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Interview: Ralf Mengwasser<br />

«Murphy schlägt<br />

irgendwann zu»<br />

Am 9. Juni 2010 findet in<br />

Basel der jährliche Gefahrguttag<br />

Schweiz statt. Ralf<br />

Mengwasser ist Leiter<br />

Expertise Services Umweltsicherheit<br />

bei der Swiss TS<br />

Technical Services AG und<br />

Leiter des Gefahrguttages.<br />

Stefan Kühnis sprach<br />

mit ihm über das Thema<br />

Gefahrgut – und über das<br />

Verhalten der Menschen<br />

mit Gefahrgut und<br />

Sicherheit.<br />

Bild: shutterstock.com<br />

Stefan Kühnis: Haben Sie als Gefahrgut-Experte<br />

viel zu tun?<br />

Ralf Mengwasser: Wir bekommen viele<br />

Anrufe.<br />

Dieses ADR (Europäisches Übereinkommen<br />

über die Beförderung gefährlicher<br />

Güter auf der Strasse) ist<br />

für mich als Halblaie ein ziemlich<br />

kompliziertes Buch. Es erinnert mich<br />

an die Gesetzesbücher früher während<br />

der Ausbildung.<br />

Wenn Sie Juristen nach dem ADR fragen,<br />

dann beginnen die den Kopf zu schütteln.<br />

Das ist für sie ein grauenhaftes Buch<br />

– viel zu technisch, verschachtelt aufgebaut,<br />

tausend Ausnahmen, laufend Änderungen.<br />

Wie sehen Sie Ihre Rolle als<br />

Gefahrgut-Experte?<br />

Unsere Aufgabe ist es, durch Schulungen<br />

und Sensibilisierungen die Leute auf einem<br />

gewissen Level halten zu können, dazu<br />

braucht es aber die Bereitschaft der Unternehmen.<br />

Die geschulten Mitarbeitenden<br />

können während der Schulung nicht<br />

produktiv arbeiten, das kostet. Aber umgekehrt<br />

können die Unternehmen Hochglanzprospekte<br />

drucken sowie Imagekampagnen<br />

lancieren; ein unnötiger Unfall<br />

macht dies alles kaputt.<br />

Vor einem Jahr sahen wir alle die<br />

Bilder aus Viareggio, als ein Bahnwagen<br />

brennend durch die Ortschaft<br />

fuhr. Er hatte Flüssiggas geladen.<br />

Ein Wagen explodierte. Die Verwüstung<br />

war heftig, Menschen starben.<br />

Was war passiert?<br />

Ganz genau weiss man es noch nicht. Es<br />

wird von einer gerissenen Achse gesprochen,<br />

ich habe aber auch schon gehört,<br />

dass die Gleisanlagen nicht in Ordnung<br />

waren. Was feststeht: Es war eine Entgleisung.<br />

Und damit sind wir schon beim<br />

Thema. Der Unfall hatte nichts mit dem<br />

Gefahrgut-Kessel zu tun. Die Radgestelle<br />

werden je nach Konstruktion des Wagens<br />

vom Kessel mitgezogen und das ist nicht<br />

Gegenstand der Gefahrgut-Regelwerke.<br />

Was man auch sagen kann, ist – und das ist<br />

eine brutale Aussage –, dass drei von vier<br />

Kesselwagen den Kräften der Entgleisung<br />

standgehalten haben und nur einer explo-<br />

Safety-Plus 2/10 11


diert ist. So unsicher können diese also<br />

