Materialien zur Geschichte der Juden aus Wawern - Mahnmal Trier
Materialien zur Geschichte der Juden aus Wawern - Mahnmal Trier
Materialien zur Geschichte der Juden aus Wawern - Mahnmal Trier
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Willi Körtels<br />
<strong>Materialien</strong> <strong>zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> <strong>aus</strong> <strong>Wawern</strong><br />
1
impressum<br />
Willi Körtels<br />
<strong>Materialien</strong> <strong>zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> jüdischen Gemeinde <strong>Wawern</strong><br />
Konz im September 2013<br />
Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors<br />
2
Inhaltsanagabe<br />
1 Vorwort 4<br />
2 Schulprojekt „Jüdische Kultur im Raum Konz“ 1987 5<br />
3. Geburtsurkunden 21<br />
4 Namenslisten<br />
Jüdische Einwohner in <strong>Wawern</strong> um 1930 23<br />
Jüdische Familien um 1930 26<br />
Aus <strong>Wawern</strong> stammend 29<br />
Ins Ausland Geflohene 30<br />
5. Antisemitische Übergriffe in <strong>Wawern</strong> 33<br />
6. Berufe 35<br />
7. Deportationen <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> <strong>aus</strong> <strong>Wawern</strong> 36<br />
8. Opfer <strong>der</strong> Schoa <strong>aus</strong> <strong>Wawern</strong> 38<br />
9. Überlebende <strong>aus</strong> <strong>Wawern</strong> 39<br />
10 Familienanzeigen im „Aufbau“ mit Bezug zu <strong>Wawern</strong> 40<br />
11 Fotos 43<br />
12. Bericht über die ehemaligen jüdischen Gemeinden in 45<br />
<strong>der</strong> <strong>Trier</strong>ischen Landeszeitung vom 6.11.1973<br />
13. Erinnerung an die ehemaligen jüdischen Gemeinden an 46<br />
<strong>der</strong> Saar im „Aufbau“ vom 1.2.1974<br />
14. Die jüdische Schule <strong>Wawern</strong> 46<br />
15. Der <strong>Trier</strong>er Oberrabbiner Joseph Kahn 1809-1875. 53<br />
Eine biographische Skizze<br />
Rezension von Fritz Hofmann, Dortmund 158<br />
Leo Baeck: An die Leser, 1932 135<br />
16. Fragebogen <strong>zur</strong> Erinnerungskultur 160<br />
17. Rückblick auf ein Jahrzehnt <strong>der</strong> Gedenkarbeit des 162<br />
För<strong>der</strong>vereins ehemalige Synagoge Könen e.V.<br />
18. Quellen [<strong>Wawern</strong>] 168<br />
19. Fotonachweis 169<br />
20. Quellen und Literatur <strong>zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> in <strong>der</strong><br />
Region Konz-<strong>Trier</strong><br />
169<br />
3
Vorwort<br />
Die jüdische Gemeinde <strong>Wawern</strong> gehört zu den ältesten Gemeinden<br />
in <strong>der</strong> Region Konz. Sie ragt <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Vielzahl jüdischer<br />
Gemeinden insofern her<strong>aus</strong>, als sie wie die Gemeinde<br />
Thalfang einen Rabbiner hervorgebracht hat. Es handelt sich<br />
in <strong>Wawern</strong> um den Oberrabbiner Joseph Kahn 1809-1875 und<br />
in Thalfang um den Reformrabbiner Samuel Hirsch 1815-<br />
1889. Beide Personen fanden günstige familiäre Bedingungen<br />
vor, die ihren Lebensweg prägten. Während <strong>der</strong> Vater von<br />
Joseph Kahn <strong>der</strong> jüdische Lehrer in <strong>Wawern</strong> war, verfügte <strong>der</strong><br />
Vater von Samuel Hirsch als Viehhändler - für damalige Verhältnisse<br />
- über ungewöhnliche Sprachkenntnisse: er konnte<br />
die Thora in Hebräisch lesen. Beiden Dorfkin<strong>der</strong>n gelang <strong>der</strong><br />
Zugang <strong>zur</strong> Universität über die Talmudschule und beson<strong>der</strong>en<br />
Fleiß. Die Erfahrung von Toleranz im dörflichen Miteinan<strong>der</strong><br />
hatte ebenso Einfluss auf ihre Berufung, denn beide lobten in<br />
ihren späteren Schriften die Menschlichkeit ihrer Heimatdörfer<br />
und empfahlen diese größeren Kommunen als Vorbild. Gemeinsam<br />
studierten sie an <strong>der</strong> Bonner Universität und wurden<br />
dort Freunde fürs Leben. Während Joseph Kahn Oberrabbiner<br />
von <strong>Trier</strong> wurde, bekleidete Samuel Hirsch Rabbinerstellen in<br />
Dessau, in Luxemburg und in Philadelphia in den USA.<br />
Im Vergleich zu Thalfang fehlt in <strong>Wawern</strong> ein Buch über die<br />
jüdische Gemeinde, obwohl wertvolle Vorarbeiten geleistet<br />
sind: die Restauration <strong>der</strong> ehemaligen Synagoge, ein Lehrpfad<br />
<strong>zur</strong> jüdischen <strong>Geschichte</strong>, ein Aufsatz über die Reichspogromnacht,<br />
ein Betrag über die jüdische Schule, eine Biographien<br />
über Marianne Elikan-Reusch, den Oberrabbiner Joseph Kahn<br />
und über die Familie Hirschkorn. Die Vor<strong>aus</strong>setzungen für<br />
eine umfassende <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> von <strong>Wawern</strong> sind also<br />
recht günstig.<br />
Diese Materialsammlung will dazu beitragen, dass ein Buch<br />
über die <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Wawern</strong>er <strong>Juden</strong> entsteht.<br />
4
Schulprojekte zum Thema „Jüdische Kultur im Raum<br />
Konz“. Beitrag <strong>zur</strong> Festschrift des Gymnasiums Konz 2013<br />
Im zweiten Jahr meiner Pensionierung erreichte mich kurz vor<br />
Pfingsten des Jahres 2012 ein Brief des Schulleiters Herrn<br />
OSTD Paul Weirich, ob ich bereit und willens sei, einen Beitrag<br />
zu einer geplanten Festschrift zum vierzigjährigen Jubiläum<br />
des Gymnasiums Konz zu verfassen.<br />
Ich dachte unmittelbar an Projekte, die ich mit Kollegen o<strong>der</strong><br />
allein geplant und <strong>aus</strong>geführt hatte. In lebendiger Erinnerung<br />
geblieben waren mir zwei Projekte zum Thema „<strong>Juden</strong>tum im<br />
Raum Konz“, das eine im Schuljahr 1987/88 und das an<strong>der</strong>e<br />
im Schuljahre 2009 veranstaltet.<br />
Das erste Projekt hatte ich zusammen mit dem Kollegen<br />
OSTR Helmut Stoll vorbereitet und in die Tat umgesetzt, das<br />
zweite betreute ich allein. Während sich das erste Projekt an<br />
die Klassenstufe 12 richtete, wurde das zweite für die Jahrgangsstufe<br />
9/10 angeboten. Zwischen dem Jahre 1987 und<br />
2009 hatten sich die Vor<strong>aus</strong>setzungen grundlegend geän<strong>der</strong>t.<br />
Im Jahre 1987 fehlte noch eine Sprache, um über das Thema<br />
<strong>Juden</strong>tum in <strong>der</strong> Region reden zu können. Insofern betraten<br />
wir in dieser Zeit Neuland. Dies hatte sich 2009 weitgehend<br />
geän<strong>der</strong>t, weil in <strong>der</strong> Öffentlichkeit mehr o<strong>der</strong> weniger regelmäßig<br />
die regionale <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> thematisiert worden<br />
war. Dabei spielte die Zeitung eine zentrale Rolle. Die unterschiedliche<br />
Ausgangssituationen bedingte spezifische Methoden<br />
<strong>der</strong> Projektarbeit. So dominierten im Projekt von 1987 die<br />
Schülerinnen und Schüler, die in den Dörfern mit ehemals<br />
jüdischer Bevölkerung selbst Zeitzeugen aufsuchten und <strong>der</strong>en<br />
Berichte in die Projektarbeit einbrachten. Um die jüdischen<br />
Friedhöfe, Synagogen und Wohnhäuser in Augenschein zu<br />
nehmen, suchten wir mit Hilfe eines Kleinbusses die Zeugnisse<br />
jüdischer Kultur auf und fotografierten diese. Aus dem<br />
zusammengetragenen Material erstellten wir eine ca. dreißigseitige<br />
Schrift, die reißenden Absatz fand.<br />
5
Das Projekt von 2009 orientierte sich am Thema „<strong>Geschichte</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Juden</strong> von Konz“. Bekannt war zu diesem Zeitpunkt, dass<br />
es eine jüdische Gemeinde in Konz mit Synagoge und Friedhof<br />
gegeben hatte. In <strong>der</strong> Martinstraße waren bereits Stolpersteine<br />
für zwei ermordete jüdische Frauen verlegt worden<br />
und die Übersetzung <strong>der</strong> hebräischen Inschriften auf dem jüdischen<br />
Friedhof in Konz hatte Pastor Georg Dehn im Pfarrbrief<br />
<strong>der</strong> Pfarrgemeinde St. Nikol<strong>aus</strong> veröffentlicht.<br />
Im Lehrplan des Faches Religion des Gymnasiums war das<br />
Thema „<strong>Juden</strong>tum“ wie die an<strong>der</strong>en Weltreligionen zu verbindlichen<br />
Themen erklärt worden, nachdem das Zweite Vatikanische<br />
Konzil von 1962-65 eine positive Wertung aller<br />
Weltreligionen <strong>aus</strong>gesprochen hatte und die Synode von<br />
Würzburg in den siebziger Jahren sich dem Verhältnis <strong>der</strong><br />
Christen zum Holoc<strong>aus</strong>t angenommen hatte. In den Klassenstufen<br />
5 bis 10 sollte jede <strong>der</strong> großen Religionen einmal<br />
behandelt werden. Mit dem Thema „<strong>Juden</strong>tum“ und dem Holoc<strong>aus</strong>t<br />
sind an<strong>der</strong>e Unterrichtsfächer wie Deutsch, <strong>Geschichte</strong>,<br />
Fremdsprachen und Sozialkunde ebenfalls befasst.<br />
1. Projekt „Jüdische Zeugnisse im Raum Konz“ 1987<br />
Vor<strong>aus</strong>gegangen war dieser ersten Projektwoche am Gymnasium<br />
Konz ein Studientag des gesamten Kollegiums in <strong>der</strong><br />
Klostermühle in Herl. Nach gründlicher Abwägung aller Vorund<br />
Nachteile dieser ungewohnten Unterrichtsform „Projekttage“<br />
wurde ein erster Versuch zu Beginn des Schuljahres<br />
1987/88 gestartet.<br />
Unserer Projektidee lag <strong>der</strong> Wunsch zugrunde, die ehemalige<br />
jüdische Kultur im Raum Konz kennen zu lernen. Ausgangspunkt<br />
waren die jüdischen Zeugnisse in Konz und seinem<br />
Umland. Deswegen bildete eine Rundfahrt über Oberemmel,<br />
<strong>Wawern</strong> und Könen, den zentralen Orten mit jüdischer Bevölkerung<br />
in <strong>der</strong> Vergangenheit, am ersten Projekttag die<br />
Grundlage für die weitere Arbeit. Schüler/Schülerinnen und<br />
die Projektleiter konnten sich vor Ort ein Bild machen und<br />
6
umfangreiche Eindrücke und Kenntnisse <strong>zur</strong> Erstellung <strong>der</strong><br />
nachfolgenden Dokumentation erwerben. Die Bürgermeister<br />
<strong>der</strong> genannten Orte unterstützten unsere Nachforschungen.<br />
Wichtige Informationen lieferten uns einzelne Zeitzeugen, die<br />
uns ihre Erfahrungen und ihr Wissen <strong>aus</strong> ihrer Kindheit, die<br />
die Zeit des Nationalsozialismus war, mitteilten. Das Landeshauptarchiv<br />
Koblenz gewährte uns exemplarisch Einsicht in<br />
den Alltag des dörflichen <strong>Juden</strong>tums im Raum Konz. Beson-<br />
Projektteilnehmer auf dem jüdischen Friedhof Oberemmel<br />
<strong>der</strong>s freuten wir uns über die Bereitschaft von Herrn Norbert<br />
Hirschkorn, einem ehemaligen jüdischen Bewohner <strong>aus</strong> <strong>Wawern</strong>,<br />
mit uns in <strong>der</strong> <strong>Trier</strong>er Synagoge über seine Erfahrungen<br />
zu sprechen. Mit großem Engagement verfassten die Schülerinnen<br />
und Schüler eine dreißigseitige Dokumentation, die<br />
erstmals in Wort und Bild über die jüdische Kultur im Raum<br />
Konz informiert. Das Material, das wir erarbeiteten, wurde im<br />
7
Waghalsige Forschertätigkeit an <strong>der</strong> ehemaligen Synagoge <strong>Wawern</strong><br />
Gymnasium Schülern und Eltern vorgestellt sowie mehrere<br />
hun<strong>der</strong>tmal in kopierter Form weitergegeben. Der <strong>Trier</strong>ische<br />
Volksfreund berichtete am 17./18. Oktober 1987 über unser<br />
Projekt unter <strong>der</strong> Über-schrift „Projektwoche führte Schüler<br />
des Gymnasiums in die jüdische Vergangenheit des Konzer<br />
Raums. Dokumentation über Kapitel <strong>der</strong> jüngeren deutschen<br />
<strong>Geschichte</strong> regt zum Nachdenken an.“ Unsere Ergebnisse<br />
wurden kurze Zeit später in <strong>der</strong> Presse verwendet, um an die<br />
Reichspogromnacht 1938 zu erinnern. Die Christlich-Jüdische<br />
Gesellschaft in <strong>Trier</strong> honorierte unsere Arbeit mit einem Preis.<br />
8
Am 27. Januar 1997 präsentierten wir die Ergebnisse unserer<br />
Projektarbeit anlässlich einer Gedenkfeier für die Opfer des<br />
Holoc<strong>aus</strong>t im Landesmuseum Mainz.<br />
Teilnehmende Schülerinnen/Schüler:<br />
Andreska, Bettina<br />
Bamberg, Uwe<br />
Bredin, Bernd<br />
Cremer, Dorothe<br />
Fech, Elke<br />
Schichel, Ute<br />
Schiefer, Petra<br />
Schmitt, Sonja<br />
Schmitz, Martina<br />
Schreier, Sandra<br />
9
Stinner, Ute<br />
Wei<strong>der</strong>t, Jürgen<br />
Projektleiter:<br />
OSTR Helmut Stoll<br />
OSTR Willi Körtels<br />
Projektergebnisse zu <strong>Wawern</strong>:<br />
a. Die Synagoge von <strong>Wawern</strong><br />
Am frühen Vormittag erreichen wir das n einem Flussbett<br />
gelegene Weindorf <strong>Wawern</strong>. In <strong>der</strong> Saarburgerstraße bietet<br />
sich uns dann aber gleich ein ernüchterndes Bild.<br />
Die alte, historisch bedeutsame Synagoge befindet sich in<br />
einem erbarmungswürdigen Zustand. Das Gebäude, 8 mal<br />
10m große Grundfläche, 10 m Firsthöhe, hat ein billiges Eternit-Satteldach,<br />
was so gar nicht zu dem gut erhaltenen Sandsteingemäuer<br />
passen will. Die Fenster- und die Türöffnungen<br />
lassen durch ihre Rundbogenform zwar noch einen sakralen<br />
Bau erkennen, sind jedoch nur provisorisch mit schäbigen<br />
Brettern verschlagen. An zwei <strong>der</strong> Fenster entdeckten wir noch<br />
Reste einer ehemals kunstvollen Gestaltung. Auch am nur<br />
noch zum Teil erhaltenen Holzportal finden sich eingeschnitzte<br />
Säuen und Ornamente. Der gesamte Bau macht auf alle,<br />
trotz des schlechten Zustandes, einen harmonischen Eindruck<br />
aufgrund seiner symmetrischen Glie<strong>der</strong>ung. Gestört wird das<br />
Bild durch ein an <strong>der</strong> Seite her<strong>aus</strong>gebrochenes Tor, dem eines<br />
<strong>der</strong> beiden Fenster weichen musste. Lediglich <strong>der</strong> Rundbogen<br />
ist noch erhalten. Vervollständigt wird dieser unerfreuliche<br />
Anblick noch durch eine an dem Tor befestigte Tafel mit <strong>der</strong><br />
Aufschrift: „Warnung vor dem Hunde“ sowie zwei mit Farbe<br />
aufgeschmierte Hakenkreuze, die man zu überstreichen versucht<br />
hat.<br />
10
Die Rückseite <strong>der</strong> Synagoge ist folgen<strong>der</strong>maßen geglie<strong>der</strong>t: In<br />
<strong>der</strong> Firstachse eine schlichte Holztür, etwas höher, links und<br />
rechts davon, zwei kreisrunde Fensteröffnungen und im Giebel<br />
ein Rundbogenfenster. Auch hier, wie an allen Seiten des Gebäudes,<br />
sind die Öffnungen in etwas hervorspringenden, bearbeiteten<br />
Sandstein gefasst.<br />
Erschreckend war für uns alle, dass <strong>der</strong> Hundezwinger direkt<br />
an <strong>der</strong> Rückseite aufgestellt ist. Bei einer früheren Besichtigung<br />
durch die Projektleiter befand sich <strong>der</strong> Hund sogar in <strong>der</strong><br />
Synagoge.<br />
Trotz dieser uns drohenden Gefahr wagen einige Schüler sich<br />
in das Innere des Baues. Außer einer schlecht erhaltenen<br />
Wandbemalung lässt sich wenig von <strong>der</strong> ehemaligen Funktion<br />
erkennen. Das viele Gerümpel deutet darauf hin, dass <strong>der</strong> Besitzer<br />
die Synagoge als Werkstatt und Abstellraum benutzt.<br />
13
„Ein würdiger Zweck eines ehemals heiligen Bauwerkes?“<br />
14
Wie kam es so weit…?<br />
Um das her<strong>aus</strong>zufinden, befragten wir den Bürgermeister und<br />
führten ein Gespräch mit einem ehemaligen jüdischen Bürger<br />
<strong>aus</strong> <strong>Wawern</strong>. Erste Zeugnisse jüdischer Kultur sind in <strong>Wawern</strong><br />
Ende des 18. Jahrhun<strong>der</strong>ts nachzuweisen. Die Synagoge wurde<br />
1840 von in den im Ort lebenden jüdischen Bürgern <strong>aus</strong> eigenen<br />
Mitteln erbaut, was auf eine gute finanzielle Lage schließen<br />
lässt.<br />
Im Jahre 1935 zählte die jüdische Gemeinde 47 Seelen. Sie betrieben<br />
vor allem Viehhandel; es gab aber auch einen Drechsler<br />
sowie einen weiteren Handwerker.<br />
Die ehemals jüdischen Häuser standen in unmittelbarer Nähe<br />
<strong>der</strong> Synagoge. Im H<strong>aus</strong> Nr. 19 zum Beispiel befand sich ein<br />
Lebensmittelgeschäft sowie eine Drechslerei, die vermutlich<br />
von <strong>der</strong> gleichen Familie betrieben wurde.<br />
Auch das heutige H<strong>aus</strong> Nr. 21 gehörte ehemals einer jüdischen<br />
Familie, ist aber, wie fast alle jüdischen Häuser, nicht mehr in<br />
seinem ursprünglichen Zustand.<br />
Zum religiösen Leben:<br />
An jedem Freitagabend wurde ein Gottesdienst abgehalten,<br />
den <strong>der</strong> Vorsteher <strong>der</strong> Gemeinde leitete. Bei Beerdigungen,<br />
Hochzeiten und hohen Feiertagen kam <strong>der</strong> Rabbiner <strong>aus</strong> <strong>Trier</strong>.<br />
Die Leichname <strong>der</strong> Verstorbenen brachte man auf den Friedhof<br />
in Nie<strong>der</strong>leuken bei Saarburg, da es in <strong>Wawern</strong> keinen<br />
eigenen Friedhof gab. Die Gläubigen begleiteten den Sarg bis<br />
zum Orts<strong>aus</strong>gang. Der Bürgermeister kann sich erinnern, dass<br />
die <strong>Juden</strong> Steine auf den Sarg legten. Wer viele Steine auf dem<br />
Sarg hatte, galt als beliebt. Diese religiöse Tradition wurde mit<br />
dem Nazi-Regime jäh unterbrochen. Aus beiliegendem Text<br />
geht hervor, dass zwischen 1934 und 1935 sowohl zwei jüdische<br />
Wohnhäuser als auch die Synagoge von <strong>Wawern</strong>er Mitbürgern<br />
beschädigt wurden. Offiziell ist heute jedoch nur bekannt,<br />
dass in <strong>der</strong> Reichspogromnacht die Fenster <strong>der</strong> Synagoge<br />
von <strong>der</strong> Wiltinger SA zerstört und das Innere verwüstet<br />
wurde. Die Thorarollen, <strong>der</strong> heilige Teil <strong>der</strong> Synagoge, wurden<br />
15
von <strong>Wawern</strong>er SA-Männern auf die Straße geworfen, <strong>aus</strong>gerollt<br />
und zertreten. Jedoch kam <strong>der</strong> Antisemitismus nicht über<br />
Nacht als Folge des Nationalsozialismus. Das Verhältnis zwischen<br />
<strong>Juden</strong> und <strong>Wawern</strong>er Bürgern war schon vor dieser Zeit<br />
teilweise spannungsgeladen.<br />
Von dem ehemaligen jüdischen Bürger Hirschkorn erfuhren<br />
wir, dass die <strong>Wawern</strong>er <strong>Juden</strong> nach <strong>der</strong> Reichspogromnacht 8<br />
