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Warum will Russland unser Fleisch nicht mehr kaufen? - des ...

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<strong>Warum</strong> <strong>will</strong> <strong>Russland</strong> <strong>unser</strong> <strong>Fleisch</strong> <strong>nicht</strong> <strong>mehr</strong> <strong>kaufen</strong>?: Universität Ho...<br />

https://www.uni-hohenheim.de/index.php?type=77&id=74992&tx_ttnew...<br />

1 von 2 30.01.2013 14:29<br />

Ausgabe für Studierende | Ausgabe für Beschäftigte | Gemeinsame Ausgabe<br />

Zur Sache, Prof!<br />

<strong>Warum</strong> <strong>will</strong> <strong>Russland</strong> <strong>unser</strong> <strong>Fleisch</strong> <strong>nicht</strong> <strong>mehr</strong> <strong>kaufen</strong>? [29.01.13]<br />

Bereits im Dezember hat <strong>Russland</strong> angekündigt, kein<br />

deutsches Frischfleisch <strong>mehr</strong> zu <strong>kaufen</strong>, weil dies den<br />

dortigen hygienischen Ansprüchen <strong>nicht</strong> genüge. Das<br />

klingt sehr nach kaschiertem Protektionismus, ist es aber<br />

<strong>nicht</strong> unbedingt, sagt Tilman Becker, Professor für<br />

Agrarmärkte und Agrarmarketing.<br />

Kommt künftig <strong>nicht</strong> <strong>mehr</strong> so leicht durch den russischen Zoll: Gekühltes<br />

Frischfleisch aus Deutschland © Creative Commons, Wikipedia<br />

Die russischen Hygieneanforderungen würden missachtet, das<br />

deutsche Veterinärsystem sei unzulänglich: <strong>Russland</strong> hat<br />

Deutschland ein Ultimatum gestellt, diese Mängel zu<br />

beseitigen. Andernfalls würde es ein Importverbot für<br />

Frischfleisch geben. Was kaum ein Deutscher glauben kann,<br />

hat einen wahren Kern, meint der Hohenheimer Experte.<br />

Zur Sache, Herr Professor Becker!<br />

Tilman Becker: Professor für Agrarmärkte und Agrarmarketing<br />

Forschung: u.a. Untersuchung von Qualitätspolitik,<br />

Verbraucherverhalten und Lieferketten bei Agrarprodukten<br />

Herr Becker, die deutschen Hygieneanforderung sollen<br />

angeblich den russischen <strong>nicht</strong> genügen – das kann<br />

doch gar <strong>nicht</strong> sein, oder?<br />

Aktuelle Artikel zum Thema<br />

<strong>Russland</strong> Heute<br />

topagrar online<br />

agrar heute<br />

Stimme <strong>Russland</strong>s<br />

Das würde ich so <strong>nicht</strong> sagen. In gewissen Punkten gibt es da<br />

durchaus Gründe, die deutschen Anforderungen in Frage zu stellen.<br />

Einsatz von Tetracyclin<br />

Tetracyclin ist ein<br />

Breitbandantibiotikum und kann<br />

gegen viele bakterielle Infektionen<br />

gleichzeitig angewandt werden.<br />

Dadurch ist es gerade in der<br />

Tierzucht effektiv einsetzbar. In der<br />

EU ist Tetracyclin allerdings<br />

verschreibungspflichtig und darf in<br />

<strong>Fleisch</strong> nur bis zu einem<br />

bestimmten Grenzwert vorkommen.<br />

Wie bei allen Antibiotika geht die<br />

größte Gefahr bei belastetem<br />

<strong>Fleisch</strong> von der Resistenzbildung<br />

beim Menschen aus: Gerade gegen<br />

Tetracycline gibt es bereits viele<br />

Resistenzen in Krankenhäusern. Je<br />

<strong>mehr</strong> Bakterien gegen das<br />

Medikament resistent sind, <strong>des</strong>to<br />

wirkungsloser wird das Antibiotikum<br />

bei der tatsächlichen Behandlung<br />

von Krankheiten. In <strong>Russland</strong> ist es<br />

<strong>des</strong>halb komplett verboten, das<br />

Medikament bei Nutztieren<br />

Im vorliegenden Fall geht es ja vor allem um das Antibiotikum Tetracyclin. Das<br />

Medikament kann tatsächlich in deutschem Frischfleisch vorkommen, weil es in<br />

Deutschland <strong>nicht</strong> komplett verboten ist. Es gibt hier zwar Grenzwerte, wie viel von<br />

dem Medikament im <strong>Fleisch</strong> vorkommen darf, aber kein generelles Verbot – wir sehen<br />

das eben etwas lockerer mit Antibiotika, was übrigens inzwischen auch sehr umstritten<br />

ist.<br />

In <strong>Russland</strong> gibt es aber ein solches Verbot. Wenn nun also deutsches Frischfleisch<br />

das Medikament enthält, kann <strong>Russland</strong> durchaus sagen: „Das <strong>kaufen</strong> wir <strong>nicht</strong>.“<br />