nicht gewesen sein. Natürlich gäbe es die<br />

Möglichkeit, solche Kesselwagen noch<br />

sicherer zu bauen, aber das braucht neben<br />

höheren finanziellen Aufwänden vor allem<br />

auch viel mehr und schwereres Material.<br />

Weil dieses mittransportiert werden muss,<br />

verbrauchen wir wieder mehr Energie und<br />

belasten die Umwelt zusätzlich.<br />

Ein Gefahrgut-Unfall kann aber ebenso<br />

eine Belastung für die Umwelt sein.<br />

Ja, und wenn wir es ganz genau nähmen,<br />

dann gäbe es Dinge, die wir gar nicht<br />

transportieren sollten – Chlorgas oder<br />

Phosgen <strong>zum</strong> Beispiel. Phosgen ist ein<br />

Atemgift, welches auch im Ersten Weltkrieg<br />

verwendet wurde. Heute wird es zur<br />

Herstellung von Härtern für Zweikomponenten-Lacksysteme,<br />

Medikamenten,<br />

Farbstoffen sowie bei der Herstellung<br />

einiger Insektizide verwendet, also als<br />

Chemikalie im Herstellungsprozess. Einige<br />

Chemie-Hersteller brauchen Phosgen in<br />

ihren Anlagen. Wenn so eine Anlage birst<br />

und der Wind ungünstig weht, dann haben<br />

wir ein Problem. Die Sicherheitsauflagen<br />

an stationäre Anlagen wie auch bei Gefahrgut-Transporten<br />

sind jedoch sehr<br />

hoch. So dürfen von den beiden genannten<br />

Stoffen nur begrenzte Mengen je<br />

Transportbehälter in der Schweiz befördert<br />

werden.<br />

Immerhin kann bei uns so etwas wie<br />

in Viareggio nicht passieren.<br />

Auszuschliessen ist das hierzulande nicht,<br />

jedoch sind die Auflagen höher als in anderen<br />

Ländern. Aus dem Unfall in Zürich-<br />

Affoltern im Jahr 1994 hatte man viel gelernt.<br />

Man stellte dort fest, dass die entgleisten<br />

Kesselwagen über zwei Kilometer<br />

lang mitgeschleppt wurden. An einer Weiche<br />

im Bahnhof Zürich-Affoltern sind<br />

dann fünf Wagen umgekippt und explodiert.<br />

Daraufhin hat es Massnahmen gegeben,<br />

die allerdings teilweise heute noch<br />

nicht umgesetzt sind. Das ist genau das<br />

Problem, das wir haben. Zunächst muss<br />

die genaue Ursache für den Unfall ermittelt<br />

werden, dann gibt es oftmals langwierige<br />

Haftungs- und Versicherungsfragen,<br />

bei denen Anwälte beteiligt sind. Daher<br />

dauert es jahrelang, bis der Fall abgeschlossen<br />

ist. Diese Ergebnisse fliessen<br />

dann in die Weiterentwicklung der Vorschriften<br />

ein.<br />

«Unternehmen können<br />

Hochglanzprospekte drucken<br />

und Imagekampagnen<br />

lancieren; ein unnötiger<br />

Unfall macht alles kaputt.»<br />

Aber zurück zu Zürich-Affoltern: Es<br />

wurde bestimmt, dass es Entgleisungsdetektoren<br />

geben wird. Das sind Geräte, die<br />

an den Kesselwagen angebracht werden<br />

«Die SBB transportieren pro Jahr zwölf Millionen Tonnen, das sind pro Tag 33 000 Tonnen.<br />