Tage lang in Wäl<strong>der</strong>n, Scheunen und Wiesen „leben“ mussten.<br />
In <strong>Trier</strong> wurde ein Teil <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> <strong>aus</strong> umliegenden Dörfern<br />
von Bürgern aufgenommen. Mit <strong>der</strong> Deportation <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> im<br />
Jahre 1943 gab es keine jüdischen Bürger mehr in <strong>Wawern</strong>.<br />
Zwischen 1938 und 1945 fungierte die Synagoge als Quartier<br />
für Kriegsgefangene und Fremdarbeiter. In den letzten Kriegstagen<br />
wurde die Synagoge von <strong>der</strong> deutschen Wehrmacht,<br />
später den alliierten Streitkräften als Waffen- und Materiallager<br />
verwendet. In den 50er Jahren bot die Jüdische Kultusgemeinde<br />
das Bauwerk <strong>der</strong> <strong>Wawern</strong>er Gemeinde für 1200 DM<br />
an. Weil die <strong>Wawern</strong>er zu lange zögerten, erwarb schließlich<br />
ein Nachbar die Synagoge für 1400 DM.<br />
Der jetzige Eigentümer erhielt zwar von <strong>der</strong> Gemeinde die<br />
Auflage, das Gebäude zu erhalten; wir haben jedoch den Eindruck,<br />
dass nur <strong>der</strong> Schein gewahrte werden soll. Immerhin<br />
wurde ein neues Dach angebracht, dem jedoch die Empore im<br />
Inneren zum Opfer fiel.<br />
Den Hund mit freiem Ausgang <strong>zur</strong> Synagoge könnte man vielleicht<br />
als Wächter sehen.<br />
Das Gebäude ist schon lange Zankapfel in <strong>der</strong> Gemeindepolitik.<br />
Die Denkmalpfleger wollen die Synagoge restaurieren.<br />
Der Vorschlag, sie im Freilichtmuseum Konz-Roscheid aufzubauen,<br />
wurde mit <strong>der</strong> Begründung abgelehnt, dass es sich dann<br />
nicht mehr um ein Baudenkmal handle.<br />
Ein Teil des Gemein<strong>der</strong>ats ist <strong>der</strong> Auffassung, man sollte die<br />
Synagoge abreißen und an ihrer Stelle einen Dorfplatz anlegen.<br />
So wie sie jetzt <strong>aus</strong>sieht, ist die Synagoge wirklich nichts Sehenswertes<br />
mehr; eine vernünftige Restauration könnte jedoch<br />
16
eines <strong>der</strong> letzten Zeugnisse jüdischer Kultur im Konzer Raum<br />
<strong>der</strong> Nachwelt erhalten.<br />
b. Die jüdische Schule in <strong>Wawern</strong><br />
In <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Synagoge liegt recht versteckt die ehemalige<br />
jüdische Schule <strong>Wawern</strong>s.<br />
Das Gebäude fällt durch seine schmale, hohe Bauweise auf<br />
(14 m Höhe und 4,2 m Breite).<br />
An einer Schmalseite weist dieses Gebäude auf zwei Etagen<br />
jeweils zwei Fenster auf.<br />
Die Fenster- und Giebelseite sind fast vollständig mit Efeu und<br />
wildem Wein bewachsen.<br />
Das Gebäude wird heute nicht mehr genutzt.<br />
Es gehörte zu einem Bauernh<strong>aus</strong>, dessen Besitzer es früher als<br />
Schweinestall und Heuschober diente. Insofern befindet sich<br />
noch an <strong>der</strong> Giebelseite ein Heugreifer. Das Gebäude diente<br />
bis 1935/36 als Schule.<br />
Seit den 30er Jahren wurde es jedoch bereits als Wohnung<br />
genutzt. Wie uns Bürgermeister Binz erzählte, besuchten zu<br />
dieser Zeit die jüdischen Kin<strong>der</strong> die katholische Volksschule.<br />
Lediglich <strong>der</strong> Religionsunterricht wurde für die jüdischen<br />
Schüler geson<strong>der</strong>t erteilt.<br />
Im Keller des Schulgebäudes befand sich ursprünglich eine<br />
religiöses Bad, von dem jedoch nichts mehr zu erkennen ist,<br />
da es zubetoniert wurde. Das Bad soll das ein einzige dieser<br />
Art im weiten Umkreis gewesen sein. Das jüdische Bad spielte<br />
im <strong>Juden</strong>tum eine wichtige Rolle. Es war rituelle Reinigungsstätte<br />
für die Frauen, auch Mikwe genannt. Im Alten Testament<br />
werden bei beson<strong>der</strong>en Anlässen o<strong>der</strong> bei Unreinheit von<br />
Personen und Sachen Reinigungsbä<strong>der</strong> vorgeschrieben. Ursprünglich<br />
wurden zu diesem Zweck meistens natürliche Gewässer<br />
aufgesucht, seit dem Mittelalter aber überwiegen<br />
künstlich angelegte <strong>Juden</strong>bä<strong>der</strong>.<br />
17
Projektgruppe 1987<br />
2. Auf den Spuren <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> von Konz<br />
Unser Projekt im Rahmen <strong>der</strong> Projektwoche am Gymnasium<br />
Konz vom 21. bis 24. April 2009 war auf die Stadt Konz begrenzt.<br />
Deswegen konnten die Teilnehmer <strong>aus</strong>gewählte Orte in<br />
<strong>der</strong> Stadt zu Fuß erkunden. Ausgerüstet mit Notizblock, Videokamera<br />
und Fotoapparat suchten wir zuerst den kleinen jüdischen<br />
Friedhof hinter <strong>der</strong> Friedhofshalle auf. Dort referierte<br />
Pastor Georg Dehn über die jüdischen Beerdigungsbräuche<br />
und die Inschriften auf den Grabsteinen. Auf einem Grab entdeckten<br />
wir eine Grabplatte, die an zwei ermordete jüdische<br />
Frauen erinnerte, offenbar nach 1945 dort angebracht. Auf<br />
dem jüdischen Friedhof befindet sich ein Gedenkstein, <strong>der</strong> in<br />
den achtziger Jahren dort errichtet wurde. In <strong>der</strong> Martinstraße<br />
informierten wir uns über die dort verlegten Stolpersteine für<br />
Marianne und Mathilde Levy. In <strong>der</strong> Wiltingerstraße konnten<br />
wir einige ehemalige Häuser von jüdischen Bewohnern <strong>aus</strong>findig<br />
machen. In <strong>der</strong> Lindenstraße verweilten wir vor dem<br />
18
Gebäude, indem die ehemalige Synagoge eingerichtet war. An<br />
diesem Ort war in <strong>der</strong> Reichspogromnacht am 9./10. 1938 von<br />
nationalsozialistischen Randalierern die Thorarolle <strong>aus</strong> dem<br />
heiligen Schrein <strong>der</strong> Synagoge entnommen, auf <strong>der</strong> Straße<br />
<strong>aus</strong>gerollt und mit den Stiefeln zertreten worden. Teile <strong>der</strong><br />
Inneneinrichtung wurden auf die Straße getragen und dort<br />
verbrannt. Alle <strong>Juden</strong>häuser wurden in dieser Nacht vor den<br />
Augen von unbeteiligten Bürgern verwüstet.<br />
Die Teilnehmer l<strong>aus</strong>chen den Erläuterungen von Pastor Dehn<br />
Zur Erläuterung dieser Ereignisse trug eine Gruppe <strong>der</strong> Projektteilnehmer<br />
ein Rollenspiel <strong>zur</strong> Reichspogromnacht in<br />
Konz vor.<br />
Einige Schüler drehten einen kleinen Film zu unserem Projekt,<br />
in dem auch Interviews mit Konzer Bürgern, zu ihrem Verhältnis<br />
zu <strong>Juden</strong> befragt, aufgenommen wurden. Um die Ergebnisse<br />
unseres Projekts am Tag <strong>der</strong> offenen Tür am Gymnasium<br />
Konz zu präsentieren, errichteten wir eine Stellwand in<br />
19
einem uns zugeteilten Klassenraum. Außerdem boten wir einen<br />
Büchertisch mit den wichtigsten Werken <strong>zur</strong> jüdischen<br />
<strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Region <strong>Trier</strong> an.<br />
Stolpersteine für Marianne und Mathilde Levy in Konz<br />
Projektteilnehmer:<br />
Gottlieb, Florian<br />
Neymann, Philipp<br />
Quiano, Aurelio<br />
Schäfer, Daniel<br />
Schirra, Felix<br />
Schönberger, Niklas<br />
Schramm, Christian<br />
Wagner, Christoph<br />
Wohl, Gerit<br />
Werel, Jan<br />
Zink, Fabian<br />
Projektleiter:<br />
OSTR Willi Körtels<br />
20
Geburtsurkunden<br />
21
Personenlisten:<br />
Jüdische Einwohner in <strong>Wawern</strong> um 1930<br />
Name Vorname Geburt Tod Quelle<br />
1. Bonem Sigmund 20.8.1868 1943 AB<br />
2. Bonem Lina 24.3.1878 1943 AB<br />
[Hirsch]<br />
Hottenbach<br />
3. Bonem Siegfried 27.3.1903 5.12.1974 AB/TW<br />
4. Bonem Selma 12.4.1904 AB/TW<br />
[Hayum]<br />
5. Bonem Sally AB<br />
6. Bonem Erna<br />
AB<br />
[Grumbach]<br />
7. Bonem Julius 13.5.1915 Lodz AB<br />
8. Bonem Edward Enkel AB<br />
9. Elikan<br />
Marianne 29.7.1928 SCHW<br />
(Reusch)<br />
10. Engelke Emmi 15.6.1886 SCHW<br />
11. Hirschkorn Aron 19.10.1885 Auschwitz TR/TW<br />
12. Hirschkorn Sara 13.11.1885 Auschwitz TR/TW<br />
[Lachmann]<br />
Treblitz ?<br />
13. Hirschkorn Sophia 22.11.1912 TW<br />
14. Hirschkorn Paula 4.8.1919 TW<br />
15. Hirschkorn Jakob 1.1.1914 SCHW/<br />
TW<br />
16. Hirschkorn Norbert 2.7.1921 SCHW/<br />
TW<br />
17. Hirschkorn Erna 3.10.1923 TW<br />
18. Hirschkorn Halina 25.10.1925 SCHW<br />
19. Hirschkorn Ernestine 17.8.1885 TW<br />
[Lachmann]<br />
20. Hirschkorn Sophia 30.12.1912 TW<br />
21. Hirschkorn Paula 20.7.1917 TW<br />
22. Hirschkorn Helena 2.8.1921 TW<br />
23. Hirschkorn Hermann 28.1.1925 TW<br />
24. Joseph<br />
[Levy]<br />
Eva 31.5.1904 LUX-ESC<br />
23
25. Joseph Moritz LUX-ESC<br />
26. Kahn Benny 5.8.1881 TW<br />
27. Kahn<br />
Henriette 24.2.1877 Auschwitz TR<br />
[Wolf]<br />
15.2.1943<br />
28. Kahn Herta 27.10.1928 TW<br />
29. Kahn Ilse LUX-ESC<br />
30. Kahn Jenny 18.4.1912 TW<br />
31. Kahn Leon 10.8.1913 LUX-ESC<br />
32. Kahn<br />
Marianne 28.2.1884 TW<br />
[Meyer]<br />
33. Kahn Max 11.11.1915 TW<br />
34.. Katz<br />
Martha 7.6.1913 AB<br />
[Wolf]<br />
35. Kaufmann Emma 22.8.1866 6.5.1943 TR<br />
[Meyer]<br />
Theresienstadt<br />
36. Kaufmann Malchen 3.1.1875 23.9.1942 TR<br />
[Jacobs]<br />
Chelmno<br />
37. Levy Benno 6.2.1928 15.9.1942 TR<br />
Chelmno<br />
38. Levy Kurt 19.9.1924 Lodz TR<br />
39. Levy Moritz 12.2.1889 28.10.194<br />
2<br />
Chelmno<br />
TR<br />
40. Levy<br />
[Wolf]<br />
Sophie 13.8.1897 28.10.194<br />
2<br />
Chelmno<br />
41. Martini Berta 2.2.1895 SCHW<br />
42. Meyer Betty 11.4.1910 SCHW<br />
[Süsskind]<br />
43. Meyer Louis 14.9.1898 16.3.1945 SCHW<br />
44. Schimmel Jacob 3.3.1915 AJ<br />
45. Wachsmann Ella 4.12.1926 New York/<br />
Descendent<br />
Ushmm/<br />
TW<br />
of<br />
Plaut<br />
46. Wachsmann<br />
[Kaufmann]<br />
Frieda 7.3.1903 Ushmm/<br />
TW<br />
47. Wachsmann Jakob 20.2.1924 Ushmm/<br />
TW<br />
24<br />
TR
48. Wachsmann Leo 10.10.1896 TW<br />
49. Wachsmann Lutbert 18.6.1925 Ushmm/<br />
TW<br />
50. Wolff Benjamin GU<br />
51. Wolf Cilli AB<br />
52. Wolf Donald AB<br />
53. Wolf Eduard 15.8.1886 3.3.1943 TR<br />
Auschwitz<br />
54. Wolf<br />
Frieda 11.10.1901 9.10.1944 TR<br />
[Wolf]<br />
Auschwitz<br />
55. Wolf<br />
Helma Sara 26.6.1886 TW<br />
[Hayum]<br />
56. Wolf Irene AB<br />
57. Wolff Isaak GU<br />
58. Wolf<br />
59. Wolf Isidor 7.12.1869 12.3.1944 TR<br />
Theresienstadt<br />
60. Wolf Iwan 30.9.1920 TW<br />
61. Wolf<br />
Esther Sara 11.8.1871 TW<br />
[Levy]<br />
62. Wolff Johannetta GU<br />
63. Wolf Leo 5.7.1897 3.3.1943 TR<br />
Auschwitz<br />
64. Wolff<br />
Maria Anna<br />
GU<br />
[Israel]<br />
65. Wolf Max 26.3.1867 31.8.1942 TR<br />
Theresienstadt<br />
66. Wolf Max 8.5.1909 TW<br />
67. Wolf<br />
Melanie 26.6.1889 3.3.1943 TR<br />
[Hayum]<br />
(Kirf)<br />
Auschwitz<br />
68. Wolf Moritz 30.6.1884 10.7.1957 AB/TW<br />
69. Wolf Nathan 28.1.1905 Minsk TR<br />
70. Wolf Nathan 27.9.1865 Treblinka TR<br />
71. Wolf Penas 1865 AJ<br />
72. Wolf<br />
Ruth<br />
AB<br />
[Krigman]<br />
73. Wolf<br />
[Hayum]<br />
Sara 8.2.1886 TW<br />
25
74. Wolff Sophie 13.8.1897 GU<br />
75. Wolf Siegfried 6.5.1982 AB<br />
76. Wolf Simon 1875 AJ<br />
77. Wolf Walter SCHW<br />
Abkürzungserklärung:<br />
AB=Aufbau, TR=<strong>Trier</strong> vergisst nicht, AJ=Alemannia Judaica, SCHW= Schwer,<br />
Edgar: Was ist <strong>aus</strong> ihnen geworden? ushmm= United Staates Holoc<strong>aus</strong>t<br />
Museum, GU=Geburtsurkunde, TR=<strong>Trier</strong> vergisst nicht,<br />
TW=Amtsverwaltung Tawern<br />
Familien um 1930<br />
1. Bonem Sigmund 20.8.1868 EM<br />
Bonem Lina 24.3.1878 EF<br />
[Hirsch]<br />
Hottenbach<br />
Bonem Siegfried 1903 S<br />
Bonem Selma 12.4.1904 ST<br />
[Hayum]<br />
Bonem Sally S<br />
Bonem Erna<br />
ST<br />
[Grumbach]<br />
Bonem Julius 13.5.1915 S<br />
2. Bonem Jakob<br />
Bonem<br />
[Wolf]<br />
Adele 17.1.1869<br />
3. Hirschkorn Aron 17.8.1885 EM<br />
Hirschkorn Sara 10.6.1887 EF<br />
Lachmann]<br />
Hirschkorn Jakob 1.1.1914 S<br />
Hirschkorn Norbert 2.7.1921 S<br />
Hirschkorn Sophia 22.11.1912 T<br />
Hirschkorn Paula 4.8.1919 T<br />
26
Hirschkorn Erna 3.10.1923<br />
Hirschkorn Halina 25.10.1925 T<br />
4. Hirschkorn Ernestine 18.8.1885 EF<br />
[Lachmann]<br />
Hirschkorn Sophia 30.12.1912 T<br />
Hirschkorn Paula 20.7.1917 T<br />
Hirschkorn Helena 2.8.1921 T<br />
Hirschkorn Hermann 28.1.1925 S<br />
5. Joseph Moritz 10.3.1898 EM<br />
Joseph Eva 31.5.1904 EF<br />
[Levy]<br />
6. Kahn Benny 5.8.1881 EM<br />
Kahn<br />
Marianne 28.2.1884 EF<br />
[Meyer]<br />
Kahn<br />
Jenni 18.4.1912 T<br />
[Solmitz]<br />
Kahn Max 11.11.1915 S<br />
Kahn Herta 27.10.1928 T<br />
7. Kahn Henriette 24.2.1877 EF<br />
Kahn Leon 10.8.1913 S=EM<br />
Kahn Ilse 30.8.1913 EF v. Leo<br />
8. Kaufmann Benni 12.1.1879 EM<br />
Kaufmann Malchen 3.1.1875 EF<br />
[Jacobs]<br />
9. Levy Max EM<br />
Levy Caroline EF<br />
Levy Sylvian S<br />
Levy<br />
[Kahn]<br />
Jeanne<br />
ST<br />
10. Levy Moritz 12.2.1889 EM<br />
Levy<br />
Sophie 13.8.1897 EF<br />
[Wolf]<br />
Levy Kurt 19.9.1924 S<br />
27
Levy Benno 6.2.1928 S<br />
11. Meyer Max EM<br />
Meyer Henriette<br />
EF<br />
[Lazarus]<br />
Meyer Louis 14.9.1898 S / v.m.<br />
Alma Frankfurter<br />
Meyer Betty 11.4.1910 T<br />
(Süsskind)<br />
Meyer<br />
(Goldberger)<br />
Claire<br />
T<br />
12. Wachsmann Leo 10.10.1896 EM<br />
Wachsmann Frieda 7.3.1903 EF<br />
[Kaufmann]<br />
(Kaisersesch)<br />
Wachsmann Jakob 20.2.1924 S<br />
Wachsmann Lutbert 18.6.1925 S<br />
Wachsmann Ella 4.12.1926 T<br />
13. Wolff Benjamin II. EM<br />
Wolff<br />
Johannetta<br />
EF<br />
[Kallmann]<br />
Wolff Sophie 13.8.1897 T<br />
14. Wolf Eduard 15.8.1886 EM<br />
Wolf<br />
Melanie 26.6.1889 EF<br />
[Hayum]<br />
Kirf<br />
Elikan<br />
Marianne 29.7.1928 T adoptiert<br />
(Reusch)<br />
Wolf<br />
(Katz)<br />
Martha 7.6.1913 T ?<br />
15. Wolf Isaak EM<br />
Wolf<br />
Anna Maria<br />
EF<br />
[Israel]<br />
Wolf Alex 8.1.1880 S<br />
16. Wolf Isidor 7.2.1869 EM<br />
Wolf Esther 9.8.1971 EF<br />
28
[Levy]<br />
Wolf Nathan 28.1.1905 S<br />
Wolf<br />
Henriette 25.1.1907 T<br />
[Eichenwald]<br />
Wolf Max 8.5.1909 S<br />
17. Wolf Leo 5.7.1897 EM<br />
Wolf<br />
Betty 29.5.1896 EF<br />
[Kaufmann]<br />
Wolf Alfred S<br />
Wolf Johanna T<br />
18. Wolf Max 26.3.1867 EM<br />
Wolf<br />
Frieda 11.10.1901 EF<br />
[Wolf]<br />
19. Wolf Moritz 30.6.1884 EM<br />
Wolf<br />
Sara 8.2.1886 EF<br />
[Hayum]<br />
Wolf Cilli T<br />
Wolf Donald S<br />
Wolf Walter S<br />
Wolf Siegfried S<br />
Wolf Irene T<br />
Wolf Iwan 30.9.1920 S<br />
20. Wolf Nathan 27.9.1865 EM<br />
Wolf Leo 5.7.1897 S<br />
Wolf Hugo S<br />
Aus <strong>Wawern</strong> stammend<br />
Bonem Max 26.4.1893 Luxemburg<br />
Frankreich<br />
Sobibor<br />
6.3.1943<br />
Bonem<br />
[Israel]<br />
Simone 13.11.1900 Luxemburg/<br />
Frankreich<br />
Bonem Joseph<br />
Raymond<br />
18.5.1923 Luxemburg/<br />
Frankreich<br />
Callo Hedwig 6.12.1887 Holland Auschwitz<br />
29
[Wolf] 17.9.1943<br />
Goldberger Claire<br />
Essen<br />
[Meyer]<br />
Eichenwald Henriette 25.1.1907 Wuppertal Izbica<br />
[Wolf]<br />
Hanau Babette 3.11.1876 Brotdorf Treblinka<br />
[Bonem]<br />
Israel Josephine 1864<br />
[Wolf]<br />
Kaufmann<br />
[Meyer]<br />
Emma 4.9.1866 Halle 6.5.1943<br />
Theresienstadt<br />
Meyer Louis 14.9.1898 Wiesbaden Dachau<br />
Samuel Marianne 28.2.1879 Trittenheim Lodz<br />
[Jacobs]<br />
Solmitz<br />
[Kahn]<br />
Jenny 1 18.4.1912 Holland Auschwitz<br />
6.3.1944<br />
Joseph Elise 1860 Aach Theresienstadt<br />
[Wolf]<br />
Wolf Alexan<strong>der</strong> 2 8.1.1880 Berlin Theresienstadt<br />
3.10.1942<br />
Ins Ausland geflohene jüdische Bürger<br />
1. Bonem Erna<br />
USA<br />
[Grumbach]<br />
2. Bonem Lina<br />
USA?<br />
[Hirsch]<br />
3. Bonem Max 26.4.1893 Luxemburg<br />
Frankreich<br />
4. Bonem Paula London<br />
5. Bonem Sally USA<br />
6. Bonem Siegfried USA<br />
7. Bonem Sigmund 20.8.1868 Lodz/USA<br />
8. Bonem Selma USA<br />
1 Das Bundesgedenkbuch gibt an, dass Jenny Solmitz in <strong>Wawern</strong> wohnte.<br />
2 Alexan<strong>der</strong> Wolf <strong>aus</strong> <strong>Wawern</strong> legte 1900 am FWG in <strong>Trier</strong> die Abiturprüfung<br />
ab und studierte Medizin. Er war Arzt in Berlin- Charlottenburg. Vgl.<br />
Festschrift FWG 1914, Verzeichnis <strong>der</strong> Abiturienten von Dr. Wickert.<br />
30
9. Callo Hedwig 6.12.1887 Holland<br />
[Wolf]<br />
10. Hirschkorn Paula 4.8.1919 London<br />
11. Hirschkorn Jakob 1.1.1914 Luxemburg<br />
12. Hirschkorn Norbert 5.6.1921 Luxemburg<br />
13. Hirschkorn Ernestine 17.8.1885 Paris<br />
[Lachmann]<br />
14. Hirschkorn Sophia 30.12.1912 Paris<br />
15. Hirschkorn Paula 20.7.1917 Paris<br />
16. Hirschkorn Helena 2.8.1921 Paris<br />
17. Hirschkorn Hermann 28.1.1925 Paris<br />
18. Joseph<br />
[Levy]<br />
Eva 31.5.1904 Luxemburg/<br />
Frankreich<br />
19. Joseph Moritz 10.3.1898 Luxemburg/<br />
Frankreich<br />
20. Kahn Benny 5.8.1881 Luxemburg/<br />
Bolivien<br />
21. Kahn Henriette 24.2.1877 Frankreich<br />
[Wolf]<br />
22. Kahn Hermann 18.6.1877 Holland<br />
23. Kahn Herta 27.10.1928 Luxemburg<br />
24. Kahn<br />
[Kahn]<br />
Ilse 30.8.1913 Luxemburg/<br />
Frankreich/<br />
Schweiz<br />
25. Kahn Leo 10.8.13 Luxemburg/<br />
Frankreich/<br />
Schweiz<br />
26. Kahn<br />
[Meyer]<br />
Marianne 28.2.1884 Luxemburg/<br />
Bolivien<br />
27. Katz<br />
Martha<br />
USA<br />
[Wolf]<br />
28. Levy Sylvian 15.1.1892 Frankreich<br />
Luxemburg<br />
Belgien<br />
29. Mayer Meier 9.7.1869 Luxemburg<br />
30. Meyer Isaak 2.1.1878 Luxemburg<br />
31. Solmitz Jenny 18.4.1912 Holland<br />
[Kahn]<br />
32. Wachsmann Ella 4.12.1926 Luxemburg/<br />
Kuba<br />
31
33. Wachsmann<br />
[Kaufmann]<br />
Frieda 7.3.1903<br />
(Kaisersesch)<br />
Luxemburg/<br />
Kuba<br />
34. Wachsmann Jakob 20.2.1924 Luxemburg/<br />
Kuba<br />
35. Wachsmann Ludbert 18.6.1925 Luxemburg/<br />
Kuba<br />
36. Wolf Abraham 13.3.1873 Holland<br />
37. Wolf Cilli<br />
USA<br />
[Wolf]<br />
38. Wolf Donald USA<br />
39. Wolf Gustav 26.3.1897 Luxemburg<br />
40. Wolf Irene USA<br />
41. Wolf Max 8.5.1909 Luxemburg<br />
42. Wolf Moritz USA<br />
43. Wolf Nathan 28.1.1905 Luxemburg<br />
44. Wolf Ruth<br />
USA<br />
[Krigman]<br />
45. Wolf Siegfried USA<br />
46. Wolf Siegmund 191.1879 Luxemburg<br />
