin). Man möchte eine Salatgurke, Schlagsahne,<br />

0,99 Euro.«<br />

Mohrrüben und Kakaopulver kaufen und wird unversehens<br />

von <strong>den</strong> drolligen Nachbildungen de-<br />

Die Typisierung der einzelnen, schon rein äußerlich<br />

abstoßend schnuckeligen und frohsinnigen biler Bauernhoftiere angestarrt, die auf Namen<br />

Knufflinge durch die Werbestrategen der Penny- hören, deren Dämlichkeit selbst vierjährige<br />

Märkte ist auch nicht ohne: »Fritzi ist die Albern-<br />

Kinder anwidern muss. Fritzi Feix und Wilma Wuschel!<br />

Und überhaupt – die Knufflinge! Ja, wo leben<br />

wir <strong>den</strong>n? Im Jahre 2014 und unter Erwachsenen<br />

oder – um eines der wenigen klugen Worte<br />

Helmut Kohls aufzugreifen – in einem kollektiven<br />

Freizeitpark?<br />

Alles, was die Knufflinge uns insgeheim sagen<br />

wollen, hat der Publizist Karl Heinz Bohrer bereits<br />

1991 im Merkur anlässlich einer Polemik gegen<br />

die nicht minder bescheuerten ZDF-Mainzelmännchen<br />

enthüllt: »Das putzig-alberne Wesen dieser<br />

charakter- und geschlechtslosen Männlein<br />

enthält ein ideologisches Moment, eine Bot -<br />

schaft. Wenn man be<strong>den</strong>kt, daß es vom Fernsehen<br />

der Nachfolgegesellschaft eines Mord- und<br />

Raubstaats sehr bald erfun<strong>den</strong> wurde, dann<br />

drängt sich zur Erklärung für die Albernheit dieser<br />

Fernsehfiguren doch auch auf: Hier bettelt einer<br />

mit verstellter Stimme um die Entlassung in die<br />

endgültige Regression.«<br />

Das Unglück der Deutschen rühre daher, dass sie<br />

nie einen Hohenzollern geköpft hätten, soll Max<br />

Weber gesagt haben. Ich gebe hiermit eine neue<br />

Parole aus: Les Knufflinge à la lanterne!<br />

14 EULENSPIEGEL 10/14


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Marke ting<br />

Die sanfte Regierung<br />

Da beschließt die Bundesregierung<br />

ein Spitzengesetz nach dem anderen,<br />

doch was passiert? Keiner hält<br />

sich daran. Eine im Koalitionsvertrag<br />

von CDU, CSU und SPD festgeschriebene<br />

Maßnahme soll dem<br />

endlich entgegenwirken. Es handelt<br />

sich dabei um die, wie es im Vertrag<br />

heißt, »ressortübergreifende Strategie<br />

›Wirksam und vorausschauend<br />

regieren‹«. Eine revolutionäre Vorgehensweise,<br />

die die bisher gültige<br />

Strategie »Ineffektiv, lustlos und<br />

rückwärtsgewandt herumlavieren«<br />

komplett ersetzen soll.<br />

Aus diesem Grund hat die Bundesregierung<br />

nun die »Projektgrup -<br />

pe Wirksam Regieren« ins Leben gerufen<br />

und Verhaltensbiologen, Psychologen<br />

und Hypnotise ure als Berater<br />

einge stellt. Sie sollen Konzepte<br />

entwickeln, wie der Bürger<br />

ohne Verbote, Verordnungen und<br />

blindlings auf alles draufknüppeln -<br />

de Bullen dazu gebracht wer<strong>den</strong><br />

kann, sich so zu verhalten, wie es<br />

sich die Frau Kanzlerin wünscht.<br />

Und der Clou dabei: Die Bürger sollen<br />

es nicht merken.<br />

»So ungewöhnlich, wie es klingt,<br />

ist das gar nicht«, sagt Sören<br />

Stadlhuber, der Inhaber der Kneipe<br />

»Zur bleiernen Gans«. Er arbeitet<br />

schon seit einigen Jahren mit <strong>den</strong><br />

Beratern zusammen, die jetzt von<br />

der Regierung engagiert wur<strong>den</strong>.<br />

»Bei mir läuft die Aktion unter dem<br />

Motto ›Wirksam bewirten‹«, erklärt<br />

Stadlhuber. Es fing damit an, dass<br />

er auf Geheiß der Berater, die bei<br />

ihm regelmäßig <strong>den</strong> Frust über <strong>ihr</strong>e<br />

idiotische Arbeit betäuben, in die<br />

Pissoirs seiner Kneipe kleine Plastiktore<br />

legte, an deren Latte ein<br />

Plastikbällchen baumelt. Durch <strong>den</strong><br />

Anreiz, <strong>den</strong> Ball zu treffen, gingen<br />

Stadlhubers Messungen zufolge<br />

ganze fünf Prozent Urin weniger daneben.<br />

Der Wirt freut sich über diesen<br />

Erfolg: »Seitdem muss ich das<br />

Scheißhaus praktisch gar nicht<br />

mehr putzen!« – Eine klassische Vorgehensweise:<br />

Durch einen kleinen<br />

Anreiz und ganz ohne die für Männertoiletten<br />

typischen Hinweise wie<br />

»Tritt näher, er ist kürzer, als du<br />

<strong>den</strong>kst!« oder »Geiler Spanier will<br />

dir einen blasen, immer hier montags<br />

um acht!« wird ein gewünschtes<br />

Verhalten erzielt.<br />

Baugenehmigungen<br />

für Großraumbordelle<br />

»Entwickelt wurde diese Idee der<br />

indirekten Verhaltenssteuerung unter<br />

dem englischen Namen ›nudge<br />

theory‹«, erklärt Stadlhuber. »›Nud -<br />

ge‹ bedeutet so viel wie ›anstupsen‹,<br />

<strong>den</strong>n genau das soll gemacht<br />

wer<strong>den</strong>: Der Kneipenbesucher wird<br />

durch einen kleinen Stupser in die<br />

richtige Richtung, also näher an die<br />

Keramik geführt.« Stadlhuber stellt<br />

aber auch klar: »Wenn einer auf die<br />

Theke göbelt, bleibt es natürlich<br />

nicht bei einem Stupser, da gibt’s<br />

amtlich was auf die Fresse!«<br />

Ob die Regierung in ähnlich gelagerten<br />

Fällen verfahren wird wie<br />

Stadlhuber, wird sich erst noch zeigen.<br />

Bisher wird von Regierungsseite<br />

jedoch betont, dass man beim<br />

»Nudging« darauf achten werde,<br />

dass der Bürger nicht gezwungen<br />

wird, sich richtig zu verhalten, sondern<br />

auch immer die Wahl hat, sich<br />

anders zu entschei<strong>den</strong> und dann<br />

eben mit <strong>den</strong> Konsequenzen leben<br />

und sich ständig anhören muss, wie<br />

brunzdumm er doch ist, weil er sich<br />

von der Regierung nicht hat anstupsen<br />

lassen.<br />

Manche Arbeitsgruppen der einzelnen<br />

Ministerien haben bereits<br />

erste Vorschläge vorgelegt. Sie zeigen,<br />

wie vielfältig die Ansätze des<br />

»Nudging« sein können. Das Gesundheitsministerium<br />

beispielswei -<br />

se will dem Ärztemangel auf dem<br />

Land mit einer ähnlichen Methode<br />

begegnen, wie sie Stadlhuber für<br />

seine Toiletten gewählt hat. Der<br />

Plan der Arbeitsgruppe sieht vor,<br />

mit dem Bau von Golfplätzen, der<br />

finanziellen Förderung von Reitgestüten<br />

und dem freizügigen<br />

Erteilen von Baugenehmigungen<br />

für Großraumbordelle <strong>den</strong> Strom<br />

der Medizinabsolventen von <strong>den</strong><br />

pulsieren<strong>den</strong> Städten in ländliche<br />

Gegen<strong>den</strong> umzuleiten.<br />

Eine Kasse des Vertrauens<br />

an der Autobahnauffahrt<br />

Da <strong>den</strong> Beratern Stadlhubers Knei -<br />

pe immer auch als Versuchslabor<br />

diente, lässt sich dort eine weitere<br />

Methode beobachten. Um seine<br />

Kun<strong>den</strong> an sich zu bin<strong>den</strong>, nutzte<br />

Stadlhuber die Tatsache aus, dass<br />

der Mensch Routinen nur ungern<br />

aufgibt. Darauf aufbauend tauschte<br />

Stadlhuber die üblichen 2cl-Schnaps -<br />

gläser gegen 4cl-Gläser und verlangte<br />

<strong>den</strong> doppelten Preis. Aus alter<br />

Gewohnheit wur<strong>den</strong> <strong>den</strong>noch<br />

nicht weniger Schnäpse getrunken.<br />

Der Umsatz stieg, und auch <strong>den</strong> Gästen<br />

gefiel es. – Eine Metho de, die<br />

sich das Wirtschaftsministerium zu<br />

eigen machen möchte, indem es<br />

beim Kauf eines Küchenradios <strong>den</strong><br />

gleichzeitigen Kauf eines Neuwagens<br />

steuerlich begünstigt.<br />

Eine Methode, die sich bei Stadl -<br />

hu ber nicht durchsetzen konnte,<br />

nypost.com<br />

Achtung, auch der Gegner beherrscht die »weiche Masche«!<br />

Ein kleiner Stups – schon sieht man wieder klarer.<br />

16 EULENSPIEGEL 10/14


wird im Verkehrsministerium geplant.<br />

Sollte es mit der Maut so<br />

wie vorgesehen nicht klappen, so<br />

wolle man wenigstens an jeder Autobahnauffahrt<br />

eine Kasse des Vertrauens<br />

aufstellen.<br />

Im Sozialministerium wiederum<br />

macht man sich Gedanken um die<br />

private Altersversorgung der Menschen.<br />

Verhaltensuntersuchungen<br />

zeigen nämlich, dass viele Bürger<br />

nur an sich <strong>den</strong>ken und damit gegen<br />

die Interessen der Versicherungsbranche<br />

handeln. Um die<br />

Leu te <strong>den</strong>noch zum Abschluss einer<br />

sinnlosen privaten Rentenversicherung<br />

zu bewegen, will das Ministerium<br />

ausnutzen, dass der Bürger<br />

Passivität dem aktiven Han -<br />

deln meist vorzieht: Wer in Zukunft<br />

bei seiner Geburt nicht schriftlich<br />

Einspruch erhebt, zahlt demnach<br />

automatisch ein Leben lang zwanzig<br />

Prozent seines Einkommens in<br />

die private Rentenversicherung.<br />

Ebenfalls schon bei Stadlhuber<br />

findet sich die bewährte Taktik, gezielt<br />

Gruppendruck aufzubauen,<br />

um dem Einzelnen sein Fehlverhalten<br />

vor Augen zu führen. Stadlhuber<br />

spricht zu diesem Zweck einzelne<br />

Gäste an, zum Beispiel so:<br />

»Günni und Bert haben jeweils<br />

schon die neunte Halbe, und du<br />

nuckelst noch am siebten rum, du<br />

Nulpe. Ich schenk schon mal ein,<br />

gell?« Derlei psychologische Tricks<br />

verfehlen selten <strong>ihr</strong>e Wirkung.<br />

Auch das Finanzministerium legt<br />

nun erste Pläne vor. Dort will man<br />

Plakate drucken lassen und Zeitungsanzeigen<br />

schalten, in <strong>den</strong>en<br />

Uli Hoeneß und Alice Schwarzer<br />

abgebildet sind mit dem Slogan:<br />

»Wir haben es gemacht und bereuen<br />

nichts – nutzen auch Sie die<br />

Selbstanzeige!«<br />

Bürger, die vor dieser Art der<br />

sanften Manipulation durch <strong>den</strong><br />

Staat Angst haben, können jedoch<br />

beruhigt sein. Denn so neu, wie<br />

sich diese Methode des »Wirksamen<br />

Regierens« gibt, ist sie bei Weitem<br />

nicht. Nicht nur dass sie seit<br />

einigen Jahren schon in <strong>den</strong> USA<br />

und in Großbritannien angewendet<br />

Christen an Pfählen aufhängen<br />

und anzün<strong>den</strong><br />

wird, auch die alten Römer setzten<br />

bereits darauf, das Volk sanft zu<br />

leiten, ohne dass es ihm bewusst<br />

wurde. So war bereits Kaiser Nero<br />

ein großer Verfechter des »Nudging«.<br />

Ähnlich <strong>den</strong> abschrecken -<br />

<strong>den</strong> Bildern auf <strong>den</strong> Zigarettenpackungen<br />

heute, machte er sei ne<br />

Bürger auf die Gefahren des Christentums<br />

aufmerksam, indem er an<br />

der Via Appia Christen an Pfählen<br />

aufhängen und anzün<strong>den</strong> ließ. Auf<br />

diese Weise brachte er viele römische<br />

Bürger wieder zurück auf <strong>den</strong><br />

rechten Weg – ganz ohne Gesetze<br />

und Verordnungen. Und wieso<br />

sollte unter Merkel nicht funktionieren,<br />

was schon unter Stadlhuber<br />

und Nero funktioniert hat?<br />

Gregor Füller<br />

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BÜRGER LARS DIETRICH<br />

DIETRICHS DEMOKRATISCHE REPUBLIK<br />

Das<br />

neue Album!<br />

Ab 26. 9. 2014<br />

überall im<br />

Fachhandel!<br />

feat.: Angelika Mann,<br />

Puhdys, Sebastian Krumbiegel und<br />

Frank Schöbel<br />

Das Ostneubaukind unterwegs mit<br />

dem ABV im Lipsischritt zur<br />

Mokka-Milch-Eisbar!<br />

TV-Termine im Oktober:<br />

• »ZDF-Fernsehgarten« • ZDF Talkshow Markus Lanz<br />

• MDR »Gol<strong>den</strong>e Henne« Roter Teppich • MDR »Hier um Vier«<br />

Die<br />

Bühnenshow!<br />

Große Tour<br />

ab November<br />

2014!<br />

taz.de<br />

Ein Rückblick in Liedern, Sketchen und Filmen!<br />

So, 02. 11. 2014 Gera · Comma<br />

Mo, 03. 11. 2014 Neu-Isenburg · Hugenottenhalle<br />

Do, 13. 11. 2014 Hemer · Sauerlandpark<br />

So, 16. 11. 2014 Wahlstedt · Kleines Theater am Markt<br />

Do, 20. 11. 2014 Potsdam · Lin<strong>den</strong>park<br />

Do, 01. 01. 2015 + Fr, 02. 01. 2015 Berlin · Die Wühlmäuse<br />

Fr, 06. 02. 2015 Dessau · Anhaltisches Theater<br />

Weitere Termine in Vorbereitung!<br />

EULENSPIEGEL 10/14 17<br />

Aktuelle Medien- und Tourdaten unter<br />

www.buergerlarsdietrich.de


Suck it,<br />

bitch!<br />

Ausnahmeregelung für Blondinen: Alte 2000-Watt-Staubsauger dürfen weiterhin verwendet<br />

wer<strong>den</strong>, wenn man <strong>den</strong> Stecker nicht reinsteckt.<br />

Fotolia (2)<br />

Kaum ist das EU-Parlament gewählt, wird es<br />

auch schon wieder frech. Opfer der Regulierungswut<br />

sind diesmal die Hausfrauen, die in<br />

Zukunft unter Wollmäusen begraben wer<strong>den</strong>.<br />

Denn Brüssel verbietet leistungsstarke, stromfressende<br />

Staubsauger. – Reine Schikane oder<br />

böswillige Bevormundung? Was Sie als Staubsaugerbenutzer<br />

jetzt wissen müssen.<br />

Wird meine Wohnung mit<br />

einem 1 600-Watt-Staubsauger<br />

auch sauber?<br />

Ja! Aber besser ist es, Sie reinigen sie<br />

nicht allzu gründlich. Besonders sau -<br />

bere Wohnungen machen Sie ver däch -<br />

tig, ein Importgerät über 1 600 Watt zu<br />

beherbergen. Sie laufen dann Gefahr, unliebsamen<br />

Besuch von der europäi -<br />

schen Wattex-Agentur zu erhalten, die<br />

es sich zur Aufgabe gemacht hat, Auslandsgeräte<br />

aufzuspüren, um sie in <strong>ihr</strong>e<br />

Herkunftsländer zurückzuführen.<br />

Gibt es alternative<br />

Geräte?<br />

Alternativen lässt die EU nicht zu. Wer<br />

illegal einen benzinbetriebenen Laubbläser<br />

zum Staubsauger umrüstet oder<br />

im Haushalt einen dieser Sauger be -<br />

nutzt, mit <strong>den</strong>en die Stadtreinigung Hundekot<br />

einsammelt, darf zwei Monate<br />

lang nur feucht durchwischen.<br />

Welche Konsequenzen<br />

gibt es für das<br />

Sexualleben?<br />

Männer, die in einer Beziehung zu einem<br />

Staubsauger <strong>ihr</strong>e sexuelle Erfüllung gefun<strong>den</strong><br />

haben, müssen sich vor einer<br />

Trennung bewusst sein, dass sie nie wieder<br />

eine so aufregende Partnerin wie<br />

<strong>den</strong> mit 3000 Watt betriebenen »Multipower<br />

8065« von Cleanmaxx haben wer<strong>den</strong>.<br />

Wie entsteht ein Staubsaugergesetz?<br />

Wie jedes EU-Gesetz durchlaufen<br />

Staubsaugerverordnungen<br />

ein kompliziertes Verfahren: Die<br />

EU-Kommission erarbeitet einen<br />

Gesetzesvorschlag, <strong>den</strong> das Parlament<br />

ablehnt. Lehnt das Parlament<br />

<strong>den</strong> Vorschlag nicht ab,<br />

muss er vom Ministerrat, in dem<br />

die Regierungen der Beitrittsländer<br />

das Sagen haben, abgelehnt<br />

wer<strong>den</strong>. Versäumen beide Institutionen,<br />

das Gesetz abzulehnen,<br />

weil sie gerade von wichtigen<br />

Lobbyistengesprächen abgelenkt<br />

sind, gilt es als erlassen.<br />

Es wird eine Frist eingeräumt,<br />

um Henryk M. Broder die Möglichkeit<br />

zu geben, sich über die<br />

neue Verordnung zu echauffieren.<br />

Danach tritt sie in Kraft. Henryk<br />

M. Broder hat nun laut <strong>den</strong><br />

Lissabonner Verträgen eine unbefristete<br />

Möglichkeit, sich darüber<br />

erneut zu echauffieren.<br />

Spaßbremse EU: Solch unbeschwer -<br />

te Momente gehören nun der<br />

Vergangenheit an.<br />

Gibt es Ausnahmen<br />

für Haustiere?<br />

Tipp vom Fachmann<br />

Wenn Sie Ihren Haushalt<br />

komplett mit neuen Elektrogeräten<br />

ausstatten, sparen<br />

Sie bis zu 35 % Energie.<br />

Wenn Sie dann auch noch<br />

die Raten für die vielen<br />

neuen Elektrogeräte nicht<br />

mehr zahlen können und in<br />

eine Holzhütte im Wald ziehen,<br />

können es sogar bis zu<br />

100 % sein.<br />

Vollautomatische Saugroboter mit einer<br />

Leistung über 1600 Watt, die selbstständig<br />

<strong>den</strong> Dreck von einer Ecke in die andere<br />

schieben, dürfen weiterhin als<br />

Spielzeug für Hunde und Katzen ver -<br />

kauft wer<strong>den</strong>.<br />

Aussicht<br />

Ziel der EU ist es, bis Juli 2120 Staubsauger<br />

grundsätzlich abzuschaffen. Jeder<br />

EU-Bürger soll bis dahin nur noch 5<br />

Gramm Staub in der Woche produzieren<br />

dür fen, der dann nicht mehr weg ge -<br />

saugt wer<strong>den</strong> muss, sondern bequem<br />

unter <strong>den</strong> Teppich gekehrt oder mit einem<br />

antistatischen Tuch (statische Tücher<br />

produzieren Elektrizität, wodurch<br />

Abgaben als Stromproduzent fällig wer<strong>den</strong>)<br />

weggewischt wer<strong>den</strong> können.<br />

Gregor Füller / Andreas Koristka<br />

18 EULENSPIEGEL 10/14


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Unsere<br />

Besten<br />

Ein Gespenst geht um auf dem Globus, wo durch Herausgabe einer persönlichen Niere endlich<br />

einmal wieder in Deutschland weltweit wahr-<br />

Muallim die Kooperation mit Syrien auf eine hö-<br />

gebracht, hatte mit seinem Amtsbruder Walid aler<br />

besonders dünn ist, das Gespenst Frank-<br />

Walter Steinmeier. Wo eine Krise aufplatzt genommen wer<strong>den</strong>.<br />

here Drehzahl gebracht, hatte <strong>den</strong> US-amerikanischen<br />

oder ein Staat über die Ufer tritt, wo eine strategisch<br />

wichtige Region undicht wird oder Menschenrechte<br />

zu versan<strong>den</strong> drohen, der Außenminister<br />

Danach aber war er drei Jahre lang tot. Wie es<br />

um ihn bestellt war, illustriert der Tatbestand,<br />

dass er seine leere Zeit mit dem Zusammenbau<br />

Auslandsgeheimdienst – dessen Lizenz<br />

zum Absaugen er noch als Schröders Hausdiener<br />

im Kanzleramt mit eigenen Hän<strong>den</strong> bewilligt<br />

ist schon da; wo immer ein Thema mit eines Liederbuchs zum Weihnachtsfest füllen hatte – still weiterschlotzen lassen.<br />

übernationalem Schnittmuster aus dem Bo<strong>den</strong><br />

wächst, ein Treffen mit <strong>den</strong> sauberen Kollegen<br />

aus anderen erstklassigen Ländern über die<br />

Bühne zu schieben ist und fette Kameras in Stellung<br />

gebracht wer<strong>den</strong>, der deutsche Kissinger<br />

kommt und winkt mit sich selbst vom Bildschirm.<br />

Während die bis eben im Amt befindliche EU-<br />

Außenbeauftragte Catherine Ashton sich offenkundig<br />

zu Hause im Bad eingesperrt hatte, ist<br />

der von der eigenen Bedeutung aufgeblähte Repräsentant<br />

eines dick und schwer gewor<strong>den</strong>en<br />

Deutschland unermüdlich im Einsatz. Stimmen<br />

mit medienkritischer Schlagseite behaupten, es<br />

musste, dessen Erscheinen am 30.8.2013 fast<br />

vollständig hinter dem verlängerten Rücken der<br />

Öffentlichkeit geschah.<br />

Da war es fast eine zum Zerspringen große<br />

Freude, dass er kurz danach wirklich von bis an<br />

die Zähne mit Fragen bewaffneten Journalisten<br />

belagert wurde. Auf sage und abschreibe 95 von<br />

395 Seiten seiner legen<strong>den</strong>umwobenen Doktorarbeit<br />

von 1991 über »Polizeiliche Traditionsreste<br />

in <strong>den</strong> Randzonen sozialer Sicherung. Eine Untersuchung<br />

des administrativen Instrumentari -<br />

ums zur Intervention bei Obdachlosigkeit« hatte<br />

man undichte Textstellen gefun<strong>den</strong>. Als Plagiat<br />

Aber 2013 hatte sich der Globus umgekehrt.<br />

Und ein SPDler ist biegsam genug, um sich dem<br />

Gegenteil ohne Delle anzuschmiegen! Steinmeier<br />

brauchte keine Extraeinladung irgendeiner offiziellen<br />

Stelle, um sich sofort nach Kiew zu begeben,<br />

auf dem Maidan Bonbons zu verteilen und<br />

<strong>den</strong> Demonstranten die Füße zu waschen (selbstre<strong>den</strong>d<br />

nur <strong>den</strong>en, die vorher eine Prüfung in<br />

staatsbürgerlicher Staatsbürgerkunde bestan<strong>den</strong><br />

hatten), Vitali Klitschko als verlängerten Arm und<br />

Bürgermeister zu segnen sowie der neuen, <strong>den</strong><br />

Westen anbeten<strong>den</strong> ukrainischen Regierung gegen<br />

<strong>den</strong> Russki beizustehen.<br />

handele sich bei Steinmeier nur um einen Avatar<br />

oder ein Hologramm. Doch anders, als der platte<br />

Monitor glauben macht, lebt der hier zur Debatte<br />

stehende Steinmeier auch in der objektiven Wirklichkeit<br />

und ist tatsächlich aus Fleisch und Blut<br />

zusammengesetzt wor<strong>den</strong>. Steinmeier ist nämlichEr ist all dor<br />

nicht nur an jedem Ort des äußeren Universums<br />

anzutreffen. Sein Vorkommen ist auch in der inneren,<br />

leibhaftigen Heimat belegt.<br />

Am 26. August 2014 beispielsweise wurde er<br />

in Pritzerbe, Premnitz, Mögelin und Rathenow<br />

gesichtet. Vier Tage zuvor wurde er in Reetzerhütten<br />

beobachtet, im Juli haben Zeugen ihn im<br />

Publikum der »Senior Canoe Sprint European<br />

Championships« ausgemacht (Alter Kanu Schnelllauf<br />

Europäisch Meisterschiffe), auch in Kirchmöser/Plaue<br />

und Michendorf wurde er im Sommer<br />

entdeckt.<br />

Egal, wo auf Gottes weiter Erdkugel man sich<br />

aufhält, Steinmeier ist all dor. Fast ist man erleichtert,<br />

dass man wenigstens auf der Toilette<br />

allein ist. Dort sitzt zwar schon Catherine Ashton,<br />

aber sie schweigt wenigstens von Kopf bis Fuß.<br />

Steinmeier hingegen schwimmt im Glanze seines<br />

Glückes. Welch ein Umschwung im Leben eines<br />

Mannes aber auch, der fast vom Erdbo<strong>den</strong><br />

verschluckt wor<strong>den</strong> war, nachdem er im September<br />

2009 die Bundestagswahl gegen seine Herausforderin<br />

Angela Merkel durch K.o. verloren<br />

hatte! Seine politische Karriere schien wie ein<br />

Kartenhaus bis auf <strong>den</strong> letzten Tropfen ausgelutscht,<br />

und die bürgerliche Laufbahn als Advokat,<br />

als der er im selben Dezember sich beim Landgericht<br />

Berlin in die Anwaltsrolle hatte ritzen lassen,<br />

war schon beim Startschuss vertrocknet.<br />

Obendrein konnte er im August 2010 lediglich<br />

in <strong>den</strong> von Guttenberg und Schavan begründeten<br />

Kanon aufgenommen wurde die Dissertation<br />

gleichwohl nicht, weil die Prüfungskommission<br />

der Universität Gießen rechtzeitig erkannte, dass<br />

in der Tat bloß 95 von 395 Seiten faul sind –<br />

sowie, dass gerade eine Bundestagswahl abgewickelt<br />

wor<strong>den</strong> war, die dem eben noch dem Untergang<br />

Geweihten die Chance auf eine majestätische<br />

Wiederauferstehung eröffnete. Da wollte<br />

man nicht an dem namhaften Ziehsohn herumkratzen.<br />

In der Tat: Am 17. Dezember 2013 intervenierte<br />

Angela Merkel gegen Steinmeiers drohende<br />

Obdachlosigkeit und hob ihn administrativ<br />

ins Außenamt zurück.<br />

Bereits 2005 bis 2009 hatte Steinmeier dort<br />

gesiedelt und jene Fundamente geknüpft, die er<br />

nun, um wie gewohnt im Bild zu bleiben, wiederaufzurichten<br />

gedachte. Zugleich hoffte er, seinen<br />

alten Berufswunsch weiterzuspinnen: Nicht ein<br />

das Leben trockenlegender Jurist, sondern ein in<br />

großen Farben schillernder Architekt hatte er eigentlich<br />

wer<strong>den</strong> wollen. Der Traum war fast verdorrt,<br />

doch jetzt glaubte er, sich dank des hochaufgetürmten<br />

Gewichts Deutschlands zum Baumeister<br />

der Erdkugel aufschwingen zu können.<br />

Das internationale Parkett hatte sich zwar gedreht.<br />

In seinem ersten Leben als Deutschlands<br />

Mann an der Außenbahn hatte Steinmeier die Zusammenarbeit<br />

mit Putins Zarenreich zum Blühen<br />

Anknüpfen konnte Steinmeier immerhin an eines:<br />

Schon während seiner alten Amtszeit wur<strong>den</strong><br />

deutsche Feuerwaffen weiter, größer und schnel -<br />

ler über die Weltkugel gestreut. Nun, im September<br />

2014, dürfen erstmals deutsch sprechende<br />

Rüstungsgüter in ein echtes <strong>Krieg</strong>sgebiet einziehen.<br />

Gern genommener Anlass: Das islamische<br />

Kalifat, so die gut geölte Formulierung, »ist eine<br />

Bedrohung für die Menschen« – alle schrä gen<br />

Existenzen, die sich nicht bedroht fühlen, sind<br />

also keine und dürfen ab dem 1. September pulverisiert<br />

wer<strong>den</strong>.<br />

Scheinbar wäre es das erste Mal, dass Steinmeiers<br />

Weltpolitik eine Auswirkung auf dieselbe<br />

hätte: Äußerlich sieht es stets aus, als rotiere er<br />

24 Stun<strong>den</strong> am Tag, während der Erdball unbeeindruckt<br />

weiterrollt. Die Wahrheit: Frank-Walter<br />

Steinmeier strebt auf leisen Pfoten nach der Weltherrschaft<br />

für Frank-Walter Steinmeier! Unlängst<br />

nahm er schon an einer Sitzung der französischen<br />

Regierung teil, die ohne ihn nicht mehr weiß, wo<br />

auf dem Planeten Erde hinten und vorn ist. Und<br />

wenn selbst die USA demnächst noch tiefer in<br />

die Ratlosigkeit rutschen, wenn ein befreundeter<br />

Staat ins Eiern gerät, ein Kontinent porös wird<br />

oder sich ein Loch im Universum auftut, ist das<br />

die überlebensgroße Chance für <strong>den</strong> Globalarchitekten<br />

Steinmeier!<br />

Peter Köhler<br />

20 EULENSPIEGEL 10/14


Frank Hoppmann<br />

EULENSPIEGEL 10/14 21


Heilsam ist nur, wenn im Spiegel der Menschenseele sich bildet die ganze Gemeinschaft und in der Gemeinschaft<br />

lebet der Einzelseele Kraft.<br />

Rudolf Steiner<br />

Das letzte Fleckchen fr<br />

Wo Mitte am mittigsten ist, wo sich U- und Straßenbahnen,<br />

Bus- und Flugrouten kreuzen, wo<br />

die Gas-, Wasser-, Scheiße-Röhren, Strom, Te -<br />

lefon und Internet <strong>ihr</strong>e verknotetsten Knoten haben,<br />

wo es temperierte, dezent beleuchtete Tunnel<br />

für Geheimdienstler geben soll, wo der Quadratmeter<br />

Hauptstadt heute ein Vermögen kostet<br />

und morgen vielleicht nur noch von Emiren erworben<br />

wer<strong>den</strong> kann, dort – bei <strong>den</strong> Mülltonnen<br />

vor dem Fahrradkäfig, an der Mauer, hinter der<br />

die S-Bahn in <strong>den</strong> Tunnel rauscht, gibt es ein<br />

Stück einstigen Trümmerbo<strong>den</strong>s, das kein Investor,<br />

keine Bank, nicht die Stadt und nicht die<br />

BRD besitzt – vielleicht das letzte Stück Berlin,<br />

das laut Grundbuch »irgendwie« dem Volke gehört<br />

... also ungeheuer kostbar!<br />

Aber auch ausgesprochen klein, nicht größer<br />

als ein geräumiges Wohnzimmer; mehr gehört<br />

dem Volke eben nicht. Das Volk, das sind wir –<br />

eine Mietergenossenschaft. Es versteht sich,<br />

dass wir diesen kostbaren Flecken Erde nicht einem<br />

frem<strong>den</strong> Volk – <strong>den</strong> Ratten nämlich – überlassen<br />

wollten, das wäre deka<strong>den</strong>t, befan<strong>den</strong><br />

wir mehrheitlich.<br />

»Also, Genossen« (so re<strong>den</strong> wir lustigerweise<br />

miteinander), »lasst es uns annehmen, dieses<br />

Geschenk, diesen glücklichen Zufall der deutschen<br />

Geschichte, diesen Schatz! Lasst ihn uns<br />

urbar, nutzbar, erfahrbar machen – für uns und<br />

Bernd Zeller<br />

Mele Brink<br />

für die Kinder«, so Uwe, ein Altachtundsechziger<br />

und Mitglied im Vorstand. Er meinte alle, aber<br />

nur die überaus agile Clique der Anthroposophen,<br />

die sich selbstverliebt »Anthros« nennen, wurde<br />

aktiv. Das sind die, die »ganz bewusst« keinen<br />

Fernseher haben, <strong>ihr</strong>en Sauerteig auf dem Fensterbrett<br />

selbst herstellen, <strong>ihr</strong>e Kinder auf dem<br />

Hof nackt herumlaufen lassen und »aus Verantwortung«<br />

kein Deo benutzen. An langen Aben<strong>den</strong><br />

des Schweigens unter der Genossenschaftskastanie<br />

haben sie für unseren Grundbesitz eine<br />

»Vision« entwickelt. Da möge ein Ort der »nachsinnen<strong>den</strong><br />

Stille« entstehen, der Kontemplation,<br />

der Transzen<strong>den</strong>z und der (stimmlosen) Zwiesprache<br />

mit der Natur – vor allem für die Kinder,<br />

weil die sowas bekanntlich mögen.<br />

Ihre Kinder vielleicht! Die Anthro-Kids auf dem<br />

Hof haben selbstgeschnitztes Holzspiel zeug, gehen,<br />

falls sie Lust dazu haben, in Kindergärten,<br />

in <strong>den</strong>en sie die Nützlichkeit von Toilettenpapier<br />

»selbst entdecken« dürfen (oder eben nicht), und<br />

haben eine fahle Farbe von kiloweise Trockenobst,<br />

auf das sie abfahren wie andere Gören auf<br />

Haribo oder Schokoriegel.<br />

In der nächsten Phase musste sich die anthroposophische<br />

Vision »modellhaft materialisie -<br />

ren«, d. h. für <strong>den</strong> Pöbel musste was gebastelt<br />

wer<strong>den</strong>. Eines Tages stand er auf dem Holztisch,<br />

an dem bei schönem Wetter die Mütter stillen:<br />

der »Tempel der Stille mit Barfußpfad und Traumfänger«,<br />

gebaut aus Streichhölzern, Rin<strong>den</strong> -<br />

mulch, Kieselsteinen sowie fair gehandelten Bohnen<br />

und wahrscheinlich mit Elmars, eines Heilpraktikers,<br />

Speichel zusammengeklebt.<br />

»Wat dett soll«, solle <strong>ihr</strong> bitte mal einer erklären,<br />

raunte die Anja, schichtarbeitende Doppelmutter.<br />

Das war das Stichwort für Elmar. Der Tempel<br />

könne auch sie zurück zu <strong>ihr</strong>er Natur bringen,<br />

<strong>den</strong> Kontakt zwischen Seele und Universum her-<br />

22 EULENSPIEGEL 10/14


eie Erde<br />

Karsten Weyershausen<br />

stellen. »Mir würde reichen, wenn ick Kontakt<br />

zum Erzeuger meiner Kinder kriejen würde, die<br />

Sau zahlt ja nich.« Glücklicherweise haben die<br />

Anthros auch Leute in <strong>ihr</strong>en Reihen, die sich <strong>den</strong><br />

Ungläubigen mitteilen können. Und so sagte Ruth<br />

(promovierte Historikerin): »Hier kannste mal in<br />

Ruhe abhängen.« Das saß!<br />

Ruhe ist bei uns nämlich ein großes Thema.<br />

Zwar leben wir mitten in der Großstadt und halten<br />

ständig die iPhones ans Ohr, aber ein bellender<br />

Hund, ein schreiendes Kind, eine klirrende Kaffeetasse<br />

bringen die Anthros aus der seelischen<br />

Balance. Staubsaugen bei geöffneter Balkontür<br />

– darauf steht Enthauptung durch die schwingende<br />

Kinderschaukel! Feinstaub, der durch<br />

Staubsaugen verbreitet wird, muss anschließend<br />

im Wohnhof eingesammelt wer<strong>den</strong>.<br />

Wir haben uns an die sensiblen Ohren unserer<br />

Nachbarn gewöhnt und brüllen uns nur noch<br />

bei geschlossenen Fenstern oder auf dem Spielplatz<br />

an.<br />

Toleranz wird bei uns großgeschrieben. Es hat<br />

auch keiner gelacht über Elmars gebasteltes<br />

Streichholzmodell. Nur als er verkündetete, dass<br />

wegen der enormen Materialkosten das Sommerfest<br />

ausfallen und der Winterdienst eingestellt<br />

wer<strong>den</strong> müsse, lachten einige Genossen hysterisch<br />

auf.<br />

Die Anthros mussten feststellen, dass Seelebaumeln<br />

gewissen Leuten keinen Mehrwert verspricht.<br />

Der Tempel der Stille musste einen »utilitaristischen<br />

Reiz« (Ruth), also seine Nützlichkeit<br />

verheißen. Sollte er nicht »Energien bündeln«<br />

und quasi ein Handy-Mast für die Seele sein (ohne<br />

Seele geht es eben nicht)? Ein Teil der Mer -<br />

kelschen Energiewende also? Na, bitte! Und was<br />

das Geld betrifft: Wenn nackte Kinderfüß chen auf<br />

kostbarem Islandkies <strong>den</strong> Traumpfad bewandern,<br />

wird niemand mehr meckern.<br />

Plötzlich hatten einige Genossen doch Gegenvorschläge,<br />

die auch diskutiert wer<strong>den</strong> sollten.<br />

Ein regelrechter Rundmailterror begann:<br />

• Eine geflieste Ecke für Hausschlachtungen, die<br />

allen Hygienebestimmungen standhält<br />

• eine FKK-Wiese mit Gartendusche<br />

• eine Halfpipe<br />

• ein (schallgedämmter) Kleinkaliber-Schießplatz<br />

• eine Teppichausklopfstange (mit Staubfangautomatik),<br />

an der die Männer auch Klimmzüge<br />

machen können<br />

Die Abstimmung stand bevor, und die Anthros<br />

sam melten <strong>ihr</strong>e Kräfte. Sie sprangen aus Gebüschen<br />

und überreichten Genossinnen Sträußchen<br />

eigenhändig gezogener Gartenkräuter, richteten<br />

einen Treppendienst ein, der Müttern die Kinder<br />

und Aldi-Tüten in <strong>den</strong> Fünften trug und ver such -<br />

ten sich unbeholfen in Smalltalk: »Wie geht es<br />

deinem Karma heute?«<br />

Elmar verantwortete die Rundmails, war aber<br />

nicht sehr geschickt: »Stimmt für <strong>den</strong> Tempel der<br />

Stille! Wir wer<strong>den</strong> uns auch nicht mehr über euer<br />

Gebrüll und eure Hundescheiße beschweren.«<br />

Am Abend der Abstimmung versammelten sich<br />

die Anthros im Kreis auf der Freifläche, legten<br />

ein ander die Arme auf die Schultern und<br />

summten sich Energie zu. Wir schmissen unsere<br />

Zettelchen in einen Korb auf dem Stilltisch im<br />

Hof, und dann wussten wir nicht weiter. Doch als<br />

wir sahen, wie Elmar, das Streichholzmodell unterm<br />

Arm und von Ruth gestützt, über <strong>den</strong> Hof<br />

schlurfte, wuss ten wir: Die Anthros hatten haushoch<br />

verloren! Aus einigen Fenstern flogen Polenböller.<br />

Noch am selben Abend soll Elmar das<br />

Referendum jedoch bei Uwe angefochten haben:<br />

Die Mond phase sei ungünstig gewesen, das habe<br />

der Pöbel ausgenutzt.<br />

Wochen gingen ins Land, und die Trümmerbrache<br />

blieb unbeackert bzw. wurde langsam zugeschissen.<br />

Da ergriff Uwe, Maos Losung »Eine Tat<br />

ist mehr als tausend Gefangene« im Sinn, die Initiative<br />

und baute zusammen mit einem Kumpel,<br />

<strong>den</strong> er aus der U-Haft kannte, einen Grillplatz mit<br />

Räucherofen und Bierbänken, der sich sehen lassen<br />

konnte. Und Elmar schrieb seine letzte Rundmail:<br />

»Das Leben ist eine Schule ...! Wohl dem, der<br />

die Prüfung besteht ... Rudolf Steiner«<br />

Vielleicht ist es doch gut, dass Grund und<br />

Bo<strong>den</strong> nicht dem Volke gehören – das kann sich<br />

ja nicht mal zwischen Bier und Bratwurst und stiller<br />

Zwiesprache mit der Natur entschei<strong>den</strong>!<br />

Felice von Senkbeil<br />

EULENSPIEGEL 10/14 23


24 EULENSPIEGEL 10/14


Zeit geist<br />

Beck<br />

EULENSPIEGEL 10/14 25


Anzeige


Fanal mitApfel<br />

Leben unter der Blockade<br />

Der Kalte <strong>Krieg</strong> ist zurück in Europa und mit ihm die<br />

Blockade. Doch während Stalin West-Berlin 1948 am<br />

langen Arm verhungern lassen wollte, setzt Putin<br />

auf eine perfidere Taktik: Er hat einen EU-Importstopp<br />

erlassen, auf dass wir selbst an unseren hochwertigen<br />

Produkten made in Germany ersticken mögen.<br />

Das hat fatale Auswirkungen auf unterschiedlichste<br />

Lebensbereiche der deutschen<br />

Gesellschaft. Ein Streifzug durch das vom<br />

Russen gebeutelte Land:<br />

Freiburg. Im Stadtteil Vauban steht der entnervte Harald Domínguez-Heuzeroth<br />

