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Themenheft KLIMAWANDEL - TU Berlin

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»GEGENWART« Nr. 2/09 – Juni 2009 1<br />

<strong>Themenheft</strong> <strong>KLIMAWANDEL</strong><br />

Michael Kalisch, Diplombiologe 2<br />

Kritisches zur Klimaforschung<br />

Propaganda und Wirklichkeit<br />

„Wolken stellen die größte Unsicherheitsquelle der Voraussagen (...) der derzeitigen Klimamodelle<br />

dar.“ 3<br />

Die Diskussion über die Ursachen des stattfindenden Klimawandels sollte von moralischen<br />

Vorwürfen abgelöst und dorthin zurückgebracht werden, wo sie allein hingehört: in die<br />

wissenschaftliche Kontroverse. An die Stelle des moralischen Vorwurfs, „die Industrienationen<br />

zerstören das Klima“, sollten zwei davon völlig unabhängige Appelle gesetzt werden:<br />

1. die Umwandlung unserer fossilen Energieversorgung in eine solare muss bewältigt werden, weil<br />

das Erdöl nur noch wenige Jahrzehnte zur Verfügung steht. 4<br />

2. Den für Umweltschäden verantwortlichen primären ökologischen ‹Sünden› sollte wieder<br />

Aufmerksamkeit geschenkt werden anstelle der vernebelnden All-Entschuldigung: „Daran ist<br />

der Klimawandel schuld“, die keinerlei fruchtbares Handeln zeitigen kann.<br />

Leider besteht ein Dilemma. Die Verknüpfung von Bush-Politik und Kioto-Verweigerung hat dazu<br />

geführt, jegliche Kritik an der These der menschengemachten globalen Erwärmung (anthropogenic<br />

global warming, AGW) mit der Verteidigung von unbegrenztem Wirtschaftswachstum und<br />

Ressourcenverschwendung gleichzusetzen. Das ist überhaupt nicht zwingend. Man könnte mit<br />

gewissem Recht entgegnen, dass die sturen AGW-Verfechter sich an einer Zerrüttung der<br />

Wissenschaft durch ausserwissenschaftliche Mächte schuldig machen – Demokratisierung der<br />

Wahrheitssuche, Politisierung wissenschaftlicher Kontroversen, Diskreditierung des für den<br />

Fortschritt der Wissenschaft fundamental notwendigen Zweifels. Kritik ist ein unabdingbares<br />

Lebenselement der Wahrheitssuche. Die Verunglimpfung der Kritiker ist angesichts einer<br />

Leitmaxime der Wissenschaftstheorie des 20. Jahrhunderts befremdlich, die lautet: Theorien<br />

können nicht bewiesen werden, also muss man sich darum bemühen, sie zu falsifizieren (Karl<br />

Popper).<br />

1 Redaktionsadresse: Burgunderstraße 132, CH-3018 Bern, Fax +41 31 991 48 23.<br />

2 Autorennotiz siehe am Schluss (S. 20).<br />

3 Motto aus: Soden, Br.J. & I.M. Held (2006): “An Assessment of Climate Feedbacks in Coupled Ocean–Atmosphere<br />

Models”, Journal of Climate 19, 3354-61.<br />

4 Ein Ende des Erdöls um die Mitte dieses Jahrhunderts ist in den Kurven der IPCC-Klimamodelle nicht erkennbar, so<br />

dass die Extrapolationen des CO 2 -Ausstoßes und der Gesellschaftsentwicklung fragwürdig sind. Vgl. Gegenwart Nr.<br />

4/2005.<br />

Michael Kalisch: <strong>Themenheft</strong> <strong>KLIMAWANDEL</strong> »Gegenwart« 2-2009 Seite 1 von 20


I. Der ‹Konsens› der Klimaforschung: schön wär's!<br />

Medien und Politiker sowie medienwirksame Politiker wie Al Gore verbreiten seit mehreren<br />

Jahren nachdrücklich eine bestimmte Lehre – unterstützt durch Einrichtungen wie das die<br />

deutsche Bundesregierung beratende Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK, St.<br />

Rahmstorf, J. Schellnhuber):<br />

1. Der Klimawandel der letzten Jahre sei allein vom Menschen erzeugt.<br />

2. Schuld daran sei der Ausstoß von treibhauswirksamen Gasen (vor allem CO 2 , aber auch CH 4 ,<br />

N 2 O, FCKW).<br />

3. Dieser Klimawandel sei einzigartig dramatisch, ohne historischen Vergleich, und die Aussichten<br />

seien eindeutig katastrophal.<br />

4. Dieser Ansicht stimme die absolute Mehrheit der Forscher zu.<br />

5. Es könne nur durch ‹drastische Maßnahmen der CO 2 -Reduzierung› entgegengewirkt werden.<br />

6. Wer dem widerspreche, sei verantwortungslos (und vermutlich durch Erdölsponsoring<br />

korrumpiert).<br />

Der Kürze halber nenne ich das die Doktrin des ‹catastrophical AGW› (cAGW). Es sei betont, dass<br />

einzelne Behauptungen teilweise nicht einmal mit dem jüngsten Gutachten des IPCC 5 von 2007<br />

übereinstimmen, obwohl diesem Gremium die Aufgabe gestellt wurde, den zwingenden Beweis<br />

für die Hauptverantwortung der CO 2 -produzierenden Industrienationen am weltweiten Schaden<br />

zu erbringen, der durch den AGW angerichtet werde. Ein Beispiel ist Al Gores Warnung vor dem<br />

bevorstehenden „Abschmelzen der Polkappen“, das zu „20 Fuß“ (ca. 6 m) Anstieg des<br />

Meeresspiegels führen werde.<br />

Wen all das nicht davon abschreckt, eigene Recherchen anzustellen, bemerkt mit wachsendem<br />

Erstaunen, dass der ‹Konsens› unter den Klimaforschern wohl eher Wunsch sein muss 6 . Selbst<br />

unter der Legion der Kritiker der cAGW-These, der ‹Skeptiker› 7 , können wir ein großes Spektrum<br />

entfalten (durch einige geläufige Namen bezeichnet) – abgesehen von jenen, die einen<br />

Klimawandel völlig abstreiten:<br />

• Pol A: radikale Kritiker am Treibhauskonzept, die aus physikalischen Gründen das Konzept<br />

Treibhaus ablehnen („physikalischer Nonsens“, vor allem das Konzept einer Rückerwärmung<br />

der Erde durch Infrarotstrahlung von Treibhausgasen, was das zweite thermodynamische<br />

Gesetz verletzt), oder fundamentale Fehler im Modell des Strahlungsgleichgewichts<br />

Erde-Atmosphäre-Sonne aufzeigen (Gerlich, Tscheuschner, Beck, Thieme u.a.)<br />

• Befürworter der dominierenden Wirksamkeit der Aktivitätsschwankungen der Sonne (die<br />

‹dänische Schule›: Svensmark, Friis-Christensen, Lassen, Thejl u.a.)<br />

• bis zu einem Gegenpol B: Bejaher des AGW, die aber die Rolle des CO 2 relativieren und deshalb<br />

auch unsere Möglichkeit abstreiten, durch CO 2 -Rationierung ‹das Klima zu retten› (Lomborg,<br />

von Storch u.a.). Dazwischen<br />

• weitere, die AGW bejahen, aber abstreiten, dass es katastrophale Aussichten habe (Michaels<br />

& Balling jr.), darunter solche, die auf die Klimageschichte verweisen, um zu zeigen, dass unser<br />

Klimawandel weder einzigartig noch außergewöhnlich sei (Reichholf, Blümel u.a.).<br />

• Oder solche, die neben der Sonnenaktivität den Treibhausgasen eine wenn auch<br />

5 Das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) wurde 1988 von der Umweltorganisation der UNO<br />

zusammen mit der World Meteorological Organisation (WMO) als beratender zwischenstaatlicher Ausschuss<br />

gegründet.<br />

6 Er besteht nicht einmal unter den Forschern, denen die Gnade zuteil wurde, in den IPCC-Prozess einbezogen zu<br />

werden.<br />

7 Die Benennung ‹Leugner› ist Verunglimpfung, zumal sie auch noch bewusst eine Parallele zieht zu Leugnern des<br />

Holocaust. Manche fordern sogar ‹Nürnberg-artige› Tribunale zur Aburteilung von Leugnern = Skeptikern (David<br />

Roberts, Grist).<br />

Michael Kalisch: <strong>Themenheft</strong> <strong>KLIMAWANDEL</strong> »Gegenwart« 2-2009 Seite 2 von 20


untergeordnete klimaverändernde Kraft zugestehen (H.Hug, J.Veizer, A.Mangini u.a.).<br />

• Weitere, die den Treibhausgasen neben der Sonne vor allem für den letzten<br />

Erwärmungsabschnitt seit Mitte der 1980er Jahre eine entscheidende Rolle zuschreiben<br />

(Lockwood & Fröhlich),<br />

• aber auch solche, die dem CO 2 keine Wirkung zuschreiben, der Sonne allein aber auch nicht die<br />

Hauptrolle geben (Robinson u.a.) – so dass noch andere Faktoren eine Rolle spielen müssten.<br />

Zu denken wäre an die veränderte Landnutzung durch über 6 Milliarden Erdenmenschen (der<br />

wesentliche Zuwachs begann in den 1950er Jahren).<br />

Jede dieser Positionen kann Statistiken und Kurven vorlegen, die überzeugend interpretiert<br />

werden – aber fast immer bleiben offene Fragen oder Widersprüche. Zum Beispiel kann eine<br />

Temperaturkurve unbereinigte Fehlerquellen enthalten (wenn wir vom ärgsten Realfall absehen,<br />

dass Statistik gefälscht oder aus unerkennbaren Beweggründen im Sinne eines wünschenswerten<br />

Trends verändert wurde). 8 Oder es hat sich ein Denkfehler eingeschlichen. 9 Angesichts dieser Lage<br />

ist es weder Schaden abwendend noch wissenschaftlich redlich, die Menschheit mit einem<br />

ständigen Sperrfeuer von Horrormeldungen und sich übertreffenden apokalyptischen ‹Prognosen›<br />

zu bestreichen, mit der unmissverständlichen Botschaft: Ihr seid schuld, und es wird immer<br />

schlimmer, wenn nicht…<br />

II. Freischwebende Behauptungen und Sachverhalte<br />

Überprüft man diesen Alarmismus, verliert er wesentlich an Substanz. Einige besonders markige<br />

Behauptungen der Medien(-Wirksamen) sollen mit Ergebnissen der Forschung verglichen werden.<br />

„Die Zahl und Stärke der Hurrikans wird zunehmen!“<br />

War Katrina, teuer genug, nur eine Ouvertüre? Der Vereinfachungsteufel vergewaltigt die<br />

Wirklichkeit, aber er ist weniger gefürchtet als der, der im Detail steckt. Alle Klimamodelle legen<br />

nahe, dass mit der globalen Erwärmung die Scherwinde zunehmen; diese Winde wirken der<br />

Bildung eines Hurrikans entgegen, sie stören sozusagen seinen ruhigen Aufbau. Seit 1993 gab es<br />

einige hochaktive Hurrikansaisons in Mittel- und Nordamerika, aber im selben Zeitraum hat die<br />

Stärke der Scherwinde sehr abgenommen. Daraus muss man folgern, dass diese Zunahme der<br />

Hurrikanbildung nicht mit der AGW zusammenhängen kann, sondern nur mit einem<br />

systeminternen Eigenrhythmus. 10 Im 20. Jahrhundert gab es – nach Bereinigung systematischer<br />