47. Wolf Simon 6.3.1875 Luxemburg<br />
Die nach Luxemburg geflohenen <strong>Juden</strong> wurden im August 1940<br />
nach Frankreich gebracht. Einigen gelang von dort die Flucht nach<br />
Kuba (Familie Wachsmann) o<strong>der</strong> in die USA. An<strong>der</strong>e wurden von<br />
Luxemburg <strong>aus</strong> in die Konzentrationslager deportiert.<br />
32
Antisemitische Übergriffe in <strong>Wawern</strong><br />
33
Auskunft über die antisemitischen Vorgänge in <strong>Wawern</strong><br />
von 1933 bis 1938 gibt <strong>der</strong> Aufsatz:<br />
Eberhard, Pascale: Die Reichspogromnacht vom 9./10.<br />
November 1938 in <strong>Wawern</strong>. Ein Rückblick 70 Jahre danach,<br />
in: Jahrbuch des Kreises <strong>Trier</strong>-Saarburg, S. 244-<br />
255.<br />
Die nach Luxemburg geflohenen <strong>Juden</strong> wurden im August 1940<br />
nach Frankreich gebracht, weil die deutsche Wehrmacht Luxemburg<br />
besetzt hatte. Einigen gelang von dort die Flucht nach Kuba (Familie<br />
Wachsmann) o<strong>der</strong> in die USA. Ella Wachsmann heiratete am 7.<br />
September 1950 in New York Heinz Joachim Spangenberg, geboren<br />
am 31. Mai 1923. Die Kin<strong>der</strong> dieses Ehepaares sind Bert Leo<br />
(192.1952) und Debra (15.7.1955). [<strong>aus</strong>: Descendent of Plaut-<br />
Descendents.pdf]. An<strong>der</strong>e wurden von Luxemburg <strong>aus</strong> in die Konzentrationslager<br />
deportiert.<br />
Berufe jüdischer Bürger <strong>aus</strong> <strong>Wawern</strong><br />
Siegfried Bonem<br />
Aron Hirschkorn<br />
Israel Hirschkorn<br />
Jakob Hirschkorn<br />
Benny Kahn<br />
Leon Kahn<br />
Marianne Kahn<br />
Max Kahn<br />
Benny Kaufmann<br />
Ella Wachsmann<br />
Frieda Wachsmann<br />
Leo Wachsmann<br />
Benjamin Wolf<br />
Eduard Wolf<br />
Isaak Wolf<br />
Nathan Wolf<br />
35<br />
Viehhändler<br />
Schuhhändler<br />
Maler/Anstreicher<br />
Metzger<br />
Handelsmann<br />
Viehhändler<br />
Lebensmittelhändlerin<br />
Verkäufer<br />
Schnei<strong>der</strong><br />
Schülerin<br />
Modistin/H<strong>aus</strong>hälterin<br />
Holzbildhauer<br />
Handelsmann<br />
Geschäftsmann<br />
Handelsmann<br />
Viehhändler
Max Wolf<br />
Moritz Wolf<br />
Kaufmann<br />
H<strong>aus</strong>ierer<br />
Wohltätigkeits und Belehrungsverein in <strong>Wawern</strong><br />
Oberrabbiner Joseph Kahn berichtet am 20.4.1864 in <strong>der</strong> Zeitschrift „Ben<br />
Chananja“, S. 330: „Ungeachtet dieses, im Vergleiche zu an<strong>der</strong>en Gegenden<br />
günstigen Verhältnisses bestehen doch in den meisten selbst kleineren<br />
Gemeinden des Regierungsbezirkes [<strong>Trier</strong>] Wohltätigkeitsvereine<br />
verschiedener Art, von welchen mehrere auch noch den schönen Zweck<br />
<strong>der</strong> Belehrung <strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> durch Vorlesen und Erklären religiöser Bücher<br />
und jüdischer Zeitschriften verbinden. So sind vorzüglich in den Gemeinden<br />
Tholey, Saarlouis, Saarwellingen, Neunkirchen, Illingen,<br />
Schweich, <strong>Wawern</strong>, <strong>Trier</strong> u.a. <strong>der</strong>artige verschiedene Wohltätigkeits- und<br />
Belehrungsvereine.“<br />
Deportationen <strong>der</strong> <strong>Wawern</strong>er <strong>Juden</strong><br />
Name Vorname Deportation Datum/Ziel<br />
1. Bonem Julius <strong>Trier</strong> 16.10.1941<br />
Lodz<br />
2. Bonem Sigmund <strong>Trier</strong> 16.10.1941<br />
Lodz<br />
3. Hirschkorn Aron <strong>Trier</strong> 18.8.1944<br />
Auschwitz<br />
4. Hirschkorn Sara <strong>Trier</strong> 18.8.1944<br />
Auschwitz?<br />
5. Kaufmann<br />
[Meyer]<br />
Emma <strong>Trier</strong>/Halle 20.9.1942<br />
Theresienstadt<br />
6. Kaufmann Malchen <strong>Trier</strong> 16.10.1941<br />
Lodz<br />
7. Levy Benno <strong>Trier</strong> 16.10.1941<br />
Lodz<br />
8. Levy Kurt <strong>Trier</strong> 16.10.1941<br />
Lodz<br />
36
9. Levy Moritz <strong>Trier</strong> 16.10.1941<br />
Lodz<br />
10. Levy Sophie <strong>Trier</strong> 16.10.1941<br />
Lodz<br />
11. Wolf Eduard <strong>Trier</strong> 1.3.1943<br />
Auschwitz<br />
12. Wolf Esther Düsseldorf 21.7.1942<br />
Theresienstadt<br />
13. Wolf Frieda <strong>Trier</strong> 26.7.1942<br />
Theresienstadt<br />
14. Wolf Isidor Düsseldorf 21.7.1942<br />
Theresienstadt<br />
15. Wolf Leo <strong>Trier</strong> 1.3.1943<br />
Auschwitz<br />
16. Wolf Max <strong>Trier</strong> 26.7.1942<br />
Theresienstadt<br />
17. Wolf Melanie <strong>Trier</strong> 1.3.1943<br />
Auschwitz<br />
18. Wolf Nathan Nürnberg 11.9.1942<br />
Theresienstadt<br />
Über die Deportation <strong>der</strong> <strong>Wawern</strong>er <strong>Juden</strong> und die Folgen<br />
informieren die Werke:<br />
1. Schnitzler, Thomas: „Das Leben ist ein Kampf“ Marianne<br />
Elikan-Verfolgte des Nazi-Regimes, <strong>Trier</strong> 2008<br />
2. Eberhard, Pascale: Der Überlebenskampf jüdischer<br />
Deportierter <strong>aus</strong> Luxemburg und <strong>der</strong> Region <strong>Trier</strong> im<br />
Ghetto Litzmannstadt, Saarbrücken 2012<br />
37
Opfer <strong>der</strong> Schoa <strong>aus</strong> <strong>Wawern</strong><br />
1. Bonem Julius 3 13.5.1915 Lodz<br />
2. Bonem Max 26.4.1893 6./7. 03. Sobibor<br />
1943<br />
3. Bonem<br />
[Hirsch]<br />
Lina 24.3.1878 1943 Theresienstadt<br />
4. Bonem Sigmund 20.8.1868 1943 Theresienstadt<br />
5. Hirschkorn Aron 17.5.1882 Auschwitz<br />
6. Hirschkorn Sara 10.6.1887 Auschwitz<br />
Lachmann]<br />
7. Kaufmann<br />
[Meyer]<br />
Emma 22.8.1866 6.5.1943 Theresienstadt<br />
8. Kaufmann Benni 12.1.1879 23.9.1942 Lodz/<br />
Chelmno<br />
9. Kaufmann<br />
[Jacobs]<br />
Malchen 3.1.1875 23.9.1942 Lodz/<br />
Chelmno<br />
10. Levy Benno 6.2.1928 15.9.1942 Lodz/<br />
Chelmno<br />
11. Levy Kurt 19.9.1924 Lodz<br />
12. Levy Moritz 12.2.1889 28.10.1942 Lodz/<br />
Chelmno<br />
13. Levy Sophie 13.8.1897 28.10.1942 Chelmno<br />
[Wolf]<br />
14. Levy Sylvian 15.1.1892 1944 Auschwitz<br />
Mauth<strong>aus</strong>en<br />
15. Meyer Louis 14.9.1898 16.3.1945 Dachau<br />
16. Wolf Abraham 13.3.1873 11.1.1945 Theresienstadt<br />
17. Wolf Eduard 15.8.1886 3.3.1943 Auschwitz<br />
18. Wolf Esther 9.8.1871 7.3.1945 Theresienstadt<br />
19. Wolf Frieda 11.10.190 9.10.1944 Auschwitz<br />
3 Julius Bonem wird in <strong>der</strong> Familienanzeige für die ermordeten Lina und<br />
Sigmund Bonem im „Aufbau“ vom 8.11.1946 erwähnt, aber hinter seinem<br />
Namen geben die Angehörigen an: „Aufenthalt unbekannt“. Zu diesem<br />
Zeitpunkt wissen sie nichts über das Schicksal von Julius.<br />
38
1<br />
20. Wolf Gustav 26.3.1897<br />
21. Wolf Isidor 7.2.1869 12.3.1944 Theresienstadt<br />
22. Wolf Leo 5.7.1897 3.3.1943 Auschwitz<br />
23. Wolf Max 26.3.1867 31.8.1942 Theresienstadt<br />
24. Wolf Melanie 26.6.1889 3.3.1943 Auschwitz<br />
[Hayum]<br />
25. Wolf Nathan 27.9.1865 Theresienstadt/<br />
Treblinka<br />
26. Wolf Nathan 28.1.1905 Minsk<br />
27. Wolf<br />
[Hayum]<br />
Sara 18.10.186<br />
7<br />
Theresienstadt/<br />
Treblinka<br />
Quelle:<br />
<strong>Trier</strong> vergisst nicht<br />
Nr. 1, 4, 5, 6, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 17, 18, 21, 22, 24, 25, 26, 27<br />
ushmm.org<br />
Nr. 2, 4, 11, 13, 15, 25, 26<br />
Bundesgedenkbuch<br />
Nr. 1, 3, 4, 5, 6, 10, 12, 13, 15, 17, 21, 22, 25<br />
Überlebende <strong>aus</strong> <strong>Wawern</strong><br />
1. Bonem Siegfried 1903 5.12.1974 USA<br />
2. Bonem Selma<br />
USA<br />
[Hayum]<br />
3. Bonem Sally USA<br />
4. Bonem Erna<br />
USA<br />
[Grumbach]<br />
5. Bonem Edward Enkel USA<br />
6. Hirschkorn Norbert 2.7.1921<br />
7. Hirschkorn Halina 25.10.1925<br />
8. Hirschkorn Jakob 1.1.1914<br />
9. Hirschkorn Paula 4.8.1919<br />
10. Reusch Marianne 29.7.1928<br />
39
[Elikan]<br />
11. Wachsmann Ella 4.12.1926 Kuba/USA<br />
12. Wachsmann Jakob 20.2.1924 Kuba<br />
13. Wachsmann Ludbert 18.6.1925 Kuba<br />
14. Wolf Martha 7.6.1913 USA<br />
(Katz)<br />
15. Wolf Cilli<br />
16. Wolf Donald<br />
17. Wolf Irene<br />
18. Wolf Moritz 10.7.1957 USA<br />
19. Wolf Ruth<br />
(Krigman)<br />
20. Wolf Siegfried 6.5.1982 USA<br />
21. Wolf Walter v. mit G.<br />
Meyer<br />
Familienanzeigen im “Aufbau” mit Bezug zu <strong>Wawern</strong><br />
Datum Name Art<br />
8.11.1946 Bonem Sigmund Trauer<br />
Bonem Lina<br />
Trauer<br />
[Hirsch]<br />
15.8.1947 Meyer Louis Dachau-<br />
Liste 10<br />
12.8.1949 Wolf Walter Hochzeit<br />
Meyer Gerda Hochzeit<br />
12.11.1948 Wolf Walter Verlobung<br />
Bamberger Gertrude Verlobung<br />
12.8.1949 Wolf Walter Hochzeit<br />
26.7.1957, S. 28 Wolf Moritz Trauer<br />
13.12.1974, S.24 Bonem Siegfried Trauer<br />
25.6.1982, S. 21 Wolf Siegfried Trauer<br />
17.6.1988, S. 27 Katz Martha Geburtstag<br />
22.5.1992, S. 19 Katz Martha Geburtstag<br />
40
Quelle: Aufbau vom 8.11.1946<br />
Quelle: Aufbau vom26.7.1957, S. 28<br />
41
Quelle: Aufbau vom 13.12.1974, S. 24<br />
Quelle: Aufbau vom 25.6.1982, S. 21<br />
42
Quelle: Aufbau vom 17.6.1988, S. 27<br />
Quelle: Aufbau vom 22.5.1992, S. 19<br />
Fotos<br />
43
Meyer, Louis<br />
Wolf, Eduard<br />
44
Norbert Hirschkorn<br />
Elikan-Reusch, Marianne<br />
Aus: <strong>Trier</strong>ische Landeszeitung vom 6.11.1973, S. 11<br />
45
Aufbau vom 1.2.1974, S. 4<br />
Die jüdische Schule <strong>Wawern</strong><br />
Seit wann erstmals in <strong>Wawern</strong> eine jüdische Schule betrieben<br />
wurde, wird aufgrund <strong>der</strong> spärlichen Dokumente weiterhin<br />
unbekannt bleiben. Vermutlich ist dieser Zeitpunkt nicht wesentlich<br />
von <strong>der</strong> frühesten Ansiedlung von <strong>Juden</strong> in <strong>Wawern</strong><br />
entfernt, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Mitte des 17. Jahrhun<strong>der</strong>ts liegt. 1 Ob Eltern<br />
o<strong>der</strong> Privatlehrer den Religionsunterricht erteilten, ist nicht<br />
mehr zu belegen. Die Praxis <strong>der</strong> Religionsweitergabe durch<br />
Eltern war in <strong>Wawern</strong> bereits um 1800 überwunden, denn vor<br />
1808 ist <strong>der</strong> jüdische Lehrer Meyer Kahn nachgewiesen. 2 Dieser<br />
Lehrer wird in einem Geburtsdokument seines Sohnes<br />
Joseph, dem späteren Oberrabbiner von <strong>Trier</strong> (1808-1875),<br />
von 1808 „instituteur“ und in einem Sterbedokument seiner<br />
1 Vgl. Heidt/Lennartz: Fast vergessene Zeugen, S. 38.<br />
2 Kasper-Holtkotte, Cilli: <strong>Juden</strong> im Aufbruch, S. 365.<br />
46
Tochter Vogel von 1802 „maitre de ecole“ genannt. 3 Da <strong>der</strong><br />
<strong>aus</strong> Freudenburg stammende Kahn um 1799 die Witwe Bees<br />
Schmul-Levy in <strong>Wawern</strong> geheiratet hatte, hat seine Lehrertätigkeit<br />
vermutlich in diesem Jahr in <strong>Wawern</strong> begonnen und<br />
mit seinem frühen Tod im Jahre 1813 geendet. Als Ort <strong>der</strong><br />
jüdischen Schule, die heute noch als Gebäude existiert, ist das<br />
Anwesen Nr. 288, Sektion B, im Bungert, heute die Parzellennummer<br />
231, anzusehen. Wer nach 1813 in <strong>Wawern</strong> unterrichtete,<br />
ist unbekannt. Der berühmteste Schüler <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Zeit<br />
1814/15 bis 1822/23 ist <strong>der</strong> spätere Oberrabbiner von <strong>Trier</strong><br />
Joseph Kahn, <strong>der</strong> Sohn des jüdischen Lehrers Meyer Kahn und<br />
dessen Ehefrau Bees Kahn-Levy, <strong>der</strong> von 1815 bis 1820 in<br />
<strong>Wawern</strong> unterrichtet wurde 4 Erst 1845 wird wie<strong>der</strong> in <strong>Wawern</strong><br />
ein jüdischer Lehrer aktenkundig. 5 Dagegen wurde die jüdische<br />
Schule von <strong>Wawern</strong>, das damals <strong>zur</strong> Bürgermeisterei<br />
Kanzem gehörte, in den Jahren 1849 bis 1854 statistisch hinreichend<br />
erfasst. So lässt sich für 1849 die Zahl <strong>der</strong> schulpflichtigen<br />
Kin<strong>der</strong> genau bestimmen. Von den 18 jüdischen<br />
Kin<strong>der</strong>n besuchten alle die jüdische Schule, die von dem Vorsänger<br />
und Lehrer Simon Stern geleitet wurde. 6 Ein Jahr später<br />
wurden in <strong>Wawern</strong> fünf jüdische Kin<strong>der</strong> von dem Vorsänger<br />
und Lehrer Raphael Singer unterrichtet. 7 Derselbe Lehrer betreute<br />
im Jahre 1851 14 jüdische Kin<strong>der</strong>. Im Vermerk „werden<br />
jüdischen Kin<strong>der</strong>n Religionsunterricht erteilt“ ist <strong>der</strong> Name<br />
und die Funktion des Lehrers Singer angegeben: „Vorsänger<br />
3 Meldeamt Konz; vgl. Körtels, Willi: Oberrabbiner Joseph Kahn,<br />
S. 14/15.<br />
4 Ebda. Im Jahre 1823 lebten im Kreis Saarburg 125 jüdische Bürger,<br />
<strong>der</strong>en 18 Kin<strong>der</strong> von zwei rabbinisch geprüften Lehrern in drei<br />
Schulen unterrichtet wurden. Vgl. LHA Koblenz Best. 403, Nr.<br />
15222, S. 45.<br />
5 Manuskript <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> von <strong>Wawern</strong>.<br />
6 LHA Koblenz Best. 442, Nr. 212, S. 66/67.<br />
7 Ebda., S.128/129.<br />
47
und Lehrer Raphael Singer zu <strong>Wawern</strong>.“ 8 Im Jahre 1852 nahmen<br />
19 Schüler am Unterricht des Lehrers Jacob teil. Ein<br />
Schüler besuchte die jüdische Schule in Oberemmel, vermutlich<br />
ein jüdischer Schüler <strong>aus</strong> Wiltingen. Der <strong>Wawern</strong>er Lehrer<br />
erteilte in diesem Jahr auch den sechs jüdischen Kin<strong>der</strong>n<br />
<strong>aus</strong> Saarburg den Religionsunterricht. 9 Im darauffolgenden<br />
Jahr wurden alle 13 jüdischen Kin<strong>der</strong> in <strong>der</strong> christlichen Schule<br />
unterrichtet. Obwohl drei Kin<strong>der</strong> <strong>aus</strong> Saarburg im Fach Religion<br />
vom Lehrer in <strong>Wawern</strong> unterrichtet wurden, fehlt ein<br />
Vermerk zu Kanzem (<strong>Wawern</strong>). Auch in diesem Jahr besuchte<br />
ein Schüler die Schule in Oberemmel. 10 Für das Jahr 1854 sind<br />
15 Schüler nachgewiesen, von denen 15 die christliche und 11<br />
die jüdische Schule unter Leitung von Lehrer Meyer besuchten.<br />
Da die Gesamtzahl <strong>der</strong> jüdischen Kin<strong>der</strong> nur 15 beträgt,<br />
kann diese Angabe nicht stimmen Vermutlich umfasst die<br />
Gruppe <strong>der</strong> 11 jüdischen Kin<strong>der</strong>, die die jüdische Schule besuchten,<br />
nur die Schüler, die in <strong>Wawern</strong> am jüdischen Religionsunterricht<br />
teilnahmen. Lehrer Meyer hatte auch die beiden<br />
8 Ebda., S. S. 186/187.<br />
9 Ebda., S. 192/193. Zur Bürgermeisterei Kanzem gehörte auch <strong>der</strong><br />
Ort Wiltingen, in dem damals jüdische Bürger wohnten. Das in<br />
<strong>der</strong> Schule in Oberemmel unterrichtete Kind könnte <strong>aus</strong> Wiltingen<br />
stammen, da <strong>der</strong> Weg nach Oberemmel als weniger schwierig<br />
eingeschätzt wurde. Von Wiltingen nach <strong>Wawern</strong> wäre die Saar<br />
zu überwinden gewesen, was damals nur mit einer Fähre möglich<br />
war.- Die Gesamtzahl <strong>der</strong> jüdischen Schüler in <strong>der</strong> Bürgermeisterei<br />
Kanzem betrug 19 und die Zahl <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, die die jüdische<br />
Schule besuchten, ebenfalls 19. Der Schüler, <strong>der</strong> in Oberemmel<br />
unterrichtet wurde, müsste zu den 19 Schülern hinzu gerechnet<br />
werden.<br />
10 LHA Koblenz Best. 442, Nr. 212, S. 260/26. Vermutlich ein Schüler<br />
<strong>aus</strong> Wiltingen, weil in diesen Jahren die jüdischen Bewohner<br />
<strong>aus</strong> Wiltingen <strong>der</strong> Synagogengemeinde Oberemmel angehörten.<br />
48
Heutiger Zustand <strong>der</strong> ehemaligen jüdischen Schule in <strong>Wawern</strong><br />
49
Schüler <strong>aus</strong> Saarburg unterrichtet. 11 Da um das Jahr 1854 die<br />
meisten jüdischen Elementarschulen <strong>der</strong> kleineren Orte in <strong>der</strong><br />
Region <strong>Trier</strong> <strong>aus</strong> finanziellen und organisatorischen Gründen<br />
aufgegeben wurden, könnte die statistische Information diesen<br />
Fall für <strong>Wawern</strong> schon für das Jahr 1854 bestätigen. Der jüdische<br />
Lehrer übernahm anschließend den Religionsunterricht in<br />
mehreren Gemeinden und war als Vorsänger und Schächter<br />
tätig.<br />
Im Jahre 1856 stellte <strong>der</strong> damalige Landrat Mersmann fest:<br />
„In Kirf, Freudenburg und <strong>Wawern</strong> wird <strong>der</strong> Religionsunterricht<br />
<strong>der</strong> schulpflichtigen <strong>Juden</strong>kin<strong>der</strong> durch eigene Religionslehrer<br />
erteilt, welche die an dem Synagogenbezirke beteiligten<br />
<strong>Juden</strong>schaft besoldet. Diese Lehrer haben nicht die gesetzliche<br />
Qualifikation <strong>zur</strong> Ausübung eines Elementar-Schulamtes, <strong>zur</strong><br />
Besoldung <strong>der</strong>artiger Personen sind die Interessenten (...) außer<br />
Stande. Soweit bekannt, wird <strong>der</strong> Religionsunterricht von<br />
Zeit zu Zeit kontrolliert, inwiefern hierdurch die nötige Fürsorge<br />
getroffen ist, weiß ich indessen nicht zu beurteilen.“ 12<br />
Aus einem Inspektionsbericht des Jahres 1868 wird deutlich,<br />
dass <strong>der</strong> jüdische Lehrer in <strong>Wawern</strong> noch deutschsprachige<br />
Texte mit hebräischen Buchstaben schreiben ließ. Die<br />
Behörden hätten diese „jüdisch-deutsche“ Schrift mit einigem<br />
Misstrauen gesehen, weil sie für die nichtjüdische Bevölkerung<br />
unverständlich war und neben Missverständnissen eine<br />
11 Ebda., S. 320/321. Die Kooperation <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> von <strong>Wawern</strong> und<br />
Saarburg bezog sich auch auf die gemeinsame Nutzung des Friedhofs<br />
in Nie<strong>der</strong>leuken. Über die <strong>Juden</strong> in Saarburg vgl. den Beitrag<br />
von Rudolf Müller: Die <strong>Juden</strong>gemeinde, in Saarburg. <strong>Geschichte</strong><br />
einer Stadt, Bd. I, S. 25-30. Um 1900 suchte die jüdische Gemeinde<br />
Saarburg einen eigenen Religionslehrer, wie <strong>aus</strong> einer Anzeige<br />
in „Der Israelit“ zu ersehen ist. Vgl. Der Israelit vom 27.9.1900.<br />
12 LHA Koblenz Best. 442, Nr. 14099, S. 24, zitiert nach Heidt/<br />
Lennartz: „Fast vergessene Zeugen“, S. 391.<br />
