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Interview mit Sven Voelpel - fgi

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FGI NEWS – AUSGABE 11: LEHREN/LERNEN<br />

„Entscheidend ist heute, wie man Teams zusammensetzt.<br />

Organisationen wissen leider fast nichts darüber.“<br />

<strong>Sven</strong> <strong>Voelpel</strong> ist u.a. Gründer und Direktor der internationalen Forschungsgruppe WISE (Weisheit, Innovation,<br />

Strategie, Energie) und Professor für Business Administration an der Jacobs University in Bremen. Er forschte<br />

und lehrte an weltweit führenden Universitäten in vier Kontinenten, unter anderem als Visiting Fellow an der<br />

Harvard University.<br />

In seinem Bremer Büro sieht es leicht chaotisch aus, der Boden ist komplett bedeckt von Papieren, Manuskripten,<br />

Unterlagen. „Suchen geht schneller als ordnen.“ meint <strong>Voelpel</strong> und erzählt dann ganz aufgeräumt von<br />

„productivity blocks“, vom Segen der Transdisziplinarität und von Tanzseminaren für Manager.<br />

Was ist so besonders an der Jacobs University? was können andere Unis von ihnen lernen?<br />

Die Jacobs University ist die multikulturellste Uni in Europa, vermutlich sogar weltweit, <strong>mit</strong> 1245 Studenten aus<br />

102 Ländern, von denen nur gut ein Viertel aus Deutschland stammt. Und wir haben ein extrem transdisziplinäres<br />

Konzept. Das spiegelt sich nicht nur in den Studienprogrammen wieder, sondern fängt schon beim<br />

Zusammenleben an: Alle Bachelor-Studenten wohnen hier auf dem Campus; dabei achten wir darauf, dass in den<br />

Zweier-Studentenwohnungen immer Studierende verschiedener Studienrichtungen und verschiedener Länder<br />

zusammenkommen. So lernen sie automatisch, über den nationalen und fachlichen Tellerrand hinauszublicken.<br />

Auch für die Professoren gilt das transdisziplinäre Prinzip. In unserem Jacobs Center on Lifelong Learning ist der<br />

demographische Wandel das Hauptthema. Hier können wir auf eine weltweit einmalige Demographiekompetenz<br />

zugreifen. Alle relevanten Disziplinen zum Thema sind bei uns vertreten: Psychologen, Gehirnforscher, Biologen,<br />

Ökonomen und Soziologen. Als Betriebswissenschaftler, wie ich ja einer bin, sollte man das demografische<br />

Thema ganzheitlich betrachten. Das funktioniert hier, weil diese Disziplinen <strong>mit</strong> hervorragenden Forschern vor Ort<br />

vertreten sind.<br />

Erzählen Sie mehr von Ihrer Arbeit im WISE Demographie-Netzwerk.<br />

WISE steht für Weisheit, Innovation, Strategie, Energie und WISE Demographie Netzwerk zielt darauf ab, durch<br />

gemeinsame Forschung und Praxisaustausch für unsere Partnerunternehmen strategische Wettbewerbsvorteile<br />

für den demografischen Wandel zu erarbeiten. Wir treffen uns <strong>mit</strong> Global Playern (z. B. Deutsche Bank, Deutsche<br />

Bahn, Daimler, EADS) halbjährlich für 1,5 Tage, um uns über Demographiethemen auszutauschen. Diese<br />

Großkonzerne sind alle sehr weit in Bezug auf den demographischen Wandel und als Unternehmen <strong>mit</strong><br />

ähnlichem Selbstverständnis und ähnlichen Problemen sehr an einem solchen Austausch interessiert. Alle<br />

Unternehmen, die dem Netzwerk neu beitreten, durchlaufen bei uns eine Zustands- und Bedarfsanalyse: Wo<br />

haben sie Stärken und Schwächen, wo können sie sich besonders gut austauschen? Dann führen wir Best-<br />

Practice-Sharing bei den Unternehmen durch.<br />

Welche speziellen Erkenntnisse zum Thema „Leadership“ gewinnen Sie dabei?<br />

Wir erforschen vor allem „leadership in teams“. Es geht dabei eigentlich immer um Diversity, also die Vielfalt<br />

innerhalb eines Teams, weil im Zuge des demographischen Wandels ja nicht nur die Altersvielfalt zunimmt,<br />

sondern auch die Diversität in Bezug auf Nationalität, Religion, Ausbildungsstand etc. Das alles macht es viel<br />

komplexer für Führungskräfte, überhaupt führen zu können. Immer häufiger kommt es außerdem vor, dass eine<br />

jüngere Führungskraft ältere Mitarbeiter führt. Und da wissen wir aus der Forschung, dass jüngere Führungskräfte<br />

massive Anerkennungsprobleme haben. Wir untersuchen deshalb im Rahmen von zwei Doktorarbeiten zum<br />