(65) vor seiner ältesten Tochter Leonie-<br />

Hartmutilda (2) und versucht, sie kognitiv zu erreichen:<br />

»Leonie, diesen Apfel darfst du nicht als Frühstück sehen,<br />

sondern eher so als Fanal gegen eine chauvinistische, autoritäre<br />

und homophobe Politik einer russischen Staatsführung<br />

mit fragwürdiger demokratischer Legitimierung.«<br />

Wahrscheinlich würde Leonie jetzt viel lieber im Sandkasten<br />

spielen, als am Pelletkamin angekettet zu sein und unter<br />

dem sanften Druck der väterlichen Hände <strong>den</strong> 18. Gravensteiner<br />

in <strong>den</strong> Mund gedrückt zu bekommen. Sie weint hysterisch.<br />

Domínguez-Heuzeroth seufzt. »Die Kinder lei<strong>den</strong> am<br />

meisten unter der Blockade«, sagt er mit traurigen Augen.<br />

Umso bemerkenswerter ist es, dass Leonie, seit Landwirtschaftsminister<br />

Christian Schmidt die Kampfparole »An<br />

apple a day keeps the Putin away« ausgerufen hat, schon<br />

viel mit <strong>ihr</strong>em Essverhalten gegen <strong>den</strong> russischen Aggressor<br />

unternommen hat. So ist sichergestellt, dass sie zukünftig<br />

in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft leben<br />

kann; allerdings in einer Psychiatrie.<br />

Bewegende Blockadeschicksale auf <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong> Seiten !<br />

Zum Lächeln<br />

gezwungenes<br />

Kind mit Apfel<br />

vor verfaultem<br />

Fleisch<br />

EULENSPIEGEL 10/14 27


Das sagen<br />

Promis<br />

Helene Fischer<br />

Es ist richtig, Wladimir Putin die Stirn zu<br />

bieten. Ich selbst bin in Sibirien geboren<br />

und kenne die Gegebenheiten dort: Die<br />

Dauerbeschallung mit der immer gleichen<br />

Propaganda in Funk und Fernsehen – so etwas<br />

darf es bei uns nie geben! Wenn Sie<br />

zum fünfzigsten Mal dasselbe Lied im Radio<br />

hören, dann wünschen Sie sich einfach nur,<br />

der Interpretin in einer dunklen Gasse aufzulauern<br />

und die Kehle zuzudrücken. Ganz<br />

fest! Atemlos durch die Nacht handelt von<br />

dieser Sehnsucht.<br />

Gerhard Schröder<br />

Alltag bei Rheinmetall.<br />

Wir sollten uns alle mäßigen und wieder<br />

aufeinander zugehen. Die Sanktionen scha<strong>den</strong><br />

doch allen. Ein Beispiel von vielen:<br />

Wenn Russland jetzt auch noch aus dem<br />

Swift-Bankabkommen geworfen wird, dann<br />

muss ich immer mit einem großen Geldkoffer<br />

nach Moskau fliegen.<br />

10:30 Uhr Düsseldorf. In der Hauptgeschäftsstelle<br />

des Rüstungskonzerns Rheinmetall sitzt<br />

der Vorstandsvorsitzende Armin Papperger bei<br />

einem Kaffee, als auf seiner Tischplatte ein Granatsplitter<br />

einschlägt. Lässig zündet er sich an<br />

dem heißen Metall eine Zigarette an. »So was<br />

ist jetzt hier Alltag«, sagt er, als er <strong>den</strong> ersten<br />

Zug inhaliert und mit der linken Hand zur Panzerfaust<br />

greift, um eine Stellung in der zweiten<br />

Etage unter Beschuss zu nehmen. »Seitdem<br />

Russland uns keine Waffen mehr abnimmt, müssen<br />

wir alle unsere Produkte am Firmensitz lagern«,<br />

fügt er ärgerlich hinzu. »Damit hatten wir<br />

leider keine Erfahrung, ganz anders als die Länder,<br />

in die wir sonst exportieren. Die wissen genau,<br />

wie sie Waffen einmotten, ohne dass jemals<br />

ein bewaffneter Konflikt ausbricht, wo sie auch<br />

gegen Zivilisten eingesetzt wer<strong>den</strong> könnten«,<br />

gibt er abwesend zu Protokoll, während er seine<br />

Sekretärin mit einem G36 erschießt. »Diese verfluchten<br />

Russen …«, grummelt er. »Ach, das<br />

Waffenembargo kommt von der EU? Stellen Sie<br />

mich sofort zu Angela Merkel durch, Frau Zeise!<br />

Frau Zeise?«<br />

Juristisch und soziologisch gesehen ist eine<br />

Sanktion die Folge eines Regelverstoßes, die<br />

die zukünftige Befolgung der Regel bezweckt.<br />

Ihre einfachste Form lautet: Auge um Auge, Zahn<br />

um Zahn.<br />

Diese körperteilbezogenen Sanktionen zeichnet<br />

eine gewisse Symmetrie aus: Gleiches wird<br />

mit Gleichem vergolten. Raffinierter und nicht<br />

so leicht vorhersehbar ist jedoch die asymmetrische<br />

Sanktion. Sie passiert – aber anders als<br />

gedacht!<br />

So sanktionierte der Westen <strong>den</strong> sowjetischen<br />

Einmarsch in Afghanistan nicht etwa mit der naheliegen<strong>den</strong><br />

Besetzung Bulgariens, sondern –<br />

surprise, surprise! – mit der Nichtteilnahme an<br />

<strong>den</strong> Olympischen Sommerspielen in Moskau. Zuvor<br />

hatte der amerikanische Präsi<strong>den</strong>t noch erwogen,<br />

die Russen dadurch zu bestrafen, dass<br />

er nicht ans Telefon geht, wenn seine Gattin<br />

anruft oder dass er drei Tage lang die Socken<br />

Schnauze,<br />

nicht wechselt. Seine Berater konnten ihn gerade tionen durchzuhalten ist kein Ponylecken! Den<br />

noch davon abbringen, und zwar mit dem Argument,<br />

diese Maßnahmen wür<strong>den</strong> direkt in <strong>den</strong> rest« zu bestrafen, wirkt wenig durchdacht, wenn<br />

renitenten Sohn mit »tausend Jahren Stubenar-<br />

Dritten Weltkrieg führen – mit seiner Gattin. Heute der Spross seine vermüllte Bude ohnehin<br />

weiß man übrigens, dass die USA auf die Besetzung<br />

Bulgariens nur deshalb verzichteten, weil tausend Jahre bin<strong>den</strong>, wenn bereits die Andro-<br />

niemals freiwillig ver lässt. Und warum sich auf<br />

der CIA aus Moskau eine entsprechende Bemerkung<br />

Breschnews (»Bul – wie? Garien? Nie ge-<br />

hektische Besserungsschwü re bewirkt? Wenn der<br />

hung eines fünfminütigen Smartphone-Entzuges<br />

hört!«) gekabelt hatte. Eine Sanktion, die nicht junge Mann, nur um das Überprüfen seines<br />

stört, ist keine.<br />

Browser-Verlaufes abzuwen<strong>den</strong>, plötzlich sogar<br />

Wer Sanktionen ausspricht, sollte sich zuvor <strong>den</strong> Abwasch übernehmen will und sich er kun -<br />

über seine Möglichkeiten klar wer<strong>den</strong>. Sank - digt, wo die Küche ist?<br />

28 EULENSPIEGEL 10/14


Wegen Putin bald auf<br />

Sendung? ZDFtestbild.<br />

11:30 Mainz. In der ZDF-Intendanz<br />

ist die Hölle los! »Wir bleiben<br />

auf unseren Stars sitzen<br />

wie Samuel Koch auf seinem<br />

Rollstuhl«, schreit Thomas Bellut<br />

(59) aufgelöst. »Man muss<br />

ja froh sein, dass uns die Russen<br />

wenigstens Gerhard Schröder<br />

abgenommen haben, sonst<br />

müssten wir für <strong>den</strong> auch noch<br />

Talkshowplätze freischaufeln!«<br />

Der Intendant steht vor einer<br />

gewaltigen Aufgabe. Russland<br />

weigert sich, früher dort gern<br />

gesehene deutsche Prominente<br />

aufzunehmen. Jetzt müssen die<br />

natürlich beim ZDF unterkommen.<br />

Das gebieten die nationale<br />

Solidarität und die Politiker<br />

im Fernsehrat. »Logistisch<br />

ist so etwas bei gerade mal<br />

zehn Sendern ein Unding«, erklärt<br />

Bellut. Darum gehen in<br />

Kürze die neuen Musikspartensender<br />

ZDFscorpions und<br />

ZDFscooter auf Sendung. Klaus<br />

Meine und H.P. Baxxter leiten<br />

durch das Programm. Christian<br />

Wulff, der nun auch keine Festanstellung<br />

mehr bei Gazprom<br />

erhalten wird, wird ein Verbrauchermagazin<br />

namens Günstig<br />

leben moderieren. Eva Herman<br />

wird von der russischen Zeitung<br />

Stimme Russlands wiederkehren<br />

und künftig das Team des Heute<br />

Journals verstärken.<br />

Vitali Klitschko<br />

Aus der Not eine Tugend<br />

gemacht: Sommerlicher<br />

Rodelspaß auf einem<br />

Butterberg.<br />

Die derzeitige Lage ist unerträglich. Wir<br />

wer<strong>den</strong> deshalb mit <strong>den</strong> Russen einen<br />

Rückkampf vereinbaren.<br />

Joachim Gauck<br />

Kaubenheim. Milchbauer Alois<br />

Eutersauger (78) trägt trotz der<br />

herbstlichen Temperaturen eine<br />

Badehose. »Das hat uns alles<br />

der Russe eingebrockt«, ruft er<br />

verärgert, als er in seinen<br />

Eselsmilchsee springt. Der sei<br />

zwar gut für die Haut, aber auch<br />

voller Antibiotika, weswegen er<br />

seit geraumer Zeit auf seinen<br />

geliebten Schnupfen verzichten<br />

muss. Früher, als die enorme<br />

Milchnachfrage aus Russland<br />

noch bestand, da habe er in<br />

Saus und Braus gelebt. Wie<br />

freute er sich, als morgens 4:30<br />

Uhr der Wecker klingelte und er<br />

in <strong>den</strong> Stall durfte, um dort bis<br />

23:30 Uhr zu schuften. Damit ist<br />

nun Schluss. »Der geregelte Tagesablauf<br />

fehlt mir«, sagt er,<br />

als er nach<strong>den</strong>klich an seinem<br />

Wodka White Russian schlürft.<br />

Durch die täglichen Milchbäder<br />

hat er zwar das Aussehen eines<br />

24-Jährigen und dank der hohen<br />

Ausgleichszahlungen der<br />

EU einen Diener und eine Yacht,<br />

aber wenn er nicht täglich in<br />

<strong>den</strong> Exkrementen seiner Tiere<br />

stehen könne, sei das doch alles<br />

Mist.<br />

Trotz der schwierigen Situation bleibt eines<br />

gewiss: Wir Deutsche haben aus der Geschichte<br />

gelernt und wer<strong>den</strong> nicht noch einmal<br />

einen <strong>Krieg</strong> gegen Russland führen,<br />

ohne ihn zu gewinnen.<br />

Beule!<br />

Deutschland aus Grün<strong>den</strong> der Versorgungssicherheit<br />

nicht von einem einzigen Kamel-Lieferanten tierverordnung (EuHöTVO) genügen.<br />

<strong>den</strong> Anforderungen der Europäischen Höcker-<br />

abhängig machen darf. Der Verband fordert, nach Gerade bei Handelssanktionen gilt es, Augen -<br />

Alternativen zu suchen und zum Beispiel die Importquote<br />

norwegischer Kamele deutlich zu erhandel<br />

völlig zum Erliegen. Ganze Völker müssten<br />

maß zu wahren. Sonst kommt am Ende der Welthöhen.<br />

Oder von Elchen. Und die Höcker von auf iPhones verzichten. Exportorientierte Natio -<br />

der heimischen Industrie anfertigen zu lassen. nen wie Deutschland blieben auf <strong>ihr</strong>en münzgesteuerten<br />

Toilettenschlössern, Wich tig sei nur, dass die Tiere nach Fertigstellung<br />

Euterhaarentfer-<br />

Ein Spezialgebiet sind die Handelssanktionen.<br />

Auch hier gilt zunächst: Handelssanktionen müssen<br />

wehtun, und zwar möglichst dem anderen.<br />

Wenn zum Beispiel die Saudis aus irgendwelchen<br />

Grün<strong>den</strong> plötzlich keine Kamele mehr nach<br />

Deutschland ausführen, trifft das die Deutschen<br />

weitaus härter, als wenn Deutschland <strong>den</strong> Saudis<br />

keinen We<strong>ihr</strong>auch und keine Schweinswürstel liefert<br />

und auch die neueste Auflage des Reise -<br />

führers Berlin Gay Guide nicht ausgeliefert wird.<br />

Da sitzen die Deutschen einfach am kürzeren<br />

Barte des Propheten! Nicht umsonst weist der<br />

VDKI (Verband der Deutschen Kamelverarbeiten<strong>den</strong><br />

Industrie) seit Langem darauf hin, dass sich<br />

sonst<br />

EULENSPIEGEL 10/14 29


Das sagen<br />

Promis<br />

Lothar Matthäus<br />

Man muss sich eben mit <strong>den</strong> Umstän<strong>den</strong> arrangieren<br />

und das Beste daraus machen.<br />

Wenn Neurussland bald einen neuen Nationaltrainer<br />

sucht, würde ich <strong>den</strong> Job übernehmen.<br />

Veronica Ferres<br />

Es ist alles so fürchterlich. Der einzige Gedanke,<br />

der mir in dieser schweren Zeit Auftrieb<br />

gibt, ist, wie ich in dem Fernsehfilm<br />

mitspiele, der das Lei<strong>den</strong> der tapferen<br />

Kanzlerin in dieser Krise thematisiert.<br />

Fotos: Fotolia, focus.de, sueddeutsche.de, somethingilearntoday, aus, ladyblitz.com<br />

Bald Alltag auf deutschen Straßen?<br />

A100 Stadtautobahn Berlin-Wilmersdorf Richtung<br />

Wedding. ADAC-Sprecher Christian Garrels<br />

(39) steht die nackte Angst ins Gesicht geschrieben.<br />

»Wir sind verletzbar wie die 6. Armee bei<br />

Stalingrad«, warnt er. »Wenn Russland keine<br />

deutschen Autos mehr kauft, dann sind wir eingekesselt.<br />

Mit <strong>den</strong> zusätzlichen PKW, die in<br />

Deutschland bleiben wür<strong>den</strong>, wird der Berufsverkehr<br />

hier die reine Hölle. Manche wer<strong>den</strong> gar<br />

nicht mehr zur Arbeit kommen, oder noch<br />

schlimmer: mit der Bahn!« Der ADAC will die<br />

Lage aber nicht dramatisieren. Auch Hitler-Putin-Vergleiche<br />

hält er für unangemessen, weil<br />

Hitler immerhin die Autobahn gebaut hat. Dennoch<br />

ist die Situation kritisch. Aber wenn die<br />

Bundesregierung jetzt reagiert, die Hälfte der<br />

Bevölkerung versklavt und für <strong>den</strong> Straßenausbau<br />

arbeiten lässt, dann ließe sich wohl das<br />

Schlimmste verhindern.<br />

Andreas Koristka<br />

nern, Kolbenritzelspannern und Großlochkäselaibern<br />

sit zen. Auf <strong>den</strong> Ozeanen irrten leere Containerschiffe<br />

umher, deren Leben nun keinen Sinn<br />

mehr hat, und in China müssten sie das ganze<br />

bunte Plastikzeug, das sie sonst per Toys »R« Us<br />

in alle Welt verklappen, plötzlich selbst als Sondermüll<br />

entsorgen. Damit das nicht geschieht,<br />

sind Handelssanktionen in der Regel so gestaltet,<br />

dass sie nach mehr aussehen, als sie sind. Am<br />

besten, man <strong>den</strong>kt sich drei Stufen aus, die medienwirksam<br />

gezündet wer<strong>den</strong>. Erste Stufe: Prü -<br />

fung der Sanktion, zweite Stufe: Ankündigung der<br />

Sanktion, dritte Stufe: Gezieltes Feuer (Platzpatrone).<br />

Sanktionen sind einem steten Wandel unterworfen.<br />

Gerade auf dem weiten Feld der Kindererziehung!<br />

Einst gab es vom Lehrer was auf die<br />

Finger, wenn jemand in der Klasse zu laut war.<br />

Heute gibt es <strong>den</strong> Leisefuchs. Kitas heißen nicht<br />

Am Kraftwerk oder Pawel Kortschagin, sondern<br />

30 EULENSPIEGEL 10/14<br />

Tabaluga oder Pusteblume. Einem Kind, das zum<br />

dritten Mal sein Mittagessen willentlich auf <strong>den</strong><br />

Bo<strong>den</strong> schmeißt, wird nicht mehr anempfohlen,<br />

auf dem Bo<strong>den</strong> weiter zu essen, sondern ihm<br />

wird vorgeschlagen, aus dem Kartoffelbrei lus -<br />

tige Figuren zu formen.<br />

Wahre Meister im Umgang mit Sanktionen<br />

sind schon immer die Kirchen. Die Verheißung<br />

des Paradieses ist <strong>ihr</strong> Kun<strong>den</strong>bindungsprogramm,<br />

die Androhung der Hölle sichert Wohlverhalten<br />

und Spen<strong>den</strong>aufkommen. Obwohl:<br />

Wenn es sich herumspricht, dass es in der Hölle<br />

in Wirklichkeit zugeht wie in einem All-Inclusive-<br />

Urlaub an einem Traumstrand in der Karibik und<br />

nur für die Katholiken ein Kessel mit sie<strong>den</strong>dem<br />

Öl bereitsteht, weil die das so wollen, bricht<br />

das ganze System zusammen. Eine Sanktion<br />

ohne Schrecken ist wie ein Hase ohne Eier. Bald<br />

wür<strong>den</strong> die ersten Wellness-Hotels und Wohlfühl-Oasen<br />

Zur Hölle heißen, und die Volkssolidarität<br />

böte für 19,90 EUR Busreisen mit ge führ -<br />

ter Höllenbesichtigung und Kaffeegedeck an, auf<br />

Wunsch auch in Gebär<strong>den</strong>sprache und natürlich<br />

barrierefrei.<br />

Was im zwischenmenschlichen Bereich funktioniert,<br />

muss nicht auch anderswo funktionie -<br />

ren. Wenn moderne Eltern dem Kind zu verste -<br />

hen geben, dass sie ob seines Fehlverhaltens<br />

»natürlich nicht böse« sind, sondern nur »sehr<br />

traurig«, so mag das zum gewünschten Ergebnis<br />

führen. Auf internationaler Ebene ist davon abzuraten!<br />

Die Apartheid beispielsweise wurde von<br />

der südafrikanischen Regierung nicht deshalb<br />

aufgegeben, weil die EU damit drohte, anderenfalls<br />

»sehr traurig« zu sein. Oder am Abend Migräne<br />

zu bekommen. Sondern weil Deutschland<br />

ankündigte, sonst Howard Carpendale zurückschicken.<br />

Denn wenn man der Hölle ein Gesicht<br />

gibt, taugt sie auch wieder als Sanktion.<br />

Robert Niemann


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Kri ki<br />

Schlechte Witze, Beiträge zur Geschichte des<br />

Uebermuths war der Artikel in der Bibliothek<br />

der Unterhaltung und des Wissens von 1896<br />

überschrieben. Seltsam, damals scheint man in<br />

einer anderen Witz-Welt gelebt zu haben. Was Witz<br />

hieß, nennen wir heute Scherz oder Streich. Zumeist<br />

handelt es sich um Schusswaffenunfälle oder<br />

die »unzeitige Handhabung vermeintlich ungela<strong>den</strong>er<br />

Schusswaffen«. Verbun<strong>den</strong> mit der »scherz -<br />

haften Drohung, <strong>den</strong> anderen zu erschießen«, und<br />

dem unzeitigen Ableben des Witzopfers, wird daraus<br />

laut Autor Hugo Sternberg ein schlechter Witz.<br />

Sternberg berichtet von einem Offizier in Budapest,<br />

der <strong>den</strong> vermeintlich ungela<strong>den</strong>en Revolver<br />

auf ein junges Mädchen richtete und mit der fro -<br />

hen Botschaft »Jetzt erschieße ich Sie!« ein »blühendes<br />

Menschenleben auslöschte«. Ein Witz,<br />

<strong>den</strong> der Witzbold nie wieder machen sollte – er<br />

erschoss sich umgehend selbst.<br />

Als nächste Witzkategorie führt Sternberg die<br />

»Zieh-<strong>den</strong>-Stuhl-weg-Scherze« auf, die seinerzeit<br />

sehr beliebt gewesen sein müssen. So zog auch<br />

Witzzeichner Wilhelm Busch der Gattin des Malerfürsten<br />

Franz von Lenbach bei einem Künstler -<br />

fest in München <strong>den</strong> Stuhl weg, <strong>den</strong> er <strong>ihr</strong> angeboten<br />

hatte. Ein Skandal! Beschämt verließ Busch<br />

nicht nur überstürzt die Party, sondern auch die<br />

Stadt und Bayern, verschanzte sich in seinem Geburtsort<br />

Wie<strong>den</strong>sahl (fünf Häuser, eine Plumpstoilette)<br />

und malte melancholische Waldstücke.<br />

Stuhl wegziehen kann »eine schwere Erschütterung<br />

des Rückenmarks sowie andere tödliche<br />

Verletzungen« nach sich ziehen, mahnt Stern berg.<br />

Zum Beispiel wenn man auf eine gela<strong>den</strong>e, ungesicherte<br />

Schusswaffe zu liegen kommt.<br />

Auch ein anderer, offenbar damals häufiger Witz<br />

ist nicht zu empfehlen: falsche Trauerbotschaften.<br />

»Sie lassen <strong>den</strong> Veranstalter überaus albern und<br />

roh erscheinen.« Solch einen »schlech ten wie gewagten<br />

Witz« machte ein junger Mann in Oranienburg.<br />

Er ließ seinem Vater mitteilen, dass er, der<br />

Sohn, gestorben sei. Der Scherzkeks erwartete<br />

<strong>den</strong> Vater am Bahnhof, was leicht mit dem plötzlichen<br />

Herztod des Papas hätte en<strong>den</strong> können,<br />

aber glimpflich mit »ein paar furchtbaren Ohrfeigen«<br />

ausging.<br />

Gute<br />

schlechte<br />

Witze<br />

In die Rubrik »schwarzer Humor« gehört auch<br />

der Witz des Engländers Sothern. Der hatte in London<br />

ein prunkvolles Leichenbegängnis bestellt<br />

und als der Leichenwagen angerückt kam, lauthals<br />

von der Begräbnisfirma eine Leiche verlangt, da<br />

diese vertragsgemäß zu einem Begräbnis gehöre.<br />

Sternberg: »sehr schlechter Witz«.<br />

Einige Mühe verlangte der bemühte Witz zweier<br />

Gesellschafter in Frankfurt, die mit vereinten Kräften<br />

einen Geldschrank umwarfen, um <strong>ihr</strong>en Vorsitzen<strong>den</strong><br />

mit einem vorgetäuschten Einbruch zu<br />

erschrecken. Das ging schlecht aus, <strong>den</strong>n die<br />

Putze hatte im Tresor Salpetersäure (!) sicher verwahrt<br />

– Geldnoten und Geschäftspapiere wur<strong>den</strong><br />

vernichtet.<br />

Opfer eines Witzes, der spezielle Begabung erfordert,<br />

wurde ein Bauer, der die Landesgren ze<br />

mit seinem Heuwagen passierte, aus dem plöt -<br />

zlich Schweinegrunzen ertönte. Ein Schweineschmuggler?<br />

Das Schwein war ein menschlicher<br />

Bauchredner, der seinen Scherz drei Wochen lang<br />

im Karzer büßen musste.<br />

Den meisten vergeht das Lachen im Knast. Nicht<br />

so Todeskandidat Zephyr Davies aus Chicago. Dieser<br />

hängte in der Nacht vor seiner Hinrichtung<br />

seine mit Bettzeug ausgestopften Kleider an eine<br />

Gasröhre, was seinen Selbstmord vortäuschte. Angesichts<br />

der Bestürzung seiner Wächter konnte<br />

er sich vor Lachen kaum beruhigen, bevor er dann<br />

von anderen end gültig beruhigt wurde. Stern berg:<br />

»Eigenartig!«<br />

Fürwahr, Scherze auf Kosten anderer lassen<br />

sich subtiler bewerkstelligen!<br />

Auf dem Zwiebelmarkt in Weimar, so berichtet<br />

Sternberg, hockte eine junge Bäuerin vor einem<br />

Eierkorb. Ein Bursche sagte, er wolle welche kaufen,<br />

aber nur, wenn er sie selber aussuchen dürfe.<br />

Sie solle doch bitte die Arme vor der Brust verschränken.<br />

Das tat die Frau, der Mann platzierte<br />

mit höchster Vorsicht ein Schock Eier auf <strong>ihr</strong>en<br />

nackten Unterarmen – ging weg und ließ sie, zur<br />

Unbeweglichkeit verdammt, sitzen, wobei sich<br />

eine Menge scha<strong>den</strong>froher Thüringer um sie versammelte.<br />

Wäre der Witzebeurteiler Sternberg da<br />

vorbeigekommen, er hätte gewiss ein Ei nach dem<br />

Witzbold geworfen.<br />

Wir aber geben dem Streich das Prädikat »Guter<br />

schlechter Scherz«!<br />

32 EULENSPIEGEL 10/14


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Kun<strong>den</strong> breitwalzen, Regale verwüsten, Strichcodes<br />

Die neue Lust<br />

In der Wirklichkeit verhält es sich wie im wahren<br />

Leben: Man kriegt oft das eine nicht ohne das andere.<br />

Zum Beispiel gibt es ohne Pubertät keine<br />

Pickel und ohne Auslegware keine Auslegung. Aber<br />

noch viel wichtiger: Die Konjunktur brummt nicht,<br />

ohne dass wir alle mitbrummen. Natürlich nicht<br />

im Gefängnis – wir sind ja nicht Uli Hoeneß –, sondern<br />

durch eigene Anstrengung!<br />

Vorbei die Zeiten, da man einfach irgendwo reinging<br />

und komplett bedient war. Heute gibt es <strong>den</strong><br />

verantwortungsbewussten Konsumenten, der selber<br />

tätig wird. Im Supermarkt steckt er fleißig<br />

seine Pfandflaschen in <strong>den</strong> Automaten und wiederholt<br />

diesen Vorgang so lange klaglos, bis die<br />

Maschine endlich das Recyclingsymbol erkennt.<br />

Doch damit sind die Dienstpflichten des<br />

modernen Einkäufers längst nicht erledigt. Muss<br />

er doch als Nächstes sein Obst in Tüten verpacken,<br />

abwiegen und etikettieren. Und spätestens bei<br />

der Auswahl der verfügbaren Fruchtsymbole ist<br />

Fachwissen gefordert: Handelt es sich nun um<br />

eine Birne, eine Wintermütze oder um eine maligne<br />

Tumorerkrankung des Knorpelgewebes? Aber<br />

nein, es ist eine Kiwi! Wer auf sie gesetzt hat,<br />

sollte sich über seinen schönen Tipperfolg freuen<br />

und in dieser Begeisterung auch gleich noch <strong>den</strong><br />

gesamten Einkauf am Ausgang freiwillig scannen.<br />

Danach ist man vielleicht ermattet, aber zugleich<br />

in dem schönen Gefühl bestärkt, eigenhändig<br />

Herrn Karstadt oder Frau Lidl gerettet zu haben.<br />

Genau die richtige Hochstimmung also, um <strong>den</strong><br />

nächsten Möbelmarkt anzusteuern! Dort müssen<br />

wir uns rasch eine Karre mit der Tragkraft eines<br />

mittleren Tiefladers schnappen, flugs die richtigen<br />

Fach- und Regalnummern erkun<strong>den</strong>, schnell die<br />

Pakete mit dem Strichcode nach vorne auf das<br />

Baufahrzeug stapeln und immer darauf achten,<br />

dass die schwersten Kartons ganz oben liegen,<br />

damit sie am besten runterfallen können, dann<br />

<strong>den</strong> ganzen Plunder zur Lesestation karren und<br />

auf dem Wege dorthin möglichst viele andere Kun<strong>den</strong><br />

breitwalzen, anschließend rasch das ganze<br />

Einrichtungshaus scannen und eine halbe Stunde<br />

warten, bis unsere EC-Karte online erkannt wird,<br />

und nun bloß noch alles verla<strong>den</strong>, nach Hause<br />

schaffen und zusammenbauen. Bereits nach einer<br />

Woche Arbeitszeit, drei Erkundigungs-Anrufen bei<br />

Freun<strong>den</strong>, mehreren Umtauschaktionen wegen<br />

fehlender Schrauben und einer Scheidungsdrohung<br />

der Gattin steht die neue Einrichtung! Wir<br />

sind dabei zwar um drei Jahre gealtert, aber die<br />

Konjunktur ist dank unseres Einsatzes frischer<br />

<strong>den</strong>n je. Und der Besitzer des Möbelirrgartens erst<br />

recht, <strong>den</strong>n weil die Leute alles selber machen,<br />

kann er seinen Presspappeschuppen jetzt mit fünf<br />

stu<strong>den</strong>tischen Hilfskräften oder einem Blin<strong>den</strong>hund<br />

im Blaumann betreiben.<br />

Als Kunde haben wir uns danach eine Zwischenmahlzeit<br />

verdient, und die nehmen wir natürlich<br />

in einem modernen Schnellrestaurant ein. Tablett<br />

schnappen, Anstellen, Bestellung brüllen, Wegtragen,<br />

Auswickeln, Runterschlingen, Aufstoßen, Abräumen<br />

heißt hier das Reglement. Wer länger als<br />

zehn Minuten rumtrödelt, wird in Scheiben geschnitten,<br />

frittiert und dem nächsten Kun<strong>den</strong> als<br />

Bürger-Menü verabreicht.<br />

Wer überlebt, darf sich auf <strong>den</strong> Weg zum Bahnhof<br />

machen, um zum nächsten Einsatzort als werktätiger<br />

Kunde zu reisen. Doch halt! Vor <strong>den</strong> Eisenbahnzug<br />

haben die Götter bzw. der Herrgott Grube<br />

<strong>den</strong> Fahrkartenautomaten gesetzt. Aber keine<br />

Bange: Nur eben Start, Ziel, <strong>den</strong> Reisetag, die Reisestunde,<br />

die Bahncard 50 oder 25, die Kinder -<br />

zahl, das TagesTicket Plus, die Reservierung, die<br />

Zahlungsform Geldkarte, Kreditkarte, Bargeld eingeben<br />

und schon … ist der Zug seit einer halben<br />

Stunde abgefahren. Aber egal – fangen wir eben<br />

noch mal von vorne an! Nur hoffnungslos sentimentale<br />

Typen trauern an dieser Stelle <strong>den</strong> allerorts<br />

abgeschafften Fahrkartenschaltern nach.<br />

Stattdessen sollten sie stolz sein, endlich auch<br />

mal für Deutschlands größtes Unternehmen tätig<br />

wer<strong>den</strong> zu dürfen! Und wenn’s einer partout nicht<br />

rafft: Im DB-Museum in Nürnberg gibt’s eine Schulung,<br />

die ältere Fahrgäste in der richtigen Bedienung<br />

von Fahrkartenautomaten trainiert. Wer <strong>den</strong><br />

Kurs nicht besteht, darf gleich im Museum bleiben.<br />

34 EULENSPIEGEL 10/14


esiegen:<br />

zu konsumieren<br />

Das aber kommt für uns nicht in Frage, <strong>den</strong>n<br />

wir müssen noch weitere komplizierte Kun<strong>den</strong>aufgaben<br />

erfüllen: Ein Brief will eingeworfen<br />

sein, und ein Paket muss abgeholt wer<strong>den</strong>. Früher<br />

wäre man dazu aufs Postamt gegangen,<br />

hätte sich dort von einem beamteten Postsack<br />

anschnauzen lassen und wäre anschließend fertig<br />

gewesen. Heute dagegen ist man schon<br />

fertig, ehe es überhaupt losgeht. Zuerst muss<br />

man nämlich per Hörensagen oder polizeilicher<br />

Suchanzeige einen Briefkasten ausfindig machen.<br />

Schließlich hat es die Post durch pfiffige<br />

Optimierung geschafft, dass es in ganz Deutschland<br />

nur noch zehn Einwurfkisten gibt, die auch<br />

nur noch um zehn geleert wer<strong>den</strong>. Doch bevor<br />

man darüber meckert, sollte man sich klarmachen,<br />

welche ungeheuren Vorteile dies hat. Vor<br />

allem für die Post. Der tragen die Kun<strong>den</strong> nun<br />

quasi die Sendungen selber zum Ziel. Eine wunderbare<br />

Beförderung – nicht nur für die Briefe,<br />

sondern auch für die Absender! Denn seien wir<br />

mal ehrlich: Wer wollte als Kind nicht gern Briefträger<br />

sein? Das ist nun endlich erreicht.<br />

Bleibt bloß noch die Paketabholung. Aber die<br />

ist ganz einfach, <strong>den</strong>n als moderner Mensch<br />

haben wir uns längst bei einer Paketstation angemeldet.<br />

Völlig unkompliziert wur<strong>den</strong> uns<br />

dafür eine siebenstellige Post nummer, die Kun<strong>den</strong>karte,<br />

eine Bedienungsanleitung und ein Internet-Passwort<br />

zugesandt. Außerdem natürlich<br />

ein Stadtplan, damit wir in Ruhe nachgucken<br />

können, über wie viele Kilometer die Kiste nach<br />

Hause gehievt wer<strong>den</strong> muss, und dazu die zweihundertfünfzigste<br />

PIN unseres Lebens, damit<br />

wir auch in Ruhe was zu vergessen haben. Mit<br />

diesem ganzen Klempnerla<strong>den</strong> eilen wir nun<br />

zur Paketstation (<strong>den</strong>n vielleicht ist es ja eine<br />

Eilsendung), um dort <strong>den</strong> vorgegebenen Hindernisparcours<br />

zu absolvieren: Karte in <strong>den</strong><br />

Schlitz, Postnummer in die Tastatur, PIN hinterher<br />

und ratsch geht tatsächlich ein Fach auf, in<br />

dem ein Päckchen liegt! Die Freude ist riesengroß,<br />

und sie wäre noch größer gewesen, wenn<br />

die Sendung tatsächlich unseren Namen getragen<br />

hätte. Aber es ist leider ein wildfremder.<br />

Egal, reklamieren wir also per Internet, warten<br />

auf eine neue E-Mail mit Paketmeldung, lat -<br />

schen abermals zur Station, geben <strong>den</strong> Schlitz<br />

in die Nummer und die Tastatur auf die Karte,<br />

und wenn wir nicht gestorben sind, spielen wir<br />

heute noch Paketbote … Trotzdem wollen wir<br />

nie vergessen, welche Lust es ist, von einem<br />

Unternehmen so viel eigene Verantwortung<br />

übertragen zu bekommen. Dieses Vertrauensvorschusses<br />

sollte sich jedermann würdig erweisen.<br />

Und damit auch Sie einen würdigen Beitrag<br />

als Kunde leisten, folgen Sie einfach <strong>den</strong> nachstehen<strong>den</strong><br />

Anweisungen unseres Callcenters:<br />

Wenn Ihnen dieser Text gefallen hat, drücken<br />

Sie die 1, wenn Sie diesen Text super fan<strong>den</strong>, drücken<br />

Sie die 2, wenn Sie diesen Text für <strong>den</strong> Pulitzer-Preis<br />

vorschlagen möchten, drücken Sie die<br />

3. Wenn Sie glauben, dass dieser Text Mist war,<br />

dann legen Sie auf.<br />

Reinhard Ulbrich<br />

Zeichnungen: Reiner Schwalme<br />

EULENSPIEGEL 10/14 35


Wenn:<br />

Bundesministerium für Gesundheit<br />

Schutz vor EBOLA!<br />

Dann:<br />

36 EULENSPIEGEL 10/14<br />

Senkbeil / Garling


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Sämtliche <strong>Krieg</strong>sschuldlügen glänzend widerlegt!<br />

Die Deutschen haben mehr<br />

Andreas Prüstel<br />

Es ist eine Lust, Deutscher zu sein, <strong>den</strong>n<br />

landauf, landab wird die Unschuld des<br />

Deutschen Kaiserreichs am Ausbruch des<br />

Ersten Weltkriegs (1914/18) stichhaltig bewiesen!<br />

Selbst ein kleines Internetportal wie GMX<br />

(»Küblböck im Selfie-Wahnsinn«, »Nerviger<br />

Bauch speck schmilzt wie Eis«, »Pitbull schlab -<br />

bert Baby ab«) wird plötzlich frech und fragt:<br />

»War Deutschland nicht schuld? Historiker bezweifeln,<br />

dass Deutsches Kaiserreich 1. Welt -<br />

krieg verursachte ...«<br />

Natürlich war es nicht schuld! Es ist mittlerweile<br />

unstrittig, dass der 1914 erfolgte Ein -<br />

marsch in Belgien völkerrechtsmäßig erlaubt,<br />

wenn nicht geboten war, nachdem der Ge -<br />

sandte der Briten <strong>den</strong> Russen in Prag die Bereitschaft<br />

der Serben zum Angriff auf die überseeischen<br />

Kronkolonien signalisiert hatte – und<br />

zwar für <strong>den</strong> Fall, dass Österreich-Ungarn eine<br />

Erhebung der kroatischen Minderheit unterdrücken<br />

sollte. Was die Habsburger zu diesem Zeitpunkt<br />

noch nicht ahnen konnten: Die Slowenen<br />

hatten unterdessen Spione nach Elsass-Lothringen<br />

entsandt und sich mit <strong>den</strong> Tschechen<br />

verbündet, die wiederum gegen die Hegemonialpolitik<br />

der Slowaken opponierten. In dieser<br />

Spannungs lage profitierten vor allem die auf<br />

<strong>ihr</strong>e Unabhängigkeit bedachten Polen und Rumänen<br />

von der Zwangsbewirtschaftung des Gebiets<br />

zwischen Elbe und Neiße, doch die Hoffnungen<br />

auf einen raschen Frie<strong>den</strong>sschluss sollten<br />

sich nicht erfüllen. Im Gegenteil: Es kam<br />

zu schweren Gefechten, in deren Verlauf alle<br />

Abkommen hin fällig wur<strong>den</strong>, die seit <strong>den</strong> ersten<br />

bei<strong>den</strong> Prager Fensterstürzen (1419 und 1618)<br />

gegolten hatten.<br />

38 EULENSPIEGEL 10/14<br />

Aus einer Note des Fürsten Bismarck, die erst<br />

jetzt ans Licht gekommen ist, geht überdies hervor,<br />

dass das Deutsche Kaiserreich auch am Ausbruch<br />

des Deutsch-Französischen <strong>Krieg</strong>es<br />

(1870/71) vollkommen unschuldig war: In Wahrheit<br />

wollte Bismarck nämlich nur friedlich, wie<br />

es seinem Naturell entsprach, einige Grenzstreitigkeiten<br />

um Elsass-Lothringen regeln, während<br />

Frankreich unmissverständlich zur Attacke blies.<br />

So blieb dem großen Kanzler gar nichts anderes<br />

übrig, als die Mobilmachung sämtlicher Truppen<br />

zu befehlen.<br />

Die Mannstoppwirkung einer Hellebarde<br />

galt damals noch nicht als erwiesen<br />

Ganz ähnlich verhielt es sich im Siebenjährigen<br />

<strong>Krieg</strong> (1756–1763). Hier kämpfte Preußen fast<br />

allein gegen Russland, Frankreich und die Habsburger,<br />

weil Maria Theresia widerrechtlich und<br />

unmoralischerweise Schlesien überfallen hatte.<br />

Als Entlastungsmoment kommt hinzu, dass die<br />

sogenannte Mannstoppwirkung einer Helle bar -<br />

de damals noch nicht als erwiesen galt. In der<br />

Entwicklung der Schwertwaffen waren die Rus -<br />

sen und die Franzosen <strong>den</strong> Preußen seit dem<br />

Schmalkaldischen <strong>Krieg</strong> (1546/47) sehr weit vorausgeeilt.<br />

Unter Historikern herrscht heute Einigkeit<br />

darüber, dass die Aufrüstung der Feindstaaten,<br />

von <strong>den</strong>en Preußen sich umzingelt sah,<br />

unweigerlich zur Eskalation führen musste. Friedrich<br />

II. traf keine Schuld. Er hatte bis zur letzten<br />

Minute versucht, die verfeindeten Großmächte<br />

zu einer Frie<strong>den</strong>skonferenz einzu be rufen. Erst<br />

nach der Belagerung von Olmütz sah er sich dazu<br />

gezwungen, eine eigene Reiterarmee auf die in<br />

Min<strong>den</strong> massierten Massen des französischen<br />

Heeres loszulassen. Die Verantwortung für <strong>den</strong><br />

Spanischen Erbfolgekrieg (1701/14), der sich hieraus<br />

ergab, trifft vornehmlich die Franzosen und<br />

zum Teil auch die Schwe<strong>den</strong>, die sich mit der<br />

Republik Venedig überworfen und der Protestantischen<br />

Union unter Kahl dem Kahlen <strong>den</strong><br />

Dienst aufgekündigt hatten.<br />

Aber wie auch immer: Aus Dokumenten, die<br />

vor kurzem im Nachlass des Kurfürsten Friedrich<br />

von der Pfalz aufgetaucht sind, geht klar hervor,<br />

dass der Dreißigjährige <strong>Krieg</strong> (1618/48) und übrigens<br />

auch der Hundertjährige <strong>Krieg</strong> (1337/ -<br />

1453) von <strong>den</strong> Franzosen angezettelt wor<strong>den</strong><br />

sind, während die Deutschen recht gern Frie<strong>den</strong><br />

gehalten hätten. Das wird auch aus einem Brief<br />

ersichtlich, in dem Philipp IV. im Jahre 1346 Eduard<br />

III. dazu ermahnte, die Langbogenschützen<br />

zurückzuziehen, und es wirkt wie ein Treppenwitz<br />

der Weltgeschichte, dass sich dieser Vorgang<br />

1904 in der Ersten Marokkokrise wiederholen<br />

sollte: Allein dem Eintreten des Reichskanzlers<br />

Bülow ist es zu verdanken, dass der<br />

Reichswehr in dieser Krisensituation der Zugang<br />

zur technischen Weiterentwicklung der operativen<br />

Gefechtswaffen offengehalten wurde.<br />

Das entsprechende Salven- oder Repetiergeschütz<br />

wurde erst 1919/20 im Hinblick auf die<br />

Ruhrgefechte von der Firma Heckler&Koch konstruiert.<br />

Dank <strong>ihr</strong>er Treffsicherheit fand diese<br />

Waffe alsbald Abnehmer in aller Welt. Als ganz<br />

besonders lobenswert wurde vielfach der Tragekomfort<br />

des schulterfreundlichen Trageriemens<br />

qualifiziert. Professionelle Söldner äußerten<br />

sich auch anerkennend über das Design des<br />

Patronenkastens und die intuitive Bedienung<br />

der Rohrführungshülse, und so nimmt es nicht


Hi story<br />

gelitten als die alten Römer<br />

wunder, dass dieses Maschinengewehr binnen<br />

weniger Wochen zum Exportschlager heranreifte.<br />

Derartige Waffen wur<strong>den</strong> in Deutschland stets<br />

zu Exportzwecken hergestellt – oder allenfalls<br />

zur Verteidigung. »Die Deutschen«, so heißt es<br />

in einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung<br />

einer unabhängigen Kommission, »haben mit wenigen<br />

Ausnahmen nachweislich niemals und zu<br />

keinem Zeitpunkt ein anderes Volk bedroht, belagert,<br />

ausgeplündert und beraubt. Im Gegenteil:<br />

Sie sind von <strong>den</strong> Franzosen, <strong>den</strong> Dänen, <strong>den</strong> Polen,<br />