50
gewisse Abson<strong>der</strong>ung des jüdischen Teils <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
begünstige. 13<br />
Bestätigt wird durch diese beiden Texte, dass in <strong>Wawern</strong><br />
weiterhin ein Lehrer eingesetzt war. Offenbar wurde nach<br />
1856 wie<strong>der</strong> eine jüdische Elementarschule unterhalten, wie<br />
<strong>der</strong> Inspektionsbericht von 1868 und ein Konflikt <strong>aus</strong> dem<br />
Jahre 1870 zwischen dem katholischen Pfarrer des Ortes und<br />
dem jüdischen Lehrer nahe legen. Der Oberrabbiner von <strong>Trier</strong>,<br />
<strong>der</strong> <strong>aus</strong> <strong>Wawern</strong> stammt, wandte sich an den Landrat des Kreises<br />
Saarburg mit <strong>der</strong> Bitte, den Konfliktfall in <strong>Wawern</strong> <strong>der</strong><br />
Regierung vorzutragen, damit diese das Bischöfliche Generalvikariat<br />
um Vermittlung ersuche. Der Ortsgeistliche Heyart<br />
hatte die jüdische Privatschule verpflichtet, sich in Hinsicht<br />
des wöchentlichen Stundenplans und <strong>der</strong> Ferienregelung <strong>der</strong><br />
christlichen Schule anzuschließen und auch am Freitagnachmittag<br />
zu unterrichten. Der jüdische Lehrer hatte dies abgelehnt,<br />
weil am Freitagnachmittag <strong>der</strong> Sabbatgottesdienst vorbereitet<br />
werden müsse. Die Regierung in <strong>Trier</strong> antwortete am<br />
26. März 1870 mit folgen<strong>der</strong> Lösung des Streitfalles: „Da die<br />
Israeliten in <strong>Wawern</strong> eine eigene Schule auf ihre Kosten erhalten,<br />
so steht diese in den innern Angelegenheiten, wie überall,<br />
nur unter <strong>der</strong> Aufsicht des betreffenden Schulinspektors, keineswegs<br />
aber unter <strong>der</strong> Aufsicht des Ortspfarrers, welcher<br />
letztere daher auch nicht berechtigt ist, dem Lehrer Vorschriften<br />
zu machen. Wenn <strong>der</strong> israelitische Lehrer Richard nun <strong>aus</strong><br />
Kultusrücksichten am Freitagnachmittag keinen Unterricht<br />
erteilt, so liegt durch<strong>aus</strong> kein Grund vor, ihm dies zu untersagen<br />
(...)“ 14<br />
Ein recht ungewöhnlicher Vorgang stellt die Bewerbung<br />
des Kantors und Religionslehrers Samuel Philippson <strong>aus</strong> <strong>Wawern</strong><br />
im Jahre 1879 dar. Während in <strong>der</strong> Regel die jüdischen<br />
Gemeinden in <strong>der</strong> Region <strong>Trier</strong> nach einem Religionslehrer<br />
13 Esperstedt, Joachim: Jüdische Schulen, in: Die <strong>Juden</strong> in ihrem<br />
gemeindlichen und öffentlichen Leben, S. 187.<br />
14 LHA Koblenz Best. 442, Nr. 13247, S. 77-78.<br />
51
und Kantor Ausschau halten, wird in diesem Falle <strong>der</strong> Kandidat,<br />
vielleicht sogar <strong>der</strong> Stelleninhaber, selbst aktiv, um an<br />
einem an<strong>der</strong>en Ort tätig zu werden. Samuel Philippson verweist<br />
in seiner Stellenanzeige auf die Referenzen „Seiner<br />
Ehrwürden Herr Rabbiner Dr. Ehrmann“ in <strong>Trier</strong>. 15<br />
Die jüdische Gemeinde <strong>Wawern</strong> hatte im Jahre 1885 75<br />
Mitglie<strong>der</strong>. 16<br />
Im Jahre 1925 bewarb sich Ferdinand Samuel (1901-1987),<br />
geb. in Freudenburg, um eine Religionslehrerstelle in verschiedenen<br />
kleineren jüdischen Gemeinden des <strong>Trier</strong>er Landes,<br />
u.a. auch <strong>Wawern</strong>. In seinem Bewerbungsschreiben an die<br />
Regierung in <strong>Trier</strong> heißt es: „Ergebenst Unterzeichneter möchte<br />
bei einer hohen Regierung beantragen, gestützt auf beiliegen<strong>der</strong><br />
Zeugnisabschrift und gestützt auf das Gutachten Seiner<br />
Ehrwürden des Herrn Oberrabbiners Dr. Altmann in <strong>Trier</strong>,<br />
eine hohe Regierung in <strong>Trier</strong> wolle mir gütigst die Berechtigung<br />
erteilen, an die jüdischen Kin<strong>der</strong> <strong>der</strong> Gemeinden Gerolstein,<br />
Kyllburg, Konz, Könen, <strong>Wawern</strong>, Kirf, Freudenburg,<br />
Hermeskeil und Schillingen Religionsunterricht zu erteilen. 17<br />
Der Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung nahm<br />
seine Bewerbung an und wies die Regierung in <strong>Trier</strong> am 7.<br />
August 1925 an, „dem Ferdinand Samuel <strong>aus</strong> Freudenburg,<br />
Kreis Saarburg, <strong>zur</strong> Erteilung von jüdischem Religionsunterricht<br />
an jüdische Kin<strong>der</strong> in den Gemeinden Gerolstein, Kyllburg,<br />
Freudenburg, Kirf, <strong>Wawern</strong>, Konz, Könen, Hermeskeil<br />
und Schillingen den Privatunterrichtserlaubnisschein zu erteilen.“<br />
18 Im Jahre 1930 ist für den Religionsunterricht in <strong>Wawern</strong><br />
<strong>der</strong> in Freudenburg wohnende Wan<strong>der</strong>lehrer Heimann<br />
zuständig. 19 Noch 1935 besuchen die jüdischen Kin<strong>der</strong> von<br />
15 Der Israelit vom 15.10.1879, zitiert nach alemannia-judaica Suchwort<br />
Synagoge <strong>Wawern</strong> 26.11.10.<br />
16 Gemeindelexikon für die Provinz Rheinland 1888, S. 174/175.<br />
17 LHA Koblenz Best. 442, Nr. 13247, S. 125.<br />
18 LHA Koblenz Best. 442, Nr. 13247, S. 141<br />
19 Der Israelit vom 13.11.1930, zitiert nach alemannia-judaica<br />
52
<strong>Wawern</strong> die allgemeine Volksschule von <strong>Wawern</strong>, die von<br />
Lehrer Die<strong>der</strong>ich geleitet wurde, wie ein Foto vom Oktober<br />
dieses Jahres zeigt. Zu sehen sind die Schüler Erna Hirschkorn,<br />
Kurt Levy, Christine Glückstein, Jakob Wachsmann,<br />
Otto Glückstein, Ella Wachsmann, Marianne Elikan, Benno<br />
Levy, Herta Kahn und Felix Kaufmann. 20<br />
Die Zahl <strong>der</strong> Opfer des Holoc<strong>aus</strong>t <strong>aus</strong> <strong>Wawern</strong> ist noch<br />
nicht abschließend geklärt. Von Überlebenden <strong>der</strong> <strong>Wawern</strong>er<br />
<strong>Juden</strong> finden sich vier Familienanzeigen im „Aufbau“ 21<br />
Der <strong>Trier</strong>er Oberrabbiner Joseph Kahn, 1809-1875.<br />
Eine biographische Skizze<br />
Text auf den folgenden Seiten!<br />
25.11.10.<br />
20 Heidt/Lennartz: Fast vergessene Zeugen, S. 399. Zu Marianne<br />
Elikan vgl. Schnitzler, Thomas: „Das Leben ist ein Kampf“ <strong>Trier</strong><br />
2008.<br />
21 Schwer: Was ist <strong>aus</strong> ihnen geworden? S. 60, 62, 67, 69.<br />
53
Inhaltsangabe<br />
. Thematik Seite<br />
1. Joseph Kahn: ein europäischer Avantgardist 55<br />
2. Vorwort des Verfassers 57<br />
3. Biographischer Forschungsstand 59<br />
4. In Fachkreisen bekannt und gewürdigt 62<br />
5. Neuere Erkenntnisse <strong>zur</strong> Biographie:<br />
Die Eltern 64<br />
Ausbildung 68<br />
Studium 69<br />
Amtseinführung 74<br />
Familiengründung 76<br />
In Luxemburg 82<br />
6. <strong>Wawern</strong>, das Heimatdorf von Joseph Kahn: ein 85<br />
Modell für Toleranz und Menschlichkeit<br />
7. Joseph Kahn, <strong>der</strong> Reformer des <strong>Juden</strong>tums 88<br />
8. Joseph Kahn und <strong>der</strong> preußische Staat 92<br />
9. Joseph Kahn und <strong>der</strong> Synagogenbau in <strong>der</strong> Region<br />
100<br />
<strong>Trier</strong><br />
10. För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> jüdischen Schulen 113<br />
11. Der jüdische Sprengel <strong>Trier</strong> 122<br />
.12. Ein Predigtbeispiel 126<br />
13. Das silberne Amtsjubiläum am 15./16. Dezember 134<br />
1866<br />
14. „Kahns Bade- und Reiseberichte“ 137<br />
15. Warum heute an Joseph Kahn erinnern? 140<br />
16. Grabstein auf dem jüdischen Friedhof in <strong>der</strong> Weidegasse<br />
148<br />
in <strong>Trier</strong><br />
17. Kurzbiographie 149<br />
18. Quellen und Literatur 150<br />
19. Fotos 153<br />
20. Anhang 153<br />
54
Joseph Kahn: ein europäischer Avantgardist<br />
Zugegeben: es ist eine gewagte Hypothese, zumal Europa<br />
als geographisches und politisches Gebilde noch nicht existierte,<br />
als Joseph Kahn im Jahre 1809 in <strong>Wawern</strong> an <strong>der</strong> Saar geboren<br />
wurde. Viele Kriege und gr<strong>aus</strong>ame Verbrechen mussten<br />
die Völker <strong>der</strong> heutigen europäischen Län<strong>der</strong> erleben, damit<br />
endlich ihre Regierungen Pläne für ein friedliches und tolerantes<br />
Europa schmieden konnten. Dennoch ohne die Grundgedanken<br />
<strong>der</strong> europäischen Aufklärung und <strong>der</strong> französischen<br />
Revolution - Freiheit, Gleichheit und Brü<strong>der</strong>lichkeit - und jene<br />
Hoffnung auf eine reale Gleichbehandlung aller Bürger, die<br />
Joseph Kahn so tief prägte, gebe es vermutlich noch keine<br />
Verwirklichung <strong>der</strong> europäischen Utopie.<br />
Das Buch von Willi Körtels versetzt uns fachlich und einfühlsam<br />
in jene spannende Epoche <strong>der</strong> Hoffnung auf eine gerechtere<br />
Gesellschaft, die ein jüdischer Bürger - Joseph Kahn -<br />
als Oberrabbiner von <strong>Trier</strong> 30 Jahre lang intellektuell und<br />
menschlich mitgestaltete. Joseph Kahn, das beweist <strong>der</strong> Autor,<br />
war ein Mensch, <strong>der</strong> für seine emanzipatorischen Ideen unermüdlich<br />
und behutsam kämpfte. Gegen den preußischen Staat,<br />
<strong>der</strong> die Gleichbehandlung aller Bürger - jenseits ihrer konfessionellen<br />
und politischen Zugehörigkeit - nicht verwirklichen<br />
wollte, gegen die <strong>Trier</strong>er Gegner eines aufgeklärten Zusammenlebens<br />
zwischen <strong>Juden</strong> und Christen. Aber auch gegen<br />
seine jüdischen Zeitgenossen, die <strong>der</strong> religiösen und politischen<br />
Tradition verpflichtet waren.<br />
Mit großer innerer Anteilnahme las ich, dass Josef Kahn im<br />
Jahre 1844 die <strong>Wawern</strong>er Synagoge einweihte und die Würdenträger<br />
des <strong>Juden</strong>tums und des Katholizismus <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Trier</strong>er<br />
und Luxemburger Region zu diesem Anlass einan<strong>der</strong> trafen.<br />
Die jüdische und katholische Bevölkerung <strong>Wawern</strong>s empfing<br />
herzlich die zahlreichen Gäste von <strong>der</strong> Mosel, von <strong>der</strong><br />
Saar und <strong>aus</strong> Luxemburg, um das wichtige Ereignis zusammen<br />
zu feiern.<br />
55
Heute ist die <strong>Wawern</strong>er jüdische Gemeinde <strong>aus</strong>gelöscht.<br />
Ihr geistliches Gedankengut sowie die europäischen Utopien<br />
unserer Vorfahren leben jedoch weiter. Auch das heutige Europa,<br />
das uns immer noch mit einer langen Vergangenheit<br />
verbindet, braucht zukunftsweisende Vorbil<strong>der</strong>. Mögen heute<br />
junge Bewohner <strong>Wawern</strong>s u.a. auf den Spuren von Joseph<br />
Kahn Impulse für neue Hoffnungen und Sehnsüchte nach einem<br />
innigen Zusammenleben in Europa des XXI. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
finden, über die bloßen wirtschaftlichen Interessen und die<br />
kulturellen Unterschiede hin<strong>aus</strong>, die eigentlich eine Bereicherung<br />
für alle sind. Vor<strong>aus</strong>gesetzt, man verfügt über Neugierde<br />
für An<strong>der</strong>sdenkende und -fühlende. Zur Vertiefung einer gemeinsamen<br />
europäischen Identität, die gleichzeitig Kontinuität<br />
und Fortschritt ermöglicht und die außereuropäischen Völker<br />
einbezieht, ist es ein Muss.<br />
Joseph Kahns Ideen for<strong>der</strong>n her<strong>aus</strong> und drängen uns Heutige,<br />
das Zusammenwachsen Europas anzunehmen.<br />
Dr. Pascale Eberhard, <strong>Wawern</strong><br />
56
Vorwort des Verfassers<br />
Der För<strong>der</strong>verein Synagoge Könen e.V. gründete sich im<br />
Jahre 2002 mit <strong>der</strong> Absicht, auf die kaum mehr erinnerte jüdische<br />
Kultur im Raum Konz aufmerksam zu machen. Die<br />
Grün<strong>der</strong> dieses Vereins waren sich darin einig, dass eine Jahrhun<strong>der</strong>te<br />
währende jüdische Kultur in <strong>der</strong> Region Konz wahrgenommen<br />
und angenommen werden will, weil sie <strong>zur</strong> <strong>Geschichte</strong><br />
gehört. Die Mitglie<strong>der</strong> dieses Vereins sind sich <strong>der</strong><br />
Schwierigkeiten bewusst, die sich mit <strong>der</strong> Aufarbeitung jüdischer<br />
<strong>Geschichte</strong> ergeben. Nach Jahrzehnten des Verschweigens<br />
und Verdrängens begrüßen nicht alle Bürger die Beschäftigung<br />
mit dieser Thematik. Anlässlich früherer Veröffentlichungen<br />
konnten wir beobachten, dass es kein einheitliches<br />
Bewusstsein gibt: die einen möchten nicht erinnert werden,<br />
weil sie sich an den Zustand <strong>der</strong> Verdrängung gewöhnt haben,<br />
und die an<strong>der</strong>n begrüßen es freudig, dass sie endlich informiert<br />
werden. Es handelt sich nicht so sehr um eine Problematik <strong>der</strong><br />
verschiedenen Generationen, denn zu den Befürwortern und<br />
Ablehnenden <strong>der</strong> regionalen historischen Aufklärung <strong>zur</strong> <strong>Geschichte</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Juden</strong> gehören Alte und Junge.<br />
Inzwischen existiert eine Tafel, die an die Synagogen <strong>der</strong><br />
Region Konz erinnert. Zur <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> jüdischen Gemeinden<br />
Oberemmel und Könen liegt jeweils ein Buch vor. Schautafeln<br />
zu den Kin<strong>der</strong>n von <strong>Wawern</strong>, welche die Reichspogromnacht<br />
erlebten, zum Schicksal einer jüdischen Person <strong>aus</strong><br />
Könen und zu den <strong>Juden</strong> <strong>aus</strong> Konz wurden <strong>der</strong> Öffentlichkeit<br />
vorgestellt. Am jüdischen Friedhof in Oberemmel wurde 1997<br />
eine Gedenktafel enthüllt. Im Rahmen des Europäischen Tages<br />
<strong>der</strong> Jüdischen Kultur werden alle zwei Jahre Führungen auf<br />
den jüdischen Friedhöfen in Könen und in Oberemmel angeboten.<br />
Zur Erinnerung an die Reichspogromnacht 1938 fanden<br />
zwei Klezmer-Konzerte in <strong>der</strong> restaurierten Synagoge von<br />
<strong>Wawern</strong> statt. Außerdem hat <strong>der</strong> För<strong>der</strong>verein Synagoge Könen<br />
e.V. Vorträge und öffentliche Führungen <strong>zur</strong> <strong>Geschichte</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Juden</strong> in <strong>der</strong> Region Konz angeboten. Alle Veranstaltun-<br />
57
gen wurden von <strong>der</strong> Presse in Bericht o<strong>der</strong> Reportageform<br />
begleitet. Im Rahmen <strong>der</strong> Erforschung <strong>der</strong> jüdischen Kultur<br />
<strong>der</strong> Region Konz wurde die <strong>Trier</strong>er Lyrikerin Elise Haas entdeckt,<br />
<strong>der</strong>en Biographie als Buch 2008 veröffentlicht wurde.<br />
In dieser Publikation über Joseph Kahn, die im Rahmen <strong>der</strong><br />
Erforschung <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> von <strong>Wawern</strong> entstand,<br />
geht es um eine außergewöhnliche Persönlichkeit, die vor 200<br />
Jahren in <strong>Wawern</strong> geboren wurde und in <strong>der</strong> Region <strong>Trier</strong> und<br />
weit darüber hin<strong>aus</strong> segensreich als Oberrabbiner gewirkt hat.<br />
Die Erforschung dieser weitgehend unbekannten Persönlichkeit<br />
unterstützten das Stadtarchiv <strong>Trier</strong> unter <strong>der</strong> Leitung<br />
von Dr. Reiner Nolden, das Stadtarchiv <strong>der</strong> Stadt Leer in Ostfriesland,<br />
das Standesamt Konz unter <strong>der</strong> Leitung von Frau<br />
Schwebach, das Standesamt Saarburg, die Archive <strong>der</strong> Universitäten<br />
Heidelberg und Bonn, das joods historisch museum<br />
Amsterdam, das Stadsarchief Amsterdam und das Antiquariat<br />
Spinoza in Amsterdam. Oberstudienrat Andreas Vaske übersetzte<br />
die standesamtlichen Dokumente in französischer Sprache<br />
ins Deutsche. Dr. Hans-Joachim Kann lektorierte das Manuskript.<br />
Die erfahrene Hilfe, auch von nicht namentlich erwähnten<br />
Personen und Institutionen, ging weit über die bürokratische<br />
Pflicht hin<strong>aus</strong>. Allen sei herzlich gedankt.<br />
Wir bedanken uns ganz herzlich bei Richard Almond, ein<br />
Nachfahre von Joseph Kahn, <strong>aus</strong> Palo Alto in Californien, <strong>der</strong><br />
uns Fotos von lithographischen Aufnahmen von Joseph und<br />
Rebecca Kahn u.a. <strong>zur</strong> Verfügung stellte.<br />
Unterschrift von Oberrabbiner Joseph Kahn<br />
58
Biographischer Forschungsstand<br />
Eine <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> von <strong>Wawern</strong> zu schreiben, ohne<br />
an Joseph Kahn zu erinnern, ist nicht denkbar, denn von keiner<br />
an<strong>der</strong>en Person <strong>der</strong> jüdischen Gemeinde <strong>Wawern</strong> des neunzehnten<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts ist mehr überliefert als von ihm. So erinnert<br />
ein Grabstein auf dem Jüdischen Friedhof in <strong>der</strong> Weidegasse<br />
in <strong>Trier</strong> noch heute an <strong>Trier</strong>er Oberrabbiner. 1 Außerdem<br />
widmet das Internet-Lexikon „Jewish-Encyclopedia“ Joseph<br />
Kahn einen kleinen Beitrag, <strong>der</strong> von Isidor Singer und Siegmund<br />
Salfeld bearbeitet wurde. 2 Das im Jahre 2000 von Heinz<br />
Monz her<strong>aus</strong>gegebene „<strong>Trier</strong>er Biographische Lexikon“ stellt<br />
Joseph Kahn in einem Artikel vor, den Annette Haller, die<br />
Autorin des Werkes über den Jüdischen Friedhof in <strong>der</strong> Weidegasse,<br />
verfasste. 3 Die erste Bibliographie <strong>der</strong> Veröffentlichungen<br />
von Joseph Kahn findet sich in <strong>der</strong> von Mayer Kayserling<br />
1872 in Berlin her<strong>aus</strong>gegebenen „Bibliothek Jüdischer<br />
Kanzelredner“. 4 Von Joseph Kahn sind in diesem Artikel folgende<br />
im Druck erschienene Predigten erwähnt:<br />
1. Rede gehalten bei dem beson<strong>der</strong>n Gottesdienst, <strong>zur</strong><br />
Ehre S. Maj. Unseres Königs und Großherzogs Wilhelm<br />
II., bei Allerhöchst<strong>der</strong>selben Anwesenheit in unserer<br />
Stadt Luxemburg am 21. Juni (1840) (Luxemburg).<br />
2. Das Passah- als Versöhnungsfest. Predigt, gehalten in<br />