Beispiel die „Führung altersgemischter Teams“ in neun Konstellationen: 1. nur Jüngere in einem Team, 2.<br />

gemischte (jung und alt), 3. nur Ältere. Und die Führungskraft dazu ist entweder jung, <strong>mit</strong>telalt oder alt.<br />

Konstellationen also, an denen wir erforschen können: Welche Arten von Führungsstil gibt es? Wie genau kommt<br />

es zu Konflikten? Wie werden Probleme gelöst? Welche Teams sind kreativer, innovativer?<br />

<strong>fgi</strong> news 11 – „<strong>Interview</strong> <strong>mit</strong> <strong>Sven</strong> <strong>Voelpel</strong>”<br />

1<br />

© FischerGroupInternational


Was kommt für Unternehmen dabei heraus?<br />

Das ist eine neue Art der Teamforschung, die wir betreiben. Wir untersuchen immer Teams von fünf Personen,<br />

eine Führungskraft und vier Mitarbeiter. Wir geben den Führungskräften speziell konzipierte Fragebögen, die<br />

Mitarbeiter bekommen andere, ebenfalls spezifisch auf sie zugeschnittene Fragebögen. Pro Team hat man also<br />

immer fünf Datenquellen. Alle Fragen sind immer aufs Team bezogen, nie auf die Individuen. (Bspw.: Wie<br />

funktioniert unser Team? Was macht es aus? Ist es eher energetisch oder langsam?) Dabei kristallisieren sich<br />

rigorose Daten heraus, zum Führungsverhalten, zur Teamzusammengehörigkeit, zur Motivation. Und die braucht<br />

man, da<strong>mit</strong> wir der Führungskraft und den Mitarbeitern wertvolles, differenziertes Feedback geben können.<br />

Wie genau messen Sie denn weiche Werte wie „Motivation“. Und was heißt in diesem Zusammenhang „rigorose<br />

Daten“?<br />

Wir greifen in Studien zur Motivation auf Skalen, Fragebögen und Konstrukte zurück, die in der psychologischen<br />

Literatur und angewandten Betriebswirtschaft schon vielfach getestet sind. Wir nehmen nur die Skalen/<br />

Fragebögen aus den wissenschaftlich fundierten Top-Journals wie Academy of Management Journal. So erhält<br />

man robuste, rigorose Daten.<br />

Es gibt also einen erwiesenermaßen besten Fragebogen dafür, Motivation im Team zu messen – und den nutzen<br />

sie dann?<br />

Genau. – Und noch etwas dazu, wie wir rigorose Wissenschaftlichkeit verstehen: Ich versuche, ein WISE-Team<br />

so zusammenzusetzen, dass wir die motiviertesten Mitarbeiter selektieren und sie dann <strong>mit</strong> den absoluten<br />

Experten auf einem Gebiet zusammenbringen. Unsere Mitarbeiter gehen dann z.B. zwei Monate nach Atlanta, zu<br />

Ruth Kanfer, der Top-Psychologin im Bereich Arbeitsmotivation, oder nach Holland oder Spanien, eben dorthin,<br />

wo in diesem Feld die besten Köpfe sitzen.<br />

Das ist ein Kernprinzip unserer Arbeit: Top-Leute aus der Wissenschaft <strong>mit</strong> denen aus der Praxis und diese<br />

wiederum <strong>mit</strong> dem Nachwuchs zu vernetzen. Das maximiert den Wert für alle.<br />

Akademiker arbeiten bei Ihnen offensichtlich unakademischer als üblich?<br />

Normalerweise sagt man sich als Wissenschaftler: Ich konzentriere mich auf meine Wissenschaft, ich schreibe<br />

Artikel, bleibe introvertiert. Das ist natürlich etwas ganz anderes als auch bei Unternehmen <strong>mit</strong>zuspielen, dort<br />

Vorträge zu halten und überzeugen zu müssen. Dort benötigt man ganz andere Kompetenzen, wie z.B.<br />

Präsentationsskills, Wissen über interne Abläufe oder politische Prozesse. Ich will Teams zusammenstellen, in<br />

denen alle – Forscher, Unternehmensvertreter, übrigens auch Journalisten – hochmotiviert sind und Lust aufs<br />

