Leitbildgruppe Stadtgestaltung - Köln kann auch anders
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AK Die attraktive <strong>Stadtgestaltung</strong><br />
Stellungnahme zur aktuellen Diskussion um den Komplex<br />
Jüdisches Museum“<br />
„Archäologische Zone und<br />
Die <strong>Leitbildgruppe</strong> <strong>Stadtgestaltung</strong> bringt sich seit über 10 Jahren aktiv in die Diskussion um die<br />
Entwicklung und die Zukunft Kölns ein. Die Stellungnahme der <strong>Leitbildgruppe</strong> basiert auf dem Ziel,<br />
„dass Köln ein lebendiger Kulturstandort bleiben soll. Gefragt sind neue Strategien für die<br />
Positionierung des Kulturstandortes angesichts finanzieller Engpässe und Standortkonkurrenz .“* Es<br />
gilt also Prioritäten zu setzen.<br />
1 Köln ist eine Museumsstadt. Museen und kulturelle Anziehungspunkte sind für den immer<br />
wichtiger werdenden Städtetourismus von hoher wirtschaftlicher Bedeutung. Von mindestens gleich<br />
hoher Relevanz sind diese für das Selbstbewusstsein der Kölnerinnen und Kölner, weil sie hier <strong>auch</strong><br />
die historischen und kulturellen Wurzeln ihrer Stadt erkennen und ihre persönliche Identität finden<br />
können.<br />
2 Die Ausgrabungen zwischen Rathaus und Wallraf-Richartz-Museum legen Schichtungen der<br />
Kölner Geschichte frei, die von der überragenden Bedeutung Kölns zwischen Römerzeit und<br />
Industriezeitalter zeugen. Das Mittelalter ist nicht zuletzt <strong>auch</strong> deshalb von besonderer Bedeutung,<br />
weil das Zentrum jüdischen Lebens durch die Ausgrabungen berührt wird.<br />
3 Archäologische Spuren aus römischer Zeit, mittelalterlichen Epochen und aus der Neuzeit finden<br />
sich vielfältig in Köln und werden von Touristen sowie Kölnerinnen und Kölnern besucht.<br />
Architektonisch hervorragend aufbereitet sind diese Zeugnisse z.B. im Museum Kolumba. Das<br />
Prätorium ist ein gewaltiges und bedeutsames Zeugnis aus der Römerzeit.<br />
4 Die Archäologie der Stadt ist sehr wichtig, aber dennoch kein entscheidender Anlass für<br />
Massentourismus. Erst eine attraktive Aufbereitung (siehe Kolumba) lässt für viele Menschen<br />
Mauerreste sprechend werden. Ein gewaltiger ökonomischer Schub durch Tourismus oder ein enorm<br />
wirkungsvoller Impuls für identitätsstiftende Bildung lassen sich durch archäologische Zone und<br />
Jüdisches Museum nicht erwarten.<br />
5 Entscheidend für die Wirksamkeit eines Jüdischen Museums wie der Archäologischen Zone<br />
sind deren Inhalte, ihre Präsentationen und die architektonische Gestaltung. Dabei ist von<br />
hoher Relevanz, welche Exponate in Köln vorhanden sind und wie sie präsentiert werden können. Für<br />
ein Jüdisches Museum gibt es leider nur wenige und weniger bedeutsame Exponate. Wichtige<br />
Ausstellungsstücke sind – wie <strong>auch</strong> aus anderen Orten Nordrhein-Westfalens – nach Essen<br />
gewandert.<br />
Die in Köln vorhandenen Exponate scheinen nicht von herausragender Bedeutung zu sein, wären sie<br />
andernfalls doch sicherlich seit Jahren bereits wesentliche und eindrucksvolle Bestandteile der<br />
Ausstellungen z. B. des Stadtmuseums. Daraus folgt, dass der Ort selbst von jüdischem Leben im<br />
mittelalterlichen Köln von weitaus höherer Bedeutung ist, als die Qualität der Zeugnisse.<br />
Die so wichtigen Zeugnisse zur Verfolgung der kölnischen Juden während der Nazi-Zeit werden im<br />
EL-DE-Haus ausgestellt.<br />
6 Schnell werden Äußerungen wie<br />
- das Land Nordrhein-Westfalen bezuschusst das Projekt „Archäologische Zone-Jüdisches<br />
Museum“ mit einem Betrag von rund 14,3 Mio. € oder<br />
- der Landschaftsverband Rheinland wird den Betrieb des Projektes und dessen Kosten<br />
übernehmen<br />
- Zuwendungen aus dem Betrag von 14,3 Mio. € seien bereits mit ca. 1,7 Mio. € geflossen sowie<br />
- städtische Mittel in Höhe von gut 7,8 Mio. € sind seit dem Jahre 2000 bereits verausgabt worden<br />
- diese Mittel dürften nicht verloren gehen<br />
zu Argumenten für die Sinnhaftigkeit und Nachhaltigkeit des Projektes geformt.<br />
* Der OB Stadt Köln (2003): Leitbild Köln 2020 - Das Leitbild für Kölns Weg in die Zukunft. Seite 30 1
AK Die attraktive <strong>Stadtgestaltung</strong><br />
Das ist als Abwägungshintergrund für das Projekt jedoch viel zu dürftig. Weder sind die bisher<br />
genannten Projektkosten von etwa 51,7 Mio. € ohne eine vorliegende abgeschlossene Planung und<br />
die verbindlichen Ausschreibungsergebnisse belastbar, noch verspricht ein „Deckelbeschluss“ der<br />