<strong>der</strong> Synagoge zu Saarlouis am Sabb[ath] vor dem Passahfeste<br />
5601 (1841). Saarbrücken 1841.<br />
1 Haller, Annette: Der Jüdische Friedhof in <strong>der</strong> Weidegasse in <strong>Trier</strong>,<br />
S. 52.<br />
2 http://www.jewishencyclopedia.com/view.jsp?artid=24&letter=K<br />
3 <strong>Trier</strong>er Biographisches Lexikon, S. 207/208.<br />
4 http://www.jewishencyclopedia.com/view.jsp?artid=24&letter=K;<br />
Ebenda. Eine Kopie dieses Beitrags stellte freundlicherweise das<br />
Antiquariat Spinoza in Amsterdam <strong>zur</strong> Verfügung.<br />
59
3. Die Bestrebungen <strong>der</strong> neuen Rabbiner zielen nur darauf<br />
hin, das wahre alte <strong>Juden</strong>thum wie<strong>der</strong> herzustellen.<br />
Predigt, gehalten bei seinem Amtsantritt am S.<br />
Bajigasch 5602 (18. Dezember 1841). <strong>Trier</strong> 1842<br />
4. Der christlich-bürgerliche Neujahrstag für den Israeliten.<br />
Vortrag, gehalten in <strong>der</strong> Synagoge zu <strong>Trier</strong> am S.<br />
Waera 5603 (31. Dezember 1842). <strong>Trier</strong> o.J.<br />
5. Leichenrede, gehalten am Grabe des Herrn Joseph<br />
Penas, am 19. Februar 1855. <strong>Trier</strong> 1855<br />
6. Die Feier <strong>der</strong> Einweihung <strong>der</strong> neuen Synagoge zu<br />
<strong>Trier</strong>, am 9. und 10. September 1859. <strong>Trier</strong> 1860 (Enthält:<br />
Die Einweihungsrede und die Rede beim Sabbath-Morgen-Gottesdienste)<br />
7. „Je<strong>der</strong> bei seiner Fahne!“ Predigt, gehalten in <strong>der</strong> Synagoge<br />
zu <strong>Trier</strong> an den beiden Tagen des Schabuothfestes<br />
5623 (24. und 25. Mai 1863). <strong>Trier</strong> 1863<br />
8. Gott, <strong>der</strong> Vater <strong>der</strong> Waisen! Rede <strong>zur</strong> Einweihung des<br />
jüdischen Waisenh<strong>aus</strong>es für Westphalen und Rheinland<br />
am 29. August 1863 in <strong>der</strong> Synagoge zu Pa<strong>der</strong>born.<br />
Pa<strong>der</strong>born 1863<br />
9. Liebe und Versöhnung nach <strong>der</strong> Lehre des <strong>Juden</strong>thums.<br />
Predigt, gehalten am Vorabend des Versöhnungstages<br />
5626 (1865). <strong>Trier</strong> 1866<br />
10. Kampf, Sieg und Friede! Rede bei dem feierlichen<br />
Dank-Gottesdienst für den errungenen glorreichen<br />
Frieden, gehalten in <strong>der</strong> Synagoge zu <strong>Trier</strong> am 18. Juni<br />
1871. Aachen o.J. 5<br />
Aus dem Jahre 1872 ist außerdem eine publizierte Predigt<br />
bekannt sowie eine Denkschrift, die 1874, also nach <strong>der</strong><br />
Drucklegung des bibliographischen Werkes von Kayserling,<br />
veröffentlicht wurde. 6 Aufgrund seines Bekanntheitsgrades ist<br />
5 Kayserling: Bibliothek jüdischer Kanzelredner, S. 299-300. Eine<br />
Kopie dieses Beitrags stellte mir freundlicherweise das Antiquariat<br />
Spinoza in Amsterdam <strong>zur</strong> Verfügung.<br />
6 joods historisch museum Amsterdam, vgl. ttp://www.jhm.nl/bezoek<br />
60
die Tätigkeit von Oberrabbiner Kahn <strong>aus</strong> <strong>Trier</strong> in sechs jüdischen<br />
Zeitschriften gut dokumentiert. Es handelt sich um die<br />
„Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>tums“, „Der Orient“, „Der Israelit“,<br />
die „Israelitischen Annalen“ und um „Ben Chananja“.<br />
Während die „Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>tums“ die gesamte<br />
Zeitspanne seines Rabbinats von 1840 bis 1875 umfasst,<br />
enthält „Der Orient“ Beiträge <strong>aus</strong> den Jahren 1840 bis 1846,<br />
„Der Israelit“ Artikel <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Zeit von 1844 bis 1847, und in<br />
„Ben Chananja“ finden sich Berichte <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Zeit von 1860 bis<br />
1867. Insgesamt liegen 140 Zeitschriftenbeiträge vor, von<br />
denen allein 61 in <strong>der</strong> „Allgemeinen Zeitung des <strong>Juden</strong>tums“<br />
erschienen sind, zehn in „Der Orient“, vierzehn in „Der Israelit“,<br />
fünfzehn in „Israelitischen Annalen“ und sechsundzwanzig<br />
in „Ben Chananja“. Zwei Artikel <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Zeitschrift „Ben<br />
Chananja“ wurden in <strong>der</strong> nie<strong>der</strong>ländischen jüdischen Zeitschrift<br />
„Nieuw Isr. Weekblad“ abgedruckt. Darüber hin<strong>aus</strong><br />
finden sich weitere Beiträge in dieser Zeitung, die nicht vorher<br />
in deutscher Sprache veröffentlicht worden waren, z.B. eine<br />
Predigt <strong>aus</strong> dem Jahre 1865, in <strong>der</strong> Joseph Kahn Stellung<br />
nimmt gegen antisemitische Aussagen eines katholischen<br />
Kongresses in <strong>Trier</strong>, insgesamt vier. 7 Die Zeitschrift „Der israelitische<br />
Volkslehrer“ enthält sieben Beiträge und die Zeitschrift<br />
„Die Neuzeit“ zwei zu Oberrabbiner Kahn. 8 Die bisher<br />
entdeckten Zeitschriftenartikel sind in ihrem Umfang sehr<br />
vom 23.12.2008; es handelt sich um die „Denkschrift, die gesetzliche<br />
Regelung des jüdischen Gemeinwesens. betreffend“, <strong>Trier</strong> 1874, nach<br />
Angaben des Leo-Baeck-Instituts New York, Suche im Catalog Nr.1 vom<br />
8.2.2009.<br />
7 Nieuwe Israel. Weekblad 1865, Nr. 14, S. 2. Dieser Beitrag liegt dem Verfasser<br />
als Kopie des joods historisch museum Amsterdam vor. Auch die<br />
Allgemeinen Zeitung des <strong>Juden</strong>thums vom 4.10.1865, S. 664/665 weist auf<br />
antisemitische Aussagen des Kongresses katholischer Vereine Deutschlands<br />
in <strong>Trier</strong> hin. Die in <strong>der</strong> holländischen Ausgabe angekündigte Veröffentlichung<br />
trägt den Titel „ Jüdische Liebe und Versöhnung“ und ist 1866<br />
publiziert worden. Vgl. Kayserling: Bibliothek jüdischer Kanzelredner,<br />
S. 300.<br />
8 Der israelitische Volkslehrer, 1858, 1859, 1860; Die Neuzeit 1870,<br />
1875.<br />
61
unterschiedlich. Sie reichen von wenige Zeilen umfassenden<br />
Texten bis zu mehrteiligen Abhandlungen. Die große Zahl <strong>der</strong><br />
während seiner Amtszeit als Oberrabbiner von <strong>Trier</strong> in Zeitschriften<br />
erschienenen Texte und gedruckten Predigten erweist<br />
Joseph Kahn als <strong>aus</strong>dauernd fleißigen religiösen Schriftsteller.<br />
Im Jahre 2004 erschien das von Michael Brocke und Julius<br />
Carlebach her<strong>aus</strong>gegebene „Biographische Handbuch <strong>der</strong> Rabbiner“,<br />
das erstmals umfangreich über die Publikationen, die<br />
Dokumente und die Literatur zu Oberrabbiner Joseph Kahn<br />
informiert. Die Liste <strong>der</strong> Publikationen von Kayerling erfährt<br />
in diesem neueren Werk eine Ergänzung:<br />
1. Gutachten zugunsten Abraham Geigers, 18. November<br />
1842, in Rabbinische Gutachten über die<br />
Verträglichkeit <strong>der</strong> freien Forschung, Bd. II, S. 12-<br />
44<br />
2. Über Zweck und Wesen <strong>der</strong> Rabbiner-Versammlung,<br />
<strong>Trier</strong> 1845. 9<br />
In Fachkreisen bekannt und gewürdigt<br />
Obwohl in allen einschlägigen wissenschaftlichen Werken die<br />
Herkunft von Joseph Kahn <strong>aus</strong> <strong>Wawern</strong>, einem Dorf an <strong>der</strong><br />
unteren Saar mit einer jüdischen Synagogengemeinde, genannt<br />
wird, ist er in seinem Geburtsort so gut wie unbekannt. Deswegen<br />
könnte es ratsam sein, auf die bisher veröffentlichten<br />
Würdigungen einzugehen. Die bedeutende jüdische Enzyklopädie<br />
„Jewish-Encyclopedia“ weist in einem eigenen Beitrag<br />
auf Joseph Kahn hin. Dieser Artikel erwähnt die unglücklichen<br />
Lebensumstände, die <strong>der</strong> am 2. September 1809 in <strong>Wawern</strong><br />
geborene Joseph Kahn in seinen frühen Lebensjahren erfahren<br />
musste. Sein Vater, Lehrer und Kantor, sei früh gestorben und<br />
ein Sturz vom Pferd habe den Jungen Joseph Kahn daran ge-<br />
9 Biographisches Handbuch <strong>der</strong> Rabbiner, S. 500-502.<br />
62
hin<strong>der</strong>t, sein Leben als Pferdehändler zu bestreiten. Stattdessen<br />
sei er nach Metz gezogen, um bei Meir Legard den Talmud zu<br />
studieren. Unter Jacob Ettlinger habe er seine Studien in<br />
Mannheim fortgesetzt. Danach habe er in Heidelberg und in<br />
Bonn an <strong>der</strong> Universität mit Erfolg studiert. Danach habe er<br />
dreißig Jahre das Oberrabbinatsamt in <strong>Trier</strong> inne gehabt, habe<br />
an den Rabbinerkonferenzen in Frankfurt a.M., in Breslau und<br />
in Kassel teilgenommen. Er sei ein eloquenter Prediger gewesen.<br />
10 Annette Haller berichtet in ihrem Beitrag zu Joseph<br />
Kahn im „<strong>Trier</strong>er Biographischen Lexikon“, dass er noch vor<br />
seiner Rabbinatszeit im Jahre 1841 am Pessachfest vor dem<br />
König-Großherzog Wilhelm II. <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>lande in Luxemburg<br />
die Festrede gehalten habe. Als Oberrabbiner von <strong>Trier</strong> habe<br />
er sich für die vernachlässigte Schulbildung, für die Reformierung<br />
des Gottesdienstes und für den Neubau <strong>der</strong> baufälligen<br />
Synagoge in <strong>der</strong> Weberbach eingesetzt. Die neue Synagoge<br />
am Zuckerberg sei schließlich 1859 eingeweiht worden. 11 In<br />
ihrem Werk „Der Jüdische Friedhof in <strong>der</strong> Weidegasse in<br />
<strong>Trier</strong>“ ergänzt die Autorin ihre Würdigung <strong>der</strong> Leistungen von<br />
Oberrabbiner Kahn, er sei „äußerst beliebt, einfühlsam und<br />
bescheiden, immer für seine Gemeindemitglie<strong>der</strong> <strong>zur</strong> Stelle“<br />
und im Umgang mit den christlichen Behörden beliebt und<br />
angesehen gewesen. Er habe sich dem Geiste <strong>der</strong> Emanzipation<br />
verschrieben, er habe sich für den politischen und religiösen<br />
Fortschritt des <strong>Juden</strong>tums eingesetzt, er sei ein treuer<br />
Geistlicher und ein Wohltäter <strong>der</strong> Armen, ein Vater den Witwen<br />
und Waisen gewesen. Man habe seinen Worten in tiefer<br />
Andacht gel<strong>aus</strong>cht. 12<br />
10 http://www.jewishencyclopedia.com/view.jsp?artid=24&letter=K;<br />
zu Jakob Ettlinger vgl. dessen Biographie von Jeanette Str<strong>aus</strong>s Almstad<br />
und Matthias Wolfers im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexikon,<br />
(www.bautz.de).<br />
11 <strong>Trier</strong>er Biographisches Lexikon, S. 207/208; vgl. auch Israelitische Annalen<br />
vom 6.8.1841, S. 255; als Bewerber für das Amt des Oberrabbiners<br />
von <strong>Trier</strong> predigte er mehrmals in Saarlouis. Vgl. Allgemeine Zeitung des<br />
<strong>Juden</strong>thums, 14.11.1840, S. 656.<br />
12 Haller, Annette: Der jüdische Friedhof an <strong>der</strong> Weidegasse in <strong>Trier</strong>,<br />
63
Neuere Erkenntnisse <strong>zur</strong> Biographie<br />
Weniger bekannt sind dagegen allgemeine biographische<br />
Kenntnisse zu Joseph Kahn. So war bisher nichts über seine<br />
Wohnung in <strong>Trier</strong> und seine Eltern zu erfahren. Mit wem er<br />
verheiratet war und wie seine Kin<strong>der</strong> hießen, ist erst seit dem<br />
Erscheinen des 2004 erschienenen Biographischen Handbuchs<br />
<strong>der</strong> Rabbiner bekannt.<br />
Die Eltern<br />
Der Vater von Joseph Kahn hieß Mayer Kahn und stammte<br />
<strong>aus</strong> Freudenburg. Er war bei <strong>der</strong> Geburt seines Sohnes Joseph<br />
im Jahre 1809 37 Jahre alt. Er wurde also im Jahre 1772 geboren.<br />
Sein Beruf wird mit „instituteur“ angegeben, welches mit<br />
Lehrer und Vorbeter übersetzt wird. Joseph Kahns Mutter<br />
heißt Bees, geb. Levy. Zeugen des Geburtsdokuments sind<br />
Emanuel Simon, Lehrer und Vorbeter, <strong>aus</strong> Könen und Johann<br />
Bidinger, Landwirt, <strong>aus</strong> Konz. 13 Die Namensangaben zu Joseph<br />
Kahns Vater werden im Heiratsregister <strong>der</strong> Stadt Leer,<br />
wo Joseph Kahn 1844 heiratete, bestätigt. Der Vorname seiner<br />
Mutter ist auch in diesem Dokument „Bees“, <strong>der</strong><br />
S. XXI./XXII; ebenso Ben Chananja vom 15.1.1867, S. 43: umfangreiche<br />
Würdigung Joseph Kahn nach einem Bericht des Schweicher Lehrers<br />
Michael Levy; ebenso <strong>der</strong> Nachruf in <strong>der</strong> Allgemeinen Zeitung des <strong>Juden</strong>thums<br />
vom 27.7.1875, S. 492ff.<br />
13 Geburtsurkunde von Joseph Kahn, Meldebehörde Konz. Zeugen dieses<br />
Dokuments sind ein jüdischer und ein christlicher Bürger <strong>aus</strong> Könen, <strong>der</strong><br />
Vorbeter Emanuel Simon, und <strong>aus</strong> Konz, <strong>der</strong> Landwirt Jean Bidinger.<br />
Dies zeigt, dass <strong>Juden</strong> und Christen damals im Alltag kooperierten. In <strong>der</strong><br />
Sterbeurkunde von Kahns früh verstorbenem Bru<strong>der</strong>s Vogel wird <strong>der</strong> Beruf<br />
von Mayer Kahn mit „maitre de ecole“ angegeben, vgl. Standesamt<br />
Konz 1802, „Acte de Décés“ , Nr. 7. Zeuge dieses Dokuments ist <strong>der</strong> <strong>aus</strong><br />
<strong>Wawern</strong> stammende Viehhändler Feis Levy, <strong>der</strong> in hebräischer Schrift<br />
unterzeichnete, während Mayer Kahn seinen Namen in lateinischen Buch<br />
staben schrieb.<br />
64
Geburtsurkunde von Joseph Kahn<br />
Mädchenname Levy wird mit „Lewy“ angegeben. 14 Sie war in<br />
erster Ehe mit Jakob Samuel (Schmul) verheiratet, <strong>der</strong> vor<br />
1799 verstarb. Aus dieser Ehe gingen zwei Kin<strong>der</strong> hervor:<br />
Jacob Samuel, geb.1792, und Esther Samuel, geb. 1796, die<br />
am 22.12.1803 starb. Im Jahre 1799 schloss Bees Levy eine<br />
zweite Ehe mit dem <strong>aus</strong> Freudenburg stammenden Mayer<br />
Kahn, dem Vater von Joseph Kahn. 15 Aus dieser Ehe stammt<br />
14 Stadtarchiv Leer, Heiratsregister 1844, Nr. 6, Stand 2. Januar 1845: in <strong>der</strong><br />
Todeseintragung für Esther Samuel wird ihre Mutter „Bees Loew Levy“<br />
genannt, vgl. Anm. 15, S. 13; in <strong>der</strong> Sterbeurkunde ihres Sohnes Vogel<br />
wird ihr Name mit „Bes Levy“ angegeben, vgl. Standesamt Konz 1807,<br />
„Acte de Decés“, Nr. 7.<br />
15 Heidt/Lennartz: Fast vergessene Zeugen, S. 266, Anm. 780; Standesamt<br />
Konz, 1803, Dokument Nr. 15: Zeugen <strong>der</strong> Todeseintragung sind Michel<br />
65
Lage des Geburtsh<strong>aus</strong>es von Joseph Kahn<br />
Das Landeshauptarchiv Koblenz nennt als Eigentümerin des<br />
markierten Anwesens für die Zeit nach 1820 Bees Levy, die<br />
Mutter von Joseph Kahn. 4 Bei diesem H<strong>aus</strong> handelt es sich mit<br />
hoher Wahrscheinlichkeit um das Geburtsh<strong>aus</strong> des späteren<br />
<strong>Trier</strong>er Oberrabbiners. Dieses Gebäude diente wie die jüdische<br />
Schule in Könen als Schule und als Wohnung für den<br />
jüdischen Lehrer. Teile des Anwesens lassen sich heute noch<br />
als ehemalige jüdische Schule wie<strong>der</strong>erkennen. In diesem Gebäude<br />
soll sich die ehemalige Mikwe <strong>der</strong> jüdischen Gemeinde<br />
<strong>Wawern</strong> befinden, die heute überbaut ist.<br />
Müller, Schuhmacher, und Michel Steinmetz, Landwirt, beide <strong>aus</strong> <strong>Wawern</strong>.<br />
Standesamt Konz, „Acte de Déces“, Nr. 7. Weitere Geschwister<br />
Joseph Kahns sind im Meldeamt Konz nicht erfasst. (Auskunft von Frau<br />
Schwebach, Meldeamt Konz).<br />
4 Landeshauptarchiv Koblenz, Außenstelle Kobern-Gondorf, telefonische<br />
Information von Frau Brahm am 27.5.2009: Bees Levy ist als Eigentümerin<br />
des Anwesens Nr. 288, Sektion B, Im Bungert eingetragen, welches<br />
heute die Parzellennummer 231 trägt. Katasterplan von <strong>Wawern</strong>, bearbeitet<br />
von Frau Dr. Pascale Eberhard, <strong>Wawern</strong>.<br />
66
Für Joseph Kahn <strong>aus</strong> <strong>Wawern</strong><br />
In <strong>Wawern</strong>s schmalen Gassen<br />
tatest du deine ersten Schritte<br />
in H<strong>aus</strong> und Hof und in die Monade Dorf,<br />
begegnetest Mensch und Tier;<br />
die Geräusche und Gerüche des Alltags<br />
waren dir vertraut<br />
und <strong>der</strong> Wechsel <strong>der</strong> Jahreszeiten<br />
und über ein Jahrzehnt lang die Sonnenauf- und -untergänge<br />
und die Bäume und die Reben<br />
und die Arbeit in Weinberg und Feld,<br />
die Blumen und die Käfer<br />
und <strong>der</strong> Ton <strong>der</strong> Glocke<br />
und die Gebete in <strong>der</strong> Synagoge.<br />
So lerntest du die Menschen kennen:<br />
Wie sie leben.<br />
Und wie sie sind.<br />
Und wie gefährdet<br />
und kurz ihre Zeit hier sein kann.<br />
Vertrauen und Freundlichkeit und Zuversicht haben dich tief<br />
geprägt<br />
und wie auf die Her<strong>aus</strong>for<strong>der</strong>ung des Lebens zu antworten ist.<br />
Du nahmst es als Erbe mit auf deine Pfade und Wege<br />
vom staunenden Kind bis zum Hochschulabsolventen<br />
und zum Oberrabbiner von <strong>Trier</strong>,<br />
entschieden für das, was getan werden muss,<br />
weil es die Zeit und die altehrwürdigen Weisungen des Ewigen<br />
gebieten,<br />
zum Wohle <strong>der</strong> dir Anvertrauten<br />
und zum Zeichen für viele -<br />
vielleicht bis heute.<br />
die am 17. Februar 1807 geborene Tochter Vogel Kahn, die<br />
nur acht Tage alt wurde. Joseph Kahn hatte also eine zwei<br />
67
Jahre ältere Schwester. Am 29. April 1813 verstarb Joseph<br />
Kahns Vater im Alter von einundvierzig Jahren. 5 Zu diesem<br />
Zeitpunkt war Joseph Kahn vier Jahre alt. Dies erklärt den<br />
Umstand, dass Joseph Kahn in seiner Ausbildungszeit einen<br />
Vormund benötigte.<br />
Ausbildung<br />
Joseph Kahn hatte einen älteren Stiefbru<strong>der</strong>, <strong>der</strong> ihn, nachdem<br />
er dazu bestimmt worden war „zu lernen“ und Rabbiner<br />
zu werden, <strong>zur</strong> Talmudschule nach Metz brachte, wo er von<br />
Rabbiner Meir (Meyer) Lazard vier Jahre lang unterrichtet<br />
wurde. Während dieser Zeit wurde er von jüdischen Glaubensgenossen<br />
unterstützt. 6 Seine Mutter verließ <strong>Wawern</strong> in<br />
dieser Zeit und wohnte bis zu ihrem Tod in Luxemburg. 7 Nach<br />
dem Besuch <strong>der</strong> Talmudschule in Metz setzte er ab dem 20.<br />
September 1827 in <strong>der</strong> Jeschiwa in Mannheim unter Leitung<br />