Transdisziplinäre haben.<br />

Es sind viele Psychologen, Neurologen, Gehirnforscher hier, die sehr präzise und grundlagenorientiert arbeiten.<br />

Diese Arbeitsweise haben wir uns als Betriebswirtschaftler und Organisationsmanager einverleibt. Wir arbeiten<br />

also von der Methode her wissenschaftlich äußerst rigoros, rigoroser als in der normalerweise eher<br />

anwendungsorientierten Betriebswirtschaftslehre üblich. Aber wir bleiben gleichzeitig bei der Praxisrelevanz.<br />

Denn wir wollen für die Unternehmen einen ganz spezifischen Wert schaffen. Die substanziellen<br />

wissenschaftlichen Methoden – und dazu die rigorose Angewandtheit, verbunden <strong>mit</strong> betriebswirtschaftlicher<br />

Denke, das ist in dieser Kombination eine echte Schlagkraft.<br />

Klingt nach einer ziemlichen Herausforderung für Ihr Team ...<br />

Bei den hohen Forschungsansprüchen muss man einerseits unglaublich viel lesen, muss sich methodisch und<br />

statistisch sehr anspruchsvoll einarbeiten, andererseits müssen meine Leute in Unternehmen wie Top-<br />

Unternehmensberater agieren, die die Grundlagenforschung im Unternehmen umsetzen oder zumindest<br />

Vorschläge zur Umsetzung machen. Das ist ein Riesenspagat, den aber alle Mitarbeiter hier wollen.<br />

Sie forschen viel über die Älteren und Alten und was man von ihnen lernen kann …<br />

Das Stereotyp bezogen auf ältere Mitarbeiter ist leider immer noch ein Defizitansatz und lautet: Je älter eine<br />

Person ist, desto weniger kann sie.<br />

<strong>fgi</strong> news 11 – „<strong>Interview</strong> <strong>mit</strong> <strong>Sven</strong> <strong>Voelpel</strong>”<br />

2<br />

© FischerGroupInternational


Das ist nicht so?<br />

Wir haben <strong>mit</strong>tlerweile viel differenziertere Erkenntnisse: Jüngere und Ältere können sich in einem Team<br />

wunderbar ergänzen. Jüngere bringen mehr kreative Ideen, auch wenn viele davon „out of the blue“, nicht<br />

realistisch sind. Ältere bringen weniger, dafür aber realistischere Ideen. Vor allem können sich auch fremde Ideen<br />

viel bisher auf ihren Realisierungsgehalt hin beurteilen. Außerdem haben sie ein größeres, feinmaschigeres<br />

Netzwerk, wissen also besser, wie man Ideen umsetzt. Die Antwort auf die Frage „Wie kann man eine Idee, die<br />

ein Junger bringt, am besten umsetzen?“ lautet also: in altersheterogenen Teams.<br />

Und auf solche Teams muss man verstärkt setzen?<br />

Unbedingt. Das Diversity-Thema hat grundsätzlich ein Riesenpotential, denn dahinter steckt die Idee: Wie setzt<br />

man Teams zusammen, da<strong>mit</strong> sie Höchstleistung bringen, da<strong>mit</strong> die Zufriedenheit aller steigt, da<strong>mit</strong> die<br />

Performance stimmt? Es ist absolut entscheidend, wie man solche Teams zusammen setzt. Organisationen<br />

wissen fast nichts darüber, das muss man so sagen.<br />

Warum wollen Unternehmen bei WISE <strong>mit</strong>machen? Hat das auch <strong>mit</strong> dem Ruf nach lebenslangem Lernen zu tun,<br />

der überall erschallt?<br />

Zunächst mal ist Demographie natürlich ein Top-Thema, das steht auf der Agenda aller Unternehmen. Dazu<br />

kommt, dass ich persönlich enorm viel Energie in das Netz gesteckt habe, in Gespräche, in Überzeugungsarbeit<br />

etc. Ich habe bei den Unternehmen nicht locker gelassen, bis klar war: Wir müssen uns zu diesem wichtigen<br />

Thema besser strukturieren und einer Kooperation auch eine Form geben. So kam es 2007 zur Gründung des<br />

Netzwerks. Seit es diese offizielle Form gibt, werden die Unternehmen immer interessierter, investieren immer<br />

mehr Substanz, Energie und auch Geld, finanzieren zum Beispiel Doktoranden.<br />

Originär haben Wissenschaft und Business natürlich unterschiedliche Interessen, aber wenn man es clever<br />

anstellt, wird beiden Seiten klar, wie riesengroß die Synergieeffekte sind. Unternehmen erhalten vom Jacobs<br />