Fehler, zum Beispiel, dass die Beobachtungsdichte zugenommen hat – keinen übergeordneten<br />

Trend einer Zunahme von Hurrikans im tropischen Atlantik. Richtig scheint aber: Die Stärke der<br />

8 Beispiele: die als Hockeystick-Kurve bekanntgewordene Klimakurve der letzten 1000 Jahre, die das Ausmaß der<br />

Hochmittelalterlichen Warmzeit herunterspielte, dafür aber die Erwärmung im 20. Jh. als ‹Explosion› figurierte<br />

(Arbeitsgruppe Michael Mann; die Kurve ist im letzten IPCC-Bericht nicht mehr enthalten!), oder seltsame<br />

Veränderungen einer Klimakurve des 20. Jhs. durch die NASA, die ursprünglich die außerordentliche Wärme der<br />

30er Jahre in den USA zeigt (1934 war wärmer als 1998), was so bereinigt (?) wurde, dass wieder der klare<br />

Aufwärtstrend zum Jahrhundertende erkennbar ist.<br />

9 Die Skeptiker gegenüber der Sonnenwirksamkeit (!) argumentieren z.B., die Temperatur sei seit den 1980er Jahren bis<br />

heute stetig gestiegen (was nach dem Rückblick auf die Jahre seit 1998 auch nicht mehr stimmt), während die<br />

Sonnenaktivität parallel nicht zugenommen habe. Der Denkfehler: wenn ich einen Topf Wasser auf eine Herdplatte<br />

mit konstant hoher Einstellung setze, wird das Wasser bis zum Kochen erhitzt. Es kommt darauf an, dass das Niveau<br />

der Sonnenaktivität in dieser Epoche bereits außergewöhnlich hoch lag – was bestätigt wird.<br />

10 Chr. Landsea: Gastkommentar unter www.groups.yahoo.com/gropu/ClimateArchive/, 18.4.2007. Landsea: „Counting<br />

atlantic tropical cyclones back to 1900“, EOS 88, 1.5.07. Wichtig auch: Emanuel, K. (Jan. 2006): “Anthropogenic<br />

Effects on Tropical Cyclone Activity”, http://wind.mit.edu/~emanuel/anthro2.htm.<br />

Michael Kalisch: <strong>Themenheft</strong> <strong>KLIMAWANDEL</strong> »Gegenwart« 2-2009 Seite 3 von 20


atlantischen Hurrikans nimmt in Zusammenhang mit wachsender Oberflächentemperatur des<br />

Meeres (um 0,5° C seit 50 Jahren) im Spätsommer zu. 11 Zahl und Stärke aber sind nicht koppelt.<br />

Und vieles ist noch nicht ausreichend verstanden… Die obige Behauptung ist unzulässig.<br />

„Aber nun schmelzen doch die Polkappen ab!“<br />

A. Das schmelzende Arktiseis erhöht den Meeresspiegel nicht (schwimmendes Meereis). Anders<br />

Grönland: hier verleiten die jüngsten Beobachtungen zu alarmierenden Meldungen. So wurden<br />

mit Satelliten (GRACE) Massenverluste von ~180 Gigatonnen pro Jahr gemessen, was die<br />

Meeresspiegel um ~0,5 mm jährlich hebt: 5 cm in 100 Jahren. Aber oberhalb von 2000 m ist die<br />

Eismasse stabil und wächst leicht. Angesichts der Eisgesamtmasse der Insel würde das vollständige<br />

Abschmelzen über 10 000 Jahre dauern. – Das eigentliche Problem besteht in der Kurzfristigkeit<br />

der Beobachtungen. Aus einem aktuellen Vorgang mit offensichtlich hoher Variabilität 12 können<br />

keine gültigen Jahrhundertprognosen abgeleitet werden. Und es wurde sogar die Auffassung<br />

formuliert, dass die derzeitigen ‹katastrophalen› Verhältnisse der sich erwärmenden Arktis auf<br />

natürliche Klimarhythmen zurückzuführen seien 13 – politisch hochgradig unkorrekt.<br />

B. Auch am Südpol werden starke Schmelzprozesse beobachtet, nämlich an der Westantarktischen<br />

Halbinsel: ~150 km 3 jährlich, eine gewaltige Masse! Wenn aber das Festlandeis der Antarktis 30<br />

Millionen km 3 umfasst 14 , dann dauert sein gesamtes Abschmelzen etwa 200 000 Jahre – rein linear<br />

extrapoliert, was aufgrund der Geografie völlig abwegig ist. Außerdem bleibt unerwähnt, dass das<br />

zirkumantarktische Meereis sich Jahr um Jahr ausdehnt – eine Gegenbewegung zur Arktis, was auf<br />

eine Polarität der Polkappen im wahrsten Sinne hinweisen dürfte. 15 Im Innern des riesigen<br />

Eiskontinents scheinen die Niederschläge zugenommen zu haben, es könnte dort sogar ein<br />

Abkühlungstrend bestehen. Weitere Unsicherheiten…<br />

„Die gegenwärtige Erwärmung bedroht die Korallenriffe und die Eisbären!“<br />

Es war nur während 5% der Erdgeschichte so kalt, dass beide Pole Eiskappen trugen wie heute.<br />

Wärmere Epochen überwogen! Deswegen kann man sagen: Wir leben in einer Zwischeneiszeit.<br />

Ausgerechnet die Korallenorganismen erlebten ihre Blütezeit während wesentlich wärmerer<br />

Erdepochen. Aber die Eisbären, werden sie nicht verhungern müssen, weil sie keine Robben mehr<br />

jagen können? Seit Ende der Eiszeiten haben sie mehrere Klimaoptima überlebt: das<br />

hochmittelalterliche, das die Wikinger nach Grönland führte (dort wuchsen Bäume, deren Reste<br />

heute unter Gletschern wieder hervorkommen), das römische und das große vor 3 - 4000 Jahren!<br />

Wenn die Eisbären gefährdet sind, dann durch Akkumulation von Giften in der Nahrungskette.<br />

Trotzdem wuchs ihre Gesamtpopulation in den letzten Jahren auf 25 000 Exemplare.<br />

Die Relevanz einer Klimaerwärmung um 1° C<br />

Wir reden ständig von abstrakten Durchschnittstemperaturen. Aber für Lebewesen sind die realen<br />

Tiefst- und Höchstwerte während eines Tages und im Jahreslauf entscheidend. Deren natürliche<br />

Spanne ist in vielen Fällen enorm, in Oregon z.B. beträgt sie 50°. Sie kann aber auch 100°<br />

umfassen.<br />

11 Elsner, J.B. et al.: “The increasing intensity of the strongest tropical cyclones”, Nature 455, 92-95 (4.9.2008).<br />

12 Vgl. R.S.W. van de Wal et al. in Science 321, S. 111-13, 4.7.2008.<br />

13 Igor F. Poljakov unter http://www.frontier.iarc.uaf.edu/~igor/research/pdf/50yr_web.pdf<br />

14 GEO Themenlexikon Bd. I, Unsere Erde, S. 26. Keine Angabe, ob mit oder ohne Schelfeis gerechnet.<br />

15 Vgl. Calder, N. & H.Svensmark (2007): “The chilling Stars. A new Theory of Climate Change”, S. 84ff.<br />

Michael Kalisch: <strong>Themenheft</strong> <strong>KLIMAWANDEL</strong> »Gegenwart« 2-2009 Seite 4 von 20


„Der bedrohliche Anstieg der Meeresspiegel!“<br />

Das Al-Gorakel von „20 Fuß“ bis 2100 wird vom IPCC auf 18 - 59 cm minimiert, doch Focus weiß es<br />

besser: „Klimawandel stärker als gedacht“, 1 Meter Meeresspiegelzuwachs und über 2°<br />

Temperaturanstieg bis 2100! 16 Aber was geht tatsächlich vor sich? Welchen Beitrag Grönland und<br />

Antarktis wirklich liefern, können wir extrapolieren (2 x ca. 0,5mm/Jahr → 10 cm in 100 Jahren + in<br />

etwa derselbe Betrag durch Wärmeausdehnung des Meerwassers). Nun beachte man: die<br />

Temperaturen sind seit 1998 nicht gestiegen. Neue Modellrechnungen haben für das kommende<br />

Jahrzehnt eine weitere Temperaturstagnation vorhergesagt – weil man inzwischen klimainhärente<br />

Rhythmen besser einbeziehen kann, in diesem Falle den 70 – 80jährigen Zyklus der meridionalen<br />

thermohalinen Zirkulation (MOC) im Nordatlantik. 17 Auch der Rückblick ist heilsam: der Anstieg<br />

der Meeresspiegel begann gegen Ende der Kleinen Eiszeit um 1850 und besteht seitdem mit<br />

einem gleichbleibenden 100jährigen Trend von 18 cm. 18 Auch die Gletscherschmelze setzte so früh<br />

ein, lange bevor das zivilisatorische CO 2 wirksam werden konnte: um 1825. Es könnte sein, dass<br />

wir tatsächlich am Beginn einer Abkühlungsperiode stehen. Die Aktivität der Sonne verweilt auf<br />

sehr niedrigem Niveau. Wie würde es dann weitergehen mit der Temperaturentwicklung?<br />

„Die Versauerung der Ozeane hat ein bedrohliches Ausmaß erreicht!“<br />

Häufig wird behauptet, dass durch die Versauerung der Ozeane das kalkschalenbildende Plankton<br />

gefährdet sei. Die Säure würde die Schalen auflösen oder ihre Bildung verhindern. Und wenn das<br />

Plankton zurückgeht, dann natürlich auch die Fische! Jeder weiß: Zitronensäure löst Kalk im<br />

Kochtopf! Die Öffentlichkeit wird mit einer einfachen Suggestion geschockt. Gebrauchen wir etwas<br />

gesunden Menschenverstand. Versuche haben gezeigt, dass Meeresorganismen ganz<br />

unterschiedlich auf pH-Verringerung reagieren: die Kalkschalenbildung kann verringert werden, sie<br />

kann unbeeinflusst bleiben, oder sie kann zunehmen – und das sogar innerhalb derselben Art. 19<br />

Und wie sauer denn nun? Der pH des offenen Ozeans liegt bei 7,9 - 8,3, also gut im Alkalischen.<br />

Das IPCC schrieb 2007 von einer pH-Abnahme um 0,1 seit 1750, wobei die Auswirkungen auf die<br />

marine Biosphäre „bis jetzt nicht dokumentiert“ seien (Summary for Policymakers). Die Presse<br />

verkündet: bedrohliche Versauerung – ohne Zahlenangaben! Dazu einige Größen – geschätzte<br />

Kohlenstoffmengen in den geochemischen Kreisläufen. Das Oberflächenwasser des Ozeans enthält<br />

1000 Gigatonnen (Gt) Kohlenstoff, der mittlere und tiefe Ozean 38 000 Gt. Der Mensch gibt derzeit<br />

jährlich ~8 Gt in die Atmosphäre ab, die selbst 780 Gt enthält; Vegetation, Böden und organischer<br />

Abfall umfassen 2000 Gt. Meer und Atmosphäre tauschen jährlich ~90 Gt aus. 20 Um den pH um ein<br />

Grad abzusenken, muss sich die Menge an Säureanionen verzehnfachen. Das Oberflächenwasser<br />

müsste daher 9000 Gt Kohlenstoff zusätzlich anreichern und in Säure umsetzen – dann erst wäre<br />

der Ozean ‹sauer› (6,9). Man setze das in Relation zu den jährlich ausgestoßenen 8 Gt. CO 2 wird in<br />