<strong>den</strong> Schwe<strong>den</strong>, <strong>den</strong> Magyaren, <strong>den</strong> Tschechen<br />

und <strong>den</strong> Bewohnern der Beneluxländer insgesamt<br />

dreißigmal öfter überfallen wor<strong>den</strong> als<br />

umgekehrt.« Raymond Dalugue, ein renommierter<br />

Wirtschaftswissenschaftler aus Brüssel, hat<br />

ausgerechnet, dass Deutschland infolge der ihm<br />

in <strong>den</strong> letzten achthundert Jahren zugefügten<br />

<strong>Krieg</strong>sschä<strong>den</strong> eine Tributforderung in Höhe von<br />

einhundert Milliar<strong>den</strong> Euro an seine Nachbarstaaten<br />

richten dürfte, wenn, ja, wenn es mit rechten<br />

Dingen zuginge.<br />

Diplomaten in London, Paris, Den Haag, Warschau<br />

und so weiter sind solche Stimmen natürlich<br />

»wenig genehm«. Man versucht, die Vergangenheit<br />

zu vertuschen und zu beschönigen,<br />

damit die Deutschen am Ende wieder als Zahlmeister<br />

Europas dastehen. Der krasseste Fall der<br />

Geschichtsklitterung ist jüngst aus Athen zu vermel<strong>den</strong>:<br />

Der griechische Althistoriker Simeón Passadakis<br />

will nachgewiesen haben, dass die Germanen<br />

bereits 264 vor Christus <strong>den</strong> Ersten Punischen<br />

<strong>Krieg</strong> (264 bis 241 v. Chr.) verschuldet<br />

hätten. Als Beweis kann er allerdings nicht mehr<br />

als zwei verwitterte Pfeilspitzen vorlegen, die<br />

<strong>ihr</strong>er miserablen aerodynamischen Eigenschaften<br />

wegen angeblich nur in Germanien hergestellt<br />

wor<strong>den</strong> sein können.<br />

Und welche Reparationsforderungen<br />

haben wir Deutschen zu stellen?<br />

Ganz bei der Wahrheit ist dagegen Dr. Erich<br />

Schraatz vom Salzburger Institut für Militärgeschichte,<br />

der errechnete: »In <strong>den</strong> zurück lie -<br />

gen<strong>den</strong> fünftausend Jahren hat sich Deutschland<br />

aus so gut wie allen bewaffneten Konflikten in<br />

Mitteleuropa herausgehalten. Im Ersten Burenkrieg<br />

hat Bismarck sogar noch vermitteln wollen<br />

zwischen Briten und Buren! Aber heuer interessiert<br />

das keinen mehr, obwohl sich statistisch<br />

erweisen lässt, dass Deutschland und Österreich<br />

in allen seit der Renaissance geführten <strong>Krieg</strong>en<br />

zusammengenommen mehr Menschenmaterial<br />

eingebüßt haben als die Römer in <strong>ihr</strong>er gesam -<br />

ten Geschichte ...«<br />

Unter Historikern zu wenig gewürdigt ist allerdings<br />

die Tatsache, dass Konrad A<strong>den</strong>auer am<br />

Algerienkrieg (1954/62) vollkommen schuldlos<br />

war und dass unser Land – nimmt man alle Indizien<br />

zusammen – auch von der Schuld am Koreakrieg<br />

(1950 bis heute) und am Sechstagekrieg<br />

(1967) freizusprechen ist.<br />

Da wäre es nur logisch, wenn man auch <strong>den</strong><br />

Angriff auf <strong>den</strong> Sender Gleiwitz 1939, der Hitler<br />

<strong>den</strong> Vorwand für <strong>den</strong> Überfall auf Polen geliefert<br />

hat, nicht länger aufs deutsche Schuldkonto<br />

schriebe. Die SS soll – so die bisherige, aus dem<br />

Kaffeesatz gelesene Interpretation – <strong>den</strong> Angriff<br />

selbst ins Werk gesetzt und ihn <strong>den</strong> Polen in die<br />

Schuhe geschoben haben. Die jetzt in Warschau<br />

aufgetauchten Briefe eines Schützen der 26. polnischen<br />

Panzerkohortenbrigade sprechen indessen<br />

eine andere Sprache: Wenn man diesem einfachen<br />

Soldaten Glauben schenken darf, war das<br />

Deutsche Reich am Verlauf, an der Ausweitung<br />

und nicht zuletzt an der Beendigung des Zweiten<br />

Weltkriegs so unschuldig wie ein hochqualifizierter<br />

Rauschgol<strong>den</strong>gel.<br />

Unter der erdrücken<strong>den</strong> Last der historischen<br />

Tatsachen verstummt das Gezänk »um des Kaisers<br />

Bart«, wie man früher sagte, und wir Deutsche<br />

müssen uns um der Gerechtigkeit willen fragen,<br />

welche Reparationsforderungen wir an Moskau,<br />

Prag, Buenos Aires, Paris, London, Madrid<br />

und Rom zu stellen haben. Diese Varusschlachten<br />

sind noch nicht geschlagen ...<br />

Gerhard Henschel<br />

EULENSPIEGEL 10/14 39<br />

Bernd Zeller


Sozial staat<br />

Freizeit macht frei<br />

Arbeit und Beruf lassen sich immer schlechter<br />

unter einen Hut bringen. Jeder kennt das: Man<br />

kommt von der Arbeit heim, total geschlaucht,<br />

macht das, wozu man <strong>den</strong> ganzen Sechzehnstun<strong>den</strong>tag<br />

mal wieder nicht kam, plötzlich klopft<br />

der Abteilungsleiter an der Klotür und verlangt<br />

nach einer Statistik fürs letzte Quartal. Auch zu<br />

Hause ständig und überall erreichbar zu sein, daran<br />

haben sich viele Arbeitnehmer gewöhnt, obwohl<br />

es nachweislich schlecht für die Verdauung<br />

ist. Die deutsche Sozialdemokratie will dieser<br />

schleichen<strong>den</strong> Versklavung aber nicht länger tatenlos<br />

zusehen. »Es reicht«, poltert eine führende<br />

Sozialdemokratin. »Genug ist genug«, sagt ein<br />

anderer führender Genosse zwar deutlich differenzierter,<br />

doch im Ziel ist sich die Partei einig:<br />

Deutschlands Freizeit muss verteidigt wer<strong>den</strong> –<br />

nicht nur am Hindukusch.<br />

Heute schwört Sigmar G.<br />

auf »Freizeit plus«<br />

Mit <strong>ihr</strong>em jüngsten Vorstoß hat die SPD <strong>ihr</strong>e<br />

alte Kernklientel wiederentdeckt: die der Müßiggänger.<br />

Die nicht einsehen, einen Großteil <strong>ihr</strong>er<br />

kostbaren Lebenszeit für einen vertrottelten Firmenpatriarchen<br />

oder dessen mit schwerem Vaterkomplex<br />

behaftetes Psychosöhnchen zu opfern,<br />

haben endlich wieder eine politische Hei -<br />

mat. Die Initiative geht maßgeblich auf die Erfahrungen<br />

des Genossen Sigmar G. (Name von<br />

der Redaktion gekürzt) zurück. Vor knapp einem<br />

Jahr war G. befördert wor<strong>den</strong>. Voller Eifer stürzte<br />

er sich in <strong>den</strong> neuen Job. So ein Karrieresprung<br />

verleihe anfangs natürlich Flügel, sagt er. Zunächst<br />

habe er es noch hinbekommen, einmal<br />

pro Woche seine Tochter mit dem Pony von der<br />

Uni abzuholen. Doch schon auf dem Rückritt habe<br />

meistens sein Handy geklingelt. Er musste rangehen,<br />

die Chefin wollte ihn sprechen. Ihre Anrufe<br />

häuften sich, hinzu kamen die ständigen SMS.<br />

Früher war Sigmar G. mal ein lei<strong>den</strong>schaftlicher<br />

Triathlet gewesen, jetzt drehte sich alles nur noch<br />

um seinen »fucking job« (G.). Als größten Fehler<br />

bezeichnet er im Nachhinein, die Freundschaftsanfrage<br />

seiner Chefin auf Facebook angenommen<br />

zu haben. Von da an war er für sie nicht nur gläsern,<br />

sondern <strong>ihr</strong> auch rund um die Uhr ausgeliefert.<br />

Einmal wurde er von <strong>ihr</strong> sogar im Schlaf<br />

angestupst. Er pupste zurück.<br />

Heute schwört Sigmar G. auf »Freizeit plus«.<br />

Er hat das Pilotprojekt in seiner Abteilung selber<br />

eingeführt und sich uneigennützig als Testperson<br />

zur Verfügung gestellt. Nach Feierabend ist er<br />

konsequent offline. Außerdem fängt die Arbeitswoche<br />

für ihn erst am Dienstag an, endet dafür<br />

aber bereits am frühen Donnerstagnachmittag.<br />

»Wir brauchen eine neue menschliche Unternehmenskultur«,<br />

erklärt G., der als gutes Beispiel<br />

voranlümmeln will. Unterstützung erfährt er aus<br />

der Wissenschaft. Arbeitssoziologen haben aus<br />

einem großangelegten Feldversuch folgende Gleichung<br />

aufgestellt: Arbeit erzeugt Unlust; mehr<br />

Arbeit erzeugt mehr Unlust; noch mehr Arbeit erzeugt<br />

noch mehr Unlust. Die Reihe ließe sich unendlich<br />

fortsetzen und gilt kulturübergreifend.<br />

Wie will die Sozialdemokratie diesen Teufelskreis<br />

durchbrechen? Zumindest <strong>den</strong> Realos unter <strong>den</strong><br />

Genossen ist klar: Freiwillig geht da gar nichts.<br />

Das Recht auf Freizeit verwirklicht sich nur über<br />

<strong>den</strong> Zwang zum Nichtstun.<br />

In seiner Abteilung, auch Bundessuperministerium<br />

genannt, hat G. ein Freizeit-Monitoring<br />

eingerichtet. Wer beim Durcharbeiten erwischt<br />

wird, erhält eine Abmahnung. Auf Überstun<strong>den</strong><br />

folgt Zwangsurlaub. Wird beim Mittagsschlaf geschummelt,<br />

hilft der Betriebsanästhesist nach.<br />

»Schlaf ist das A und O«, sagt G., »<strong>den</strong>n beim<br />

Schlafen kommen einem die besten Ideen.« Dieses<br />

Potenzial will er nach der Aufwachphase<br />

durch persönliche Interviews direkt abschöpfen.<br />

Kommt nichts dabei heraus, wird einfach die Dosis<br />

erhöht. Grundsätzlich, so sagt G., sei ihm der<br />

Siebenschläfer schon immer näher gestan<strong>den</strong> als<br />

der Powernapper.<br />

Niemand hat die Absicht,<br />

zwischen Arbeit und Freizeit<br />

eine Mauer zu errichten<br />

Wenn das Berufliche vom Privaten strenger getrennt<br />

wer<strong>den</strong> soll, kann das natürlich unvorhersehbare<br />

Folgen haben. Vor allem reife Frauen in<br />

Führungspositionen fragen sich besorgt, ob sie<br />

<strong>den</strong> Praktikanten künftig nur noch werktags vögeln<br />

dürfen. Die SPD aber beschwichtigt: Niemand habe<br />

die Absicht, zwischen Arbeit und Freizeit eine Mauer<br />

zu errichten. Ein Stacheldraht reiche fürs Erste aus.<br />

Grenzsoldat Sigmar G. legt großen Wert darauf,<br />

dass das Verabredungsverbot unter seinen Angestellten<br />

eingehalten wird. Es könne nicht sein, dass<br />

nach Feierabend ständig über Arbeit geredet würde.<br />

Außerdem treffe sich ohnehin niemand freiwillig<br />

mit Kollegen. Er habe je<strong>den</strong>falls noch nie eine Einladung<br />

erhalten, sagt er und wischt sich eine Träne<br />

von der Backe.<br />

Das Problem ist, dass die Deutschen nicht nur<br />

kaum Freizeit besitzen, sondern die wenige auch<br />

noch falsch nutzen. Im »Freizeit-Monitor 2014« gaben<br />

zwar vier Fünftel der Befragten an, in <strong>ihr</strong>er<br />

freien Zeit fernzusehen, zu saufen, saufend fernzusehen<br />

oder eine Kunstausstellung zu besuchen.<br />

Aber es bleibt eben ein beachtlicher Rest, der seine<br />

Freizeit mit Ehrenämtern oder als Mitglied einer<br />

Bürgerinitiative vergeudet, die sich für die Interessen<br />

der braunscheckigen Waldschabe oder <strong>den</strong><br />

Bau von Lärmschutzwällen rund um Kindertagesstätten<br />

einsetzt. Der größte Freizeitkiller neben der<br />

Arbeit ist und bleibt aber die Familie. Mit hirnrissigen<br />

Parolen wie »Samstags gehört Vati mir!«<br />

wurde das Anspruchs<strong>den</strong>ken innerhalb der eigenen<br />

vier Wände befeuert. Es sollte nun Aufgabe des<br />

Staates sein, nach einem anstrengen<strong>den</strong> Arbeitstag<br />

die Väter vor <strong>ihr</strong>en Kindern zu schützen. Am Feierabend<br />

gehört Vati sich selber. Basta.<br />

Manchmal kommt man<br />

nur voran, wenn man einen<br />

Schritt zurückmacht<br />

Einfach mal nichts tun – was lange Jahre als<br />

Todsünde der Leistungsgesellschaft galt, muss<br />

von <strong>den</strong>en, die noch nicht an Burn-out gestorben<br />

sind, erst wieder langsam, von Fall zu Fall auch<br />

gewaltsam, erlernt wer<strong>den</strong>. Angeblich plant die<br />

SPD, das Land flächendeckend mit Freizeitlagern<br />

zu versorgen. Die Einrichtungen sollen unterteilt<br />

wer<strong>den</strong> in hochspezialisierte Unterabteilungen,<br />

wo Jobgeplagte in Lethargiekursen oder Gähntherapien<br />

mit der Kunst des Müßiggangs vertraut<br />

gemacht wer<strong>den</strong> können. Fühlen sie sich schließlich<br />

antriebslos genug, so steht es <strong>den</strong> Absolventen<br />

frei, im Leistungsverweigerungszentrum<br />

einen Abschluss in Phlegmatik zu machen.<br />

Nicht alle sind von der Freizeitnot gleichermaßen<br />

betroffen. Die Erfahrung lehrt: Je höher Rang<br />

oder Bildungsabschluss, desto niedriger ist der<br />

Schlendrianfaktor. Sigmar G. erzählt gern von seinem<br />

Freund, dem Herzchirurgen, von dem der<br />

Arbeitgeber tatsächlich verlangt habe, alles stehen<br />

und liegen zu lassen, sobald der Alarm losgeht.<br />

»Solche ausbeuterischen Exzesse sind<br />

krass, aber kein Einzelfall«, sagt G. Der Arzt hat<br />

rechtzeitig für sich die Notbremse gezogen. Nach<br />

16 Uhr schaltet er <strong>den</strong> Piepser nun einfach ab.<br />

Außerdem lässt er sich in Abendkursen zum Landschaftsgärtner<br />

in Gleitteilzeit umschulen. Sigmar<br />

G. sieht in seinem Freund ein Vorbild für die<br />

ganze Gesellschaft, aber vor allem auch für sich<br />

persönlich. »Manchmal kommt man nur voran,<br />

wenn man einen Schritt zurückmacht«, sagt er,<br />

der immer häufiger davon träumt, all die tägliche<br />

Verantwortungslast von seinen Schultern abzuwerfen<br />

und völlig druckbefreit Bedeutungslosem<br />

nachzugehen – kurzum: endlich wieder Popminister<br />

sein zu dürfen.<br />

Florian Kech<br />

40 EULENSPIEGEL 10/14


EULENSPIEGEL 10/14 41<br />

Guido Sieber


Gattin grässlich geweint<br />

Gestern: Gurken-Günter gestorben<br />

Günter geboren, gefüttert, gekackt,<br />

gewindelt. Gewachsen, Grundschu -<br />

le gegangen. Größer gewor<strong>den</strong>, Gartenkraut<br />

geraucht, Gedärme Gewitter<br />

gehabt. Gerstensaft getrunken,<br />

gebrochen. Gymnasium geblockt,<br />

Gießer gelernt, gearbeitet.<br />

Gesellschaftlichen Gemeinschafts -<br />

gedanken größtenteils gemie<strong>den</strong>.<br />

Genossen geschimpft. Gegangen gewor<strong>den</strong>.<br />

Gärtner gemacht, Gurken<br />

ge zogen, Gärtnerin Gerda geliebt.<br />

General gerufen. Gelöbnis gemurmelt,<br />

gerobbt, Gelände geglättet,<br />

Gewehr gereinigt. Gastronomie gesichtet,<br />

Galopp gelaufen. Girls getroffen,<br />

Gonorrhö gefangen. Genitalien<br />

geheilt, Gefreiter gewor<strong>den</strong>.<br />

Grundwehrdienst geendet. Gärtne -<br />

rei gearbeitet, Gerda geheiratet, G-<br />

Punkt getroffen, Gynäkologe: Gebärmutter<br />

gefüllt! Gunnar geboren.<br />

Gesamtsituation gemeiner ge wor -<br />

<strong>den</strong>. Gassen gegangen, Generalsekretär<br />

geschimpft. Gruppe groß, größer,<br />

gigantisch groß gewor<strong>den</strong>. Gewonnen!<br />

Gesamtsituation gedreht.<br />

Gärtnerei gekündigt, Gemüsehandel<br />

gegründet. Großspurige Gütersloher<br />

Germanen Gerhard, Gernot,<br />

Gerald gekommen. Gesagt: Gemüse<br />

Goldgrube! Gläubig gewesen,<br />

Geschäftspartner gewor<strong>den</strong>. Geistesgegenwärtig<br />

gemerkt: Gütersloher<br />

Gebrüder Ganoven! Geld gezogen,<br />

Geier gen Gemüsehandel gekreist.<br />

Gericht Ganoven geächtet.<br />

Glück gehabt, Geschäft gerettet.<br />

Gerackert, Gewinn gemacht, Großhandel<br />

gewor<strong>den</strong>.<br />

Gut gelebt, Gewicht gesteigert.<br />

Gunnar größer gewor<strong>den</strong>, Gymnasium<br />

gegangen, Großhandelskaufmann<br />

gemacht. Gunnar Geschäft gegeben.<br />

Gunnar Grit geheiratet, Ge -<br />

org geboren. Günter Großvater gewor<strong>den</strong>,<br />

Großmutter Gerda genommen,<br />

Globus gereist. Gardasee gebadet,<br />

Ganges geschwommen, Grenada<br />

gelandet, Guangzhou, Genua,<br />

Gibraltar …<br />

Geschäftigkeit geringer wor<strong>den</strong>,<br />

Gunnar Günter Geld gefragt. Gestritten.<br />

Günter Gedanke gekommen:<br />

Grabstelle gesichert, Ge<strong>den</strong>kstein<br />

gefertigt. Gigantische Gurke gemeißelt:<br />

Geld gekostet. Geprasst, gezockt,<br />

gepokert. Geländewagen geleistet,<br />

gewaltig Gas gegeben. Grünstreifen<br />

gelenkt, Gurkenfeld gelandet.<br />

Geländewagen geschrottet.<br />

Gün ters Gesäß Grundeis gegangen.<br />

Gurke Gebiss genommen, großes<br />

Gurkenstück Gurgel geklemmt. Günter<br />

Gras gebissen.<br />

Gattin grässlich geweint. Gunnar,<br />

Grit geschockt. Gedacht: Geerbt.<br />

Geldhaus gesagt: Günters Gut -<br />

haben geringfügig! Gesichter Gurken<br />

gewor<strong>den</strong>. Günter gen Grab getragen,<br />

Günters Geist gedacht: Gut<br />

gelebt, geil!<br />

Grabgemeinde Gourmetplan geändert:<br />

Gänsebraten gestrichen.<br />

Gurkensalat gereicht. Günters Geist<br />

gelächelt, Gurkengesichter genossen<br />

…<br />

Frank B. Klinger<br />

Alexander Schilz (2)<br />

Fremde Welt<br />

Fahre Zug von Dres<strong>den</strong> nach Riesa.<br />

Mir gegenüber zwei Frauen mit<br />

Kleinkind, die einander auf zulässige<br />

Weise liebkosen.<br />

In Weinböhla steht ein Inder in buntem<br />

Sherwani und violettem Turban<br />

auf dem Bahnsteig und trinkt Dosenbier.<br />

Neben mir im Waggon telefoniert<br />

ein Mann in astreinem arabischen<br />

Dialekt, streut aber immer mal<br />

»Scheiße!« ein. Die Zugbegleiterin<br />

verlangt <strong>den</strong> Fahrschein mit polnischem<br />

Akzent. Schräg gegenüber erklärt<br />

ein sehr dunkelhäutiger Mensch<br />

mit klein gekräuselten, schwarzen<br />

Haaren seiner schwe<strong>den</strong>blon<strong>den</strong> Begleiterin<br />

im handfesten Dresdner<br />

Singsang, dass er mit <strong>ihr</strong> zusammen<br />

zu seiner Mutter Erika ziehen<br />

möchte, nach Radebeul.<br />

Ein Getränkewagen quietscht heran<br />

und wird von einem mit »Herr Maradoni«<br />

beschrifteten Mann durch <strong>den</strong><br />

Gang geschoben. Ein Rad des Wagens<br />

verfängt sich in einer auf dem<br />

Bo<strong>den</strong> liegen<strong>den</strong> Nesawissimaja Gaseta.<br />

Eine kleine Asiatin (sind sie<br />

nicht immer klein?) fragt mich, ob<br />

der Wagen eine Toilette hat. Ich<br />

reiße <strong>den</strong> Briefumschlag auf, <strong>den</strong> ich<br />

heute Morgen aus dem Kasten gezogen<br />

habe. Mir wird von Herrn Dincer<br />

Gücyeter, dem Chef eines Kölner Lyrikverlages,<br />

bestätigt, dass er beabsichtige,<br />

Werke von mir zu veröffentlichen.<br />

In Deutsch! In Coswig<br />

kommt mir alles spanisch vor bei der<br />

kleinen, gemischten Gruppe, die –<br />

warum auch immer – in Coswig war.<br />

Ich muss wohl etwas zu lange auf eine<br />

der iberischen Schönheiten geblickt<br />

haben, <strong>den</strong>n meine neben mir sitzende<br />

Freundin spricht, wie immer,<br />

wenn sie sich über mich ärgert, tschechisch<br />

auf mich ein (und ich verstehe<br />

nur Bahnhof).<br />

Wenn jetzt der Lucke hier wäre ...!<br />

Henning H. Wenzel<br />

Anzeigen<br />

Mensch Meier,<br />

ick wollt` doch nur ne klene<br />

Bieje fahrn!<br />

42 EULENSPIEGEL 10/14


Der schlechte Witz<br />

»Wie war die Stimmung<br />

in der DDR?«<br />

»Hielt sich in Grenzen.«<br />

Selbst<br />

die Unsterblichen<br />

kann man<br />

tödlich<br />

beleidigen!<br />

Wolfgang Mocker<br />

Ausgebufft<br />

»Nun sind Sie schon so alt und<br />

fallen immer wieder auf sich selbst<br />

herein!«, sagte mein Psychologe<br />

bekümmert. Was soll ich machen?<br />

Je älter und erfahrener ich werde,<br />

desto ausgebuffter meine Tricks.<br />

Guido Pauly<br />

Tacitus sagt<br />

Sie verursachen<br />

Verzweiflung<br />

und nennen es<br />

Frie<strong>den</strong>.<br />

Total verkabelt<br />

Ich weiß nicht, was mit mir los ist phy <strong>den</strong> Opferstock ausrauben und<br />

– obwohl ich inzwischen Abend für schloss sich in der Pentecostal oder<br />

Abend bis zu fünf Spielfilme sehe, Chuckatanee Church ein, die samt<br />

kapiere ich die einfachsten Handlungen<br />

nicht. Und dabei bin ich auf <strong>den</strong> Plan rief. Der musste aber<br />

Inhalt abbrannte, was <strong>den</strong> Sheriff<br />

doch, nicht zuletzt dank der bequemen<br />

Fernbedienung, ein versierter wieso zu spät gekommen, weil er<br />

erst das Pferd tanken und wäre so-<br />

Diagonal-Zuschauer.<br />

gerade bei der Beerdigung seiner<br />

Gestern Abend zum Beispiel woll - Negeramme in Shuttlefield, Geor gia,<br />

te ich mir einmal ganz ruhig und war. Governor Mor gan sprach sich<br />

konzentriert einen Film mit Anthony im Wahlkampf für die Todesstrafe<br />

Peck oder Joan Austen ansehen (allerdings nur für Farbige) aus, weil<br />

oder wie diese Typen heißen. Der der Ku-Klux-Klan ihm drohte, sein<br />

Film hieß, glaube ich – na, ist ja Pferd zu vergiften, das Thunderbird<br />

auch egal! Ich habe je<strong>den</strong>falls auf hieß und ziemlich teuer war, und<br />

<strong>den</strong> Bildschirm gesehen und – ziemlich<br />

fassungslos – versucht, mir klar-<br />

<strong>den</strong> ausdrücklichen Wunsch <strong>ihr</strong>er<br />

seine Tochter Daisy schien gegen<br />

zumachen, was da eigentlich los Erbtante Helen etwas Schlimmes<br />

war: Jemand kam ins Zimmer oder mit Gregory Perkins anfangen zu<br />

auf die Veranda, um seiner Mutter wollen. Zum Schluss musste das<br />

oder <strong>ihr</strong>em Vater mitzuteilen, dass Pferd erschossen wer<strong>den</strong>, und die<br />

Richard oder Mildred sie oder ihn Kinder weinten und wollten <strong>den</strong><br />

wegeneines gewissen Robertson beziehungsweise<br />

wegen dessen Schul - Nun frage ich mich, für was oder<br />

Truthahn nicht essen.<br />

freundin verlassen wolle, und mein - wen soll das gut sein? Da kann ich<br />

te, Grandma oder Grandpa oder Reverend<br />

Silverstone von der Baptist Waschmaschine setzen. Die hat<br />

mich doch genauso gut vor die<br />

oder Pentecostal Church könne sich schließlich auch fünf Programme,<br />

ja wohl vorstellen, wie das auf die und wenn man Buntwäsche hat,<br />

Kinder wirke. Außerdem sei das zeigt sie sogar Farbfilme.<br />

Pferd krank. Dann wollte Fred Mur -<br />

Theodor Weiß enborn<br />

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egonforever.de<br />

Fahrschulmädchenreport<br />

In letzter Zeit, können schon so zwei<br />

drei Jahre sein, sind immer mehr<br />

MILFS (Mama, ich liebe deinen Fahrstil)<br />

mitsamt <strong>ihr</strong>en 17-jährigen Rotzlöffeln<br />

unterwegs und erwarten im<br />

Auto <strong>den</strong> 18. Geburtstags der selbstgezogenen<br />

Gören. Manch eine der<br />

Damen hält sich dabei aber nicht an<br />

die Regeln der Straßenverkehrsordnung,<br />

als da wären Nacktfahrverbot<br />

und und und. Wir meinen, das sind<br />

schockierende Zustände, die an <strong>den</strong><br />

Pranger gestellt gehören, aber dafür<br />

ist es jetzt eh zu spät, <strong>den</strong>n ein Großteil<br />

dieser Brut müsste wohl hoffentlich<br />

schon lange, lange brustentwöhnt<br />

sein!<br />

Alexander Schilz<br />

Minima Culinaria<br />

Seit meine Freundin Philosophie studiert,<br />

ist unsere Beziehung entspannter.<br />

Ein blumiger Duktus weht durch<br />

unseren gemeinsamen Haushalt, irgendwas<br />

zwischen Habermas und<br />

Körnerfraß, Sloterdijk und Blätterteig,<br />

Bloch und Loch. Wurde sie früher<br />

schon mal persönlich, ja verletzend,<br />

wenn ich mit dem Tablett aus<br />

der Küche kam, so bleibt heute »die<br />

Kochkunst hinter <strong>ihr</strong>en Möglichkeiten<br />

zurück – aber nicht deinen!«.<br />

Fabian Lichter<br />

Anzeigen<br />

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Dircksenstr. 48 Am Hackeschen Markt Mo-Fr 10-20 Sa 10-17<br />

Oranienstr. 32 Kreuzberg Mo-Mi 10-18.30 Do-Fr 10-20 Sa 10-16<br />

EULENSPIEGEL 10/14 43


Kino<br />

Mr. May und das<br />

Flüstern der Ewigkeit<br />

ist das Meisterstück des Autor-Regisseurs<br />

Uberto Pasolini. Nach dem Hinschei<strong>den</strong><br />

seines lediglich Seelenverwandten<br />

Pier Paolo Pasolini und dem<br />

seines echten Onkels Luchino Visconti<br />

schwante dem gebürtigen Römer,<br />

dass es mit der ruhmreichen italienischen<br />

Kinematographie schon bald<br />

bergab gehen könnte. Deshalb übersiedelte<br />

er nach England und erlernte<br />

das Filmhandwerk von der Pike auf.<br />

Den ersten Welterfolg erzielte er 1997<br />

als Produzent der proletari schen Striptease-Komödie<br />

Ganz oder gar nicht.<br />

Auch seine erste Regiearbeit, die hochpolitische<br />

Sport-Satire Machan – Spiel<br />

der Träume, fand in aller Welt Anerkennung.<br />

Nur hierzulande nicht.<br />

Auf die Idee zu Mr. May und das Flüstern<br />

der Ewigkeit kam Uberto Pasolini<br />

beim Lesen des Zeitungsinterviews mit<br />

einem dieser Londoner Funeral Officers.<br />

Sechs Monate lang begleitete<br />

er etwa 30 von ihnen und resümierte<br />

ernüchtert: »Die Art und Weise, wie<br />

wir mit <strong>den</strong> Toten umgehen, reflektiert<br />

<strong>den</strong> Umgang unserer Gesellschaft mit<br />

<strong>den</strong> Leben<strong>den</strong>.« Denn wo man es vom<br />

Lebendigen nimmt, können arme<br />

Schlucker nicht länger teure Tote sein.<br />

Mr. May wird also zugunsten eines gewöhnlichen<br />

Ascheentsorgers gekün-<br />

Menschenge<strong>den</strong>ken gibt es in digt, darf aber seinen letzten Fall noch<br />

allen Londoner Stadtbezirken <strong>den</strong> abschließen. Und schafft, was keinem<br />

sogenannten Funeral Officer. Der Funeral Officer vor ihm gelang: eine<br />

AnzeigenSeit<br />

bringt Verstorbene, die weder Bares Familienzusammenführung am offe -<br />

noch zahlungsfähige Angehörige hinterlassen<br />

haben, auf Staatskosten un-<br />

Die anspruchsvolle Titelrolle konn -<br />

nen Grab.<br />

ter <strong>den</strong> grünen Rasen. Einer dieser Armenbestatter<br />

ist John May, ein ver-<br />

und heiter-gelassen spielen: Eddie<br />

te nur einer so einfühlsam, sensibel<br />

schlossener, eigenbrötlerischer Mittvierziger,<br />

allein lebend im nichtsoziative<br />

englische Mime ist aufmerksamen<br />

Marsan. Der kleine, nicht eben attraklistischen,<br />

<strong>den</strong>noch real existieren <strong>den</strong> Zuschauern als großartiger Nebendarsteller,<br />

beispielsweise in Mike Leighs<br />

Plattenbau, und irgendwann vermutlich<br />

selbst ein Fall für <strong>den</strong> Funeral Officer.<br />

Von diesem Kollegen in spe er-<br />

Go Lucky, in bester Erinnerung. Dass<br />

Sozialdramen Vera Drake und Happy<br />

hofft sich Mr. May die gleiche respektvolle<br />

Aufmerksamkeit, die er seinen voriten Marsan gegen <strong>den</strong> Protest der<br />

Regisseur Uberto Pasolini seinen Fa-<br />

Klienten entgegenbringt, wenn er zum Star-fixierten Finanziers durchsetzte,<br />

Beispiel in <strong>ihr</strong>en oft verwahrlosten Behausungen<br />

nach Lebens-Zeichen für die, die es nicht verdienten.<br />

zahlte sich am Ende für alle aus. Selbst<br />

sucht. Fotos, Briefe, Postkarten, sogar<br />

★<br />

ein kaum benutzter Lippenstift kön - Die Jüdin Nelly Lenz (Nina Hoss) hat<br />

nen zur Kenntlichmachung eines gewesenen<br />

Menschen beitragen. Darauf sie für tot hielten. An der Schuss -<br />

Auschwitz überlebt, weil <strong>ihr</strong>e Peiniger<br />

basiert dann Mr. Mays individuelle wunde, die <strong>ihr</strong> Nasen- und Joch bein<br />

Trauerrede, die vom jeweils zuständigen<br />

Religionsvertreter bei der Beerdi-<br />

Familiensachen<br />

gungszeremonie verlesen wird. Und<br />

zwar immer vor einem einzigen Trauergast:<br />

John May.<br />

hätte man sie nicht rechtzeitig gefun-<br />

zerfetzte, wäre sie auch gestorben,<br />

Die tiefberührende, auf sieben internationalen<br />

Festivals preisgekrönte Kunzendorf), inzwischen Mitarbeiterin<br />

<strong>den</strong>. Ihre Jugendfreundin Lene (Nina<br />

Tragikomödie<br />

der Jewish Agency, vermittelt sie an<br />

einen sogenannten plastischen Chirurgen,<br />

der vorlagengetreue Ebenbilder<br />

erschaffen kann. Aber Nelly will nicht<br />

aussehen wie eine andere. Sie will <strong>ihr</strong><br />

altes Gesicht zurückhaben und in <strong>ihr</strong><br />

altes Leben zurückkehren. In das sorglose,<br />

glückliche Leben mit Johnny (Ronald<br />

Zehrfeld), <strong>ihr</strong>em über alles geliebten<br />

Mann, der sie am Klavier be glei -<br />

tete, wenn sie, die gefeierte Diseuse,<br />

das melancholische Kurt-Weill-Lied<br />

Speak Low sang. Jede Nacht durchstreift<br />

Nelly Berlins Trümmerland -<br />

Amma & Appa<br />

schaft auf der Suche nach Johannes<br />

Lenz. Der arbeitet in dem halbzerfallenen<br />

Amüsierlokal<br />

Phoenix<br />

als schlechtbezahltes Mädchen für alles.<br />

Nelly spricht ihn mit seinem längst<br />

abgelegten Kosenamen Johnny an, er<br />

erschrickt und – erkennt sie nicht. Vielleicht,<br />

weil <strong>ihr</strong> Gesicht noch von Pflastern<br />

und Operationsnarben entstellt<br />

ist. Vielleicht aber auch, weil es ihm<br />

sein Unterbewusstsein verbietet.<br />

Schließlich hat er sie an die Nazis verraten,<br />

hat im Tausch gegen sein Leben<br />

<strong>ihr</strong>en Tod riskiert. Wer wollte darüber<br />

richten.<br />

Doch nach diesem erregen<strong>den</strong> Einstieg<br />

verließ Regisseur Christian Petzold<br />

<strong>den</strong> Bo<strong>den</strong> nachvollziehbarer Tatsachen<br />

und konstruierte einen absolut<br />

hanebüchenen Plot. Johnny Lenz weigert<br />

sich nämlich auch in <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong><br />

Wochen, die mittlerweile bei ihm<br />

einwohnende Frau – trotz i<strong>den</strong>tischer<br />

Augenfarbe, Schuhgröße und sogar<br />

Handschrift – als die seinige zu akzeptieren.<br />

Stattdessen macht er <strong>ihr</strong> ein<br />

höchst unmorali sches Angebot: Sie<br />

soll diese Nelly nur überzeugend genug<br />

spielen, um als einzige Erbin an<br />

das in der Schweiz gebunkerte Millionenvermögen<br />

<strong>ihr</strong>er ermordeten Familie<br />

zu gelangen. Das werde dann auch<br />

nicht <strong>ihr</strong> Scha<strong>den</strong> sein.<br />

Natürlich wollte Christian Petzold<br />

mit der Figur des Johnny jenen Typus<br />

des Mitläufers und Verräters charakterisieren,<br />

der im Nachkriegs-(West-)<br />

Deutschland nicht fürchten musste,<br />

zur Verantwortung gezogen zu wer -<br />

<strong>den</strong>, sondern die Chance nutzte, aus<br />

der verlorenen Schlacht wenigstens<br />

persönliches Kapital zu schlagen. Dass<br />

aber eine kluge, kultivierte, durch alle<br />

Höllen gegangene Frau wie Nelly einem<br />

solchen Lumpen in hündischer<br />

Hörigkeit ergeben bleibt, das vermag<br />

nicht einmal die große Nina Hoss zu<br />

spielen.<br />

★<br />

Die stramme Franzi aus München und<br />

der spacke Tamile Jay aus Südindien<br />

wollen heiraten. Mama Christine und<br />

Papa Albert haben zwar weißblaue Be<strong>den</strong>ken<br />

wegen der Hautfarbe des Erwählten,<br />

wissen aber, dass <strong>ihr</strong>e emanzipierte<br />

Tochter Entscheidungen auch<br />

ohne elterlichen Segen trifft. Den jedoch<br />

erbittet Jay, noch dazu vor laufender<br />

Kamera, von<br />

Die blasen der um <strong>ihr</strong>e Gunst buhlen<strong>den</strong><br />

Dokfilmstu<strong>den</strong>tin Franziska Schönenberger<br />

sowie <strong>ihr</strong>em eigenen Sohn,<br />

dem Kunststu<strong>den</strong>ten Jayakrish nan<br />

Subramanian, einen spe ziell tamilischen<br />

Hochzeits marsch. Erstens wer -<br />

de jeder, der sich mit Weißen einlasse,<br />

schon nach dem ersten Schluck zum<br />

unrettbaren Alkoholiker. Zweitens<br />

habe sich Jay durch die Verweigerung<br />

einer arrangierten Heirat der Verpflichtung<br />

entzogen, bei <strong>den</strong> Eltern zu wohnen<br />

und sie immerdar zu ernähren<br />

und zu pflegen. Ammas Philippika gipfelt<br />

in dem Satz: »Als du dich für eine<br />

Liebesheirat entschie<strong>den</strong> hast, haben<br />

wir alles verloren.« Dieser Mutterfluch<br />

veranlasst Franzi, <strong>den</strong> Standesamtstermin<br />

zu canceln und mit Jay auf die<br />

Wiesn zu gehen. Falls sie dort ausreichen<strong>den</strong><br />

Rachedurst verspürt, könnte<br />

sie <strong>ihr</strong>en Ex zu einer Maß Bier einla<strong>den</strong>.<br />

Renate Holland-Moritz<br />

44 EULENSPIEGEL 10/14


Psychologie<br />

Gerhard Glück<br />

EULENSPIEGEL 10/14 45


Nationalfeiertag 3. Oktober<br />

Michael Holtschulte<br />

Nel<br />

Peter Muzeniek<br />

Mario Lars<br />

46 EULENSPIEGEL 10/14


– Tag der offenen Moschee<br />

Petra Kaster<br />

Andreas Prüstel<br />

EULENSPIEGEL 10/14 47


Arten vielfalt<br />

Das Rehabilitand<br />

Das Rehabilitand (weibl.: Rehabilitante, männl.:<br />

Rehabilionkel, schwul.: Rehabilitunte) entsteht<br />

aus einer Paarung von Mensch und Pech. Der<br />

Mensch ist schon früher aus einer Paarung von<br />

Menschen oder einem medizinischen Eingriff entstan<strong>den</strong>.<br />

Das Pech ist später einfach so über<br />

<strong>den</strong> entstan<strong>den</strong>en Menschen gekom men, wie<br />

eine Krankheit, das Wetter oder die Wende. An<br />

diesem Pech hat der Mensch so sehr zu knab -<br />

bern, dass er dem Verwertungsprozess des Kapitals<br />

oder der Arbeitsvermittlung nicht mehr in<br />

von diesen gewünschtem Umfang zur Verfügung<br />

stehen kann.<br />

In diesem Fall kann er einen Kostenträger bitten,<br />

ihn zu einem Leistungserbringer zu schicken,<br />

der ihn so weit runderneuert, dass er wieder<br />

durch <strong>den</strong> Lebens-TÜV kommt. Und sei es nur<br />

noch für dieses eine Mal.<br />

Mit Antritt der Reha-Maßnahme wird der<br />

Mensch zum Rehabilitan<strong>den</strong>, womit hier nicht<br />

jene verhuschten Gestalten gemeint sind, die<br />

mit Gruselgeschichten über <strong>ihr</strong> Leben in der Diktatur<br />

ein paar Euro Rente ergattern wollen, sondern<br />

einfach der irgendwie ein bisschen lebensuntüchtig<br />

gewor<strong>den</strong>e Teil der modernen freiheitlich-demokratischen<br />

Marktordnung.<br />

In seiner kasernierten Variante unterliegt das<br />

Rehabilitand einer nächtlichen Ausgangssperre,<br />

einer Gemeinschaftsverpflegung und einer regelmäßigen<br />

Kontrolle von Körpergewicht und Blutdruck.<br />

Der Zweck der Rehabilitation besteht darin,<br />

aus dem körperlichen und/oder seelischen Trümmerhaufen,<br />

<strong>den</strong> der Rehabilitand zu Beginn der<br />

Maßnahme darstellt, wieder ein nützliches Mitglied<br />

der Gesellschaft zu machen, das sich freudig<br />

ausbeuten lässt und der öffentlichen Hand nicht<br />

auf der Tasche liegt, sondern in diese einzahlt.<br />

Die Rehabilitation findet zumeist in Kliniken<br />

statt, die an auf spartanisches Niveau getrimmte<br />

Mittelklassehotels oder sogenannte Hostels erinnern.<br />

Sie wer<strong>den</strong> von diversen Rentenversicherungen<br />

oder anderen Kassen finanziert. Die<br />

wollen auf diese Weise der Zahlung massen -<br />

hafter, wenn auch mickriger Erwerbsunfähigkeitsrenten<br />

vorbeugen. Im Kern geht es also in der<br />

Reha um die Auseinandersetzung zwischen Leistungsverweigerern,<br />

die sich eine Leistung erschleichen,<br />

und Leistungserbringern, die im Auftrage<br />

von Kostenträgern helfen wollen, eine Leistung<br />

zu verweigern.<br />

So unterschiedlich auch immer der Kampf im<br />

Einzelnen abläuft, es sind doch ein paar Konstanten<br />

zu beobachten: Trotz <strong>ihr</strong>es moribun<strong>den</strong><br />

Zustandes explodiert bei <strong>den</strong> meisten Rehabilitan<strong>den</strong><br />