von Jacob Ettlinger seine Talmudstudien 8 fort, die sich über<br />
weitere vier Jahre erstreckten und seinen Hochschulzugang<br />
ermöglichten.<br />
5 Standesamt Konz 1813, „Acte de decés“, Nr. 20. Die Eltern sind Isac Kaan<br />
und Malu Kaan. Seine Ehefrau heißt hier Elisabeth Levy; Elisabeth ist die<br />
vollständige Form von Bes o<strong>der</strong> Bees, auch bekannt als Betty o<strong>der</strong> Betsy.<br />
Zeugen dieses Dokuments sind Marc und Feis Levy <strong>aus</strong> <strong>Wawern</strong>. Vermutlich<br />
sind beide nahe Verwandte <strong>der</strong> Familie Kahn, vielleicht Brü<strong>der</strong> von<br />
Bees Levy. Dieses Dokument nennt sowohl für den Verstorbenen als auch<br />
für die Zeugen als Berufstätigkeit den Begriff „trafiguant“, welches mit<br />
Händler übersetzt werden kann. Damit ist <strong>der</strong> Broterwerb von Mayer Kahn<br />
benannt, nicht dessen Funktion als Lehrer in <strong>der</strong> jüdischen Gemeinde.<br />
6 Kayserling: Bibliothek jüdischer Kanzelredner, S. 299.<br />
7 Landeshauptarchiv Koblenz, Frau Brahm, 28.5.2009. Die Allgemeine<br />
Zeitung des <strong>Juden</strong>thums erwähnt noch 1844, dass Verwandte von Joseph<br />
Kahn in Luxemburg wohnten. Vgl. Ausgabe vom 10.6.1844, S. 326.<br />
8 Biographisches Handbuch <strong>der</strong> Rabbiner, S. 500; eine Liste <strong>der</strong> Mitstudierenden<br />
des Jahres 1828 findet sich in: Carsten Wilke: „Den Talmud und<br />
den Kant, S. 352, Anm. 86.<br />
68
Studium<br />
Vom Wintersemester 1831/32 bis zum Sommersemester<br />
1832 studierte er an <strong>der</strong> Universität Heidelberg Theologie.<br />
Demnach hatte Joseph Kahn seine Talmud<strong>aus</strong>bildung in Metz<br />
mit 14 Jahren begonnen; zum Studienbeginn in Heidelberg<br />
war er also 22 Jahre alt. Seine Matrikelnummer lautete 412.<br />
Da sein Vater bereits 1813 verstorben war, übernahm sein<br />
Halbbru<strong>der</strong>, <strong>der</strong> Kaufmann Jacob Samuel 9 <strong>aus</strong> Freudenburg,<br />
die Rolle seines Vormunds. Während seiner Studienzeit wohnte<br />
er in Heidelberg-Stadt Nr. 299 bei Daniel Carlebach <strong>zur</strong><br />
Miete. 10 In Heidelberg zeigte Joseph Kahn wenig Interesse an<br />
den naturwissenschaftlichen Angeboten <strong>der</strong> Universität. 11<br />
Die Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn besuchte Joseph<br />
Kahn laut „Anmeldungs-Buch“ seit dem Wintersemester<br />
1833/34. Ebenso wie an <strong>der</strong> Universität Heidelberg gab er an,<br />
dass Jacob Samuel <strong>aus</strong> Freudenburg sein Vormund sei. Aus<br />
dem Abgangszeugnis vom 15. Mai 1838 geht hervor, dass<br />
Joseph Kahn in Mannheim auf den Besuch <strong>der</strong> Universität<br />
vorbereitet worden war. Hinsichtlich seines Verhaltens sei<br />
nichts Nachteiliges bekannt, attestierten <strong>der</strong> Dekan <strong>der</strong> philosophischen<br />
Fakultät Prof. Dr. Freytag, <strong>der</strong> Universitäts-Richter<br />
Salomon und <strong>der</strong> Rector. Er habe sich auch keiner verbotenen<br />
Verbindung von Studierenden angeschlossen. 12 Während seines<br />
9 Jacob Samuel, geb. um 1792 in <strong>Wawern</strong>, gestorben am 10.5.1858 in Freudenburg,<br />
er war mit Reitz Kaan seit dem 22.12.1814 verheiratet. Seine<br />
wirtschaftlichen Verhältnisse waren bescheiden. Vgl. Heidt/Lennartz: Fast<br />
vergessene Zeugen, S. 266 und 287. Ungeachtet <strong>der</strong> begrenzten Einkünfte<br />
unterstützte er seinen Halbbru<strong>der</strong> Joseph Kahn. Kayserling, <strong>der</strong> Verfasser<br />
<strong>der</strong> ersten Biographie über Joseph Kahn geht davon <strong>aus</strong>, dass ein Oheim<br />
erzieherischen Einfluss auf seine Lebensgestaltung genommen hat.<br />
10 Universitätsbibliothek Heidelberg: Die Matrikel <strong>der</strong> Universität Heidelberg<br />
1831 und 1832, VII 167, Matrikel-Nr. 412, vgl. auch Carsten Wilke:<br />
„Den Talmud und den Kant“, S. 423.<br />
11 Carsten Wilke: „Den Talmud und den Kant“, S. 425.<br />
12 Universität Bonn, Abgangszeugnis, Kopie 1 und 2; Joseph Kahn wird<br />
69
Abgangszeugnis von Joseph Kahn<br />
Quelle: Exmatrikel Akte <strong>der</strong> Universität Bonn, S.1<br />
unter <strong>der</strong> Register-Nummer 6487 geführt; vgl. auch Ben Chananja vom<br />
15.10.1867, S. 646; das Stadtarchiv Mannheim verwahrt keine Dokumente<br />
zu Joseph Kahns Besuch <strong>der</strong> dortigen Talmud-Schule auf, E-Mail vom<br />
29.12.2008.<br />
70
Studiums in Bonn wohnte er in <strong>der</strong> <strong>Juden</strong>gasse 813. 13 Vom<br />
Wintersemester 1833/34 bis zum Sommersemester 1836 hörte<br />
Joseph Kahn private und öffentliche Vorlesungen <strong>der</strong> Hochschullehrer<br />
Brandis (Psychologie, <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Philosophie,<br />
Über Kant und Fichte), Nitzsch (Biblische Apologie des alten<br />
und neuen Testaments), Hünemann (Allgemeine Kulturgeschichte<br />
des Mittelalters), Redepenning (Die Anfangsgründe<br />
<strong>der</strong> syrischen Synagogen), Blank, Freytag, Ritter (Lateinische<br />
Grammatik), Auguste (Ausgewählte Psalmen), Calster (Physiologie),<br />
Fichte (<strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> neuesten Philosophie). 14<br />
Dem „Anmeldungs-Buch“ <strong>der</strong> Universität Bonn ist zu entnehmen,<br />
dass Joseph Kahn bei Prof. Dr. Schlegel von Michaeli<br />
1936 bis Ostern 1837 eine öffentliche Vorlesung zum Thema<br />
„<strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> neueren deutschen Litteratur“ gehört hatte,<br />
für die er vom Universitätslehrer das Zeugnis erhielt: „Den<br />
fleißigen und aufmerksamen Besuch bis zum Schluss bezeugt<br />
August Schlegel“. 15 Im Sommersemester1837 hörte Joseph<br />
Kahn eine Privatvorlesung bei Prof. Dr. Sommer zum Thema<br />
„Erklärung <strong>der</strong> Genesis“ und beim gleichen Professor eine<br />
öffentliche Vorlesung <strong>zur</strong> biblischen Geographie. Außerdem<br />
war er bei den Hochschullehrern Nitzsch und Kinkel, bei letzterem<br />
in eine Vorlesung zum Thema „Neutestamentliche Zeitgeschichte“,<br />
eingeschrieben. Im Wintersemester1837/38 nahm<br />
er an einer Veranstaltung zum Thema „Homiletik und Katechese“<br />
bei Prof. Dr. Nitzsch teil. Professor Sommer bewertet<br />
seinen Studenten am 30. August 1837 wie folgt: „Mit viel<br />
13 Stadtarchiv Bonn, Schreiben vom 11.12.2008.<br />
14 Anmeldungs-Bogen <strong>der</strong> Universität Bonn zu Joseph Kahn 1833-1836.<br />
15 Archiv <strong>der</strong> Universität Bonn; August Wilhelm Schlegel, 8.9.1767 in Hannover<br />
geboren und am 12.5.1845 in Bonn verstorben, bedeuten<strong>der</strong> Romantiker;<br />
seine Vorlesungen waren offenbar gut besucht, denn Joseph Kahn<br />
ist unter Nr. 153 auf <strong>der</strong> Teilnehmerliste vermerkt. Bei August Wilhelm<br />
Schlegel eingeschrieben waren 1836 außerdem <strong>der</strong> <strong>aus</strong> <strong>Trier</strong> stammende<br />
Karl Marx und Samuel Hirsch, geboren in Thalfang. Vgl. Heinz Monz:<br />
Samuel Hirsch (1815-1889) Ein jüdischer Reformator <strong>aus</strong> dem Hunsrück,<br />
in: Weirich/Kr<strong>aus</strong>e: Beiträge <strong>zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> von Thalfang S.<br />
80-83.<br />
71
Fleiß und löblichem Eifer Besuch bis zum Schluss“. Ähnliche<br />
Ergebnisse sind auch von an<strong>der</strong>en Hochschullehrern in verschiedenen<br />
Semestern belegt. Am 11. Mai 1838 schrieb Joseph<br />
Kahn an den Rektor <strong>der</strong> Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität<br />
einen Brief, in dem er bittet, dass ihm sein<br />
Abgangszeugnis <strong>aus</strong>gestellt werde, weil ihn „dringende Verhältnisse“<br />
dazu zwingen, die Universität zu verlassen. 16 Mit<br />
diesem Schreiben sind <strong>der</strong> Universitätsrichter Salomon sowie<br />
Prof. Dr. Gurtelther (?) befasst, bei dem Joseph Kahn im Wintersemester<br />
auch eine Vorlesung gehört hatte. Die Entscheidung<br />
zugunsten seines Antrags fiel am 13. Mai 1838, und am<br />
14.Mai 1838 wurde sein Abgangszeugnis <strong>aus</strong>gestellt. 17<br />
Die Umstände <strong>der</strong> plötzlichen Exmatrikulation gehen <strong>aus</strong><br />
den <strong>Materialien</strong> <strong>der</strong> Universität Bonn nicht hervor.<br />
Die Biographie über Joseph Kahn von Kayserling erwähnt,<br />
dass er nach seinem Studium in Bonn eine Zeit lang in Offenbach<br />
und Frankfurt a.M. als Lehrer tätig gewesen sei, bevor er<br />
wie<strong>der</strong> nach Bonn <strong>zur</strong>ück gekehrt sei, um seine „Preisschrift<br />
über den Propheten Zacharias <strong>aus</strong>zuarbeiten.“ 18 Eine redaktionelle<br />
Anmerkung zu einem Aufsatz von Joseph Kahn über<br />
„Die Spuren alter Buchstabenvert<strong>aus</strong>chung“ in den „Israelitischen<br />
Annalen“ vom 16. August 1839 nennt allerdings als<br />
Entstehungszeit das Jahr 1837. 1837 war Joseph Kahn noch<br />
Student in Bonn. Obwohl seiner Preisschrift <strong>der</strong> <strong>aus</strong>gesetzte<br />
16 Exmatrikulationsakte von Joseph Kahn, Archiv <strong>der</strong> Rheinischen Friedrich-<br />
Wilhelms-Universität Bonn.<br />
17 Ebda.. Die Archivmaterialien <strong>der</strong> Universität Bonn geben keinen Hinweis<br />
über eine Promotion von Joseph Kahn.<br />
18 Kayserling: Bibliothek jüdischer Kanzelredner, S. 299; das Archiv <strong>der</strong><br />
Universität Bonn verfügt we<strong>der</strong> über Kahns Preisschrift noch über einen<br />
Hinweis zu einer solchen Arbeit. In Bonn wurden die Sieger dieser Preisschriften<br />
jährlich am Stiftungsfest <strong>der</strong> Universität, dem 3. August, bekannt<br />
gegeben. „Für die betreffenden Jahre sind die Namen <strong>der</strong> Preissieger<br />
überliefert, Joseph Kahn befindet sich nicht unter ihnen. Falls er die genannte<br />
Preisschrift (...) eingereicht hat, so errang er mit ihr nicht den<br />
<strong>aus</strong>gesetzten Preis“. Vgl. Auskunft des Universitätsarchivs Bonn (Kristoffer<br />
Klein) vom 27.1.2009.<br />
72
Preis wegen formaler Mängel nicht zuerkannt worden sei, habe<br />
sie wegen ihres Gehaltes in den<br />
veröffentlichten Urteilen über die Konkurrenzschriften gebührende<br />
und ehrende Anerkennung gefunden. 19<br />
Im Jahre 1840 war Joseph Kahn in <strong>der</strong> jüdischen Gemeinde<br />
von Saarlouis tätig. Dort hielt er mehrere Aufmerksamkeit erregende<br />
Predigten, von denen eine in Saarbrücken publiziert<br />
wurde. In Luxemburg predigte er am 21. Juni 1840 <strong>zur</strong> Ehre<br />
Seiner Majestät des Königs und Großherzogs Wilhelm II. <strong>der</strong><br />
Nie<strong>der</strong>lande (1792-1849). Von Saarlouis <strong>aus</strong> reiste er nach<br />
seiner Wahl zum Oberrabbiner <strong>zur</strong> Amtseinführung nach<br />
<strong>Trier</strong>. Dies könnte bedeuten, dass sich Joseph Kahn nach Fertigstellung<br />
seiner Preisschrift über den Propheten Zacharias an<br />
<strong>der</strong> Universität Bonn im weiteren Umkreis von Saarlouis aufgehalten<br />
hat. Der Artikel über Joseph Kahns Amtseinführung<br />
als Oberrabbiner von <strong>Trier</strong> in <strong>der</strong> „Allgemeinen Zeitung des<br />
<strong>Juden</strong>thums“ vom 5. März 1842 gibt an, dass er sich eineinhalb<br />
Jahre „größtenteils“ in Saarlouis aufgehalten habe. 20 Im<br />
Februar1840 war seine Berufung als Rabbiner in Koblenz vom<br />
Bonner Konsistorium hintertrieben worden. 21<br />
19 Israelitische Annalen vom 16.8.1839, S. 260. Ob diese Preisschrift zum<br />
Führen des akademischen Titels „Doktor“ berechtigte, geht <strong>aus</strong> den Unterlagen<br />
<strong>der</strong> Universität Bonn nicht hervor. Das Biographische Handbuch<br />
<strong>der</strong> Rabbiner, Bd. 1, hrsg. von Michael Brocke und Julius Carlebach,<br />
München 2004, gibt an, dass Joseph Kahn promoviert sei, ohne eine<br />
Quelle zu nennen. Vgl. Ebda., S. 500.<br />
20 Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>tums vom 5.3.1842, S. 137. Das Biographische<br />
Handbuch <strong>der</strong> Rabbiner erwähnt in seinem Beitrag zu Joseph Kahn<br />
den Aufenthalt in Saarlouis nicht, vgl. S. 500. Zur jüdischen Gemeinde<br />
Saarwellingen hatte er ein beson<strong>der</strong>s intensives Verhältnis, wie die Geschenke<br />
zu seiner Amtseinführung und zu seinem 25jährigen Amtsjubiläum<br />
nahe legen. Information von Richard Almond MD, Palo Alto, Californien.<br />
21 Biographisches Handbuch <strong>der</strong> Rabbiner, S. 500.<br />
73
Amtseinführung<br />
Mit 19 von 25 Wahlmännerstimmen wurde Joseph Kahn<br />
am 18. August 1841 zum Oberrabbiner von <strong>Trier</strong> gewählt. 22<br />
Seine rabbinische Ordination erhielt er durch die Reformrabbiner<br />
Lion Ullmann (Krefeld, 24. August 1841), Joseph Friedlän<strong>der</strong><br />
(Brilon, 25. August 1841) und Abraham Geiger (Breslau,<br />
27. Oktober 1841). 23<br />
Seine Amtseinführung als Oberrabbiner von <strong>Trier</strong> fand am<br />
15. Dezember 1841 statt. Joseph Kahn war am Sonntag, dem<br />
12. Dezember, in Saarlouis aufgebrochen, hatte am Tag darauf<br />
seinem Heimatdorf <strong>Wawern</strong> einen Besuch abgestattet und war,<br />
von mehreren Gemeindemitglie<strong>der</strong>n begleitet, nach <strong>Trier</strong> weitergereist.<br />
Dort angekommen, wurde er „von <strong>der</strong> ganzen im<br />
Synagogenh<strong>aus</strong>e versammelten Gemeinde freudig und feierlich<br />
begrüßt, und in seine von <strong>der</strong> hiesigen Gemeinde schön<br />
<strong>aus</strong>möblirten Wohnung gebracht, wo die vornehmsten Frauen<br />
von hier sich fanden und geschmackvoll den Tisch mit den<br />
schönsten Konfituren geziert hatten. Des an<strong>der</strong>n Tages erschienen<br />
Deputationen <strong>aus</strong> den nächsten Ortschaften des Rabbinats.<br />
Auf Mittwoch sodann war die feierliche Installation<br />
durch die Landräthliche Behörde einberaumt. Schon 8 Tage<br />
vorher hatte unser Herr Oberbürgermeister und Landrath – als<br />
Kommissarius <strong>der</strong> Regierung bei diesem Wahlakte, alle Landräthe<br />
und Oberbürgermeister des ganzen Regierungsbezirkes<br />
aufgefor<strong>der</strong>t, allen Israeliten den Tag <strong>der</strong> Installation bekannt<br />
zu machen, damit je<strong>der</strong> <strong>der</strong> Feierlichkeit beiwohnen könne,<br />
welches auch in allen Synagogen geschah“. 24 Die Amtseinführung<br />
fand in <strong>der</strong> Landrathur statt. Sämtliche israelitische Bürger<br />
hätten sich dort eingefunden sowie <strong>der</strong> „Königliche Land-<br />
22 Heinz Monz gibt an, dass für die Wahlentscheidung zugunsten von Joseph<br />
Kahn als Oberrabbiner von <strong>Trier</strong> entscheidend war, dass er über eine Universitätsbildung<br />
verfügte. Vgl. Beiträge <strong>zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> von<br />
Thalfang, Anm. 99, S. 90.<br />
23 Biographisches Handbuch <strong>der</strong> Rabbiner, S. 500.<br />
24 Ebda.<br />
74
ath“, die Mitglie<strong>der</strong> des israelitischen Konsistoriums und<br />
mehrere an<strong>der</strong>e Notabeln. Nachdem Joseph Kahn gemäß seiner<br />
Ernennung <strong>der</strong> großen Zahl <strong>der</strong> Israeliten von <strong>der</strong> „Königlichen<br />
Regierung“ vorgestellt worden war, hätten die beiden<br />
Konsistorialmitglie<strong>der</strong> Herr S. Allmayer und Herr N. Lazar<br />
ihn vereidigt. Anschließend habe <strong>der</strong> neue Oberrabbiner „sehr<br />
ergreifende Worte zum Danke und <strong>zur</strong> Angelobung treuer Erfüllung<br />
seines nun anzutretenden Berufs“ gesprochen. Am<br />
Nachmittag habe <strong>der</strong> Vorsteher Herr Allmayer <strong>der</strong> Oberrabbiner,<br />
den Notabilitäten und Fremden ein Diner gegeben. Am<br />
Abend habe die israelitische Schuljugend dem Oberrabbiner<br />
eine „Gesangständchen mit Fackeln“ dargebracht und ihm<br />
einen wertvollen Siegelring als Geschenk überreicht.<br />
Am 18. Dezember fand die Einführung in <strong>der</strong> festlich geschmückten<br />
Synagoge in Anwesenheit des Königlichen Landraths,<br />
mehrerer Regierungsräthe, vieler an<strong>der</strong>er Honoratioren<br />
christlicher Bürger und einer großen Zahl von Israeliten statt.<br />
Der Rabbinatsverweser Herr Lambert Schloß führte den Oberrabbiner<br />
<strong>zur</strong> Kanzel, wo er an den Oberrabbiner gerichtet eine<br />
Ansprache zu 4 Mose 27, 18 hielt, die diesem die Funktionen<br />
seines Amtes übergab; anschließend erteilte er „<strong>aus</strong> vollem<br />
Herzen“ den priesterlichen Segen. Daraufhin habe <strong>der</strong> neue<br />
Oberrabbiner mit seiner Ansprache begonnen. Zuerst habe er<br />
seine Jugendgeschichte geschil<strong>der</strong>t, die ihn zu diesem geistlichen<br />
Amt geführt hätte. Danach sei er auf den politischen und<br />
religiösen Fortschritt des <strong>Juden</strong>tums seit Mendelssohn eingegangen,<br />
<strong>der</strong> auch zum gründlichen und wissenschaftlichen<br />
Streben <strong>der</strong> jüdischen Geistlichen beigetragen habe. Er selbst<br />
habe sich als Vertreter dieser neuen Richtung <strong>aus</strong>gegeben.<br />
Seine Position habe er mit <strong>der</strong> Textstelle Jesaias 54, 13 begründet.<br />
Die Zuhörer hätten in „tiefster Andacht den Worten“<br />
gel<strong>aus</strong>cht; diese Predigt habe allgemeinen Beifall gefunden. 25<br />
25 Ebda., S. 138. Die Israelitische Gemeinde Saarwellingen schenkte<br />
Joseph Kahn einen silbernen Kiddusch-Becher mit <strong>der</strong> Widmung: „Ihrem<br />
lieben Oberrabbiner Herrn Joseph Kahn von Saarwellingen als Zeichen<br />
<strong>der</strong> Liebe und Hochachtung am 1. Februar 1842.“ Im Besitz von Richard<br />
75
Familiengründung<br />
Joseph Kahn heiratete am 14. Oktober 1844 im Alter von 35<br />
Jahren in Leer die 21jährige Rebekka van Biema <strong>aus</strong> Leer in<br />
Ostfriesland. 26 Die Trauung wurde von Landrabbiner Hirsch<br />
<strong>aus</strong> Emden vollzogen. Da die Stadt Leer zum Königreich<br />
Hannover gehörte, das künftige Ehepaar aber in <strong>Trier</strong>, das im<br />
