evaluierung_screen.pdf - 1 MB - Habichtskauz
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Naturschutzfachliche Synopse zum „Ansiedlungsprojekt <strong>Habichtskauz</strong><br />
(Strix uralensis)“ in Österreich (speziell Wien und Niederösterreich),<br />
Evaluierung für den Zeitraum 2008-2012.<br />
Foto: Nill<br />
Dr. Wolfgang Scherzinger, 2012<br />
im Auftrag der Projektleitung,<br />
am Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Vet. Med. Universität Wien.<br />
1
Naturschutzfachliche Synopse zum „Ansiedlungsprojekt <strong>Habichtskauz</strong> (Strix uralensis)“<br />
in Österreich (speziell Wien und Niederösterreich), Evaluierung für den Zeitraum 2008-2012.<br />
Zielstellung<br />
Der <strong>Habichtskauz</strong> (Strix uralensis) zählt zur originären Avifauna Österreichs, dessen<br />
Brutvorkommen für das Tote Gebirge/OÖ und Randbereiche des Böhmerwaldes /OÖ gegen<br />
Ende des 19. Jhdt belegt ist, im Grenzbereich zu Slowenien hingegen bis heute noch<br />
sporadisch zu beobachten ist. Darüber hinaus liegen Meldungen von Einzelvögeln aus<br />
Burgenland, Steiermark, Kärnten, Salzburg, Ober- und Niederösterreich vor, die auf eine<br />
breitgefächerte Dispersion in guten Reproduktionsjahren schließen lassen – wenn auch als<br />
seltenes Ereignis.<br />
Versuche zur Wiederbegründung lokaler <strong>Habichtskauz</strong>-Vorkommen wurden in den 1970-er<br />
Jahren im Nationalpark Bayerischer Wald unternommen, wo die Art seit etwa 1925 als<br />
ausgestorben gilt. Dank grenzüberschreitender Kooperation mit dem Nationalpark Šumava<br />
konnte sich in der Böhmerwaldlandschaft bis heute ein Brutbestand von wenigstens 15-20<br />
Paaren etablieren (J. MÜLLER, briefl.). Durch diesen Erfolg angespornt reifte die Idee zum<br />
Ansiedlungsprojekt in Österreich, mit dem Ziel, in geeigneten Waldgebieten lokale<br />
Teilpopulationen zu begründen, die – mittel- bis langfristig – eine Vernetzung<br />
Österreichischer Brutgebiete mit dem Inselvorkommen im Böhmerwald sowie den<br />
autochthonen Vorkommen in den Karpaten (Tschechien, Slowakei, Ungarn, Polen) und den<br />
Dinariden (Italien, Slowenien, Kroatien) ermöglichten. Auf Grund der Ansprüche an<br />
arttypische Habitat-Requisiten soll die Etablierung dieser großen Eule gleichzeitig für<br />
Uraltbestände, Bruchstämme, Horst- und Höhlenbäume - als Voraussetzung zur<br />
Komplettierung der waldspezifischen Biodiversität - werben.<br />
Ansiedlung und Wiederansiedlung von Wildtieren unterliegen nicht nur formalen Vorgaben<br />
(wie z. B. behördliche Genehmigungen, Zustimmung des Waldeigentümers) sondern sollen<br />
auch den international definierten Richtlinien der IUCN entsprechen. Diese wurden einerseits<br />
zur Eindämmung unkontrollierter Freisetzungen aufgestellt, gleichzeitig als Leitfaden zur<br />
Hebung der Erfolgschancen wissenschaftlich begleiteter Artenschutzmaßnahmen formuliert. -<br />
Diese gutachterliche Stellungnahme orientiert sich im Wesentlichen an den IUCN-Kriterien,<br />
wie sie in den IUCN Guidelines for Re-introductions 1998 veröffentlicht wurden und 2012 als<br />
Entwurf zur Aktualisierung vorliegen (Guidelines for Reintroductions and Other<br />
Conservation Translocations).<br />
Als Motive für derart aufwendige „Translokationen“ nennen diese Richtlinien die<br />
Rekonstruktion der natürlichen Vielfalt (Biodiversität) eines Gebietes sowie die Wieder-<br />
Etablierung bestimmter ökologischer Funktionen (z. B. Predation, Beweidung,<br />
Samenausbreitung) und die Förderung des allgemeinen Interesses am Naturschutz. In jedem<br />
Fall müssen Ansiedlungsprojekte den Aufbau lebensfähiger Populationen anstreben, als<br />
effektiver Beitrag zur langfristigen Artensicherung. Demnach werden als Projektziele<br />
anerkannt:<br />
• die Wiederansiedlung örtlich ausgestorbener Arten (bzw. Unterarten, Öko- und<br />
Lokaltypen) in deren historisch belegtem Verbreitungsgebiet;<br />
• die Ansiedlung regional ausgestorbener Arten (bzw. Unterarten, Öko- und<br />
Lokaltypen) in geeigneten Habitaten, wo ein früheres Vorkommen möglich bis<br />
wahrscheinlich ist;<br />
• die Ansiedlung gefährdeter Arten (bzw. Unterarten, Öko- und Lokaltypen) außerhalb<br />
deren ursprünglichem Verbreitungsgebiet, wenn dies deren Bestandssicherung dient<br />
(Ansiedlung zum Arterhalt).<br />
2
Da natürliche Prozesse weder auf Populationsebene noch auf Habitatebene gesicherte<br />
Prognosen – oder gar Erfolgsgarantien – zulassen, behält jedes Ansiedlungsprojekt<br />
experimentellen Charakter, was sowohl eine bestmögliche Risikoabschätzung im Vorfeld<br />
erfordert als auch eine fortlaufende Anpassung der Methodik, entsprechend den jeweils<br />
gewonnenen Erfahrungen (schrittweise Adjustierung und Adaption an örtliche Bedingungen).<br />
Machbarkeitsstudie<br />
Nach den IUCN Richtlinien (1998) sind die allgemeinen Voraussetzungen zur Abschätzung<br />
der Effektivität des Projektes im Rahmen einer Machbarkeitsstudie zu prüfen (hinsichtlich<br />
historischer und potenzieller Verbreitung, heutiger Habitateignung, Verfügbarkeit und<br />
Herkunft des Tiermaterials) unter Einbeziehung der Erfahrungen aus vorangegangenen<br />
Projekten mit vergleichbarer Zielsetzung.<br />
Im Vorfeld des zu prüfenden „Ansiedlungsprojekts <strong>Habichtskauz</strong>“ wurden bereits 2006 im<br />
Rahmen des internationalen workshops zum Status des <strong>Habichtskauz</strong>es in Europa (wiss.<br />
Schriftenreihe, Nationalpark Bayerischer Wald) die historischen und aktuellen Artnachweise<br />
für Österreich (und Umfeld) kartenmäßig erfasst. In Verschneidung mit den arttypischen<br />
Lebensraum-Präferenzen, die in Mittel-, Süd- und Osteuropa vor allem Laubholz-dominierte<br />
Altholzbestände mit ausreichendem Brutplatzangebot betreffen, wurde die potenzielle<br />
Eignung großer Waldgebiete in Österreich modellhaft ermittelt (ZINK 2007-a). Daraus leiteten<br />
sich eine Habitat-Evaluierung für das „Wildnisgebiet Dürrenstein“ und Umgebung (STEINER<br />
2007) sowie die Machbarkeitsstudie für den Wienerwald ab (ZINK 2007-b). Im Rahmen des<br />
Länder-übergreifenden Projekts ECONNECT, zur Vernetzung Naturschutz-relevanter<br />
Großräume, wurden in Zusammenarbeit mit dem Nationalpark Gesäuse auch die<br />
Waldlandschaften der Nördlichen Kalkalpen (Gesäuse, Eisenwurzen, Hintergebirge)<br />
hinsichtlich ihrer Habitateignung erfasst. Über diese Räume weit hinausgreifend ist derzeit<br />
eine Modellierung der Lebensraumeignung für die gesamte Steiermark in Arbeit (im Rahmen<br />
des „Projekts für ländliche Entwicklung“), auf deren Basis sich mögliche Dispersions- bzw.<br />
Migrations-Achsen zwischen den Freilassungsgebieten in Wien und Niederösterreich und<br />
dem <strong>Habichtskauz</strong>vorkommen in Slowenien darstellen ließen.<br />
Abb. 1 Historische Nachweise bzw. Meldungen von Habichtskäuzen in Österreich (bis 1950; unterlegt mit<br />
modellierter Habitat-Eignung auf der Basis alter Laub- bzw. Buchenwälder; Zink & Scherzinger, unveröff.)<br />
3
Einschätzung von Lebensraumeignung und Beuteangebot<br />
Nach den Kriterien: großflächiges Waldgebiet in der Collin- und Montanstufe bis etwa<br />
1.000m NN, Buchen-Dominanz, Altholzvorkommen mit Brutplatzpotenzial sowie geringem<br />
Predationsrisiko (z. B. durch den Uhu) erscheint - neben den historischen<br />
Schwerpunktgebieten im Böhmerwald, dem Toten Gebirge und dem Grenzbereich zu<br />
Slowenien – der langgestreckte Waldgürtel entlang dem Voralpenland, vom Reichraminger<br />
Hintergebirge bis zum Wienerwald als besonders geeignet, neben den waldreichen<br />
Gebirgszügen zwischen Buckliger Welt, Fischbacher Alpen und Packsattel, über die Koralm<br />
bis an den Rand des Klagenfurter Beckens. Eine modellhafte Ermittlung der günstigsten<br />
Dispersionskorridore bzw. Vernetzungsachsen Österreich-weit ist in Ausarbeitung.<br />
Da Brutvorkommen und Bruterfolg von Habichtskäuzen eng an das jeweilige Beuteangebot<br />
gekoppelt sind, wurden direkte und indirekte Methoden zum Monitoring des Beutepotenzials<br />
eingesetzt: Mit standardisiertem Fallenfang wird im Wildnisgebiet der Massenwechsel der<br />
Kleinsäuger seit 2002 beobachtet. Für den Wienerwald können die langjährigen Messreihen<br />
des Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft /<br />