Gewaltige Mengen.»<br />

und im Falle einer Entgleisung die Notbremse<br />

auslösen. Dann hatte man bei den<br />

SBB mobile Gefahrgut-Equipen gegründet,<br />

die Gefahrgut-Kontrollen an Grenzbahnhöfen<br />

und auf dem gesamten Streckennetz<br />

durchführen. Es gibt logistische<br />

und technische Kontrollen, solche, die vor<br />

Ort möglich sind. Die Achsen beispielsweise<br />

kann man nur in Werkstätten vollständig<br />

prüfen.<br />

Sie sprachen von Grenzkontrollen.<br />

Wäre der Zug aus Viareggio auch<br />

noch durch die Schweiz gefahren oder<br />

hätte man während so einer Kontrolle<br />

den Mangel an der Achse feststellen<br />

können?<br />

Das kann ich so nicht beantworten, je<br />

nach Schaden hätte man vielleicht etwas<br />

sehen können. Ist es jedoch ein versteckter<br />

Schaden, der von Auge nicht sichtbar ist,<br />

kann es auch auf dem Schweizer Streckennetz<br />

zu fatalen Unfällen kommen. Ich bin<br />

mir sicher, dass die Verantwortlichen alles<br />

unternehmen, was möglich ist, jedoch<br />

ganz ausschliessen kann man einen Unfall<br />

nie. Eine hundertprozentige Sicherheit<br />

gibt es nicht, wir müssen mit diesem unangenehmen<br />

Gefühl leider leben. Und wenn<br />

lange nichts Grösseres passiert, heisst das<br />

auch, dass man neben dem Wissen und<br />

Können auch Glück hat. Aber Murphy<br />

schlägt, wenn alles passt, halt leider auch<br />

zu. Wer davor die Augen verschliesst, lebt<br />

nicht in der Realität.<br />

Wie viel Gefahrgut wird denn eigentlich<br />

an einem durchschnittlichen Tag<br />

hierzulande transportiert?<br />

Bei den SBB sind es pro Jahr zwölf<br />

Millionen Tonnen. Das sind pro Tag<br />

33 000 Tonnen. Gewaltige Mengen. Und<br />

wenn Sie überlegen, was in Relation so<br />

passiert – ich spreche nicht von kleinen<br />

Mengen, die vor Ort oder unterwegs mal<br />

aus einem nicht dichten Verschluss auslaufen<br />

–, ist das verschwindend gering.<br />

Erst kürzlich ist ein Behälter mit<br />

Schweinegrippe-Viren in einem<br />

Personenwagen der SBB geborsten.<br />

Ja, das waren Blutproben oder diagnostische<br />

Proben. So wie ich das erfuhr, wurde<br />

fast alles gemäss Vorschriften verpackt.<br />

Aber eben nur «fast»: Bei der Verwendung<br />

von Trockeneis (gefrorenes Kohlendioxid)<br />

darf dieses nur ausserhalb der dichten<br />

Sekundärverpackung verwendet werden,<br />

damit sich beim Verdampfen des Eises<br />

kein Druck aufbaut. Dies ist in den entsprechenden<br />

Verpackungsvorschriften genau<br />

beschrieben und wurde in diesem Fall<br />

missachtet und das Paket barst. Am selben<br />

Tag begannen öffentliche Diskussionen,<br />

ob solche Proben überhaupt in einem Personenzug<br />

transportiert werden dürfen. Die<br />

Antwort ist eindeutig ja, wenn man alle<br />

Vorschriften bezüglich der Verpackung<br />

einhält, unterliegt der Transport nicht mehr<br />

den Gefahrgut-Transportvorschriften, da<br />

es sicher ist, diese zu transportieren.<br />

Wer ist nun verantwortlich?<br />

Die Person, die den Behälter falsch verpackte,<br />

ausser sie wurde nicht geschult<br />

oder falsch angewiesen. Deshalb sind<br />

Schulungen enorm wichtig, wir bieten sie<br />

auch Spitälern an.<br />

12<br />

Safety-Plus 2/10


Wie gehen Spitäler im<br />

Allgemeinen mit Gefahrgut um?<br />

Nun, die Personen, die dort damit zu tun<br />

haben, sind eigentlich gut ausgebildet.<br />

Aber je öfter jemand mit etwas zu tun hat,<br />

desto eher verliert er den Respekt vor der<br />