Königreich Preußen lag, leben wollte, hatte <strong>der</strong> Königlich-<br />
Preußische Landrath und Oberbürgermeister in <strong>Trier</strong> am 29.<br />
September 1844 „die Obrigkeitliche Erlaubniß ertheilt“, dass<br />
<strong>der</strong> Herr Oberrabbiner Joseph Kahn in Leer die Tochter des<br />
Kaufmanns Samuel van Biema heiraten dürfe. Der Königlich-<br />
Preußische Landrath und Oberbürgermeister von <strong>Trier</strong> hatte<br />
weiterhin attestiert, dass Fräulein Rebecca van Biema durch<br />
ihre Verehelichung mit dem<br />
Einträge <strong>zur</strong> Eheschließung von Joseph Kahn und Rebecca Kahn,<br />
geb. van Biema, Quelle: Heiratsregister <strong>der</strong> Stadt Leer <strong>aus</strong> dem<br />
Jahre 1844, Stadtarchiv Leer<br />
Almond MD, Palo Alto, Californien.<br />
26 Heiratsregister <strong>der</strong> Stadt Leer für das Jahr 1844, Nr. 21; Rebekka van<br />
Biema wurde im Jahre 1823 geboren. Ihre Eltern waren <strong>der</strong> Grossist<br />
Samuel van Biema und Sara, geb. Cohn, die bereits 1840 verstarben war;<br />
im Heiratsregister <strong>der</strong> Stadt <strong>Trier</strong> für das 1844, Nr. 258 ist die in Leer<br />
vollzogene Trauung am 18. Dezember 1844 eingetragen worden.<br />
76
Bescheinigung des Oberbürgermeisters von <strong>Trier</strong> für Joseph<br />
Kahn,<br />
Quelle: Stadtarchiv Leer<br />
Oberrabbiner Joseph Kahn eine preußische Unterthanin werde.<br />
27 Die Adressbücher <strong>der</strong> Stadt <strong>Trier</strong> geben an, dass die Familie<br />
Joseph Kahn 1848 in <strong>der</strong> Fleischstraße, Nummer 476<br />
wohnte. 28<br />
Im Jahre 1858 ist sie in <strong>der</strong> Metzelstraße, Nr. 103 gemeldet,<br />
wo sie auch noch 1871 ihr Domizil hatte. 29 Das Adressbuch<br />
27 Stadtarchiv Leer, schriftliche Information vom 1.12.2008.<br />
28 Adressbuch <strong>der</strong> Stadt <strong>Trier</strong> von 1848.<br />
29 Adressbücher <strong>der</strong> Stadt <strong>Trier</strong> 1861, 1864, 1867, 1868, 1871; heute trägt<br />
dieses H<strong>aus</strong> die Nummer 26.<br />
77
von 1875, dem Todesjahr des Oberrabbiners, weist Joseph<br />
Kahn nicht mehr unter Metzelstraße, Nr. 103, <strong>aus</strong>. 30<br />
Das Ehepaar Kahn hatte drei Kin<strong>der</strong>:<br />
1. Bertha, geb. am 16. Februar 1846 31<br />
2. Sara Sophia, geb. am 19. Oktober 1849 32<br />
30 Adressbuch 1875.<br />
31 Geburtsregister <strong>der</strong> Stadt <strong>Trier</strong> von 1846, Nr. 115; Bertha heiratete am 3.<br />
Juli 1865 den Kaufmann Leib Samuel <strong>aus</strong> Amsterdam, <strong>der</strong> am 27.7.1829<br />
in Freudenburg geboren wurde. Er ist <strong>der</strong> Sohn von Jacob Samuel und<br />
seiner Ehefrau Reitz, geb. Kahn, vgl. Stadtarchiv <strong>Trier</strong>, Heiratsregister<br />
1865, Nr. 82; vgl. ebenso stadsarchief amsterdam H 1865, vol. 8, p. 72v. –<br />
Jacob Samuel war <strong>der</strong> Vormund von Joseph Kahn gewesen, vgl. Anm. 22,<br />
S. 19. - Am 24. Februar 1868 wurde dem Ehepaar Samuel-Kahn in Amsterdam<br />
<strong>der</strong> Sohn Siegfried geboren. Am 3. April 1870 kamen die Zwillinge<br />
Joseph und die Rebecca <strong>zur</strong> Welt. Vgl. stadsarchief amsterdam BR<br />
1874-1892, vol. 244, p. 77. Joseph war wie sein Vater Kaufmann gewesen.<br />
Rebecca hieß verheiratet de Bruin. Beide Kin<strong>der</strong> wurden in Sobibor<br />
von den Nationalsozialisten ermordet. Am 4. Juni 1943 starb Joseph<br />
(stadsarchief amsterdam, Auskunft am 16.2.2009) und am 16.4.1943 starb<br />
Rebecca. Vgl. http://yadvashem.org/wps/portal/ 20.2.2009. In dieser<br />
Familie lebte seit dem 20. 11.1875 <strong>der</strong> am 28.3.1861 in Freudenburg<br />
geborene Samuel Samuel (stadsarchief amsterdam vol. 143,p.141), Sohn<br />
von Israel Samuel und Susanna Levy (Standesamt Saarburg, Geburtsakt<br />
Nr. 16), vgl. auch Heidt/ Lennartz: Fast vergessene Zeugen, S. 287, 302<br />
und 377. Israel Samuel ist nicht <strong>der</strong> jüngste Sohn von Jacob Samuel; denn<br />
nach ihm wurde 1829 Leib Samuel geboren, vgl. Stadtarchiv <strong>Trier</strong>, Heiratsregister<br />
1865, Nr. 82, ebenso stadsarchief amsterdam H 1865, p. 72.<br />
Israels Sohn Samuel ist <strong>der</strong> dritte Samuel Samuel in Freudenburg. Er<br />
kommt dort in den Steuerlisten nicht vor, weil er mit vierzehn Jahren nach<br />
Amsterdam übergesiedelt war.<br />
32 Geburtsregister <strong>der</strong> Stadt <strong>Trier</strong> von 1849, Nr. 764; bisher sind keine weiteren<br />
Lebensdaten von Sara Sophia Kahn bekannt. Die Vermutung, dass sie<br />
nach Amsterdam verzogen war, hat das stadsarchief amsterdam nicht<br />
bestätigen können. (12.3.2009) Die Namen Rosa und Sara Kahn finden<br />
sich in einer Liste des Schiffes Frisia vom 21. 8. 1872, das nach New<br />
York startetete. Vgl. Hamburger Passenger List <strong>aus</strong> Progenealogist. Dieses<br />
Schiff kam am 5.9.1872 in New York an.<br />
(http://www.castlegarden.org/search). Die angegebenen Lebensalter<br />
stimmen in etwa mit den Daten <strong>aus</strong> <strong>Trier</strong> von Rosa und Sara Kahn überein.<br />
Es fehlen Informationen zum Herkunftsort und <strong>zur</strong> Provinz. Verlässliche<br />
Schlüsse lassen sich <strong>aus</strong> diesen Angaben kaum ziehen.<br />
78
3.<br />
Geburtsurkunde für Sara Sophia Kahn, Stadtarchiv <strong>Trier</strong><br />
79
3. Rosa Emilia, geb. am 28. November 1850 33<br />
Joseph Kahn schloss in <strong>der</strong> Familie seiner Frau als Oberrabbiner<br />
von <strong>Trier</strong> mehrere Ehen. Am 11. Juni 1850 traute er<br />
seine Schwägerin Rosetta van Biema mit dem Kaufmann Julius<br />
Vallenstein <strong>aus</strong> Berlin. Weiterhin schloss er, vermutlich um<br />
1860, die zweite Ehe seines Schwagers Benjamin Samuel van<br />
Biema, geb. 1821, mit <strong>der</strong> 1839 geborenen Julie Wolfers. Am<br />
14. Mai 1864 verheiratete sich seine Schwägerin Johanna van<br />
Biema mit dem Amsterdamer Arzt Dr. Abraham Israel. Auch<br />
hier vollzog Joseph Kahn die Trauzeremonie. 34<br />
Zu diesem Zeitpunkt lebte Joseph Kahns Ehefrau nicht<br />
mehr, denn sie war 20. Juli 1858 im Alter von 34 Jahren verstorben.<br />
35 In <strong>der</strong> Zeitschrift „Der israelitische Volkslehrer“<br />
vom Oktober 1858 entschuldigt sich <strong>der</strong> Oberrabbiner wegen<br />
eines überfälligen Artikels über das „Haindorf´sche israelitische<br />
Lehrerseminar“ in Münster mit den Worten: „Durch<br />
höchst traurige Familienereignisse verspätet“. 36 In <strong>der</strong>selben<br />
Ausgabe berichtet ein mit den Initialen „L.O.“ unterzeichneter<br />
Artikel, dass man sich in <strong>Trier</strong> mit dem „frommen und löblichen<br />
Vorhaben“ beschäftige, „<strong>der</strong> <strong>aus</strong>gezeichneten und Allen,<br />
die sie kannten, unvergesslichen seligen Gattin“ des Herrn<br />
Oberrabbiners Kahn ein „geeignetes Andenken“ in <strong>der</strong> „im<br />
Bau begriffenen neuen Synagoge stiften zu wollen“. 37 Dieses<br />
Anliegen soll <strong>aus</strong> „freiwilligen Beiträgen von zahlreichen<br />
Freunden und Freundinnen, Anverwandten und Verehrern <strong>der</strong>,<br />
mit seltenen Gaben des Geistes und Herzens <strong>aus</strong>gestatteten<br />
33 Geburtsregister <strong>der</strong> Stadt <strong>Trier</strong> von 1850, Nr. 858; auch von Rosa Emilia<br />
fehlen weitere gesicherte Informationen. Siehe Anm. 45.<br />
34 Stadtarchiv Leer, schriftliche Information vom 1.12.2008; Vgl. auch Ben<br />
Chananja vom 20.6.1865, S. 422.<br />
35 Stadtarchiv <strong>Trier</strong>; sie wurde am 22. Juli 1858 auf dem jüdischen Friedhof<br />
in <strong>der</strong> Weidegasse in <strong>Trier</strong> beerdigt. Ihr Grabstein ist noch erhalten, vgl.<br />
Haller: Der Jüdische Friedhof an <strong>der</strong> Weidegasse in <strong>Trier</strong>, S. 237.<br />
36 Der israelitische Volkslehrer, Oktober 1858, S. 318; dieser Beitrag wurde<br />
im August 1858 verfasst.<br />
37 Ebda., S. 331.<br />
80
Frau begründet werden“. Der Verfasser bejaht dieses Vorhaben,<br />
weil „<strong>der</strong> schmerzliche Hintritt und die wehmutsvolle<br />
Erinnerung an jene theuere, so tief verehrte Freundin“ dies<br />
gebiete; es soll den „schwer gebeugten Freund“ (Joseph Kahn)<br />
trösten. Während <strong>der</strong> Grundsteinlegung <strong>der</strong> neuen Synagoge<br />
soll eine Tochter <strong>der</strong> Verstorbenen ein Gedicht vortragen,<br />
welches „die Verewigte gedichtet“ habe, und worin „sich ihre<br />
schöne fromme Seele klar abspiegelt“. 38<br />
Das „Biographische Handbuch <strong>der</strong> Rabbiner“ gibt mit Verweis<br />
auf die Dezennaltabellen 1843-1853 des Stadtarchivs<br />
<strong>Trier</strong> an, dass Joseph Kahn ein zweites Mal geheiratet hatte.<br />
Die Heiratsurkunde vom 2. Juli 1848 bezieht sich allerdings<br />
auf eine Person, die auch Joseph Kahn heißt, die aber am 14.<br />
März 1825 geboren wurde und von Beruf Schumacher gewesen<br />
war. 39<br />
Am 26. August 1867 äußerte Joseph Kahn am Ende eines<br />
Kuraufenthalts in Bad Ems, dass er beabsichtige, seine Kin<strong>der</strong><br />
in Amsterdam zu besuchen. Offenbar hielten sich mehrere<br />
seiner Kin<strong>der</strong> dort auf. Zu diesem Zeitpunkt war mindestens<br />
eine seiner Töchter dort verheiratet. Seine Tochter Bertha<br />
Kahn hatte am 3. Juli 1865 den Kaufmann Leib Samuel <strong>aus</strong><br />
Amsterdam geheiratet, <strong>der</strong> in Freudenburg geboren wurde. In<br />
Amsterdam publizierte er theologische Texte in <strong>der</strong> jüdischen<br />
Zeitschrift „Nieuw Isr. Weekblad“ im Jahre 1866. Anlässlich<br />
eines Besuchs seiner Tochter im Jahre 1875 starb Joseph Kahn<br />
in Amsterdam.<br />
38 Ebda. Als Andenken für Frau Kahn wählte das eigens zu diesem<br />
Zweck gebildete „Comite“ unter Leitung von Dr. Adelheim eine prachtvolle<br />
Kanzel. Vgl. Der Israelitische Volkslehrer, März 1859, S. 101. Die<br />
Kanzel stand rechts neben dem Thoraschrein, erinnert sich Alice Resseguie,<br />
geb. Goldstein, in Eugene, Oregon, USA (14.1.2009). Das Städtische<br />
Museum verwahrt ein unveröffentlichtes Foto vom Innenraum <strong>der</strong><br />
<strong>Trier</strong>er Synagoge, auf dem die Kanzel zu sehen ist. Dieses Foto bestätigt<br />
die Angaben von Frau Resseguie.<br />
39 Biographisches Handbuch <strong>der</strong> Rabbiner, S. 501; Dezennaltabellen <strong>der</strong><br />
Stadt <strong>Trier</strong> von 1843-1853, Stadtarchiv <strong>Trier</strong>. Vgl. Heiratsurkunde vom 2.<br />
Juli 1848 im Stadtarchiv <strong>Trier</strong>.<br />
81
In Luxemburg<br />
Joseph Kahn unterhielt <strong>zur</strong> jüdischen Gemeinde Luxemburg<br />
gute Beziehungen. Dies zeigt sich einerseits daran, dass<br />
seine Mutter von <strong>Wawern</strong> nach Luxemburg gezogen war, und<br />
er an<strong>der</strong>erseits noch vor seinem Amtsantritt als Oberrabbiner<br />
von <strong>Trier</strong> am Pesachfest 1840 in Anwesenheit des Königlichen<br />
Großherzogs Wilhelm II. eine vielbeachtete Predigt gehalten<br />
hatte, die im Druck vorliegt. 40 Wenige Jahre später trat er als<br />
Oberrabbiner von <strong>Trier</strong> öffentlich in Erscheinung, als sein<br />
Studienkollege <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Bonner Zeit, Samuel Hirsch (1815-<br />
1889), in Luxemburg in das Amt des Großrabbiners eingeführt<br />
wurde. Diese Feier fand am 23. Juni 1843 statt. Am 20. Juni<br />
hatten sich bereits die Luxemburger Gemeindevertreter in<br />
<strong>Trier</strong> eingefunden, offenbar um in <strong>Trier</strong> ihren neuen Oberrabbiner<br />
zu treffen und die Feierlichkeiten zu besprechen. - Samuel<br />
Hirsch war vor seiner Amtseinführung in Luxemburg<br />
Rabbiner in Dessau gewesen. - Gemeinsam mit den beiden<br />
Geistlichen trafen die Gemeindevertreter am 23. Juni um 5<br />
Uhr in <strong>der</strong> Synagoge in Luxemburg ein. Da Joseph Kahn wegen<br />
seiner „lehrreichen Predigten“ in guter Erinnerung war,<br />
sollte „seine Gegenwart <strong>zur</strong> Feierlichkeit dieses Tages“ beitragen.<br />
Nachdem weißgekleidete Mädchen <strong>der</strong> israelitischen<br />
Schule den neuen Oberrabbiner überrascht hätten und ein religiöses<br />
Chorlied vorgetragen worden sei, habe <strong>der</strong> <strong>Trier</strong>er<br />
Oberrabbiner Kahn eine „kurze, aber dem Zweck <strong>der</strong> Sache<br />
ganz angemessene Rede gehalten, zu welcher er den Text des<br />
Psalmisten gewählt hätte: „Dieses ist <strong>der</strong> Tag, den <strong>der</strong> Ewige<br />
40 Kayserling: Bibliothek jüdischer Kanzelredner, S. 299; Heinz Monz datiert<br />
diese Predigt auf das Jahr 1841. Vgl. Heinz Monz: Samuel Hirsch.<br />
Ein jüdischer Reformator <strong>aus</strong> dem Hunsrück, in: Beiträge <strong>zur</strong> <strong>Geschichte</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Juden</strong> in Thalfang, S. 90.<br />
82
Oberrabbiner Joseph Kahn<br />
Foto von Richard Almond MD, Palo Alto,Californien,<br />
83
Rebecca Kahn, geb. van Biema, Foto von Richard Almond MD.,<br />
Palo Alto, Californien<br />
84
gemacht, lasst uns an demselben uns freuen und fröhlich sein“.<br />
Die Gemeinde könne glücklich sein, einen „so aufgeklärten<br />
und in je<strong>der</strong> Beziehung achtungswürdigen Mann, <strong>der</strong> sich<br />
bereits in <strong>der</strong> gelehrten Welt einen Namen erworben“ habe,<br />
zum Vorsteher zu haben. Diese gehaltvolle Rede Kahns sei ein<br />
Beweis, „wie sehr ihm das Wohl dieser Gemeinde [Luxemburg]<br />
am Herzen liege. 41 Nach Angaben <strong>der</strong> Allgemeine Zeitung<br />
des <strong>Juden</strong>thums vom 10. Juni 1844 soll Joseph Kahn<br />
versucht haben, bevor er Oberrabbiner von <strong>Trier</strong> wurde, in<br />
Luxemburg selbst Rabbiner zu werden. Die Einrichtung eines<br />
Rabbinats in Luxemburg wird auf sein Bestreben <strong>zur</strong>ückgeführt.<br />
Außerdem hätte er Verwandte in Luxemburg. 42<br />
Heinz Monz vermutet, dass Joseph Kahn die Besetzung des<br />
Rabbinatsamtes in Luxemburg mit seinen Freund Samuel<br />
Hirsch beeinflusst habe. 43<br />
<strong>Wawern</strong>, das Heimatdorf von Joseph Kahn, ein Modell<br />
für Toleranz und Mitmenschlichkeit<br />
Joseph Kahn ist nach Auskunft jüdischer Zeitschriften<br />
zweimal im Rahmen beson<strong>der</strong>er Ereignisse, wie bereits berichtet,<br />
in sein Heimatdorf <strong>zur</strong>ückgekehrt, einmal, als er von<br />
Saarlouis kommend, wo er in <strong>der</strong> dortigen Synagogengemeinde<br />
tätig war, um in <strong>Trier</strong> als Oberrabbiner eingeführt zu werden,<br />
und ein zweites Mal, als er den Neubau <strong>der</strong> dortigen Synagoge<br />
einweihte.<br />
41 Der Orient, 1.8.1843, S. 244; dieser Artikel geht davon <strong>aus</strong>, dass Joseph<br />
Kahn schon „oft“ in Luxemburg gepredigt hat, so dass die gedruckte<br />
Predigt zum Pesach-Fest 1840 nicht die einzige ist. Nach Angaben <strong>der</strong><br />
Allgemeinen Zeitung des <strong>Juden</strong>thums vom 10. Juni 1844 soll Joseph<br />
Kahn versucht haben, in Luxemburg Rabbiner zu werden.<br />
42 Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums vom 10.6.1844, S. 326-328.<br />
43 Heinz Monz: Samuel Hirsch, in: Beiträge <strong>zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> in<br />
Thalfang, S. 90.<br />
85
Zum ersten Besuch am 5. März 1842 berichtete die „Allgemeine<br />
Zeitschrift des <strong>Juden</strong>thums“, dass Joseph Kahn am<br />
13. Dezember 1841 in <strong>Wawern</strong> eingetroffen sei. Dabei seien<br />
ihm „zum Empfange“ (...) „fünf Wagen mit dem Vorstande an<br />
<strong>der</strong> Spitze“ entgegen gefahren 44 Dort sei beim Ortsvorsteher<br />
Herrn Herz Wolf eine festliche Tafel abgehalten worden, bevor<br />
<strong>der</strong> Zug, dem sich mehrere Gemeindemitglie<strong>der</strong> angeschlossen<br />
hätten, nach <strong>Trier</strong> weitergezogen sei, wo am Mittwoch,<br />
dem 15. Dezember die Feier <strong>zur</strong> Amtseinführung stattfand.<br />
45 Offenbar war die Freude in <strong>Wawern</strong> sehr groß, dass ein<br />
Sohn <strong>der</strong> Gemeinde das Amt des Oberrabbiners in <strong>Trier</strong> bekleiden<br />
durfte. Deswegen würdigte man ihn in Formen des 19.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>ts, die nur beson<strong>der</strong>en öffentlichen Persönlichkeiten,<br />
wie dem Kaiser o<strong>der</strong> dem Bischof zuteilwurden.<br />
Als am 13. August 1844 in <strong>Wawern</strong> eine neue Synagoge<br />
eingeweiht wurde, weilte Oberrabbiner Joseph Kahn wie<strong>der</strong> in<br />
seinem Heimatdorf, wie die Zeitung „Der Israelit im neunzehnten<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t“ in <strong>der</strong> Ausgabe vom 3. November 1844<br />
berichtet, weil er die sakralen Handlungen vornahm. Der Verfasser<br />
legt Wert darauf zu berichten, dass viele und angesehene<br />
Bürger zu diesem Anlass nach <strong>Wawern</strong> kamen: Die meisten<br />
Beamten, viele <strong>der</strong> ersten Bürger <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Umgebung von<br />
Saarburg 46 und einige katholische Geistliche seien eingetroffen,<br />
um an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Letztere hätten<br />
44 Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>tums vom 5.3.1843, S. 137; <strong>der</strong> Verfasser<br />
dieses Artikels führt <strong>aus</strong>, dass sich Joseph Kahn vor seiner Amtseinführung<br />
in <strong>Trier</strong> eineinhalb Jahre in Saarlouis aufgehalten hatte. Nach Auskunft<br />
des Standesamts Saarlouis findet sich jedoch keine Eintragung zu<br />
Joseph Kahn im dortigen Mel<strong>der</strong>egister. Allerdings wird Joseph Kahn in<br />
einer Festschrift zum 100jährigen Bestehen <strong>der</strong> Saarlouiser Synagoge in<br />
<strong>der</strong> Silberherz-Straße genannt. E-Mail-Auskunft des Standesamtes Saarlouis<br />
vom 5.11.2008.<br />
45 Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums vom 5.3.1843, S. 137.<br />
46 Im Text steht <strong>der</strong> Name „Sonneburg“, doch es dürfte sich um eine Verschreibung<br />