mit dem Eintreffen in der Klinik die Paarungsbereitschaft,<br />

ja, bei <strong>den</strong> männlichen Exemplaren<br />

dieser Art zeigen sich sogar Spontan -<br />

erektionen. Als zweites entwickeln sie ein unglaubliches<br />

Geschick in der Beschaffung und im<br />

Schmug gel von Alkoholika. Auf diese Weise wer<strong>den</strong><br />

Schnäpse (lassen sich leichter in die Klinik<br />

bringen als Bier) zu einem festen Teil der Rehabilitation.<br />

Abends kommt manchmal ein Autor<br />

vom EULENSPIEGEL und liest lustige Geschichten<br />

vor oder es ist Tango-Kurs. Im Verlauf der Reha<br />

verbessert sich zwar die Arbeitsfähigkeit, es sinkt<br />

aber gleichzeitig die Arbeitslust, weil man ja nun<br />

das schöne, aktiv-müßige Leben auf Kosten<br />

eines Kostenträgers erst so richtig kennen ge -<br />

lernt hat.<br />

Ob sich am Schluss das Lei<strong>den</strong> gebessert hat,<br />

kann man erst bei der nächsten Krankschreibung<br />

sagen. Und ob sich die Lebenserwartung wenigstens<br />

um die wenigen Wochen, die man in der<br />

Klinik gefangen war, erhöht hat, wird man erst<br />

auf dem Sterbebett resümieren können.<br />

Fazit: Ja, gern wieder!<br />

Ove Lieh<br />

Anzeige


Lebens hilfe<br />

EULENSPIEGEL 10/14 49<br />

www.martin-zak.de


Rauchen kann dämlich sein<br />

Nach einer neuen EU-Verordnung wer<strong>den</strong><br />

alle Zigarettenverkäufer verpflichtet, ab -<br />

schreckend auszusehen.<br />

Ausgenommen von dieser Verordnung<br />

sind allerdings Indianer. Sie benutzen <strong>ihr</strong>e<br />

Zigaretten zur Verständigung mit Rauchzeichen.<br />

Aus diesem Grunde wer<strong>den</strong> sie<br />

weiterhin von jungen hübschen Zigarettenverkäuferinnen<br />

mit <strong>den</strong> Glimmstängeln<br />

versorgt.<br />

Und außerdem: Rauchen kann Ihre<br />

Zigarette verkürzen!<br />

lo<br />

Eine<br />

Frage der<br />

Perspektive<br />

Jedes Jahr dasselbe<br />

Elend. Sobald die Tage<br />

wieder kürzer wer<strong>den</strong>,<br />

geht das große Gemaule<br />

los: Im Oktober ist es so<br />

kalt, wird gejammert,<br />

ständig kommen neue<br />

Tiefdruckgebiete, es<br />

stürmt in einem fort, die<br />

Blätter fallen noch<br />

schneller von <strong>den</strong> Bäumen<br />

als die Aktienkurse<br />

in <strong>den</strong> Keller, und der<br />

Regen rieselt genauso<br />

heftig wie der Kalk bei<br />

Horst Seehofer.<br />

Dabei muss man die<br />

Sache gar nicht so pessimistisch<br />

sehen – nur<br />

mal aus einem anderen<br />

Blickwinkel!<br />

Dann stellt sich nämlich<br />

ganz schnell heraus:<br />

Auch der Herbst hat<br />

seine schönen Seiten!<br />

ru/ke<br />

Die Blatt-Wende<br />

Seit die kleinen grünen Blattwender<br />

als »Beamten-Lustfinger«<br />

angeboten wer<strong>den</strong>,<br />

laufen sie wie geschmiert!<br />

kriki<br />

Bauernregel<br />

lo<br />

Niest der Bauer im Oktober,<br />

hat er keinen Strickpullober.<br />

Fette Beute!<br />

Der frühe Beuys »Fettbemme«<br />

brachte jetzt bei<br />

eBay 10 € ! Kaum zu glauben,<br />

wenn man sich klarmacht,<br />

dass damals eine<br />

Fettbemme noch für ein<br />

Butterbrot zu haben war.<br />

Außerdem wird im Kunstbetrieb<br />

gemunkelt, dass<br />

das Kunstwerk von Beuys’<br />

Mutter geschaffen wurde<br />

und ursprünglich »Pausenbrot«<br />

hieß!<br />

kriki<br />

ACHTUNG DREIECK!<br />

So weit ist es<br />

gekommen:<br />

Jetzt wer<strong>den</strong><br />

schon Warndreiecke<br />

angeboten,<br />

die<br />

vor dem Euro<br />

warnen. Na,<br />

Hauptsache,<br />

man kann die<br />

Euro-Warndreiecke<br />

noch<br />

in Euro bezahlen!<br />

Kriki


Futter bei die Büsche!<br />

Es wird nun wieder<br />

langsam verloren haben,<br />

tiven Futtererwerb<br />

Herbst, und unsere<br />

sommergrü-<br />

Fütterung durch<br />

sind sie auf die<br />

nen Abfallbehälter <strong>den</strong> Menschen angewiesen.<br />

legen <strong>ihr</strong> rotbraunes<br />

Herbstkleid Der Senator für Inneres<br />

bittet<br />

an. Da unsere domestizierten<br />

Müllkörbe<br />

im Laufe in <strong>den</strong> kalten Win-<br />

darum, besonders<br />

der Evolution die termonaten unsere<br />

verschneiten<br />

Fähigkeit zum ak-<br />

Parks aufzusuchen<br />

und <strong>den</strong> leeren<br />

Abfallkörben<br />

etwas zuzustecken!<br />

kriki<br />

MENSCH<br />

& NATUR<br />

von Hellmuth Njuhten<br />

wt<br />

Unterhaltung für alle<br />

Hundeleben: Jetzt streicht die Regierung nach <strong>den</strong> Feiertagen auch<br />

noch die Hundstage auf einen zusammen!<br />

kriki<br />

Top secret!<br />

Einmal die Woche trafen sich<br />

das Rätsel, das Geheimnis<br />

und die Kopfnuss in dem kleinen<br />

Kabinett hinter der Tapetentür<br />

und brachten sich unter<br />

dem Siegel der Verschwiegenheit<br />

auf <strong>den</strong> letzten<br />

Stand. Das Rätsel berichtete<br />

über ein aktuelles unerklärliches<br />

Phänomen, das<br />

Geheimnis steuerte ein Arkanum<br />

bei, und die Kopfnuss<br />

brachte einen Haufen Denksportaufgaben<br />

mit, vor allem<br />

Sudokus, Schachprobleme,<br />

Drudel und jede Menge Whodunnit-Krimis.<br />

Stets am nächsten<br />

Tag kamen sie im Irrgarten,<br />

wenn das Wetter schön<br />

war, oder im Kellerlabyrinth,<br />

wenn es regnete, mit der Lösung,<br />

dem Schlüssel und<br />

der Erklärung zusammen, bis<br />

alle Klarheiten beseitigt waren.<br />

Was sie <strong>den</strong> Rest der Woche<br />

taten, ist selbstverständlich<br />

top secret. pk<br />

Manchmal kann man sich blöde suchen ...<br />

Dank des neuen Flügels<br />

der Firma Brechstein fällt<br />

das Einprägen von Liedtexten<br />

jetzt viel leichter!<br />

ub / ss<br />

lo<br />

Funzel-<br />

RÄTSEL<br />

Bei allem Verständnis –<br />

mit seiner Liebe zu<br />

<strong>den</strong> FUNZEL-Mädels<br />

übers Ziel hinaus!<br />

ru<br />

Mit <strong>ihr</strong>em Gesellschaftsspiel »Staatsbegräbnis«<br />

ist <strong>den</strong> Politikern vieler Länder<br />

ein Überaschungshit gelungen. ub/ ss<br />

Informationsflut: Hier sehen wir einen arglosen<br />

Berliner Fahrradfahrer, kurz bevor er<br />

von der Informationswucht eines Laternenpfahls<br />

umgerissen wird. Wegen ge häufter<br />

Unfälle solcher Art berät nun der Berliner<br />

Senat über die Wiedereinführung einer kostenlosen<br />

Tageszeitung.<br />

fb<br />

ru<br />

IMPRESSUM:<br />

Viele Köche verderben <strong>den</strong> Brei,<br />

aber schon ein <strong>Eulenspiegel</strong><br />

verdirbt <strong>den</strong> ganzen Tag,<br />

wissen die FUNZEL-Mitarbeiter<br />

Utz Bamberg, Frauke Banz,<br />

Lo Blickensdorf, Klaus Ender,<br />

Peter Köhler, Kriki, Siegfried<br />

Steinach, Wolfgang Triebel und<br />

Reinhard Ulbrich.


neu bei con anima<br />

con anima<br />

Tel. 0211-4220667<br />

erhältlich unter www.conanima.de<br />

und im Buch- und Tonträgerhandel<br />

www.Kabarett-shop.de<br />

DVD Volker Pispers:<br />

„... bis neulich 2014“<br />

ISBN 978-3-944304-06-9<br />

auch als CD erhältlich:<br />

2 CD-Set Volker Pispers:<br />

„... bis neulich 2014“<br />

ISBN 978-3-944304-05-2<br />

Die FDP ist weg – die Finanzkrise noch da. Die Festung Europa wird<br />

gebaut, und die AFD hätte gerne die Bauleitung. Die kapitalgedeckte<br />

Altersvorsorge wird für <strong>den</strong> Normalverdiener zur Armutsfalle, da helfen nur<br />

neue Feindbilder, um die demokratisch Verarschten bei der Stange zu<br />

halten, an der man sie tanzen lässt. Wer die Medien beherrscht, hat die<br />

Herrschaft in der Mediendemokratie. Die Probleme sind nicht neu, haben<br />

sich aber ebenso weiterentwickelt wie das Programm.<br />

Taschenbuch Volker Pispers:<br />

„RadioAktiv“<br />

ISBN 978-3-944304-03-8<br />

Das Taschenbuch enthält Manuskripte von 227 Hörfunk glossen,<br />

die Volker Pispers zwischen Herbst 2001 und Herbst 2013 für das<br />

Vormittagsprogramm von WDR 2 produziert hat – eine chronologisch<br />

geordnete Zeitreise durch ein Jahrzehnt, in dem unglaublich viel passiert<br />

ist, ohne dass sich grundsätzlich etwas zum Besseren gewendet hätte.<br />

Anzeigen · Veranstaltungen<br />

52 EULENSPIEGEL 10/14<br />

Erspart uns eure<br />

Zukunft<br />

mit Marion Bach<br />

und Hans-Günther<br />

Pölitz<br />

NEU<br />

Über Kimme und Zorn<br />

von und mit<br />

Lothar Bölck und<br />

Hans-Günther<br />

Pölitz<br />

Ausgebucht für<br />

eine Macht<br />

mit Marion Bach<br />

und Heike Ronniger<br />

Klavier: Oliver Vogt /<br />

Christoph Deckbar<br />

talk „Mann erfährt was“<br />

Jens Bullerjahn zu Gast bei Andreas Mann<br />

26. Oktober, 17 Uhr<br />

GASTSPIEL<br />

Martin Buchholz<br />

„Ich geb’s ja zu !“<br />

18. Okt, 15 und 20 Uhr<br />

Der Spielplan: www.zwickmuehle.de<br />

Magdeburger Zwickmühle<br />

Leiterstraße 2a, 39104 Magdeburg<br />

Telefon: (03 91) 5 41 44 26<br />

An der Markthalle 1-3<br />

09111 Chemnitz


Gol<strong>den</strong>er Löwe<br />

Kulturbühne Wandlitz<br />

Anzeigen · Veranstaltungen<br />

TICKETLINE: (030) 5 42 70 91<br />

Fr<br />

3.10.<br />

20.00<br />

FU:XX<br />

„The Sounds of 007“<br />

20 exklusiv arrangierte Songs<br />

aus 50 Jahren James Bond<br />

Samstag, 18. Oktober 2014, 20.00 Uhr<br />

Kulturbühne „Gol<strong>den</strong>er Löwe“<br />

Breitscheidstraße 18<br />

16348 Wandlitz<br />

D-KADENZ<br />

Das 10. politisch-satirische Programm der Hengstmann Brüder<br />

Wir leben in einem Land mit <strong>den</strong> höchsten<br />

wirtschaftlichen, sozialen und technischen<br />

Standards! Hurra!! Nicht nur im europäischen-,<br />

sondern auch im internationalen Vergleich!!!<br />

Klasse!!!! Wir leben im Aufschwung!!!!!! Prima!!!!!! Es<br />

wur<strong>den</strong> bisher in diesem Text 22<br />

Ausrufungszeichen verwendet – Wahnsinn! Jetzt<br />

23. „D“ steht für Deutschland, dem Zentrum der EU.<br />

Ka<strong>den</strong>z ist im weitesten, musikalischen Sinne die<br />

harmonische Schlusswendung. Bitte bringen sie<br />

nun die bei<strong>den</strong> Dinge zusammen und wir schenken<br />

Ihnen dann das 24. Ausrufungszeichen und zeigen<br />

Ihnen warum es, obwohl alles so schön scheint,<br />

mehr als nötig ist, in diesem Land Kabarett zu<br />

machen.<br />

Karten an allen bekannten Vorverkaufsstellen und unter www.tixoo.com<br />

Vorverkauf 15,00 EUR inkl. Gebühren, Abendkasse 17,00 EUR<br />

Sa<br />

11.10.<br />

20.00<br />

Sa<br />

18.10.<br />

20.00<br />

Sa<br />

25.10.<br />

15.00<br />

So<br />

26.10.<br />

19.00<br />

Fr<br />

31.10.<br />

20.00<br />

IVONNE FECHNTER &<br />

BODO KOMMNICK<br />

(ehemals LIFT)<br />

„BLACKBIRD –<br />

intensive Songs zwischen<br />

Melancholie und Hoffnung“<br />

Live-Konzert<br />

PREMIERE „HURRA,<br />

WIR LEBEN NOCH!“<br />

Satirische Zeitreise mit Texten<br />

von Erich Kästner<br />

Regie: Wolfgang Koch<br />

(Kabarett Sündikat)<br />

MUSIKALISCHER SALON<br />

Antonin Dvoák<br />

„Dumky“-Trio Op. 90<br />

und andere Kompositionen<br />

13. LANGE NACHT<br />

DER SENIOREN<br />

präsentiert von Siegfried Trzoß,<br />

mit Dagmar Frederic, Sandra<br />

Mo, Alenka Genzel & Frank<br />

Matthias u.a<br />

KLAUS ZEIM &<br />

MANFRED RUPP<br />

„Schwarz – Rot – Geld“<br />

Kabarett mit Berliner Herz<br />

und Schnauze<br />

Satirisches Theater und Kabarett e.V.<br />

Ratskeller/ Marktplatz 2a · 15230 Frankfurt/Oder<br />

www.oderhaehne.de<br />

Oktober<br />

Männer, ermannt euch! –<br />

Ein Herrenabend<br />

03./04./11./16./23.<br />

und 24. Oktober um 20 Uhr<br />

Frauen ruinier’n<br />

die Welt–reloaded!<br />

30. und 31. Oktober um 20 Uhr<br />

OHNE OBEN – UNTEN MIT<br />

10. und 18. Oktober um 20 Uhr<br />

Verdammt und zugewählt<br />

09. um 15 Uhr/17. und 25. Oktober<br />

um 20 Uhr<br />

Big Helga –<br />

das Helga Hahnemann-Programm<br />

22. Oktober um 16 Uhr<br />

Gastspiel mit<br />

Tatjana Meissner - ausverkauft<br />

„Sexuelle Evolution“<br />

am 19. Oktober um 20 Uhr<br />

Ticket-Hotline: 03 35 / 23 7 23<br />

Seit über 40 Jahren das anerkannte litera<br />

rischmusikalische Kabarett in Berlin!<br />

Teamleiter: Jerry Roschak. Musikalische<br />

Leitung: Stefanie Rediske und Sus. Gulich<br />

Unsere Programme:<br />

Verrücktes Berlin 1901 2014<br />

aus jedem Jahrzehnt die besten Sketsche &<br />

Chansons von Reutter bis von der Lippe.<br />

Das ist der Pulsschlag Berlins! (Berliner Zei<br />

tung) Bereits über 1000 Vorstellungen.<br />

Berlin leben, lieben, lästern<br />

Berlin, die Stadt, die betört und verstört, in<br />

Sketsch und Chanson, Erlebnisse, Gedanken<br />

von Lieben<strong>den</strong>, Nach<strong>den</strong>klichen, Lästern<strong>den</strong>.<br />

Berlin ist, wenn man trotzdem lacht<br />

Die Berliner meckern zwar gern, aber Sie kön<br />

nen auch zupacken und improvisieren.<br />

Berlin in Sketsch und Chanson!<br />

Keine Angst, Es kommt noch Schlimmer<br />

Ein Musikprogramm unter dem Motto: „Musik <br />

Mode Zeitgeschehen 1920 2014.“ Ohrwür<br />

mer, beeinflußt durch Politik, Mode und Zeitge<br />

schehen. Witzig und gekonnt auch der blitz<br />

schnelle Modewechsel auf offener Bühne.<br />

Jeweils 7 Künstler im Programm<br />

Eintrittspreise:<br />

24 € incl. Abendessen / 18 € ohne Essen,<br />

Ermäßigt für Gruppen, Schüler und Stu<strong>den</strong>ten<br />

Unsere Spielstätte: Freitags & Samstags<br />

im Figurensaal des Ratskellers im Rathaus<br />

Charlottenburg, UBhf RichardWagnerPlatz.<br />

Infos & Karten: 030 \ 785 64 77<br />

www.kabarettklimperkasten.de<br />

EULENSPIEGEL 10/14 53


Rainer Ehrt


Wenn die Merkel<br />

wie die Ferres wäre<br />

Manche Dinge lie -<br />

gen außerhalb jeder<br />

Vorstellungskraft.<br />

Dass Ve ronika Fer -<br />

res eine Kanzlerin<br />

spielen könn te zum<br />

Beispiel. Selbst wenn <strong>ihr</strong> deutsches Volk im Film<br />

aus Ameisen oder Legofiguren bestünde und sie<br />

selbst nur im Sitzen spielen müsste und keine<br />

Silbe Text hätte, gelänge <strong>ihr</strong> das nicht. Vielleicht<br />

war das sogar der Plan von Sender und Produzent,<br />

als man Frau Ferres für <strong>den</strong> Sat.1-Film Die Staatsaffäre<br />

erwählte: Die dachten sicherlich, die Ferres<br />

scheitert so grandios, dass die Scha<strong>den</strong>freude für<br />

Lacher sorgt und die Einschaltquote sichert. Jedoch<br />

selbst wenn die arme Frau eine Pappnase trüge,<br />

eins oder mehrere Beine nachzöge, sich einen<br />

Zahn schwarz malen und stottern würde – sie wäre<br />

so komisch, wie <strong>ihr</strong>e Flucht ins Exil nach Hollywood<br />

tragisch wäre.<br />

Mitleid, Scham und Suizidbegehren befallen<br />

<strong>den</strong>, der Veronika durch <strong>den</strong> Kanzlerin-Film<br />

stapfen sieht. Ab und zu joggt sie auch wie ein<br />

adipöses Pferd. Oder sie liegt im Bett und gibt<br />

vor, gerade Sex genossen zu haben.<br />

Wem es <strong>den</strong>noch gelingt, bis zur ersten Werbepause<br />

durchzuhalten und sich das Stimmchen<br />

der Ferres mittels einer Flasche Rotwein klangschön<br />

zu saufen, dem könnte der televisionäre<br />

Spuk wie ein »Was-wäre-wenn-Film« erscheinen,<br />

der zugleich eine Radikalkritik an dem elen<strong>den</strong><br />

Leben enthält, das wir unter der Ägide von Mutti<br />

Merkel fristen müssen.<br />

Was wäre, wenn wir eine Kanzlerin Merkel<br />

hätten, die noch vor der Menopause stünde, einigermaßen<br />

attraktiv wäre (man will ja nicht zu<br />

Anzeige<br />

ProSiebenSat1<br />

Willi W i<br />

l<br />

l i bald b a<br />

l d im i m Elfenwald<br />

ld<br />

Musicalrevue von <strong>den</strong> Machern von „Durchgeknallt im Elfenwald“ und „Hinterhalt„ im Elfenwald“<br />

b<br />

re<br />

viel verlangen) und deren einziges ernsthaftes Problem<br />

die Entscheidung zwischen Familienleben<br />

oder Karriere wäre? Eine Kanzlerin, die ein weiches<br />

Herz bekäme, würde sie auf dem Weg ins Kanzleramt<br />

zufällig an Schulen und Kindergärten vorbeifahren.<br />

Die <strong>ihr</strong>e Sehnsucht nach einem Familienhafen<br />

in Fleiß und Arbeitswut ertränken müsste.<br />

Die <strong>ihr</strong>em Volk ständig mit neuen, tollen, überraschen<strong>den</strong><br />

Ideen kommen würde. Außerdem würde<br />

der Eisprung-Terror <strong>ihr</strong> natürlich gar keine Kraft<br />

mehr lassen, ständig leeres Stroh zu dreschen –<br />

wir hätten es gut mit so einer Kanzlerin.<br />

Sie könnte auch, wie Anna Berger im Film, <strong>ihr</strong>en<br />

Mitarbeitern Flirttipps geben (z.B. dem wahrscheinlich<br />

noch jungfräulichen Altmaier) und die<br />

Fummeln<strong>den</strong> dann im Dienstwagen durch die<br />

Stadt kutschieren. Sie käme überraschend als<br />

Spaßkanone bei Familienpartys vorbei und würde<br />

besoffen <strong>den</strong> Abwasch machen. Mit heißen Zungenküssen<br />

ließe sich diese Kanzlerin vom bedingungslosen<br />

Grundeinkommen überzeugen bzw.<br />

würde selbst <strong>den</strong> vertrockneten Chef des Industriellenverbandes<br />

für sich gewinnen.<br />

Sie wäre eine ehrliche Kanzlerin. Wie Anna Berger<br />

in Die Staatsaffäre würde sie sagen, was sie<br />

wirklich will, nämlich »eine Hose, die meinen Arsch<br />

kleiner macht«. Aber vielleicht sagt sie das tatsächlich,<br />

wenn sie mit Seibert alleine ist …<br />

Menschlich, volksnah, sozial und liebesfähig,<br />

so eine Kanzlerin, das wär’s. Wir wür<strong>den</strong> sie lieben<br />

und sie uns. Diese Anna Berger behauptet, sie<br />

geht mit ganz Deutschland ins Bett, »wir lieben<br />

uns«. Liebe ist es aber, was der Anna fehlt. Im<br />

Laufe des Films erwacht allerdings <strong>ihr</strong>e Libido,<br />

und aus der taffen Lady wird ein williges Luder.<br />

Wollen wir das auch »in echt«? Nein, <strong>den</strong>n im<br />

irren Zustand des Verknalltseins würde sie – wie<br />

Frau Ferres — alles unterschreiben, was man <strong>ihr</strong><br />

unter die Nase hält. »Finanzspritzen für ganz Afrika,<br />

totale Mietfreiheit,Abschaffung der Schulpflicht<br />

und Ostseeurlaub mit Vollpension für alle.« Kein<br />

Gelaber, keine Konferenzen und keine langweiligen<br />

Berichte in <strong>den</strong> Nachrichten. Es wird ge han -<br />

delt, aus dem Bauch, mit dem Herzen einer potentiellen<br />

Mutter, nach linker Überzeugung.<br />

Die Gipfeltreffen wären unterhaltsamer als Pro -<br />

mi Big Brother. Es gäbe heiße Fußorgien unterm-<br />

Kabinettstisch. Schlüpfer wür<strong>den</strong> als Trophä en in<br />

Aktenkoffern über die Kontinente fliegen. Erotische<br />

Telefongespräche wür<strong>den</strong> von Geheimdiensten<br />

abgehört. Man würde sich mit einem Blowjob<br />

für Militäreinsätze bedanken oder ein Quickie<br />

könnte ethnische Konflikte lösen.<br />

Die Liebe der Anna Berger zum französischen<br />

Präsi<strong>den</strong>ten hatte <strong>ihr</strong>en Ursprungin der Nacht des<br />

Mauerfalls. Ein Anlass. um es mal mit einem Frem<strong>den</strong><br />

zu treiben. Was wäre, wenn Frau Dr. Merkel<br />

da mals auch, beschwipst und noch ansehnlich,<br />

auf einen kleinen, drahtigen KGB-Agenten aus<br />

Dres<strong>den</strong>, Vorname Wladimir, gesprungen wäre?<br />

Dann könnte sie heute vielleicht, durch einen süßen<br />

Blick, eine beiläufige Berührung, <strong>ihr</strong>en alten<br />

Russen-Lover besänftigen. Also selbst <strong>Krieg</strong>e<br />

könnte diese Frau besiegen.<br />

Alles in allem: Die Staatsaffäre ist rechtschaffener<br />

Murks, vor allem wegen der Ferres als Kanzlerin.<br />

Aber wenn Frau Dr. Merkel ein bisschen was<br />

von Anna Berger hätte (außer <strong>ihr</strong>em niedlichen<br />

Sprachfehler, <strong>den</strong> hat Merkel selber), wäre sie in<br />

<strong>ihr</strong>en letzten Amtsjahren vielleicht etwas besser<br />

zu ertragen.<br />

Felice von Senkbeil<br />

re v u e vo n <strong>den</strong> Machern von „Durchgeknallt l<br />

im Elfenwald“ l<br />

und „Hinterhalt t im Elfenwald“<br />

Koproduktion mit dem Teatr Muzyczny im. Danuty Baduszkowej w Gdyni und dem Kleist Forum Frankfurt (Oder)<br />

56 EULENSPIEGEL 10/14<br />

Regie: Reinhard Simon<br />

Musikalische Leitung: Uli Herrmann-Schroedter<br />

URAUFFÜHRUNG: 18. Oktober 2014, Großer Saal<br />

Weitere Vorstellungen: 19. Oktober 15:00 Uhr, 31. Oktober 19:30<br />

Uhr, 1./14./15. November 19:30 Uhr, 16. November 15:00 Uhr,<br />

20. Dezember 19:30 Uhr, 21. Dezember 15:00 Uhr, 31. Dezember<br />

18:00 Uhr<br />

Uckermärkische s c h e Bühnen B ü h n<br />

e n Schwedt<br />

Tickets und Informationen: f a Tel. . 0333232 538111, 11, www.theater-schwedt.de<br />

hwedt.de


Am Tag des Herrn<br />

Sonntagmorgen auf der Terrasse, die Sonne zeichnet Goldkringel auf <strong>den</strong> Frühstückstisch,<br />

Bienen summen, Kaffee duftet, und der Flieder hängt seine Dol<strong>den</strong> lasziv ins Idyll. Die Frau:<br />

perfekt, wie immer. Würde plötzlich der UNO-Generalsekretär am Frühstückstisch erscheinen,<br />

müsste sie sich nicht einmal umziehen. Meine Jungs, 6 und 9, ungewaschen und im Pyjama,<br />

<strong>den</strong> sie heute unter Umstän<strong>den</strong> bis zu Erotik zur Nacht im ZDF anbehalten. Ich trage eine frische<br />

Jogginghose und ein Unterhemd ohne Löcher. Aus Respekt vor dem Sonntag.<br />

Mein obligater Sonntagsgruß<br />

Na, schmeckt’s? Hier, am Tischleindeckdich? Ihr<br />

seid mir eine verwöhnte Bande! Ach was, von<br />

wegen Bande – <strong>ihr</strong> Autisten seid ja nicht mal<br />

zur Ban<strong>den</strong>bildung fähig. Wie <strong>ihr</strong> schon wieder<br />

dasitzt! Ungepflegte kleine Stinker, teilnahmslos<br />

und gedankenleer wartet <strong>ihr</strong> auf die Atzung.<br />

Stumpfer Blick ins Wesenlose, keine Körperspannung,<br />

das Maul halb offen – danke,<br />

dass <strong>ihr</strong> nicht sabbert! Menschenskinder, das<br />

ist kein Zoo hier, und ich habe keinen Bock<br />

auf <strong>den</strong> Wärterjob!<br />

Was glaubt <strong>ihr</strong>, wie man im Schweinesystem<br />

bestehen kann? Was sagst du? Als Schwein? Ja,<br />

sicher! Aber als aktives Schwein in menschlicher<br />

Verkleidung! Doch nicht so wie <strong>ihr</strong>! Das<br />

Prinzip da draußen ist Konkurrenz! Konkurrenz<br />

– das heißt nie en<strong>den</strong>der Kampf, je<strong>den</strong> Tag<br />

aufs Neue <strong>den</strong> eigenen Vorteil suchen und ihn<br />

anderen nehmen! Wer diesen Kampf nicht<br />

kämpft, wird zur Sau gemacht, ausgenommen<br />

und gedemütigt, bis er in der Gosse verkommt.<br />

Damit würde sich euer Lebensstil zwar nicht<br />

wesentlich ändern, aber euer Lebensgefühl.<br />

Und darauf kommt es an! Das Lebensgefühl ist<br />

entschei<strong>den</strong>d. Es ist ein entschei<strong>den</strong>der Unterschied,<br />

ob ich als Penner sonntags am von<br />

<strong>den</strong> Eltern gedeckten Tisch sitze oder unter einer<br />

Brücke. Wie, dir wär die Brücke lieber? Provozier<br />

mich nicht, ich kann auch unfreundlich<br />

wer<strong>den</strong>!<br />

Überhaupt redest du, wenn du zuhören solltest!<br />

Das hätte ich mir bei meinem Vater nicht<br />

erlauben dürfen. Aber das kann man eh nicht<br />

vergleichen. Wir haben sonntags um sieben<br />

Uhr gefrühstückt. Zwanzig Minuten lang, dann<br />

ging es aufs Feld. Vor dem Frühstück hatte ich<br />

schon Zeitungen ausgetragen. Ja, ich bin um<br />

fünf Uhr morgens mit einer Backpfeife geweckt<br />

wor<strong>den</strong>, damit <strong>ihr</strong> jetzt hier hocken und faul<br />

aufs Abitur warten könnt.<br />

Abitur als Lebensziel! Großartig! Wer, bitteschön,<br />

hat <strong>den</strong>n heute kein Abitur? Jeder An -<br />

alphabet wird da durchgeschleift. Mathe,<br />

Deutsch und alles andere wird abgewählt.<br />

Statt irgendeinen Unterricht zu besuchen, wird<br />

zwei Jahre lang in Cafés<br />

rumgebalzt, und<br />

dann gibt’s ein Abitur<br />

in Sport und Religion.<br />

So ist das<br />

doch heute! Außerdem:<br />

In dem<br />

Alter, in dem die<br />

heute Abitur machen,<br />

war ich<br />

schon Geselle und<br />

eure Mutter das<br />

zweite oder dritte<br />

Mal schwanger.<br />

Euch fehlen Ehrgeiz<br />

und Zielstrebigkeit.<br />

Zu allem in<br />

der Lage, zu<br />

nichts zu gebrauchen.<br />

Du zum Beispiel<br />

rennst jetzt schon<br />

seit zwei Jahren zum Klavierunterricht!<br />

Hast du schon einen einzigen Euro<br />

damit eingespielt? Siehste! Aber weißt ja hoffentlich,<br />

was das kostet. Vielleicht steht später<br />

unter deiner Brücke ja mal ein Klavier!<br />

Und mein anderer Spross ist Rettungsschwimmer!<br />

Die Zeit möchte ich haben! Als arbeitender<br />

Mensch hast du später nicht die Gelegenheit,<br />

an Gewässern rumzuhängen und darauf<br />

zu warten, dass mal einer ersäuft. Und<br />

wenn du da zufällig vorbeikommst, hast du<br />

dann das Recht, Unbekannte vor einem vielleicht<br />

erwünschten Ende zu bewahren? Auch<br />

mal nach<strong>den</strong>ken!<br />

Überhaupt, das sind mir alles Lebensentwürfe!<br />

Verglichen mit euch wirken Koalas hektisch.<br />

Ihr braucht ein Ziel, Menschenskinder!<br />

Bald habt <strong>ihr</strong> die Grundschule absolviert und<br />

noch nichts Nennenswertes erreicht. Ein konkretes<br />

Ziel muss her, und dann geht <strong>ihr</strong> drauflos.<br />

Ziel fängt mit Z an, wie Zahl, und das ist<br />

kein Zufall. Ein Ziel kann man beziffern. Ich<br />

sage mal 100 Euro im Monat. Ich hoffe, es klingelt<br />

bei euch! Zuerst im Kopf und dann in der<br />

Andrè Sedlaczek<br />

Kasse, bruharhar. Und nun erklärt mir mal, wie<br />

<strong>ihr</strong> mit Klavierspielen, Sport, Schulchor und<br />

Schülertheater Geld verdienen wollt! Mir<br />

kommt ja in der Kneipe viel zu Ohren, aber davon<br />

hat mir noch keiner erzählt.<br />

Also, wie geht’s jetzt weiter? Zunächst mal<br />

müsst <strong>ihr</strong> euren Willen stählen. Ohne einen<br />

starken Willen geht gar nichts. Ich habe mir<br />

fünf Mal das Rauchen abgewöhnt. Geht so etwas<br />

ohne einen starken Willen? Oder auch mal<br />

nach dem sechsten Bier ohne äußeren Druck<br />

aufstehen und nach Hause gehen! <strong>Krieg</strong>t <strong>ihr</strong><br />

Luschen so was hin?<br />

So, <strong>ihr</strong> kleinen Arschlöcher, jetzt habt <strong>ihr</strong> das<br />

Ziel und kennt <strong>ihr</strong> <strong>den</strong> Weg! Sucht euch einen<br />

Job, führt Hunde aus, züchtet Läuse, singt in<br />

der Fußgängerzone, lasst euch in Badehose fotografieren!<br />

Nächsten Sonntag will ich Erfolgsmeldungen<br />

hören, sonstkönnte es passieren,<br />

dass ich auf <strong>den</strong> Frühschoppen verzichte. Aber<br />

dann! Denn am Tag des Herrn, da kenne ich<br />

nichts.<br />

Andreas Schmid<br />

EULENSPIEGEL 10/14 57


Markus Grolik<br />

Kriki<br />

58 EULENSPIEGEL 10/14


Schwarz auf<br />

weiss<br />

Lo Blickensdorf<br />

Mock<br />

EULENSPIEGEL 10/14 59<br />

Hannes Richert Axel Bierwolf


Poetische Kostbarkeit<br />

Rechtschreibung kann man vergessen.<br />

Aus: Moin Moin, Einsender: Helmut Agte, Niebüll<br />

Und geschweige <strong>den</strong>n, dass er<br />

verstan<strong>den</strong> wer<strong>den</strong> wolle.<br />

Aus: Apoldaer Allgemeine<br />

Einsender: Frank Eckel, per E-Mail<br />

Aber niemand half die Redakteure.<br />

Aus: Volksstimme<br />

Einsender: Simon Feldbach,<br />

Schönebeck/Elbe<br />

Wahrscheinlich Amtsdeutsch.<br />

Aushang in Zinnowitz/Usedom, Einsender: Claus Weingart, per E-Mail<br />

Aus: Hanau-Post<br />

Einsender: Manfred Schneider, Hanau<br />

Besser als gar nicht.<br />

Aus: Leipziger Volkszeitung, Einsender: Eberhard Klesse, per E-Mail<br />

Dof bleibt dof.<br />

Aus: General-Anzeiger, Einsenderin: Ilona Höschler, Ostrhauderfehn<br />

Des Chefarztes?<br />

Aus: Neues Deutschland<br />

Einsenderin: Alexandra Andrusch, Halberstadt<br />

Und die Minderbemittelten dem<br />

Autor.<br />

Aus: Sächsische Zeitung<br />

Einsender: Jürgen Mittag, Arnsdorf<br />

Da war er platt!<br />

Aus: Sächsische Zeitung<br />

Einsender: Peter Nitzschmann, Oderwitz<br />

Grammatik aber auch!<br />

Aus: n24.de<br />

Einsenderin: Susanne Meyer, per E-Mail<br />

Er hinterlässt zwei Kinder und einen Kalender.<br />

Aus: Neue Welt<br />

Einsender: Marc Pannek, Dres<strong>den</strong><br />

Jetzt verfolgt sie die Bundestäter!<br />

Aus: Neues Deutschland<br />

Einsender: Gerd Damrow, Berlin<br />

Einer für alle.<br />

Aus: Leipziger Volkszeitung<br />

Einsender: Martin Fiedler, per E-Mail<br />

Wahrscheinlich zweimal runtergefallen.<br />

Aus: Oschatzer Allgemeine<br />

Einsenderin: Angela Georgi, Oschatz<br />

Wahrscheinlich ein Wahlessen.<br />

Restaurantaufsteller in der Lausitz<br />

Einsenderin: Marlis Friedrich, Elsterheide<br />

Gute Nachricht.<br />

Aus: Ostsee-Zeitung<br />

Einsenderin: Erika Neumann, Ribnitz-Damgarten<br />

60 EULENSPIEGEL 10/14


Fehl<br />

anzeiger<br />

War ja auch doppelt grausam.<br />

Aus: Freie Presse<br />

Einsender: Florian Kleemann, Olbernhau, u. a.<br />

(Abbildung Beratungsmuster.)<br />

Aus: Kaufland-Tip der Woche<br />

Einsender: Lothar Williwald,<br />

Berlin, u. a.<br />

Zur Fischzubereitung.<br />

Aus: General-Anzeiger<br />

Einsenderin: Gabriela Lüdemann,<br />

Salzwedel<br />

Und bringt Zeitung mit zuverlässiges Fehler.<br />

Aus: Super Sonntag, Einsender: Axel Schmidt, per E-Mail<br />

Für bildungsferne Bo<strong>den</strong>schichten.<br />

Angebot von hagebaumarkt, Einsender: Christian Siglow, per E-Mail<br />

Und selber?<br />

Aus: Dresdner Morgenpost<br />

Einsender: Roland Zillger, Struppen<br />

Wurde aber auch Zeit!<br />

Aus: Nordkurier, Einsender: A. Seifert, Blankensee<br />

Die Sitzung war geschlossen.<br />

Aus: Chemnitzer Morgenpost<br />

Einsender: Bernd Ba<strong>den</strong>schier,<br />

Chemnitz<br />

Damit sie auch was davon haben.<br />

Aus: Nordkurier<br />

Einsender: Bernhard Vennewald,<br />

Neubran<strong>den</strong>burg<br />

(Sehr weit hinten, Zweiter von rechts.)<br />

Aus: Fußballwoche, Einsender: Gernot Bogdanski, Berlin<br />

Zum Urologen oder zum Orthopä<strong>den</strong>?<br />

Aus: Chemnitzer Blick<br />

Einsender: Bernd Weimershauß, Chemnitz<br />

Und der Autor ist ein echter Fux.<br />

Aus: Thüringer Landeszeitung<br />

Einsenderin: Anke Renner, per E-Mail<br />

Damit er die Hände<br />

zum Kassieren<br />

frei hatte.<br />

Aus: Schweriner<br />

Volkszeitung<br />

Einsender: Uwe Zwieg,<br />

Schwerin<br />

Wir nehmen die Zwillinge.<br />

Werbung eines Hotels auf Madeira, Einsender: Christian Hill, per E-Mail<br />

EULENSPIEGEL 10/14 61


LMM 1503 … Leser machen mit<br />

Liefern Sie uns zu dieser Zeichnung eine witzige Unterschrift.<br />

Für die drei originellsten Sprüche berappen wir 16, 15 und 14 €.<br />

LMM-Adresse: <strong>Eulenspiegel</strong>, Gubener Straße 47, 10243 Berlin<br />

oder per E-Mail an: verlag@eulenspiegel-zeitschrift.de<br />

Absender nicht vergessen!<br />

Kennwort: LMM 1503 · Einsendeschluss: 6. Oktober 2014<br />

LMM-Gewinner der 1502. Runde<br />

Den Kaffee haben sich verdient:<br />

»Wenn Sie sich so in<br />

die Arbeit stürzen,<br />

können Sie froh sein,<br />

dass Sie nicht Klempner<br />

gewor<strong>den</strong> sind.«<br />

Elsa Schuster,<br />

Kämpfelbach<br />

Ȇbrigens wurde<br />

das Klavier aus dem<br />

Holz einer fleischfressen<strong>den</strong><br />

Pflanze gebaut.«<br />

Christoph Trittmann,<br />

Frankfurt/Main<br />

»Nee, nee,<br />

erst soll ich die<br />

Klappe halten,<br />

nun wieder<br />

aufmachen ...«<br />

Michael Voge,<br />

Oberhausen<br />

Zeichnungen: Heinz Jankofsky<br />

Waagerecht: 1. ausgeweideter Rassegimpel,<br />

5. hat der Starke in <strong>den</strong><br />

Knochen, 8. läuft in der Freirunde,<br />

9. kopfstehender Spat, 11. geht nur zu<br />

dritt, 13. Beihilfskraft, 14. bessere<br />

Hälfte des abgekanzelten Putin-Verstehers,<br />

16. Oma mit Vorspann, 17. Gift<br />

englischer Spitzenhäubchenträgerinnen,<br />

21. verwirrter Igor, 22. Nasszelle,<br />

24. wichtigstes Lebenselixier, 25. folgt<br />

dem Pro, 27. Innerei der Malibunatter,<br />

28. läuft gern über die Leber,<br />

29. Wüsten-Traum.<br />

Senkrecht: 2. Inhalt der Maßangabe<br />

für Klunkern, 3. ausgelöst durch Blick<br />

in die Zukunft, 4. bis hierhin und<br />

nicht weiter, 5. eheliches Ausstellungsstück,<br />

6. quakende Kassandra, 7. Erschöpfungszustand<br />

beim Schach,<br />

9. ehemaliger TV-Detektiv ohne Mittelaltervorspann,<br />

10. Herz des Europakommissars,<br />

12. englischer Zorn,<br />

15. allseits beschnittenes Hornattribut,<br />

18. Zwischenspiel ohne Epi, 19. apostrophiertes<br />

Los, 20. steckt in <strong>den</strong><br />

Amorganglien, 22. Alternativangebot,<br />

23. steht im Reisebus, 26. Städteverbindung<br />

Schwerin-Oberhof-Senzig.<br />

Auflösung aus Heft 09/14:<br />

Waagerecht: 1. Klee, 4. Belka,<br />

7. Stiel, 9. Erker, 11. Iller, 13. Cello,<br />

14. Seil, 15. Pas, 17. Sumpf, 18. Zeile,<br />

19. Spa, 20. West, 22. Nauen,<br />

25. Warte, 26. Gatte, 27. Eifer,<br />

28. Stirn, 29. Eins. Senkrecht:<br />

2. Lore, 3. Esel, 4. Beisszange, 5. Elle,<br />

6. Kiel, 8. Tropfstein, 9. Echse,<br />

10. Klammer, 12. Liliput, 16. Henne,<br />

20. Watt, 21. Ster, 23. Aare, 24. Eton.<br />

Meisterwerke Kunst von EULENSPIEGEL-Lesern, gediegen interpretiert<br />

Jeder kennt Angela Merkels<br />

Aussage, der zufolge das Ausspähen<br />

unter Freun<strong>den</strong> nicht<br />

geht. Eine Aussage, die, wie<br />

<strong>ihr</strong>e Kritiker behaupten, trefflich<br />

zeigt, wie wenig technischen<br />

Sachverstand diese<br />

Andreas Stein, Berlin<br />

Kanzlerin besitzt. Denn natürlich<br />

geht das. Auch wenn<br />

sich die deutschen Geheimdienste<br />

bisher beim Ausspähen<br />

auf gefährliche Feinde wie<br />

die Türkei oder Hillary Clinton<br />

beschränkt haben. Ausspähen<br />

geht auch unter Familienmitgliedern,<br />

ja sogar unter<br />

Ehepartnern. – So naiv, das<br />

nicht zu wissen, kann Merkel<br />

nicht sein. Wie die Aussage<br />

Merkels besser einzuordnen<br />

ist, illustriert dieses Gemälde.<br />

Es zeigt Merkel zusammen<br />

mit dem bekannten Golfspieler<br />

und Schwerenöter Tiger<br />

Woods. Mit seiner Hand, die<br />

ihm direkt aus der Schulter<br />

wächst, hat der Golfspieler die<br />

blökende Kanzlerin fest im<br />

Griff wie ein 3er-Holz. Ihr empörter<br />

Ausruf kann jedoch<br />

nicht über <strong>ihr</strong>e Körpersprache<br />

hinwegtäuschen. Ihre Jubelpose,<br />

allen TV-Zuschauern<br />

von Spielen der deutschen<br />

Fußballnationalmannschaft<br />

bekannt, verrät, dass sie sich<br />

über diese Umklammerung<br />

freut.<br />

Das Werk lebt in erster Linie<br />

von der altbewährten Ikonografie,<br />

derer es sich bedient.<br />

In <strong>den</strong> Dreißigerjahren erfuhr<br />

sie eine Aufwertung, während<br />

dunkelhäutige Sportler wie<br />

Tiger Woods sie heutzutage<br />

hauptsächlich von deutschen<br />

Sportplätzen nur allzu gut<br />

kennen. Der übermächtige<br />

King Kong hat sich der weißen<br />

Frau bemächtigt. Und<br />

erst die Kugeln einer Armee<br />

wer<strong>den</strong> <strong>den</strong> schwarzen Affen<br />

stoppen.<br />

Doch das ist nicht alles, was<br />

uns dieses King-Kong-Bild<br />

sagt. Denn was niemand weiß,<br />

und was hiermit verraten sei:<br />

Nicht nur King Kong stammt<br />

von einer Insel im Pazifik, sondern<br />

auch US-Präsi<strong>den</strong>t Barack<br />

Obama. – Tjaha! Der<br />

hier dargestellte schwarze<br />

Riese ist in Wahrheit Barack<br />

Obama. Wenn das mal keine<br />

sensationelle Enthüllung ist!<br />

Vergleichbar nur mit der Enthüllung,<br />

dass Spione spionieren.<br />

E. Snow<strong>den</strong><br />

62 EULENSPIEGEL 10/14


EULENSPIEGEL-<br />

Abonnenten<br />

leben immer<br />

auf der Höhe<br />

der Zeit!<br />

Druckfrisch eingetroffen:<br />

13 Cartoons fürs ganze Jahr,<br />

die besten aus dem<br />

EULENSPIEGEL, in Poster -<br />

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Der Wandkalender ist 21 x 30 cm<br />

groß, hat eine Metall-Ringbindung<br />

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oder telefonisch unter<br />