Wasser aber nicht eins zu eins zu Kohlensäure, sondern nur ein geringer Prozentsatz, abhängig von<br />

Druck und Temperatur.<br />

16 Focus online-Version 9.10.2008, zitiert werden J. Schellnhuber (PIK), der Hamburger Meteorologe Jochem<br />

Marotzke.<br />

17 Keenlyside, N.S., “Advancing decadal-scale climate prediction in the North Atlantic sector”, Nature 453, 84-88<br />

(1.5.2008). Die MOC (Meridional Overturning Circulation) bezeichnet die Ozeanzirkulation zwischen Äquatorialund<br />

Polarregion (hier Nordatlantik) zusammen mit dem Wärmetransport. Ein wichtiges Glied derselben ist der<br />

bekannte Golfstrom.<br />

18 Zum behaupteten Untergang von Südseeinseln siehe N.-A. Mörner, „Claim that sea level is risig is a total fraud“,<br />

Economics, 22.7.2007.<br />

19 Fabry, V.J.: „Marine Calcifiers in a High-CO2 Ocean“, Science 320, 23.5.2008, 1020-22.<br />

20 Robinson & Soon (2007), “Environmental Effects of Increased Atmospheric Carbon Dioxide”, J. Amer. Physicians<br />

and Surgeons (2007) 12, 79-90.<br />

Michael Kalisch: <strong>Themenheft</strong> <strong>KLIMAWANDEL</strong> »Gegenwart« 2-2009 Seite 5 von 20


„Dürren sowie Überschwemmungen werden dramatisch zunehmen!“<br />

'Wenn die Klimamaschine durch CO 2 hochdreht, müssen die Extreme zunehmen!' Das ist eine<br />

Suggestion. Was fand man aber heraus? Eine Analyse von echten Dürreperioden 21 zeigte folgende<br />

Verteilung von insgesamt dreissig identifizierten Fällen: 1901 - 20: 7 / 1921 - 40: 7 / 1941 - 60: 8 /<br />

1961 - 80: 5 / 1981 - 2000: 3. 22 Die letzten beiden Jahrzehnte werden gemeinhin dem<br />

anthropogenen Treibhauseffekt zugeschrieben. In dieser Epoche gab es die geringste Zahl von<br />

Dürren. Die höchste hingegen in den Jahrzehnten extrem hoher Sonnenaktivität bis Ende der<br />

1950er Jahre – also warum nicht ein ‹Kioto› gegen Sonnenaktivität?<br />

„Der Klimawandel wird Millionen von Asiaten um das sommerliche Trinkwasser bringen!“<br />

Dies, weil die Gletscher im Himalaya verschwinden. Zu bedenken ist, dass diese Menschen ihr<br />

Wasser gerade dem seit 150 Jahren stattfindenden Klimawandel verdanken – der nämlich ließ die<br />

Gletscher sich aus den Tälern zurückziehen und spendete so jeden Sommer zusätzliche Mengen<br />

von Schmelzwasser. Gletscher wie der Gangotri (Quelle des Ganges) werden nicht unbedingt in<br />

nächster Zeit abschmelzen. Er ist 30 km lang und reicht – bei einem sehr geringen Gefälle – bis in<br />

7000 m Höhe. Er verlor seit 1780 fünf km seiner Länge; in jüngster Zeit jährlich etwa 19 - 25 Meter.<br />

III. Der Klima-Killer CO2 – eine Theorie auf tönernen Füßen<br />

Es gibt einiges, was die Doktrin vom anthropogenen CO 2 , das über die Treibhauseffekterhöhung<br />

eine Klimakatastrophe herbeizuführen im Gange sei, in Frage stellt. 23 Die Proportionen zwischen<br />

dem zivilisatorischen Kohlenstoffeintrag in die Atmosphäre und den globalen natürlichen<br />

Kohlenstoffflüssen wurden skizziert – nachzutragen ist unsere Unsicherheit über die Flussgrößen,<br />

so dass der marginale menschliche Beitrag in der Schwankungsbreite anderer Flüsse liegt; deshalb<br />

scheint auch die Quelle des atmosphärischen CO 2 -Anstiegs nicht völlig gesichert. 24 Historisch ist zu<br />

berichten, dass es Zeiten mit möglicherweise zwanzigfach höherem Atmosphärengehalt gab, aber<br />

auch solche mit nur 200 ppm. Wo ist dieser Kohlenstoff geblieben? Betrachten wir z.B. die Kalkund<br />

Dolomitgebirge der Erde: sie bestehen aus kohlensaurem Calcium und Magnesium, der z.B.<br />

aus den Kalkschalen von Meeresorganismen stammt.<br />

Eine Kritik setzt historisch an, indem sie nachweist, dass der sog. ‹vorindustrielle› Referenzwert<br />

des CO 2 -Gehalts, auf den sich alle Berechnungen beziehen (280 ppm), aufgrund von<br />

systematischen Fehlern bei der Eisbohrkernauswertung zu niedrig sei. 25 Damit würde die Schwelle,<br />

wann eine Verdoppelung erreicht ist, höher rücken.<br />

Dann gibt es Kritik an dem Atmosphärenmodell der Treibhaustheorie und an seinen populären<br />

Erklärungen. Häufig wird gesagt, CO 2 absorbiere die terrestrische Infrarotstrahlung und halte sie in<br />

sich fest, weshalb es wärmer werde. Falsch; auf Absorption erfolgt sofortige Emission. 26 Man muss<br />

21 Plötzliche Niederschlagsabnahme mit 99%iger statistischer Signifikanz, die mindestens 10 Jahre andauerte und<br />

mindestens 10% niedriger lag als der 100jährige klimatische Durchschnitt der Region.<br />

22 Narisma, G.T. et al. 2007. “Abrupt changes in rainfall during the twentieth century.” Geophysical Research Letters<br />

34: 10.1029/2006GL028628.<br />

23 Einen großen Überblick gibt E.G. Beck auf http://www.biokurs.de/treibhaus/.<br />

24 Literatur 58 und 59 in Robinson & Soon a.a.O.<br />

25 Jaworowski, Z., “Climate Change: Incorrect information on pre-industrial CO 2 ”, Statement written for the US Senate<br />

Committee on Commerce, Science, and Transportation, März 2004, http://www.john-daly.com/zjiceco2.htm.<br />

26 [Nachträgliche Ergänzung:] Ein Kritiker wandte ein, diese Formulierung sei irrelevant; er hob hervor, dass<br />

Infrarotstrahlung Teilchen in Gasen in Bewegung zu versetzen vermag, und wir Teilchenbewegung als Wärme<br />

erleben. Mit zunehmender Teilchenbewegung steige die Temperatur eines Stoffes. Wasser und CO 2 absorbieren<br />

Michael Kalisch: <strong>Themenheft</strong> <strong>KLIMAWANDEL</strong> »Gegenwart« 2-2009 Seite 6 von 20


schon die hypothetischen Verstärkungsprozesse einführen, um aus diesem vorbeihuschenden<br />

Vorgang von Absorption/Reemission eine kaskadenartig wirksame nachhaltige Erwärmung zu<br />

konstruieren – da kommt dann der Wasserdampf ins Spiel, das wesentlich wichtigere Infrarotabsorbierende<br />

Gas. Leider ist er zugleich der wichtigste, eifrigste und quecksilbrigste Transporteur<br />

von Energie zwischen erwärmter Erde und kaltem All: durch ständige Verdampfung, Konvektion<br />

und Wolkenkondensation. Von einem ‹Treibhaus› ist nirgendwo etwas zu entdecken.<br />

Trotzdem wird gerne behauptet, CO 2 wirke in der Atmosphäre wie eine reflektierende Glasscheibe,<br />

die die Infrarot-Strahlung zum Erdboden zurückschicke, der dadurch zusätzlich erwärmt würde.<br />

Das ist physikalischer Unsinn, da die Atmosphäre niemals die Erde rückerwärmen kann, solange<br />

jene normal aufgebaut ist, d.h. von unten nach oben kälter wird. Die einzige Möglichkeit bestünde<br />

darin, dass der Wärmerückfluss von der Erde ins All etwas gebremst wird. Das tritt zum Beispiel<br />

ein, wenn nachts eine dichte Wolkendecke besteht – das wäre mit einem Glashauseffekt<br />

vergleichbar.<br />

Reflektieren können nur Grenzflächen, niemals aber diffundierte Gase in Gasen. An dem Modell<br />

fällt dann auch auf, dass dieser natürliche Temperaturgradient der Atmosphäre durch den<br />

Treibhauseffekt erklärt wird, anstatt durch ein physikalisches Gesetz, das jeder Schüler lernt: die<br />

Proportionalität zwischen Druck und Temperatur. Wenn ich auf einen Berg steige, wird die<br />

Atmosphäre kälter, indem ihre Dichte abnimmt; der Druck, den sie durch ihr eigenes Gewicht in<br />

sich entwickelt, ist proportional zur Temperatur. Diese sog. adiabatische Erwärmung taucht im<br />

Treibhausmodell nicht auf! 27<br />

Diese und weitere Kritikpunkte wurden in der konzisen Arbeit der Physiker Gerlich und<br />

Tscheuschner gebündelt. 28 Sie betonen, dass für den Energietransport in der Atmosphäre<br />

Strahlungsvorgänge – das Lieblingskind der Modellierer – eine ganz untergeordnete Rolle spielen<br />

gegenüber Wärmeleitung, Reibung, Verdunstung, Konvektion und Kondensation. Vermutlich<br />

handelt es sich hier um einen Konflikt zwischen Wärmelehre und Strahlungslehre – und zwischen<br />

empirischer und Modellwissenschaft. Außerdem formulieren sie eine Kritik an den<br />

mathematischen Formeln der Klimamodelle. Das lässt auch in demjenigen, der diese Mathematik<br />

nicht nachvollziehen kann, die böse Ahnung aufkeimen, dass hinter der Oberfläche der<br />

Professionalität und einschüchternder 'Computerintelligenz' mit atemberaubender<br />

Rechengeschwindigkeit banale Denkfehler und Mängel stecken können, die die so freigebig<br />

gewährte Autorität der Computeraussagen unterhöhlen können.<br />

Hier bestehen auch wissenschaftliche und zugleich technische Probleme, die nicht unterschätzt<br />

werden dürfen. Die Wolken sind ein Kernelement aller meteorologischen Vorgänge: Ausdruck der<br />

Transportvorgänge von Wärmeenergie, Wasser und Luft in der Atmosphäre. Sie haben variable<br />

Eigenschaften wie eine Albedo 29 , die von der Höhe und Zustandsform abhängt (hochliegende<br />

Infrarotstrahlung besonders gut und lassen sich leicht in Bewegung versetzen. Wir kennen dieses Phänomen auch<br />

aus dem Alltag: Im Mikrowellenherd versetze Strahlung Wasserteilchen in Bewegung.- In der Tat blieb unerwähnt,<br />

dass die absorbierte Infrarotstrahlung durch die Schwingungsanregung zu einem Teil thermalisiert wird. Das kann<br />

aber in einem Gas gemäß den Gasgesetzen nicht zu einer bleibenden Erwärmung führen: Erwärmung erzeugt Druck,<br />

dieser wird sofort durch eine Volumenzunahme kompensiert. Das gilt nicht in gleichem Maße für Flüssigkeiten im<br />

Mikrowellenherd; diesen Unterschied zwischen Gas und Wasser hat auch der Kritiker übersehen.- Der Vollständigkeit<br />

halber muss man ergänzen, dass in der unteren Atmosphäre wegen der geringen freien Weglänge für die CO 2 –<br />

