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Profil Artikel 29.11.2010

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nachfolgende Stelle in angeblicher Wahrung des<br />

Ansehens derJustiz bemüht hat, die vorausgegangenen<br />

Fehler zu decken, und dabei neue Fehler<br />

setzte",sagte Kupferblum vor dem Untersuchungsrichter.<br />

Nach einemJahr Haft wurde Kupferblum<br />

auf Weisung des Staatsanwalts einem psychiatrischen<br />

Gutachter vorgeftihrt: Friedrich Stumpfl,<br />

Nationalsozialist der ersten Sfunde, Rassen- und<br />

Erbtleoretiker des NS-Regimes, ein Mann, dem<br />

seine antisemitische Einstellung auch nach 1945<br />

nicht geschadet hatte. Noch in den achtzigerJahren<br />

sagte Stumpfl, er habe ,,ftir die NS-Zeit nicht<br />

das geringste schlechte Gewissen".<br />

Stumpfls Expertise lautete ,,Querulanz". Die<br />

Familiengeschichte von Kupferblum gab er geradezu<br />

dummdreist wieder: I]ber Kuoferblums Vater,<br />

der 1942 lnPolen ermord"t *ord.r, waq hielt<br />

er fest, er sei ,,1942 gefallen". Kupferblums Flucht<br />

vor der NS-Vernichtungsmaschinerie beschrieb<br />

er mit den Worten: ,,Schon der Ausbruch des<br />

Weltkrieges hat ihn aus der Bahn geschleudert. (...)<br />

Immer wieder gelang es ihm, vorübergehend in<br />

dem Wirbel des Geschehens Fuß zu fassen."<br />

Rassentheorien, Besonders interessiert war<br />

Stumpfl am ursprünglichen Vermögen der Kupferblums,<br />

recht verärgert, dass sich der Klient<br />

nicht an die exakte Zahl d.es Viehbestands erinnern<br />

konnte (,,weicht der Zahl, der Rinder aus").<br />

Kupferblums Studien wertete er verächdich als<br />

,,leeres Gerede oder Selbstbespiegelung". Schließlich<br />

hätte doch der weitere Lebensweg ,,seine wahren<br />

Motive eindeutig enthüllt". Der ,*Angeklagte",<br />

wie er Kupferblum konsequentitulierre, obwohl<br />

dieser nicht angeklagt war, ,,scheint auch hier ausschließlich<br />

seine eigenen Interessen im Auge gehabt<br />

zu haben". Als Kupferblum angab, er habe<br />

sich im ersten Jahr in Palästina mit einer kleinen<br />

Entenzucht über Wasser gehalten, drehte ihm der<br />

NS-Arzt sogar daraus noch einen Strick: ,,Auch<br />

dieses Hobby wirft wieder, wie hinzugeftigt werden<br />

darf, ein Licht auf die Motivationen und Interessen<br />

des Angeklagten, der sich offenbar vorwiegend<br />

darauf beschränkte, möglichst rasch und<br />

ohne besondere Anstrengung und Arbeit möglichst<br />

viel zu verdienen. Nämlich Motive rein materieller<br />

und geschäftlicher Natur."<br />

Stumpfl kam zu dem wenig überraschenden<br />

Schluss, dass ,,solche Menschen keinen Grund sehen,<br />

auf andere Rüclaicht zu nehmen. Sie sind geistesgegenwärtig<br />

und scharf in ihrer Argumentation<br />

nnd imsande, einen StreitvomZaw zu brechen,<br />

nur um zu beweisen, dass sie Recht haben."<br />

Am 2 l. August 1957 wurde das Verfahren gegen<br />

Kupferblum eingestellt, versehen mit der Drohung,<br />

dass er, würde er an seinen Behauptungen festhalten,<br />

jederzeit wieder inhaftiert werden könne.<br />

Eine Haftentschadigung hat Gerszon Kupferblum<br />

nie erhalten. Von einer Entschuldigunganz<br />

zu schweigen.<br />

r<br />

,,lch fühle mich immer fremd"<br />

Regisseur Markus Kupferblum über das komplizierte Leben<br />

seines Vaters, den Antisemitismus in österreich und seinen<br />

kreativen Umgang mit Depressionen.<br />

Jl<br />

lofil: Ihre jüngste Theaterproduk- halb in Wien kein Geld frir deine Projekte,<br />

weil du einJude bist." Ich wei-<br />

I- rion nägt den Titel ,,Antwort auf<br />

einen ungeschriebenen Brief'. Wer gere mich, das zu glauben, Diese Argumentation<br />