(0 30) 29 34 63 19 für 9,90 Euro<br />

versandkostenfrei bestellen.<br />

abo@eulenspiegel-zeitschrift.de Tel. werktags von 9-17 Uhr: (0 30) 29 34 63 -17 und -19 · Fax: -21<br />

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(nicht bei Probe-Abos)<br />

Buch: Der ganz normale Bahnsinn<br />

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2014_10


Und<br />

tschüs!<br />

Andreas Prüstel<br />

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Der nächste EULENSPIEGEL er scheint am 23. Oktober<br />

2014 ohne folgende Themen:<br />

• Gerüchte um neues Terrorvideo: Macht Merkel die<br />

Ice-Bucket-Challenge?<br />

• Maut soll nur auf Autobahn gelten: Setzt Seehofer auf<br />

Landstraßen ein Ausländerverbot durch?<br />

• AfD zieht in ostdeutsche Landtage ein: Fordert sie bald<br />

einen Austritt der neuen Bundesländer aus der BRD?<br />

Herausgeber<br />

Hartmut Berlin,<br />

Jürgen Nowak<br />

Geschäftsführer<br />

und Verlagsleiter<br />

Dr. Reinhard Ulbrich<br />

verlag@eulenspiegelzeitschrift.de<br />

Redaktion<br />

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(Chefredakteur)<br />

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Felice von Senkbeil,<br />

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Ständige Mitarbeiter<br />

Utz Bamberg, Beck, Anke<br />

Behrend, Harm Bengen,<br />

Matthias Biskupek,<br />

Lo Blickensdorf, Peter<br />

Butschkow, Carlo Dippold,<br />

Matti Friedrich, Burkhard<br />

Fritsche, Arno Funke,<br />

Gerhard Glück, Barbara<br />

Henniger, Gerhard Henschel,<br />

Renate Holland-<br />

Moritz, Frank Hoppmann,<br />

Rudi Hurzl meier, Michael<br />

Kaiser, Christian Kandeler,<br />

Florian Kech, Werner<br />

Klopsteg (special guest),<br />

Dr. Peter Köhler, Kriki,<br />

Uwe Krumbiegel, Mario<br />

Lars, Ove Lieh, Werner<br />

Lutz, Peter Muzeniek, Nel,<br />

Robert Niemann, Guido<br />

Pauly, Ari Plikat,<br />

Andreas Prüstel, Erich<br />

Rauschenbach, Hannes<br />

Richert, Ernst Röhl, Reiner<br />

Schwalme, André<br />

Sedlaczek, Guido Sieber,<br />

Klaus Stuttmann, Atze<br />

Svoboda, Peter Thulke,<br />

Kat Weidner, Freimut<br />

Woessner, Erik Wenk,<br />

Martin Zak<br />

Für unverlangt eingesandte<br />

Texte, Zeichnungen, Fotos<br />

übernimmt der Verlag keine<br />

Haftung (Rücksendung nur,<br />

wenn Porto beiliegt). Für<br />

Fotos, deren Urheber nicht<br />

ermittelt wer<strong>den</strong> konnten,<br />

bleiben berechtigte Hono -<br />

rar ansprüche erhalten.<br />

Blumenspen<strong>den</strong>, Blankoschecks,<br />

Immobilien,<br />

Erbschaften und Adoptionsbegehren<br />

an:<br />

<strong>Eulenspiegel</strong> GmbH,<br />

Gubener Straße 47,<br />

10243 Berlin<br />

Gläubiger-ID:<br />

DE93ZZZØØØØØ421312<br />

64 EULENSPIEGEL 10/14


Z u r F r a n k f u r t e r B u c h m e s s e<br />

Literatur-Eule<br />

BECK


Unsere neuen Kalender<br />

für 2015<br />

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Britta Bastian<br />

Impressionen aus<br />

Mecklenburg-Vorpommern<br />

2015<br />

KLATSCHMOHN Verlag<br />

Britta Bastian<br />

Impressionen aus Mecklenburg-Vorpommern 2015<br />

Pastelle, 34 x 49 cm<br />

ISBN 978-3-941064-44-7 • EUR 14,80<br />

MATTHIAS KIEFEL<br />

Bernhard Frey<br />

Inhalt<br />

Titel<br />

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beck<br />

68 Hermann Löns, die Heide brennt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kaiser<br />

70 Künftige Bestseller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anselm Neft<br />

77 Auslese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Matthias Biskupek<br />

Wo de Ostseewellen …<br />

2015<br />

82 Lesezeichen: Begräbnisse zum Totlachen . . . . . . . . . . . . . . . Kathy Benjamin<br />

85 Blumen für <strong>den</strong> Underdog. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rainer Klis<br />

KLATSCHMOHN Verlag<br />

86 Der Literat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zarras<br />

Bernhard Frey<br />

Wo de Ostseewellen ... 2015<br />

Acryl, Öl, 34 x 49 cm<br />

ISBN 978-3-941064-45-4 • EUR 14,80<br />

In jeder guten Buchhandlung, in Galerien<br />

und Souvenirlä<strong>den</strong> in Mecklenburg-<br />

Vorpommern und direkt im Verlag.<br />

89 Bananensplit und schwarze Bohnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kaiser<br />

91 Das Hamsterrad des Lektors. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Köhler<br />

93 Haptisch oder: Haptisch nicht so . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ove Lieh<br />

94 Lesezeichen: Beim Arzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Christian Bartel<br />

96 Geburtshelfer für Männer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Werner Lutz<br />

98 Das waren die Zwanziger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bernhard Spring<br />

100 Hast du Worte? Neues aus der Welt der Linguistik . . . . . . . . . Peter Köhler<br />

102 Perlen der Dichtkunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kaiser<br />

105 Pascals Roman . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Udo Tiffert<br />

KLATSCHMOHN Verlag, Druck + Werbung GmbH & Co. KG<br />

Am Campus 25 · 18182 Bentwisch/Rostock · Tel. 0381/206 68 11<br />

Online bestellen unter: www.klatschmohn.de<br />

106 Pubertäre Lyrik der Promis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Kaiser<br />

66 LITERATUREULE 10/14


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Von Adlern und<br />

Fliegenfängern<br />

Anzeigen<br />

Hermann Löns,<br />

die Heide brennt!<br />

Dieses Jahr begehen wir <strong>den</strong> 100. Todestag des großen Frei<strong>den</strong>kers, Naturliebhabers und Heimatdichters<br />

Hermann Löns. Drei bislang nicht zu Unrecht unveröffentlichte Juwelen aus seinem Nachlass<br />

beweisen, wie sehr sich der couragierte Lokalpatriot mit der Lüneburger Heide verbun<strong>den</strong><br />

fühlte:<br />

Hasenliebe<br />

Im roten Licht der Morgensonne scheint alles wie im Blute.<br />

Die Heide glüht vor Lebenskraft – mir ist so wohl zumute.<br />

Ich mach an einem Hügel Rast,<br />

Das Moos ist sein Geschmeide,<br />

Beendet ist nun Großstadthast –<br />

Drum fahr ich in die Heide.<br />

VERLAG DIE WERKSTATT<br />

TT<br />

400 S., Paperback, Fotos<br />

ISBN 978-3-7307-0099-0, ” 19,90<br />

Jonathan Wilson hat Geschichte,<br />

Spiel und kulturelle Bedeutung des<br />

Keepers beleuchtet – von einstmals<br />

hüterlosen Toren bis „Libero“ Neuer,<br />

von glücklosen Brasilianern bis zum<br />

sowjetischen Idol Lew Jaschin, von<br />

Albert Camus bis Johannes Paul II.<br />

„Vermutlich das Beste, was jemals<br />

über <strong>den</strong> Fußballtorwart geschrie-<br />

ben wurde.“ (11 Freunde)<br />

www.facebook.com/<br />

verlagdiewerkstatt<br />

www.werkstatt-verlag.de<br />

Aus Sch ***e<br />

Bonbons machen!?!<br />

Ein Häschen putzt im roten Gras<br />

Sein flauschiges Gefieder,<br />

Der kleine Rammler macht mir Spaß,<br />

Ich beug mich zu ihm nieder.<br />

Inzwischen scheint die Sonne hell,<br />

Wir tollen über Wiesen,<br />

Ich streichle ihm sein Flauschefell,<br />

Nichts kann <strong>den</strong> Tag vermiesen.<br />

Doch plötzlich hält der Hoppelhas’<br />

Im vollen Laufe inne<br />

Und reckt empor die Schnuppernas’<br />

Zur Schärfung seiner Sinne.<br />

Ein Wolf setzt grad zum Sprunge an,<br />

Will mir <strong>den</strong> Garaus machen.<br />

Doch das lässt in dem Mümmelmann<br />

Den Todesmut erwachen.<br />

Vom Wurf des Häschens hingestreckt,<br />

heult er wie ein Gebläse.<br />

In Isegrimens Flanke steckt<br />

Des Hasens Zahnprothese.<br />

Ein Ruf ermahnt mich zum Verzicht:<br />

»Nun raus aus meiner Scheide!<br />

Ein Kind von dir, das will ich nicht!« –<br />

Drum fahr ich aus der Heide.<br />

Ich habe meinen Spaß gehabt,<br />

Der Spaß reicht nicht für beide.<br />

Die Heide ist jetzt eingeschnappt –<br />

Drum meide ich die Heide.<br />

Heidelied<br />

Meiner Zugehfrau Heidelore Elvers gewidmet<br />

Ich sitze stumpf auf meinem Hocker.<br />

Mein Gott, ist das hier öde!<br />

Liegt’s etwa an dem Beta-Blocker<br />

Oder werd’ ich langsam blöde?<br />

Das Kaff ist hier so ausdruckslos,<br />

Die Menschen schau’n sinister.<br />

Sie lallen blöd – wen wundert’s groß?<br />

Die Eltern war’n Geschwister.<br />

DDR, 1988: Ein Forschungsinstitut<br />

soll aus einheimischen Rohstoffen<br />

Schokolade herstellen. Der Chef<br />

Professor Falkenberg wird gewarnt:<br />

Nicht wieder so eine Lachnummer<br />

wie einst der MIX-Kaffee! Ist das<br />

überhaupt zu schaffen?<br />

Lars Franke<br />

Schokola<strong>den</strong>-Republik<br />

Eine Schelmengeschichte aus<br />

einem untergegangenen Land<br />

144 Seiten, Broschur<br />

ISBN 978-3-942477-56-7, 9,95€<br />

Überall im Buchhandel<br />

www.steffen-verlag.de<br />

Das graue Untier zuckt nicht mehr,<br />

Ich kann mein Glück kaum fassen.<br />

Ich lieb <strong>den</strong> Hoppler um so mehr,<br />

Will nimmer von ihm lassen.<br />

So gegen sechse ungefähr<br />

Wird’s Zeit fürs Abendbrot.<br />

Drum hole ich mein Jagdgewehr<br />

Und schieß <strong>den</strong> Hasen tot.<br />

Im roten Licht der Abendsonne liegt still in seinem Blute<br />

Der filetierte Mümmelmann – mir ist so wohl zumute.<br />

Drum fahr ich in die Heide<br />

Hannover ist ’ne große Stadt,<br />

Wo ich die Ferne neide,<br />

Ich fühle mich dort dauernd matt –<br />

Drum fahr ich in die Heide.<br />

Was fühle ich mich angeschwipst,<br />

Wenn du im grünen Kleide<br />

Dich meinen Sinnen hinnegibst –<br />

Drum fahr ich in die Heide.<br />

Die Schnucken blöken in der Nacht,<br />

Die Bäuerin schluchzt im Schlafe.<br />

Zugleich beglückt mit aller Macht<br />

Ihr Mann die weichen Schafe.<br />

Die Zeit steht still, doch tickt die Uhr –<br />

Es ist zum Haareraufen.<br />

Man kann in dieser Pampa nur<br />

Sich selbst zu Tode saufen.<br />

»Hermann Löns, es brennt die Heide,<br />

Hermann Löns, die Heide brennt!«<br />

Dieses Trinklied bin ich leide,<br />

Weil es <strong>den</strong> Ernst der Lag’ verkennt!<br />

Sollen fressen mich die Raben,<br />

Wenn ich fall im Feindesland.<br />

Lieber tot im Schützengraben<br />

Als an <strong>den</strong> Arsch der Welt verbannt.<br />

Im Löns-Archiv entdeckt von<br />

Michael Kaiser<br />

68 LITERATUREULE 10/14


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Der Hass des Militärs<br />

Heinrich Wandt<br />

Erotik und<br />

Spionage in der<br />

Etappe Gent<br />

Deutsche Besatzungsherrschaft<br />

in Belgien während<br />

des Ersten Weltkrieges<br />

Hrsg. von Jörn Schütrumpf<br />

ca. 368 Seiten, Klappenbroschur,<br />

19,90 Euro<br />

ISBN 978-3-320-02303-4<br />

Heinrich Wandt verfasste das erste Antikriegsbuch, das in<br />

der Weimarer Republik erschien. In ihm wurde die deutsche<br />

Besatzungspolitik in Belgien während des Ersten Weltkrieges<br />

schonungslos offengelegt. Der Autor des Buches wurde<br />

1923 nach Potsdam entführt und in einem Militär- Geheimprozess<br />

zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt.<br />

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Künftige Bestseller<br />

Unser Autor hat ausgerechnet, dass er alle zwei Jahre einen<br />

Bestseller mit mindestens 100.000 verkauften Taschenbucheinheiten<br />

lan<strong>den</strong> muss, um vom Schreiben leben zu können.<br />

Hier seine Buch-Ideen bis zum Jahr 2038, in dem er<br />

dann endlich in <strong>den</strong> Ruhestand gehen möchte.<br />

Rolf Hecker,<br />

Angelika Limmroth (Hrsg.)<br />

Jenny Marx. Die Briefe<br />

608 Seiten, 15 Abb.<br />

geb., 39,90 Euro<br />

ISBN 978-3-320-02297-6<br />

Limmroth, Angelika<br />

Jenny Marx<br />

Die Biographie<br />

304 Seiten, 8 Abb.<br />

geb., 24,90 Euro<br />

ISBN 978-3-320-02296-9<br />

Paketpreis 54,00 Euro, Gesamt-ISBN 978-3-320-02298-3<br />

Jenny von Westphalen: eigenwillig und engagiert, klug und gebildet,<br />

eine starke, schöne Frau an der Seite eines der bekanntesten<br />

Männer der Weltgeschichte. Doch die vierzig jährige<br />

Partnerschaft mit Karl Marx war nicht frei von Krisen, und nicht<br />

immer gelang Jenny der Spagat zwischen <strong>ihr</strong>er großbürgerlichen<br />

Herkunftsfamilie und dem frei gewählten Leben.<br />

400 Seiten, 236 Abb.<br />

geb. mit SU, 39,90 Euro<br />

ISBN 978-3-320-02299-0<br />

Hans-Dieter Schütt<br />

Günter Gaus<br />

Von <strong>den</strong> Hoffnungen<br />

eines Skeptikers<br />

Schütts Essay erinnert an die<br />

journalistische Größe und <strong>den</strong><br />

unbestechlichen Geist, mit<br />

dem Günter Gaus zu einem<br />

Charakter-Kopf dieses Landes<br />

wurde. Die Gesprächsführung,<br />

die Gaus begründete,steht<br />

stellvertretend (und inzwischen<br />

einsam) für das demokratische<br />

Ideal eines respektvollen<br />

Kommunizierens.<br />

Ulrich Weitz<br />

Eduard Fuchs<br />

Der Mann im Schatten<br />

Sitten-Fuchs, Sozialist, Konspirateur,<br />

Sammler, Mäzen<br />

Eduard Fuchs war durch<br />

seine »Illustrierte Sittengeschichte«<br />

berühmt<br />

gewor<strong>den</strong>. Während des<br />

Ersten Weltkrieges liefen die<br />

Kontakte zwischen <strong>den</strong><br />

europäischen Linken über<br />

<strong>den</strong> reisen<strong>den</strong> Kunsthistoriker,<br />

1918 verhandelte<br />

Fuchs auf Bitten von<br />

Rosa Luxemburg in Moskau<br />

mit Lenin…<br />

176 Seiten, Klappenbroschur, 16,90 Euro<br />

ISBN 978-3-320-02305-8<br />

dietz berlin<br />

www.dietzberlin.de<br />

Der Untergang<br />

des Abendlandes II<br />

Klappentext: Die Feste Europa wankt. Von versifften<br />

Gutmenschen in einen Abgrund aus Nachgiebigkeit,<br />

Öko-Blabla und Traditionsverlust gerissen,<br />

fehlt dem Abendland zusehends die Widerstandskraft<br />

gegen die größten Gefahren der Moderne: Ausländer,<br />

Frauen und Windräder. Wieviel wollen wir<br />

noch bezahlen für südländische Faulenzer und hässliche<br />

Gendertanten? Was wollen wir ängstlichen,<br />

verklemmten Mimosen der Mittelschicht uns eigentlich<br />

noch alles gefallen lassen? Jetzt ist es Zeit nach<br />

oben zu buckeln und nach unten zu treten! Zumindest<br />

in Online-Kommentaren.<br />

Thilo Sarrazin: »Das wird man wohl noch lesen<br />

dürfen.«<br />

Anders Breivik: »Jeder Schuss ein Treffer.«<br />

The Power within<br />

So fin<strong>den</strong> Sie die Quelle<br />

zu Ihrem inneren Potenzial<br />

70 LITERATUREULE 10/14<br />

Klappentext: Schon Einstein wusste – wir nutzen<br />

nur 10 Prozent unseres Potenzials. Oft folgen wir<br />

lieber der Meinung anderer, anstatt unserer eigenen,<br />

unverwechselbaren Stimme zu vertrauen. Entfremdung<br />

und ungenutzte Gaben sind das traurige<br />

Ergebnis.<br />

Erfolgscoach und Super-Guru Anselm Shananananada<br />

Neft zeigt <strong>den</strong> einzig wahren Weg zu Ihrer<br />

inneren Quelle. In zehn leicht verständlichen Lektionen<br />

offenbart der Erleuchtete, wie Sie in kurzer<br />

Zeit ganz Sie selbst und Sie selbst ganz wer<strong>den</strong>. Lassen<br />

Sie sich nicht länger reinre<strong>den</strong> und kaufen Sie<br />

dieses Buch. Jetzt!<br />

Nassduscher<br />

Klappentext: Der alleinerziehende Hartz-IV-Empfänger<br />

Hans-Peter Ülkekul (33) zieht mit seinem<br />

unter dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom lei<strong>den</strong><strong>den</strong><br />

Sohn Batman (5) als alleinerziehender Vater<br />

in eine deutsch-skandinavische Lesben-WG. Die<br />

bei<strong>den</strong> Frauen haben <strong>ihr</strong>e eigenen Probleme: Solveig<br />

Byström (46) ist depressiv, Gesine Füllbrot<br />

(18) sexsüchtig. Von klassischen Geschlechterrollen<br />

halten sie nichts. Thomas schmeißt <strong>den</strong> Haushalt,<br />

Bob wird ermuntert, Mädchenkleider zu tragen<br />

und Lilifee-Figuren zu sammeln. Als sich der<br />

in seiner Männlichkeit verunsicherte Hans-Peter<br />

im Freibad in die konservative Britta (27) verliebt,<br />

gibt er sich als Bademeister und FDP-Abgeordneter<br />

aus. Er behauptet, mit zwei tollen Frauen in wilder<br />

Ehe zusammen zu leben, und Batman muss<br />

ANDREAS PRÜSTEL


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ihn plötzlich <strong>den</strong> feuchten Gebieter<br />

nennen. Als die interessierte Britta<br />

schließlich die WG besucht, stehen die<br />

Zeichen auf Sturm.<br />

Anselm Neft, bekannt aus dem<br />

Quatsch-Comedy-Club, schrieb etliche<br />

Drehbücher für »Gute-Zeiten, schlech -<br />

te Zeiten«, »Polizeiruf 111«, »Pleiten,<br />

Pech und Pannen« und »Richterin Barbara<br />

Salesch«. »Nassduscher« ist sein<br />

lang erwartetes Romandebüt. Bestsellerverdacht!<br />

Tommy Jaud: »Leider geil.«<br />

Männeken Biss<br />

Klappentext: Brüssel, 2015, ein Missbrauchsskandal<br />

rüttelt an <strong>den</strong> Festen<br />

eines jesuitischen Bubeninternats. Als<br />

zwei hübsche Knaben verschwin<strong>den</strong><br />

und einer kurz darauf ohne einen<br />

Tropfen Blut im Tischtennisraum der<br />

Schule gefun<strong>den</strong> wird, setzt die Stadt<br />

<strong>ihr</strong>en besten Mann auf <strong>den</strong> Fall an:<br />

Inspektor Chateaubriand. Bald schon<br />

stößt er auf eine Verschwörung, die<br />

bis in die Verliese des Vatikans, zu einem<br />

Geheimnis um die außerirdische<br />

Herkunft von Maria Magdalena und<br />

einem mächtigen Vampirklan ehemaliger<br />

Nazigrößen unter dem Kommando<br />

des Nekromanten Christian<br />

Kracht in <strong>den</strong> Katakomben Brüssels<br />

führt. Was keiner weiß: Der sympathische<br />

Griesgram Chateaubriandleidet<br />

an einem Hirntumor und hat nur<br />

noch wenige Wochen. Ein Wettlauf gegen<br />

die Zeit beginnt, bei dem sich die<br />

junge und sehr attraktive Nachwuchsautorin<br />

Daniela Kehlmann als unvermutete<br />

Hilfe erweist.<br />

Bild am Sonntag: »Ganz großes Kino.«<br />

Daniel Kehlmann: »Geschmacklos.«<br />

Titten, Tod und Teufel<br />

Klappentext: Marek ist Söldner. Er tötet<br />

für Geld. Er traut seinem Schwertarm<br />

und sonst niemandem. Er hat sieben<br />

Laster: Sex und Saufen. Er vögelt<br />

eine Wanderhure, die Tochter der Wanderhure,<br />

die Schwester der Tochter der<br />

Wanderhure, die Tochter der Schwester<br />

der Tochter der Wanderhure und<br />

eine Hebamme. Doch schließlich juckt<br />

sein Schwanz, und er muss zum Medicus<br />

...<br />

Anselm Neft, Astrologe, Hobby-Historiker<br />

und Autor des Inquisitions-Reißers<br />

»Gellende Schreie aus gleißen<strong>den</strong><br />

Flammen«, landet mit diesem<br />

Buch einen großen Befreiungsschlag.<br />

Hier sind Männer ganze Kerle und<br />

Frauen dekorative Randfiguren. Endlich<br />

ist das Mittelalter wieder so, wie<br />

es sein sollte.<br />

Ich bin doof – na und?<br />

Klappentext: Doof – keiner ist es selbst,<br />

aber jeder kennt jeman<strong>den</strong>, auf <strong>den</strong><br />

diese Bezeichnung zutrifft. Doofe wer<strong>den</strong><br />

öffentlich diskriminiert, im Berufsleben<br />

gemobbt und als Freunde<br />

oder Partner von <strong>den</strong> Nicht-Doofen<br />

links liegen gelassen. Manche Politiker<br />

fordern sogar, die Doofen in<br />

Deutschland ganz abzuschaffen. Anselm<br />

Neft, selbst seit vielen Jahren<br />

doof, bricht in diesem mutigen Buch<br />

eine Lanze für die Doofen und zeigt<br />

uns nebenbei, was Menschlichkeit<br />

wirklich bedeutet.<br />

Jetzt neu mit großem<br />

»Bin-ich-doof?«-Test!<br />

Kaufen Sie zwei Bücher<br />

zum Preis von nur dreien!<br />

Warten im Godot<br />

Klappentext: Olaf Bollwinkel, ein<br />

Mann mittleren Alters, sitzt in einer<br />

Kneipe namens »Godot« und wartet.<br />

Allerdings hat er vergessen, worauf.<br />

Nur wenige Meter entfernt träumt sich<br />

der gleichaltrige Boris Guercke in seiner<br />

muffigen Altstadt-Bude in eine<br />

wässrige Parallelwelt. Dort ist er ein<br />

Wels: Allein, stumm, auf Beute lauernd.<br />

Dauerstipendiat Neft gelingt mit seinem<br />

ersten Roman ein assoziationsreiches<br />

Vexierspiel ohne Zugeständnisse<br />

an patriarchalisch-heterosexuelle<br />

Konventionen wie Logik, Charakterentwicklung<br />

und epische Gerechtigkeit.<br />

In seinem alle Sprachspiele der<br />

Herrschaft hinterfragen<strong>den</strong> Stil lässt<br />

Neft prophetisch die großen Themen<br />

des neuen Jahrhunderts aufscheinen:<br />

poststu<strong>den</strong>tische Depressionen, Oberligafußball<br />

und Skispringen.<br />

Günter Grass: »Ein Wels ist zwar kein<br />

Butt, aber dieser Neft hat Pfeffer. 1000<br />

Seiten manierierter Stil ohne Handlung:<br />

Endlich wird in Deutschland wieder Literatur<br />

geschrieben.«<br />

Die Beziehungslüge<br />

Warum Partnerschaften<br />

nicht glücklich machen<br />

Klappentext: Singles kommen nach<br />

Hause, sehen, was im Kühlschrank ist,<br />

und gehen ins Bett. Verheiratete kommen<br />

nach Hause, sehen, was im Bett<br />

ist, und gehen zum Kühlschrank. So<br />

lustig dieses kleine Bonmot auf <strong>den</strong><br />

ersten Blick erscheint: Dahinter verbirgt<br />

sich eine bittere Wahrheit. Die<br />

Lebensqualität von Frauen sinkt<br />

durch Beziehungen nachweislich, die<br />

von Männern steigt zwar kurzfristig,<br />

Anzeige<br />

www.aufbau-verlag.de<br />

Gysi im<br />

Bett,<br />

Merkel in<br />

der Sauna<br />

220 Seiten. Mit vielen Fotos. € [D] 14,95. ISBN 978-3-351-03582-2. Ab 6. Oktober im Handel. Auch als E-Book erhältlich<br />

Dass Angela Merkel am<br />

Abend des 9. November 1989<br />

in der Sauna war, ist bekannt.<br />

Aber wie haben andere<br />

Prominente dieses legendäre<br />

Ereignis erlebt? Lustige,<br />

tragische, ungewöhnliche<br />

Erinnerungen.<br />

LITERATUREULE 10/14 73


Die Singlelüge<br />

Warum alleine leben<br />

nicht glücklich macht<br />

Klappentext: Singles: Sie halten sich für anspruchsvoll,<br />

in Wirklichkeit genügen sie <strong>den</strong> Ansprüchen<br />

anderer nicht. Zwar treiben Singles die Wirtschaft<br />

an und sorgen mit Berichten von One-Night-Stands<br />

bei Paaren für Amüsement – im Herzen aber sind<br />

sie unglücklich und fühlen sich als Verlierer. Zu Recht,<br />

wie Anselm Neft in diesem klugen Buch aufzeigt:<br />

Wer es noch nicht einmal schafft, die nötigen Kompromisse<br />

für eine Partnerschaft zu schließen, mit<br />

dem ist auch sonst kein Staat zu machen.<br />

Erzbischof Zollitsch: »Ein Finger in die Wunde unserer<br />

bindungslosen Ich-Gesellschaft. Endlich schreibt mal<br />

einer, wie wichtig stabile Mann-Frau-Beziehungen<br />

sind!«<br />

Die Glückslüge<br />

Warum Glück nicht<br />

glücklich macht<br />

dafür wer<strong>den</strong> sie immer häufiger verlassen und fühlen<br />

sich dann als Verlierer.<br />

Jörg Kachelmann: »Traurig, aber wahr! Ich habe das<br />

Buch 13, nein 14, äh 15 Mal verschenkt.«<br />

Die Kinderlüge<br />

Warum Nachwuchs<br />

nicht glücklich macht<br />

Klappentext: Erst ist einem übel, dann tut es höllisch<br />

weh, dann rutscht rotes Kreischfleisch in die Welt<br />

und zerstört alles, was Menschen heilig ist: Schlaf,<br />

Sex, entspannte Mahlzeiten, Bildung und Freundschaften<br />

zu Menschen ohne Kinder. Und gerade wenn<br />

die völlig kaputten und mittlerweile geschie<strong>den</strong>en<br />

Eltern <strong>den</strong>ken, das Schlimmste sei vorbei, beginnt<br />

die Pubertät.<br />

Wer nach der Lektüre dieses Buches Mütter und<br />

Väter sagen hört, Kinder seien das Schönste im Leben,<br />

der wird in <strong>ihr</strong>em matten Lächeln das Lächeln<br />

gehirngewaschener Sektenanhänger erkennen.<br />

Anselm Neft, selbst sehr lange Kind, deckt schonungslos<br />

und offenherzig eines der letzten Tabus<br />

unserer Zeit auf.<br />

JOHANN MAYR<br />

Klappentext: Anselm Neft, Autor von »Die Kinderlüge«,<br />

»Die Singlelüge« und »Die Beziehungslüge«<br />

holt im vierten Teil seiner investigativen Reihe zum<br />

ganz großen Schlag aus. In seinem Opus Magnum<br />

deckt der schonungslose Chronist unserer Illusionen<br />

die bisher größte Verschwörung des Abendlandes<br />

auf. Nominiert für <strong>den</strong> Ludwig-Börne-Preis und<br />

ein Abendessen mit <strong>den</strong> größten Hackfressen des<br />

deutschen Feuilletons.<br />

Frank Schirrmacher (gechannelt): »Verstiegen, spekulativ,<br />

kenntnisarm, grammatisch originell -- so muss Journalismus<br />

im 21. Jahrhundert sein.«<br />

Sorge dich nicht, klebe!<br />

Mehr Gelassenheit durch Basteln<br />

Kein Klappentext.<br />

Elke Hei<strong>den</strong>reich: »So etwas Schönes habe ich seit meiner<br />

ausgiebigen Heidegger-Lektüre lange nicht mehr<br />

erklebt.«<br />

Anselm Neft<br />

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Krawitter, Krawatter ...<br />

der Sammelband ist wieder da!<br />

Genau vor 30 Jahren erschien der Sammelband rund um<br />

Hahn Krawitter und seine Mäuse-Freunde Stinchen und Minchen<br />

das erste Mal. Die vier humorvollen Geschichten haben<br />

an Charme nichts verloren und zeigen, dass wahre Freunde<br />

zusammenhalten – egal in welcher Lebenslage.<br />

Herbert Friedrich / Gerhard Lahr<br />

Krawitter, Krawatter, das Stinchen, das Minchen<br />

Neuausgabe, gebun<strong>den</strong>, 126 Seiten, ab 4 Jahren<br />

a 12,95 D<br />

ISBN 978-3-407-77176-6


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Biskupeks Auslese (I)<br />

Criminale<br />

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Gna<strong>den</strong>lose Gier (dtv) ist ein Krimi-<br />

Klassiker aus <strong>den</strong> Zwanzigern. Der<br />

Brite C.S. Forestier eroberte damals<br />

Neuland. Es gibt keinen Ermittler, der<br />

mühsam <strong>den</strong> Verbrecher sucht, sondern<br />

der Erzähler berichtet, <strong>den</strong> Blickwinkel<br />

immer mal sacht wechselnd,<br />

wie zunächst ein Mord geschieht und<br />

dann ein zweiter. Dabei erklärt er, wie<br />

sein Mörder tickt. Das ist spannend<br />

und könnte viel spannender sein,<br />

wenn nicht immer mitgeteilt würde,<br />

warum dieser und jener so und nicht<br />

anders handelt. Man heißet dieses<br />

vielleicht psychologische Schreibweise.<br />

Ort ist vor allem ein Londoner Werbestudio.<br />

Da geht es um Anzeigen,<br />

Schriftgrößen und Werbebildchen; gar<br />

putzig erscheint das gegenüber dem,<br />

was heute als Kampagne im Millionenbereich<br />

gestartet wird. Statt einer früheren<br />

deutschen Fassung, die als »Glatter<br />

Mord« (plain murder) firmierte,<br />

gibt es hier eine Neuübersetzung von<br />

Britta Mümmler. Ob das eine gute Entscheidung<br />

war, kann bezweifelt wer<strong>den</strong>,<br />

wenn die Sprachblüte »in keinster<br />

Weise« hier gna<strong>den</strong>los als Erzählersprache<br />

daherkommt.<br />

★<br />

Christophe Carlier lehrt Literatur<br />

an der Pariser Sorbonne und promovierte<br />

über Marguerite Duras. Für Der<br />

Mörder mit dem grünen Apfel (dtv)<br />

bekam er einen Preis für <strong>den</strong> besten<br />

Erstlings-Roman. Drum behauptet<br />

der Klappentext auch, dass das Ganze<br />

ein raffiniertes Versteckspiel sei, sehr<br />

elegant, mit vielen Anspielungen und<br />

überraschen<strong>den</strong> Pointen.<br />

Ich muss ein anderes Buch gelesen<br />

haben. Ein amerikanischer Professor,<br />

eine mäßig verliebte Italienerin, ein<br />

Hotel-Empfangsboy und ein Zimmermädchen<br />

erzählen jeweils über sich<br />

und einen Mord im Hotel. Etwa in<br />

Buchmitte verrät einer, dass er der<br />

Mörder war, was dann aber vielleicht<br />

doch ein Unfall gewesen sein könnte.<br />

Ganz zum Schluss gibt noch eine Ehefrau<br />

<strong>ihr</strong>e Version; mir kommt all dies<br />

wie Schreibübungen vor, die der Literaturlehrer<br />

seinen Sorbonne-Schülern<br />

vorführen wollte.<br />

★<br />

Krimi-Snack, hübsch als solcher äußerlich<br />

und innerlich verschachtelt,<br />

nennt sich Die Sandfrau (ars vivendi)<br />

von Regula Venske. Auf gut hundert<br />

kleinen Seiten erfahre ich, was es<br />

bringt, wenn man in der elektronischen<br />

Hinterlassenschaft des verstorbenen<br />

Partners schnüffelt: schlechte<br />

Laune, Selbstzweifel und am Ende Lebensgefahr.<br />

Dass die berlinerische Art,<br />

»Kaffe« statt »Kaffee« zu sagen, zur Entlarvung<br />

beitragen kann, sollten all<br />

jene be<strong>den</strong>ken, die stolz auf <strong>ihr</strong> unverwechselbares<br />

Idiom sind. Auf je<strong>den</strong><br />

Fall ist diese kleine, genussvolle Zwischenmahlzeit<br />

genau richtig, um die<br />

Zeit bis zu einem großen kriminellen<br />

Abendmahl angenehm gesättigt zu<br />

überbrücken.<br />

★<br />

Wer beim Namen Patricia Holland<br />

Moritz auf Humor, genaue Sprache<br />

und scharfes Urteil hofft, weil es eine<br />

Autorin ähnlichen Namens gibt, die<br />

genau dies alles verkörpert, der wird<br />

schwer enttäuscht sein von Die Einsamkeit<br />

des Chamäleons (Gmeiner).<br />

Wer jedoch weiß, dass alte Nazis in<br />

der DDR Unterschlupf fan<strong>den</strong>, das<br />

Land grau und trüb vor sich hin döste<br />

und Hohenschönhausen die Steigerung<br />

der Inquisition war, wird bei der<br />

Lektüre aufs Korrekteste bestätigt.<br />

Auch im Jahr 2010 tragen die Erben<br />

dieses Staates Hosen aus Polyethylen<br />

und kleinkarierte Hem<strong>den</strong>, lesen das<br />

Neue Deutschland, masturbieren beim<br />

Spitzeln und haben Bilder von Honecker<br />

und Ulbricht an <strong>den</strong> Wän<strong>den</strong><br />

hängen.<br />

Die reiche Rebekka Schomberg<br />

(jene DDR-Nazi-Erbin, bei deren Anblick<br />

die Fieslinge masturbieren) kann<br />

es sich leisten, privat und ohne Gewinnstreben<br />

zu ermitteln. Dazu hat<br />

sie auch einen echten, also freiheitlichdemokratischen<br />

Kriminalisten bei der<br />

Hand, also im Schoße, der sie notfalls<br />

vorm Tode rettet. Zudem weiß sie über<br />

moderne Kunst Bescheid und findet<br />

in vergessenen DDR-Gedichtbän<strong>den</strong><br />

des Rätsels Lösung. Diese Rebekka<br />

»kam sich vor wie ein Schulmädchen.<br />

Neben <strong>den</strong> ernsthaften Themen, die<br />

sie mit Cascone zu besprechen hatte,<br />

hoffte sie auf leichte, schöne, unbeschwerte<br />

Momente mit ihm.«<br />

Ob sie das Erhoffte erreicht, wollen<br />

wir der Fairness halber nicht verraten.<br />

Leserinnen aber wer<strong>den</strong> es mit diesem<br />

Buch weder leicht noch schön<br />

oder unbeschwert haben. Dafür wer<strong>den</strong><br />

sie wie Schulmädchen belehrt<br />

über eine finstere Vergangenheit.<br />

VV<br />

LITERATUREULE 10/14 77


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Biskupeks Auslese (II)<br />

