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- Politik<br />

Oberbürgermeisterin Frau Karin Rätzel Cottbus <strong>de</strong>n 20.10.2005<br />

Am Neumarkt 5<br />

03046 Cottbus<br />

Offener Brief <strong>de</strong>r politischen Jugendverbän<strong>de</strong> an die Oberbürgermeisterin <strong>de</strong>r Stadt Cottbus<br />

Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin,<br />

wir, die politischen Jugendorganisationen <strong>de</strong>r Stadt Cottbus, wen<strong>de</strong>n uns gemeinsam an Sie zu einem<br />

Thema, zu welchem wir gerne von Ihnen nähere Informationen hätten. Als junge, politisch aktive<br />

Bürger haben wir auf vielerlei Art Kontakt mit engagierten Menschen in dieser Stadt.<br />

Von mehreren Seiten erreichte uns jetzt ein Gerücht, das <strong>de</strong>r Aufklärung bedarf.<br />

Diese Vorwürfe besagen, dass Sie gegen die in Cottbus publizierte Zeitschrift „Blicklicht“ vorgegangen<br />

wären. Sie als Oberbürgermeisterin bzw. Teile <strong>de</strong>r Verwaltung sollen versucht haben, auf<br />

Vereine und Institutionen in Cottbus Druck auszuüben, damit diese die Unterstützung für die „Blicklicht“<br />

aufgeben.<br />

Hierbei ist die Re<strong>de</strong> von <strong>de</strong>r Androhung, dass finanzielle Zuwendungen durch die Stadt an die betreffen<strong>de</strong>n<br />

Vereine und Institutionen gestrichen wer<strong>de</strong>n sollen, wenn diese sich nicht von <strong>de</strong>r „Blicklicht“<br />

abwen<strong>de</strong>n sollten.<br />

Wir kennen die „Blicklicht“ als eine unabhängige und kritische Zeitung, die es sich zur Aufgabe<br />

gemacht hat, die Zusammenarbeit zwischen Studieren<strong>de</strong>n und Einwohnern <strong>de</strong>r Stadt Cottbus zu<br />

för<strong>de</strong>rn. Sie dient auch <strong>de</strong>r Unterstützung <strong>kultur</strong>eller Aktivitäten in unserer Stadt und versteht sich<br />

als Plattform <strong>de</strong>r freien Kommunikation für alle Bürger. Dass in diesem Zusammenhang oft auch<br />

kritische Artikel o<strong>de</strong>r ungekürzte Leserbriefe veröffentlich wer<strong>de</strong>n, ist uns bekannt.<br />

Eine solche Plattform stärkt nach unserer Auffassung die Meinungsfreiheit und -vielfalt unserer<br />

Stadt. Gera<strong>de</strong> diese sind nun mal die Grundlagen unserer <strong>de</strong>mokratischen Gesellschaft.<br />

Daher wäre die Einflussnahme auf dieses Magazin ein mehr als unwürdiger Versuch, die Meinungsfreiheit<br />

zu beschnei<strong>de</strong>n.<br />

Doch Gerüchte bedürfen <strong>de</strong>r Aufklärung, um Fakten zu wer<strong>de</strong>n. Einige klären<strong>de</strong> Worte von Ihnen<br />

könnten hilfreich sein, um keinerlei Missverständnisse bei uns o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r „Blicklicht“ aufkommen zu<br />

lassen.<br />

In Erwartung Ihrer Antwort verbleiben wir mit freundlichen Grüssen,<br />

Junge Union Cottbus, PDS-Jugend Cottbus, Junge Liberale Cottbus, Grüne Jugend Cottbus, Jusos<br />

Cottbus.<br />

Die politische Ecke mit Carmen Dosse<br />

Thema in diesem Monat: Partizipation<br />

Demokratie steht für Herrschaft <strong>de</strong>s Volkes und ist durch<br />

das Majoritätsprinzip bestimmt. Dieses besagt, dass Entscheidungen<br />

von <strong>de</strong>r Mehrheit <strong>de</strong>r Bevölkerung getroffen<br />

wer<strong>de</strong>n. Aus diesem Grund ist ein wichtiges Prinzip<br />

<strong>de</strong>mokratischer Gesellschaften die politische Partizipation.<br />

Darunter versteht man die möglichst unmittelbare<br />

Beteiligung, Teilhabe bzw. Einbindung <strong>de</strong>r Bürgerinnen<br />

und Bürger an politischen Entscheidungs- und Willensbildungsprozessen.<br />

Dazu gehören nicht nur die Wahlen<br />

zum <strong>de</strong>utschen Bun<strong>de</strong>stag. Son<strong>de</strong>rn auch bekannte<br />