Moleküle es eher zu Stößen und dabei zur Impulsweitergabe kommt als zur Abstrahlung (diese Bewegungen der<br />

Gasteilchen aber entspricht, wie gesagt, dem Phänomen ‹Wärme›). So wird praktisch die gesamte absorbierte<br />

Strahlungsenergie thermalisiert.<br />

27 Thieme, H.: „Treibhauseffekt im Widerspruch zur Thermodynamik und zu Emissionseigenschaften von Gasen“,<br />

http://freenet-homepage.de/klima/index.htm (30.5.2008).<br />

28 Gerlich, G. & R.D.Tscheuschner (9.9.2007): „Falsification Of The Atmospheric CO 2 Greenhouse Effects Within The<br />

Frame Of Physics“. arXiv:0707.1161.- Siehe auch zusammenfassende Kritik der Computermodelle in W. Soon & S.<br />

Baliunas (2003): „Global warming“. Progress in Physical Geography 27(3), 448-55.<br />

29 Albedo = ‹Weiße› ≈ die von einem Körper reflektierte kurzwellige Strahlung im Verhältnis zur einfallenden.<br />

Michael Kalisch: <strong>Themenheft</strong> <strong>KLIMAWANDEL</strong> »Gegenwart« 2-2009 Seite 7 von 20


Zirren wirken wie Wärmedecken, während tiefstehende Wasserwolken durch hohe Albedo ihrer<br />

weißen Oberflächen kühlend wirken). Als Körper sind die Wolken für die groben Datengitter der<br />

General Circulation Models (GCMs) zu klein, sie flutschen wie Heringe durch ein Netz, mit dem<br />

Tunfische gefangen werden. Außerdem sind die Datenpunkte beileibe nicht mit gleichförmiger<br />

Dichte über die Erde verteilt – auf der Südhalbkugel sieht es sehr dünn aus! Wolken sind damit der<br />

größte Stör- und Unsicherheitsfaktor der Klimamodellierung – und somit der Zukunftsprognostik,<br />

die auf diesen Modellen aufbaut. Quecksilber – das Bild ist nicht ganz ohne tiefere Bedeutung: ist<br />

es doch ein erdumfassender Merkurprozess der Vermittlung zwischen Erde und Kosmos, Schwere<br />

und Leichte, der zugleich chaotisch (Tageswetter) und gestaltet (große Strömungsgürtel,<br />

rhythmisch sich bildende Druckgebiete, ‹Selbstorganisation›) verläuft. Dieses merkurielle<br />

Geschehen wird in den Wolken sichtbar. Demgegenüber erscheinen die anmaßenden<br />

Computermodelle wie Hochhäuser in Treibsand…<br />

Die Albedo hat überhaupt einen wesentlichen Einfluss auf den Wärmehaushalt der Erde. Schon ein<br />

Abfall um 0,01 (1 = völlige Rückstrahlung) hätte denselben erwärmenden Effekt wie ein Forcing<br />

von zusätzlichen 3,4 W/m 2 , was der befürchteten Verdoppelung des CO 2 -Anteils entspräche. Das<br />

Satellitenprojekt CERES hat nun für den Zeitraum 2000 - 04 einen Albedo-Abfall von 0,0027<br />

attestiert – wie der zustandekam, kann bisher keiner sagen. Seine Wirkung muss jedenfalls eine<br />

erwärmende sein.<br />

Bisher unberücksichtigt blieb auch, dass die Höhe des Grundwasserspiegels im Boden einen<br />

entscheidenden Einfluss darauf hat, ob eine Landschaft eine atmosphärische Erwärmung<br />

abpuffern kann oder nicht.<br />

Die General Circulation Models haben weitere Mängel: sie können die Hypothese des CO 2 -<br />

Treibhauses nur per Indizienbeweis stützen. Dabei ist die Hilfshypothese unabdingbar, dass<br />

bestimmte Verstärkungs- und Rückkoppelungsmechanismen aus einem kleinen Anfang<br />

zusätzlicher Treibhauswirkung eine sich selbst in Gang haltende Erwärmung produzieren – häufig<br />

wird sogar eine galoppierende, inflationäre Erwärmung mit einer Schwelle angenommen, nach<br />

deren Überschreiten es keine Rückkehr gibt. Apokalyptisch! Hier tauchen aber zwei neue<br />

Probleme auf.<br />

1. In der Erdgeschichte gab es Zeiten hoher und niedriger CO 2 -Werte in einem gewissen<br />

Zusammenhang mit Wärme- und Kälteperioden. Die genaue Analyse zeigt, dass die<br />

Erwärmungen immer dem CO 2 -Anstieg vorausliefen. Die Erdgeschichte tritt damit als<br />

Kronzeugin für einen Ursachenzusammenhang auf: Erwärmung → CO 2 . Das CO 2 folgte brav wie<br />

ein Maultier (mit bis zu 800 Jahren Verzögerung) den Wärmeperioden. 30<br />

2. Nach diesen Wärmeperioden kamen aber regelmäßig wieder Abkühlungen, ohne Klimapolitik,<br />

ohne CO 2 -Verschluss in leeren Erdkavernen oder Benzinrationierung. Warum kam es durch die<br />

CO 2 -Erhöhung und die dadurch ausgelösten Rückkoppelungsmechanismen zu keiner Eskalation<br />

der Erwärmung, zu keiner Klimakatastrophe?<br />

Da die Betreiber der führenden Klimamodelle ihrerseits vehemente ‹Sonnenskeptiker› sind,<br />

bemühen sie sich nicht, Indizien zu finden für die Klimawirkung der Sonnenaktivität, bei der<br />

ebenfalls vermittelnde Prozesse zu berücksichtigen wären, die letztlich den Bedeckungsgrad<br />

albedostarker Wolkenschichten modifizieren, wie das in der Empirie und Theorie der<br />

Sonnenaktivitätsverfechter beschrieben ist. 31 Nein, die Modellierer rechnen nur die Schwankung<br />

der Strahlungsintensität der Sonne (TSI) ein – um dann zu folgern, dass sie als Klimatreiber zu<br />

gering sei! – Was dessen ungeachtet für den potenten Einfluss der Sonne auf die Erwärmung der<br />

letzten Jahrzehnte spricht, sind zeitgleiche Erwärmungsvorgänge auf anderen Planeten (Neptun,<br />

30 Petit et. al. (1999): "Climate and atmospheric history of the past 420 000 years from the Vostok ice core, Antarctica."<br />

Nature 399, 429-36, und viele weitere Arbeiten.<br />

31 Siehe stellvertretend Calder & Svensmark a.a.O. für zahllose Arbeiten, die hier nicht aufgeführt werden können.<br />

Michael Kalisch: <strong>Themenheft</strong> <strong>KLIMAWANDEL</strong> »Gegenwart« 2-2009 Seite 8 von 20


Mars u.a.). 32<br />

IV. Soziologische und politische Wurzeln eines Alleingültigkeitsanspruchs<br />

Mittels moralischer Verstärkungsprozesse ist es zum politischen Agendapunkt Nummer 1<br />

geworden, von vielen Grünen und Umweltverbänden unterstützt: Um die zahllosen Probleme<br />

überall auf der Welt zu lösen, müssen wir den Klimawandel aufhalten. Aber ist das schon<br />

Ökologie? Und ist es machbar?<br />

Wenn eine Theorie mit aller Kraft und mit geringen Argumenten zementiert wird, und zwar von<br />

übernationalem Plafond aus, muss das Gründe haben.<br />

1. Weil es ein ganzes Geflecht zu sein scheint, steht vermutlich keine geschlossene<br />

‹Verschwörung› dahinter, obwohl einer der Uranfänge der Klimapolitik der letzten 2 Jahrzehnte<br />

in dem Wunsch der Thatcher-Regierung wurzelte, die Kernenergie nach Tschernobyl zu<br />

rehabilitieren und die Kohleindustrie mit ihrer aktiven Gewerkschaft kleinzuhalten. Wenn<br />

kürzlich der ehemalige Vorsitzende von Greenpeace-England, Stephen Tindale, eine Art<br />

„religiöse Bekehrung“ eingestand, die auch andere Environmentalisten ergriffen habe: dass nur<br />

die Kernenergie die Chance biete, das cAGW aufzuhalten, 33 ist damit die Katze aus dem Sack.<br />

Aber in diesem rumort noch anderes Getier.<br />

2. Politisch ersehnte Wirkungen rücken in Reichweite: der moralische Druck erweicht den<br />

Widerstand gegen neue Steuern und bringt das Gewissen der Industriestaaten in eine<br />

Schieflage gegenüber den Entwicklungsländern, was die Bereitschaft zu hohen Finanzhilfen im<br />

Sinne der Klimagerechtigkeit ermöglicht. Außerdem ist die Klimapolitik ein wunderbares<br />

Werkzeug, was Jacques Chirac 2000 in ganz unverblümter Weise formulierte: Kioto<br />

repräsentiere "die erste Komponente einer beglaubigten Weltregierung".<br />

3. Wer als Wissenschaftler das cAGW bejaht, dem sind Forschungsmilliarden und der Zugang zu<br />

den Publikationsorganen gesichert. Was allein so ein Klimarechner kostet, wie er etwa im PIK in<br />

Betrieb ist! Dieses Geld kommt unter anderem von der deutschen Bundesregierung (auch die<br />

klimapolitisch sehr agilen Rückversicherer sollen das Institut fördern). Offen ist aber auch der<br />

Weg in die großen Medien, in denen man dann ‹gehört› wird. Nun, Ehrgeiz ist menschlich. Also<br />

wird eingestimmt, teilweise himmelschreiend plakativ! Von daher stammen Pressemitteilungen<br />

wie „Abtauen Grönlands hat ein bedrohliches Ausmaß angenommen“. Der Glaube, das ‹Peer-<br />

Reviewing› bei Fachzeitschriften (die Begutachtung einer eingereichten Arbeit durch von der<br />

Redaktion herangezogene Fachleute) gewähre objektive Wissenschaft, weil die Reviewer<br />

unparteiisch seien, ist zu belächeln. Sie sorgen eher dafür, dass Außenseitern und<br />

antidoktrinären Einwürfen die Publikation verwehrt wird. So formt sich Faktor 4:<br />

4. Gruppenzwang der Meinungsbildung in der Wissenschaft – kein Novum an sich! Es ist schwer,<br />

gegen den Strom zu schwimmen, vor allem bei beruflich negativen Auswirkungen und wenn<br />

man sogar öffentlich verbal bedroht wird, wie das der Fall ist. Die Toleranz ist am Ende, weil die<br />

UN ja erklärte, die Diskussion sei zu Ende: ‹Skeptiker› gehören daher international abgeurteilt!<br />

Wissenschaft – Geistesleben – wird durch demokratische Abläufe und Verhaltensregeln<br />

deformiert. Der IPCC-Prozess der Begutachtung ist das beste Beispiel hierfür. Hier wird über<br />

Wahrscheinlichkeiten von Aussagen abgestimmt. Leider ignoriert das die Öffentlichkeit, wenn<br />

sie aus einem „zu 60% wahrscheinlich“ ein „es wird!“ macht, und wenn sie alle Stellen, wo für<br />

32 Hammel, H.B. & G.W. Lockwood, “Suggestive correlations between the brightness of Neptune, solar variability, and<br />

Earth's temperature.” Geophysical Research Letters 34, 19.4.2007.<br />

33 The Independent, 23.2.2009.<br />

Michael Kalisch: <strong>Themenheft</strong> <strong>KLIMAWANDEL</strong> »Gegenwart« 2-2009 Seite 9 von 20


zentrale Fragen ein unzulänglicher Erkenntnisstand eingeräumt wurde, überliest. 34 Durch<br />