Poe Sie Al Bum<br />

Vor 32 Jahren gab der später anderweitig<br />

bekannt gewor<strong>den</strong>e Sascha Anderson<br />

mit Cornelia Schleime ein<br />

selbstverlegtes Buch dieses Titels heraus,<br />

das als Einzelexemplar heute für<br />

10 692 Euro angeboten wird. In <strong>den</strong><br />

vier Kleinwörtern steckte vieles: Der<br />

Grusel-Autor E. A. Poe, das Ewigweibliche,<br />

das Unendliche und schließlich<br />

der finale Schluss. Auf letzteren hatte<br />

es der rheinische Berliner Edgar Külow<br />

abgesehen, sein Nachlassband<br />

hieß »Poesie-All-Bumm«, heute für<br />

5,99 Euro zu haben. Darinnen manch<br />

polternd Gereimtes, der Kabarett-Autor<br />

und Fußballkolumnist war auch<br />

Endreimdichter.<br />

Ganze 90 Pfennige kostete das orthografisch<br />

korrekte Poesiealbum zu<br />

DDR-Zeiten, eine Lyrik-Heft-Reihe für<br />

<strong>den</strong> Kiosk, beginnend mit Heft 1 Bertolt<br />

Brecht und zunächst en<strong>den</strong>d 1990<br />

mit Heft 275 August Graf von Platen,<br />

<strong>den</strong> ein gewisser Heine, der natürlich<br />

auch ein Poesiealbum hat (Nr. 3) gar<br />

heftig ob seiner Homosexualität verspottete.<br />

Auf 32 Seiten stan<strong>den</strong> durchschnittlich<br />

zwei Dutzend Gedichte, sorgsam<br />

ausgewählt, eine Doppelblattgrafik<br />

und statt weitschweifiger Einordnungen<br />

kurze aphoristische Glanzlichter<br />

über <strong>den</strong> Dichter. Seither gab es Wiederbelebungen;<br />

die kräftigste, bis<br />

heute anhaltende ist die im Märkischen<br />

Verlag Wilhelmshorst seit 2007.<br />

Dort kann man auch Nachdrucke,<br />

zum Beispiel Günter Kunert (Nr. 8)<br />

oder Kurt Tucholsky (Nr. 34), kaufen,<br />

jetzt allerdings für 4 Euro. Von <strong>den</strong><br />

neueren und lieferbaren sei hier Ludvik<br />

Kundera empfohlen (Nr. 281). Es<br />

handelt sich NICHT um <strong>den</strong> Autor der<br />

unerträglichen Leichtigkeit des Seins,<br />

das ist sein in Frankreich lebender<br />

Cousin. Ludvik K. war so bo<strong>den</strong>ständig<br />

tschechisch, dass Übersetzungen<br />

höchst unterschiedlich ausfallen. Reiner<br />

Kunze (Nr. 11), Richard Pietraß<br />

(Sonderheft 60 extra) und der Autor<br />

selber haben es getan, hier aber gab<br />

Eduard Schreiber nicht nur die Texte<br />

heraus, sondern übersetzte auch <strong>den</strong><br />

Großteil.<br />

Was an <strong>den</strong> neueren Heften zu bemäkeln<br />

ist: Früher gab es ein großzügigeres<br />

Druckbild. Auch war in der<br />

klassischen Reihe jedem Gedicht<br />

meist eine eigene Seite beschie<strong>den</strong>,<br />

jetzt hocken die Texte gelegentlich aufeinander,<br />

so dass der Begriff Gedicht<br />

einen Nebensinn bekommt.<br />

★<br />

Es gibt sie noch: echte Gedichtbände.<br />

Die deutsche Sorbin Róža Domašcyna<br />

brachte unlängst Feldlinien<br />

– Gedichte aus fünfundzwanzig<br />

Jahren (EDITION ORNAMENT im<br />

quartus-Verlag) heraus, ein edler,<br />

schwarz gewandeter Band mit beigegebener<br />

Grafik. Gleich der zweite Text<br />

bringt uns in Schwierigkeiten, er heißt<br />

nämlich »Cyklen« und beginnt:<br />

»meine urgroßmutter, die bei weitem<br />

keine uroma war, / sondern eine prawowka,<br />

sprach nur wendisch, wie sie<br />

es / mir auf sorbisch erklärten«. In <strong>den</strong><br />

Anmerkungen erfährt man: »Cyklen:<br />

Bezeichnung für Uroma, Oma, Tochter<br />

(in sorbischer, sorbisch-phonetischer<br />

und deutscher Sprache).« Herausgeber<br />

Jens-Fietje Dwars erklärt<br />

im Nachwort, kurz angebun<strong>den</strong>, dass<br />

sorbisches Lebensgefühl eben nicht<br />

nur Spreewaldtrachten sind.<br />

Titel bedeuten im Buchnormalverkauf<br />

sehr viel, bei Lyrik eher wenig,<br />

da zählt der Name. Daniela Danz hat<br />

<strong>ihr</strong>en Band V (Wallstein) genannt, womit<br />

man zwar Vaterland als Chiffre<br />

verstehen soll, was als römische Ziffer<br />

aber auch <strong>ihr</strong> fünftes Buch sein<br />

könnte.<br />

Dass Poesie auch aus abstrakten Gedankenexperimenten<br />

entstehen kann,<br />

spielt die Autorin mit zwei Gefangenen<br />

durch, deren Strafe je nach Geständnis<br />

variiert. Lohn des Verrats und<br />

Angst des Verräters, das wird als Strategie<br />

und Dilemma vorgeführt: »du<br />

verrätst mich nicht / weil ich deinen<br />

Mund zuhalte«.<br />

★<br />

Wulf Kirsten bekam ein frühes Poesiealbum,<br />

die Nr. 4 von 1968. Jetzt gibt<br />

es vom 80-jährigen Dichter ein Buch<br />

in ähnlichem Umfang und Format<br />

»Was ich noch sagen wollte – Neue<br />

Gedichte« (quartus Verlag). Über fast<br />

fünf Jahrzehnte hinweg nutzt er noch<br />

immer seine selten gewor<strong>den</strong>en sächsischen<br />

Wörter: schrindig, dräuscht,<br />

verschlufft, schiebbock, dunkelmanngemunkel.<br />

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Kleine Bücherei des<br />

Marxismus-Leninismus<br />

Grundlegende Texte des Marxismus-<br />

Leninismus in preiswerten Taschenbuchausgaben,<br />

neu gestaltet, einschließlich aller Vorund<br />

Nachworte.<br />

Bisher erschienen:<br />

Karl Marx<br />

Lohnarbeit und Kapital / Lohn, Preis und Profit<br />

160 Seiten, 7,50 !<br />

W.I. Lenin<br />

Staat und Revolution - Die Lehre des Marxismus<br />

vom Staat und die Aufgaben des Proletariats in<br />

der Revolution<br />

150 Seiten, 7,50 !<br />

W.I. Lenin<br />

Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus.<br />

Gemeinverständlicher Abriß<br />

168 Seiten, 7,50 !<br />

Mao Tse-tung<br />

Fünf philosophische Monographien<br />

Über die Praxis / Über <strong>den</strong> Widerspruch / Über<br />

die richtige Behandlung der Widersprüche im<br />

Volk / Rede auf der Landeskonferenz der Kommunistischen<br />

Partei Chinas über Propagandaarbeit<br />

/ Woher kommen die richtigen Ideen der Menschen?<br />

176 Seiten, 7,50 !<br />

W.I. Lenin<br />

Was tun?<br />

Brennende Fragen unserer Bewegung<br />

252 Seiten, 9,50 !<br />

Karl Marx/Friedrich Engels<br />

Manifest der Kommunistischen Partei<br />

140 Seiten, 7,50 !<br />

Verlag Das Freie Buch<br />

Tulbeckstr. 4f, 80339 München<br />

Telefon 089-54070346 Fax 089-54070348<br />

www.verlagdasfreiebuch.de<br />

LITERATUREULE 10/14 79


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Biskupeks Auslese (III)<br />

Immer sachlich<br />

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VERLAG FÜR NEUAUTOREN<br />

Das Leben des Künstlerpaares Chris -<br />

ta und Gerhard Wolf böte Romanstoff,<br />

doch zunächst hat Sonja Hilzinger<br />

diese »Gemeinsam gelebte Zeit«<br />

(verlag für berlin-bran<strong>den</strong>burg) überaus<br />

sachlich, wie das Literaturwissenschaftlern<br />

geziemt, mit vielen Bildern<br />

auf dreihundert Seiten ausgebreitet.<br />

Es liest sich nicht weg, Kaumkenner<br />

der DDR sollten gelegentlich in Buch<br />

und Internet nachschlagen, <strong>den</strong>n obwohl<br />

die Biografin <strong>ihr</strong>e frühen Erfahrungen<br />

in der westdeutschen Frauenbewegung<br />

machte, ist sie tief in dieses<br />

deutsche Kleinland mit dem riesigen<br />

historischen Anspruch eingedrungen,<br />

sieht manches Wissen als selbstverständlich<br />

an. Der Pingelige bemerkt<br />

Fehler; die legendären Lyrik-<br />

Auswahl-Bände »Neue Lyrik – Neue<br />

Namen« (1966 ff.) beispielsweise besorgte<br />

nicht der Mitteldeutsche Verlag<br />

Halle, sondern der Berliner Verlag<br />

Neues Leben. Als Roman- oder auch<br />

Filmstoff könnte sich dieses Leben eignen,<br />

weil auch außereheliche Liebesbeziehungen<br />

zumindest benannt wer<strong>den</strong>;<br />

demnächst im Hauptabendprogramm<br />

mit Martina Gedeck und Matthias<br />

Brandt als Christa und Gerhard<br />

Wolf.<br />

★<br />

Mit Verve und erstaunlichen Details<br />

hat Friedemann Schreiter die<br />

Strafanstalt Waldheim – Geschichten,<br />

Personen und Prozesse aus drei<br />

Jahrhunderten (Ch. Links) beschrieben.<br />

Spannend wie ein Krimi: Klar, das Buch<br />

ist ja auch sächsische, deutsche, europäische<br />

Kriminalgeschichte. Schrei ter<br />

muss sich durch Berge von Akten gewühlt<br />

haben, der kleingedruckte Anhang<br />

macht <strong>den</strong>noch nicht mehr als<br />

zehn Prozent des Buches aus. Erfreulich<br />

der ausgewogene, sachbezogene<br />

Umgang mit Geschichte, die Waldheimer<br />

Prozesse sind eben nur ein Teil;<br />

Täter und Opfer haben alle <strong>ihr</strong>e Biografien.<br />

Dass der Häftling Karl May<br />

ausgiebig vorkommt, war für <strong>den</strong> Autor<br />

Nachnutzung: Er hatte ihn schon<br />

in Hörspielen und Drehbüchern beim<br />

Wickel, wie man in Sachsen sagt.<br />

★<br />

»Über die Mauer im Kopf« hat Anja<br />

Goerz viele Stimmen, Meinungen<br />

und Lebenserinnerungen gesammelt<br />

und nennt sie Der Osten ist ein Gefühl<br />

(dtv). Ganz so gefühlig wollen<br />

wir <strong>ihr</strong> das nicht durchgehen lassen.<br />

Die Westdeutsche ließ <strong>ihr</strong>en ostdeutschen<br />

Interviewpartnern nämlich zu<br />

viel durchgehen. Auch wenn Regine<br />

Sylvester behauptet, Frauen hätten in<br />

der DDR mit 63 Rente bekommen:<br />

das weibliche Renteneintrittsalter war<br />

der letzte Tag des Vormonats, in dem<br />

das Ende des 60. Lebensjahres erreicht<br />

wor<strong>den</strong> war, um es juristendeutsch zu<br />

formulieren. Und der empörte Ausruf<br />

»Studieren durften nur Arbeiterkinder!«<br />

sollte inzwischen auch ins große<br />

Sagenreich verwiesen wer<strong>den</strong>. Bis<br />

heute wird zudem fabuliert, dass alle<br />

Stu<strong>den</strong>ten, unabhängig vom Einkommen<br />

der Eltern, das volle Stipendium<br />

erhielten. Und wenn unsere DDR-Forscher<br />

nicht gestorben sind, erfin<strong>den</strong><br />

sie gern immer wieder neue Märchen.<br />

★<br />

Schon viele Forscher haben ganz ernsthaft<br />

versucht herauszufin<strong>den</strong>, warum<br />

wir lachen. Nun gab auch Frank Lisson<br />

unter dem Titel Humor (zu Klampen<br />

ESSAY) seinen Senf dazu. Und<br />

weil wir nicht alle Humor-Experten,<br />

die er anruft, von Schopenhauer bis<br />

Kierkegaard, hier wiedergeben wollen,<br />

bleiben wir beim Dreibuchstabenstaat<br />

von einst: »Der Witz sei ein überlisteter<br />

Schmerz, sagte man in der DDR.«<br />

Weiß Frank, der Humorige, und<br />

spricht mit nur einem Punkt dazwischen<br />

weiter: »Und von Bertolt Brecht<br />

stammt der Satz: ›Es ist schlimm, in<br />

einem Land zu leben, in dem es keinen<br />

Humor gibt. Aber noch schlimmer<br />

ist es, in einem Lande zu leben, in<br />

dem man Humor braucht.‹« Unsereins<br />

hat da noch irgendein Brecht-Zitat im<br />

Hinterkopf mit dem Land, das unglücklich<br />

sei, wenn es Hel<strong>den</strong> braucht,<br />

aber wir müssen ja nicht ernsthaft lachen.<br />

Wir nehmen lieber English for fun<br />

aus dem wahrlich verdienstvollen Reclam-Verlag<br />

zur Hand und teilen mit,<br />

wie man Meinungen zu Büchern formulieren<br />

sollte, selbstverständlich sagen<br />

wir’s durch die englische Blume:<br />

Sometimes it’s better not to say what<br />

you think, especially if you’re thinking<br />

something nasty, rude or taboo. English<br />

has lots of ways to beat around<br />

the bush … Wir klopfen weder auf<br />

noch <strong>den</strong> George W. Bush, dessen Memoiren<br />

die Forscher der Welt demnächst<br />

ehrfürchtig wer<strong>den</strong> erstarren<br />

lassen. Im deutschen Fernsehen mit<br />

Matthias Brandt in der Hauptrolle.<br />

LITERATUREULE 10/14 81<br />

www.novumverlag.com<br />

Heidi Diener<br />

Freunde<br />

auf vier Beinen<br />

ISBN 978-3-99038-447-3<br />

92 Seiten<br />

Euro (A) 14,90<br />

Euro (D) 14,50<br />

SFr 21,90<br />

In neun Kurzgeschichten bringt Heidi<br />

Diener <strong>den</strong> Lesern die Tierwelt näher. Eine<br />

Katze, die Brillen sammelt, ein Hund, der es liebt, auf dem<br />

Motorrad mitzufahren, oder ein Pferd, welches Vertrauen lernt<br />

und lehrt. Ein Buch, das zu Herzen geht.<br />

Veronika Städing<br />

Dornröschen<br />

schläft<br />

nicht mehr<br />

ISBN 978-3-99038-484-8<br />

200 Seiten<br />

Euro (A) 21,90<br />

Euro (D) 21,30<br />

SFr 31,50<br />

Das Märchen von Dornröschen wird<br />

auf moderne Art und Weise mit der<br />

heutigen Zeit verbun<strong>den</strong>. Die behütete Königstochter erwacht<br />

nach einem 500-jährigen Schlaf im Jahre 2011 und<br />

wird mit einer ungeahnten Freiheit konfrontiert. Dabei<br />

gerät sie in Situationen, von <strong>den</strong>en sie im Mittelalter nicht<br />

einmal zu träumen wusste.<br />

novum publishing gmbh<br />

Kurfürstendamm 21 · 10719 Berlin<br />

office@novumverlag.com · www.novumverlag.com<br />

Manuskripte herzlich<br />

willkommen!


S A C H B U C H<br />

T R O P E N<br />

<br />

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LESE<br />

ZEICHEN<br />

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Begräbnisse<br />

zum Totlachen<br />

Sie wer<strong>den</strong> sterben. Das ist eine Tatsache, mit der Sie sich irgendwann abfin<strong>den</strong> müssen.<br />

Letzten Endes gibt es momentan rund sieben Milliar<strong>den</strong> Menschen auf der Welt, von <strong>den</strong>en<br />

jeder einzelne eines Tages eine Beerdigung nötig haben wird. Gestalten wir sie doch<br />

so abgefahren wie möglich! »Begräbnisse zum Totlachen« betrachtet rund einhundert<br />

schräge, unheimliche und teilweise eklige Formen. Machen Sie es sich gemütlich!<br />

Das unendliche Begräbnis<br />

Im Laufe der Geschichte haben eine ganze Menge<br />

Kulturen Begräbnisse mit Partycharakter geschmissen,<br />

aber selten einmal stand dabei der Verstorbene<br />

derart im Mittelpunkt wie in Buguias auf <strong>den</strong> Philippinen.<br />

Wenn dort einer stirbt, wird er nicht in<br />

eine Kiste gepackt – vielmehr ist er eine Woche oder<br />

auch länger Ehrengast bei einer gewaltigen Grillfete.<br />

Immerhin ist er dabei nicht – wie anderswo<br />

schon mal üblich – das Hauptgericht.<br />

Wenn ein Stammesmitglied stirbt, wird er sofort<br />

auf einen Stuhl vor seinem Haus gesetzt. Da jedoch<br />

Leichen immer wieder Schwierigkeiten mit dem<br />

Aufrechtsitzen haben, wer<strong>den</strong> sie an Kopf, Armen<br />

und Füßen festgebun<strong>den</strong>. Dann beginnt eine Festlichkeit,<br />

die ein paar Tage oder auch Monate dauern<br />

kann. Da keinerlei Einbalsamierung im Spiel<br />

ist, setzt die Zeit der verwesen<strong>den</strong> Leiche ziemlich<br />

zu. In dem verzweifelten Versuch, sie zumindest einigermaßen<br />

gut aussehen zu lassen,<br />

muss einer neben <strong>ihr</strong> sitzen und die<br />

Fliegen verjagen, was schon binnen kurzem<br />

recht sinnlos sein dürfte.<br />

Freunde und Verwandte bringen Geschenke<br />

in Form von leben<strong>den</strong> Nutztieren,<br />

und zwar jeweils ein Männchen<br />

und ein Weibchen. Am ersten Tag wer<strong>den</strong><br />

genauso viele Tiere geschlachtet<br />

und zubereitet, wie die Trauergemeinde verdrücken<br />

kann. Doch dann setzt eine richtiggehende Großschlachtung<br />

ein, bei der nicht nur sämtliche mitgebrachten,<br />

sondern auch viele Tiere des Verstorbenen<br />

dahingemetzelt wer<strong>den</strong>. Je wohlhabender die<br />

Person war, desto mehr Tiere wer<strong>den</strong> verzehrt –<br />

und warum auch nicht, <strong>den</strong>n so hätte der Verstorbene<br />

das ja auch gewollt, oder? Die Menge an<br />

Fleisch ist Indikator dafür, welche Stellung der Tote<br />

innerhalb der Gemeinschaft eingenommen hat; im<br />

Fall eine Superreichen wer<strong>den</strong> also monatelang<br />

Tiere getötet und zubereitet, wobei es gut und gerne<br />

zur Auslöschung halber Her<strong>den</strong> kommen kann. Und<br />

da mehr verfügbares Essen gleichzeitig mehr Esser<br />

erfordert, nehmen derartige Begräbnisse gern auch<br />

mal Festivalcharakter an. Gibt man zu dieser Mischung<br />

noch Unmengen von Alkohol, hat man einen<br />

Haufen Leute beieinander, die sich die Nächte<br />

Ich möchte friedlich<br />

im Schlaf sterben<br />

wie mein Vater,<br />

und nicht schreiend<br />

und verängstigt<br />

wie seine Passagiere.<br />

Bob Monkhouse<br />

um die Ohren schlagen, fressen und saufen bis zum<br />

Gehtnichtmehr und zwischendurch gern mal ein<br />

Liedchen anstimmen, um <strong>den</strong> Verstorbenen bei<br />

Laune zu halten.<br />

Wenn genügend Fleisch konsumiert wurde, wird<br />

der Tote schließlich beerdigt.<br />

Die wundersame Welt<br />

der Nachrufe<br />

Die meisten Leute mögen es nicht sonderlich, wenn<br />

man an die Toten erinnert, indem man sie beleidigt.<br />

Journalisten hatten jedoch schon immer <strong>ihr</strong>e<br />

Geheimcodes, um nachteilige Aussagen bezüglich<br />

einer Person vollkommen unanstößig rüberzubringen.<br />

Es gibt allerdings auch Nachrufe, die auf jede<br />

Beschönigung verzichten. Als Dolores Aguilar im<br />

Jahre 2008 starb, fiel keinem <strong>ihr</strong>er 48 Nachkommen<br />

auch nur ein einziges freundliches Wort ein,<br />

dementsprechend wurde in einer kalifornischen<br />

Zeitung folgender Nachruf<br />

veröffentlicht:<br />

»Dolores hatte keine Hobbys, leistete<br />

keinerlei gesellschaftlichen Beitrag<br />

und war <strong>ihr</strong> Leben lang weder zu einem<br />

freundlichen Wort noch zu einer<br />

guten Tat bereit. Ich spreche für die<br />

Mehrheit <strong>ihr</strong>er Familie, wenn ich sage,<br />

dass kaum einer sie vermissen wird, dass es kaum<br />

Tränen geben wird und dass kaum jemand <strong>ihr</strong> Dahinschei<strong>den</strong><br />

beklagen wird … Es wird keine Trauerfeier,<br />

keine Gebete und keine Verabschiedung vonseiten<br />

der Familie geben, deren Zerstörung sie <strong>ihr</strong><br />

Leben gewidmet hat.«<br />

Autsch!<br />

(leicht gekürzt)<br />

9 7 8 3 6 0 8 5 0 3 2 6 5<br />

Kathy Benjamin: Begräbnisse<br />

zum Totlachen.<br />

Die durchgeknalltesten Bestattungen<br />

aller Zeiten,<br />

Tropen, 206 S., 16,95 Euro.<br />

82 LITERATUREULE 10/14


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Blumen für <strong>den</strong> Underdog<br />

Niemals war Kalle der Dissi<strong>den</strong>t der Penne! Er hatte<br />

dem FDJ-Chef <strong>den</strong> Zeigestock wegen Ludmila reingerammt.<br />

Für Kalle ging es immer nur um Ludmila. Er<br />

fuhr ein, weil <strong>ihr</strong> die Sau so aufs Schwein ging.<br />

Im Knast stand er an der Stanze, schrieb Storys<br />

nach der Schicht, machte aus Ludmila eine Liz, aus<br />

dem FDJ-Heini Duke, die Drohne. Die Anstaltsleiterin<br />

las gegen. Als er rauskam, war Liz im Ballon<br />

übern Harz. Bei <strong>den</strong> Russen in Moskau grummelte<br />

es schon.<br />

Kalles Zeit kam übers Jahr, <strong>den</strong> Krawallen auf der<br />

Straße wich er aus; für Kurzgeschichten taugten so<br />

Wutbürger ja kaum. Knackis und Lu<strong>den</strong> kamen besser.<br />

Zocker, Boxer, Schwuchteln. Er hatte Capote, Carver<br />

und Cheever studiert, wusste, ein Text muss knapp<br />

sein, böse und hart. Gut war, was von unten kam.<br />

Eine Literaturzeitschrift griff zu, eine zweite und<br />

dritte, einmal sogar nahm ihm der Playboy was ab.<br />

Das Debüt traf einen Nerv; ein Papst schrieb »Fort damit!«,<br />

ein anderer »Mehr!«<br />

Kalle kam hoch als Underdog. Auch er hatte Storys<br />

drauf, die Gesunde depressiv machen konnten.<br />

Das Ziel war, dass sich der Leser erschoss.<br />

Reich wie Grass, wurde er friedlich und faul, gefiel<br />

sich als Snob, las Maupassant, Tucholsky, Karl<br />

Kraus – gern hätte er mal so was wie »Schloss Gripsholm«<br />

gemacht. Aber der Verlag verstand sich aufs<br />

Drillen, Kalle war ein Fang, für <strong>den</strong> es sich lohnte.<br />

Am Schluss gab er nach. Berühmt zu sein, war ja<br />

auch okay.<br />

Um sich runterzuholen, griff er wieder zum<br />

Schnaps, holte Bukowski vom Schrank, fuhr lesend<br />

sich hoch. Der Gipsei-Effekt funktionierte wie immer:<br />

In Wirklichkeit, das wusste ich,<br />

war ich ein ganz netter Kerl.<br />

Charles Bukowski<br />

sofort brütete er wieder was aus. Machte die alte<br />

Dame, seine Nachbarin, zur Weißhaarigen Fut, <strong>den</strong><br />

Frührentner vom Parterre zum Dealer. Den Background<br />

gab die Junge Gemeinde vis-à-vis: eine Gang<br />

zugeknallter Junkies. Das Thema war Scheitern, er<br />

der Solist. Ein Riff die Tristesse in der Vorstadt, die<br />

bordeauxrote Bar mit dem Luder vom Land. Je elender<br />

es wegstrudelt, desto markanter der Plot.<br />

Danach stach Kalle der Hafer erneut. Er ließ ein Kabinettstück<br />

raus, weil sein Tagwerkchen ihm jäh so absurd<br />

vorkam, eine Parodie auf <strong>den</strong> Autor am Band. Der<br />

Lektor lachte auch, als sein Dompteur freilich nur kurz.<br />

Doch der Schreck war umsonst: gebändigt sprang Kalle<br />

ins Laufrad zurück. In der Folge warf Nina ihn raus –<br />

Novelle vom Morgen danach.<br />

Die Akademie nahm ihn auf; er saß in Talkshows<br />

rum, der Verlag schickte ihn los auf Tournee. Er hätte<br />

gurgeln können mit Dom Pérignon; ihm reichte es, dass<br />

er wieder Zeit fand zum Skat.<br />

Er lag auf dem Hotelbett nach der Show, leer wie<br />

seine beste Figur. Unmöglich, sie nicht mit sich selbst<br />

zu verwechseln. Rülps, hatte ihn seine Mutter geschimpft,<br />

einen Widerling, seine zarte kleine Schwester.<br />

Er erhob sich, weil es klopfte, ging in Socken zur Tür,<br />

erschrak vor einem enormen Strauß Blumen, dann vor<br />

Liz. Liz war ihm komplett entfallen.<br />

Gott, wie sie in seinem Text gebibbert hatte, im Kleidchen<br />

auf dem Riesenrad, die Schminke verlaufen vom<br />

Guss. Unten in Bitterfeld lauerte Duke, die Drohne. Es<br />

durfte geraucht wer<strong>den</strong> in allen Gondeln; selbst Venedig<br />

war zu sehen von so hoch oben.<br />

Rainer Klis<br />

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„Es gibt eine wunderbare neue Buchreihe, die heißt<br />

.“<br />

Denis Scheck (Druckfrisch)<br />

Neu 2014:<br />

Scholastique Mukasonga (Ruanda) Mia Couto (Mosambik) Ben Okri (Nigeria)<br />

Scholastique Mukasonga<br />

Die Heilige Jungfrau vom Nil<br />

Roman<br />

Aus dem Französischen<br />

von Andreas Jandl<br />

184 Seiten, EUR 24,80<br />

ebook EUR 16,99<br />

Mia Couto<br />

Jesusalem<br />

Roman<br />

Aus dem Portugiesischen<br />

von Karin von Schweder-Schreiner<br />

214 Seiten, EUR 24,80<br />

ebook EUR 16,99<br />

Ben Okri<br />

Wild<br />

Gedichte<br />

Englisch-Deutsch<br />

Deutsch von<br />

Brigitte Oleschinski<br />

182 Seiten, EUR 18,90<br />

Herausgegeben<br />

von Indra Wussow<br />

Verlag Das Wunderhorn<br />

Rohrbacher Straße 18<br />

69115 Heidelberg<br />

www. wunderhorn.de


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Der Literat<br />

Fest entschlossen, mit Simson Mopeds (SR2) rund zweitausend<br />

Kilometer zurückzulegen, planten 1990 zwei<br />

junge Dresdner eine ungewöhliche Reise nach Paris. Ohne<br />

Sprach- und Ortskenntnisse fuhren sie über Luxemburg<br />

nach Frankreich, lernten Land und Leute vom Sattel <strong>ihr</strong>er<br />

Einsitzer kennen. Allein Werkzeug und Ersatzteile wogen<br />

16 Kilogramm, welche die bei<strong>den</strong> SR2 nebst Fahrer und<br />

Gepäck zu transportieren hatten. Eine starke Leistung für<br />

ganze 1,5 PS. Das große Ziel, der Eiffelturm, spielt in<br />

dieser Geschichte fast eine Nebenrolle, bei all <strong>den</strong> bunten<br />

Eindrücken, die André und Torsten mit 45 Kilometer pro<br />

Stunde sammelten.<br />

»Mit dem SR2 1990 von Dres<strong>den</strong> nach Paris«<br />

André Kiesewalter und Torsten Naumann<br />

Heft, 32 Seiten, 13×21cm<br />

vollfarbig gedruckt, Eigenverlag<br />

4,50 Euro + Versand<br />

Bestellung per E-Mail: info@kopielot.de<br />

telefonisch: 03501-52 99 00<br />

www.sr2tour.de.de<br />

86 LITERATUREULE 10/14<br />

Detlef Senf hat ein Buch geschrieben!<br />

Ein ungeheuerliches Ereignis, war doch<br />

schon immer klar gewesen, dass Detlef<br />

nicht mal banale Einkaufszettel verfassen<br />

konnte, ohne dabei grammatikalische<br />

Bombentrichter zu hinterlassen.<br />

Seine Mutter Magda Senf soll angeblich<br />

auch deswegen <strong>den</strong> Freitod gewählt<br />

haben, weil sie damals zum Muttertag<br />

in der Küche folgende Botschaft fand:<br />

»Mutta! Toll oder? Habe das volle Dorf<br />

überall voll mit Plakate verklebt, das<br />

du echt voll die Mutta! Hatte dir auch<br />

Heute so zum Ausdrücken deswegen<br />

Blumen zerpflückt!« Neben dem Zettel<br />

fand man verschrumpelte Osterglocken,<br />

die brutal in eine enge Vase gestopft<br />

wor<strong>den</strong> waren, und einen halben Meter<br />

rechts davon die frisch erhängte<br />

Magda Senf über der Tiefkühltruhe baumelnd.<br />

Der mutterlose Detlef beglückte danach<br />

seinen trauern<strong>den</strong> Vater Otto Senf<br />

lebenslang mit selbst verfassten Gedichten,<br />

ein tödlicher Schlaganfall folgte irgendwann,<br />

und so erbte Detlef am Ende<br />

schließlich die Familienschlachterei<br />

Senf in Oberdüppeln.<br />

Das Erbe bescherte Detlef ein sorgloses<br />

Leben, doch sein Geist fühlte sich<br />

zu Höherem berufen. Abend für Abend<br />

opferte er zahllose Stun<strong>den</strong> der verzweifelten<br />

Suche nach passen<strong>den</strong> Buchstaben<br />

und Worten, bis dann endlich, nach<br />

vielen schürfen<strong>den</strong> Jahren, das Ei gelegt<br />

war: sein Lebenswerk! Ein 547-DIN-<br />

A4-Seiten-Denkmal mit dem Titel<br />

»Kein Fleisch ohne Preis!«, das am Ende<br />

sogar einen Verlag fand, obwohl sich<br />

das Buch auf sämtlichen Seiten ungefähr<br />

so liest: »Solange ich lebend Knochen<br />

von Fleisch löste, war ich schon<br />

ständig klar, das dass nicht alles hätte<br />

gewesen sein können. So dachte ich, das<br />

nicht nur Fleisch und Lösen von Knochen<br />

das war (nämlich immer nur Lösen<br />

von Fleisch von Knochen), ohne daneben<br />

aber kein Glück bei all dessen<br />

zu besessen haben, wo man es doch eigentlich<br />

viel mehr hätte verdient haben<br />

müsste. Nein, – alleine das wäre für<br />

mich in Wirklichkeit zu wenig gewor<strong>den</strong>!«<br />

Selbst die Handlung ist schnell erzählt:<br />

Ein kleiner Junge aus Oberdüppeln,<br />

schon früh der hohen Literatur<br />

verschrieben, gerät durch <strong>den</strong> Verlust<br />

seiner Eltern unter das Joch ererbten<br />

Familienbesitzes und muss unter Qualen<br />

sein Leben lang Fleisch von Knochen<br />

lösen. Allein der Vorgang, Fleisch<br />

von Knochen zu lösen, nimmt in erbrechen<strong>den</strong><br />

Einzelheiten fast zwei Drittel<br />

des Buches ein. Am Ende dann die Erlösung<br />

sowohl für <strong>den</strong> Leser als auch<br />

für <strong>den</strong> Schreiber: die Anerkennung führender<br />

geistiger Kräfte im Land, Fortuna<br />

in Person, die aus <strong>ihr</strong>em Füllhorn viele<br />

Detlef-Gips-Köpfe in die Foyers führender<br />

Bibliotheken schüttet und ehrfürchtiges<br />

Verbeugen in <strong>den</strong> Feuilletons auslöst.<br />

Die Suche nach einem Verlag gestaltete<br />

sich schwer, zumal Detlefs Manuskripte<br />

in renommierten Häusern sofort<br />

in der nächsten Tonne landeten – angeblich<br />

zum Schutz dort arbeitender<br />

Lektoren. Doch schließlich ein Schreiben<br />

der »Deutschen Literatengemeinschaft«:<br />

Eine große Ehre angeblich, sein<br />

Buch verlegen zu dürfen. Neben mitgeliefertem<br />

Vertrag in teurem Papier noch<br />

eine Hochglanzbroschüre mit Fotos vonschweren<br />

Ledersofas vor gewaltigen Bücherwän<strong>den</strong>,<br />

das Porträt irgendeiner<br />

Großfamilie aus der Kaiserzeit nebst Abbildung<br />

namhafter Autoren sowie mit<br />

Bildern der wuchtigen Geschäftsräume<br />

des Verlages, – eindrucksvoll, souverän<br />

und pompös seriös.<br />

Geschafft! Der geistige Olymp ward<br />

erklommen, und mit seinem Kopf und<br />

einem Bein schon zwischen <strong>den</strong> Säulen<br />

von Walhalla taumelnd, unterschrieb<br />

Detlef euphorisch die Bedingungen. Er<br />

überwies freudig die geforderten 15 000<br />

Euro Eigenbeteiligung, bekam dafür 40<br />

gedruckte Freiexemplare mit dem heiligen<br />

Versprechen, die Auflage von<br />

2 500 Stück werde tatsächlich gedruckt,<br />

falls irgendwann mal irgendwo Nachfrage<br />

bestehen sollte. Außerdem verfasste<br />

der Verlag noch gewaltige Rezensionen<br />

mit Urteilen wie »fleischlich-lebendig<br />

und intellektuell erstechend«,<br />

»ein Tiefgang, der zwischen die Zeilen<br />

prescht« oder »neuer Abendstern am<br />

geistigen Nachthimmel«.<br />

Dann passierte lange Zeit nichts. Detlef<br />

verkaufte irgendwann zwei Exemplare<br />

auf einer Lesung im Gasthaus<br />

»Zum toten Hirschen« in Oberdüppeln,<br />

weil zufällig alte Freunde dort waren<br />

und irgendwie Mitleid mit ihm hatten.<br />

Auch sämtliche selbstfinanzierten Werbemaßnahmen<br />

wie Banner an Flugzeugen,<br />

das Plakatieren bäuerlicher Stalltüren<br />

mit seinem Konterfei sowie kreischende<br />

Lautsprecherwagen mit Bonbons<br />

schmeißen<strong>den</strong> Go-Go-Girls führten<br />

am Ende zu nichts bzw. ganz am<br />

Ende schließlich zur Insolvenz der väterlichen<br />

Schlachterei.<br />

Detlef lebt heute als Obdachloser in<br />

Berlin und wird manchmal am Bahnhof<br />

Zoo gesichtet, wo er mit verzweifelt<br />

angemalten Pappschildern auf sein<br />

Buch aufmerksam machen will, um<br />

wenigstens noch die 40 Freiexemplare<br />

zu verkaufen. Erfolgreich scheint er<br />

nicht zu sein, <strong>den</strong>n der Stapel wird nicht<br />

kleiner.<br />

Zarras


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Bananensplit und<br />

schwarze Bohnen<br />

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Warum schwere Literatur oftmals so schwer im Magen liegt<br />

Einer der faszinierendsten Fachbereiche der Literaturwissenschaft ist wahrscheinlich die<br />

»Gourmet-rezeptive Textanalyse« (GORE-TEX), bei der medizinische und gastronomische<br />

Forschungsmetho<strong>den</strong> herangezogen wer<strong>den</strong>, um Textform und -genese bekannter<br />

Dichter und Denker zu ergrün<strong>den</strong>. Sie gliedert sich in die Teilbereiche »Gastrointestinale<br />

Inhaltsanalyse«, »Abrechnungsbasierte Textgenese« und »Nährstoffbedingte Graphemforschung«,<br />

die allesamt in der Metadisziplin »Lebensmitteltranskribierende GORE-TEX«<br />

<strong>ihr</strong>e praktische Anwendung fin<strong>den</strong>.<br />

die ‘krautz<br />

Roman<br />

Taschenbuchh<br />

253 Seiten | 16,80 Euro<br />

SBN 978-3-942885-65-2<br />

Die 80er in der Kleinstadt. Punk, Hippies, Dro<br />

gen – Und viel mehr!<br />

Schambers versucht sich als Dichter. Dudek spielt in einer Band. Henny<br />

löst sich von <strong>den</strong> Nazi-Punks. Barbara verliert <strong>ihr</strong>e Freundin ans Heroin.<br />

Die Chaostage können kommen!<br />

Hennys Vater versucht <strong>den</strong> Punks Kultur nahezubringen. Schambers<br />

steigt darauf ein. Dudek läuft vor eine Straßenbahn.<br />

Das Unheil nimmt seinen Lauf.<br />

Fehlen nur noch die Schamanen!<br />

Yori Gagarim<br />

Let them talk<br />

What genitals have to say<br />

about gender –<br />

a graphic survey<br />

Comic book – in english<br />

Taschenbuch<br />

64 Seiten | 5,80 Euro<br />

ISBN 978-3-942885-68-3<br />

Wenn über Geschlecht gesprochen wird, wird oft auch über Genitalien<br />

gesprochen. Meist wird dabei außer Acht gelassen, dass es sich dabei<br />

größtenteils um Vermutungen, Vorannahmen<br />

und Zuschreibungen<br />

handelt.<br />

Es ist also mehr als an der Zeit, Genitalien selbst zu Wort kommen zu<br />

lassen! Die graphische Umfrage „Let them talk!“ (Lass sie re<strong>den</strong>!) ist<br />

eine Kollektion von Zitaten und Portraits von 46 einzigartigen<br />

Genitalien.<br />

Ein kurzweiliges und informatives Büchlein, das nicht nur in jede Tasche<br />

passt, sondern direkt unter die Wäsche geht!<br />

Bei der »Gastrointestinalen Inhaltsanalyse« liegt der<br />

Forschungsschwerpunkt auf der Wechselwirkung<br />

zwischen Input (Magen-, Darminhalt) und Output<br />

(literarischer Text). Prof. Dr. Moritz Puschel von<br />

der Freien Universität Niederwürzbach hat sich dabei<br />

auf die Dichter der Weimarer Klassik spezialisiert.<br />

Bei der Exhumierung von Goethes Kunstdarm<br />

im Jahr 2004 konnte sein Forscherteam nach mehr<br />

als 150 Jahren <strong>den</strong> Genuss von Schoko-Bananengelee<br />

nachweisen: »Wir hatten etwas in der Art erwartet.<br />

Bereits die Häufigkeit von Buchstaben im<br />

›Götz von Berlichingen‹ deuten auf gastrointestinale<br />

Verstopfungen hin. Das berühmte Götz-Zitat bestätigt<br />

diese Theorie, da es eine ungewöhnliche Methode<br />

beschreibt, wie Goethe die Darmperistaltik<br />

zu beschleunigen suchte. Da exzessiver Bananengenuss<br />

häufig mit Stuhlproblemen einhergeht, können<br />

wir darauf schließen, dass der Maestro für sein<br />

Leben gerne Chiquitas gegessen hat. In seiner Bananenhochphase<br />

verdichteten sich die Verstopfungen<br />

so weit, dass man bereits von Dichtung sprechen<br />

konnte. War der Darm mal wieder dicht, half<br />

Goethe mit dem Klistier nach, weswegen wir heute<br />

noch vom ›Sturm und Drang‹ sprechen, wenn der<br />

Herr Geheimrat mit Volldampf aufs stille Örtchen<br />

stürmte, um seinem Drang nachzugeben. ➤<br />

MARIAN KAMENSKY<br />

Marcos Denegro | afb<br />

Anarchistisches<br />

Wörterbuch<br />

Eine Orientierungshilfe durch <strong>den</strong><br />

Begriffsdschungel anarchisti-<br />

scher und emanzipatorischer<br />

Bewegungen<br />

aschenbuchh<br />

144 Seiten | 12,80 Euro<br />

SBN 97<br />

8-3-942885-47-8<br />

Anarchist*innen haben <strong>ihr</strong>e eigenen Theorien, P<br />

raktiken und Fachwörter,<br />

die außerhalb dieser Bewegung kaum verstan<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>.<br />

