Breitwandträume in Millimetern: Von der Illusion zur Kontemplation
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Das Distributionspr<strong>in</strong>zip e<strong>in</strong>er 70mm-Roadshow konzentriert sich fortan auf<br />
Luxusk<strong>in</strong>os <strong>der</strong> Großstädte – auf Roadshow-Theater. Sogar e<strong>in</strong> „Fenster <strong>zur</strong> Welt“<br />
wird <strong>in</strong> <strong>der</strong> Reklame suggeriert (e<strong>in</strong> Schlagwort, mit dem bspw. Metro-Goldwyn-<br />
Mayer ihren Breitfilm-Prozeß MGM Camera 65 propagiert): Durch e<strong>in</strong>en die gesamte<br />
vierte Wand e<strong>in</strong>nehmenden, analog <strong>zur</strong> Bildwand stark konkav geschwungenen<br />
Vorhang reißen die Horizonte förmlich auf, verkünden die Verleihstrategen. Für den<br />
Soziologen, <strong>der</strong> h<strong>in</strong>ter je<strong>der</strong> „Fassade“ nach Realität und Wahrheit sucht, beweisen<br />
sich K<strong>in</strong>otempel <strong>der</strong> hypertrophen Le<strong>in</strong>wänden allenfalls als <strong>Illusion</strong>sverstärker: das<br />
Übergrosse, Prächtige, Weihevolle und Erhabene bediene dort e<strong>in</strong> sich passiv<br />
h<strong>in</strong>gebendes Publikumskollektiv, heißt es anprangernd. Wenn <strong>in</strong> ihnen als "Altar"<br />
e<strong>in</strong>e Konkavbildwand f<strong>in</strong>giert, ist diese immer auch kulturhistorisch e<strong>in</strong> Derivat <strong>der</strong><br />
Panoramen des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts und auch <strong>der</strong> kirchlichen Kuppeln: sie gilt jedoch<br />
im heutigen Filmtheaterbau und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Filmtheorie als Kuriosum <strong>der</strong> 1950er/60er<br />
Jahre, als Mode und verfehlte Technik<strong>in</strong>novation, wenn sie ohne perspektivische<br />
o<strong>der</strong> bildkompositorische Legitimation verharrt; sie ist aber auch manchem Techniker<br />
e<strong>in</strong> Dorn im Auge, weil fast immer Projektionsverzerrungen auf ihr an <strong>der</strong><br />
Tagesordnung s<strong>in</strong>d.<br />
Vergessen wird von den Distanzierungsbewegten, dass neben dem Raumton, heute<br />
als Surround-Sound umbenannt, auch e<strong>in</strong> Raumbild, ja, wenn man will, e<strong>in</strong>e<br />
Surround-Bildwand e<strong>in</strong> Analogon <strong>zur</strong> menschlichen Wahrnehmung darstellt, <strong>der</strong>en<br />
Potential durch die Normalwand nie h<strong>in</strong>reichend ausgeschöpft wurde.<br />
Erweiterte Tiefenschärfe<br />
Die Bildschärfe zerfällt begrifflich <strong>in</strong> technische Parameter und gestalterische Mittel.<br />
<strong>Von</strong> Ausschlag aber s<strong>in</strong>d die Entscheidungen vieler Filmemacher, wonach e<strong>in</strong>e<br />
naturalistische Bildaufnahme den Wünschen nach Transformation des real<br />
Vorgefundenen entgegensteht und die poetologischen und imag<strong>in</strong>ativen Konzepte<br />
durch kalten Abbildrealismus ersticke.<br />
Die erweiterte Tiefenschärfe ist skeptisch zu betrachten, ist doch <strong>der</strong> Fetisch <strong>der</strong><br />
raumtotalen Soghaftigkeit als Gimmick auch dem frühen Enterta<strong>in</strong>ment- und<br />
Schaustellergewerbe zu eigen. Nach dem Zusammenbruch des tradierten US-<br />
Studio-Systems Anfang <strong>der</strong> 1960er Jahre und <strong>der</strong> aufstrebenden Nouvelle Vague<br />
wird die „Tiefenschärfe“ neuerlich gleichgesetzt mit Positivismus, mit Abspiegelung<br />
von Natur und „Langeweile“, denn <strong>in</strong> ihr entäußere sich noch nicht die Sprache e<strong>in</strong>es<br />
auteurs – so dass dieses Gestaltungsmittel <strong>in</strong> <strong>der</strong> heutigen Bil<strong>der</strong>kultur auch immer<br />
weniger präsent ersche<strong>in</strong>t.<br />
Dem Breitwand-Format ist e<strong>in</strong> selbstständiger Bildraum o<strong>der</strong> Handlungsraum mit<br />
mehreren Zentren <strong>in</strong>härent. Es f<strong>in</strong>den sich daher durchaus Impulse schon bei<br />
Arnheim, die später <strong>in</strong> den Essays des englischen Filmhistorikers Charles Barr, <strong>der</strong><br />
die Breitwand gründlicher analysiert, noch differenzierter artikuliert werden.<br />
Stilistisch steht zum Beispiel im Schwarzweiß-Film den 1940er Jahre die<br />
Beleuchtung von H<strong>in</strong>tergründen auf ihrem Höhepunkt, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e im Film Noir.<br />
Technisch ist die forcierte Ausleuchtung u.a. durch den Kodak Negativfilm Plus-X <strong>der</strong><br />
Type 5231 mit noch ger<strong>in</strong>ger Empf<strong>in</strong>dlichkeit bed<strong>in</strong>gt, aber dessen Nachfolgetype Tri-<br />
X <strong>der</strong> Kodak-Type 5233 ist bereits mit e<strong>in</strong>er Empf<strong>in</strong>dlichkeit von 250 ASA ab 1954 für<br />
Fernseh- und Dokumentarfilm entwickelt worden, <strong>in</strong> denen ger<strong>in</strong>ge Ressourcen an<br />
Ausleuchtungen vorherrschten – was zu e<strong>in</strong>er Verflachung des Bildfeldes führt. Beim<br />
Farbfilm vollziehen sich ähnliche Prozesse beim Eastmancolor-Negativverfahren<br />
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