Referendumsformen wie die Volksabstimmung und die<br />

Volksbefragung. Diese Instrumente benutzt man z.B.<br />

in Österreich, um über ein Gesetz zu entschei<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r<br />

eine grundlegen<strong>de</strong> Verfassungsän<strong>de</strong>rung legitimieren<br />

zu können. Das Resultat <strong>de</strong>r Abstimmung ist bin<strong>de</strong>nd.<br />

Aber auch die Mitwirkung <strong>de</strong>r Arbeitnehmer in einem<br />

Unternehmen ist ein plebiszitäres Mittel. Der freie<br />

Zugang zu Informationen ist dabei die Voraussetzung<br />

für einen öffentlichen, meinungsbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Diskurs. Da<br />

bei <strong>de</strong>r Masse an Bevölkerung dieses Vorhaben nicht<br />

ausschließlich durch Meinungsfreiheit, Pressefreiheit<br />

usw. geregelt wer<strong>de</strong>n kann, sind im letzten Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

überlokale politische Parteien entstan<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>n „all-<br />

gemeinen Volkswillen“ repräsentieren.<br />

In Deutschland heißt Partizipation auf Bun<strong>de</strong>sebene<br />

Volksentscheid. Jedoch wer<strong>de</strong>n die Bürger <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik<br />

nur im Falle einer Neuglie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgebietes<br />

aufgerufen ihre Stimme abzugeben. Dies<br />

besagt Artikel 29 <strong>de</strong>s Grundgesetztes. Darüber hinaus<br />

gibt es das Volksbegehren und <strong>de</strong>n Volksentscheid in<br />

allen Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn. In <strong>de</strong>n Kommunen spricht man<br />

vom Bürgerbegehren und von <strong>de</strong>m Bürgerentscheid.<br />

Das Subsidiaritätsprinzip besagt, dass Aufgaben dort<br />

bewältigt wer<strong>de</strong>n sollen, wo sie entstehen. So sind die<br />

Bürger, aber nicht alle Einwohner, einer kommunalen<br />

Gebietskörperschaft wie die <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>, <strong>de</strong>s Landkreises<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Bezirkes in <strong>de</strong>r Lage, über ein lokales<br />

Problem zu entschei<strong>de</strong>n. Auch hier das Resultat<br />

bin<strong>de</strong>nd und kommt somit einem Gesetzesbeschluss<br />

gleich. Im Voraus muss allerdings über die Notwendigkeit<br />

<strong>de</strong>s Bürgerentscheids abgestimmt wer<strong>de</strong>n. Deshalb<br />

muss in einem Bürgerbegehren „von unten“ mit<br />

einer Unterschriftensammlung <strong>de</strong>r Wahlberechtigten<br />

ein bestimmtes Quorum erreicht wer<strong>de</strong>n, welches von<br />

Bun<strong>de</strong>sland zu Bun<strong>de</strong>sland unterschiedlich ist. Auf <strong>de</strong>r<br />

an<strong>de</strong>ren Seite kann <strong>de</strong>r Entscheid auch durch eine Parlamentsmehrheit<br />

„von oben“ in einem Ratsbegehren<br />

bestimmt wer<strong>de</strong>n.<br />

Plebiszitäre Elemente in einer Demokratie wer<strong>de</strong>n unterschiedlich<br />

bewertet. Es gibt wie immer ein Für und<br />

Wi<strong>de</strong>r. In einigen Staaten, wie z. B. in <strong>de</strong>r Schweiz, wer<strong>de</strong>n<br />

Volksentschei<strong>de</strong> mit großem Erfolg praktiziert. In<br />

einigen US-Staaten entschei<strong>de</strong>n die Bürger sogar über<br />

finanzielle Mittel. Eine Metho<strong>de</strong>, die in Deutschland<br />

völlig un<strong>de</strong>nkbar wäre. Und doch haben die Erfahrungen<br />

dieser Län<strong>de</strong>r gezeigt, dass das Volk durchaus in<br />

<strong>de</strong>r Lage ist, vernünftig zu entschei<strong>de</strong>n. Schließlich geht<br />

es <strong>de</strong>r Mehrheit nicht um Ruhm, Prestige o<strong>de</strong>r sonst<br />

welche intrinsischen Motivatoren. Die finanziellen Desaster<br />

durch Fehlentscheidungen blieben in <strong>de</strong>r Folge<br />

aus, die Mittel wur<strong>de</strong>n effizient eingesetzt. Auch <strong>de</strong>m<br />

Grundgesetz wür<strong>de</strong> ein Referendum nicht entgegenwirken.<br />

Artikel 20 Grundgesetz sieht „Abstimmungen“<br />

grundsätzlich, d.h. es gibt Ausnahmen, vor. Zu<strong>de</strong>m för<strong>de</strong>rt<br />

es die Autonomie <strong>de</strong>r Bürger, die sich nicht nur<br />

zuweilen von <strong>de</strong>r Parteipolitik ungenügend vertreten<br />

fühlen, son<strong>de</strong>rn auf diesem Weg auch gedrängt wer<strong>de</strong>n,<br />

sich mit politischen Themen auseinan<strong>de</strong>r zu setzen und<br />

selbst dazu aufgefor<strong>de</strong>rt sind, zu han<strong>de</strong>ln. Zu<strong>de</strong>m können<br />

auf diese Weise Lösungen für unpopuläre Themen<br />

erzwungen wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>nn Lobbyismus o<strong>de</strong>r wechseln<strong>de</strong><br />