Wien herangezogen werden, die zuverlässige Prognosen zur Samenmast z. B. von Buche und<br />
Eiche (Hainbuche, Ahorn) auf der Basis des jährlichen Pollenflugs erlauben (für das Projekt<br />
relevante Messstation in Maria Brunn).<br />
Abb. 2 In Mittel- und Südost-Europa präferieren<br />
Habichtskäuze laubholzreiche Altbestände in milder<br />
Lage (adultes Weibchen, Bayerischer Wald)<br />
Die IUCN-Richtlinien empfehlen zur langfristigen Qualitätssicherung der Ansiedlungsgebiete<br />
Areale mit besonderem Schutzstatus, nach Möglichkeit auch geeignete Organisationsstrukturen<br />
zur örtlichen Betreuung.<br />
4
Für die Startphase des Ansiedlungsprojekts wurden die weiträumigen Buchenwälder des<br />
Wienerwaldes (Wien und NÖ) und die Bergmischwälder am Wildnisgebiet Dürrenstein (NÖ)<br />
gewählt, wo auf maßgeblichem Flächenanteil sowohl ein herausragender Schutzstatus<br />
(Biosphären-Park, Wildnisgebiet Kat. I und II) als auch die erforderliche Betreuungsstruktur<br />
gewährleistet sind.<br />
Zur Methodik von Auswilderung, Monitoring und Bestandstützung lagen z. T. langjährige<br />
Erfahrungen aus den Wiederansiedlungsprojekten der Nationalparks Bayerischer Wald (seit<br />
1975) und Böhmerwald/Šumava (seit 1995) sowie der Initiative im Mühlviertel (2001) vor.<br />
Eckdaten zu Habitatpräferenz, Flächenbedarf lebensfähiger Teilpopulationen und den<br />
Dispersionsdistanzen der Jungeulen konnten sowohl aus oben genannten Projekten als auch<br />
aus publizierten Freilandstudien sowie Exkursionen in die Ostslowakei und Slowenien erfasst<br />
werden. Auf Basis dieser Vorstudien konnte 2008 in Abstimmung mit Vertretern von birdlife-Austria<br />
ein „Aktionsplan <strong>Habichtskauz</strong>“ aufgestellt werden (ZINK & PROBST 2009).<br />
Material und Methode<br />
Die IUCN-Richtlinien empfehlen die Beurteilung des taxonomischen Status der örtlich<br />
verschwundenen Art (Unterart), inklusive einer molekular-genetischen Untersuchung von<br />
historischem Material, damit für Ansiedlungen bzw. Wiederansiedlungen nach Möglichkeit<br />
dieselbe Unterart (Rasse) oder eine eng verwandte Unterart (Rasse) eingesetzt wird.<br />
Gleichzeitig weisen die Kommentare darauf hin, dass die Gründerpopulation eine möglichst<br />
breite genetische Diversität aufweisen soll. Bei Entnahme aus kleinräumigen Vorkommen<br />
bzw. Reliktbeständen besteht das Risiko von Inzuchtdepression, zufälligen Gründereffekten<br />
und eingeschränkter Anpassungsfähigkeit an die Bedingungen am neuen Standort.<br />
Entsprechend wurden im Entwurf aus 2012 die Kriterien der IUCN praxisnah modifiziert:<br />
Gründertiere sollen hinsichtlich genetischer Abstammung, vor allem hinsichtlich Gestalt,<br />
Physiologie und Verhalten der Ursprungspopulation möglichst nahe kommen. Ist die<br />
originäre Unterart (Rasse) ausgestorben (bzw. nicht verfügbar) kann die nächst verwandte<br />
Unterart (Rasse) eingesetzt werden, vorausgesetzt, sie entspricht in Ähnlichkeit und Verhalten<br />
und erfüllt die ökologische Position in vergleichbarer Weise. Zur Optimierung der<br />
Anpassungs-Chancen an ein neues Habitat kann auch eine Durchmischung unterschiedlicher<br />
Herkünfte zur Verbreiterung des gen-pools in Erwägung gezogen werden, wobei Gene lokaler<br />
Vorkommen - soweit möglich – einbezogen werden sollen.<br />
In jedem Fall dürfen weder Wildpopulationen noch Zuchtstämme in menschlicher Obhut<br />
durch die Entnahme von Gründertieren geschwächt oder gefährdet werden.<br />
Abb. 3 Entwicklung und Betreuung des<br />
züchterischen Netzwerks sind<br />
Voraussetzung für ein Ansiedlungsprojekt,<br />
das auf Entnahme von Wildvögeln<br />
grundsätzlich verzichtet. (in<br />
Gefangenschaft nachgezüchtete<br />
Habichtskäuze im Ästlingsstadium).<br />
5
Im vorliegenden Projekt folgte man dem Grundsatz, keine Tiere aus freilebenden<br />
Wildpopulationen zu entnehmen, die Auswilderung vielmehr ausschließlich mit Nachzuchten<br />
aus der Gehegehaltung zu bestreiten. Mit einem effektiven Fokus in der Station der<br />
EGS/Haringsee wurde innerhalb weniger Jahre ein Netzwerk kooperierender Tiergärten und<br />
privater Züchter aufgebaut (mit Partnern in Österreich, Deutschland, Italien, Tschechien,<br />
Polen), um jährlich auf eine ausreichend große Anzahl an Jungkäuzen zurückgreifen zu<br />
können (aktuell rund 30-35 Zuchtpaare, davon mehr als 20 in Österreich). Zur Sicherung der<br />
qualitativen Eignung der Nachzuchten für ein Leben im Freiland wurden alle Partner im<br />
Netzwerk mit spezifizierten „Haltungs-Richtlinien“ versorgt (ZINK 2009). - Dank qualitativ<br />
hochwertiger Futtertiere (Nagetiere aus Laborzucht), geräumiger Volieren und geeigneter<br />
Nistkästen konnte der Zuchterfolg laufend gesteigert werden (von durchschnittlich 1,5<br />
ausgeflogene Junge pro erfolgreicher Brut in 2009, zu 2,3 Junge in 2010, 2,7 Junge in 2011<br />
und sogar 3,1 Junge in 2012).<br />
Einen relativ breiten Rahmen nahm die Diskussion um geeignete Herkünfte ein: Nach<br />
geltender Taxonomie sind <strong>Habichtskauz</strong>vorkommen im Alpenraum der Unterart Strix u.<br />
macroura zuzuordnen, die als nacheiszeitliches Relikt den Karpatenbogen bis zum westlichen<br />
Balkan sowie die Dinarische Gebirgskette besiedelt. Folgt man aber der neuesten Literatur,<br />
wären Habichtskäuze der Ostalpen eher der Unterart Strix u. liturata zuzuordnen, und damit<br />
den Skandinavischen Herkünften nächstverwandt (MIKKOLA 2012).<br />
Abb. 4 Melanistischer <strong>Habichtskauz</strong> aus der ursprünglichen<br />
Böhmerwaldpopulation (Präparat um 1915, Sammlung Univ.<br />
Passau)<br />
Für das hier beschriebene Ansiedlungsprojekt stand zunächst der Zuchtstamm des<br />
Nationalpark Bayerischer Wald bzw. der Eulen- und Greifvogelstation Haringsee zur<br />
Verfügung (begründet 1970-1987 mit Eulen aus Schweden, Finnland, Eur. Russland und<br />
Slowakei). Nach herkömmlicher Taxonomie sind diese Gründertiere den Unterarten Strix u.<br />
liturata (6 Individuen) und Strix u. macroura (2 Individuen) zuzuordnen. - Über eine breite<br />
genetische Analyse wurden 2007/08 sowohl Proben von <strong>Habichtskauz</strong>-Präparaten aus der<br />
autochthonen Böhmerwaldpopulation mit Tieren aus dem Zuchtstamm als auch Blut- und<br />
Federproben aus Wildbeständen von Schweden, Finnland, Litauen, Polen, Slowakei, Ungarn,<br />
Slowenien und Italien verglichen. Die Daten weisen einerseits auf eine relativ verarmte<br />
genetische Basis im Zuchtstamm hin, lassen aber andererseits keine Differenzierung zwischen<br />
Herkünften aus Fennoskandien und den Vögeln aus dem Karpatenraum, dem Balkan bzw.<br />
6
dem Dinarischen Gebirge zu – ein Hinweis, dass die räumliche Auftrennung dieser<br />
Populationen noch relativ jungen Datums ist (KÜHN, Publikation in Vorbereitung).<br />
Für das Management im Zuchtstamm bedeutet das zum einen eine verstärkte Aufmerksamkeit<br />
gegenüber Inzuchtrisiken. Zur bestmöglichen Paarzusammenstellung wurden die<br />
individuellen Abstammungslinien der Zuchtvögel rekonstruiert. Geplant ist zusätzlich ein<br />
genetisches Monitoring in Zusammenarbeit mit Projekt-ConGress. Zum anderen wurden die<br />
Anstrengungen zur sukzessiven Eingliederung von Vögeln aus der Karpaten- und<br />
Dinaridenpopulation (Slowakei, Polen bzw. Slowenien, Kroatien) in das züchterische<br />
Netzwerk verstärkt, wie bereits seit 2000 erfolgreich praktiziert, soweit zuchtfähige Vögel aus<br />
Tiergärten und Wildvögel aus Auffang- und Pflegestationen erworben werden können.<br />
Im praxisnahen Entwurf zu den IUCN-Richtlinien (2012) wird hervorgehoben, dass große<br />
Sorgfalt zur Einschränkung von Risiken und Stress bei der Auswilderung geboten ist. Die<br />
Tiere sollten daher nicht nur in guter körperlicher Verfassung sein und artspezifisches<br />
Verhalten zeigen; für Beutegreifer empfiehlt sich z. B. auch ein entsprechendes Training vor<br />
der Freilassung. Als günstigste Methode der Eingliederung von Jungtieren aus der<br />
Gefangenschaftszucht wird die Adoption durch freilebende Brutpaare angeführt, doch setzt<br />
diese Methode ein etabliertes Vorkommen der Zielart voraus. Nachzuchten aus dem Gehege<br />
sollten am Freilassungsort ausreichend eingewöhnt werden. Bei der Freisetzung ist jeder<br />
Stress zu vermeiden, da Tiere, die in Panik abstreichen, meist auch rasch verenden. Zur<br />