ausgehenden Gefahr. Ich war kürzlich in<br />

einem Spital, da wurden bei Aufräumarbeiten<br />

zur Entsorgung verschiedene Säuren<br />

zusammengeschüttet. Einfach ausgedrückt:<br />

Treffen verschieden starke Säuren<br />

aufeinander, gibt es einen Kampf, die<br />

stärkere gewinnt. Die gleiche Situation<br />

könnte uns im privaten Haushalt begegnen.<br />

Immer mehr und stärkere Chemikalien<br />

sind gerade im Reinigungsbereich<br />

im Einsatz. Verwendet man gleichzeitig<br />

WC-Reiniger verschiedener Zusammensetzung,<br />

so kann sich unter Umständen<br />

freies Chlorgas bilden und die Reaktion<br />

Ihrer Lungen auf dieses Gas können Sie<br />

sich ja vorstellen.<br />

Ich denke, in der Grosschemie<br />

werden viele Gefahrstoffe verwendet.<br />

Wie sicher ist der Umgang dort?<br />

So wie ich das beurteilen kann, wird damit<br />

sicher umgegangen. Es werden auch viele<br />

Anstrengungen unternommen, gerade im<br />

Bereich der Arbeitssicherheit. Gefahrgut-<br />

Transporte sowie die Lagerung werden an<br />

externe Logistiker übergeben und diese<br />

sind dann oftmals dafür verantwortlich,<br />

dass Just-in-time geliefert wird. Teilweise<br />

befindet sich daher ein Teil der gefährlichen<br />

Ladung auf der Strasse, der Bahn,<br />

auf Schiffen oder in Umschlagterminals.<br />

Somit gehen das Lagern und der Transport<br />

teilweise ineinander über und es ist fraglich,<br />

ob überall die behördlichen Vorschriften,<br />

gerade in puncto Gewässerschutz,<br />

eingehalten werden können.<br />

Der Raum Basel ist natürlich sehr gefährdet,<br />

vor 20 Jahren gab es ja auch<br />

einen Unfall bei Sandoz, der ziemlich<br />

verheerend war.<br />

Das war Ursache für viele strengere Vorschriften.<br />

Das Brutale an der damaligen<br />

Situation war, dass der verantwortliche<br />

Feuerwehrkommandant verurteilt wurde.<br />

Er löschte den Brand und rettete Basel im<br />

Prinzip vor den giftigen Dämpfen. Nur leider<br />

lief das Löschwasser in den Rhein. Er<br />

wurde dafür verantwortlich gemacht. Er<br />

hatte organisiert, dass viele Menschen<br />

ohne Schädigungen weiterleben konnten.<br />

Was sollte er denn anders machen? Den<br />

Löschvorgang stoppen, weil keine Rückhaltemöglichkeit<br />

für das kontaminierte<br />

Löschwasser mehr vorhanden war? Der<br />

Kommandant musste sich vor Gericht<br />

verantworten und übt nachvollziehbar<br />

diese verantwortungsvolle Tätigkeit nicht<br />

mehr aus.<br />

Nach solchen Unfällen stellen wir oft<br />

fest, dass wir die Sicherheit offensichtlich<br />

noch verbessern könnten. Weshalb<br />

vergessen wir lieber, was passiert ist,<br />

und verdrängen, dass es wieder passieren<br />

könnte?<br />

Nun, das ist typisch bei solchen Unfällen.<br />

Es besteht heute eine Informationsschwemme,<br />

die Medien, Mobiltelefone,<br />

Internet, die Post verschwindet ja schon<br />

fast. Die Themen werden nur noch kurzzeitig<br />

beachtet und aufgenommen. Wenn<br />

wir dann unser Umfeld fragen, was Sicherheit<br />

ist, dann gibt es keine konkrete Antwort.<br />

Man fühle sich sicher, das Leben<br />

hier sei doch sicher, es passiere hier ja<br />

nichts, das sei Sicherheit. Das Problem der<br />

Experten ist nun, diese Standards zu halten<br />

oder gar noch zu verbessern. Und dafür<br />

braucht es gewaltige Energien. Ich spreche<br />

nicht nur von finanziellen Mitteln, sondern<br />

auch vom Verhalten der für die Sicherheit<br />

verantwortlichen Mitarbeitenden. Diese<br />

müssen ihre notwendigen Forderungen<br />