‹Demokratie› wird der Mut zu individueller Evidenzfindung und zu kritischem Abstand von<br />

‹anerkannten Auffassungen› erstickt.<br />

5. Leider scheint das hochspezialisierte Expertentum diese geistige Herdenbildung zu fördern. Bei<br />

vielen basieren die Voreiligkeiten ihrer Schlussfolgerungen auf mangelnder Umsicht und<br />

Unkenntnis alternativer Literatur außerhalb des eingenommenen Blickwinkels, vielleicht auch<br />

auf ‹selektivem Sehen› - und auf vorauseilendem Gehorsam, die These des cAGW zu bejahren.<br />

6. Es gibt noch ein weiteres Element, das an sich keineswegs nur negativ zu bewerten ist, nämlich<br />

das global wachsende Bewusstsein von den Schäden, die wir der Erde zufügen. Leider hat das<br />

die Form eines neurotischen schlechten Gewissens angenommen (was wiederum für die<br />

Faktoren 1. und 2. empfänglich macht), so dass sich die irrationale Meinung epidemisch<br />

verbreitet, der Mensch habe das Klima zerstört. Das in Verbindung mit rückgewandten<br />

Empfindungen – Zivilisationsfeindlichkeit, Ablehnung der Technik, „Zurück zur Natur!“ – bildet<br />

eine breite Gefühlsbasis für die Akzeptanz des Vorwurfs: „Ihr im Westen/ihr Autofahrer/ihr<br />

Bauer von Kohlekraftwerken seid die Zerstörer der Erde!“ Und wehe, man widerspricht! Dann<br />

hat man schon das Urteil über sich selbst gesprochen.<br />

Moderatere Verteidiger derzeitiger Klimapolitik sagen häufig, es sei zwar zugegebenermaßen noch<br />

nicht alles wissenschaftlich geklärt, aber auf das Endergebnis dürften wir nicht warten. Mit dieser<br />

Doktrin werde wenigstens etwas in Bewegung gebracht, denn es müsse doch in ökologischer<br />

Hinsicht (oder mit den Autofahrern) endlich etwas geschehen… Eher selten folgt noch ein<br />

Nachsatz: und außerdem sei wegen des drohenden Auslaufens der Erdölvorräte sowieso ein<br />

Umstieg auf erneuerbare Energien notwendig. Die Frage muss lauten: Warum nennt man dann<br />

das Kind nicht beim Namen? Wir passieren vermutlich gerade den Peak Oil und sollten uns<br />

bewusst auf eine neue Energiezukunft vorbereiten – wäre das eine unmoralische Botschaft? Wenn<br />

Forschung und Entwicklung im Bereich erneuerbare Energien forciert werden müssten 35 , warum<br />

dann durch eine Strafsteuer für CO 2 -Ausstoß, wie geplant? 36 Währenddessen hat zum Beispiel der<br />

Energieanbieter Eon 2008 fast 10 Mia Euro verdient. Und warum spricht man bei sämtlichen<br />

ökologischen Desastern zwischen Himmel und Meeresgrund fast nur noch von der Ursache des<br />

erhöhten Treibhauseffekts oder der Klimaerwärmung und erklärt die CO 2 -Reduktion zum<br />

ökologischen Allheilmittel, was in Wirklichkeit unverantwortliche Irreführung ist – aber ein<br />

bequemes Ruhekissen für diejenigen, die an den wahren Ursachen beteiligt sind? Was durchaus<br />

auch uns selbst betreffen kann.<br />

Hier wirkt ein weiterer Faktor mit:<br />

7. All-Erklärungen sind ungemein bequem und suggestiv – gerade auch im Munde des Politikers –,<br />

und Metaphern, die auch nur eine Viertelswahrheit enthalten, verholzen in den Köpfen, sind<br />

nicht wieder rauszubringen. Wenn CO 2 für alles verantwortlich gemacht werden kann, hat man<br />

die einfachste Lösung sofort vor Augen: Das alles wird durch ein ‹Treibhaus› bewirkt, wie heute<br />

jedes Kind lernt (ganz gleich, was die Schulphysik dazu zu sagen hätte; in ihren grundlegenden<br />

Lehrbüchern steht nichts darüber!).<br />

8. Das ‹Treibhaus› ist eine richtige Metapher – aber falsch angewendet. Sie muss auf ein<br />

unbewusstes Gespür treffen, da wir geistig in der stickigen Atmosphäre selbstgezimmerter<br />

Vorstellungen leben, die keinerlei Anschluss mehr an den geistigen Kosmos haben, nicht einmal<br />

an Phänomene. Die Modelle, mit denen häufig Natur allein noch begriffen wird, sind Ergebnisse<br />

34 IPCC 2007, WG1-4AR, Tab. „Komponenten des Strahlungsantriebs“: das „Ausmaß des wissenschaftlichen<br />

Verstehens“ wird als „niedrig“ angegeben für: Bestrahlungsstärke der Sonne; Wasserdampf aus CH 4 in<br />

Stratosphäre; Aerosole in Form rückstreuender Wolken; Kondensstreifen (unbedeutend). „Mittel bis niedrig“ für:<br />

Oberflächenstreuung durch Bodennutzung und Ruß im Schnee; direkte Wirkung der Aerosole.<br />

35 Aussage eines Nicht-Skeptikers: H. Grassl, „Klimawandel“, S.124.<br />

36 Näheres hierzu in der Rezension zu „Cool it!“ Siehe S. ... in diesem Heft.<br />

Michael Kalisch: <strong>Themenheft</strong> <strong>KLIMAWANDEL</strong> »Gegenwart« 2-2009 Seite 10 von 20


fortgesetzter, in sich kreisender Reflexion. Die atemschenkende Erdatmosphäre ist hingegen<br />

schuldlos an diesem Bild. – Ist es da seltsam, dass die Treibhaus-Verehrer gerade jene Forscher<br />

bekämpfen, die mit einem neuen Staunen den Blick wieder in den Kosmos weiten? Wenn sie<br />

dies zunächst auch nur im Hinblick auf seine feinmaterielle und untersinnliche Wirksamkeit tun:<br />

das irdische Klima wird nach ihrer Ansicht von der magnetischen Aktivitätsänderung der Sonne<br />

im Wechselspiel mit der hochenergetischen materiellen Strahlung aus dem Fixsternkosmos<br />

beeinflusst, was die Kenntnisse über Klimaänderungen in großen geologischen Epochen<br />

bestätigen können (‹dänische Schule›). Von dieser Seite wird etwas ausgesprochen, was<br />

nachgerade anthroposophisch klingt: dass man die Erde als einen Teil des Kosmos sehen müsse.<br />

– Lange vor der Entdeckung von Sonnenwind und kosmischer Strahlung sprach Rudolf Steiner<br />

über Sonnenflecken in Verbindung mit Witterungsveränderungen und außerdem von<br />

„elektrisch-magnetischen Strömungen im Weltenall“, die wirksam seien. 37 Bei den cAGW-<br />

Vertretern ist diese Erkenntnisstimmung völlig erloschen. Ohne das Vertrauen in die sich selbst<br />

regulierende Macht der Prozesse, die zwischen Meer, Atmosphäre und Land ablaufen –<br />

abstrakt als ‹Klimasystem› bezeichnet –, droht panische Hysterie. Sie versteigt sich bis zu<br />

Vorstellungen wie „Unser Planet in Flammen!“ oder „The Day after Tomorrow“ – die neue<br />

Eiszeit als Paradoxon der Klimaüberhitzung.<br />

Inzwischen haben gerade die Computersimulationen die AGW-Vertreter neu belehrt, nachdem es<br />

immer mehr gelingt, jene Rhythmen der Selbstregulation des Klimasystems aus den Daten der<br />

Vergangenheit zu erfassen. Das führte vor etwa einem Jahr zu der Mitteilung, dass im kommenden<br />

Jahrzehnt vermutlich keine Erwärmung stattfinden wird, trotz kontinuierlichem CO 2 -Anstieg. Die<br />

Klimahysterie wird sich daher wohl abkühlen können.<br />

V. Müssen wir – können wir das Klima retten? Was ist sinnvoll?<br />

Was den Erkenntnisstand betrifft, müssen wir also Geduld üben; ein Konsens besteht nicht. Aber<br />

müssen wir nicht versuchen, den fortschreitenden Klimawandel aufzuhalten? Der<br />

Wirtschaftswissenschaftler Bjørn Lomborg ist nicht der einzige, der das Drehen an der großen CO 2 -<br />

Schraube nicht für sinnvoll hält und das präzise begründet (siehe S. ... in diesem Heft). Aber was<br />

dann? Hände in den Schoß legen? Keineswegs: man sollte vor Ort schauen, wo die Ursachen einer<br />

Malaise liegen – sowie natürlich in den globalen Verflechtungen, Abhängigkeiten und Zwängen.<br />

Einige Beispiele zum Abschluss:<br />

Sahelzone<br />

Wirkungsvoll wäre es, die Abholzung der afrikanischen Regenwälder zu stoppen. Regional<br />

zugeschnittene Klimamodelle deckten den Zusammenhang zwischen den Abholzungen in<br />

Westafrika und dem Fortschreiten der Sahelzone auf. Ähnliches gilt für Brasilien (Amazonien), wo<br />

sich bereits außergewöhnliche Dürreperioden zeigen, die mit dem rasend voranschreitenden<br />

Flächenverlust an Regenwald zusammenhängen. Wer sich klarmacht, welch zentrale Rolle Wälder<br />

in regionaler und zonaler Dimension bei der Regulation und Stabilisierung des Wasserkreislaufs<br />

Erde - Atmosphäre spielen, dem kann das einleuchten. Zusätzlich wäre es eine billige und für die<br />

Anwohner im Niger selbst nutzenbringende Strategie, sie in der Sahelzone Bäume pflanzen und<br />

Baumkeimlinge pflegen zu lassen. Eine jüngste Studie zeigte, dass damit Bodenerosion und<br />

Austrocknung verhindert und der landwirtschaftliche Anbau unterstützt werden. Außerdem bieten<br />

37 Steiner GA 354, Arbeitervortrag, 13.9.1924.<br />

Michael Kalisch: <strong>Themenheft</strong> <strong>KLIMAWANDEL</strong> »Gegenwart« 2-2009 Seite 11 von 20


diese Bäume später Schatten und Brennholz.<br />

Küstenstädte<br />

Regionen in flachen Deltagebieten sind nicht allein durch höhere Meeresspiegel oder durch an<br />

Gewalt zunehmende Tropenorkane gefährdet. Das Hochwasser des Brahmaputra, das beim<br />

Zusammentreffen der Frühlingsschmelze aus dem Himalaya mit einem vom Meer<br />

herandrängenden stürmischen Monsun entsteht, ist jedes Jahr viele Meter hoch und<br />

überschwemmt weite Teile von Bangladesch – das würde durch eine Handspanne<br />

Meeresspiegelerhöhung unwesentlich verschlimmert. Was das Eindringen des Meeres stark<br />

fördert, sind zerstörte Mangrovengürtel vor tropischen Flußdeltas und Küsten – aus ihnen wird<br />

Brennholz und an ihrer Stelle werden Häfen gebaut, werden Krabbenfarmen angelegt, die nach<br />

wenigen Jahren wieder aufgegeben werden müssen (das Klima ist für Krabben eigentlich<br />

ungeeignet). Das Problem ist die wissentliche Besiedlung von Überflutungszonen – den Ärmsten<br />

der Armen bleibt oft nichts anderes übrig. Hier müsste Entwicklungshilfe ansetzen.<br />