Verbesserung der Arealbesetzung bzw. des Auffindens geeigneter Habitate wird die synchrone<br />
Freisetzung von Tieren an mehreren Orten, letztlich die Fortführung über mehrere Jahre<br />
empfohlen, damit besonders günstige Jahre genutzt und ungünstige Jahre überbrückt werden<br />
können. In Summe sollen die Einzelstandorte eine funktionale Vernetzung der jungen<br />
Ansiedlungen gewährleisten, im Optimalfall auch mit etablierten Vorkommen.<br />
Abb. 5 Habichtskäuze,<br />
noch fluguntüchtig, im<br />
Ästlingsstadium (Bayerischer<br />
Wald)<br />
Im Rückgriff auf die langjährigen Erfahrungen aus dem <strong>Habichtskauz</strong>-Wiederansiedlungsprojekt<br />
im Nationalpark Bayerischer Wald (SCHERZINGER 2006) kommt das geprüfte Projekt<br />
in Österreich diesen Empfehlungen in allen Punkten nach: Die Jungeulen werden aus den<br />
diversen Zuchtgehegen im Alter von etwa 10 Wochen (d. h. 6-7 Wochen nach dem<br />
Nestverlassen) ins Eingewöhnungs-Gehege übersiedelt, wo sie für wenigstens 3-4 Wochen<br />
die Möglichkeit haben, das neue Umfeld kennen zu lernen (Geräusche, Waldstrukturen,<br />
Krähen- und Greifvögel, Füchse etc.), ehe sie endgültig freigelassen werden (i. R. um den<br />
100. Lebenstag). Durch das Angebot lebender Mäuse können die Eulen während dieses<br />
7
Aufenthalts auch im Beuteerwerb trainiert werden. Bei der Vergesellschaftung von Jungeulen<br />
aus unterschiedlichen Zuchten wird auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis (genetische<br />
Bestimmung über DNA an Federkielen) und geringst-möglichen Verwandtschaftsgrad<br />
geachtet.<br />
Da sowohl die Übersiedlung und das Einsetzen in das ungewohnte Gehege als auch das<br />
Zusammentreffen mit unbekannten Artgenossen Stress verursachen kann, muss auf eine<br />
angepasste Besatzdichte geachtet werden. (Im Wienerwald waren die Gehege mit jeweils 3- 8<br />
Jungen besetzt [im Mittel = 7,4], im Wildnisgebiet mit 6-14 Jungen [Mittel = 8,7]). In der<br />
Praxis konnte man sich im Österreich-Projekt die regional unterschiedlichen Brut- bzw.<br />
Aufzuchtszeiten zu nutzen machen, und die Jungeulen – nach Altersklassen gestaffelt – in<br />
aufeinanderfolgenden Schüben eingewöhnen bzw. freisetzen. Mit diesem Vorgehen<br />
verbessern sich auch die Chancen einer Ortsbindung, wenn die freigelassenen Jungeulen<br />
weiterhin Kontakt zu Artgenossen im Gehege halten (praktiziert im Teilprojekt<br />
„Wienerwald“). - Um auch in stark strukturiertem und unübersichtlichem Gebirgsgelände eine<br />
Ortsbindung zu erleichtern, werden im Teilprojekt „Wildnisgebiet“ bruterfahrene Altvögel –<br />
als Ammen – einbezogen, die mit den freigelassenen Jungeulen in Rufkontakt bleiben<br />
können.<br />
Die Standortwahl für die Eingewöhnungs- bzw. Freilassungsgehege kann erfolgsentscheidend<br />
sein. Aus der Sicht der Eulen sind wichtig: Ansitzwarten in unmittelbarem Umfeld der<br />
Voliere, einprägsame Position zur leichten Orientierung, Einbettung in geeignetes Habitat,<br />
ausreichendes Beuteangebot, geringe Störungen (durch Touristen, Fotografen, gefährdende<br />
Predatoren); aus der Sicht des Managements sind wichtig: leichte Erreichbarkeit zur täglichen<br />
Futterversorgung, gute Beobachtbarkeit aus mittlerer (störungsarmer) Distanz; Sicherheit vor<br />
großen Predatoren und geringes Störungsrisiko durch dieselben. - Als wichtig erwies sich in<br />
jedem Fall ein möglichst störungsarmer Freilassungstermin, weshalb die Jungkäuze nicht<br />
zeitgleich durch Fang, Beringung, Blutprobenentnahme oder Umbauten an der Voliere<br />
verängstigt werden dürfen. Bewährt hat sich hier eine großrahmige Klappe, die auf Distanz<br />
geöffnet werden kann.<br />
Abb. 6 Eingewöhnungsbzw.<br />
Freilassungsgehege am<br />
Wildnisgebiet Dürrenstein<br />
Zur Eingewöhnung wurden im Teilprojekt „Wienerwald“ bis heute 4 Volieren errichtet, von<br />
denen für die Eignung am Standort Lainzer Tiergarten noch keine ausreichenden Erfahrungen<br />
vorliegen. Im Teilprojekt „Wildnisgebiet“ stehen 2 Volieren zur Verfügung, wobei am<br />
Standort Steinbachtal die Orographie des engen Talschlusses für Orientierungsmöglichkeit<br />
und Ortsbindung der Jungeulen eher ungünstig scheinen. Durch Adoption konnte 2011 ein<br />
8
Nestling aus der Zuchtstation einem freilebenden Paar im Wienerwald erfolgreich<br />
untergeschoben werden. Die Aufzucht unter natürlichen Verhältnissen sichert die<br />
bestmögliche Integration in den neuen Lebensraum. Allerdings sind die Voraussetzungen<br />
dafür eher selten gegeben (Adoptiveltern dürfen selbst nur wenige Junge haben, und das Alter<br />
der eigenen und der Adoptivjungen muss übereinstimmen).<br />
Das IUCN-Papier von 2012 listet wichtige Fragen zur Freilassung auf, wie das geeignete<br />
Alter, die günstigste Jahreszeit, synchrone oder sukzessive Freilassung, welches<br />
Geschlechterverhältnis, und weist auf die Bedeutung ausreichend großer Individuenzahlen<br />
hin, damit das Ansiedlungsprojekt trotz Dispersion, Mortalität und stochastischen<br />
Ereignissen rasch zum Aufbau einer lokalen Population führt. Eine versuchsweise<br />
Freilassung von Einzeltieren kann in der Startphase zur Überprüfung der gewählten<br />
Standorte und Methoden hilfreich sein.<br />
Im Österr. Projekt zur „<strong>Habichtskauz</strong>-Ansiedlung“ konnten dank der Ausweitung des<br />
züchterischen Netzwerks und gestiegener Nachzuchterfolge zwischen 2009 und 2012 jeweils<br />
22, 27, 38 und 41 junge Habichtskäuze freigelassen werden, insgesamt 128 Individuen.<br />
Davon entfielen 66 auf den Wienerwald und 62 auf das Wildnisgebiet. Innerhalb der 4<br />
Freilassungsjahre wurde mit 66 und 62 ein weitgehend ausgeglichenes<br />
Geschlechterverhältnis erzielt (1,1 : 1). Im Vergleich zu dem durchaus erfolgreichen<br />
Ansiedlungsprojekt im Bayerischen Wald mit im Mittel nur 7 Jungen pro Freilassungsjahr<br />
sind die Mittelwerte für den Wienerwald mit 16,5 und für das Wildnisgebiet mit 15,5 Jungen<br />
pro Jahr sehr beachtlich, und für einen raschen Populationsaufbau sicher förderlich.<br />
Als günstigstes Freilassungsalter stellte sich im Bayerischen Projekt das späte<br />
Ästlingsstadium mit rund 3 Monaten (bzw. 2 Monate nach Nestverlassen) heraus, wenn der<br />
Jungvogel körperlich ausgereift ist, das Jugendkleid weitgehend vervollständigt ist und<br />
eigenständige Beutefangversuche einsetzen, jedoch ausreichend lange vor Familienauflösung,<br />
so dass die Jungeulen noch Kontakt zu Eltern (bzw. Ammen) und/oder Geschwistern suchen.<br />
Dies ist Voraussetzung für eine gelungene Ortsbindung bzw. die Möglichkeit einer weiteren<br />
Futterversorgung bis zum eigenständigen Beutefang. Je nach Brutbeginn bzw. Schlupftermin<br />
fällt dieser Zeitpunkt in Mitte Juli bis Anfang August.<br />
Abb. 7 <strong>Habichtskauz</strong>-Junge aus der Nachzucht im<br />
Nationalpark Bayerischer Wald, mit noch<br />
unvollständigem Jugendkleid<br />
Wie schmal dieses Zeitfenster ist, wird im Vergleich der Jahre 2009 und 2010 deutlich, da zu<br />
Projektbeginn mit der Freilassung um wenige Wochen zu lange gewartet wurde, so dass 2009<br />
der überwiegende Teil der Jungeulen sofort dispergierte. Somit konnten sie das gebotene<br />
Futter nicht nutzen und verhungerten offensichtlich in dieser heiklen Lebensphase. Dank<br />
eines genaueren Altersbezugs bei der Freilassung konnte dieser Mortalitätsfaktor ab 2010<br />
praktisch ausgeschaltet werden. – Dass Käuze in vielen Fällen in unmittelbarer Umgebung<br />
9
des Freilassungsortes blieben, auch überwinterten oder sich sogar dauerhaft ansiedelten,<br />
bestätigt die hohe Eignung der gewählten Standorte.<br />
Zur Optimierung der Überlebensrate und des Ansiedlungserfolgs empfehlen die IUCN-<br />
Richtlinien Projekt-begleitende Stützungsmaßnahmen.<br />
Um den Übergang von der Versorgung in der Voliere zu selbstständigem Beuteerwerb<br />
möglichst risikofrei zu halten, wurden an allen Freilassungsorten Futtertische errichtet. Diese<br />
Maßnahme ersetzt die Beuteversorgung der flüggen Jungen durch die Eltern während dieser<br />
heiklen Lern- und Abnabelungsphase. Gleichzeitig verbessert sie die Ortsbindung, und<br />
ermöglicht den Jungeulen damit ein besseres Kennenlernen potentieller Jagdgebiete.<br />
Befürchtungen, regelmäßige Futtergaben würden die Jungeulen von eigenständigem<br />