Aber das hat sich doch in letzter Zeit <strong>nicht</strong> geändert. <strong>Warum</strong> legt <strong>Russland</strong> erst<br />

jetzt so großen Wert darauf?<br />

Darüber wird durchaus schon länger diskutiert, das Thema ist <strong>nicht</strong> neu. Neu ist nur,<br />

dass <strong>Russland</strong> jetzt scheinbar wirklich ernst machen und kein deutsches Frischfleisch<br />

<strong>mehr</strong> importieren <strong>will</strong>.<br />

Es könnte natürlich auch mit dem Beitritt <strong>Russland</strong>s zur Welthandelsorganisation<br />

WHO zusammenhängen. Seit <strong>Russland</strong> zur WHO gehört, sind die Importzölle für<br />

Frischfleisch ganz erheblich gesunken. Das heißt, Import-<strong>Fleisch</strong> ist deutlich billiger<br />

geworden.<br />

Putin hat erst vor kurzem das Ziel für <strong>Russland</strong> ausgegeben, bis 2018 vom <strong>Fleisch</strong>-<br />

Importeur zum <strong>Fleisch</strong>-Exporteur zu werden. Das ist natürlich relativ schwer, wenn<br />

gleichzeitig die Zölle sinken und importiertes <strong>Fleisch</strong> billiger wird.<br />

Also doch kaschierter Protektionismus!<br />

Die Unterscheidung zwischen „wahrem“ und „kaschiertem“ Protektionismus ist <strong>nicht</strong>


<strong>Warum</strong> <strong>will</strong> <strong>Russland</strong> <strong>unser</strong> <strong>Fleisch</strong> <strong>nicht</strong> <strong>mehr</strong> <strong>kaufen</strong>?: Universität Ho...<br />

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einzusetzen. Ebenso darf<br />

Tetracyclin überhaupt <strong>nicht</strong> in<br />

<strong>Fleisch</strong> vorkommen.<br />

die mit Hormonen behandelt wurden.<br />

ganz einfach. Ein ganz ähnliches Problem haben <strong>Russland</strong> und die EU mit den USA:<br />

Hier, in der EU und auch in <strong>Russland</strong> ist der Einsatz <strong>des</strong> Wachstumshormons<br />

Ractopamin verboten. Aus diesem Grund wird bestimmtes <strong>Fleisch</strong> aus den USA hier<br />

<strong>nicht</strong> importiert. Die USA befürchten dahinter, genauso wie wir bei <strong>Russland</strong>,<br />

Protektionismus. Dabei möchten wir einfach nur kein <strong>Fleisch</strong> von Tieren importieren,<br />

Wenn <strong>Russland</strong> nun als <strong>Fleisch</strong>-Importeur ausfällt, was hat das für<br />

Konsequenzen?<br />

<strong>Russland</strong> hat im vergangenen Jahr rund 700 Tausend Tonnen Schweinefleisch im Wert<br />

von etwa 1,5 Mrd, Euro importiert, davon etwas <strong>mehr</strong> als 100 Tausend Tonnen im Wert<br />

von etwa 260 Millionen Euro aus Deutschland. Es bleibt abzuwarten, ob sich das Verbot<br />

generell gegen je<strong>des</strong> Schweinefleisch aus Deutschland richten wird oder nur gegen<br />

einige Betriebe. Eventuell wird auch eine einvernehmliche Lösung gefunden. Im Januar<br />

wurde <strong>des</strong>halb eine Stabstelle „Export Russische Föderation“ im<br />

Bun<strong>des</strong>landwirtschaftsministerium eingerichtet.<br />

Wenn das Importverbot in Kraft tritt, wird Deutschland als Exporteur auch etwas zu<br />

spüren bekommen: Durch die fehlende Exportnachfrage dürften die Preise für<br />

Schweine und Schweinefleisch sinken. Allerdings werden das die Verbraucher kaum<br />

merken. Eher die Produzenten: Landwirte, die Schweine halten und ver<strong>kaufen</strong>, werden<br />

mit tendenziell niedrigeren Preisen klarkommen müssen.<br />

Interview: Niko Sokoliuk<br />

Forschung in Hohenheim<br />

Forschungsgegenstand <strong>des</strong><br />

Fachgebiets Agrarmärkte und<br />

Agrarmarketing sind die Märkte<br />

der Agrar- und Ernährungswirtschaft.<br />

Vor allem die Analyse <strong>des</strong><br />

Angebots, der Nachfrage und der<br />

staatlichen Eingriffe auf den Agrarund<br />

Lebensmittelmärkten stehen im<br />

Vordergrund. Dabei wird integrativ<br />

die gesamte Wertschöpfungskette<br />

betrachtet: von den<br />

Vorleistungsmärkten für die<br />

Landwirtschaft, über die<br />

Agrarmärkte, bis hin zu den<br />

Lebensmittelmärkten.

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