stimmt einfach nicht.<br />

antwortet da eigendich wem?<br />

Kupfelblum: Ich antworte meinem Vater<br />

aufeinen Brief, den er nie geschrie-<br />

Jude, es gab und gibt in Wien immer<br />

Sogar der Staatsoperndirektor war<br />

ben hat. Das Stück war eine romantische<br />

Idee; ich habe 2007 den Nestroy- habe nie von mir behauptet, ich sei ein<br />

Juden in wichtigen Positionen. Ich<br />

Preis gewonnen, da bekommt man jüdischer Regisseur. Ich habe ja nie erplizit<br />

jüdische Themen behandelt.<br />

30.000 Euro ftir eine Produkion. Weil<br />

mein Vater heuer seinen 100. Geburtstag<br />

gehabt hätte, wollte ich ihm dieses Vaters Sie geprägt?<br />

profil: Wie hat die Geschichte Ihres<br />

Geld symbolisch schenken und ein Kupferblum: Ich habe ein qpisches Second-Generation-Trauma:<br />

Ich sitze<br />

Stück über sein Leben machen.<br />

profil: Das Leben Ihres jüdischen Vaters<br />

verlief nicht unkompliziert, er war mal bei bestimmten öffendichen Dis-<br />

immer auf Koffern und habe manch-<br />

in einen Justizskandal verwickelt. kursen große Angst. Mein Vater hat<br />

Kupferblum: Er hat diesen Skandal ein Gewehr in die Hand nehmen können,<br />

um gegen die Nationalsozialisten<br />

vomZaw gebrochen, ohne es zuwollen,<br />

Mir ist wichtig, dass diese Geschichte<br />

noch einmal in Erinnerung ten Generation sehen den Feind ein-<br />

im Krieg zu kimpfen. Wir in der zwei-<br />

gerufen wird, weil die Wunde bis heute<br />

besteht. Mein Vater wurde nie re-<br />

profil: Sie haben Ihr Stäck in Israel<br />

fach nicht so deutlich vor uns.<br />

habilitiert, es gab und gibt keine offizielle<br />

Enschuldig*g. Natürlich muss genommen?<br />

uraufgeftihrt, wie wurde es dort aut-<br />

man sehen, wie schwierig es in Österreich<br />

nach 1945 war: Es gab 350.000 fingen Zuschauer danach an, von ii-<br />

Kupferblum: Als wir in Akko spielten.<br />

Parteimitglieder der NSDAP. Was ren Vätern zu erzählen. Meine größte<br />

macht man mit diesen Menschen? Angst war ja, selbstrnideidig oder sentimental<br />

zu wirken. Ich wollte keinen<br />

Man musste versuchen, sie in die Gesellschaft<br />

zu integrieren. Natürlich erzählt<br />

mein Stück eine private Geschen<br />

über ihre eigenen Väter nach-<br />

Seelenstriptease hinlegen. Wenn Menschichte,<br />

aber es geht mir auch darum, zudenken beginnen, dann habe ich gewonnen<br />

- wenn sie nur über meinen<br />

Fragen über die Rechtsstaadichkeit zu<br />

stellen. Wie ist man in den ff.infziger nachdenken, bin ich gescheiten.<br />

Jahren mit den ehemaligen Nazis und profil: War der Besuch der Clounschule<br />

in Paris ftir Sie seinerzeit ein<br />

mit den Juden umgegangen? Die alten<br />

Ressentiments waren ia noch immer<br />

da. Das sieht man sehr gut anhand Kupferblum: Ich war ein sehr erwach-<br />

Befreiungsversuch?<br />

der Geschichte meines Vaters. senes und ernsthaftes Kind, erst in der<br />

profil: Haben Sie diese Ressentiments Clownschule habe ich begonnen, lebendig<br />

zu sein. Mit 16 wusste ich alles.<br />

ie mitbekommen?<br />

Kupferblum: Man kriegt den Antisemitismus<br />

in diesem Land immer zu profil: Die meisten Clowns sind aber<br />

seitdem werde ich immer blöder.<br />

spüren. Ich war sechs, als mein Vater depressiv.<br />

starb, bin aber relativ behütet aufgewachsen,<br />

nur der Direktor meiner Menschen, die Probleme haben und<br />

Kupferblum: Clowns sind normale<br />

Mittelschule war ein SS-Obersturmbannftihrer<br />

- ich bin deshalb bei der Clown denk, es ist die einzige Möe-<br />

diese eben auf ihre Art lösen. Der<br />

D eutsch-Matura durchgefallen. lichl

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