Center die neuesten Forschungsergebnisse der größten betriebswirtschaftlichen Forschungsgruppe zum Thema<br />

„demographischen Wandel“. Und sie profitieren außerdem von den <strong>mit</strong> anderen großen Unternehmen gemeinsam<br />

erarbeiteten Best-Practices.<br />

Wie entwickeln Sie WISE? Ist das eine lernende Organisation?<br />

Ich arbeite auf der individuellen wie organisationalen Ebene an permanenter Verbesserung. Auch <strong>mit</strong> ziemlich<br />

kreativen Lösungen. Wir haben zum Beispiel <strong>mit</strong> der VU Amsterdam ein Doppel-Ph.D.-Programm etabliert, d.h.:<br />

Bei uns kann man <strong>mit</strong> einem Studium gleichzeitig in zwei Ländern und zwei Studienrichtungen promovieren: in<br />

Betriebswirtschaft und Psychologie.<br />

Etwas anderes: Halbjährlich haben unsere Doktoranden die Chance, vor allen anderen Doktoranden zu<br />

präsentieren. Außerdem laden wir externe Experten für das Thema „Führung in Teams“ dazu, das sind Top-<br />

Forscher, meist aus dem Ausland. Die Doktoranden präsentieren also – und die Gruppe, die externen Experten<br />

und ich geben Feedback. Die ganze Beschäftigung <strong>mit</strong> dem Thema wird seriöser, intensiver, innovativer. Jeder<br />

will den anderen überbieten, zeigen, was er/sie draufhat. Außerdem gehen die Doktoranden natürlich jedes Jahr<br />

auf Konferenzen, ich referiere u.a. seit 2003 jedes Jahr auf der „Academy of Management-Conference“ in den<br />

USA und bin zusätzlich mindestens eine Woche im Jahr in Harvard bei meinen Kooperationspartnern, um<br />

Kontakte warm zu halten und nach meinen vier Jahren in Lehre und Forschung dort jetzt in den gemeinsamen<br />

Projekten weiterzuforschen. Das Lernen hört nicht auf.<br />

Wie sieht es <strong>mit</strong> Ihrem persönlichen Selbstverbesserungskonzept aus? Von wem lernen Sie dazu?<br />

Ich habe mir vorgenommen, jeden Monat eine neue Routine einzuführen, die mich persönlich und/oder<br />

professionell verbessert. Jede Nacht lese ich ein paar Seiten über Persönlichkeitsentwicklung. Neulich Nacht<br />

habe ich etwas über Stimmtraining gelesen und mir direkt danach ein Trainings-Audiotape dazu bestellt. Denn<br />

was ich nicht mache, aber machen sollte, ist – außer mehr zu pausieren auch: langsam zu sprechen, tief zu<br />

sprechen...<br />

<strong>fgi</strong> news 11 – „<strong>Interview</strong> <strong>mit</strong> <strong>Sven</strong> <strong>Voelpel</strong>”<br />

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© FischerGroupInternational


Was kann das noch sein außer Stimmtraining?<br />

Das können Routinen oder Rituale in der Ernährung sein. Ich habe eine bestimmte Frühstücksroutine: Ich<br />

versorge mich ganz früh <strong>mit</strong> vielen Mineralstoffen und Vitaminen, aus z.B. Lein- und Sesamsamen, Müsli, Obst.<br />

Da<strong>mit</strong> schaffe ich eine gute Basis für den ganzen Tag. Denn ich komme oft nicht zum regelmäßigen Essen.<br />

Oder, Sie kennen das Problem: Man ist heute extrem viel und oft abgelenkt, hat offene E-Mails, bekommt<br />

Telefonanrufe, kommt aber nicht zum Eigentlichen. Deshalb empfehlen Zeitmanager „productivity blocks“: Man<br />

teilt den Tag z.B. in vier Blocks ein, macht immer ein-zwei Stunden lang konzentrierte Arbeit, dann eine kurze<br />

Pause, dann weiter. In diesem Sinne habe ich für mich eingeführt, morgens ganz konzentriert und substanziell zu<br />

arbeiten, ohne E-Mails oder sonstige Ablenkung. Sonst schaffe ich die A-Priorität-Arbeit einfach nicht.<br />

Es geht um ganz einfache, aber enorm produktivitätssteigernde Dinge für die Ernährung, für die kognitive<br />

Leistung, natürlich auch für die soziale Interaktion. Mein Tipp: überlegen, welche neue Verhaltensweise mein<br />