Hochgebirge<br />

Auch in den Hochgebirgen hängt der Wasserkreislauf, der letztlich auch die Gletscher speist, mit<br />

der Waldvegetation zusammen.<br />

Immer wieder stoßen wir auf die ökologische Bedeutung des Waldes. 38 Merkwürdigerweise wird<br />

nicht einmal in Bezug auf die CO 2 -Reduzierung auf die erstrangige Aufgabe hingewiesen, die<br />

Brandrodungen in den Tropen zu stoppen, produzieren sie doch so viel CO 2 wie der gesamte<br />

Weltverkehr. Dazu noch Smog, irreversibles Artensterben und die Vertreibung indigener Völker…<br />

Meere<br />

Was die ‹Versauerung› der Meere betrifft und die Zerstörung von Korallenriffen, wäre zu prüfen,<br />

ob die wahren Ursachen nicht regionale Überdüngung mit Nitraten und Phosphaten oder die<br />

Verschmutzung sind, dazu Tourismus und Schiffsverkehr. Überdüngung, Lebensraumzerstörung<br />

und Unkenntnisse sind die vom Menschen ausgehenden Hauptbedrohungen für Tiere – nicht der<br />

Klimawandel. 39 Die ‹Todeszonen› am Meeresboden vor manchen Küsten – etwa im Schwarzen<br />

Meer vor der Donaumündung – sind das Endergebnis der Eutrophierung, zurückzuführen auf die in<br />

den Fluss eingeleitete Gülle der Massentierhaltung und die Bodenauswaschung aus der<br />

Intensivlandwirtschaft.<br />

Diese Beispiele mögen genügen. Ich persönlich finde es unmoralisch, durch das CO 2 -<br />

Reduzierungsgetöne von diesen Ansatzmöglichkeiten abzulenken und auf den Effekt des Drehens<br />

an der Großen Schraube zu warten.<br />

[…]<br />

Was das irdische Klima betrifft, scheint es mir ein Zeichen des Größenwahns zu glauben, wir<br />

könnten das global ‹bremsen› oder lenken. Nicht dass wir nicht überall darauf Einfluss hätten:<br />

durch die Veränderungen in der Landschaft, durch Eingriffe in den Wasserhaushalt usw. Aber man<br />

38 Bradshaw, C.J. et.al., “Global evidence that deforestation amplifies flood risk and severity in the developing world”,<br />

Global Change Biology 13 (11), 2379-95, online: 21.8.2007.<br />

39 Kinzelbach, Ragnar: „Der Treibhauseffekt und die Folgen für die Tierwelt. Klimawandel – ein Feigenblatt?“,<br />

Biologie in unserer Zeit, 4-2007 (37).<br />

Michael Kalisch: <strong>Themenheft</strong> <strong>KLIMAWANDEL</strong> »Gegenwart« 2-2009 Seite 12 von 20


kann nicht ernsthaft vorhaben, Prozesse nach eigenem Gutdünken zu lenken, von denen selbst<br />

Zentrales bislang nur partiell verstanden ist – etwa die Entstehungsweise eines Tiefdruckgebietes<br />

oder die Wirkung der Wolken! 40 Das CO 2 spielt nach allem, was wir zusammentragen können,<br />

höchstwahrscheinlich nur eine sehr untergeordnete Rolle. Es gehört nicht zu den primären<br />

Faktoren, die das Klima bestimmen; es wird aber selbst von ihnen bestimmt. 41 Das Gas, aus dem<br />

die Pflanzen ihren Kohlenstoff verdichten, ist kein Klima-Killer – was für eine irrwitzige<br />

Verdrehung! Die Idee des gefährlichen Treibhauses, aus dem spekulativen Geist des 19.<br />

Jahrhunderts geboren (Fourier, Arrhenius), aber schon bald widerlegt, sollte besser auf ihre<br />

tieferen Dimensionen als imaginative Zustandsbeschreibung unserer Weltgesellschaft untersucht<br />

werden. Und – wir haben anzuerkennen, wie die Geschichte des Klimas die<br />

Menschheitsgeschichte getragen, begleitet und bestimmt hat. Das würde unsere ahistorische<br />

Blickenge weiten und sogar zu einem Zusammengehörigkeitsgefühl von Menschheit und Erde<br />

führen. Was etwa wäre aus dem Hochmittelalter geworden ohne die bedeutende Medieval Warm<br />

Period?<br />

40 Schröder, P.(1997): „Atmosphärische Zirkulation“, S.41, 54 u.a.<br />

41 Ferguson, P.R. & Ján Veizer, „Coupling of water and carbon fluxes via the terrestrial biosphere and its significance to<br />

the Earth's climate system“, Journal of Geophysical Research 112, 2007.<br />

Michael Kalisch: <strong>Themenheft</strong> <strong>KLIMAWANDEL</strong> »Gegenwart« 2-2009 Seite 13 von 20


Was wir stattdessen tun können<br />

Mit dem Thema Klimawandel können Politiker endlich wieder das Gefühl von Größe geniessen<br />

und einen Zugang zum Herzen ihrer Wähler finden – und manche Steuer wird populär, obgleich<br />

ihre wahre Bestimmung verborgen bleibt. In einer Internetliste findet man über dreihundert<br />

Probleme, die dem Klimawandel zugeschrieben werden – alle sollen durch die möglichst<br />

‹drastische› Reduktion des CO 2 -Ausstosses bewältigt werden, so das Versprechen der Politiker,<br />

von denen sich die grüne Bewegung heute links überholt sieht.<br />

Die Frage ist, ob man mit Kioto diese Probleme wirklich beheben kann oder ob das Geld zum<br />

Fenster hinausgeworfen ist und in unerwünschte Kanäle gelangt. Das Gerede von der CO 2 -<br />

Reduktion hat sich so weit verselbständigt, dass man vergessen hat, worum es ursprünglich ging:<br />

Die Qualität des Lebens und der Umwelt zu verbessern. Schafft das Kioto? Dieser Frage geht der<br />

Weltruf geniessende Ökonom Bjørn Lomborg nach. Ein Drittel seines Buches besteht aus<br />

Kommentaren, Literaturnachweisen und Index. Und der Text selbst ist reich an konkreten<br />

Beispielen und vor allem Zahlen. Es ist ein optimistisches Buch, voll von Anregungen und Impulsen<br />

für konkretes Handeln, das zu allererst einmal das Feld für nüchterne Erwägungen bereinigt. Die<br />

Übertreibungen und Verzerrungen der Klimadiskussion und die vielen Märchen, mit denen uns die<br />

Presse füttert, werden aufgedeckt – das vom Aussterben der Eisbären ist nur eines. Damit sind wir<br />

bestens ausgerüstet für eine fundierte Argumentation. Und die brauchen wir, denn das Hauptfazit<br />

des Buches lautet:<br />

Wer sich nicht nur gut fühlen will, sondern wirklich Gutes erreichen möchte, der plädiert für das<br />

Aufgeben von Kioto, denn selbst im Bestfalle wird der positive Effekt marginal sein. Stattdessen<br />

werden wir uns für die weltweite konzertierte Förderung von Forschung und Entwicklung an den<br />

erneuerbaren Energien einsetzen müssen. An der hapert es nämlich erstaunlicherweise. Die bei<br />

Kioto eingesparten Milliarden aber sind für einzelne zweckgerichtete Strategien einzusetzen. Dazu<br />

müssen wir die effektivsten Wege zur Bewältigung künftiger langfristiger Klimaveränderungen<br />

suchen.<br />

Im Sinne des positiven Ansatzes hat Lomborg in diesem Buch auch ein Nebenanliegen. Wir sind<br />

dressiert, auf übertriebene Alarmrufe zu hören und übersehen dabei, dass durch die Erwärmung<br />

sich auch manches zum Besseren wenden wird. Dadurch fixiert sich der Blick auf falsche Lösungen.<br />

Lomborg möchte diese erhitzte Debatte abkühlen und die Wahrnehmungsverzerrung korrigieren.<br />

Die Hitzewelle von 2005 dient als Exempel. Sie kostete in Europa 35 000 Leben. In Europa sterben<br />

jährlich 200 000 Menschen an Hitze – aber etwa 1,5 Millionen durch extreme Kälte. Eine<br />

Erwärmung kann diese traurige Bilanz nur verbessern. Ein Positives am Klimawandel: die<br />

Minimaltemperaturen werden mehr zunehmen als die Maximaltemperaturen – also nachts und im<br />

Winter. Selbst in Indien und China wird durch eine Erwärmung die Abnahme der Kältetode das<br />

Plus an Hitzeopfern im Verhältnis von 9 : 1 überwiegen. Nur in Afrika sieht die Bilanz negativ aus.<br />

Was könnte Kioto ausrichten? Um 4000 Menschen in den Entwicklungsländern vor Hitze zu retten,<br />

müssten mehr als 80 000 Kältetode in der Ersten Welt in Kauf genommen werden und 1 Billion<br />

Dollar ausgegeben werden. Sind solche Rechnungen ‹unmoralisch›? Anders gefragt: ist blindes<br />

Handeln besser?<br />

Die gefürchtete Temperaturerhöhung um mehrere Grad hat man übrigens längst erlebt: in den<br />

Großstädten. In Los Angeles liegen die Maximal/Minimaltemperaturen um 2,5°/4° über dem<br />

Durchschnitt. Ohne an der CO 2 -Schraube drehen zu müssen, könnte sich Los Angeles Kühlung<br />

verschaffen: mit 1 Mia Dollar für Baumpflanzungen und hellere Anstriche (zur Erhöhung der<br />

Michael Kalisch: <strong>Themenheft</strong> <strong>KLIMAWANDEL</strong> »Gegenwart« 2-2009 Seite 14 von 20


Albedo – siehe S. ... in diesem Heft) würden jährlich 170 Mio Dollar für den Klimaanlagenbetrieb<br />

eingespart. Diese Maßnahmen wären in weniger als sechs Jahren amortisiert.<br />

Mit offenen Augen handeln wollen: das heißt auch, nach den wahren Kosten von Kioto zu fragen:<br />

die führenden makroökonomischen Modelle zeigen jährliche Kosten von rund 180 Mia Dollar,<br />

entsprechend 0,5% des Bruttosozialprodukts weltweit. Die Gesamtkosten im 21. Jahrhundert<br />

belaufen sich auf über 5 Billionen Dollar. Der Erfolg? Es erbrächte im besten Fall fünf Jahre<br />

Aufschub, die Verzögerung der erwarteten Erwärmung um etwa 2,5° C von 2100 auf 2105, oder<br />

eine um 0,16° verringerte Erwärmung im Jahr 2100 (vorausgesetzt, die Modellrechnungen<br />

stimmen). Der ehrgeizige Plan wird aber durch den Mehrausstoß in China, Indien u.a. mehr als<br />

kompensiert werden. Das Endergebnis könnte auf wenige Prozent CO 2 -Reduktion<br />

zusammenschmelzen. Kioto ist teuer durch ineffektive erzwungene Sparmaßnahmen und dadurch,<br />

dass das Geld nicht dorthin gelangt, wo es gebraucht wird.<br />

Vielen ist das klar, aber sie sehen die Lösung leider nur in noch schärferen Restriktionen. Sie liebäugeln<br />

mit einer CO 2 -Steuer: angefangen von moderaten 2 Dollar pro Tonne über 25 (EU-Pläne)<br />

bis zu 80 Dollar bei ganz radikalen Weltverbesserern. Mit einer 2 Dollar-Besteuerung könnte man<br />

den Ausstoss bis 2100 vielleicht um 5% verringern und die Temperatur um 0,08° C senken – ein<br />