teilweise gegen Sparmassnahmen von Finanzchefs<br />

oder gar gegenüber dem obersten<br />

Management verteidigen. Sicherheit<br />

benötigt finanzielle und zeitliche Ressourcen<br />

und dazu muss das Management stehen<br />

– und dies nicht nur auf dem Hochglanzpapier.<br />

Unsere Gesellschaft ist gefordert: Was<br />

sind wir bereit für Sicherheit zu zahlen?<br />

Anstelle von «Geiz ist geil»? Jeder lebt ein<br />

bisschen nach dem Motto: «Mir passiert<br />

schon nichts. Es ist alles sicher hier.»<br />

Das ist es nicht.<br />

Nein, das haben die Tunnelbrände in den<br />

letzten Jahren stark gezeigt. Dort war bis<br />

heute – <strong>zum</strong> Glück – nie Gefahrgut involviert.<br />

Mit der Einführung der neuen<br />

Tunnelbeschränkungen des ADR ist es in<br />

Schweizer Tunneln nicht unbedingt sicherer<br />

geworden.<br />

Vor einiger Zeit fuhr ich in Richtung<br />

Gubrist-Tunnel, als plötzlich die Ampeln<br />

auf Rot sprangen. Ich hielt an. Links von<br />

mir fuhren die Autos und Lastwagen aber<br />

munter weiter in den Tunnel, hinter mir<br />

begannen sie zu hupen und zu schreien, da<br />

sei doch nichts. Aber ich sagte mir, wenn<br />

die Ampel auf Rot springt, dann hat das<br />

einen Grund und ich halte an. Es könnte<br />

ja gekracht haben, vielleicht brennt es im<br />

Tunnel. Dieses Beispiel zeigt einiges über<br />

das Verhalten der Menschen. Ich bin mir<br />

sicher, die meisten haben die rote Ampel<br />

gesehen. Aber sie mussten halt zur Arbeit.<br />

Der Unterbruch dauerte fünf Minuten,<br />

danach war der Tunnel wieder offen.<br />

Was ist denn eigentlich das Problem<br />

mit den Tunneln, es gibt doch Notausgänge<br />

und Fluchtschächte?<br />

Wenn es in einem Tunnel brennt, dann<br />

steigen die heissen Rauchgase nach oben<br />

und verteilen sich je nach vorhandener<br />

Lüftung im Tunnel. Bei einer Explosion<br />

kommt noch die Druckwelle hinzu, bei der<br />

in der Zone hinter der Druckwelle kein<br />

oder weniger Sauerstoff vorhanden ist.<br />

Gehen Sie mal davon aus, dass der Abstand<br />

zwischen zwei Notausgängen 250 Meter<br />

beträgt, und Sie befinden sich in der Mitte.<br />

Sie müssen 125 Meter zurücklegen, inmitten<br />

von Autos, anderen Menschen, mit<br />

wenig oder gar keinem Sauerstoff und<br />

eventuell verrauchter Umgebung.<br />

Usain Bolt bräuchte zwischen elf und<br />

zwölf Sekunden, wenn er die Strecke<br />

aufrecht und atmend sprinten könnte.<br />

Genau, in unserer Situation müsste er allerdings<br />

geduckt, dem Boden nach, bei<br />

schlechter Sicht, ohne zu atmen, durch<br />

stehende Autos hindurch kriechen. Das<br />

dauert, selbst für den schnellsten Mann<br />

der Welt. Es gab Tunnelbrände, wo man<br />

leblose Körper fand, die direkt oder in<br />

nächster Umgebung vor den Notausgän-<br />

«Ich bin sicher, dass ein grösserer<br />

Unfall auch hier passieren wird.<br />

Es war schon lange sehr ruhig.»<br />

Safety-Plus 2/10 13


immer wieder ein echtes Problem, bei<br />

Lagerung und Transport. In jedem fahrbaren<br />

Untersatz gibt es Treibstoff, der ist<br />

Gefahrgut. Mit diesem Untersatz fahren<br />

wir in den Baumarkt, kaufen Farbe, Reiniger,<br />

Verdünner und so weiter. Wer schiessen<br />

geht, hat Munition dabei. Raucher<br />

haben Feuerzeuge dabei. Familien auf<br />

dem Weg in die Ferienwohnung haben<br />

vielleicht ein Soda-Club-Gerät im Auto.<br />

Es gibt sehr vieles, das Gefahrgut ist.<br />

Für Juristen ist es ein Graus, er kennt sich aus: Ralf Mengwasser und das ADR.<br />

