Informationen - Kunstsammlungen der Veste Coburg
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Die<br />
lust<br />
an <strong>der</strong> Lasterung<br />
Bildpolemik zur Zeit <strong>der</strong> Reformation<br />
„D. Andreas Bodenstein,<br />
sonst Calrstadt, auch<br />
Nachbar An<strong>der</strong>s“,<br />
Bildnis mit Darstellung eines<br />
Bil<strong>der</strong>sturms, um 1630/60,<br />
Radierung<br />
Streitende „Flacianer“<br />
Detail von einem<br />
Geschutzrohr, 1570/71<br />
„Nuhn muß es ja<br />
gewan<strong>der</strong>dt sein…“,<br />
Spottblatt auf die<br />
Vertreibung <strong>der</strong><br />
protestantischen<br />
Prediger aus Böhmen,<br />
um 1620, Kupferstich<br />
(Ausschnitt)<br />
Mit Beginn <strong>der</strong> Gegenreformation gewann auch die<br />
antireformatorische Bildpropaganda an Boden, blieb aber<br />
sowohl an Umfang und Schärfe hinter den Maßnahmen <strong>der</strong><br />
Reformation zurück. Sie konzentrierte sich in erster Linie auf<br />
Angriffe gegen Martin Luther, dem sie Unaufrichtigkeit<br />
vorwarf o<strong>der</strong> einfach nur Fress- und Sauflust unterstellte.<br />
Die auf Andreas Bodenstein gen. Karlstadt zurückgehende<br />
Bil<strong>der</strong>stürmerei wurde von <strong>der</strong> gegenreformatorischen<br />
Propaganda des 17. Jahrhun<strong>der</strong>t im Machtbereich <strong>der</strong><br />
römischen Kirche gelegentlich auch dazu benutzt,<br />
gewalttätiges und brutales Vorgehen gegen Reformierte zu<br />
rechtfertigen.<br />
Die Verächtlichmachung von Reformatoren kam aber auch<br />
aus den eigenen Lager, nachdem sich die Bewegung noch<br />
zu Luthers Lebzeiten in verschiedene Richtungen aufgespalten<br />
hatte. Der fundamentalistische Lutheraner Matthias Flacius<br />
beispielsweise fand sich als Spottfigur auf einer durch Kurfürst<br />
August von Sachsen gegossenen Kanone wie<strong>der</strong>, von <strong>der</strong> nur<br />
noch ein einziges Exemplar in <strong>Coburg</strong> existiert.<br />
Zugleich mit dem Entstehen <strong>der</strong> Toleranzidee im 16.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t entfaltete sich ein breitenwirksamer, polemisch<br />
geführter Bil<strong>der</strong>streit, <strong>der</strong> von Lästerung, dem Transport von<br />
Klischees und dem Schüren von Vorurteilen geprägt war.<br />
Die Ausstellung gibt anhand von Exponaten aus den Beständen<br />
<strong>der</strong> <strong>Kunstsammlungen</strong> <strong>der</strong> <strong>Veste</strong> <strong>Coburg</strong> einen Einblick in die<br />
Artikulation von Meinungsgegensätzen in Bil<strong>der</strong>n. Sie zeigt<br />
auch Beispiele von in Bildklisches geronnenen Vorurteilen<br />
(Juden, Muslime, Wie<strong>der</strong>täufer). Vor dem Hintergrund aktueller<br />
Debatten um Toleranz und Blasphemie, <strong>der</strong> „Lust an <strong>der</strong><br />
Lästerung“ (Gerd Schwerhoff), lohnt sich ein Blick in die<br />
Geschichte.<br />
Son<strong>der</strong>veranstaltung zum Abschluss <strong>der</strong> Ausstellung im Rahmen<br />
<strong>der</strong> <strong>Coburg</strong>er Museumsnacht am 7. September: "Lästern mit<br />
Luther" - Derbe Sprüche des Reformators, präsentiert und<br />
erläutert von Rolf-Bernhard Essig, musikalisch ins Szene gesetzt<br />
von Franz Tröger in <strong>der</strong> Lutherkapelle <strong>der</strong> <strong>Veste</strong>.<br />
14. Juni bis<br />
8. September 2013<br />
Öffnungszeiten: täglich 9.30 – 17 Uhr<br />
Luthers Eintritt in die<br />
Hölle, Egbert II van<br />
Heemskerck (aktiv in<br />
London 1686-1744)<br />
Gemälde<br />
Genf, Internationales<br />
Museum <strong>der</strong><br />
Reformation<br />
„Disputation“ zwischen<br />
Luther und Calvin über<br />
den Verzehr von Fleisch<br />
und Fisch,<br />
unbekannt, um 1580,<br />
lavierte Fe<strong>der</strong>zeichnung<br />
<strong>Veste</strong> <strong>Coburg</strong>, D - 96450 <strong>Coburg</strong><br />
Tel. 09561/ 879-0 . Fax 879-66 . Info-Tel. 879-79<br />