äußerst geringer Erfolg. Also warum nicht diese neue Schraube fester anziehen? Aber hier<br />

bestehen zwei Probleme. Zu diesem immens hohen Preis ist den Millionen Menschen, die in<br />

Armut leben, Wassermangel erleiden, an überschwemmungsbedrohten Küsten wohnen oder an<br />

heilbaren Krankheiten sterben, nicht geholfen – während man dies mit einem Bruchteil jener<br />

Kosten erreichen könnte. Zweitens: eine 'Verschmutzungssteuer' für CO 2 klingt vernünftig nach<br />

'Verursacherprinzip'. Aber wie ermisst man den Schaden von einer Tonne CO 2 ? Eine entmutigende<br />

Frage ohne klare Antwort – vor allem bei Einbezug der kritischen Erwägungen über die Rolle, die<br />

das CO 2 beim Klimawandel tatsächlich spielt (was Lomborg nicht einmal berücksichtigt). Und bei<br />

Einbezug der Tatsache, dass das CO 2 als Minimumfaktor der Photosynthese bei seiner Zunahme<br />

auch das Pflanzenwachstum fördern kann. Die Rolle des CO 2 ist ungesichert, kontrovers. 42<br />

Könnte man daher nicht sinnvollere Maßnahmen ergreifen, da wo gesichertes Wissen vorliegt?<br />

Selbstverständlich. Dieser Meinung waren übrigens auch Ökonomen, die sich 2004 im Rahmen des<br />

Kopenhagen-Konsensus äusserten (darunter mehrere Nobelpreisträger). Als beste Investitionen<br />

sahen sie Maßnahmen zur Kontrolle von AIDS und Unterernährung an – als schlechteste: Kioto<br />

und CO 2 -Besteuerung.<br />

An Unterernährung sterben jährlich 4 Millionen Menschen. Jede Investition in Klimaschutz, die<br />

eine Person vor dem Hunger bewahrt, könnte bis zu fünftausend Menschen retten, wenn das Geld<br />

direkt für Ernährungsmaßnahmen eingesetzt würde. Außerdem wird der projizierte Klimawandel<br />

nicht zu dem dramatisierten Rückgang der Nahrungsversorgung führen (ein weiteres<br />

Schauermärchen), sondern nur regional zu relativ geringen Einbußen. Man beachte: die<br />

Verfügbarkeit von Nahrung hat in den vergangenen vierzig Jahren (fünfundzwanzig davon mit<br />

‹Klimawandel›) dramatisch zugenommen! Der Anteil der Unterernährten nahm von 40 % auf 17 %<br />

ab. Die Produktivität der Erde wird sich noch mehr als verdoppeln lassen, das sagen alle Modelle.<br />

Hunger leiden die Menschen nicht nur, weil sie keine Nahrung anbauen können, sondern auch<br />

weil sie zu arm sind, um eine Nachfrage nach mehr Produktion hervorzurufen. Da ist Kioto keine<br />

Hilfe.<br />

Wasserversorgung: Die Himalaya-Gletscher schwinden bekanntlich. Fehlen sie ganz, könnte die<br />

Wassermenge über das Jahr summiert zwar die gleiche bleiben (!), aber sich ungünstiger verteilen.<br />

Muss man deshalb den Klimawandel aufhalten? Durch eine verbesserte Wasserspeicherung kann<br />

das Problem wirkungsvoll behoben werden. Entgegen verbreiteter Ansicht wird das Wasser-<br />

Problem der Zukunft weniger von absolutem Mangel verschärft werden als vielmehr durch<br />

42 Vgl. auch M.Kalisch, „Fragliche Steuer auf CO 2 -Ausstoss“, Das Goetheanum Nr.12, 20.3.2009.<br />

Michael Kalisch: <strong>Themenheft</strong> <strong>KLIMAWANDEL</strong> »Gegenwart« 2-2009 Seite 15 von 20


Missmanagement. Auch hier kann man lokal gezielt handeln.<br />

Oder nehmen wir das Beispiel Malaria: jährlich werden 500 Millionen Menschen neu infiziert, eine<br />

Million Menschen sterben. Über Malaria herrschen leider ganz falsche Vorstellungen. Der Parasit<br />

stirbt erst unterhalb 16° C. Seine Verbreitung erstreckte sich noch vor nicht allzu langer Zeit über<br />

England, Holland (letzte Epidemie 1943 - 46), Mittel- bis Nordeuropa und 36 US-Bundesstaaten.<br />

Wenn heute die klimabedingte Gefahr eines Zuwachses der potenziell Gefährdeten um 300 Mio<br />

Menschen an die Wand gemalt wird, bedeutet das noch lange nicht, dass sie auch infiziert werden.<br />

Heute sind 84% der Weltbevölkerung potenziell gefährdet! Während der bisherigen globalen<br />

Erwärmung hat die Malariaausbreitung aber abgenommen. Die Infektionsrate wächst mit der<br />

Armut, mit einer Verschlechterung der Gesundheitsversorgung, dem Fehlen von Moskitonetzen<br />

oder mit dem Vorhandensein von Feuchtgebieten. Mit 13 Mia Dollar Direktaufwand könnten die<br />

Hälfte der Leben und fast 90% der neugeborenen Infizierten gerettet werden, zeigt Lomborg. Das<br />

ist 20 000 mal effektiver als das Drehen an der Großen Schraube. – Unterschiedliche Wege der<br />

gesellschaftlichen Entwicklung werden kritische Problemkreise wie Malaria, Unterernährung,<br />

Wasserversorgung stärker beeinflussen als der Klimawandel.<br />

Wie sieht Lomborg die wachsende Gefahr von Überschwemmungen und Meeresüberflutungen?<br />

Wahr ist: Auch ohne globale Erwärmung wird die Opferzahl wachsen, weil die Erdbevölkerung<br />

wächst und weil Küstenregionen überproportional attraktiv sind. Für mehr als 180 der 192<br />

Nationen würde ein fast vollständiger Küstenschutz nur weniger als 0,1% des Bruttosozialprodukts<br />

beanspruchen. Der teure Kioto-Effekt hingegen erreicht bloss, dass eine bestimmte<br />

Meeresspiegelhöhe um wenige Jahre verzögert erreicht wird. Lohnt das? Vernünftiger wäre es, die<br />

staatlich geförderten Billigversicherungen für die Ansiedlung in Risikoregionen zu reduzieren! Und<br />

einen Dollar auszugeben für Überflutungsmanagement von Flüssen ist 1300 mal effektiver als ein<br />

Dollar für Kioto mit derselben Bestimmung.<br />

Was ist mit den Hurrikans? Die Erdbevölkerung hat sich seit 1950 verzweieinhalbfacht. Hurrikans<br />

einer Stärke, wie sie bereits in der ersten Jahrhunderthälfte auftraten, würden heute größere<br />

Verheerungen anrichten als Katrina! Bei bleibender Wachstumsrate werden die Hurrikanschäden<br />

sich alle zehn Jahre verdoppeln, um 2050 wären also schon um 500 % höhere Schäden zu<br />

erwarten – durch Kioto könnte dieser Betrag nur um 10 % reduziert werden. Lohnt das?<br />

Zusammengefasst: Kioto ist erstens eine schlechte Investition, zweitens wird es mit steigenden<br />

Kosten zunehmend schwierig, Menschen von seiner Notwendigkeit zu überzeugen – immer mehr<br />

werden abspringen oder Schlupflöcher suchen. Drittens kann CO 2 letztlich nur durch den<br />

Übergang in eine nichtfossile Energiezukunft wirksam reduziert werden. Hier wird nun<br />

argumentiert, Kiotos Emissionsrestriktionen wären ein starker Anreiz zu Investitionen in Forschung<br />

und Entwicklung für erneuerbare Energien. Aber wenn wir diese Technologien wirklich wollen,<br />

müssen wir sie direkt fördern. Im Kiotoprozess sind nämlich keinerlei Rückstellungen dafür<br />

vorgesehen! Seit den 1980ern sind die entsprechenden Aufwendungen sogar zurückgegangen.<br />

Obwohl also die globale Erwärmung – und erst recht das Auslaufen des Erdöls – danach schreit,<br />

dass in erneuerbare Energien investiert wird, zielt Kioto daran vorbei. Lomborgs Hauptvorschlag ist<br />

eine primäre Förderung von Forschung und Entwicklung, und zwar durch Aufwendungen in Höhe<br />

von 0,05% des Bruttosozialprodukts. Er spezifiziert sogar die Anwendung: Grundlagenforschung –<br />

Demonstration vielversprechender Technologien in Pilotprojekten – öffentlich-private<br />

Partnerschaften zur Stützung hochriskanter Unternehmungen (wie vergleichsweise im<br />

pharmazeutischen Sektor bei der Entwicklung von Impfstoffen für Tropenkrankheiten praktiziert) –<br />

Ausbildungsprogramme, um die Zahl der Wissenschaftler und Ingenieure zu fördern –<br />

Preisausschreibungen für herausragende Leistungen – Fonds für internationale Zusammenarbeit –<br />

internationale Forschungszentren zum Aufbau einer globalen Innovationskapazität (wie in der<br />

Landwirtschaftsforschung seit Beginn der Grünen Revolution). Und dafür Kioto aufgeben.<br />

Michael Kalisch: <strong>Themenheft</strong> <strong>KLIMAWANDEL</strong> »Gegenwart« 2-2009 Seite 16 von 20


Man wird gegen Lomborg sicherlich den bekannten Stern-Report ins Feld führen, der doch gezeigt<br />

habe, wie billig es werde, mit strengem Vorgehen im Sinne Kiotos den Klimawandel aufzuhalten –<br />

nur 1% des Bruttosozialprodukts, während ein ungebremster Klimawandel 5 – 20 % kosten würde.<br />

– Mittlerweile sind eine Reihe von akademischen Reaktionen erschienen, die die Wahrheit ans<br />

Licht bringen: „ein politisches Dokument“, „inkompetent“, „rechnerisch fehlerhaft“, „weder<br />

ausgewogen noch glaubwürdig“ sei der Stern-Report. Im Stile eines Schreckensszenarios werden<br />

die projizierten Schäden des Klimawandels weit übertrieben, ebenso der Nutzen der Kioto-<br />

Aktionen – während die Kioto-Kosten drastisch verharmlost werden. Ein tendenziöses<br />

Gefälligkeitsgutachten wie zur Zeit des Aufstiegs der Kernenergie!<br />

Bjørn Lomborg: Cool it! Warum wir trotz Klimawandels einen kühlen Kopf bewahren sollten,<br />

Bertelsmann Verlag, München 2008/9 (272 S., Fr. 24.90 / € 16.95)<br />

Cool it. The Skeptical Environmentalist´s Guide to Global Warming, A.A.Knopf Books, Random<br />

House, New York 2007 (€ 16.99)<br />

Michael Kalisch: <strong>Themenheft</strong> <strong>KLIMAWANDEL</strong> »Gegenwart« 2-2009 Seite 17 von 20


Einige Buchempfehlungen – Lesevorschläge<br />

Calder, N. & H.Svensmark (2007): “The chilling Stars. A new Theory of Climate Change”, Icon Books<br />

Cambridge.<br />

Neuerdings auch auf Deutsch (Übers. Helmut Böttiger, 2008): „Sterne steuern unser Klima. Eine<br />

neue Theorie zur Erderwärmung“, Patmos Verlagshaus, ISBN 3491360129, geb. 251 Seiten.<br />