gen lagen. Zum Glück haben sich die grünen<br />

Markierungen und Lampen am Boden<br />

durchgesetzt, so findet man den Ausgang<br />

schneller. Natürlich müssen die Menschen<br />

darauf auch sensibilisiert sein. Da haben<br />

Medien und Schulen viel Verantwortung.<br />

Vor zwei oder drei Jahren flog ich mit<br />

einer Kartusche Campinggas von<br />

Berlin nach Zürich. Ich war der Meinung,<br />

sie wäre gar nicht mehr da und<br />

sie fiel mir beim Packen nicht auf.<br />

Auch auf dem Flughafen merkte es<br />

niemand.<br />

Bei Campinggas handelt es sich um entzündliches<br />

Gas. Diese Stoffe sind generell<br />

für den Transport durch Passagiere verboten.<br />

Vor zwei oder drei Jahren waren<br />

wohl noch nicht alle Flughäfen so organisiert,<br />

dass sämtliches Gepäck durchleuchtet<br />

wurde. Hier in Zürich durchläuft das<br />

Gepäck drei Stufen, erst kommt eine automatische<br />

Durchleuchtung. Wird etwas<br />

gefunden, so wird das Gepäckstück in<br />

einer zweiten Stufe nochmals gescannt.<br />

Ist immer noch eine Abklärung nötig, so<br />

wird das Gepäckstück geöffnet, der Passagier<br />

wird informiert. Vor einigen Jahren<br />

konnten noch nicht hundert Prozent aller<br />

Gepäckstücke derartig kontrolliert werden,<br />

aber dies gehört der Vergangenheit<br />

an.<br />

Als ich die Kartusche zu Hause auspackte,<br />

erschrak ich. Wie gefährlich<br />

war das nun?<br />

Verbot ist Verbot. Aber die Kartusche war<br />

an Bord. Sollte aus dieser Gas ausströmen,<br />

würde sich das Gas im Frachtraum<br />

verteilen. Bei der geringen Menge bezogen<br />

auf den Frachtraum ist die Gefahr der Bildung<br />

einer explosiven Mischung sehr, sehr<br />

gering, ja fast auszuschliessen. Aber man<br />

weiss ja nie, wo Murphy lauert und was<br />

sich in der näheren Umgebung befindet.<br />

Daher ist es auch die Eigenverantwortung<br />

der Passagiere, dafür zu sorgen,<br />

14<br />

dass derartige Gegenstände nicht im Gepäck<br />

landen.<br />

Welche Gefahrgüter gibt es<br />

sonst noch, die wir täglich<br />

transportieren?<br />

Grössere Gasflaschen, beispielsweise auf<br />

Campingplätzen wie am Türlersee, sind<br />

12. Gefahrguttag<br />

Schweiz<br />

Bereits <strong>zum</strong> zwölften Mal<br />

findet der Gefahrguttag<br />

Schweiz statt, dieses Jahr am 9. Juni 2010.<br />

Der weitaus grösste Teil der Vorschriftenänderungen<br />

2009 ist inzwischen in die<br />

Praxis umgesetzt, was hier und dort zu<br />

Diskussionen führte. Und schon stehen<br />

die nächsten Neuerungen und Änderungen<br />

für das Jahr 2011 vor der Tür. Wie<br />

gewohnt informieren die Veranstalter<br />

im Swiss Conference Center am Flughafen<br />

Basel über alles Wissenswerte.<br />

Nach einer sehr erfolgreichen Durchführung<br />

des Gefahrgut-Parcours, der<br />

sowohl bei den Teilnehmern als auch in<br />

den Fachmedien sehr positiv bewertet<br />

wurde, darf man sich auf einen neuen<br />

