Im Blickpunkt - Lebenshilfe Rhein Sieg
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BLICKPUNKT<br />
Inklusion in der Schule<br />
<strong>Im</strong> <strong>Blickpunkt</strong>: Inklusion in der Schule<br />
Das gemeinsame Lernen von<br />
Schülern mit und ohne Behinderungen<br />
ist das Ziel der Landesregierung<br />
NRW. Dabei soll die Förderung in<br />
den allgemeinen Schulen der Regelfall<br />
werden, der Unterricht in Förderschulen<br />
auf Wunsch der Eltern aber<br />
weiterhin möglich bleiben. Zahlreiche<br />
Erfahrungen aus den vergangenen<br />
Jahren haben gezeigt, dass dieses<br />
gemeinsame Lernen sowohl Vorteile<br />
für die Lernentwicklung der Kinder<br />
und Jugendlichen mit Behinderungen<br />
als auch - vor allem im sozialen<br />
Bereich - Schülern ohne Behinderungen<br />
hat.<br />
Seit 2010 versucht die Schulaufsicht,<br />
wo immer ein gemeinsamer<br />
Unterricht möglich ist, dem Wunsch<br />
der Eltern nachzukommen, die für ihr<br />
Kind mit sonderpädagogischem<br />
Förderbedarf einen Platz im gemeinsamen<br />
Unterricht wünschen. Seither<br />
ist auch bei uns, der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Rhein</strong><br />
<strong>Sieg</strong> e.V., der Anteil der von uns<br />
begleiteten Schülern mit Behinderungen<br />
an Regelschulen angestiegen.<br />
Damit die Inklusion der<br />
Schüler/innen mit Behinderung im<br />
gemeinsamen Unterricht sowie die<br />
Teilhabe am Unterricht an Förderschulen<br />
gelingt, bietet der Ambulante<br />
Soziale Dienst der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Rhein</strong>-<br />
<strong>Sieg</strong> seit einigen Jahren Integrationshilfen<br />
an, die Kinder mit erhöhtem<br />
Unterstützungsbedarf in den<br />
Schulen und Kindergärten begleiten.<br />
Die Schul- und Kindergartenbegleiter<br />
unterstützen die Kinder und<br />
Jugendlichen mit Behinderung dabei<br />
ihren besonderen Bedürfnissen in<br />
Bezug auf Lernen, Mobilität,<br />
Verhalten, Kommunikation, grundpflegerischer<br />
Versorgung und<br />
Alltagsbewältigung entsprechend<br />
nachzukommen.<br />
Aus dem Leben eines Schulbegleiters<br />
Mein fast normaler<br />
Arbeitstag<br />
Um 8:00 Uhr betrete ich den<br />
Klassenraum und nach einem kurzen<br />
Plausch mit der Lehrerin frage<br />
ich, ob heute Unterricht nach<br />
Stundenplan ist oder ob es Änderungen<br />
geben wird. Um 8:15 Uhr hole<br />
ich meinen Schüler Tobias an der<br />
Pforte ab. Tobias ist 8 Jahre alt und<br />
hat frühkindlichen Autismus. Seine<br />
verbale Kommunikation ist<br />
schwach, deshalb verständige ich<br />
mich neben der Sprache auch<br />
Mithilfe von Symbolen und<br />
Piktogrammen. Wir gehen gemeinsam<br />
zum Klassenzimmer und ich<br />
begleite ihn bei den ersten Ritualen,<br />
wie Jacke ausziehen und an seinen<br />
Kleiderhaken hängen, seine Brotdose<br />
auspacken und in die Küche bringen.<br />
Gegen 8:30 Uhr beginnt der<br />
Unterricht. Wir treffen uns in einem<br />
Stuhlkreis. Jetzt beginnt ein anstrengender<br />
Teil meiner Aufgabe.<br />
Stillsitzen kann Tobias nicht gut, er<br />
ist ein wahrer Zappelphilipp und ich<br />
muss ihn oft ermahnen. Nach dem<br />
Stuhlkreis geht es weiter mit den<br />
unterschiedlichen Fächern - wie an<br />
jeder Regelschule auch. Montags beispielsweise<br />
gehen wir in den<br />
Gymnastikraum, wo wir mit<br />
Bewegungsspielen anfangen.<br />
Um 10:00 Uhr ist Frühstückspause.<br />
Tobias hat diese Woche<br />
Tischdeckdienst und ich helfe ihm<br />
dabei. Nach dem Frühstück können<br />
die Schüler sich für 20 Minuten frei<br />
in der Schule und auf den<br />
Pausenhöfen bewegen. Ich achte darauf,<br />
dass Tobias nicht wegläuft oder<br />
verbotene oder gefährliche Sachen<br />
unternimmt. Der Mittelblock sieht<br />
arbeiten am Tisch in der Klasse vor.<br />
Hier unterstütze ich Tobias beim<br />
Lernen. Ich erkläre ihm die<br />
Arbeitsblätter und versuche ihn mit<br />
Verstärkern (erst arbeiten - dann<br />
spielen) bei Laune zu halten.<br />
Da ich an einer Ganztagsschule<br />
arbeite, gibt es montags bis donnerstags<br />
ein Mittagessen. Tobias isst nur<br />
wenige ausgesuchte Speisen. Die<br />
bereite ich ihm in unserer Küche zu.<br />
Während Tobias mit den anderen<br />
Kindern isst, mache ich Pause und<br />
ziehe mich zurück. Um 13:30 Uhr<br />
beginnt die große Pause und auf den<br />
Fluren und Höfen spielen alle<br />
Kinder ausgelassen und überwiegend<br />
friedlich miteinander. Tobias spielt<br />
lieber für sich und ich schaue ihm<br />
zu. Von 14:00 Uhr bis 15:30 Uhr<br />
steht Kunst auf dem Stundenplan<br />
und wir schneiden, kleben oder<br />
basteln Schönes. Auch hier braucht<br />
Tobias meine Unterstützung.<br />
Langsam wird er müde und es wird<br />
Zeit nach Hause zu gehen. Das tun<br />
wir dann auch, Punkt 15:30 Uhr,<br />
wenn der ersehnte Gong ertönt.<br />
Meine Arbeit macht mir große<br />
Freude. Ich erlebe täglich wie Tobias<br />
mit meiner Unterstützung am<br />
Schulalltag teilnehmen kann und<br />
sich weiterentwickelt. Hier hat er die<br />
Möglichkeit andere Kinder an sich<br />
heranzulassen und aus seiner autistischen<br />
Isolation herauszutreten.<br />
von Andrea Werner,<br />
Schulbegleiterin<br />
4 Newsletter 40 l Juli 2013