e-mail: sekretariat@kunstsammlungen-coburg.de<br />
www.kunstsammlungen-coburg.de<br />
www.facebook.com/kunstsammlungen.coburg<br />
Die Lust an <strong>der</strong> Lasterung
Die<br />
an <strong>der</strong> Lasterung<br />
lust<br />
Bil<strong>der</strong> spielten im Zeitalter <strong>der</strong><br />
Glaubenskämpfe eine wichtige Rolle.<br />
Zum einen setzte sich Martin Luther<br />
kritisch mit dem Bildgebrauch <strong>der</strong> Kirche<br />
auseinan<strong>der</strong> und entwickelte eigene<br />
Bildtypen, die seiner neuen Lehre<br />
beson<strong>der</strong>s entsprachen, zum an<strong>der</strong>en<br />
benutzten sowohl Lutheraner als auch<br />
Papisten Bil<strong>der</strong>, um einan<strong>der</strong> zu kritisieren<br />
o<strong>der</strong> mit Spott zu überhäufen.<br />
Flugblatt „Das Münich<br />
und Pfaffen Gaid…“,<br />
Erhard Schoen und Hans Sachs:<br />
um 1525-40 (Ausschnitt)<br />
Flugblatt gegen den<br />
Gebrauch <strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> im<br />
katholischen Ritus,<br />
Tobias Stimmer, 1576<br />
(Ausschnitt)<br />
Bäuerin mit brütendem<br />
Dominikaner,<br />
Hans Weiditz,<br />
um 1520/30, Holzschnitt<br />
Die in Fluglätter verbreiteten Bildsatieren wurden häufig von<br />
ausführlichen, mitunter sehr komplexen theologischen o<strong>der</strong><br />
kirchenpolitischen Kommentaren begleitet.<br />
Titelbild:<br />
Spottblatt auf<br />
die katholische<br />
Geistlichkeit,<br />
Mathius Gehring,<br />
um 1500-1568,<br />
Holzschnitt, koloriert<br />
(Ausschnitt)<br />
Wenige Jahre nach Luthers Thesenanschlag 1517 und kurz<br />
nach dem Erscheinen seiner Schrift „Von <strong>der</strong> Freiheit eines<br />
Christenmenschen“ 1520 begann <strong>der</strong> Kampf für und gegen<br />
die Reformation mit dem Mittel <strong>der</strong> Bildpropaganda.<br />
Begünstigt wurde die bildliche Auseinan<strong>der</strong>setzung mit<br />
An<strong>der</strong>sdenkenden durch das neue Medium <strong>der</strong> Druckgraphik,<br />
die, was ihre Verbreitungsgeschwindigkeit und oft auch ihre<br />
Anonymität betrifft, für die damalige Zeit so etwas war wie<br />
heute das Internet.<br />
Die reformatorische Bildpolemik bediente sich anfangs auch<br />
einiger bereits aus dem Mittelalter bekannten Motive, etwa<br />
des Bildes <strong>der</strong> auf dem Weg ins Höllenfeuer befindlichen<br />
Würdenträger <strong>der</strong> Kirche. Luthers „Passional Christi und<br />
Antichristi“, zu dem Cranach papstkritische Illustrationen<br />
beisteuerte, basierte auf einer Vorstellung von einem<br />
Wi<strong>der</strong>sacher Christi, wie sie schon im Neuen Testament<br />
nie<strong>der</strong>gelegt war.<br />
„Abbildung des Bapsttum“,<br />
Wittenberg, um 1535/55<br />
„Die Messe, von<br />
Füchsen gehalten“,<br />
antiklerikales Flugblatt,<br />
16. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
(Ausschnitt)<br />
Sehr schnell erweiterte sich im Kampf um den „richtigen“<br />
Glauben das bildliche Vokabular um Motive <strong>der</strong> Lästerung<br />
des Papstes, <strong>der</strong> Bischöfe und des Mönchtums, und ließ den<br />
Willen zur Verunglimpfung und Beleidgung in drastischen<br />
Formen erkennen. Verwünschungen, Zoten, Tiervergleiche<br />
und Fäkalien kamen ins Spiel.<br />
„Lutherus triumphans“,<br />
Spottblatt auf den<br />
Papst und den Klerus,<br />
1569, Radierung (Ausschnitt)<br />
Die Gegenreaktion von katholischer Seite ließ zunächst auf<br />
sich warten. Anfangs konnte die römische Kirche, auch an<br />
Orten, die sich bereits <strong>der</strong> Reformation angeschlossen hatten,<br />
noch gegen die papstfeindliche Bildpropaganda vorgehen,<br />
indem sie Drucker und Verleger vor Gericht zur Verantwortung<br />
ziehen ließ. Das Mittel <strong>der</strong> Zensur verlor aber im Deutschland<br />
<strong>der</strong> Reformation bald an Wirksamkeit.<br />
Bildpolemik zur Zeit <strong>der</strong> Reformation