Beutefang abhalten oder gar zu dauerhaftem Verbleib am “bequemen“ Ort verleiten, haben<br />
sich nicht bewahrheitet.<br />
Abb. 8 Freigesetzter<br />
Jungkauz am Futtertisch<br />
(automatische Registrierung<br />
mit Fotofalle; Wildnisgebiet<br />
2010, Foto Leditznig)<br />
Die grundsätzlich positive Einschätzung des Habitat-Potenzials in den Freilassungsgebieten<br />
darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das natürliche Brutplatzangebot (wie große<br />
Baumhöhlen, massige Baumstümpfe, Großhorste von Greifvögeln, Schwarzstorch, Graureiher<br />
etc.) in den bisher bewirtschafteten Wäldern für den Aufbau einer vitalen Brutpopulation von<br />
Habichtskäuzen derzeit nicht ausreicht. Da alle Eulen aus der Gefangenschaftsnachzucht in<br />
künstlichen Nisthilfen aufgewachsen sind, war zu erwarten, dass sie solche Strukturen auch<br />
im Freilassungsgebiet erkennen und nutzen würden.<br />
Im Hinblick auf die Erfahrungen mit Kunsthöhlen aus der Ostslowakei, dem Bayerischen<br />
Wald und dem Großprojekt in Finnland wurde einerseits im Wildnisgebiet ein Modell aus<br />
Holzbrettern eingesetzt, das bestmöglichen Wetterschutz in der Bergregion verspricht<br />
(geschlossene Front mit Flugloch 15 x 20cm), und andererseits für den Wienerwald ein neues<br />
Modell aus Kunststoff entwickelt (abgelaufene Container, mit halbgeschlossener Front).<br />
Letzteres sollte neben einer längeren Haltbarkeit auch Sicherheit vor Nesträubern (z. B.<br />
Marder) gewähren. - Zur Vermeidung von Störungen der Brutvögel sowie etwaigen<br />
Konflikten mit Waldarbeitern, Jägern oder Wanderern wurden die Nistkästen im Wienerwald<br />
in wenigstens 7- 28m Höhe angebracht, was direkte Kontrollen (z. B. zur Beringung der<br />
Jungen) kräftezehrend und zeitaufwendig macht. Im kaum frequentierten Wildnisgebiet<br />
wählte man Höhen von 4- 5m, die mit Leitern noch gut erreichbar sind. Nach bisherigem<br />
10
Eindruck dürften die Eulen die sicherere Höhe bevorzugen, doch bleibt noch zu prüfen,<br />
wieweit sich die Unterschiede im Angebot auf Ansiedlungs- und Bruterfolg auswirken.<br />
Abb. 9 Verteidigung des Brutplatzes durch das Weibchen während der Beringungsaktion (Wienerwald, 2012)<br />
Abb. 10 Geräumiger Kunststtoff-Nistkasten (Wienerwald, 2012)<br />
Um die abgewanderten Jungeulen nicht „ins Leere“ laufen zu lassen, bzw. eine<br />
schnellstmögliche Ausbreitung in die Fläche sowie eine Vernetzung der jungen<br />
Ansiedlungsgebiete zu ermöglichen, wurde das Nistkastenangebot entlang potenzieller<br />
Korridore breit gefächert. Darüber hinaus konnte das Projekt auch zum Angebot künstlicher<br />
Nisthöhlen in <strong>Habichtskauz</strong>-Erwartungsgebieten durch Dritte stimulieren, wie z. B. im<br />
Quellschutzgebiet der Stadt Wien/NÖ, im Mühlviertel/OÖ, am Weißensee und am Fuße der<br />
Karawanken/K, lokal auch im Burgenland. Für 2013 ist ein Angebot von 50 Nistkästen in der<br />
Steiermark vorgesehen, das sich am Ergebnis der Habitat-Modellierung orientiert (ELER-<br />
Projekt) und auch bereits vorhandene Requisiten, wie z. B. im Nationalpark Gesäuse, mit<br />
einschließt. In Summe werden heute Österreich-weit an die 250 Kunsthöhlen geboten, die<br />
sowohl in den Freilassungsgebieten als auch in geeigneten Habitat-patches des weiteren<br />
Umfeldes montiert wurden.<br />
Beobachtungen zu Dispersion, Überlebensrate und Standortswahl ausgewilderter<br />
Jungvögel<br />
Es mangelt nicht an – meist gut gemeinten – Freisetzungen von Wildtieren, deren Verbleib<br />
genauso unbekannt bleibt wie der Erfolg der oft teuren Maßnahme. Die IUCN-Richtlinien<br />
legen daher großen Wert auf ein umfassendes Monitoring als Begleitmaßnahme, das zum<br />
einen die laufende Adjustierung der Methodik ermöglicht, und zum anderen die Effekte für die<br />
freigelassenen Organismen (Tierschutzaspekt), die Populationsgründung (Artenschutzaspekt)<br />
sowie Einflüsse auf das Ökosystem und dessen Artenausstattung (z. B. Konkurrenz, Predation,<br />
Hybridisierung, Krankheitseinschleppung) aufdecken soll.<br />
11
Diesem Anspruch kommt das <strong>Habichtskauz</strong>-Projekt in vielfältiger und großteils auch<br />
innovativer Weise nach: Vor Freilassung wird jeder Jungkauz durch Beringung individuell<br />
markiert. Dazu wurden leichte Kunststoffringe in passender Größe (innerer Durchmesser<br />
16mm) eigens entwickelt. Dank Gestaltung und Farbgebung sind die Ringe trotz der starken<br />
Beinbefiederung der Eulen meist gut zu erkennen, und erlauben rein optisch eine<br />
Grobzuteilung zum Freilassungsjahr (rechts markiert = gerade, links = ungerade Jahreszahl)<br />
und zum Freilassungsort (blau, gelb, rot = Wienerwald; rot, grün = Wildnisgebiet). Zusätzlich<br />
zur üblichen Ringnummer ist in die dauerhaft verschließbaren Ringe als Besonderheit ein<br />
Mikrochip eingeschweißt, der an bestimmten Stationen abgelesen werden kann.<br />
Abb. 11 Automatische Registriereinrichtung<br />
am Futtertisch (der individuelle Code auf dem<br />
Chip ist im Farbring integriert; Wienerwald,<br />
Foto Zink)<br />
Als Registrierstation besonders geeignet erwiesen sich die als erste Stützungsmaßnahme<br />
gebotenen Futtertische. In kurzen Intervallen werden über eine Antenne (mit<br />
angeschlossenem Datenspeicher) die individuellen Codes an den Fußringen abgefragt, sodass<br />
jedes Anfliegen der Station und die Aufenthaltsdauer auf dem Futtertisch registriert werden.<br />
Über die individuelle Frequentierung der Futterplätze lässt sich letztlich die zunehmende<br />
Unabhängigkeit vom Futterangebot bis zur Abwanderung nachverfolgen. Bemerkenswerter<br />
Weise wurden am Futterplatz gemeinsam mit diesjährigen Jungeulen auch Altvögel aus den<br />
Freilassungen der Vorjahre registriert, die diese bequeme Versorgung sonst nicht nutzten<br />
(„Futterneid“ der Revierinhaber?). - Solche Futtertische wurden nicht nur an den<br />
Freilassungs-Standorten geboten, sondern – als mobile Registrierhilfe – auch bei<br />
Freilandbruten eingesetzt, um die Individualität der Brutvögel festzustellen. Vergleichbare<br />
Registriermöglichkeiten sind für Nistkästen in Entwicklung. Im Wildnisgebiet werden auch<br />
die Telemetrie-Sender an den Käuzen zur automatischen Registrierung im Bereich der<br />
Futterstellen genutzt.<br />
Für die Beobachtung scheuer bzw. nachtaktiver Wildtiere haben sich zunehmend sogenannte<br />
Fotofallen bewährt. In beiden Projektgebieten kamen solche automatischen Kameras zum<br />
Einsatz (z. B. am Futtertisch, mit Infrarot-Blitz), im Wildnisgebiet auch Digitalkameras mit<br />
Lichtschranke (z. B. an besetzten Nistkästen).<br />
12
Solange die Waldgebiete keine ausreichend großen natürlichen Baumhöhlen oder stabile<br />
Großhorste (z. B. von Greifvögeln, Störchen) bieten, dürften die Käuze auf ein künstliches<br />
Brutplatzangebot angewiesen sein. Da eine funktionelle Kombinationsmöglichkeit von<br />
Stützungsmaßnahme und Monitoring - wie bei den Futtertischen - auch bei einem breiten<br />
Nistkastenangebot zu erwarten war, wurde sowohl in die Entwicklung als auch in die<br />
großflächige Verteilung solcher Nisthilfen sehr viel Energie investiert. - Je nach Gelände,<br />
Montagehöhe und Nistkasten-Typ kann die Kontrolle von Brutaktivität und Bruterfolg mit<br />
Hilfe eingebauter Spiegel vom Waldboden aus (z. B. im Wienerwald-Modell), mit Hilfe einer<br />
Videokamera auf einer entsprechend langen Teleskopstange (z. B. im Wildnisgebiet) sowie<br />
durch Klettern mit Hilfe einer Leiter oder Seiltechnik erfolgen. Die Ergebnisse aus dem<br />
überdurchschnittlich erfolgreichen Brutjahr 2012 bestätigen jedenfalls die Bedeutung dieser<br />
indirekten Stützungsmaßnahme, da alle bisher nachgewiesenen Brutpaare die künstlichen<br />
Requisiten in Anspruch nahmen.<br />
Abb. 12 Durch seine Präferenz großer Baumhöhen als Brutplatz kann der <strong>Habichtskauz</strong> als flagship-Art für alte,<br />
naturbelassene Laub- und Mischwälder propagiert werden (Jungvogel vor dem Nestverlassen, Bayerischer<br />
Wald).<br />
Abb 13 Als Brutplatz geeignete Großhöhlen sind selbst in Naturwäldern selten. Entwicklung und Sicherung<br />
derartiger Requisiten dient nicht nur dem Lebensraumschutz für den <strong>Habichtskauz</strong>, sondern begünstigt eine<br />
breite Vielfalt an „Xylobionten“.<br />