Das Anarchistische Wörterbuch will hierbei Abhilfe schaffen, indem es<br />

für alle Interessierten diese Begriffe erklärt.<br />

Darüber hinaus soll das Wörterbuch – von <strong>den</strong> Begriffsdefinitionen<br />

ausgehend – auch eine Diskussion anregen.<br />

www.edition-assemblage.de<br />

LITERATUREULE 10/14 89


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Ein Wendepunkt in Goethes Schaffen war die Erfindung<br />

des ›Bananensplit‹ durch <strong>den</strong> Weimarer Eisdielenbetreiber<br />

Mario Zabaione im Mai 1801, der<br />

aus Kostengrün<strong>den</strong> * auf echtes Obst verzichtete und<br />

es durch naturi<strong>den</strong>tische Aromastoffe ersetzte. »Hier<br />

vollzieht Goethe eine stilistische Wende in seinem<br />

Schaffensprozess, was man besonders am zweiten<br />

Teil des ›West-Östlichen Diwan‹ erkennen kann, wo<br />

alles mit einer bis dahin nicht von ihm gekannten<br />

Leichtigkeit aus ihm herauszuquellen scheint.«<br />

Prof. Dr. Hartmut Tiefenstaub von der Rudi-<br />

Schuricke-Universität Schwäbisch Gmünd sammelt<br />

allerlei Quittungen, Kassenbons und Restaurantrechnungen<br />

– nicht für die Steuer, sondern für sein<br />

Fachgebiet der »Abrechnungsbasierten Textgenese«.<br />

Erstmals wurde diese Methode 2007 nach einem<br />

Sensationsfund in einem Klingelbeutel der Athanasius-Kapelle<br />

in Hattersheim angewandt. Die dort<br />

auf mysteriöse Weise wiederaufgetauchte »Quittung<br />

aus der Fischauktionshalle von Vopnafjördur« des<br />

isländischen Aphorismendichters Snorri Ewalðsson<br />

lieferte <strong>den</strong> Schlüssel zur Enträtselung seines<br />

»Schachproblems 153: ›Matt in einem Zug‹ in der<br />

Zeitschrift ›Schachmatt!‹, Heft 21, 1936« sowie eine<br />

handfeste Erklärung dafür, warum sich der nordische<br />

Wahlexistentialist am Vorabend des Zweiten<br />

Weltkriegs mit hartnäckiger Diarrhöe auseinandersetzen<br />

musste.<br />

In einem späteren Projekt gelang es, Tiefenstaub<br />

anhand des »Kassenbons aus dem Wienerwald«<br />

nachzuweisen, dass der »Mann mit dem Bulldoggkopf«<br />

in Ödön von Horváths Theaterstück »Kasimir<br />

und Karoline« in der Rohfassung noch als »gnä’<br />

Frau mit dem Brathändl-Körper« angelegt war. Und<br />

in Zusammenarbeit mit Daniel Barenboim verfolgte<br />

er die Spur von Beethovens »Heiligenstädter Supermarktrechnung«<br />

rekursiv zu Schillers »Ode an die<br />

Freude« und entdeckte, dass sie an »Fünf Dosen<br />

Schwarze Bohnen in Chili-Sauce à 89 Kreuzer« gerichtet<br />

war, weswegen Beethoven seine »Neunte«<br />

ursprünglich in Arsch-Dur komponieren wollte.<br />

Prof. Dr. Dr. Dorothée Chapeau-Brûlée von<br />

der »Freien Forschungsgruppe NÄGRA-TEX« im<br />

Hochsauerwald ist diese Herangehensweise viel zu<br />

grobschlächtig. Die »Nährstoffbedingte Graphemforschung«<br />

ergründet auf molekularer Ebene <strong>den</strong><br />

Zusammenhang von feinsten Inhaltsstoffen und <strong>den</strong><br />

kleinsten Bausteinen der Schrift, <strong>den</strong> Graphemen.<br />

Speziell auf dem Gebiet der Konsonantenforschung<br />

konnte <strong>ihr</strong> Team bereits relativ genau bestimmen,<br />

welche Grapheme man welchen Lebensmitteln zuordnen<br />

kann. Stachelbeeren und Holunder fördern<br />

das »st«, Nüsse und Mandeln das stimmlose »s«, Appenzeller<br />

und Geflügelsalat das »ch«, Rollmöpse und<br />

Harzer Käse das rollende »r« sowie Kreuzkümmel<br />

und Anis <strong>den</strong> Gebrauch von Hieroglyphen. In der<br />

Vokalforschung ist man hingegen noch lange nicht<br />

so weit. So gibt es alleine in Deutschland ungefähr<br />

335 000 herkömmliche Lebensmittel und Inhaltsstoffe,<br />

die ein überraschtes »o«, und rund 200 000<br />

verschie<strong>den</strong>e Lebensmittelverunreinigungen, die<br />

ein angewidertes »i« verursachen können.<br />

»Nun mal Butter bei die Fische«, lautet der Wahlspruch<br />

von Projektleiter Dr. Ansgar Lüttginhaus<br />

von der Gerhard-Stoltenberg-Akademie in der Hasenheide.<br />

Seine Proban<strong>den</strong>, allesamt mäßig begeisterte<br />

Hobbydichter, unterzogen sich drei Jahre lang<br />

einer Doppel-Dicht-Studie. Die erste Kontrollgruppe<br />

wurde auf der Grundlage der Puschel-Ergebnisse<br />

mit typischen Lebensmitteln des ausgehen<strong>den</strong> 18.<br />

Jahrhunderts gefüttert, die zweite ernährte sich ausschließlich<br />

von Fast-Food. Sämtliche Teilnehmer verpflichteten<br />

sich, alle Quittungen <strong>ihr</strong>er Lebensmitteleinkäufe<br />

aufzubewahren, keine Vokale beim Glücks -<br />

rad zu kaufen und einmal wöchentlich an einer Koloskopie<br />

teilzunehmen. Nach Beendigung der Studie<br />

wur<strong>den</strong> <strong>ihr</strong>e neuesten Gedichte ausgewertet. Die<br />

Resultate waren verblüffend: Während die Proban<strong>den</strong><br />

der ersten Gruppe wie weltfremde Waldorfpädagogen<br />

auf »Erlkönig« klangen, litten die Teilnehmer<br />

der Gruppe zwei unter syntaktischer Verstopfung<br />

bei gleichzeitigem semantischen Dünnschiss.<br />

Auf Grundlage dieser Untersuchungsergebnisse<br />

hat Lüttginhaus – warum auch immer – »Lebensmitteltranskribierende<br />

GORE-TEX« entwickelt und<br />

damit anschließend das Gedicht »Hei<strong>den</strong>röslein«<br />

von Johann Wolfgang von Goethe rekonstruiert, so<br />

wie er es geschrieben hätte, wenn er je<strong>den</strong> Tag bei<br />

McDonald’s gegessen hätte:<br />

Sah ein Knab’ ein Opfer steh'n,<br />

Opfer auf der Hei<strong>den</strong>,<br />

Hatte Nikes in hellgrün,<br />

Lief er schnell, sie abzuzieh’n,<br />

Nahm’s mit vielen Freu<strong>den</strong>.<br />

Opfer, Opfer, Opfer in Not,<br />

Opfer auf der Hei<strong>den</strong>,<br />

Knabe sprach: »Ich breche dich,<br />

Opfer, deine Wa<strong>den</strong>.«<br />

Opfer sprach: »Ich blech an dich,<br />

Dass du ewig <strong>den</strong>kst an mich,<br />

Und ich will nicht lei<strong>den</strong>.«<br />

Opfer, Opfer, Opfer in Not,<br />

Opfer auf der Hei<strong>den</strong>,<br />

Und der wilde Knabe brach<br />

Opfer seine Wa<strong>den</strong>.<br />

Opfer wehrt sich nicht und starb,<br />

Half ihm doch kein »Komm, zisch ab!«<br />

Musst’ es eben lei<strong>den</strong>.<br />

Opfer, Opfer, Opfer tot,<br />

Opfer auf der Hei<strong>den</strong>.<br />

Michael Kaiser<br />

*) Die Niederländische Ostindien-Kompanie wurde drei<br />

Jahre zuvor wegen finanzieller Schwierigkeiten liquidiert,<br />

so dass die Bananenpreise rasant in die Höhe schossen.<br />

BECK<br />

90 LITERATUREULE 10/14


Das Hamsterrad<br />

des Lektors<br />

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»Einmächtig stehen die Fans hinter <strong>ihr</strong>er<br />

Mannschaft.« Herr Fränkel stutzte,<br />

umkringelte das Wort »einmächtig«<br />

und blätterte weiter in dem Manuskript.<br />

»Von <strong>den</strong> begeistert mitgehen<strong>den</strong><br />

Zuschauern angepeitscht, spielt<br />

die Elf wie in einem Guss.« Herr Fränkel<br />

hielt inne, machte ein Fragezeichen<br />

an <strong>den</strong> Rand, überflog die nächsten<br />

Sätze und stoppte: »Zweite Halbzeit!<br />

Das Spiel wiegt hin und her.« Herr<br />

Fränkel zog die Stirn kraus, ließ aber<br />

<strong>den</strong> Korrekturstift wieder sinken. Er<br />

schlug um und las: »Abpfiff! Der Assistenztrainer<br />

von der Heimmannschaft<br />

wirft seine Arme in die Luft.<br />

Auch die Zuschauer, sie sind rund um<br />

zufrie<strong>den</strong>. Es war ein Spiel nach <strong>ihr</strong>em<br />

Geschmack zwischen Höhen und<br />

Tiefen.« Herr Fränkel wog <strong>den</strong> Kopf<br />

hin und her und blickte rund um unzufrie<strong>den</strong><br />

auf das Ende von dem Absatz.<br />

»Nun stürzt sich die Mannschaft<br />

ins verdiente Bad der Menge.«<br />

Herr Fränkel legte das Manuskript<br />

mit Kopfschütteln bei Seite und<br />

säufzte. Seit sieben Jahren war er Lektor<br />

im Verlag Heiermann, und nur die<br />

Routine rettete ihn vom einen Tag auf<br />

dem andern.<br />

Kollege Zarges trat ein. »Auch ’nen<br />

Bier?«, fragte er mit breitem Grinsen.<br />

Die Verlagsleitung hatte <strong>den</strong> Saufen<br />

während der Arbeitszeit zwar <strong>den</strong><br />

Kamf angesagt. Nichtsdestotrotz war<br />

Alkohol im Verlag nicht tot zu bekommen.<br />

»Danke, nein«, lehnte Herr Fränkel<br />

ab, zumal da es noch nicht Mittagstisch<br />

war. »Aber sag mal«, wies Herr<br />

Fränkel auf <strong>den</strong> frisch gebackenen Stapel<br />

Manuskripte auf seinem Schreib-<br />

Tisch, »von wem habe ich das eigentlich<br />

zu verdanken?«<br />

Kollege Zarges konnte sich ein<br />

Schmun zeln nicht erwehren. »Es ist<br />

weniger wichtig, von wem dass es<br />

kommt, sondern was es ist«, griente er.<br />

»Am wichtigstem ist immer noch<br />

die Qualität!«, gab Herr Fränkel eine<br />

kontroverse Antwort. »Ich greife also<br />

aufs Geradewohl hinein und ...« Er<br />

schnaufte sichtbar.<br />

Kollegin Schmidtke erschien in der<br />

geöffneten Tür. »Nächster Donnerstag<br />

ist Betriebsausflug!«, trällerte sie, und<br />

Herr Fränkel schauerte in Anbetracht<br />

der ganztätigen Schau, die die<br />

Schmidt ke wieder abziehen würde.<br />

»Unsere Kaffeekasse ist randsvoll.<br />

Die wollen wir wieder auf <strong>den</strong> Kopf<br />

klopfen!«, nudelte die Schmidtke fröhlich<br />

weiter.<br />

Herr Fränkel antwortete keinen Ton.<br />

Er hasste Betriebsfeiern und wurde darum<br />

im Verlag als Außenseiter verschrien.<br />

Aber das fochte ihn nicht an.<br />

»Na, unser Grieskram hat wohl wieder<br />

schlechte Laune«, zuckte die<br />

Schmidtke mit der Achsel und verzog<br />

sich. Nachdem sich Kollege Zarges<br />

eben so abgetrollt hatte, versuchte sich<br />

Herr Fränkel wieder seiner Arbeit zuzuwidmen,<br />

aber seine Gedanken drifteteten<br />

ab.<br />

Es war im Wortsinne ein Kreuz! Autoren,<br />

die zu viele Wörter machen... Manuskripte,<br />

die bereits eine Odysse<br />

durch die deutschsprachlichen Verlage<br />

hinter sich hatten, bevor sie auf seinem<br />

Schreibtisch kamen... Kein Wunder,<br />

das er manchmal wie parallelisiert<br />

war. Und mit hassverzehrtem Gesicht<br />

die morgenliche Post musterte!<br />

Herr Fränkel konnte sich noch gut<br />

auf seine Jugend erinnern. Er hatte<br />

ein humanitäres Gymnasium besucht<br />

und wollte Schriftsteller. Der Wunsch<br />

seines Herren Vaters war es zwar gewesen,<br />

Maschienenschlosser zu wer<strong>den</strong><br />

wie auch er. Und meinte, dass er<br />

Flausen nachjage. Aber der junge Fränkel<br />

wollte solch Unkenrufen Lügen<br />

bestrafen.<br />

»Noch Käffchen?«<br />

Lektoratsassistentin Maiwald wink te<br />

ihm mit <strong>ihr</strong> <strong>ihr</strong>er Kanne. Herr Fränkel<br />

nickte und hielt <strong>ihr</strong> die Tasse hinüber.<br />

Rührig, wie sie sich um ihn bemühte!<br />

»Danke, bist ein Schatz«, sagte er,<br />

und vergaß ganz darauf, <strong>ihr</strong> eine<br />

Mütze zu geben. Stattdessen versank<br />

er wieder in seinen Gedanken. Er hatte<br />

die Freiheit und Umgebun<strong>den</strong>heit von<br />

seinem Germanistikstudium in vollen<br />

Zügen genossen. Den Bogen, dass er<br />

das Zeug zum Schriftsteller doch nicht<br />

hatte, hatte er doch bald raus. Aber<br />

wenigstens Lektor. Er machte ein Praktikum<br />

bei einem Belletristikverlag ab,<br />

der literarische Kleinods pulbizierte,<br />

und bekam dann als Freier die Aufträge<br />

zugeschanzt. Er hatte Texte zu<br />

bearbeiten, die eine beträchtliche textliche<br />

Dichte hatten! Nur Geld verdienen<br />

konnte er da nicht mit verdienen.<br />

So musste er schließlich zu dem Verlag<br />

Heiermann, der egal machte, was<br />

das Geld klingeln ließ.<br />

Herr Fränkel langte zu einem anderem<br />

Stapel, <strong>den</strong> politischen. Er ergriff<br />

Abb., 182 Seiten, 2014<br />

ISBN 978-3-428-14119-7, € 29,90<br />

Auch als E-Book erhältlich<br />

Ayad Al-Ani beschreibt die Entstehung des westlichen<br />

Bildes über die Araber zu einer Zeit, als diese<br />

Teil der hellenistisch-römischen Welt waren, beginnend<br />

mit <strong>den</strong> Eroberungen Alexanders des Großen bis zum<br />

Sieg der Araber über Rom 636. Al-Ani zeichnet nach,<br />

wie stark und mannigfaltig die Araber in der hellenistisch-römischen<br />

Welt vertreten waren und wie sie gleichermaßen<br />

konsequent in der westlichen Darstellung<br />

als Außenseiter <strong>ihr</strong>er eigenen Geschichte dekonstruiert<br />

wur<strong>den</strong>. Dies ist bemerkenswert, weil gerade die hohe<br />

Anzahl arabischer Senatoren, arabischer und halbarabischer<br />

Cäsaren (Elagabal, Alexander Severus, Caracalla,<br />

Philippus Arabs) durchaus einen beachtlichen Einfluss<br />

auf die römische Lebensart, Religion und Politik hatten.<br />

Diese westliche Negativschablone wurde auch nicht dadurch<br />

gemildert, dass eine große Zahl der Araber der<br />

römischen Provinzen ab dem vierten Jahrhundert Christen<br />

waren. Im Gegenteil: Durch <strong>den</strong> späteren Verlust des<br />

christlichen Kernlandes im Zuge der arabischen Eroberung<br />

des römischen Ostens, dem Oriens, entstand ein<br />

Trauma, welches Eingang in <strong>den</strong> aktuellen »Kampf der<br />

Kulturen« findet.<br />

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LITERATUREULE 10/14 91<br />

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Wo deine Fragen offen sind<br />

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Cibulka – der Name hat Klang.<br />

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Gerhard Wolf edierte zuletzt 1989 eine<br />

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Sammlung seiner Gedichte. Wulf Kirsten<br />

t. und Heinz Puknus haben sich für diese<br />

neue Lyrik-Ausgabe engagiert.<br />

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Gespräche vom <strong>Krieg</strong>e<br />

Gesammelte Erfahrungen und Einsichten<br />

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azu auch an bisher unveröffentlichte Details<br />

holz, aus dem Zweiten Weltkrieg. Dazu<br />

ter gehören: Ernst Gottfried Mahrenholz,<br />

seck, Elisabeth Messerschmidt, Walter<br />

eld. Georg Olms, Julia Dingwort-Nusseck,<br />

Hans-Jochen Vogel, Wolfgang Held.<br />

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die zuoberst liegende Fahnen: Die Memoiren<br />

von dem Politiker, der sich <strong>den</strong><br />

Mund nicht verbiegen ließ und mit<br />

seiner Partei abtat, die eine zusammengeschworene<br />

Gemeinschaft gewesen<br />

war und heute nur Karrieristen<br />

enthält und dann promt wegen parteischädigendem<br />

Verhaltens ausgeschlossen<br />

wurde. Weil er <strong>den</strong> Parteivorsitzen<strong>den</strong><br />

verhunzen würde.<br />

»Ein Scheiß Dreck!«, schob es durch<br />

Herrn Fränkels Hirn und wandte sich<br />

einem anderen Haufen zu. Er nahm<br />

das Manuskript zu einem Öko-Ratgeber<br />

zu Hand. »Als Mitte November die<br />

NGO-Delegationen aus aller Herren<br />

Ländern im Congress-Centrum anreisten,<br />

erstrahlten erstmals die 1000-<br />

Watt-Ökolampen <strong>den</strong> gesamten Saal.«<br />

»Ah, steckt euch eure ganze Scheiße<br />

doch in Arsch!«, machte Herr Fränkel<br />

sich unwillkührlich Luft und lehnte<br />

sich rückwärts.<br />

»Na, mal wieder die üblichen selbst<br />

Zweifel?« Kollege Zarges trat durch<br />

die Tür und schwingte sich mit dem<br />

Arsch nach vorn auf Herrn Fränkels<br />

Schreibtisch. »Prost! Biste wieder an<br />

deiner Rolle zwischen Autor und Publikum<br />

müde gewor<strong>den</strong>? Weil, wir<br />

Lektoren sind ja so viel schlauer! Und<br />

durchschauen das ganze Hamsterrad.«<br />

»Stimmt haarscharf«, gestand Herr<br />

Fränkel. Herr Zarges seine Bier-Fahne<br />

stank in seine Nase. »Und auf kurz<br />

über lang wird es schief gehen.«<br />

»Schon weil uns die Leser fehlen<br />

wollen«, schlug Kollege Zarges eine<br />

neue Perspektive an. »Die Veralterung<br />

92 LITERATUREULE 10/14<br />

und das Internet schlägt voll zu!« Er<br />

nahm einen tiefen Schluck. »Nicht<br />

doch ’nen Bier?«<br />

»Ich hab auch schon von Sparzwang<br />

mauscheln hören«, mokierte Herr<br />

Fränkel. »Und <strong>den</strong> Schwarzen Peter<br />

liefert die Finanzkriese. Obwohl die<br />

Zahlen längst wieder brummen!«<br />

»Brumm! Brumm!« Kollegin<br />

Schmidt ke bog zur Tür hinein. »Der<br />

Betriebsausflug steht unter Dach und<br />

Fach! Auch die technische Abteilung<br />

steuert sein Scherflein bei!«<br />

»Das wird bestimmt wieder ein unvergessenes<br />

Erlebnis!«, ironisierte<br />

Herr Fränkel und äffte: »Brumm!<br />

Brumm! Und jetz alle Mann raus aus<br />

mein Büro! Ich habe zu arbeit!«<br />

Kollege Zarges und die Schmidtke<br />

blickten sich einmächtig an, wiegten<br />

<strong>ihr</strong>e Köpfe und zogten Leine. Herr<br />

Fränkel wendete sich wieder dem Fußball-Manuskript<br />

hin. »Der Träiner war<br />

mit dem Gedanken schon beim letztem<br />

Spieltag.« Herr Fränkel stutzte,<br />

umkringelte <strong>den</strong> »Träiner« und blätterte<br />

weiter. »Zwischem Ersten und<br />

Zweiten lag jetzt nur noch zwei<br />

Punkte.« Herr Fränkel hielt inne,<br />

machte ein Fragezeichen an <strong>den</strong> Rand,<br />

überflog die nächsten Sätze quer und<br />

stoppte: »Der Präsi<strong>den</strong>t, der sich zu<br />

dem Erfolg des Vereins besonders verdient<br />

gemacht hatte, dachte bereits die<br />

nächste Saison.« Herr Fränkel zog die<br />

Stirn kraus, ließ aber <strong>den</strong> Korreckturstift<br />

wieder sinken und holte sich jetz<br />

doch ’nen Bier.<br />

Peter Köhler


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»Ich möchte im Schlaf<br />

sterben wie mein Vater<br />

und nicht schreiend wie<br />

seine Passagiere.«<br />

oder: Haptisch<br />

Haptisch nicht so<br />

»Sie wird veröffentlicht, und nur darum<br />

geht es.« (David Schuh) Sehr wahr,<br />

wenn es auch »verkauft« statt »veröffentlicht«<br />

heißen müsste und diese<br />

Wahrheit in einem anderen Zusammenhang<br />

als dem hier in Rede stehen<strong>den</strong><br />

geäußert wurde. Aber die meisten<br />

Wahrheiten wer<strong>den</strong> in einem ganz anderen<br />

Zusammenhang geäußert. »Solidarität<br />

ist keine Einbahnstraße« zum<br />

Beispiel bezog sich nie auf die Hochwasseropfer<br />

in Deutschland, <strong>den</strong>en die<br />

Häuser davongeschwommen waren,<br />

sondern auf besonders arme Menschen<br />

in der dritten Welt, die nicht einmal Felle<br />

haben, die ihnen davonschwimmen<br />

könnten. Nur bei ihnen will man für je<strong>den</strong><br />

Euro Hilfe drei bis vier Euro Ertrag<br />

erwirtschaften.<br />

Aber es geht hier um etwas anderes,<br />

es geht um die Literatur. Eigentlich sogar<br />

um die anspruchsvolle Literatur.<br />

Was heißt »anspruchsvoll«? Manche halten<br />

Re<strong>den</strong> der Kanzlerin für anspruchsvoll.<br />

Sogar sie selbst soll manchmal<br />

noch lange grübeln über das, was sie<br />

gesagt hat und was sie eigentlich sagen<br />

sollte. Ja, sollte, <strong>den</strong>n auch bei der Kanzlerin<br />

entscheidet das »Wir«, nur nicht<br />

das der SPD, sondern das von Menschengruppen,<br />

die sich abheben von anderen<br />

durch <strong>ihr</strong>en Platz im System der<br />

ge sellschaftlichen Produktion und<br />

durch die Größe und die Art der Erlangung<br />

<strong>ihr</strong>es Anteils am gesellschaftlichen<br />

Reichtum (nach Lenin).<br />

WERNER ROLLOW<br />

Jeder, der sich zur Zukunft der Literatur<br />

äußern will, muss berücksichtigen,<br />

dass Bücher längst ein Produkt gewor<strong>den</strong><br />

sind wie fast alle anderen. Abhängige<br />

und selbständige Produzenten<br />

stellen sie in unterschiedlicher Qualität<br />

her, auf unterschiedlichen Trägern, für<br />

differente Märkte. Was sich verkauft ist<br />

gut, der Rest muss sehen, wie er durchkommt.<br />

Nur die Konkurrenz aus China<br />

ist noch nicht übermächtig, die Billiganbieter<br />

kommen vorläufig woanders her.<br />

Alles hängt vom Leser ab, halt, nein,<br />

vom Käufer. Ob er Leser ist, spielt keine<br />

Rolle. Lesen ohne Kaufen ist vielleicht<br />

für <strong>den</strong> Bekanntheitsgrad gut, für die<br />

Existenz zählt nur das Kaufen. Lesungen<br />

sind die Kaffeefahrten des Literaturbetriebs,<br />

nur ohne Erpressung. Also<br />

fragen Sie nicht nach der Zukunft der<br />

Literatur, sondern nach der des Käufers!<br />

Ob der lieber ein Buch aus Papier (haptischer<br />

Reiz) oder ein elektronisch getragenes<br />

(Speicherkapazität, Verfügbarkeit,<br />

Mobilität, technisch gestützte Nutzung,<br />

z.B. Lesezeichen, Notizen usw.)<br />

kauft, entscheidet er souverän.<br />

Solange es <strong>den</strong> Käufer gibt, solange<br />

er Bücher auf dem Markt erwirbt, hat<br />

die Literatur irgendeine Zukunft.<br />

Wir brauchen also nicht nur eine<br />

marktkonforme Demokratie, sondern<br />

ebenso eine marktkonforme Literatur.<br />

»Sie wird verkauft, und nur darum<br />

geht es.« (Ove Lieh feat. David Schuh)<br />

Ove Lieh<br />

Wie das Leben nach dem Tod so weitergeht,<br />

mag im Verborgenen bleiben, aber immerhin<br />

hat Kathy Benjamin für uns die schrägsten<br />

und komischsten Rituale rund ums Sterben<br />

ausgegraben. Die über 100<br />

unglaublichen Geschichten<br />

sind nicht nur todernst und zum<br />

Totlachen, sondern auch voller<br />

faszinierender Fakten und<br />

Informationen.<br />

Aus dem Amerik. von Dieter Fuchs, 206 Seiten, Flexcover, mit Ill. von Mario Zucca, € 16,95 (D)<br />

LITERATUREULE 10/14 93


Beim Arzt<br />

Es stimmt nicht, dass Männer nie zum<br />

Arzt gehen. Ich zum Beispiel gehe sehr<br />

gerne zum Arzt, <strong>den</strong>n dort sind die Zeitschriften<br />

viel interessanter als beim Friseur.<br />

Wenn die nicht so langweilig wären,<br />

hätte ich übrigens auch längst eine Frisur.<br />

Der niedergelassene Facharzt dagegen<br />

prunkt mit einem Schrift gewor<strong>den</strong>en Bekenntnis<br />

zum Besserverdienertum, wie es<br />

einem selten unterkommt, seit die FDP<br />

aus dem Bundestag geflogen ist. Alles,<br />

was ich über Golfen, Oldtimer und Yachten<br />

weiß, habe ich je<strong>den</strong>falls der Präsenzbibliothek<br />

meines Orthopä<strong>den</strong> zu verdanken,<br />

<strong>den</strong> ich persönlich aber nie zu Gesicht<br />

bekommen habe, weil ich nicht privat<br />

versichert bin. Nur ein einziges Mal<br />

meinte ich, eine weiß gekleidete Gestalt<br />

gesehen zu haben, die von einem eigenartigen<br />

Licht umgeben durch <strong>den</strong> Flur<br />

schwebte oder auf einem vergoldeten<br />

Streitwagen stand, der von sechs prächtigen<br />

Sprechstun<strong>den</strong>hilfen gezogen wurde.<br />

So genau weiß ich das nicht mehr, <strong>den</strong>n<br />

ich hatte mir gerade einen Bänderriß sowie<br />

eine heftige Selbstmedikation zugezogen<br />

und halluzinierte schon ein wenig<br />

vor mich hin. Augenzeugen beschrieben<br />

<strong>den</strong> Doktor je<strong>den</strong>falls später als mächtigen<br />

Medizinmann mit einem Handicap<br />

von null, der sämtliche Beschwer<strong>den</strong><br />

durch bloßes Handaufhalten heilen<br />

konnte. Ich selbst bin nie weiter als bis in<br />

sein marmorverkleidetes Wartezimmer<br />

vorgedrungen, eine schnieke Wandelhalle<br />

klassizistischen Stils, in der nie Patienten<br />

saßen, sondern bloß eine Handvoll Pharmavertreter,<br />

die eigentlich Gold, We<strong>ihr</strong>auch<br />

und Myrrhe hatten vorbeibringen<br />

sollen, vor Langeweile aber von <strong>den</strong> eigenen<br />

Produktsamples genascht und sich<br />

nun in jenen Zustand empfindungsloser<br />

Dumpfheit katapultiert hatten.<br />

Mein Hausarzt dagegen behandelte<br />

auch Kassenpatienten wie mich, und deswegen<br />

ist sein Wartezimmer überfüllt wie<br />

das Unterdeck eines Auswandererschiffs,<br />

besonders imNovember, wenn die Grippewelle<br />

<strong>ihr</strong>en Scheitelpunkt erreicht. Deswegen<br />

gehe ich normalerweise ausschließlich<br />

dienstagsmorgens zum Arzt,<br />

<strong>den</strong>n da ist Junkiesprechstunde, und<br />

nichts hält ein Wartezimmer derart frei<br />

von unterbeschäftigten Hypochondern<br />

wie eine zünftige Methadonausgabe<br />

nebst einschlägiger Kundschaft. Außerdem<br />

klauen die Junkies keine Zeitschriften.<br />

Leider ist heute Donnerstag. Der Raum<br />

platzt aus allen Nähten, und zu lesen gibt<br />

es bloß noch Focus Money, das faule Kuckucksei<br />

unter <strong>den</strong> Magazinen. Gerade<br />

kippt die Sprechstun<strong>den</strong>hilfe eine neue<br />

Fuhre Jammergestalten ab, die sich röchelnd<br />

und schniefend in einer Zombieversion<br />

der Reise nach Jerusalem zu <strong>den</strong><br />

wenigen freien Sitzgelegenheiten schleppen.<br />

Erfahrene Patienten checken ja prophylaktisch<br />

schon im Spätsommer ein,<br />

um pünktlich zum Beginn der Erkältungssaison<br />

zum Doktor vorgelassen zu<br />

wer<strong>den</strong>. Krank wird man eh, vor allem<br />

wenn man lange genug mit anderen Vergrippten<br />

in einem Zimmer herumhockt.<br />

In einer Ecke entbindet eine Frau <strong>ihr</strong> Kind,<br />

und die Warten<strong>den</strong> jubeln dem neuen Er<strong>den</strong>bürger<br />

zu, weil ein Termin frei gewor<strong>den</strong><br />

ist: Das Ultraschallbild brauchen sie<br />

jetzt nicht mehr, dass es ein Junge ist, sieht<br />

man auch so. Ein paar Minuten später tut<br />

ein übergewichtiger Mann mit Herzproblemen<br />

seinen letzten Schnaufer, und<br />

auch jetzt brandet Jubel auf, wenn auch<br />

etwas verhaltener.<br />

»Hallo, ich bin Husten, Schnupfen, Heiserkeit«,<br />

stelle ich mich meinem Sitznachbarn<br />

zur Rechten vor.<br />

»Angenehm, nässendes Ekzem«, erwidert<br />

der und will mir die Hand geben.<br />

»Ich bin mit einer Neurodermitis,<br />

Rheuma, einem offenen Bein und einem<br />

Ischias hier«, klärt mich mein Nachbar<br />

zur Linken auf.<br />

»Allerhand«, sage ich anerkennend,<br />

aber es stellt sich heraus, dass ihm selbst<br />

nur der Ischias gehört. Den Rest sitzt er<br />

als Platzhalter für zahlende Kun<strong>den</strong> ab.<br />

Die Wohlhabenderen lassen <strong>ihr</strong>e Wartezeit<br />

nämlich gern von Rentnern absitzen,<br />

die sich so ein kleines Zubrot verdienen<br />

können. Das erklärt übrigens auch die<br />

hohen Rentnerpopulationen in <strong>den</strong> Wartezimmern<br />

und <strong>den</strong> Umstand, dass diese<br />

Grauköpfe quatschen können wie ein medizinisches<br />

Wörterbuch.<br />

»Wer war die Analfistel?«, ruft die<br />

Sprechstun<strong>den</strong>hilfe ins Wartezimmer,<br />

und gleich mehrere Herrschaften rutschen<br />

nervös, wenn auch sehr vorsichtig<br />

auf <strong>ihr</strong>en Sitzen herum. Der Rest der<br />

Bande schielt neugierig über die Zeitschriftenränder.<br />

Öffentlich bekennen<br />

mag sich niemand, doch als ich mich<br />

schließlich erbarme und der Sprechstun<strong>den</strong>hilfe<br />

ins Behandlungszimmer folge,<br />

werfen mir die echten Fisteln beleidigte<br />

Blicke nach.<br />

»Guten Tach, Herr Doktor«, begrüße<br />

ich <strong>den</strong> Arzt. »Na, heute schon ein paar<br />

Engelchen gemacht?«<br />

Ich lockere die Atmosphäre gern mit<br />

einem kleinen Scherz auf, bevor das Behandlungsgespräch<br />

mit immer <strong>den</strong>selben<br />

ö<strong>den</strong> Fragen eröffnet wird: »Rauchen<br />

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Wirksamer Selbstschutz,<br />

effektives Training<br />

Selbstschutz – das Dilemma der<br />

Ein west-östliches w<br />

Trainingsbuch für<br />

modernen Zeit<br />

Kampfkünstler und Sportler<br />

Eine Biene sticht nur, , wenn sie sich droht fühlt. Für <strong>ihr</strong>e Verteidigung ist<br />

be-<br />

sie bereit eit zu sterben. Auf <strong>den</strong> M<br />

Menschen<br />

übertragen heißt das,<br />

wir<br />

sind friedlich,<br />

solange wir nicht bedroht wer<strong>den</strong>. Aber<br />

falls man uns angreift, nutzen wir jedes<br />

zur<br />

Verfügung stehende Mittel zu Schutz, wenn es sein muss, unter E<br />

Ein-<br />

satz des eigenen Lebens.<br />

unse-<br />

rem<br />

Um sich selbst zu schützen, benötigt man<br />

eigentlich keine gezielte Ausbildung. Jeder<br />

Mensch hat das Rüstzeug für die Vertei-<br />

digung und <strong>den</strong> Angriff von der Natur<br />

mitbekommen. Aber aufgrund und der vor-v<br />

wiegend sitzen<strong>den</strong> Lebensweise und der<br />

vielen Bequemlichkeiten im Alltag hat<br />

sich der moderne Mensch vom »Normal-<br />

fall« weit entfernt. In diversen Selbstver-<br />

teidigungskursen<br />

wird d suggeriert, dass je-<br />

der, wenn w<br />

er nur ein paar einfache Tricks<br />

lernt, sich wirksam verteidigen könne. Das ist leider ein Wunschtraum.<br />

Um tatsächlich eine<br />

Chance zu haben, in einer echten Schlägerei ei bestehen zu können, müssen Sie ausdauernd<br />

und auf effektive<br />

e Weise trainieren. en.<br />

In diesem Buch geht es darum,<br />

<strong>den</strong> Leser darauf vorzubereiten, Gefahrensituationen zu<br />

erkennen und ihm Möglichkeiten zu vermitteln, angemessen zu reagieren. Können Sie der<br />

Gefahr nicht ausweichen,<br />

dann sollten Sie darauf vorbereitet sein, der Gewalt des Schlägers<br />

überlegene Gewalt entgegenzusetzen. Die vorgestellten<br />

Techniken und Übungen Ü sind auf<br />

effektiven<br />

Selbstschutz ausgerichtet<br />

und dienen dazu, Körper und Geist<br />

so zu trainieren,<br />

dass Sie einem Angriff erfolgreich eich begegnen können.<br />

Dieses Buch stellt einige der effektivsten<br />

Trainingsmetho<strong>den</strong> aus<br />

West und Ost O<br />

vor. Der Leser lernt Übungen kennen, die<br />

eine flexible dynamische Kraft aufbauen.<br />

Übungen mit und ohne Hilfsmittel wer<strong>den</strong><br />

in Text und Bild B<br />

vorgestellt, grund-<br />

sätzlich jedoch ausschließlich Übungen,<br />

die man ohne die technischen Geräte und<br />

Maschinen der Fitnessstudios praktizieren<br />

kann.<br />

Die in dem Buch dargestellten Trainingsmetho<strong>den</strong> sind für alle Kampfkünste K<br />

und Sport-<br />

arten sinnvoll. Der D<br />

Kampfkünstler, egal welchen Stils, wird d sich in seiner Kunst und seiner<br />

Kampfkraft erheblich verbessern. v Der Leistungssportler tler kann seine Leistungsfähigkeit stei-<br />

gern, und der Freizeitsportler bleibt fit und gesund.<br />

Es geht in diesem Werk um erprobte Trai-<br />

ningsformen,<br />

die <strong>den</strong><br />

Körper<br />

so schmie-<br />

<strong>den</strong>, dass er die Fähigkeit F<br />

gewinnt, sich<br />

im Kampf oder im Wettkampf effektiv zu<br />

bewegen. egen. Vor allem geht es um Metho-M<br />

<strong>den</strong>, die neben <strong>ihr</strong>em Trainingseffekt<br />

<strong>den</strong><br />

Körper auch auf Dauer gesund erhalten.<br />

Derartige ganzheitliche Trainingsmetho-<br />

<strong>den</strong> erfordern Disziplin, Lei<strong>den</strong>schaft<br />

und ein umfangreiches Wissen<br />

um unser<br />

wertvollstes Gut G<br />

– <strong>den</strong> Körper. Aus diesem Grund wird im Buch auch ausführlich auf die<br />

physiologischen Grundlagen des Trainings eingegangen, so z. B. auf die Rolle R<br />

der Faszien –<br />

des <strong>den</strong> ganzen Körper durchziehen<strong>den</strong> Bindegewebes.<br />

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Maik Albrecht und Frank Rudolph<br />

Gewalt<br />

Selbstschutz gegen Schläger<br />

mit zahlreichen Abbildungen<br />

ISBN 978-3-938305-58-4<br />

232 S., € 19,90<br />

Maik Albrecht<br />

lebte 13 Jahre lang in China und trainierte te bei einem der letzten Großmeister der tra-<br />

ditionellen chinesischen Kampfkünste (Wushu), Li Zhenghua. Er r bildete als einer der ersten A<br />

Ausländer<br />

in China sogar Chinesen aus, unter anderem em Mitglieder chinesischer SWAT-Einheiten. 2008 drehte<br />

das ARD eine Dokumentation über Maik Albrecht. 2009 drehte das chinesische Staatsfernsehen eine<br />

mehrteilige Sendung über sein Leben mit der Kampfkunst.<br />

Frank Rudolph<br />

studierte te Journalistik und praktiziert verschie<strong>den</strong>e Kampfkünste.<br />

Maik Albrecht und Frank Rudolph<br />

Tigersturz z und Ringerbrücke<br />

Effektive Trainingsmetho<strong>den</strong> für Kampfkunst und Sport<br />

mit zahlreichen Abbildungen<br />

ISBN 978-3-938305-73-7<br />

304 S., € 19,90


LESE<br />

Sie immer noch? Wie ist es mit Sport?<br />

Treiben Sie mittlerweile wenigstens regelmäßig<br />

Sport? Und zugenommen haben<br />

Sie auch schon wieder, wenn ich das<br />

richtig sehe.«<br />

»Das mag ja alles stimmen, Herr Bartel«,<br />

antwortet mein Arzt. »Aber eigentlich<br />

wollten wir doch heute mal zur Abwechslung<br />

über Sie re<strong>den</strong>.«<br />

Man muss gleich zu Beginn in die Offensive<br />

gehen, <strong>den</strong> Spieß umdrehen und<br />

<strong>den</strong> Ärzten zeigen, wo der Chabo <strong>den</strong><br />

Babo hat, sonst mäkeln sie ununterbrochen<br />

an einem herum.<br />

»Na ja, ist ja Ihre Gesundheit, die Sie<br />

da ruinieren«, sage ich tadelnd.<br />

»Ich hatte halt viel Stress«, verteidigt<br />

sich mein Arzt. »Und die Patienten wer<strong>den</strong><br />

auch immer dreister. Stört es Sie übrigens,<br />

wenn ich mir eine anzünde?«<br />

»I wo«, lenke ich ein und stecke mir<br />

ebenfalls eine an. Nun endlich ist ein Dialog<br />

auf Augenhöhe möglich. Wir kommen<br />

überein, dass ich gesundheitlich insgesamt<br />

in einem hervorragen<strong>den</strong> Zustand<br />

bin, je<strong>den</strong>falls für einen Patienten<br />

Mitte sechzig, der beruflich viel mit Asbest<br />

zu tun hatte. Allerdings fin<strong>den</strong> wir<br />

heraus, dass ich am Helmut-Schmidt-Syndrom<br />

leide und sofort sterben müsste,<br />

ZEICHEN<br />

2014_08_HoffmannVerlag_4c.pdf 1 02.07.14 13:19 Berlin, 192 S.,<br />

12,90 Euro<br />

wenn ich mit dem Rauchen aufhörte, ansonsten<br />

sei ich quasi unsterblich. Der Husten<br />

dagegen ist psychosomatisch, behauptet<br />

mein Arzt, der dasselbe Rasseln in<br />

<strong>den</strong> Bronchien hat. Er holt ein Schächtelchen<br />

aus dem Medikamentenschrank<br />

und reicht es mir.<br />

»Das ist ja leer«, sage ich, aber mein<br />

Arzt winkt ab. Vor dem Rauchen soll ich<br />

es einfach über meine Zigarettenpackung<br />

streifen, dann wür<strong>den</strong> mich die Warnhinweise<br />

nicht mehr so irritieren. Es funktioniert.<br />

Unglaublich, zu welchen Wundertaten<br />

die moderne Medizin fähig ist.<br />

Bevor ich gehe, bittet mich der Arzt<br />

noch um eine kleine Gefälligkeit.<br />

»Ich kann wieder gehen!«, rufe ich wie<br />

verabredet zum Abschied ins Wartezimmer<br />

und werfe demonstrativ die Krücken<br />

fort, die er mir mitgegeben hatte.<br />

Christian Bartel<br />

Daniela Böhle & Paul<br />

Bokowski (Hrsg.): Die<br />

Letzten wer<strong>den</strong> die<br />

Ärzte sein.<br />

35 Geschichten. Krank<br />

geschrieben. Satyr Verlag<br />

Volker Surmann,<br />

HANNES RICHERT<br />

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Eva S. Bernauer<br />

Vier Frauen und<br />

ein Scharlatan<br />

Satirischer Esothriller<br />

230 Seiten, Euro 15.-<br />

ISBN 978-3-86569-182-8<br />

Alibri Verlag<br />

Ein bisschen Lichtarbeit, ein<br />

bisschen Chakrenmassage<br />

und volles Vertrauen in die<br />

spirituelle Führung <strong>ihr</strong>es<br />

„Meisters“ und dessen magische<br />

Heilkugeln. Das Leben<br />

der vier Freundinnen verläuft<br />

in sanften, ganzheitlichen<br />

Bahnen. Doch dann gerät diese<br />

schöne Welt, in der das Universum Wünsche erfüllt,<br />

nach und nach aus <strong>den</strong> Fugen.<br />

Beklemmend gut recherchiert, schnörkellos in Szene<br />

gesetzt, mit beißendem Humor geschrieben.<br />

Rolf Cantzen<br />

Wiedergeboren wer<strong>den</strong><br />

– aber richtig<br />

Ein spiritueller Ratgeber<br />

für alle Lebensfragen<br />

131 Seiten, Euro 10.-<br />

ISBN 978-3-86569-174-3<br />

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Rolf Cantzen hat einen großen<br />

spirituellen Meister getroffen,<br />

der ihm alle Antworten auf<br />

die wirklich wichtigen Fragen<br />

des Lebens diktiert hat:<br />

Wie <strong>den</strong>ke ich die Wirklichkeit<br />

richtig? Wie entfalte ich<br />

die Kraft des positiven Egoismus? Wie erlebe ich die<br />

schönsten Wunder?<br />

Die hier achtsam aufgezeichneten Antworten des Meisters<br />

bringen alle, die sich auf <strong>den</strong> Pfad der Erleuchtung<br />

begeben, <strong>den</strong> entschei<strong>den</strong><strong>den</strong> Schritt voran.<br />