Leben am meisten positiv verändern könnte. Diese dann einführen und 30 Tage ganz konsequent durchziehen,<br />

dann ist es eine Routine geworden, dann kostet es keine Energie mehr, sondern schafft neue Energie. Das ist<br />

natürlich nur etwas für Führungskräfte, die wirklich bereit sind, dazuzulernen, die sich selbst verbessern wollen, in<br />

allen Bereichen.<br />

Stimmt es, dass Sie vom Tanzen ziemlich viel halten?<br />

Ich tanze, nicht nur weil Tanzen am meisten Lebensfreude versprüht, sondern gleichzeitig Koordination und<br />

Ausdauer fördert und da<strong>mit</strong> Intelligenz. Plus soziale Interaktion. Plus Regelmäßigkeit. Und dann gibt es natürlich<br />

den Führungsaspekt dabei. Ich habe beim Tanzen mehr über Führung gelernt als in jedem Buch. Man muss sich<br />

<strong>mit</strong> dem Partner und <strong>mit</strong> der Musik vollkommen synchronisieren, verschmelzen, eins werden. Man muss in jedem<br />

Moment absolut präsent sein. Und man muss manchmal ganz deutlich und klar führen, gleichzeitig jedoch ganz<br />

weich und leicht, angepasst auf die jeweilige Situation und Partnerin. Übertragen: Man muss möglichst weich<br />

führen, d.h. gerade genau so hart, dass der Mitarbeiter <strong>mit</strong>geht. Ich würde gern Tanzseminare für Manager<br />

geben.<br />

Heißt das: Auch mal den Kontext wechseln, wenn man etwas über Führung lernen will?<br />

Ich habe im Anschluss an eine Studie – die besagte: Regelmäßige körperliche Bewegung fördert die Intelligenz –<br />

hier an der Uni einmal einen Antrag gestellt auf Anschaffung von Jonglierbällen und einer Klimmzugstange. Und<br />

ich hab mir vorgestellt: Vor jedem Meeting zwei Minuten Bewegung für alle, die zu einem Meeting in mein Office<br />

kommen, dann ist die Durchblutung besser, die Präsenz ist stärker, mehr Geist im Raum, mehr Intelligenz, also<br />

ist das Meeting besser. In der Praxis muss ich das aber noch gegen bürokratische Widerstände realisieren.<br />

Was halten Sie vom Konzept „Leaders as Teachers“?<br />

Es ist einfach so: Wer authentisch lehrt, kann Wissen brillant ver<strong>mit</strong>teln. Und Führungskräfte haben enorm viel<br />

Wissen, was oft unterschätzt wird. Selbst generiertes Wissen weiterzugeben, ist eine perfekte Methode. Auch aus<br />

Kostengründen übrigens: Man muss weniger externe Trainer einstellen. Und es hat einen extrem guten<br />

Selbstlerneffekt: Wer lehrt, lernt selbst mehr. Ich verstehe oft Dinge erst richtig, wenn ich sie lehre.<br />

Ich würde also unbedingt empfehlen, Leaders as Teachers als Konzept in eine Organisation zu integrieren. Aber<br />

natürlich nicht als alleiniges Konzept.<br />

Sie plädieren für Lehr- und Lernvielfalt?<br />

Das habe ich in meinen verschiedenen Lern- und Lehrhintergründen verinnerlicht. Wir sind in Deutschland in der<br />

wissenschaftlichen Lehre ja voll auf Theorien und Konzepte fokussiert. Als anderes Extrem gibt es die Harvard<br />

Business School, da wird ausschließlich über Case Studies gelehrt. Und dann gibt es das, was ich als Professor<br />

an der Business School Netherlands International in den Niederlanden sehr gut kennengelernt habe: das „action<br />

learning“, das nicht theoretisches Wissen in den Vordergrund stellt, sondern primär auf praktischen Anwendungen<br />

basiert. Für mich ist das beste Lehrprinzip: ein Tool-Kit <strong>mit</strong> verschiedenen Lehrmethoden zur Verfügung zu haben<br />

und je nach Situation, Organisation, Kontext die passenden Werkzeuge herauszusuchen und modular zu einem<br />

passenden Gesamtkonzept zusammenzubauen. Ich bin für die Methodenvielfalt: theoretisches Tiefenwissen, das<br />

man praktisch anwendet. Am besten auf reale Fälle.<br />

<strong>fgi</strong> news 11 – „<strong>Interview</strong> <strong>mit</strong> <strong>Sven</strong> <strong>Voelpel</strong>”<br />

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© FischerGroupInternational

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