Klimaschwankungen hat es immer gegeben. Die Forschungsergebnisse des renommierten<br />

dänischen Physikers Henrik Svensmark belegen, dass Klimaschwankungen viel stärker durch die<br />

kosmische Strahlung in Wechselwirkung mit der aktiven Sonne als durch den Kohlendioxidausstoß<br />

hervorgerufen werden. Je nachdem, wo sich unser Sonnensystem auf seiner geologische<br />

Zeiträume überspannenden Wanderung durch unsere Milchstraße befand, war es dem<br />

Teilchenschauer explodierender Sterne (früher ‹Höhenstrahlung› genannt) mehr oder weniger<br />

ausgesetzt. Diese kosmische Strahlung induziert in unserer Atmosphäre Wolkenbildung, indem sie<br />

Kondensationskeime entstehen lässt. Mehr Wolken über längere Dauer führen zu sinkenden,<br />

weniger Wolken zu steigenden Temperaturen. Das gilt auch für das 20. Jh., das von einer<br />

außerordentlich gesteigerten Sonnenaktivität geprägt war und darum eine Erwärmung erfuhr.<br />

Svensmarks Erkenntnisse haben eine brisante wissenschaftliche Debatte ausgelöst und geben der<br />

aktuellen Klimadiskussion neuen Anstoß.<br />

Zur Darstellung dieser Theorie s. auch Michael Kalisch, „Eine alternative Klimatheorie. Der Kosmos<br />

dirigiert das Klima“, in Das Goetheanum, 87. Jhg., Nr. 14, 4.4.2008.<br />

Ergänzend hierzu ist auch interessant<br />

Nigel Calder (1997): “Die Launische Sonne widerlegt Klimatheorien“, Böttiger Verlags-GmbH<br />

Wiesbaden, 211 S.<br />

Calder ist (entgegen anderslautender Vorwürfe) ein dezidiert von jedem Lobbyismus unabhängiger<br />

Wissenschaftsjournalist, er war einige Zeit Herausgeber des New Scientist. Er schildert hier die<br />

Geschichte der Forschung der dänischen Forscher Svensmark, Friis-Christensen u.a. über den<br />

Zusammenhang zwischen Sonnenaktivitätszyklen und Klimaschwankungen, ihre Entdeckungen<br />

und Widerstände, die sie bei der Publikation ihrer Arbeiten hatten.<br />

Michaels, Patrick J. & R.C.Balling (2009): „Climate of Extremes. Global Warming Science They Don´t<br />

Want You to Know”, Cato Inst. Washington DC. 268 S.<br />

Obwohl die Autoren die Treibhausthese nicht in Frage stellen, sondern lediglich die Bedeutung des<br />

CO 2 für überschätzt halten, bietet dieses aktuelle Buch außerordentlich viel wertvolles Material,<br />

das unser Bild von den tatsächlich stattfindenden Veränderungen infolge des Klimawandels wie<br />

auch von den zu erwartenden Entwicklungen des 21. Jahrhunderts gehörig revidiert. Dabei wird<br />

vor allem auf die Themen Durchschnittstemperatur, Schmelzen der Polkappen, Zunahme der<br />

Stärke von Hurrikans und Orkantiefs, Zunahme von Extremniederschlägen, Dürren und Bränden<br />

fokussiert. Es konfrontiert die in die Öffentlichkeit lancierten, ‹politisch korrekten› Darstellungen<br />

vom Klimawandel mit Veröffentlichungen aus Fachzeitschriften oder Datensammlungen, die (mit<br />

Absicht oder versehentlich) unberücksichtigt blieben oder auch unrichtig zitiert wurden, welche<br />

die aufgestellten Behauptungen korrigieren oder sogar widerlegen. Das Buch ist nicht polemisch,<br />

sondern eine sachliche und aufklärende Analyse. Eine der erstaunlichsten Erkenntnisse dürfte<br />

Michael Kalisch: <strong>Themenheft</strong> <strong>KLIMAWANDEL</strong> »Gegenwart« 2-2009 Seite 18 von 20


sein, dass das ‹global warming› unserer Vorstellung sich in einen regional außerordentlich<br />

differenzierten Vorgang auflöst, bei dem jene Regionen das stärkste Erwärmungssignal zeigen, in<br />

denen sich der Industrialisierungsprozess vollzogen hat – wobei dies nicht etwa ein Maß für einen<br />

regional unterschiedlich zugenommenen ‹Treibhauseffekt› ist, sondern auf Veränderung der<br />

Erdoberfläche durch den Menschen zurückzuführen ist! Nicht industrialisierte Regionen, oder<br />

anders gesagt solche, die durch Armut geprägt waren und sind (Afrika und große Teile Südasiens),<br />

zeigen währenddessen eine wesentlich geringere oder keine Veränderung der<br />

Durchschnittstemperaturen – von einer ‹Erderwärmung› zu sprechen ist also eine fable convenue.<br />

Josef H.Reichholf: „Eine kurze Naturgeschichte des letzten Jahrtausends“, S.Fischer Verl. 2007, 336<br />

S., ISBN 978-3-10-06294-5, 19.90 €<br />

Besprechung s. Michael Kalisch, „Klimageschichtliche Aufklärung“ in Das Goetheanum, 86. Jhg.,<br />

Nr.38, 21.9.2007. Reichholfs klimageschichtlicher Überblick rückt die Wirkungen von<br />

Klimaveränderungen auf die Lebewelt besonders in den Mittelpunkt (Kulturpflanzen, Vögel,<br />

Wildtiere), beleuchtet Ereignisse wie Völkerwanderungen, Aussterben von Kulturen, Änderungen<br />

der Wirtschafts- und Lebensweise, behandelt aber auch z.B. die Verteilung von<br />

Hochwasserereignissen über die Jahrhunderte. Er sieht als Biologe, der die Anpassungsfähigkeiten<br />

der Lebewesen kennt, von einer Erwärmung weit weniger Gefahr ausgehen als von menschlichen<br />

Eingriffen wie Überdüngung, Jagd, Brandrodung in den Regenwäldern u.a. ‹Maßnahmen›, die<br />

durch die derzeitige Klimadiskussion aus dem Bewusstsein verdrängt werden.<br />

Aufschluss über die klimabedingten Veränderungen und Extremereignisse unserer<br />

mitteleuropäischen Geschichte – Veränderungen der Jahresmitteltemperatur um 2.5° C und der<br />

Jahresniederschlagssumme um bis zu 150 mm – gibt auch<br />

Rüdiger Glaser (2008, 2.erw.Aufl.): "Klimageschichte Mitteleuropas. 1200 Jahre Wetter, Klima,<br />

Katastrophen", Primus Verl., ISBN 978-3-89678-604-3.<br />

Der Autor, der sich seit seinem Studium mit Historischer Klimatologie beschäftigte, bringt auf der<br />

Grundlage der Auswertung vieler deutscher Stadtarchive 1200 Jahre Klimageschichte in sehr<br />

lebendiger Weise zur Darstellung, bereichert durch historische Abbildungen und zeitgenössische<br />

Zitate, manche außerordentliche Wetterlagen werden sogar durch Rekonstruktion der<br />

Druckverhältnisse in synoptischen Karten skizziert. Für die Zeitspanne 1500 bis 1750 sogar eine<br />

Jahr-für-Jahr-Darstellung! Glaser schließt mit folgendem einprägenswertem Fazit: „Die<br />

Ausarbeitungen haben deutlich gemacht, dass Klimakatastrophen in Mitteleuropa ein ständiger<br />

Begleiter waren. [..] Viele der markanten Änderungen lassen sich mit der Temperaturentwicklung<br />

korrelieren. Als besonders katastrophenreich hat sich der Abschnitt der Kleinen Eiszeit 1550-1850<br />

herausgestellt.“<br />

Für den abschließenden Ausblick auf das 21. Jahrhundert wäre es interessant gewesen, anstelle<br />

einer fiktiven Fortschreibung des CO 2 -Treibhauseffekts, wie sie in den Computersimulationen<br />

vorgenommen wird, aufgrund der dokumentierten Trends der letzten Jahrzehnte (vgl. Michaels &<br />

Balling) eine realistische Prognose für die zu erwartenden Tendenzen zu entwerfen. Leider ist das<br />

Schlusskapitel ein ganz stromlinienförmiges Referat der gängigen computergestützten<br />

‹Prognosen› (zutreffender wäre ‹Szenarien›) für das 21. Jahrhundert, basierend auf dem IPCC-<br />

Bericht von 2007, den Arbeiten von Schönwiese, Grassl und dem EEA-Bericht von 2004 (European<br />

Environment Agency, Luxembourg) sowie dem Stern-Report: globale Erwärmung um 1.4-5.6° C,<br />

Meeresspiegelanstieg um maximal 88 cm, Zunahme von Extremniederschlägen und gleichzeitig<br />

Dürreperioden, starke Gefährdung der Biodiversität, Zunahme von Hitzestress, Ausbreitung von<br />

Michael Kalisch: <strong>Themenheft</strong> <strong>KLIMAWANDEL</strong> »Gegenwart« 2-2009 Seite 19 von 20


Krankheitsvektoren, Ernteeinbußen und andere negative volkswirtschaftliche Auswirkungen usw..<br />

Verwiesen wird auf den Konsens „der überwältigenden Mehrheit der Befürworter", denen nur<br />

wenige "Treibhausklimaleugner" gegenüberstünden.<br />

Dennoch: der historische Blick auf die klimatisch bedingten Umweltverhältnisse und Singularitäten<br />

und die unlösbar damit verwobene Kulturentwicklung ist an sich schon heilsam für unsere heutige<br />

Sichtweise, die meistens auf wenige Jahrzehnte eingeengt ist.<br />

Für einen breiten Überblick über Veröffentlichungen zu klimarelevanten Themen, der zudem<br />

ständig aktualisiert wird, ist die Internetseite des Privatdozenten Dr. H.Kehl der Technischen Uni<br />

<strong>Berlin</strong> von großem Wert:<br />

„Ergänzungen zur Vorlesung TWK an der <strong>TU</strong>-<strong>Berlin</strong>“, Institut für Ökologie, Vegetationsökologie<br />

tropischer und subtropischer Klimate – Die Debatte um den Klimawandel. Das erste Kapitel findet<br />

man unter der Adresse http://www2.tu-berlin.de/~kehl/project/lv-twk/02-intro-3-twk.htm#go111<br />

Autorennotiz:<br />

Michael Kalisch (* 30.1.57), Studium der Musik (Alfter/Bonn) und Biologie mit<br />

Schwerpunkt Botanik (Tübingen), seit 1993 Veröffentlichungen zum Wesen des Bösen,<br />

zur Typologie pflanzlicher Substanzen, zu ‹Salz, Merkur, Sulfur› bei Rudolf Steiner, zur<br />

anthroposophischen Medizin u.a. Seit 1997 in Tübingen als Selbständiger tätig mit<br />

Forschungsaufträgen und als Wissenschaftsautor für anthroposophische Zeitschriften.<br />

Seit 25 Jahren Beschäftigung mit Meteorologie und Klimatologie, seit 2004<br />

schwerpunktmäßig mit dem aktuellen Klimawandel.<br />

Adresse: <strong>Berlin</strong>er Ring 53, D-72076 Tübingen. Email: SalMerkurSulfur@aol.com.<br />

Michael Kalisch: <strong>Themenheft</strong> <strong>KLIMAWANDEL</strong> »Gegenwart« 2-2009 Seite 20 von 20

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