Parcours freuen. Thema wird die<br />

Kontrolle von Last- und Lieferwagen<br />

sein.<br />

Weitere Fachmodule mit interessanten<br />

Praxisthemen stehen zur Verfügung:<br />

Beförderungspapiere – Inhalt und<br />

Verantwortlichkeiten<br />

Ablauf einer Bauartzulassung für<br />

Gefahrgut-Verpackungen<br />

Gefahrgut-Kontrollen an der Grenze<br />

Vom ADNR <strong>zum</strong> ADN – Was ändert<br />

sich? Was ist neu?<br />

GHS – Globally Harmonized System<br />

Die Entwicklung des Gefahrgut-<br />

Beauftragten in der Schweiz<br />

Infos und Anmeldungen: www.swissts.ch<br />

Weshalb müssen wir als Privatpersonen<br />

denn nicht auch ausreichend<br />

über entsprechende Gefahren<br />

informiert sein?<br />

Im SDR, der Schweizer Verordnung über<br />

den Transport gefährlicher Güter auf der<br />

Strasse, gibt es eine Regelung über den<br />

Transport von Gefahrgut durch Privatpersonen.<br />

In der Schweiz gibt es restriktivere<br />

Vorschriften für den Transport von Gefahrgut<br />

durch Privatpersonen als im angrenzenden<br />

Ausland. Die Schweiz lässt<br />

300 Punkte zu, die eine Privatperson mitnehmen<br />

kann. Nun, können Sie mir erklären,<br />

wie viel 300 Punkte sind?<br />

Nein.<br />

Sehen Sie, das kann kaum einer. Es wäre<br />

also schon mal gut, wenn man beispielsweise<br />

im Baumarkt oder an Tankstellen<br />

entsprechende Merkblätter hätte.<br />

Bin ich denn voll für den Transport<br />

verantwortlich?<br />

Für die Einhaltung der maximal zulässigen<br />

Transportmenge sowie die korrekte<br />

Ladungssicherung in Ihrem Fahrzeug sind<br />

nur Sie verantwortlich.<br />

Wie sehr muss denn eine Gasflasche<br />

im Auto gesichert sein? Reicht es,<br />

wenn sie zwischen Koffern und<br />

Taschen so weit fixiert ist, dass sie<br />

sich nicht bewegt?<br />

Das ist vertretbar. Die Gasflasche sollte<br />

allerdings nicht gelegt werden, entsprechende<br />

Hinweise findet man auf dem Etikett,<br />

welches sich rund um das Ventil befindet.<br />

Aber das reissen die meisten ja<br />

direkt weg. Dort stehen auch weitere Informationen<br />

zur Lüftung des Fahrzeugs<br />

und zur Lagerung. Wussten Sie, dass<br />

brennbare Gase nie Unterflur gelagert<br />

werden dürfen, da sie schwerer sind als<br />

Luft? Und sollte die Metallgasflasche<br />

ohne Schutzkappe so ungünstig umfallen,<br />

dann kann das Ventil abgeschert werden<br />

und Ihre Gasflasche fliegt wie eine Rakete<br />

bis zu 300 Meter weit weg.<br />

Was sind die am nächsten liegenden<br />

Wege für mehr Sicherheit im Umgang<br />

mit Gefahrstoffen?<br />

Einerseits braucht es mehr Sensibilisierung<br />

– auch in den Medien. Andererseits braucht<br />

es mehr Eigenverantwortung. Dass Jugendliche<br />

sterben, wenn sie den Inhalt einer<br />

ganzen Deodorant-Spraydose einatmen,<br />

das sollte unser Verstand auch ohne derzeitigen<br />

Warnhinweis begreifen.<br />

<br />

Safety-Plus 2/10

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