Politik zu den Kosten Plausibilität in der Sache. Auch wird nicht deutlich, ob in den genannten und von<br />
der Politik im Rat der Stadt Köln beschlossenen Projektkosten die publikumsnahe vollständige<br />
Ausgestaltung der Archäologischen Zone und die gesamte Bestückung des Jüdischen Museums mit<br />
Exponaten enthalten sind.<br />
Leidvoll stellt die Stadt Köln bei vielen Projekten seit Jahren fest, dass die jeweils für die Projekte<br />
genannten und beschlossenen Kosten bei der Realisierung häufig ganz erheblich überschritten<br />
worden sind. Jüngste öffentliche Projekte wie Elb-Philharmonie, Stuttgart 21, Flughafen Berlin oder<br />
der U-Bahnbau in Köln (<strong>auch</strong> ohne die Zusatzkosten infolge des Einsturzes des Archivs) geben hier<br />
Beispiele ab.<br />
Neben dem Kostenargument ist vor allem zu fragen, worin liegen denn die Alleinstellungsmerkmale<br />
von Archäologischer Zone und Jüdischem Museum? Lange besiedelte Stadtstrukturen wie in Köln<br />
gibt es allein in Deutschland in hoher Zahl. Diese Besiedlungen und ihre jeweiligen Bewohner haben<br />
über die Jahrhunderte hinweg <strong>auch</strong> in dem vorzufindenden Gebäudebestand ihre Spuren<br />
hinterlassen. So <strong>auch</strong> in Köln! Das <strong>kann</strong> also kein Alleinstellungsmerkmal sein? Was dann? Welche<br />
herausragenden Exponate sollen im Jüdischen Museum gezeigt werden, die auf die Bedeutung Kölns<br />
im Sinne eines Alleinstellungsmerkmals hinweisen?<br />
Zudem sollte das Projekt „Archäologische Zone-Jüdisches Museum“ nachvollziehbare, interessante<br />
und weiterführende „Geschichten“ erzählen können und zwar ggf. nicht nur einmal zur Eröffnung,<br />
sondern fortlaufend über die Jahre. Wie sieht diese „Geschichte“ aus, die unumgänglich erforderlich<br />
ist, wenn ein größeres, vielleicht sogar internationales, Publikum dauerhaft angesprochen und wenn<br />
die Einrichtung für Touristen ein Ziel werden soll?<br />
7 Die Bedeutsamkeit des historisch wie kulturell so wichtigen Ortes rund um die seit Jahren<br />
bereits gezeigte Mikwe muss herausgestellt werden, ebenso die Synagogenreste. Dieses lässt<br />
sich auf vielfältige Weise erreichen, <strong>auch</strong> ohne dass ein Museum gebaut und alle Ruinen sorgfältig<br />
präpariert werden. Das Herzeigen einiger weniger Zeugnisse, sprich Grundmauern, etwa unter einer<br />
Glasplatte, sprachliche Hinweise auf die überragende Bedeutung des Ortes und virtuelle - d.h. digitale<br />
- Erzählungen können wirksamer sein, als eine stumm machende Detaillierung. Der Zugang zur so<br />
eindrucksvollen und attraktiven Mikwe sollte architektonisch einladend werden, so dass sich Neugier<br />
auf Geschichte über das mittelalterliche jüdische Leben entwickelt.<br />
8 Schließlich gilt ein Grundsatz, den die Leitbild-Gruppe Stadtentwicklung für Köln besonders stark<br />
herausgestellt hat und der weithin akzeptiert wurde, dass nämlich in der aktuellen Situation für unsere<br />
Stadt gilt: „Weniger ist mehr. Die Setzung von Prioritäten ist ein wichtiger nächster Schritt, damit<br />
nicht wieder zu viel auf einmal angefangen und zu Weniges überzeugend abgeschlossen wird.“<br />
9 Im Rahmen der Regionale 2010 wurden für das Jüdische Museum samt Archäologischer<br />
Zone Landesmittel zur Verfügung gestellt. Dieses Geld sollte der Museumsstadt Köln nicht<br />
verloren gehen. Vielleicht lässt es sich verhandeln, dass die reservierte Summe für die so dringende<br />
Sanierung des Römisch Germanischen Museums zur Verfügung gestellt wird, um <strong>auch</strong> auf diesem<br />
Weg das historisch-kulturelle Erbe der Stadt wirksamer werden zu lassen. Dieses Museum mit seinen<br />
Sonderausstellungen und dem Prätorium ist für Köln seit Jahren ein Alleinstellungsmerkmal und reicht<br />
weit über Nordrhein-Westfalen hinaus. Das Museum ist durch Modernisierung und Ausbau zu stützen,<br />
um seine Nachhaltigkeit und seinen Mehrwert für Köln langfristig zu gewährleisten.<br />
10 Vielleicht gelingt nachfolgenden Generationen eine weitaus bessere Gestaltung als uns jetzt.<br />
Auch ein Blick in die Vergangenheit <strong>kann</strong> Perspektiven eröffnen, wie etwa der beigefügte Beitrag von<br />
Prof. Dieter Prinz und Dr. Ulrich Krings aus dem Jahr 2004 zeigt.<br />
Köln, den 27.02.2013<br />
i.A. Christine Rutenberg<br />
Sprecherin der <strong>Leitbildgruppe</strong> „Die attraktive <strong>Stadtgestaltung</strong>“ des Leitbildes Köln 2020<br />
* Der OB Stadt Köln (2003): Leitbild Köln 2020 - Das Leitbild für Kölns Weg in die Zukunft. Seite 30 2