24.04.2014 Aufrufe

Menschen, Masken, Charaktere

Menschen, Masken, Charaktere

Menschen, Masken, Charaktere

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Kindern im Publikum, auf die es Sidah Karya besonders abgesehen<br />

hat. Der weißhaarige Charakter verlangt eine Gabe vom Hohenpriester.<br />

Lachend und singend segnet er die <strong>Menschen</strong>, versprengt heiliges<br />

Wasser und streut chinesische Münzen und gelben Reis unter die<br />

erfreuten Zuseher. Am Ende seines Auftritts stürmt er ins Publikum<br />

und schnappt sich ein Kind, das er auf die Bühne holt, um es dort<br />

von den Göttern segnen zu lassen, bevor er wieder – mit einer kleinen<br />

Gabe- verschwindet.<br />

Nach diesem Tanz endet die Vorstellung und der Darsteller bleibt<br />

endgültig hinter dem Vorhang, wo er sein verschwitztes Kostüm<br />

ablegt. Er erhält ein besonderes Geschenk, das er gemeinsam mit<br />

den <strong>Masken</strong> in seinen Familientempel nach Hause bringt. Üblicherweise<br />

wird ein Darsteller bezahlt, es sei denn, er hat eine besondere<br />

Beziehung zu dem Dorf oder dem Tempel und weiht seine Vorstellung<br />

den Göttern. Seine oberste Pflicht ist es, der Zeremonie zu<br />

dienen. Bei heiligen Zeremonien hat er den gleichen Status wie ein<br />

Priester.<br />

Die Menschliche Komödie<br />

Commedia dell’Arte<br />

Etwa zur gleichen Zeit wie das Topeng auf Bali entstand in Europa<br />

eine Theaterform, die eigentlich völlig gegensätzliche Wurzeln hat.<br />

Diese wurde nicht in einem Königspalast geboren und in den friedlichen,<br />

heiligen Tempelanlagen inmitten tropischer Gärten aufgeführt,<br />

sondern draußen auf der übervölkerten, schmutzigen Straße, auf den<br />

Plätzen, mitten im Lärm und im Geschrei der armen Leute, auf die<br />

die Könige und die Geschichte vergessen haben. So haben sie sich<br />

eben ihre eigenen Geschichten gemacht und sich auch gleich „professionell“<br />

genannt, obwohl die meisten Schauspieler weder lesen<br />

noch schreiben konnten, die Commedia dell’Arte.<br />

Die Geburt der Neugier<br />

Als sich in der Renaissance das Selbstverständnis des <strong>Menschen</strong><br />

wandelte und die fixen, „gottgegebenen“ Werte des Mittelalters durch<br />

neue Ideen ersetzt wurden, fand dieser Umbruch seine Entsprechung<br />

natürlich auch in der Kunst. Nicht mehr Gott stand im Mittelpunkt<br />

des menschlichen Strebens, sondern der Mensch selbst, seine Ratio,<br />

sein Körper und sein Geist.<br />

Die Maler stellten die <strong>Menschen</strong> nicht länger als Ikonen dar, sondern<br />

malten ihre Modelle mit ihren subjektiven anatomischen Formen wie<br />

Muskeln, Gesichtszügen und jeglichen Körperrundungen; aber auch<br />

das Wechselspiel zwischen Licht und Schatten und die Gesetze der<br />

Perspektive wurden malerisch festgehalten. Da war es dann wohl<br />

auch kein Zufall, dass gerade damals die Ölfarbe erfunden wurde,<br />

aus dem Bedürfnis heraus, dem <strong>Menschen</strong> den gebührenden Glanz<br />

zu verleihen.<br />

Die Musiker spielten neue Tonarten auf neuen Instrumenten und<br />

die mittelalterlichen Minnesänger wurden durch neue Formen des<br />

lyrischen Gesangs ersetzt. Bereits 1519 hat Elisabetta Gonzaga mit<br />

dokumentiertem Erfolg einen Sterbemonolog der Elissa (Dido) mit<br />

Instrumentalbegleitung vorgetragen, der den historischen Ursprung<br />

der Oper darstellt.<br />

Der Mensch entdeckte sich selbst und feierte sich als selbstständiges,<br />

schöpferisches, lebendiges Wesen. Er überwand seine Fremdbestimmtheit<br />

und begründete aus seiner erwachten Neugier die modernen<br />

Wissenschaften, den Rationalismus, die Reformation, den Geldhandel,<br />

eine neue Architektur und er machte sich auf, fremde Kontinente<br />

zu entdecken. Die mittelalterlichen Strukturen wurden aufgebrochen,<br />

neue Berufe entstanden, die Städte erblühten, und viele<br />

Landbewohner suchten dort neue Chancen und Herausforderungen.<br />

Der Mensch entwickelte ein neues Selbstbewusstsein gegenüber der<br />

weltlichen Herrschaft und dem Einfluss der Kirche. Das Verhältnis<br />

von Stand und Individualität wurde neu gefasst und gesellschaftliche<br />

Eliten, wie jene des streitbaren Ritters, verkamen zu Bildern einer<br />

überwundenen Vergangenheit.<br />

Das Theater erfand, als Spiegel der Gesellschaft, seine eigene Revolution.<br />

Auf der einen Seite wurden die Griechischen Tragödien und<br />

Komödien der Antike wieder entdeckt, die aus dem Arabischen<br />

zurück ins Altgriechische übersetzt wurden, und man delektierte sich<br />

an allzu menschlich handelnden Göttern, um den Schock der Inquisition<br />

im Namen eines richtenden Gottes abzuschütteln – und bereitete<br />

dadurch den Boden für die Reformation. Auf der anderen Seite<br />

lieferte der rasante gesellschaftliche Umbruch täglich neue Themen<br />

für Komödien. Aufschneider, Emporkömmlinge, bauernschlaue Diener,<br />

dekadente, überkommene Adelige, eitle Lebemänner, abgetakelte<br />

Ritter, falsche Professoren und natürlich deren Damen, die mit<br />

und durch ihre Geliebten ganz hoch hinaus wollen, bilden die fröhlich<br />

leuchtenden Steinchen im Kaleidoskop der neuen Gesellschaft in den<br />

Städten – vor allem der italienischen – Renaissance.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!