Dank der archivierten DNA-Proben von allen Eulen (z. B. frischer Federkiel) kann aus<br />
eingesammelten Mauserfedern der Aufenthalt der dazugehörigen Individuen festgestellt<br />
werden, selbst wenn diese sonst nicht zu beobachten wären.<br />
Alle diese Hilfsmittel sind auf das Freilassungsgebiet konzentriert, können aber keine<br />
Informationen über abgewanderte oder verunglückte Vögel liefern. Deshalb wurde eine<br />
Radio-telemetrische Besenderung eingesetzt, die eine ganzjährige und ganztägige Peilung der<br />
Eulen auch über größere Distanzen erlaubt, wobei Nutzen und Risken sehr sorgfältig zu<br />
13
überprüfen und nicht zuletzt auch der hohe Aufwand an Feldarbeit abzuwägen waren. Auch<br />
wenn die Telemetrie heute zum „Standard“ der Wildforschung zählt, kann nicht übersehen<br />
werden, dass die Montage von Sendern, Batterien und Antennen die Wendigkeit und<br />
Geschicklichkeit eines Wildtieres beeinträchtigen kann, was speziell bei Flugjägern – wie den<br />
Eulen – fatal wäre. Die Diskussion um die zu erwartende hohe Datenqualität einerseits und<br />
eine potenzielle Behinderung andererseits nahm in der Projektgruppe einen entsprechend<br />
breiten Raum ein.<br />
Für die Startjahre 2009 - 2010 entschied man sich für die sicherste Variante, der<br />
Sendermontage auf den mittleren Schwanzfedern, die im Laufe der Mauser spätestens im<br />
Sommer des Folgejahres (mitsamt Sender und Antenne) abgeworfen werden. Bei einem<br />
Gewicht der Sendereinheit (Fa Biotrack/UK) von 17g sollte der Kauz nicht behindert sein<br />
(entspricht 2,6 % eines mittleren Männchen-Gewichts von 650g bzw. 2,0 % des mittleren<br />
Weibchengewichts von 840g zum Zeitpunkt der Freilassung). Insgesamt wurden im<br />
Wildnisgebiet 18 und im Wienerwald 20 Jungkäuze mit solchen Sendern ausgerüstet.<br />
Während sich das Monitoring in den Folgejahren im Wienerwald auf Registrierstationen,<br />
Direktbeobachtung, indirekte Nachweise (z. B. Mausefedern) und Nistkastenkontrollen<br />
konzentrierte, sah man im wesentlich unübersichtlicheren Wildnisgebiets, mit lang<br />
anhaltender Schneedecke und schwierigerem Gelände, ein zentrales Monitoring-Instrument<br />
in der telemetrischen Peilung. Methodisch wurden kurzlebige Sender mit Schwanzmontage<br />
durch ein längerfristig arbeitendes Modell mit Rückenmontage abgelöst (Gewicht 21- 22g,<br />
entspricht 3,3 % des Männchen- bzw. 2,6 % des Weibchengewichts zum Zeitpunkt der<br />
Freilassung). Wenn auch in der wildbiologischen Praxis weit verbreitet, so muss ein<br />
„Rucksacksender“ als durchaus problematisch angesehen werden, da er nicht nur Flug und<br />
Beutefang einer Eule behindern, sondern auch das Unfallrisiko erhöhen kann (wegen der um<br />
den Flügelansatz geschlungenen Befestigungsbänder). Als Ergebnis einer eingehenden<br />
Diskussion entschied sich das Projektteam für eine „Beckenmontage“ (Sender ebenfalls auf<br />
dem Rücken, jedoch mit um den Beinansatz geschlungenen Bändern; eine „Soll-Bruchstelle“<br />
garantiert den Abwurf des Senders nach längstens 2 Jahren, ohne der Gefahr des Verhedderns<br />
durch einen herabhängenden Sender). Nach positiven Ergebnissen 2010 wurden bis<br />
einschließlich 2012 an die 45 Jungkäuze in dieser Weise ausgestattet. 2012 wurde<br />
versuchsweise auch ein GPS- Sender eingesetzt, der den Aufenthalt der Eule nach<br />
geographischen Koordinaten meldet (Gewicht =20g).<br />
Abb. 14 Auf Grund der schwierigen Orographie und einer lang<br />
anhaltenden Schneebedeckung erscheint das Monitoring<br />
freigelassener Käuze mit Hilfe der Radio-Telemetrie besonders<br />
erfolgversprechend<br />
14
Das telemetrische Monitoring erwies sich als außergewöhnlich aufwendig, erscheint aber in<br />
der bewaldeten Gebirgslandschaft als sicherste Methode, um Aussagen zu Reviergründung,<br />
Verpaarung und Mortalität machen zu können, zumal die Dispersion der Jungeulen oft abrupt<br />
einsetzt und über große Strecken reicht.<br />
Abb. 15<br />
Ausgedehnte Wälder<br />
um den Dürrenstein<br />
(Foto Steiner)<br />
Die Beobachtungen sowohl aus dem Wienerwald als auch dem Wildnisgebiet bestätigen eine<br />
zweiphasige Abwanderung mancher Jungeulen, wie sie nach finnischen Beringungsdaten<br />
publiziert worden war: Demnach nutzen diese Käuze das Futterangebot am<br />
Freilassungsstandort bis etwa Ende September (längstens November) und verstreichen dann<br />
innerhalb kurzer Zeit in ein Winterquartier (Distanzen meist 10-20km). Auf mehrwöchigen<br />
Aufenthalt kann eine zweite, ebenso abrupte Abwanderungsphase gegen Ende des Winters<br />
folgen. Wenn die meisten Käuze auch den „heimatlichen“ Raum nicht verlassen, so<br />
unternehmen einzelne „Pioniere“ Weitstreckenwanderungen in völlig neue Gebiete (5 x 50, 1<br />
x 80 und 2 x > 100km belegt; KOHL & LEDITZNIG 2012). Solche Vorposten können langfristig<br />
die Vernetzung von Teilpopulationen sichern.<br />
Selbstverständlich wurden auch alle Zufallsmeldungen gesammelt, die durch Jagd- und<br />
Forstpersonal, aber auch aufmerksame Wanderer zu Stande kamen (seit 2011 allein im<br />
Beispiel des Wienerwaldes 46 überprüfbare <strong>Habichtskauz</strong>meldungen, davon etwa 20 mit<br />
Fotobeleg). Soweit die Artbestimmung nicht durch Federn, Kadaver oder Fotobeleg eindeutig<br />
geklärt werden kann, muss allerdings auch mit Verwechslungen mit dem verwandten<br />
Waldkauz gerechnet werden.<br />
Für die Erfolgsprüfung einer Auswilderung sind Überlebensrate bzw. Mortalität<br />
entscheidende Kriterien. Als Messlatte nennen die IUCN-Richtlinien (im Entwurf aus 2012)<br />
die Wahrscheinlichkeit des Überlebens bzw. Ausfalls bei wilden Artgenossen innerhalb einer<br />
freilebenden Population.<br />
Beide Größen sind im Freiland nur sehr schwer zu ermitteln und lassen sich im vorliegenden<br />
Projekt am ehesten aus Registrierungen an den Futtertischen, telemetrischer Peilung,<br />
Zufallsfunden und dem Nachweis territorialer bzw. brütender Eulen rekonstruieren.<br />
Zweifellos bedeutet die Zeit unmittelbar nach der Freilassung den heikelsten Lebensabschnitt<br />
für den noch unselbständigen Jungkauz. Entsprechend gab es die höchsten Verlustraten im<br />
ersten Herbst. Diese waren im Startjahr 2009 mit rund 43% überdurchschnittlich hoch. Nach<br />
15
Überprüfung aller Rahmenbedingungen kristallisierte sich ein ungünstig gewähltes<br />
Freilassungsalter als fataler Faktor heraus, denn offensichtlich war im Alter von 4-5 Monaten<br />
sowohl die Familienbindung beendet als auch die Jungenddispersion gestartet. Jedenfalls<br />
wanderten die Jungen sofort nach Freilassung ab, so dass die Stützung durch ausgelegtes<br />
Futter nicht greifen konnte. In besonderem Maße traf das für den Standort „Steinbachtal“ im<br />
Wildnisgebiet zu, wo kein einziger Jungvogel zur Freilassungsvoliere zurückkehrte<br />
(Lebenserwartung verstorbener Käuze durchschnittlich 27 Tage nach Freilassung; Verlustrate<br />
an diesem Standort 67%).<br />
Im Sinne einer methodischen Adjustierung wurde das Freilassungsalter für die Folgejahre auf<br />
3 Monate herabgesetzt (entsprechend der Vorgehensweise im Nationalpark Bayerischer<br />
Wald), mit merklicher Reduzierung der Verlustrate im Wildnisgebiet auf nur noch 18-27%<br />
(Lebenserwartung verstorbener Käuze durchschnittlich 30 bzw. 60 Tage; die Datenlage aus<br />
dem Wienerwald [direkte und indirekte Beobachtung] und dem Wildnisgebiet [Telemetrie] ist<br />
in diesem Punkt nicht vergleichbar).<br />
Aufgefundene Opfer wurden zur Ursachenabklärung an die Vet.-Med. Universität/Wien<br />
versandt. Als Todesursachen konnten Predation (durch Steinadler, Habicht, Rotfuchs,<br />
Marder), Unfälle (Autoverkehr, Ertrinken in Regentonne) und parasitäre Erkrankungen<br />
(Spulwurm, Magenentzündung) ermittelt werden. Dabei ist Parasitenbefall in den meisten<br />
Fällen als Sekundäreffekt einer Schwächung infolge Mangelernährung zu werten. - Je nach<br />
Todesursache lebten Jungeulen nach ihrer Freilassung noch 14- 45Tage (Verhungern) bis 70-<br />
90 Tage (Unfall oder Predation).<br />
Abb. 15 Vollständig etabliertes <strong>Habichtskauz</strong>-<br />
Männchen, 1 Jahr nach Freilassung (Wienerwald)<br />
Jungvögel, die bis zum Wintereinbruch überlebt haben, stehen den Winter i. R. problemlos<br />
durch. Wilden Artgenossen vergleichbar nutzten die Habichtskäuze bald deckungsreiche<br />
