(Echo Online - \204Die Herrscha...) - Karl-Heinz Brodbeck
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<strong>Echo</strong> <strong>Online</strong> - „Die <strong>Herrscha</strong>ft des Geldes“ von <strong>Karl</strong>-<strong>Heinz</strong> <strong>Brodbeck</strong><br />
http://www.echo-online.de/kundenservice/a_detail.php3?id=793624<br />
1 von 2 29.09.2009 15:18<br />
Buch-Tipp<br />
„Die <strong>Herrscha</strong>ft des Geldes“ von <strong>Karl</strong>-<strong>Heinz</strong> <strong>Brodbeck</strong><br />
Der Würzburger Professor rechnet mit der Ökonomie ab<br />
(Buchcover: Verlag)<br />
Groß und schwer wie eine Hausbibel liegt das Werk auf dem Tisch, knappe 1200 Seiten dick: „Die<br />
<strong>Herrscha</strong>ft des Geldes: Geschichte und Systematik“ von <strong>Karl</strong>-<strong>Heinz</strong> <strong>Brodbeck</strong>, erschienen in<br />
Darmstadt bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft.<br />
In der nun schon ein Jahr währenden Finanzkrise müsste dieses Buch seinem Anspruch nach<br />
eigentlich ganz oben auf den Verkaufslisten stehen: Alles, was Sie schon immer über Geld wissen<br />
wollten, auch wenn Sie keines haben. 99 Euro immerhin muss man investieren für das Opus magnum<br />
(als Mitglied der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft, der Ladenpreis liegt noch höher).<br />
Dafür verspricht der Professor aus Würzburg nicht wenig: Er will all die kollektiven Täuschungen<br />
enttarnen, auf denen die <strong>Herrscha</strong>ft des Geldes beruht. Denn „nur kraft des Nichtwissens der Vielen<br />
über das Geld“ kann es zur herrschenden Macht werden. So viel Aufklärung muss man sich wohl<br />
etwas kosten lassen.<br />
Der Ökonom <strong>Brodbeck</strong> lässt schon im Vorwort keinen Zweifel aufkommen, dass er seiner Zunft<br />
äußerst kritisch gegenübersteht. Zwar saß auch er als Mitarbeiter des Münchener Ifo-Instituts<br />
zeitweilig in dem Glashaus, dessen Scheiben er jetzt einwirft. Aber das ist lange her. Inzwischen lehrt<br />
er in Würzburg und München Volkswirtschaftslehre, Statistik und Kreativitätstechniken und geht von<br />
dort aus eigene Wege, zum Beispiel zu einer buddhistische Wirtschaftslehre.<br />
Und jetzt also, Frucht einer jahrzehntelangen Auseinandersetzung, eine Geschichte der Geldtheorien<br />
als Abrechnung mit den Irrtümern der klassischen Ökonomie. Die ist für <strong>Brodbeck</strong> gar keine exakte<br />
Wissenschaft – nicht allein wegen ihrer prognostischen Irrtümer, sondern weil ihre zentralen Begriffe<br />
ungeklärt sind und sie ihren Gegenstand, das Geld, in seinem Wesen prinzipiell verfehle.<br />
Die Sache ist aber auch wirklich vertrackt: Man kann das Geld – wie übrigens auch die Sprache –<br />
schlechterdings nicht aus einem Anderen ableiten, sondern bewegt sich immer schon in seinen<br />
Kategorien. Geld ist ein gesellschaftlich vermittelter, „zirkulärer Bedeutungsprozess, den alle<br />
hervorbringen durch die Unterwerfung unter ihn“.<br />
Und dann holt der Professor ganz weit aus und unterzieht alles einer fundierten kritischen Prüfung,<br />
was von Luther bis Luhmann so gedacht wurde über das Wesen des Geldes. Das ist ein langer<br />
Marsch durch die Geschichte der Theorien und Wertelehren. Der Weg führt in zuweilen<br />
schwindelerregende Höhen, dann wieder durch unendliche scheinende trockene Ebenen.<br />
Dem ökonomischen Laien kann da schon mal die Puste ausgehen, zuweilen mag er auch am eigenen<br />
Fassungsvermögen zweifeln. Man braucht für diese Exkursion jedenfalls nicht nur Geld, sondern auch<br />
viel Zeit (auch über die Korrelation von beidem erfahrt man Substanzielles).<br />
Wer das alles bis zum Ende durchhält, ist zweifellos erheblich klüger als zuvor. Mehr Geld hat er<br />
dadurch noch nicht. Die Erwartung, die Mühen der Lektüre durch den Erwerb von Insider-Wissen
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über eine „sexy performance“ an der Börse zu kapitalisieren – sie wird von <strong>Brodbeck</strong> mit Absicht<br />
enttäuscht: Ist sie doch ihrerseits ein Indiz für den „planetarischen Kotau vor dem Wahn des<br />
Geldsubjekts und seiner grenzenlosen Gier“.<br />
Erfreulich klare Worte, die sonst wohl kein klassischer Ökonom in den Mund nehmen würde.<br />
Zuweilen kleidet <strong>Brodbeck</strong> seine Kritik in biblische Rhetorik. Besonders im Schlusskapitel, wenn er<br />
beharrlich nachfragt, ob es nicht eine Geldwirtschaft geben könnte, die sich von den Zwängen der<br />
Geldvermehrung und ihrer gesellschaftlichen und ökologischen Folgekosten befreit.<br />
Hier kommt eine Kategorie ins Spiel, die man in Texten zur Wirtschaftstheorie sonst nicht findet: das<br />
Mitgefühl. Und damit ist hier durchaus mehr gemeint als ein bisschen ethische Nachhilfe für<br />
Führungskräfte aus dem Geist des Buddhismus. Es geht vielmehr darum, sich vorzustellen, dass die<br />
Menschen den „Marktgehorsam“ aufkündigen und sich von der „institutionalisierten Gier“<br />
verabschieden – zugunsten der Wiedergewinnung einer „auf Mitgefühl und Erkenntnis gründenden<br />
Vergesellschaftung“.<br />
Man kann die Utopie einer nicht primär am Zins orientierten Geldwirtschaft als Gutmenschentum<br />
denunzieren. Man kann aber auch die Anstrengung des Begriffs wagen, die dieses Buch seinen<br />
Lesern abverlangt. Für kapitalismuskritische Bewegungen wie Attac bis zu den Verfechtern eines<br />
bedingungslosen Grundeinkommens könnte das Buch aus Darmstadt zu einem anregenden<br />
Grundlagentext werden.<br />
<strong>Karl</strong>-<strong>Heinz</strong> <strong>Brodbeck</strong>:<br />
„Die <strong>Herrscha</strong>ft des Geldes –<br />
Geschichte und Systematik“<br />
Wissenschaftliche<br />
Buchgesellschaft, Darmstadt<br />
1193 Seiten<br />
149,90 Euro.<br />
Für Mitglieder 99 Euro.<br />
Dieses Buch erhalten Sie bei<br />
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Holger Schlodder<br />
28.9.2009