26-proud-magazine-berlin-2011
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DRRRRROGEN<br />
V<br />
or einiger Zeit, bei einem von<br />
unseren unzähligen Interviews<br />
mit Berliner DJ-Größen, wurde<br />
die Frage gestellt: “Was macht<br />
eigentlich eine gute Party aus?”, die<br />
Antwort des DJs: “Die Pille macht die<br />
Party”. Das war irgendwie unbefriedigend.<br />
Aber Drogen, angefangen bei<br />
Bier und Kippen, bis zu illegalen Substanzen,<br />
sind auch in meinem Bewusstsein<br />
fest im Partykontext verankert<br />
und ausschlaggebend für die<br />
besondere Dynamik, die das “feiern”<br />
vom Alltag unterscheidet.<br />
Feste und in einem gewissen Maß<br />
auch Drogen sind wichtige Katalysatoren<br />
für das Sozialverhalten.<br />
Menschen haben natürlich schon lange<br />
bewusstseinsverändernde Substanzen<br />
eingenommen und Feste gefeierte<br />
bei denen, die im Alltag herrschenden<br />
Konventionen endlich gebrochen werden<br />
dürfen. Trotzdem, irgendwie sind<br />
wir anders.<br />
Berlin hat Standortfaktoren, die das<br />
Erschaffen einer Welt begünstigen, die<br />
sich sehr von ihren Vorgängern unterscheiden.<br />
Das Leben in Berlin ist billig<br />
und es gibt tatsächlich immer eine<br />
Party.<br />
Anders als bei anderen Generationen,<br />
den meisten Ländern und Metropolen,<br />
ist in Berlin das Verhältnis zwischen<br />
Arbeit und Lebensqualität einzigartig<br />
günstig. Was den Berlinern einerseits<br />
große Freiheiten einräumt, andererseits<br />
aber auch ein hohes Maß an Eigenverantwortung<br />
abverlangt, der einige<br />
nicht gewachsen sind. Mit etwas<br />
Geld vom Staat einem Nebenjob und<br />
ein paar Kontakten ist es leicht den<br />
Großteil der Woche zu “verfeiern”.<br />
So werden Feste, die eigentlich Ventil<br />
und Zäsur des Alltags sind, zum Alltag<br />
selbst. Den Reiz der Feste, die alltägliche<br />
Grenzüberschreitung und kritiklose<br />
Selbstverwirklichung ist vor allem<br />
der Einnahme selbstbewusstseinserweiternder<br />
und Angst hemmender<br />
Drogen zu verdanken.<br />
Es wird viel erlebt, man lernt viele<br />
Leute kennen und erzählt Freunden<br />
Dinge, die man ihnen im Alltag nicht<br />
sagt. Die Hemmschwelle für soziale<br />
Interaktionen ist sehr gering, darum<br />
passiert so viel. Aber man feiert mit<br />
gedopter Persönlichkeit.<br />
Es wird im Anderen ein Bild der eignen<br />
Person erzeugt, das selbstständig,<br />
nicht aufrechtzuerhalten ist. Als ich<br />
neulich einen Freund fragte, ob seine<br />
Bekannte immer so schlecht drauf ist,<br />
meinte dieser – “sie lacht nur, wenn sie<br />
feiert”. So entstehen viele oberflächliche<br />
Bekanntschaften, die selten den<br />
Weg in den Alltag schaffen und oft der<br />
eigenen Profilierung dienen.<br />
Das Selbstbewusstsein ist künstlich<br />
und kann den Alltag zwischen den<br />
Festen allmählich nebensächlich oder<br />
gar zur Hölle machen. Bei Feiern werden<br />
die Probleme im gemeinschaftlichen<br />
Konsens ausgeblendet, um die<br />
Atmosphäre nicht zu zerstören.<br />
Es entsteht ein Wettbewerb darum,<br />
wer am ausgiebigsten feiern kann,<br />
ohne dabei seinen Alltag zu stark in<br />
Mitleidenschaft zu ziehen. Oft ist es<br />
dieser Anschein, der Außenstehenden<br />
die Entscheidung zum Konsum so<br />
leicht macht, da die Folgen nicht einzusehen<br />
sind.<br />
Der Übergang zwischen gelegentlichem<br />
Konsum zum festen Bestandteil<br />
des Lebens kann man nicht immer<br />
wahrnehmen. Das Zitat “Wenn man<br />
aufhören kann, will man nicht. Wenn<br />
man aufhören will, kann man nicht.”<br />
trifft hier leider oft genug zu.<br />
Der Einstieg zu härteren Drogen ist<br />
gerade in der Berliner Clubszene sehr<br />
leicht, weil der Konsum inzwischen<br />
ein fester Bestandteil der Feierkultur<br />
geworden ist. Das Bild des Drogensüchtigen<br />
hat sich verändert, Abhängige<br />
verkehren im selben Milieu und<br />
sind nicht mehr die gesellschaftlich<br />
geächteten Junkies aus der Generation<br />
unserer Eltern.<br />
Jeder kennt sich selbst und seinen<br />
Körper natürlich am besten und ein<br />
erhobener Zeigefinger hat in solchen<br />
Fällen noch nie etwas genutzt. Es ist<br />
aber sicher nützlich über das eigene<br />
Konsumverhalten, ob es jetzt Alkohol<br />
oder Härteres ist, zu reflektieren und<br />
die Verknüpfung Party und Drogen etwas<br />
aufzulockern. Im Anschluss wollen<br />
wir über eine der gängigsten Partydrogen<br />
etwas Aufklärung leisten.<br />
20 REPORT<br />
REPORT<br />
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