Nadelbäume als Einstand, entdeckten problemlos Badestellen und Tränken und suchten<br />
Lichtungen und Schlagflächen als Jagdgebiet auf. Mehrfach konnte erfolgreicher Beutefang<br />
16
estätigt werden (z. B. Großinsekten, Frösche, Spitzmaus, Rötel- und Schermaus,<br />
Eichhörnchen, Singvögel; in einem Fall wurde sogar ein Waldkauz verzehrt [vermutlich<br />
Verkehrsopfer]). Direktbeobachtungen und telemetrische Peilung belegen eine in kürzester<br />
Zeit erworbene Orientierungsfähigkeit, die z. B. eine gezielte Rückkehr zu<br />
Freilassungsvoliere bzw. Futtertisch selbst über große Distanzen ermöglicht. – Aus dem<br />
Freilassungsjahrgang 2009 konnte 1 Weibchen sowohl 2011 als auch 2012 als erfolgreich<br />
brütend bestätigt werden. 8 Käuze aus dem Geburtsjahrgang 2010 und 12 aus 2011 brüteten<br />
im Jahr 2012 mit Erfolg.<br />
Ansiedlung und Reproduktion<br />
Da die Freisetzung junger Habichtskäuze auf eine rasche Etablierung eines effektiv<br />
reproduzierenden Lokalbestandes abzielt, sind Nachweise von Ansiedlung, Reviergründung,<br />
Paarbildung und Brutversuch bzw. Bruterfolg von grundlegender Bedeutung für die<br />
Erfolgsbeurteilung (vgl. IUCN-Richtlinien 1998).<br />
Zur Bestandserfassungen von Eulen wird zur Direktbeobachtung meist Gesangsimitation<br />
(bzw. playback) eingesetzt, des weiteren nach Mauserfedern, Gewöllen, Kotspuren - als<br />
indirekte Merkmale – gesucht. Auch kann Singvogel-Alarm auf die Anwesenheit von Käuzen<br />
aufmerksam machen. Ansitzen an Jagdgebieten, Singwarten oder Einständen kann zur Abendund<br />
Morgendämmerung erfolgreich sein, ist jedoch mit sehr großem Zeitaufwand verbunden.<br />
In jungen bzw. sehr dünn besiedelten Vorkommen reagieren Habichtskäuze meist nur<br />
zögerlich oder gar nicht auf das Vorspielen arteigener Rivalengesänge, weshalb die Methodik<br />
in vorliegendem Projekt mit großen Unsicherheiten behaftet bleibt, da eine fehlende Reaktion<br />
nicht mit dem Fehlen von Käuzen gleichgesetzt werden kann. – Die bisherigen<br />
Beobachtungen zu Ansiedlung und Reviergründung basieren daher auf den oben genannten<br />
Monitoring-Methoden, wobei der Schwerpunkt im Wienerwald auf abendlichem Verhören<br />
und systematischen Nistkastenkontrollen lag, im Wildnisgebiet auf telemetrischer Peilung,<br />
Verhören und Nistkastenkontrollen.<br />
Abb. 16 Von Buchen<br />
geprägte Bergwälder<br />
im weitläufigen<br />
Wienerwald<br />
(Foto Zink)<br />
Im Wienerwald ging aus der ersten Freilassungs-Kampagne 2009 wenigstens eine<br />
Reviergründung im Folgejahr 2010 hervor, in direktem Umfeld zum Freilassungsort<br />
„Wienerwald-Süd“. 2011 wurde ein weiteres Revier bestätigt; es kam sogar zu einer ersten<br />
17
erfolgreichen Brut durch das ältere Paar. Im Ausnahmejahr 2012 (Mäusegradation infolge<br />
überdurchschnittlicher Buchen- und Eichenmast) brüteten 9 <strong>Habichtskauz</strong>paare in Nistkästen,<br />
7 Paare davon mit Erfolg (insgesamt 22 Junge). Pro erfolgreiche Brut wurden 1-5 Junge<br />
aufgezogen (2 x 1, 1 x 3, 3 x 4 und 1 x 5 Junge; zählt man nicht geschlüpfte Eier hinzu, so<br />
ergeben sich Gelege von bis zu 6 Eiern, was an die maximale Leistungsfähigkeit dieser<br />
Eulenart grenzt). Entsprechend hoch ist der Durchschnittswert von 3,1 Jungen/erfolgreicher<br />
Brut. Verblüffend war in einigen Fällen der geringe Nestabstand von 0,8 km (Minimum) bis<br />
3,7 km, was wohl in erster Linie mit dem außerordentlich hohen Beuteangebot in diesem Jahr<br />
zu erklären ist. – Zu den insgesamt 18 Brutvögeln dürften noch mindestens 1-3 floater zu<br />
rechnen sein.<br />
Die Suche nach Reviervögeln bzw. Brutpaaren gestaltete sich im Wildnisgebiet deutlich<br />
schwieriger, da hier – abgesehen vom z. T. schwierigen Gelände – die bis zu Balzzeit und<br />
Brutbeginn anhaltende Schneedecke die Erreichbarkeit einschränkt. Aus 2010 wurden keine<br />
territorialen Käuze bekannt, 2011 jedoch ein balzendes Paar. Im „guten Mäusejahr“ 2012<br />
konnten auch hier wenigstens 4 besetzte Reviere, davon 2 mit erfolgreicher Brut, bestätigt<br />
werden. Aus insgesamt 8 Jungen (jeweils 3 und 5 Junge) errechnet sich ein beeindruckender<br />
Mittelwert von 4,0 Jungen/erfolgreicher Brut, was weit über den Angaben, wie sie aus<br />
Wildpopulationen benannt wurden, liegt. Die Brutplätze lagen zum einen am Rand des<br />
Wildnisgebiets, zum andern in rund 30 km Entfernung.<br />
Von Bedeutung erscheint hier der Hinweis, dass der Großteil der erfolgreichen Brutvögel erst<br />
am Anfang des 2. oder 3. Lebensjahres standen (Mittelwert für = 1,7 Jahre, für = 1,5<br />
Jahre), ein deutlicher Hinweis auf vollständige Ausbildung eines arttypischen Verhaltens,<br />
speziell des Beuteerwerbs, aber auch auf geringe Konkurrenz durch alteingesessene Paare.<br />
Abb. 17 Beleg für<br />
Weitstrecken-<br />
Dispersion eines<br />
Weibchens aus dem<br />
Wienerwald ins<br />
Wildnisgebiet, dank<br />
der gut sichtbaren<br />
Beringung<br />
(Wildnisgebiet 2012,<br />
Foto Leditznig)<br />
Da das Projekt langfristig auf eine Vernetzung der eben begründeten Initialvorkommen<br />
abzielt, muss es in diesem Zusammenhang als geradezu sensationell gewertet werden, dass<br />
ein Weibchen aus dem Wienerwald (Jahrgang 2010) einen Partner (Jahrgang 2011) aus dem<br />
rund 90 km entfernten Wildnisgebiet gefunden und mit diesem 2012 im Bezirk Amstetten<br />
erfolgreich gebrütet hat (Distanz vom Freilassungsort am Wildnisgebiet13 km)!<br />
18
Tab. 1, Zuchterfolg, Auswilderung und Ansiedlungserfolg in der 5-jährigen Startphase<br />
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Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit<br />
Die IUCN-Richtlinien erwarten ein hohes Maß an Transparenz bei Ansiedlungs- bzw.<br />
Wiederansiedlungsprojekten, zumal ja die örtliche Bevölkerung oder die Landnutzung etc.<br />
von den Auswirkungen betroffen sein könnten. Letztlich soll das Projekt ja auch Interesse und<br />
Engagement in der Öffentlichkeit für den Natur- und Artenschutz erwecken.<br />
Hier sei vorweggenommen, dass das <strong>Habichtskauz</strong>-Projekt von der ersten Initiative bis heute<br />
in einer bei Artenschutzthemen bisher nicht gekannten Vielfalt, Qualität und Kontinuität die<br />
Öffentlichkeit eingebunden hat. Der <strong>Habichtskauz</strong>, eine hierorts „vergessene“ und auch unter<br />
Personen mit besonderem Natur- und Naturschutz-Interesse kaum bekannte Vogelart, hat<br />
dank dieser Aktionen heute ein „Gesicht“ bekommen. Zweifellos sind hier die langjährigen<br />
Erfahrungen aus dem internationalen Bartgeier-Projekt eingeflossen.<br />
Abb. 18 Dank vielseitig angelegter<br />
Werbung für den <strong>Habichtskauz</strong> trat diese<br />
vordem unbekannte Eulenart ins<br />
Bewusstsein unterschiedlichster<br />
Zielgruppen (Foto Zink)<br />
Seit der Vorbereitungsphase 2008 erschienen Presseberichte, Rundfunk- und TV-Sendungen,<br />
die den <strong>Habichtskauz</strong> zum Thema hatten. Dabei konnten breiteste Zielgruppen erreicht<br />
werden, vom Zoo- und Züchterkreis, bis zu Jagd- und Forstpersonal, Tierschutzvertretern und<br />
Schulklassen. Für Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Naturschutz und der Presse wurden<br />
attraktive Termine geboten, z. B. mit der Präsentation „wolliger“ Jungeulen. Über die direkte<br />
Ansprache bei Ausstellungen, Info-Ständen und Führungen in der Zuchtstation<br />
EGS/Haringsee konnten sich Interessierte aller Altersgruppen informieren.<br />
Hervorzuheben sind eine ansprechend gestaltete Broschüre, diverse Faltblätter als Kurz-Info<br />
und eine laufend aktualisierte Internet-Seite (http://www.habichtskauz.at) sowie ein Rundbrief, der<br />
an Interessenten regelmäßig zuge-mailt wird.<br />
Als lokale Attraktion wurde im Wildnisgebiet 2012 ein Eulen-Erlebnisweg eröffnet, der über<br />
mehrere Stationen im Gelände Auskunft zu Biologie, Ökologie und Verhalten heimischer<br />
Eulen gibt, und speziell über das <strong>Habichtskauz</strong>-Ansiedlungsprojekt informiert.<br />
19
Indirekt kann auch das Netzwerk an Kooperationspartnern als effektiver Teil der<br />
Öffentlichkeitsarbeit angesehen werden, da zum einen alle beteiligten Zoos, Vogelparks und<br />
privaten Züchter ihrerseits über das <strong>Habichtskauz</strong>-Ansiedlungsprojekt regelmäßig Auskünfte<br />