Parlamentsmehrheiten wer<strong>de</strong>n überwun<strong>de</strong>n. Das Volk<br />

wird zur Übernahme von Verantwortung aufgefor<strong>de</strong>rt.<br />

Damit wird die Demokratie gestärkt und die Zufrie<strong>de</strong>nheit<br />

im Volk gesichert.<br />

Jedoch gibt es Kritiker, die immer wie<strong>de</strong>r behaupten,<br />

ein Volk sei nicht in <strong>de</strong>r Lage wichtige Entscheidungen<br />

richtig zu treffen. Es fehle an Sachverstand und Kompetenz.<br />

Doch viele Berufsparlamentarier haben auch<br />

nie eine Vorlesung in Ökonomie besucht, stimmen aber<br />

über Haushaltskonsolidierung ab. Weitere populistische<br />

Meinungen führen an, dass <strong>de</strong>r Bürger seine Entscheidung<br />

nach <strong>de</strong>r momentanen Gefühlslage träfe o<strong>de</strong>r er<br />

durch die Medien zu stark manipuliert wür<strong>de</strong>, was das<br />

Ergebnis verzerre. Als wären wir alle Holzköpfe und<br />

benötigen einen Vormund. Nein, hier sehe ich keine<br />

Gefahren. Aber die Möglichkeiten <strong>de</strong>s Missbrauchs sind<br />

Furcht einflößend. Immerhin könnte das Parlament<br />

<strong>de</strong>n Kopf aus <strong>de</strong>r Schlinge ziehen und strittige Gesetze<br />

direkt verabschie<strong>de</strong>n lassen. Die Bun<strong>de</strong>sbürger müssen<br />

im Anschluss mit <strong>de</strong>m Finger auf sich zeigen lassen,<br />

während die „Elite“ sich gegenseitig auf die Schultern<br />

klopft und sagt, die haben es ja nicht an<strong>de</strong>rs gewollt.<br />

Um Lösungen zu fin<strong>de</strong>n, ist dieses Vorgehen etwas zu<br />

leicht gedacht. Der pluralistische Gedanke wird dabei<br />

vergessen, d.h. Min<strong>de</strong>rheiten wer<strong>de</strong>n nicht berücksichtigt<br />

und es könnte sich ein Hang zu extremen Meinungen<br />

herausbil<strong>de</strong>n, da keine Alternativen angeboten<br />

wer<strong>de</strong>n. Denn schließlich wird ein Volksentscheid mit<br />

Ja o<strong>de</strong>r Nein beschlossen. Außer<strong>de</strong>m soll es schon Fälle<br />

gegeben haben, in <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>r Erfolg <strong>de</strong>r Abstimmung<br />

beeinträchtigt wur<strong>de</strong>, in<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Termin ungünstig gelegt<br />

(z.B. während <strong>de</strong>r Sommerferien) o<strong>de</strong>r die Anzahl<br />

<strong>de</strong>r Wahllokale verringert wur<strong>de</strong>. Das ist nicht gera<strong>de</strong><br />

bürgerfreundlich und obendrein auch suspekt: In <strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>utschen Entwicklungspolitik sind Partizipationsmöglichkeiten<br />

ein Kriterium für die Höhe <strong>de</strong>r Spen<strong>de</strong>ngel<strong>de</strong>r.<br />

Aber im eigenem Land will man nicht hören, was<br />

die Bevölkerung zu sagen hat. An dieser Stelle können<br />

sich die Deutschen etwas von <strong>de</strong>n Bayern abgucken.<br />

Hier fin<strong>de</strong>t man sehr einfache Regelungen für die Bürgerentschei<strong>de</strong><br />

und hier ist die Anzahl <strong>de</strong>r jährlichen<br />

Entschei<strong>de</strong> weit aus höher als in allen an<strong>de</strong>ren Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>rn.<br />

Und was auf keinen Fall vergessen wer<strong>de</strong>n<br />

darf: Sicher hat nicht je<strong>de</strong>r Bürger <strong>de</strong>n Drang sich zu<br />

engagieren. Aber die Möglichkeit zur Partizipation ist<br />

immer noch ein wirksames Mittel gegen Politikverdrossenheit.<br />

Man kann nieman<strong>de</strong>n zwingen zu han<strong>de</strong>ln,<br />

aber in einer gesun<strong>de</strong>n Demokratie hat die Politik die<br />

Pflicht Handlungsmöglichkeiten bereit zu stellen.

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