Theodor Much<br />

Willkommen im<br />

Jenseits<br />

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159 Seiten, Euro 12.-<br />

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Irrationalismus, religiösen<br />

Fundamentalismus,<br />

esoterische Behandlungsverfahren<br />

und andere Formen<br />

unbegründeter Hoffnung aufs<br />

Korn. Wir werfen Blicke direkt<br />

ins Paradies, erfahren die faszinierende<br />

Lebensgeschichte von Methusalem, lesen<br />

die wahre Sodom & Gomorrha-Story und stellen Gott<br />

kritische Fragen.<br />

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ein Handbuch vor, mit dem jeder erfahrene Heimwerker unter Zuhilfenahme<br />

einer überschaubaren Anzahl von Werkzeugen seiner Ehegattin<br />

bei der Geburt tatkräftig zur Hand gehen kann.<br />

Zur mentalen Einstellung auf dieses letzte Kapitel der Heimwerkerreihe<br />

empfehlen wir vorher dringend die Lektüre der Handbücher<br />

»Verlegen von Laminatbö<strong>den</strong> mit dem Zugeisen« und »Fliesenverlegen<br />

und Fugenarbeit«. Zum besseren Verständnis wurde das Buch vor<br />

Veröffentlichung ins Japanische und Englische übersetzt, um durch<br />

die Rückübersetzung ins Deutsche die gewohnte Qualität einer Bedienungsanleitung<br />

zu erreichen, wie man sie auch vom Erwerb eines Videorecorders<br />

oder Geschirrspülers kennt.<br />

96 LITERATUREULE 10/14<br />

Geburtsplanung: Vor erxstes Inbetriebnamen<br />

ist richtiges Standortwahl<br />

und genauen Terminplanung erforderlig.<br />

Die Zeugung (input) sein so zu legen,<br />

dass Entbindung nix auf Fußballspiel,<br />

Autowashtag oder Stammtish<br />

fallen tut.<br />

Wartezeit: Nach Input ixt längere<br />

Warten nötg. Wenigen Wochn vor Geburt<br />

sein Koffer für Krankenhouse su<br />

packen. Wichtiges Tip für Auswahl<br />

Werkzeug: Bezeichnung Kreisssaal<br />

fiert irre, Kreissägen kann xuhause<br />

bleib. Mitzunehm sind vielen Zigarrettenvorratn,<br />

tragbar TV mit Schüssel<br />

und Paaren sixerpacks Bier, weil<br />

Biereholen wird in Krankenhouse als<br />

störendy empfind. Nix vergessen eine<br />

Zahnbürsten für Frau, wenn grad bei<br />

Hand.<br />

Geburtseinleitung: Bei Überschreiten<br />

Termin Frau in Klinick transportirt,<br />

dort Geburt einleiten zu lass. Eigenes<br />

Einleitn auf Werkbank im Garash<br />

or Hoppyraum sich nix habe bewert.<br />

Know-how austausch: Conversation<br />

mit andere Daddys in Krankenhouse<br />

meiste nur Austaushe von Cockrezepte,<br />

Strikmuster oder Erfahrunx in<br />

Bauchtansgruppe von männers. Homewerker<br />

mit gut know.how für Bastelen<br />

und Hausbau sein leidr noch seltenx.<br />

Öffnung Muttermund: Öffnuhng<br />

von Muttermund wischtik vor Durschgehn<br />

von Babykoppe, in Größe von<br />

zehn Zentimeter sein genau nachrechnen.<br />

Beine vone Ehefrau mussen mit<br />

Wasserwaage und Schraubstock eingestelt<br />

werdn (Sie sehen Listen Werkzeug<br />

bitte).<br />

Presswehen: Wenn Wehe kurz kom -<br />

me, weniger als 1 Zigarettpause Abstand,<br />

stellen Heimwörker breit beining<br />

hinter die Mutti. Videorecorder<br />

jetz in Totale. Un mitgebrachten Werkzeuxsel<br />

behärtzt einsetze. Mit Hobel,<br />

Meisel oder Stemmeisen Kopf von<br />

Fraue nach unten drucken.<br />

Geburt: Nach Baby ankommen mussen<br />

Mann-Homewerker sein snell und<br />

schnei<strong>den</strong> mit Cuttermesser (Baumarkt,<br />

1,50 Euro) die Nabelschnur. Vor<br />

her prüfe Frisur and Outfit, weil dies<br />

sein historisches Moment. Achtung!<br />

Vor foto/Video Statisten (Docktor, Hebummen)<br />

auf Seitn schieb.<br />

Reklamation: Wenn Baby nix<br />

stimmt (Farbe von Aug un Hahar, Grö -<br />

ße su klein, nix Junge usw.) sein Reklamation<br />

meglich, Zurücksendung<br />

in Mutti aber shwer mackbar. Aufpasse!<br />

Kein Garantie, wenn Heimweker<br />

vor zeitig Gaiserschnitte gemachen<br />

hab.<br />

Feier: Feier musse sein drei Tag,<br />

Grille, Schampus. Unebedingt beachtlich:<br />

Mutterkuchen ixt keine Genussmittel,<br />

abor for geshikte Homewerker<br />

zu Kerzenanxstecken meglich geignet.<br />

Werner Lutz


Der Literatur auf der Spur<br />

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Wirklich authentische Literatur<br />

der Arbeitswelt<br />

entsteht natürlich nur<br />

vor Ort am Arbeitsplatz.<br />

Schon Salinger hatte seinen<br />

»Fänger im Roggen«<br />

unauffällig bei der Weizenernte<br />

geschrieben.<br />

Baudelaires »Blumen<br />

des Bösen« entstan<strong>den</strong><br />

am Tresen eines weniger<br />

gut florieren<strong>den</strong> Blumenla<strong>den</strong>s,<br />

und Freytags<br />

»Soll und Haben« war als<br />

Nebenprodukt abgefallen,<br />

als er Robinsons Kassenbuch<br />

führte. Wallraff<br />

schrieb ja notorisch auf<br />

der Arbeit Bücher, meistens<br />

ganz unten im Keller,<br />

wo er vorgeblich aufräumen<br />

wollte. Ganz anders<br />

entstand »Karlsson<br />

vom Dach«, nämlich<br />

beim Entrümpeln des<br />

Dachbo<strong>den</strong>s von Astrid<br />

Lindgren, der deshalb leider<br />

nie richtig sauber<br />

wurde. Goethes »Wer -<br />

ther« war Frucht seiner<br />

Arbeit als Schließer im<br />

Weimarer Strafvollzug,<br />

und Schiller diktierte<br />

seine »Räuber« in <strong>den</strong><br />

langen Wartezeiten als<br />

junger Wegelagerer.<br />

Über Kleists Arbeit im<br />

Porzellangeschäft wollen<br />

wir lieber schweigen.<br />

Karl May verfasste <strong>den</strong><br />

»Schatz im Silbersee«<br />

während seiner Zeit als<br />

Bademeister im Freibad<br />

von Radebeul, in dem leider<br />

auch seine Frau ertrank.<br />

Wenige wissen,<br />

dass der »Herr der Fliegen«<br />

ein typisches Stück<br />

Küchen-Literatur ist.<br />

Die meisten Stücke<br />

der Arbeitsliteratur aber<br />

lan<strong>den</strong> imgroßen Papierkorb<br />

der Arbeitswelt<br />

(Foto), wo sie vergebens<br />

»Zettels Traum« träumen,<br />

nämlich ein reicher<br />

und berühmter Roman<br />

zu wer<strong>den</strong>. Kriki<br />

Volker Hentschel<br />

PREUSSISCHE PORTRÄTS<br />

Zwischen Revolution<br />

und Restauration<br />

Hardcover, 744 Seiten<br />

€ 39,80 [D]<br />

1789 – 1819! Es gab keine<br />

anderen drei Jahrzehnte in<br />

der Geschichte Preußens, die<br />

ereignis-, abwechslungs- und<br />

folgenreicher gewesen wären.<br />

Es ist kein Zufall, dass in diesen drei Jahrzehnten mehr<br />

historisch bedeutsame Persönlichkeiten in Preußen wirkten,<br />

als in jedem anderen gleichlangen Zeitraum: Staatsmänner,<br />

Soldaten, Dichter und Denker. Die „Preußischen Portraits“<br />

schildern und deuten das Wesen, Wer<strong>den</strong> und Wirken von<br />

sechzehn solch prägender Persönlichkeiten.<br />

Ernst Nolte<br />

HISTORISCHE EXISTENZ<br />

Zwischen Anfang und<br />

Ende der Geschichte?<br />

Hardcover, 768 Seiten<br />

€ 39,80 [D]<br />

ISBN 978-3-95768-141-6<br />

ISBN 978-3-95768-137-9<br />

KRIKI<br />

Die Geschichte als Ganzes<br />

verstehend zu begreifen –<br />

diesem Ziel dient Ernst Noltes<br />

großes Buch. Seine bisherige<br />

Beschäftigung mit Zeitgeschichte<br />

und vor allem mit <strong>den</strong> modernen Ideologien erhält<br />

damit <strong>den</strong> <strong>den</strong>kbar größten zeitlichen Rahmen. »Historische<br />

Existenz« meint die Geschichte im ganzen, nämlich <strong>den</strong> Zeitabschnitt<br />

von etwa 5000 Jahren zwischen der Vorgeschichte<br />

und unserer Gegenwart, die der Anfang einer möglicherweise<br />

unabsehbar langen »Nachgeschichte« sein könnte.<br />

Das Buch kannte sich<br />

selber nicht. Es hielt<br />

sich für einen Krimi, dabei<br />

war es bloß ein Kochbuch.<br />

Entsprechend doof<br />

war es. Deshalb wunderte<br />

es sich auch nicht,<br />

dass es, statt je<strong>den</strong> Abend<br />

im Bett vor dem Einschlafen<br />

gelesen zu wer<strong>den</strong>,<br />

stets zur Mittagszeit zur<br />

Hand genommen wurde,<br />

Das Buch<br />

und zwar in der Küche.<br />

Das heißt, ganz so doof<br />

war das Kochbuch doch<br />

nicht. Irgendwann hatte<br />

es spitzgekriegt, was gespielt<br />

wurde, und veränderte<br />

einfach da und dort<br />

das Rezept. Zuerst war es<br />

ein harmloser Spaß, aber<br />

dann trieb es das Buch<br />

immer doller, und als die<br />

Familie eines Sonntags<br />

Papas Chef und seine<br />

Frau zu Gast hatte und<br />

der Chef während des<br />

Mittagessens tot vom<br />

Stuhl rutschte, hatte das<br />

Buch endlich seinen Kriminalfall.<br />

So geht’s doch<br />

auch!<br />

Peter Köhler<br />

LITERATUREULE 10/14 97<br />

Horst Poller<br />

DIE PHILOSOPHEN UND<br />

IHRE KERNGEDANKEN<br />

Ein geschichtlicher Überblick<br />

8. akt. und erw. Auflage<br />

Broschur, 648 Seiten<br />

€ 19,80 [D]<br />

Was die großen Denker<br />

herausgefun<strong>den</strong> haben, ist<br />

spannend zu lesen. Jedem<br />

Philosophen ist ein abgeschlossenes<br />

Kapitel gewidmet,<br />

in dem auch seine persönlichen Lebensumstände geschildert<br />

wer<strong>den</strong>, ebenso wie die geschichtliche Epoche, durch die er<br />

geprägt wurde.<br />

www.lau-verlag.de<br />

ISBN 978-3-95768-123-2


Der Bestseller<br />

jetzt als Semmelrogge<br />

Taschenbuch<br />

Der Sein Buch Bestseller<br />

„Das Leben ist eine Semmelrogge<br />

Achterbahn“ war ein gro-<br />

ßer Erfolg – jetzt liegt als Taschenbuch vor!<br />

Martin Semmelrogge, Jahrgang ang 1955, ist in aller Munde<br />

– gestern, heute, morgen. Ein turbulentes ulentes Leben, geprägt<br />

von einem ständigen Auf und Ab.<br />

Ob frühe Schauspielerfolge als Teenager, seine Drogen-<br />

und Revoluzzer-Zeit jetzt in als <strong>den</strong> Taschenbuch<br />

70ern, seinem entgültigen<br />

Durchbruch mit dem Welterfolg von „Das Boot“, seiner<br />

Aufnahme in die „Hall of Shame“ der Flensburger<br />

Verkehrs-<br />

sünder-Kartei,<br />

missglückten Auswanderungsversuchen<br />

oder geglückter glückter Familiengründung … Martin Semmel-<br />

rogge steht zu seinen Ups and Downs.<br />

„Auf der Suche nach dem Glück ziehe ich das Unglück<br />

magisch an“, , gesteht er selbstkritisch und gibt doch nie<br />

Sein auf, Buch <strong>den</strong>n „Das hinter Leben der Kulisse ist eine Achterbahn“ des Ausnahmeschauspielers<br />

war ein gro-<br />

sieht es es ganz g<br />

anders aus. aus.<br />

Auf humorvolle aber auch bewegende und durchaus<br />

ßer selbstironische Erfolg – jetzt liegt Weise es lässt als Taschenbuch Martin Semmelrogge vor!<br />

uns teil-<br />

haben an seiner Reise durch die letzten fünf Jahrzehnte in<br />

Deutschland und anderswo.<br />

Martin Semmelrogge, Jahrgang ang Begleiten 1955, ist Sie in <strong>den</strong> aller frühen Munde<br />

voluzzer, <strong>den</strong> ungestümen<br />

jungen Wil<strong>den</strong>, <strong>den</strong> Neugie-<br />

– gestern, heute, morgen. Ein turbulentes rigen, ulentes <strong>den</strong> Leben, Nach<strong>den</strong>klichen,<br />

geprägt<br />

<strong>den</strong> liebevollen Familienvater<br />

und Ehemann durch<br />

von einem ständigen Auf und Ab. 50 Jahre<br />

Deutschland,<br />

aber auch auf die Route<br />

66 und nach Mallorca und<br />

Ob frühe Schauspielerfolge als Teenager, seine Drogen-<br />

bil<strong>den</strong> Sie sich <strong>ihr</strong> eige-<br />

Renes<br />

Urteil.<br />

Der Bestseller<br />

und Revoluzzer-Zeit in <strong>den</strong> 70ern, seinem entgültigen<br />

Durchbruch mit dem<br />

Welterfolg von „Das Boot“, seiner<br />

Erhältlich im Buchhandel und natürlich bei uns:<br />

Aufnahme NWM-Verlag in die • Große „Hall Seestraße of Shame“ 11 • der 23936 Flensburger Grevesmühlen Verkehrs- ehrs-<br />

Tel.: 03881-2339 • info@nwm-verlag.de • www.nwm-verlag.de<br />

sünder-Kartei,<br />

missglückten Auswanderungsversuchen<br />

oder geglückter glückter Familiengründung … Martin Semmel-<br />

rogge steht zu seinen Ups and Downs.<br />

„Auf der<br />

Suche nach dem Glück ziehe ich das Unglück<br />

magisch an“, , gesteht er selbstkritisch und gibt doch nie<br />

auf, <strong>den</strong>n hinter der Kulisse des Ausnahmeschauspielers<br />

sieht es es ganz g<br />

anders aus.<br />

Format: 11,5 x 19 cm,<br />

318 Seiten, 32 Abb., Softcover<br />

ISBN: 978-3-937431-94-9<br />

Preis: 11,99<br />

Anzeige<br />

Das waren d<br />

Anfang der Zwanziger Jahre kam ich<br />

zum ersten Mal nach Berlin und saß<br />

eines Abends mit Bert Brecht in einem<br />

Lokal, wo wir endlos lange Zigarren<br />

rauchten und Brecht das Gespräch auf<br />

Bäume lenkte, weil er es satt hatte,<br />

ständig über seine schmutzigen Gedichte<br />

zu re<strong>den</strong>. Als er mir einige davon<br />

vorlas, bekam ich einen Lachanfall,<br />

<strong>den</strong>n Brecht klang wie ein bayerisches<br />

Mädel mit Asthma, und weil<br />

er sehr beleidigt war, nahm er mich<br />

in <strong>den</strong> Schwitzkasten, bis mir die<br />

Mütze herunterfiel.<br />

Irmgard Keun war sehr lieb zu mir,<br />

wahrscheinlich, weil sie die meiste<br />

Zeit über, die wir zusammen verbrachten,<br />

betrunken war. Zumindest durfte<br />

ich kostenlos bei <strong>ihr</strong> wohnen. Sie war<br />

eine sehr häusliche Frau. Vormittags<br />

arbeitete sie als Sekretärin in einem<br />

Büro am Alexanderplatz, nachmittags<br />

schlen derten wir für gewöhnlich über<br />

die Flohmärkte Berlins. Abends gingen<br />

wir oft etwas trinken, und manchmal<br />

ging sie noch ein bisschen weiter<br />

als ich. Wenn Irmgard dann frühmorgens<br />

wieder nach Hause kam, roch sie<br />

manchmal nach anderen Männern,<br />

und als ich sie einmal fragte, ob ich<br />

<strong>ihr</strong>er Meinung nach wirklich Schriftsteller<br />

wer<strong>den</strong> sollte, schloss sie sich<br />

auf dem Etagenklo ein und kicherte<br />

mehr als eine halbe Stunde lang. Seitdem<br />

war ich mir sicher, dass sie mich<br />

heimlich betrog. Ich hatte Joseph Roth<br />

in Verdacht.<br />

Den Sommer verbrachte ich bei<br />

Kurt Tucholsky in Paris, wo wir uns<br />

die Zeit damit vertrieben, durch die<br />

Cafés zu schlendern und enorm wichtig<br />

zu tun. Einmal trafen wir Erich<br />

Kästner, der seine Mutter dabei hatte.<br />

Er machte einen schmutzigen Reim<br />

auf Heinrich Himmler, worauf ihn<br />

seine Mutter übers Knie legte, obwohl<br />

sie eigentlich SPD wählen würde, wie<br />

sie Tucholsky und mir im Nachhinein<br />

versicherte. Es sei nur Erichs Ausdruck,<br />

der sie immer wieder störte,<br />

aber das habe er auf keinen Fall von<br />

<strong>ihr</strong>.<br />

An einem geselligen Abend behauptete<br />

Stefan Zweig unvermittelt, er<br />

hätte doch tatsächlich einmal Egon Erwin<br />

Kisch an der Sorbonne gesehen,<br />

obwohl doch alle Welt wusste, dass<br />

sich Kisch seit seinem Aufenthalt in<br />

Sowjetrussland in seinem Appartement<br />

versteckt hielt, weil er in Russland<br />

die Benutzung der Zahnbürste<br />

verlernt hatte und sich dafür kolossal<br />

schämte. Ich war der Meinung, Zweig<br />

übertreibe wie gewöhnlich, worauf<br />

98 LITERATUREULE 10/14<br />

der verrückte ÖsterreicherAmok lief<br />

und mich in <strong>den</strong> Schwitzkasten nahm.<br />

In Berlin war mir Irmgard durchgebrannt<br />

und schrieb später, ich solle <strong>ihr</strong><br />

verzeihen, aber sie sei jetzt mit Joseph<br />

Roth zusammen. Ich wusste aber von<br />

Tucholsky, dass die bei<strong>den</strong> nur soffen,<br />

und ich vermutete zu Recht, dass Irmgard<br />

immer noch an mich dachte,<br />

wenn sie auf die Damentoilette im Hotel<br />

ging. Ihr Kichern verfolgte mich<br />

bis in meine Träume.<br />

Brecht hatte keine Zeit, um mit mir<br />

über meinen ersten Roman zu diskutieren,<br />

<strong>den</strong>n er hing jetzt oft mit einer<br />

gewissen Marie-Luise Fleißer herum,<br />

die er an sich gar nicht mochte, wie<br />

er mir sagte, aber er hatte sie Lion<br />

Feuchtwanger ausgespannt und deshalb<br />

tat er mit <strong>ihr</strong> besonders groß.<br />

Tucholsky kam nach Berlin, das war<br />

schon was! Alle machten eine riesige<br />

Schau daraus, und als bekannt wurde,<br />

dass er auf meinem Sofa schlief, gab<br />

mir Anna Seghers aus lauter Bewunderung<br />

einen Cognac aus. Am nächsten<br />

Morgen spazierten wir am Ufer<br />

der Spree entlang, und sie gestand mir,<br />

dass sie das Geld vom Kleist-Preis der<br />

KPD überwiesen habe. Sie meinte, ich<br />

würde einen guten Proletarier abgeben<br />

und fragte mich, ob ich mit zu <strong>ihr</strong><br />

nach Mainz ziehen würde, aber ich<br />

dachte die ganze Zeit über doch nur<br />

an Irmgard.<br />

Dann lasen alle mit einem Mal wieder<br />

Thomas Mann, weil er <strong>den</strong> Nobelpreis<br />

bekommen hatte und plötzlich<br />

aktuell war. Tucholsky reagierte eifersüchtig<br />

und wanderte nach Schwe<strong>den</strong><br />

aus. Erich Maria Remarque wollte ihm<br />

folgen, doch er stieg in <strong>den</strong> falschen<br />

Zug, sodass er in Zürich landete, wo<br />

er mit Hermann Hesse eine Wohngemeinschaft<br />

gründete. Bald darauf wur -<br />

de Max Schmeling Weltmeister im<br />

Schwergewicht und Thomas Mann<br />

war wieder vergessen.<br />

Um 1930 schrieb jeder gerade, die<br />

meisten ab. Brecht schrieb und schlief<br />

mit einem Dutzend Frauen gleichzeitig.<br />

Er wusch sich sehr unregelmäßig,<br />

und als ich ihn einmal vertraulich darauf<br />

ansprach, schmiss er meine<br />

Schreib maschine aus dem Fenster. Ich<br />

war mir sicher, dass ich das schon einmal<br />

irgendwo gelesen hatte.<br />

Aber er hatte ja völlig recht. Feuchtwanger<br />

war auch der Meinung, dass<br />

ich endlich mal mit meinem Roman<br />

fertig wer<strong>den</strong> sollte. Anschließend<br />

woll ten wir gemeinsam nach Südfrankreich<br />

fahren und in Marseille mit<br />

Alfred Döblin sommerfrischen.


ie Zwanziger<br />

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Doch dazu kam es nicht mehr. Irmgard<br />

reiste zurück nach Berlin und<br />

sah sehr versoffen und unwiderstehlich<br />

aus. Ich konnte nicht weiter schreiben,<br />

bis ich sie endlich traf. Sie hatte<br />

<strong>den</strong> Kopf noch voll von diesem verdammten<br />

Roth, doch sie blieb trotzdem<br />

bei mir, in <strong>ihr</strong>er alten Wohnung.<br />

Aber nur kurz. Dann erschienen<br />

schnell <strong>ihr</strong>e ersten bei<strong>den</strong> Romane,<br />

und sie wurde eine große Nummer.<br />

Tucholsky schickte Glückwünsche aus<br />

Schwe<strong>den</strong>, und Roth bat um eine<br />

zweite Chance. Ich kam gerade nach<br />

Hause, als Irmgard <strong>ihr</strong>e Koffer packte.<br />

Ich beschimpfte sie als eine ganz<br />

miese Schlampe, und sie bot mir eine<br />

letzte Zigarette an. Da musste ich weinen,<br />

weil sie so herzlos war, und<br />

nannte sie eine jämmerliche Schriftstellerin,<br />

worauf sie wütend wurde<br />

und mich in <strong>den</strong> Schwitzkasten nahm,<br />

bis ich bewusstlos wurde.<br />

Bernhard Spring<br />

PETER THULKE<br />

Die besondere<br />

Geschichte<br />

Diese Geschichte hier ist eine besondere<br />

Geschichte, <strong>den</strong>n es gibt keine<br />

Worte für sie. Deshalb ist sie an dieser<br />

Stelle im Grunde schon zu Ende erzählt,<br />

weshalb nur der Hinweis folgt,<br />

dass in dieser Geschichte in der Tat jeder<br />

Satz, jedes Wort, jeder Buchstabe<br />

zu viel wäre. Denn was sind schon<br />

Sätze, Worte, Buchstaben? Doch nur<br />

eine besondere Form, Sprachlosigkeit<br />

auszudrücken! Und genau darum geht<br />

es in dieser Geschichte. Damit wäre<br />

sie im Grunde auch schon so gut wie<br />

zu Ende erzählt, weshalb hier nur ein<br />

paar Sätze, Worte und Buchstaben folgen,<br />

um die Geschichte wirklich zu<br />

Ende zu bringen. Freilich, was ist schon<br />

eine Geschichte? Doch nur eine besondere<br />

Form, Inhaltlosigkeit auszudrücken!<br />

Und genau darum geht es in dieser<br />

Geschichte. Damit wäre sie im<br />

Grunde auch schon zu Ende erzählt,<br />

weshalb …<br />

Peter Köhler<br />

LITERATUREULE 10/14 99


Neues aus der Welt der Linguistik<br />

Anzeige<br />

Hast du Worte?<br />

Dunkelmänner der Sprache: die Pronomen<br />

»Anna-Katharina hörte Anna-Maria mit Han na<br />

über Anna-Lena sprechen. Nachdem dieselbe gegangen<br />

war, gesellte sich jene zu dieser und sprach<br />

mit <strong>ihr</strong> über sie.« So steht es wortwörtlich am Anfang<br />

dieses Aufsatzes. Ja, was meinen sie? Bzw.<br />

die Pronomen? Was meinen Sie? Was meint »sie«?<br />

Kleine Erholungsfrage: Sind Sie eine Sie? Schön,<br />

sehr schön. Und jetzt ausgeruht zurück zum Text:<br />

Es gibt sehr viele Pronomensorten. Welche? Diese:<br />

nämlich zum Beispiel die Demonstrativpronomen.<br />

Oder auch jene: nämlich die Fragepronomen.<br />

Diese welche sind strohdumm und haben<br />

von nichts Ahnung – warum wür<strong>den</strong> sie sonst fragen?<br />

Die Velt im Werbum<br />

Klaus Müller<br />

Gehen, um zu bleiben<br />

Aus der DDR nach Italien – und zurück<br />

264 Seiten | Klappenbroschur<br />

ISBN 978-3-95462-317-4 | 14,95 Euro<br />

Die wahre Geschichte<br />

einer waghalsigen<br />

Reise aus der DDR<br />

nach Italien<br />

– und zurück<br />

Geschichten über kühne Fluchten<br />

aus der DDR gibt es einige, aber die<br />

des Wahl-Rostockers Klaus Müller<br />

hat es in sich: Nach seiner Flucht<br />

per Boot über die Ostsee im Sommer<br />

1988 bereiste er sein Sehnsuchtsland<br />

Italien – und kehrte in seine Heimat<br />

DDR zurück. F. C. Delius verarbeitete<br />

die spektakuläre Geschichte in<br />

einer Erzählung. Nun berichtet der<br />

Abenteurer Müller in „Gehen, um zu<br />

bleiben“, was ihn wirklich bewegte.<br />

Werben, ulken, vergackeieren, verkasematuckeln:<br />

Wörter aus der Welt des Werbums. (Moment!<br />

Schreibt man Werbum nicht mit V? Ach<br />

vas.) Welcher Wortart gehört es an? Nun, ohne<br />

der Forschung vorzugreifen, sei soviel verraten:<br />

Es ist ein Tuwort. Als solches ist es zu etwas<br />

nütze, was der Turner »beugen« nennt: tuwort –<br />

tatwort – getanwort.<br />

»Tuwort« aber ist ein Dingwort. Heißt es nun beispielsweise<br />

der, die oder das Laufen? Natürlich<br />

Der Stil ist ja irgendwie immer auch der<br />

Mensch oder so: Quatschi<br />

Quatschi mochte sich einfach nicht mehr im Spiegel<br />

ansehen. Wie war sie doch einst mal so richtig<br />

schlank gewesen! Und jetzt war sie doch einfach<br />

nur noch fett. Dabei konnte sie sich noch<br />

richtig gut erinnern, wie schön sie doch auch mal<br />

gewesen war. Irgendwie ganz präzise Sätze, überhaupt<br />

gar kein Wort zu viel und so! Aber jetzt<br />

war sie einfach total aufgedunsen und irre aufgeschwemmt.<br />

Sie hatte ja schon echt Probleme,<br />

einen irgendwo ganz einfachen Satz einfach nur<br />

mal so zu sagen und dann auch noch überhaupt<br />

Die Leserin<br />

Je<strong>den</strong> Abend las Frau Schnurzelmeier im Bett<br />

ein wenig und schlief darüber ein. Wenn sie die<br />

Lektüre am nächsten Abend fortsetzte, stutzte<br />

sie zunächst, <strong>den</strong>n offenbar hatte sie <strong>den</strong> roten<br />

Fa<strong>den</strong> verloren und völlig vergessen, was zuletzt<br />

geschehen war. Also ging sie jedes Mal eine<br />

Seite zurück und begann die letzten ein, zwei<br />

Absätze zu lesen, um in die Spur zu kommen.<br />

nicht »das Laufen«. Wie klingelt <strong>den</strong>n das im Ohr:<br />

»Das laufen ja ganz schön schnell.« Richtig dagegen<br />

der weibliche Artikel: »Die laufen ja ganz<br />

schön schnell.« Möglich ist auch das männliche<br />

Geschlechtswort, zum Beispiel: »Der laufen ja<br />

alle Männer weg.«<br />

Schließlich (endlich!) kann man dem Tuwort befehlen,<br />

es gehorcht prompt: End! Aufhör! Schluss!<br />

Aus!<br />

gar kein einziges Wort einfach mal zu viel zu machen<br />

oder so! Und schon bereits davon bekam<br />

sie ja dann schon ganz furchtbar schrecklich super<br />

Bauchschmerzen. Ja, nein, Quatschi konnte<br />

sich schon selber einfach nicht mehr zuhören!<br />

Und dann auch noch einfach mal im Spiegel mal<br />

so ansehen mochte sie sich ja schon gleich gar<br />

nicht mehr ansehen. Und wie war sie doch einst<br />

einfach doch auch noch einfach mal irgendwie<br />

mal einfach schon irgendwie ...<br />

Nach drei Wochen hatte sie das Buch aus, ohne<br />

dass sie sagen konnte, worum es ging und wer<br />

die handeln<strong>den</strong> Personen waren. Wahrscheinlich<br />

hätte sie das Buch besser nicht als E-Book<br />

gekauft, <strong>den</strong>n die Datei war mit einem Zufallsgenerator<br />

ausgestattet, der bei jedem Einschalten<br />

die Seiten neu arrangierte. Deshalb hieß der<br />

Krimi ja »Kommissar Zufall und die Leserin«.<br />

www.mitteldeutscherverlag.de<br />

100 LITERATUREULE 10/14<br />

Peter Köhler


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Perlen der D<br />

Rechtzeitig zur diesjährigen Frankfurter Buchmesse feiert eine literarische Gattung Renaissance,<br />

die seit <strong>den</strong> letzten Landtagswahlen in Vergessenheit geraten schien: der Wahlslogan.<br />

In seiner äußeren Form ähnelt der Wahlslogan dem<br />

japanischen Haiku. Während der Haiku allerdings<br />

versucht, in möglichst knapper Form eine ganze<br />

Welt zu entwerfen, ist es das Ziel des Wahlslogans,<br />

in möglichst noch knapperer Form so wenig Inhalt<br />

wie möglich zu transportieren. Das Verhältnis von<br />

Form- und Inhaltslosigkeit bezeichnen Linguisten<br />

als das »Blabla« (Abb.: Nr. 1). Es gilt<br />

blabla = Inhalt / Form<br />

wobei die Form in der Regel aus höchstens einem<br />

elliptischen Satz besteht. Bewegt sich das Blabla gegen<br />

null, so spricht man von einem »geglückten<br />

Wahlslogan«. Dies lässt sich nach der Formel<br />

lim (bla 1 + bla 2 + … + bla n ) = 0<br />

n → ∞<br />

berechnen, wobei jedes Bla ein quantifizierbares<br />

Teilbla (Abb.: Nr. 2) des gesamten Blablas darstellt,<br />

oder anders gesagt: Je Bla, desto hirntot.<br />

Zeichentheoretisch ist das Bla schwer zu fassen,<br />

da sein Signifikant mit keinem Signifikat verknüpft<br />

ist. Es handelt sich vielmehr um Sprechen ohne Entsprechung.<br />

Der Leser interpretiert das als Versprechen.<br />

»Versprechen lohnt sich nicht – außer man hat<br />

es in zwei, drei Wochen schon wieder vergessen«,<br />

lautet die Maxime der Wahlslogandichter. Und zum<br />

Glück erweist sich das Bla als besonders robust gegen<br />

das Erinnern. Hirnforscher haben festgestellt,<br />

dass Gedächtniszellen sofort absterben, wenn sie mit<br />

einem Bla in Berührung kommen. Das liegt an der<br />

chemischen Eigenschaft der »schwach ausgeprägten<br />

mnemotechnischen Permanenzfaszination« (kurz<br />

SchwamPf), die dem Bla aufgrund seiner besonders<br />

simplen Molekularstruktur innewohnt. SchwamPf<br />

kommt überall in der Natur vor. Viele Songs und<br />

Analogkäse, die reich an Bla sind, haben beispielsweise<br />

eine Mnemo-Halbwertzeit von unter fünf Sekun<strong>den</strong>.<br />

Der Wahlslogan aber ist der ungekrönte<br />

König unter <strong>den</strong> Langweilern: Testpersonen haben<br />

ihn im Durchschnitt bereits zwei Minuten, bevor sie<br />

ihn gelesen haben, bereits wieder vergessen.<br />

Da das Bla nicht selber sprechen kann, ist es darauf<br />

angewiesen, dass der Leser ihm seine Stimme<br />

schenkt. Der Wahlslogandichter nennt diesen poetischen<br />

Akt »Stimmenfang«. Da der Wahlslogan wegen<br />

seiner Sprachlosigkeit selber nicht ansprechend<br />

wirkt, kombiniert man ihn auf sogenannten »Wahlplakaten«<br />

häufig mit Fotografien bekannter Politiker<br />

(Abb.: Nr. 3). Das nennt man <strong>den</strong> »Wirkung-überreizlose-Gesichter«-Reiz<br />

(kurz WürG-Reiz), der <strong>den</strong><br />

Blick des Betrachters fesselt, weil er vor lauter Langeweile<br />

nicht mehr die Kraft hat wegzugucken. Unterstrichen<br />

wird diese Reizlosigkeit durch <strong>den</strong> »Blanamen«<br />

(Abb.: Nr. 4), <strong>den</strong> man so schnell wieder vergessen<br />

hat, wie die Doktorarbeit der betreffen<strong>den</strong><br />

Person als Plagiat entlarvt wurde. Der pseudointellektuelle<br />

Hintergrund des Plakats (Abb.: Nr. 5) besticht<br />

durch kräftige, sich harmonisch in die Städtearchitektur<br />

einpassende Farben, damit sich die farblosen<br />

Gesichter davon abheben können.<br />

Da charismatische Köpfe die Bedeutungsleere<br />

des Wahlslogans ungewollt mit Inhalten füllen<br />

könnten, wird darauf geachtet, dass nur Politiker<br />

abgebildet wer<strong>den</strong>, die selber eine außeror<strong>den</strong>tlich<br />

hohe biologische SchwamPf-Dichte aufweisen können<br />

und deren Gesichtsausdruck ungefähr so spannend<br />

ist wie Hundekuchen. Während das Großhirn<br />

des Betrachters die Verarbeitung der visuellen Information<br />

verweigert, <strong>den</strong>kt sich seine Netzhaut:<br />

»Oh, noch so einer.«<br />

Um diese präkognitive Verbindung zwischen<br />

Auge und Resthirn zu verstärken, wird dem Blabla<br />

meistens das »Gemeinbla« (Abb.: Nr. 6) hinzugefügt.<br />

Das kann ein »Wir« oder ein »Du« oder ein »Gemeinsam«<br />

sein. Die Stelle im Blabla, an dem das<br />

Gemeinbla verortet ist, wird auch der »Gemeinplatz«<br />

genannt. Meistens steht es an erster Stelle, da es im<br />

Leser ein Dazugehörigkeitsgefühl evozieren soll. Ge-<br />

102 LITERATUREULE 10/14


ichtkunst<br />

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schieht dies nicht, fühlt sich der Betrachter einsam<br />

und versucht alles, um <strong>den</strong>noch mit dazuzugehören.<br />

Dieses Phänomen nennt man »Her<strong>den</strong>trieb« (von<br />

lateinisch »stupidus«).<br />

Dem Gemeinbla folgt in der Regel das Pro & Kontrabla<br />

(Abb.: Nr. 7), also »für« oder »gegen«. Beide<br />

Blas sind in <strong>ihr</strong>er Bedeutungslosigkeit bedeutungsgleich<br />

und wer<strong>den</strong> synonym für »vielleicht, eventuell,<br />

unter Umstän<strong>den</strong>, wenn nichts dazwischenkommt<br />

und Weihnachten und Ostern auf einen Tag<br />

fallen« verwendet. Einige Sprachwissenschaftler<br />

vertreten die These, dass diesen Blas sogar noch weitere<br />

Blas folgen. Es hat sich jedoch noch niemand<br />

bereit erklärt, <strong>den</strong> praktischen Beweis anzutreten,<br />

indem er weiterlesen würde. Abgerundet wird das<br />

Wahlplakat durch das sogenannte »Parteilogo« (Abb.:<br />

Nr. 8). Nachdem sich der Wahlleiter vom ordnungsgemäßen<br />

Betrieb sämtlicher Blas überzeugt hat,<br />

zieht die ehemalige Lotto-Fee Heike Maurer in geheimer<br />

Wahl beliebige Wahlslogans und ordnet sie<br />

<strong>den</strong> Parteilogos zu. Wenn der Leser Glück hat,<br />

kommt diese Liste im Laufe des Abends abhan<strong>den</strong><br />

oder Heike Maurer wird vorher schon der Ein-Euro-<br />

Job gestrichen. Ansonsten sind die Wahlplakate am<br />

nächsten Tag an Straßenlaternen und auf öffentlichen<br />

Plätzen erhältlich. Im Gegensatz zu herkömmlichen<br />

Buchveröffentlichungen hat der Leser allerdings<br />

die Möglichkeit, die Kleinode deutscher Nonsensdichtung<br />

schon vor dem Kauf zu lesen. Teuer<br />

dafür bezahlen muss er erst nach <strong>den</strong> Wahlen.<br />

Text und Zeichnung:<br />

Michael Kaiser<br />

LITERATUREULE 10/14 103


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Pascals Roman<br />

Wir saßen beim vierten Pils im frisch ergrünten<br />

Biergarten, Amselgesang und schlimmes Privatradio<br />

über uns, da durchschritt er <strong>den</strong> Eingang: Pascal<br />

Müller-Kehlmann, erfolgloser, aber lokal bekannter<br />

Schriftsteller. Hatte ein Buch über seine Ehe<br />

geschrieben, hatte für seine Ex-Frau und deren Verwandtschaft<br />

im Roman Klarnamen verwendet. Verlor<br />

vor Gericht damit, glatt ohne Deal. Musste alle<br />

20 Exemplare unter notarieller Aufsicht vernichten.<br />

War’n ziemlicher Auflauf, weil er zu diesem Anlass<br />

zehn Stiegen Sekt gekauft hatte. Wer eine Flasche<br />

bezahlte, bekam einen Link zum PDF des Romans.<br />

In welchem er hübsch ausgeteilt hat, der Pascal.<br />

Naja, die Fickszenen waren bissel bieder, Schampus<br />

im Bauchnabel, rosa Schleifenkram, Fußfesseln,<br />

Kopfkissen anzün<strong>den</strong>, was alle machen … Im<br />

Grunde erfuhr man nichts Neues über die Familie.<br />

Das Beste war noch der leicht sperrige Titel, das<br />

Ding hieß: »Ich öffnete die Büchse der Pandora. Und<br />

sie war leer.«<br />

Udo Tiffert<br />

NEL<br />

BARBARA HENNIGER<br />

LITERATUREULE 10/14 105


Regionalkrimis<br />

aus Quedlinburg<br />

Der 10. Fall<br />

von<br />

Irenäus Moll<br />

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Wolfgang Schäuble qualifiziert<br />

sich mit seinem Erstlingswerk<br />

»Arsch hoch,<br />

Hände hoch, Steuern hoch!«<br />

für <strong>den</strong> Poetry Slam im<br />

Bundestag.<br />

MG<br />

Gibt es einen<br />

5.000 Jahre<br />

alten und<br />

geheimnisvolle<br />

Kräfte<br />

verleihen<strong>den</strong><br />

Stirnreif<br />

aus dem<br />

Steinkistengrab?<br />

Christian Amling<br />

Das Steinkistengrab<br />

Kriminalroman<br />

ISBN 978-3-86289-073-6; 14,99 €<br />

dr. ziethen verlag Oschersleben<br />

03949 4396<br />

www.dr-ziethen-verlag.de<br />

info@dr-ziethen-verlag.de<br />

Pubertäre Lyrik<br />

von Promis<br />

Hautprobleme<br />

Ob mein Lehrer mich durchschaut,<br />

ob er glaubt, ich kann das?<br />

Fühl mich nicht wohl in meiner Haut,<br />

wär’ lieber jemand anders.<br />

Verkleide mich oft mit dem Ziel,<br />

Persönlichkeit zu schin<strong>den</strong>.<br />

Die andern suchen <strong>ihr</strong> Profil –<br />

ich will es gar nicht fin<strong>den</strong>.<br />

In Bio war ich Klassenbuch,<br />

in Englisch nur die Tafel,<br />

in Mathe vom Produkt der Bruch,<br />

in Deutsch sehr viel Geschwafel.<br />

Erdkündlich war ich Zeigestock,<br />

geschichtlich nur ein Rädchen.<br />

Jetzt geht’s zum Schwimmen – welch ein Schock! –,<br />

ich glaub’, ich geh’ als Mädchen.<br />

Günter Wallraff,<br />

irgendwo ganz unten veröffentlicht, Oktober 1959<br />

Feuchter geht nicht<br />

Ich ging ins Schwimmbad und wurde feucht.<br />

Ich ging an die Nordsee und wurde feucht.<br />

Ich ging unter die Dusche und wurde feucht.<br />

Ich ging an einer Pfütze vorbei, ein Porsche kam,<br />

und ich wurde feucht.<br />

Meine Freundinnen sagen:<br />

»Feucht ist schön!«<br />

Doch was bleibt einem Menschen,<br />

wenn er schon überall feucht gewor<strong>den</strong> ist?<br />

Ich fühle mich<br />

so jung und doch erfahren.<br />

Charlotte Roche (oder Eva Herman?),<br />

veröffentlicht in der Schülerzeitung »Nassforscher«, 1989<br />

Michael Kaiser<br />

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