PDF mit schwulem Schwerpunkt - Löwenherz
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oder FPÖ. Er spricht die Korruption im Lande<br />
Kärnten an – das sich unter Haider gerne als<br />
Musterländle im politisch verkarsteten Österreich<br />
gerierte und im Grunde noch viel schlimmer<br />
ist als die anderswo kritisierten Zustände.<br />
Diese Chuzpe erzürnt Winker zusätzlich.<br />
Ihm ist bewusst, dass es nicht ausreicht,<br />
die Schuldigen und in Korruption Verwickelten<br />
zur Verantwortung zu ziehen. Es bedarf eines<br />
Schlussstrichs, eines Umdenkens in Kärnten.<br />
Und dahin gehend will er auch seine Salzburger<br />
Rede verstanden wissen: um etwas in seinem<br />
Heimatland zu bewegen – auch wenn es tief<br />
im Sumpf steckt und <strong>mit</strong> der bisherigen Personage<br />
an der Spitze nicht mehr dort rauskommt.<br />
Er hält eine donnernde Philippika – in der Hoffnung,<br />
etwas zum Besseren zu verändern.<br />
Wenn man nun in der Zeit zurückgeht, so hat<br />
Josef Winkler Kärntner Zustände schon immer<br />
kritisiert. Man denke an »Das wilde Kärnten«<br />
- die frühe Trilogie, in deren Mittelpunkt der<br />
gemeinsame Selbstmord von zwei Burschen<br />
steht, die im Kärnten der 70er Jahre keine<br />
Zukunft für ihre Liebe sehen. Die damals<br />
romanhaft verpackte Gesellschaftskritik zielte<br />
nicht auf Konkretes, sondern die allgemeinen<br />
Zustände, die so etwas möglich machten.<br />
Stark rieb sich Winkler an der übermächtigen,<br />
Furcht erregend patriarchalen Figur des eigenen<br />
Vaters, sah sich auch in den eigenen homoerotischen<br />
Impulsen bedroht und nutzte Reisen<br />
quer über den ganzen Globus zur Flucht aus<br />
dem als verpfuscht angesehenen Verhältnis<br />
zum Vater und aus dem unrettbar in politischer,<br />
religiöser und ideologischer Rückständigkeit –<br />
ja Rückwärtsgewandtheit - verbliebenen Heimatlandes.<br />
Mit Büchern wie »Das Zöglingsheft<br />
des Jean Genet«, »Natura morta« oder »Domra«<br />
trat er die Flucht nach vorn an – weg vom Vater,<br />
weg von Kärnten. Mit »Roppongi« - im fernen<br />
Japan – hat Winkler dann einen Punkt erreicht,<br />
von dem aus er es wieder wagt, sich <strong>mit</strong> dem<br />
harten Vater und der eigenen Vertriebenheit<br />
aus Furcht vor ihm auseinanderzusetzen – die<br />
Rückwärtsbewegung setzt ein. Denn ewig auf<br />
der Flucht zu sein bedeutet, irgendwie nicht<br />
vom Fleck zu kommen, die Probleme dauerhaft<br />
nicht zu lösen.<br />
Nun ist Josef Winkler <strong>mit</strong> »Wenn wir den Himmel<br />
sehen wollen, müssen wir donnern helfen«<br />
wieder in der Kärntner Wirklichkeit angekommen.<br />
Nachdem er <strong>mit</strong> seinem Vater abgerechnet<br />
hat, scheut er nun auch nicht mehr die<br />
Mächtigen in Kärnten. Er nutzt seinen Bekanntheitsgrad<br />
als Bachmann-Preisträger, spricht die<br />
Missstände unerschrocken an, kritisiert unsanft<br />
den in die Skandale verstrickten Landeshauptmann<br />
Dörfler, findet <strong>mit</strong><br />
seiner geharschten Kritik<br />
auch allgemein Gehör –<br />
selbst wenn er sich da<strong>mit</strong><br />
in Kärnten nicht beliebt<br />
macht.<br />
Ebenfalls jetzt erschienen<br />
ist ein Frühwerk von Josef<br />
Winkler <strong>mit</strong> dem Titel<br />
»Wortschatz der Nacht« -<br />
dieses Buch zeigt uns –<br />
anders als »Wenn wir den<br />
Himmel sehen wollen, müssen wir donnern<br />
helfen« - einen introspektiven, jungen Winkler.<br />
Quasi als Kontrast zum heutigen, hoch politischen<br />
Winkler. Innerhalb weniger Nächte hatte<br />
Winkler 1979 in einer Art »Wortwirbelsturm«<br />
hundert Seiten rauschhafter Prosa zu Papier<br />
gebracht. Hier – ein anderes Leitmotiv in Winklers<br />
Werk – kommt die Auseinandersetzung <strong>mit</strong><br />
dem Sterben, dem Tod, dem Zerfall zum Tragen.<br />
Das morbide Element ist überaus zentral im<br />
Werk Winklers. Hierzu empfehle ich gerne die<br />
nach wie vor lieferbare, glänzende Monographie<br />
von Dirck Linck über Winklers Frühwerk <strong>mit</strong><br />
dem Titel »Halbweib und Maskenbildner« - 1993<br />
in der inzwischen eingestellten Reihe »Homosexualität<br />
und Literatur« erschienen. Darin werden<br />
Aspekte wie »Totenmasken«, der Tod an sich,<br />
»Liebestod«, Selbstmord, Sünde und Bilder der<br />
Gewalt eingehend behandelt. In diesen Motivzusammenhang<br />
lässt sich nunmehr auch »Wortschatz<br />
der Nacht« einordnen, auch wenn das<br />
morbide Motiv hier durch einen erhebenden<br />
Grundton gebrochen wird: die Todesfurcht nämlich<br />
– egal ob als Sehnsucht, Schrecken oder<br />
Faszination – kann den Autor anspornen, ein<br />
Werk nach dem anderen zu verfassen. Insofern<br />
trifft das Paradoxon zu: der Tod – oder die Angst<br />
davor - macht lebendig, indem sie das Leben<br />
zum Fortschritt, zur Flucht nach vorn antreibt.<br />
Die beiden neu erschienenen Bücher von Josef<br />
Winkler - »Wenn wir den Himmel sehen wollen,<br />
müssen wir donnern helfen« zum einen und<br />
»Wortschatz der Nacht« zum anderen - verbinden<br />
zwei Antipoden im Werk Winklers und<br />
insofern auch zwei grundverschiedene Phasen<br />
seines Schaffens. Mit beiden kann man Winkler<br />
sehr gut kennen lernen. Und selbst für den<br />
Kenner bedeuten beide Bücher Begegnungen<br />
<strong>mit</strong> dem Autor.<br />
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