erteilen, zum anderen auch die kooperierenden Forstbehörden, Schutzgebietsverwaltungen<br />
und Jagdverbände das Projekt in ihre Pressearbeit aufgenommen haben.<br />
Bewertung bisheriger Planungen, Investitionen und Ergebnisse<br />
Da jedes Projekt zur Auswilderung bzw. Ansiedlung grundsätzlich experimentalen Charakter<br />
hat, und entsprechend von Unwägbarkeiten begleitet wird, sehen die Richtlinien der IUCN im<br />
laufenden Lern- und Anpassungsprozess einen Schlüssel zum Erfolg. Voraussetzung ist, dass<br />
eine Evaluierung die Erfolgsbilanz nicht verallgemeinernd auf positiv – negativ reduziert,<br />
sondern jeden Einzelschritt auf seine Eignung überprüft.<br />
Dem Projekt ging eine Machbarkeitsstudie voraus: Das Lebensraum-Potenzial für den<br />
<strong>Habichtskauz</strong> in Österreich wurde sowohl aus der Rekonstruktion der historischen<br />
Vorkommen (nach Literaturdaten, Museumsbelegen) als auch nach den arttypischen<br />
Habitatpräferenzen (wesentliche Kriterien waren laubholzreiche Altwälder der Collin- und<br />
Montanstufe) Österreich-weit kalkuliert, und für die einzelnen Freilassungsgebiete durch<br />
zusätzlich Studien noch differenzierter ausgearbeitet.<br />
• Bewertung = 2, zielkonform<br />
Der Abbau bisher bekannter bzw. vermuteter Gefährdungs-Risken wurde in den Freilassungsund<br />
geplanten Ansiedlungsgebieten über Öffentlichkeitsarbeit und Informationen vor Ort mit<br />
großer Intensität verfolgt, wobei ein wesentlicher Effekt vom persönlichen Gespräch mit<br />
Jagd- und Forstpersonal zu erwarten ist. Im Hinblick auf die sukzessive Ausweitung des<br />
Areals mit <strong>Habichtskauz</strong>-Vorkommen sind hier aber noch viele Fragen offen (z. B.<br />
Entschärfung von Stromleitungen und –masten, Störungs-Risiko am Brutplatz, auch<br />
Abschuss?)<br />
• Bewertung = 3, zufriedenstellend<br />
Die langfristige Entwicklung bzw. Sicherung einer geeigneten Habitatqualität steht dank des<br />
jeweiligen Schutzstatus der Projektgebiete (Biosphären-Reservat, Wildnisgebiet Kat. I) außer<br />
Frage. Für die weitere Peripherie gilt es, entsprechende Habitat-Eignung samt -Requisiten<br />
noch zu entwickeln (z. B. Dispersions-Korridore, Habitat-Trittsteine).<br />
• Bewertung = 2, zielkonform<br />
Taxonomisch ist das historische bzw. lokal auch aktuelle Vorkommen des <strong>Habichtskauz</strong>´ in<br />
Österreich der Unterart Strix uralensis macroura zuzuordnen, die ihren<br />
Verbreitungsschwerpunkt längs dem Karpatenbogen, bis zum Balkan und den Dinarischen<br />
Gebirgen hat. In Kooperation mit dem Nationalpark Bayer. Wald, dem Tiergarten Nürnberg<br />
und der TU München wurde eine vergleichende Analyse der mitochondrialen DNA von<br />
Habichtskäuzen aus den wesentlichen Vorkommen Mittel- und Nordeuropas durchgeführt.<br />
Im Ergebnis ist eine genetische Differenzierung der Einzelpopulationen (bzw. der<br />
morphologisch-definierten Unterarten Strix u. liturata und macroura) nicht nachweisbar.<br />
• Bewertung = 1, sehr gut<br />
Nach dem Grundsatz, dass die Entnahme von Organismen für Umsiedlungs- bzw.<br />
Freilassungs-Projekte die Quellpopulation weder schwächen noch gefährden darf, beschränkt<br />
sich das <strong>Habichtskauz</strong>-Projekt auf Nachzuchten aus der Gehegehaltung. In der Startphase<br />
konnte auf den vorhandenen Stock an Zuchtvögeln aus dem Wiederansiedlungsprojekt im<br />
Nationalpark Bayer. Wald zurückgegriffen werden (ursprüngliche Herkünfte Schweden,<br />
20
Finnland, Europ. Russland, Slowakei), doch wurde der gen-pool durch Integration von Eulen<br />
der Unterart Strix. u. macroura (Herkünfte Slowenien, Kroatien, Slowakei und südliches<br />
Polen) schrittweise erweitert und auch spezifiziert. Dank breiten Interesses an dem<br />
Ansiedlungsprojekt konnte ein über die Grenzen Österreichs reichendes Netzwerk<br />
kooperierender Züchter entwickelt werden.<br />
• Bewertung = 2, zielkonform<br />
Unter Einbeziehung der langjährigen Erfahrungen mit der Auswilderung junger<br />
Habichtskäuze in den beiden Nationalparks Bayerischer Wald und Böhmerwald wurde die<br />
„sanfte“ Freilassungsmethode, mit entsprechenden Eingewöhnungsgehegen am<br />
Freilassungsstandort gewählt. Die Eulen wurden einem Gesundheits-Check ausgesetzt und<br />
durch ein Training auf den Fang von Lebendbeute vorbereitet. Um Dichtestress unter den<br />
Jungeulen durch Überbesatz zu vermeiden (Gruppengrößen durchschnittlich 7- 9 Käuze je<br />
Gehege) und zur besseren Verteilung im Gelände wurden schrittweise 2- 6<br />
Eingewöhnungsgehege errichtet. Zwischen 2009 und 2012 kamen insgesamt 128 Jungeulen<br />
frei (66 im Mittel 32 pro Jahr).<br />
• Bewertung = 1, herausragend<br />
Nach überhöhter Mortalität unter den Jungeulen im ersten Freilassungsjahr 2009 (43%) wurde<br />
das Freilassungsalter auf rund 3 Monate abgesenkt, mit durchwegs positivem Effekt für die<br />
Überlebensrate. Für die Jahre 2010 und 2011 errechnet sich eine Mortalität für das erste<br />
Halbjahr nach Freilassung von 18-27% (nach Telemetrie-Peilungen aus dem Wildnisgebiet).<br />
Wie die IUCN-Richtlinien betonen, sind diese Werte stets im Vergleich zur Entwicklung in<br />
Wildpopulationen zu sehen: In dem großangelegten <strong>Habichtskauz</strong>-Monitoring Finnlands<br />
erreicht die Sterblichkeit in dieser Altersklasse 32% (bei akutem Beutemangel bis zu 83%).<br />
Berücksichtigt man das durch die Gehegehaltung verminderte Risiko während der Ästlings-<br />
Phase im Ansiedlungsprojekt, sind die Werte mit denen aus den Finnischen Freilandbruten<br />
durchaus vergleichbar. (Auf Grund anderer Monitoring-Methoden im Wienerwald kann die<br />
Mortalitätsrate ebenda nur indirekt erschlossen werden).<br />
• Bewertung für 2009 = 4, unzureichend; für 2010-2011 = 2, zielkonform<br />
Die IUCN-Richtlinien empfehlen Stützungsmaßnahmen, um die Chancen für Überleben und<br />
Ansiedlung freigesetzter Jungvögel zu erhöhen. Im vorliegenden Projekt wurden an jeder<br />
Freilassungsstation Futtertische errichtet, damit die Eulen in dem ihnen unbekannten Gelände<br />
nicht einfach verhungern, ehe sie zu selbstständigem Beuteerwerb befähigt sind. Auch wurde<br />
das Angebot essentieller Requisiten durch die Montage von annähernd 200 Nistkästen<br />
abgesichert.<br />
• Bewertung = 1, sehr gut<br />
Großer Wert wurde in dem <strong>Habichtskauz</strong>projekt auf ein diverses Monitoring gelegt. Neben<br />
der Auswertung von Zufallsbeobachtungen (auch Dritter), dem Aufsammeln von<br />
Mauserfedern (mit der Möglichkeit individueller Zuordnung mittels DNA-Analyse), dem<br />
Verhören territorialer Käuze und der saisonalen Nistkastenkontrolle wurden innovative<br />
Fußringe aus buntem Kunststoff entwickelt, deren eingearbeiteter Mikro-Chip eine<br />
individuelle Registrierung an den Futtertischen ermöglicht (Speicherung von Datum, Uhrzeit,<br />
individuellem Code). Der Einsatz der Radiotelemetrie erlaubt eine laufende Feststellung der<br />
individuellen Aufenthaltsorte sowie die Überlebensrate freigesetzter Käuze. Da diese Technik<br />
selbst aber die Überlebensrate beeinträchtigen kann, wurde auf Grund einer Abwägung von<br />
Nutzen und Kosten eine Beschränkung auf risiko-arme Montagetechniken entschieden (z. B.<br />
Befestigung der Sender auf den mittleren Schwanzfedern, oder Becken-Montage um die<br />
Beinansätze). Auf Grund der schwierigeren Orographie wurde die Telemetrie zu einem<br />
21
zentralen Monitoring-Instrument im Wildnisgebiet, während im Wienerwald der Schwerpunkt<br />
auf die Registrierstationen und die Direktbeobachtung gelegt ist.<br />
• Bewertung = 1-2, sehr gut bis zielkonform<br />
Nach den Ergebnissen aus dem Ansiedlungsprojekt im Bayerischen bzw. Böhmerwald war<br />
mit einer so raschen Etablierung der Habichtskäuze in den beiden Freilassungsgebieten nicht<br />
zu rechnen. Tatsächlich kam es im Wienerwald bereits 2010 zur Paarbildung; 2011 brütete<br />
dieses Paar sogar erfolgreich (1 flügges Junges). Stimuliert durch das außergewöhnliche<br />
Beuteangebot infolge einer überdurchschnittlichen Buchenmast brüteten hier 2012 sogar 9<br />
Paare, 7 davon mit Erfolg (insgesamt 22 Junge bzw. 3,14 Junge pro erfolgreiche Brut). Ein<br />
ähnlicher Effekt zeigte sich im Wildnisgebiet (inklusive dessen Umgebung), wo 2012 zwei<br />
erfolgreiche Bruten bestätigt werden konnten, mit insgesamt 8 Jungen (entspricht 4 Junge pro<br />
erfolgreiche Brut). Sowohl Siedlungsdichte als auch Bruterfolg liegen weit über dem<br />
Durchschnitt und müssen im Zusammenhang mit dem Super-Mastjahr gesehen werden.<br />
Erwähnenswert ist jedenfalls das geringe Durchschnittsalter der Brutvögel ( = 1,5 Jahre, <br />
= 1,7 Jahre).<br />
Als geradezu sensationell ist der Beleg für die funktionierende Vernetzung zwischen den<br />
beiden Projektgebieten herauszustreichen, da ein aus dem Wienerwald (Jahrgang 2010)<br />
2012 mit einem Partner aus dem Wildnisgebiet erfolgreich gebrütet hat (Distanz rund 90km<br />
Luftlinie)!<br />
• Bewertung = 1, herausragend<br />
Schon in der Vorbereitungsphase zum <strong>Habichtskauz</strong>projekt wurde eine systematische<br />
Öffentlichkeitsarbeit entwickelt, die bis dato eine sehr breite Palette an Medien eingesetzt und<br />
damit auch eine große Bandbreite an Zielgruppen erreicht hat. Eine in Vielseitigkeit, Qualität<br />
und Kontinuität vergleichbare Investition ist mir aus keinem Artenschutzprojekt bekannt.<br />
• Bewertung = 1, herausragend<br />
Abb. 19 Mit Hilfe künstlich begründeter Lokalvorkommen im Alpenraum als „Trittsteine“ könnten<br />
Habichtskäuze die Distanzen zwischen dem Inselvorkommen im Böhmerwald und den Populationen im<br />
Slowenisch-Österreichischen Grenzgebiet, eventuell auch bis zu den Ausläufern der Karpatenpopulation in der<br />
Slowakei überwinden (Foto Nill)<br />
Empfehlungen<br />
Ansiedlungsvorhaben sollen laut IUCN grundsätzlich langfristig angelegt werden, um Jahre<br />
mit guten Rahmenbedingungen bestmöglich nutzen und „schlechte“ Jahre bestmöglich<br />
überbrücken zu können. Außerdem ist durch die mehrjährige Freisetzung die allmähliche<br />
Entwicklung einer arttypischen Altersstruktur in der jungen Population zu erwarten.<br />
22
Das Österreichische <strong>Habichtskauz</strong>projekt baut auf den „Vorläufern“ in den Nationalparken<br />
Bayerischer Wald (seit 1975) und Šumava/Böhmerwald (seit 1995) sowie der Initiative im<br />
Mühlviertel auf (2001), und ist in der Startphase für 5 Jahre konzipiert (2008-2012).<br />
Aufgabe der nächsten Jahre sollte es sein:<br />
• den Zuchtstamm innerhalb des Kooperations-Netzwerks zu festigen, indem<br />
regelmäßig neue Brutvögel zugeführt werden (Vermeidung einer genetischen<br />
Flaschenhals-Situation bzw. von Gründereffekten und Inzuchtrisiken; Ausweitung des<br />
gen-pools speziell durch Individuen aus den Nachbarpopulationen [Südteil =<br />
Slowenien, Kroatien; Ostteil = Slowakei, Polen]).<br />
• die Initialgebiete der noch jungen Vorkommen in Wienerwald und Wildnisgebiet<br />
sowohl durch weitere Freilassungen als auch durch Angebot essentieller Requisiten zu<br />
festigen.<br />
• die schrittweise Ausdehnung der Siedlungsareale in umliegende Waldgebiete zu<br />
forcieren, unter besonderer Berücksichtigung von Großschutzgebieten mit<br />
entsprechender Infrastruktur. Die Dispersion bzw. Ansiedlung soll durch Habitatverbessernde<br />
Maßnahmen planmäßig unterstützt werden, um mittelfristig eine<br />
Vernetzung der Einzelvorkommen – im Sinne einer Metapopulationsstruktur - zu<br />
gewährleisten.<br />
• Konzepte für Informationsveranstaltungen und andere Maßnahmen zur Senkung des<br />
Gefährdungsrisikos aufzustellen, um Verluste durch Unfälle, Abschuss sowie<br />
Störungen am Brutplatz bestmöglich zu vermeiden.<br />
• die Bedeutung des <strong>Habichtskauz</strong>es als „flagship“-Art für alte, naturbetonte Wälder mit<br />
hohem Laubholzanteil in der Öffentlichkeit verstärkt herauszustellen, damit<br />
entsprechende Strukturen und Requisiten (wie massige Bruchstämme, starke<br />
Höhlenbäume, große Greifvogel- oder Schwarzstorchhorste, Windwurfnester) über<br />
Kooperationen mit Waldbesitzern entwickelt und gesichert werden können (z. B. über<br />
Vertragsnaturschutz, oder Projekte wie „Baumpensionen“, „Methusalem-Bäume“).<br />
• Partnerschaften mit Naturschutz-orientierten Verbänden und lokalen Interessenten zu<br />
entwickeln, um die Lokalvorkommen des <strong>Habichtskauz</strong>es im Mühlviertel (Teil der<br />
Böhmerwald-Population) sowie im südlichen Kärnten und der angrenzenden<br />
Steiermark (Teil der slowenischen Population) zu festigen bzw. mittelfristig als<br />
Anknüpfungspunkt im Netzwerk zu sichern.<br />
Resümee<br />
Mit dem „Ansiedlungsprojekt <strong>Habichtskauz</strong>“ ist es in bemerkenswert kurzer Zeit gelungen,<br />
diese große Waldeule in zwei ausgewählten Freilassungsgebieten zu etablieren, ja sogar zu<br />
erfolgreicher Reproduktion zu bringen. Dieser Durchbruch ist sowohl der soliden<br />
Vorbereitung, dem geschickten Aufbau eines züchterischen Netzwerks, der fruchtbaren<br />
Zusammenarbeit mit Forstbehörden, Schutzgebietsverwaltungen sowie einer breit angelegten<br />
Öffentlichkeitsarbeit zu verdanken, als auch dem hohen Engagement der Mitarbeiter in<br />
diesem Projekt, letztlich auch der Mäusegradation im Ausnahmejahr 2012.<br />
In Anlehnung an die Richtlinien zur Ansiedlung bzw. Wiederansiedlung der IUCN (1998 und<br />
2012) kann diese naturschutzfachliche Evaluierung des bisherigen Projektverlaufs eine sehr<br />
positive Bewertung abgeben (mittlere Benotung nach obiger Auflistung = 1,77 [auf einer<br />
Skala von 1-5]). Es gilt nun, diesen herausragenden Erfolg in den kommenden Jahren durch<br />
entsprechende Maßnahmen, wie oben empfohlen, abzusichern.<br />
(Fotos, soweit nicht anders angegeben, vom Verfasser)<br />
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Schrifttum<br />
IUCN (1998): IUCN Guidelines for re-introductions. SSC- Re-introduction Specialist Group,<br />
Gland: 11.<br />
IUCN (unveröff. Entwurf, 2012): Guidelines for reintroductions and other conservation<br />
translocations. + Attachments. SSC- Re-introduction Specialist Group. Gland<br />
Kohl, I. & Ch. Leditznig (2012): Einsatz der Telemetrie zur Unterstützung der<br />
Wiederansiedlung des <strong>Habichtskauz</strong>´ Strix uralensis im Wildnisgebiet Dürrenstein<br />
(Österreich). Eulenrundblick (Schriftenr. Dtsch. AG z. Schutz d. Eulen) 62: S. 14-22<br />
Kühn, R. (unveröff. Entwurf): Molecular genetic differentiation of European Ural Owl Strix<br />
uralensis populations. TU München, Final Report: 17 S.<br />
Mikkola, H. (2012): Owls of the world. Ch. Helm/London. S. 344-346<br />
Müller, J., W. Scherzinger & Ch. Moning (2007): European Ural Owl workshop.<br />
Nationalpark Bayer. Wald/Grafenau; Tagungsbericht – Heft 8: 92 S<br />
Scherzinger, W. (2006): Die Wiederbegründung des <strong>Habichtskauz</strong>-Vorkommens<br />
Strix uralensis im Böhmerwald. Ornithol. Anzeiger 45: S. 97-196<br />
Steiner, H.(2007): Bewertung der Lebensräume im Wildnisgebiet Dürrenstein sowie im<br />
Natura 2000-Gebiet Ötscher-Dürrenstein im Hinblick auf ihre Tauglichkeit für die<br />
Wiederansiedlung des <strong>Habichtskauz</strong>es (Strix uralensis). Gutachten, Wildnisgebiet<br />
Dürrenstein, Scheibbs: 29 S.<br />
Zink, R. (2007-a): Der <strong>Habichtskauz</strong> in Österreich, Status & Lebensraumpotential,<br />
Rückgangsursachen & Hilfsmaßnahmen. Forschungsinstitut für Wildtierkunde und<br />
Ökologie, Wien: powerpoint- Präsentation, 14 Folien<br />
Zink, R. (2007-b): Machbarkeitsstudie „<strong>Habichtskauz</strong>-Wiederansiedlung im<br />
Biosphärenpark Wienerwald“. Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie, Wien:<br />
Zink, R. (2008): Aktionsplan <strong>Habichtskauz</strong>. Forschungsinstitut für Wildtierkunde und<br />
Ökologie, Wien: 58 S.<br />
Zink, R. (2009): Haltungs-Richtlinien für Zuchtnetzwerk <strong>Habichtskauz</strong>. Forschungsinstitut für<br />
Wildtierkunde und Ökologie, Wien: 2 S<br />
Zink, R. (2010): Zwischenbericht 2010, <strong>Habichtskauz</strong> Wiederansiedlung in Österreich<br />
(Freilassung 2009). Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie (Wien), unter<br />
Mitwirkung von Dr. Christoph Leditznig (Wildnisgebiet Dürrenstein): 20 S.<br />
Zink, R. (2012): Zwischenbericht <strong>Habichtskauz</strong> Wiederansiedlung in Österreich (2010 /<br />
2011). Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie, Wien: 44 S.<br />
Dr. Wolfgang Scherzinger<br />
Roßpoint 5<br />
D- 83483 Bischofswiesen<br />
W.Scherzinger@gmx.de August 2012<br />
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