für Saarburg handeln, da alle weiteren Informationen keinen<br />
Zweifel daran lassen, dass nur die Synagogeneinweihungsfeier in <strong>Wawern</strong><br />
gemeint sein kann, das in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> kleinen Stadt Saarburg liegt.<br />
86
sich „sehr günstig über die ganze Feierlichkeit, beson<strong>der</strong>s über<br />
den Choralgesang und die Predigt“ geäußert. Da die ortsansässigen<br />
<strong>Juden</strong> die über<strong>aus</strong> zahlreichen Gäste von <strong>der</strong> Mosel, von<br />
<strong>der</strong> Saar und <strong>aus</strong> Luxemburg nicht alle in ihren Häusern aufnehmen<br />
konnten, hätten die katholischen Einwohner „ihre<br />
Stuben und ihre Betten unentgeltlich <strong>zur</strong> Verfügung ihrer an<strong>der</strong>s<br />
glaubenden Mitbrü<strong>der</strong>“ gestellt. Während <strong>der</strong> drei Tage<br />
dauernden Feierlichkeiten habe nichts das „beste Vernehmen“<br />
getrübt. 47<br />
Dieser Zeitungsartikel soll den „neueren Angriffen auf Toleranz<br />
und Duldung, die ein nahes Blatt sich erlaubt“, entgegenwirken.<br />
Die Vorgänge in <strong>Wawern</strong> erhalten damit Vorbildcharakter<br />
für ein Modell des Zusammenlebens von <strong>Juden</strong> und<br />
Christen, das von Toleranz und Mitmenschlichkeit geprägt ist.<br />
Das Abschreckende <strong>der</strong> „gr<strong>aus</strong>amen <strong>Juden</strong>verfolgung“ wird<br />
dem Mittelalter zugeordnet. Die christlichen Bürger <strong>der</strong> Gegenwart<br />
seien geprägt vom Geist „unserer höchst humanen<br />
Regierung zu <strong>Trier</strong>“ und „unserer sehr freien und <strong>aus</strong>gezeichneten<br />
Zeitung, die fast in je<strong>der</strong> Nummer Günstiges über <strong>Juden</strong><br />
und für dieselben bringt“. 48 Es ist nicht zu übersehen, dass<br />
dieser Artikel die aufgeklärte Obrigkeit und die liberale Presse<br />
als Ursache für dieses günstige geistige Klima nennt. Zu diesem<br />
Klima trägt auch die jüdische Gemeinde von <strong>Trier</strong> bei, die<br />
am Thora-Freudenfest des Jahres 1843 Joseph Kahn einen<br />
silbernen Pokal überreicht in „Anerkennung und Würdigung<br />
[seines] religiösen Eifers und fortwährenden Strebens, die<br />
Institutionen unserer Gemeinde auf Grundsätzen <strong>der</strong> Gerechtigkeit<br />
und Billigkeit zu erhalten“. 49<br />
47 Zitiert wird <strong>aus</strong> <strong>der</strong> „<strong>Trier</strong>ischen Zeitung“ Nr. 228 vom 13. August; vgl.<br />
Der Israelit im neunzehnten Jahrhun<strong>der</strong>t vom 3.11.1844, S. 358/359.<br />
48 Ebda.., S. 358; mit dem Ausdruck „nahes Blatt“ könnte eine Zeitung in<br />
<strong>Trier</strong> gemeint sein, die nicht den liberalen Tendenzen <strong>der</strong> „<strong>Trier</strong>schen<br />
Zeitung“ folgte.<br />
49 Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums vom 4.9.1843, S. 695/696.<br />
87
Joseph Kahn als Reformer des <strong>Juden</strong>tums<br />
Joseph Kahn war am 18. August 1841 von fünfundzwanzig<br />
„Notablen <strong>aus</strong> dem ganzen Regierungsbezirk“ mit neunzehn<br />
Stimmen <strong>aus</strong> vier Bewerbern zum Rabbiner gewählt worden. 50<br />
Er verstand sich als eine Person, die das <strong>Juden</strong>tum weiterentwickeln<br />
wollte. Seine theologische Position kommt sehr gut in<br />
Überlegungen zum Ausdruck, die vor <strong>der</strong> zweiten Rabbinerkonferenz<br />
in Frankfurt am Main (15. 7. bis 7. 8.1845) im Juni<br />
1845 veröffentlicht wurden. Seine Ausführungen beziehen<br />
sich auf die Art und Weise, wie in <strong>der</strong> Versammlung beraten<br />
werden sollte. Zuerst ging er auf die unterschiedlichen Bewusstseinslagen<br />
<strong>der</strong> einzelnen Gemeinden ein. Er drängte deswegen<br />
nicht auf eine radikale Verän<strong>der</strong>ung, son<strong>der</strong>n setzte auf<br />
einen Weg, <strong>der</strong> die Gemeinden „allmälig“ weiter bringen werde.<br />
Aus diesem Grund empfahl er <strong>der</strong> künftigen Versammlung,<br />
„nur solche Gegenstände vor das Forum unserer Berathungen<br />
(zu) bringen, die jetzt am Nöthigsten und daher auch<br />
zu realisieren sind“, 51 Es sollten Themen erörtert werden, „<strong>der</strong>en<br />
Lösung allgemein gewünscht und die daher auch allenthalben<br />
jetzt schon den besten und segensreichsten Erfolg haben“<br />
würden. Trotz des „gr<strong>aus</strong>amen Dranges nach einer entschiedenen<br />
und durchgreifenden Reform im <strong>Juden</strong>thum“, <strong>der</strong><br />
weit verbreitet sei, solle an die gedacht werden, „die einen<br />
solchen Drang nicht fühlen und ihn nicht einmal begreifen<br />
können, die aber dennoch <strong>aus</strong> innigsten, religiösen Antriebe<br />
eine zeit- und verhältnisgemäße Umgestaltung mancher Dinge<br />
sehnlichst wünschen“. 52 Joseph Kahn dachte an die Folgen zu<br />
50 Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums vom 11.9.1841, S. 523; die Zeitung<br />
Der Orient, die in mehreren Beiträgen den Kandidaten Moses Heß favorisiert<br />
hatte, berichtete erst am 19.2.1842 enttäuscht von <strong>der</strong> Rabbinatswahl<br />
am 18.8.1841 in <strong>Trier</strong>. Heß sei nicht zum Zuge gekommen, weil er in<br />
<strong>Trier</strong> „heimisch“ sei und zahlreiche nicht gerade beliebte Verwandte in<br />
dieser Stadt habe. Der Orient blieb bis 1846 die einzige Zeitung, die über<br />
<strong>aus</strong> kritische Beiträge gegen den Kurs von Joseph Kahn veröffentlichte.<br />
51 Ebda.<br />
52 Ebda.; Joseph Kahn teilt diese Position mit seinem Amtskollegen Sa-<br />
88
großer Sprünge für die „Langsamen“ im Reformprozess. Er<br />
befürchtete, dass diese enttäuscht werden könnten und so in<br />
die „Hände und hierarchische Macht polnischer Rabbiner“<br />
gelangen könnten. 53 Deswegen schlug er vor, im Augenblick<br />
keine Prinzipien festzulegen, son<strong>der</strong>n zuerst umfangreiche<br />
Beratungen durchzuführen. Damit nicht ziellos diskutiert werde,<br />
solle in den ersten Sitzungen festgelegt werden, welche<br />
Anträge und Vorschläge beraten werden sollten. Seine pragmatische<br />
Haltung zeigt sich ebenso in seinem Vorschlag, die<br />
Beratungen nicht öffentlich abzuhalten, da dies „zu so vielem<br />
Unehrlichem und Schändlichem Veranlassung“ geben werde.<br />
Er fürchtet nicht die Altgläubigen, son<strong>der</strong>n die „Heuchler“ und<br />
die „Eiteln“, die selbst den Untergang des <strong>Juden</strong>tums nicht<br />
scheuten. Um letztere <strong>aus</strong>zuschließen, schlug er vor, „Einlaßkarten“<br />
zu vergeben. Auf die zu erwartenden Beschlüsse bezogen,<br />
lehnt er die Annahme <strong>der</strong> „Majorität“ ab, weil ja „gemäß<br />
<strong>der</strong> Bestimmungen“ nur beraten werden solle. Stattdessen<br />
solle angegeben werden, wie viele dafür und wie viele dagegen<br />
gestimmt hatten. 54<br />
Darüber hin<strong>aus</strong> kam Joseph Kahn die Aufgabe zu, in den<br />
Wirren <strong>der</strong> Zeit Angriffe gegen den Kurs <strong>der</strong> fortschrittlichen<br />
Rabbiner abzuwehren. In <strong>der</strong> Ausgabe <strong>der</strong> „Allgemeinen Zeitung<br />
des <strong>Juden</strong>thums“ vom 30. Juni 1845 wehrte er sich gegen<br />
unaufrichtige Kritiker <strong>aus</strong> den eigenen Reihen. Er sprach vom<br />
„schändlichen Treiben und Schleichen im Dunkel <strong>der</strong> amsterdamer<br />
und frankfurter Heiligen, denen kein Mittel zu schlecht,<br />
keine Lüge zu groß ist, um die Rabbinerversammlung und<br />
<strong>der</strong>en Theilnehmer bei dem Volke und den Behörden zu verdächtigen,<br />
zu verleumden und Zwietracht zwischen den Gemuel<br />
Hirsch <strong>aus</strong> Luxemburg, <strong>der</strong> wie er an den Reform-Rabbiner-Kongressen<br />
in Braunschweig (1844), Frankfurt a.M. (1845) und Breslau<br />
(1846) teilgenommen hatte. Joseph Kahn begleitete diesen, als er 1843 in<br />
Luxemburg als Großrabbiner eingeführt wurde. Vgl. Monz: Beiträge <strong>zur</strong><br />
<strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> von Thalfang, S. 89 und 90, Anm.99.<br />
53 Ebda., S. 424.<br />
54 Ebda.<br />
89
meinden und <strong>der</strong>en Rabbinern zu stiften“. 55 Diese Angriffe<br />
belasteten ihn offenbar sehr stark, denn er spricht von heftigem<br />
Feuer, das ihn gewaltig aufrege. Er wisse sich dennoch<br />
getragen von seinen Gemeinden, die im „Geiste des ächten,<br />
religiösen Fortschrittes“ erkannt hätten, dass <strong>der</strong> Gottesdienst,<br />
<strong>der</strong> Jugendunterricht, die Gemeindeangelegenheiten und die<br />
bürgerlichen Verhältnisse einer Reform bedürften, für die<br />
„keine Mühen und Opfer“ gescheut werden dürften. Die Gegenseite<br />
gebe das <strong>Juden</strong>tum dem “gänzlichen Verfall“ preis,<br />
weil sie „unthätig“ in ihren vier Wänden hockten, „sich um<br />
Alles nicht kümmernd“. 56 Als Höhepunkt dieser nicht nur gegen<br />
ihn als Einzelperson geführten Kampagne kann die Veröffentlichung<br />
eines Schreibens einiger Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>Trier</strong>er<br />
jüdischen Gemeinde gegen die Rabbinerversammlungen in<br />
„Der Orient“ angesehen werden. Er habe sich „<strong>der</strong> sogenannten<br />
Rabbinerversammlung“ schon zweimal angeschlossen, die<br />
sich „außerhalb des rabbinischen und positiv-historischen <strong>Juden</strong>thums“<br />
befände. Die Unterzeichner befürchteten, dass <strong>der</strong><br />
Friede in <strong>der</strong> Gemeinde zerstört werde. Sie for<strong>der</strong>ten, „dasjenige<br />
aufzugeben, was wir für Irrlehren erkennen“, und das<br />
nicht „zu tadeln, was uns allen heilig ist.“ 57<br />
Konflikte existieren aber auch am an<strong>der</strong>en Rand des <strong>Juden</strong>tums<br />
dieser Zeit. So wurde Joseph Kahn im Jahre 1844 aufgefor<strong>der</strong>t,<br />
sich zum „neuen Reformverein“ schriftlich zu äußern,<br />
in dem Familien ihre Jungen nicht mehr beschneiden lassen<br />
wollten. Er lehnte es ab, in Form eines theologischen Gutachtens<br />
auf Angelegenheiten von Laien, <strong>der</strong>en Absicht es sei, den<br />
Offenbarungsglauben zu vernichten, zu antworten. In solchen<br />
Fällen sei es besser zu schweigen. Aufgabe eines Rabbiners<br />
sei es, sich mit „<strong>der</strong> Erhaltung unserer heiligen und göttlichen<br />
Religion“ zu befassen und durch Beispiele und Belehrung<br />
gegen unjüdische Grundsätze zu wirken. Das Ziel rabbinischer<br />
Tätigkeit sei es, durch „zeitgemäßes, dem Geiste unserer Reli-<br />
55 Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums vom 30.6.1845, S. 412.<br />
56 Ebda., S. 412/413.<br />
57 Der Orient vom 24. 9.1845, S. 307/308.<br />
90
gion entsprechendes, vernünftiges Fortschreiten (...) in aller<br />
Herzen aufrichtige Liebe, wahre Anhänglichkeit und innere<br />
Begeisterung“ zu bewirken, „damit die Schwachen und die<br />
Wankenden (...) erstarken und fester werden und bleiben und<br />
diejenigen, welche schon fast entsagt haben, <strong>aus</strong> Liebe und<br />
Freude in ihren Schoß wie<strong>der</strong> <strong>zur</strong>ückkehren“. 58<br />
Die Fragestellung nach <strong>der</strong> Zulässigkeit <strong>der</strong> Nicht-Beschneidung<br />
versucht er wie folgt zu klären: Die Beschneidung<br />
sei ein mosaisches Gebot und daher Pflicht jedes Israeliten.<br />
Denen, die jüdische Familien, die die Beschneidung ablehnen,<br />
<strong>aus</strong> <strong>der</strong> „Gesamtheit Israels“ <strong>aus</strong>schließen möchten, hielt er<br />
entgegen, dass die Beschneidung nicht die Bedingung des<br />
<strong>Juden</strong>tums sei. Das <strong>Juden</strong>tum sei eine Religion <strong>der</strong> Liebe, <strong>der</strong><br />
Freiheit und <strong>der</strong> Überzeugung. Der Geist Gottes sei Geist <strong>der</strong><br />
Weisheit, <strong>der</strong> Wahrheit und <strong>der</strong> Liebe. Deswegen riet er, in<br />
strittigen Fragen zu belehren, zu erörtern und sich gründlich<br />
<strong>aus</strong>einan<strong>der</strong> zu setzen, um „dem weiteren Umsichgreifen dieses<br />
Lossagens Einhalt zu thun“. 59<br />
Die Verantwortung, die Joseph Kahn für seinen Sprengel<br />
übernommen hatte, hin<strong>der</strong>te ihn allerdings nicht, über die Region<br />
hin<strong>aus</strong> aktiv zu werden. So verteidigt er im Jahre 1861<br />
beispielsweise seinen Rabbinerkollegen Schwarz in Köln gegen<br />
Angriffe, 60 engagiert sich auf mehreren Rabbinerkonferenzen<br />
im deutschsprachigen Raum und beschrieb die Situation<br />
<strong>der</strong> <strong>Juden</strong> in Amsterdam in einem umfangreichen Beitrag. 61<br />
Wenn er sich <strong>zur</strong> Kur begab, nutzte er die freie Zeit, um die<br />
jüdischen Verhältnisse <strong>der</strong> Umgebung zu erkunden. 62<br />
58 Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums vom 17.6.1844, S. 346/347.<br />
59 Ebda., S. 347.<br />
60 Ben Chananja vom 22.11.1861, S. 406.<br />
61 Ben Chananja vom 14.2.1866, S.133/159/179/186/233/258/294/335/353.<br />
62 Ben Chananja vom 14.2.1866, S. 791; Grundlage seines Artikels war sein<br />
Kuraufenthalt vom 16. August bis Anfang September 1866 in Bad Cannstadt;<br />
außerdem ist ein Kuraufenthalt in Bad Ems bekannt.<br />
91
Joseph Kahn und <strong>der</strong> preußische Staat<br />
Bereits in seiner Einführungsfeier zum Oberrabbiner von<br />
<strong>Trier</strong> am 19. Dezember 1841 wurde deutlich, dass das Amt des<br />
Oberrabbiners keine rein jüdische Angelegenheit war, denn<br />
nach <strong>der</strong> Wahl durch das jüdische Konsistorium sprach <strong>der</strong><br />
königliche Landrat seine Ernennung <strong>aus</strong>. Gleiches galt auch<br />
für die beiden Konsistorialmitglie<strong>der</strong> Altmeyer und Lazar. 63 In<br />
seiner anschließenden Dankrede legt <strong>der</strong> neue Oberrabbiner<br />
das „heilige Versprechen“ ab, sein neues Amt „gegen unseren<br />
allgeliebten und allgnädigsten König, gegen unser geliebtes<br />
Vaterland und gegen meine Israeliten treu und gewissenhaft zu<br />
erfüllen“, (...) „meine Pflegekin<strong>der</strong> über ihre Pflichten gegen<br />
König und Vaterland so unterweisen, dass sie immer bereit<br />
seien für dieselben ihr Gut und Blut aufzuopfern,“ (...) all unsere<br />
Kräfte und Fähigkeiten dem König und dem Vaterlande<br />
zu widmen“. Die Dankrede endet mit einem Segensspruch:<br />
„Gott segne den König, Gott segne das Vaterland, Gott segne<br />
unsre Stadt. Amen“. 64 Es fällt auf, dass <strong>der</strong> König an erster<br />
Stelle genannt wird, gefolgt vom Vaterland, und erst am<br />
Schluss die Israeliten thematisiert werden. Aus heutiger Sicht<br />
vermittelt diese Situation den Eindruck, dass Joseph Kahn den<br />
König und sein monarchistisches System vorbehaltlos bejahte.<br />
Doch muss beachtet werden, dass hier Formelhaftes und die<br />
Etikette eine wichtige Rolle spielten. Joseph Kahn wusste um<br />
die nicht eingelöste Gleichstellung <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> in <strong>der</strong> preußischen<br />
Gesellschaft. Die Hoffnung auf eine allmähliche Verän<strong>der</strong>ung<br />
hatte er noch nicht aufgegeben. Der König aber war<br />
nicht prinzipiell sein Gegner, da er ein Klima <strong>der</strong> Toleranz<br />
begünstigte. Zuversichtlich stimmte ihn eine Petition <strong>zur</strong><br />
Gleichstellung <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> an den rheinischen Provinzial-<br />
Landtag, die von 150 gebildeten <strong>Trier</strong>er Bürgern im Jahre<br />
1843 verfasst und unterschrieben wurde. Die Kern<strong>aus</strong>sage<br />
63 Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums vom 5.3.1842, S. 137.<br />
64 Ebda.<br />
92
dieser Petition lautete: „Gesetzliche Verän<strong>der</strong>ungen, welche<br />
als nahe bevorstehend und die ganze bürgerliche Stellung <strong>der</strong><br />
Israeliten, jedenfalls aber ihre Kultus- und Schulverhältnisse<br />
betreffend, von Wohlunterrichteten bezeichnet werden, haben<br />
die übrigen Städte des Rheinlandes bewogen, schon jetzt ihre,<br />
auf den, keinerlei Einschränkung duldenden Prinzipien <strong>der</strong><br />
Rechtsgleichheit, wie auf <strong>der</strong> in den benachbarten Landen<br />
gemachten Erfahrung beruhenden Ansichten und Wünsche<br />
verfassungsgemäß <strong>zur</strong> Kenntnis S(eine)r. M(a)j(estät) des<br />
Königs zu bringen“. 65 Die Unterzeichner mahnten das am 5.<br />
April 1815 „feierlich ertheilte Versprechen“ des preußischen<br />
Staates „die unter <strong>der</strong> Herrschaft <strong>der</strong> französischen Gesetzgebung<br />
eingetretene, beinahe völlige Gleichstellung <strong>der</strong> hiesigen<br />
Israeliten in politischen und bürgerlichen Rechten“ an. Statt<br />
<strong>der</strong> damals „erhofften und in Frankreich wirklich erfolgten<br />
Aufhebung des letzten Überbleibsels hun<strong>der</strong>tjähriger Unduldsamkeit“<br />
sei das als „Übergangsregel für nur zehn Jahre eingeführte<br />
sogenannte <strong>Juden</strong>-Dekret vom 17. März 1808 von Neuem<br />
auf unbestimmte Zeit verlängert“ worden. 66 Auf diese<br />
Weise wurden „diese durch Fleiß und Talente <strong>aus</strong>gezeichnete<br />
Bekenner eines an<strong>der</strong>en Glaubens in t<strong>aus</strong>end Dingen, die mit<br />
<strong>der</strong> Religion in gar keiner Verbindung stehen, eben wegen<br />
dieses Glaubens beschränkt und bedrückt“. 67 Dies wi<strong>der</strong>spräche<br />
<strong>der</strong> auf Gleichheit bedachten Entwicklung des Staatsbürgertums<br />
aller Untertanen. Joseph Kahn bezog sich nach einem<br />
Bericht <strong>der</strong> „Allgemeinen Zeitung des <strong>Juden</strong>thums“ vom 10.<br />
Juli 1843 in <strong>der</strong> Predigt eines Morgengottesdienstes in <strong>der</strong><br />
Synagoge auf diese Bürgerpetition. Er deutete die Bibelstelle<br />
65 Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums vom 3.7.1843, S. 390.<br />
66 Ebda., S. 391; Heinz Monz gibt in seinem Aufsatz „Zur <strong>Trier</strong>er <strong>Juden</strong>petition<br />
des Jahres 1843“ die Zahl <strong>der</strong> Unterzeichner mit 142 an, von<br />
denen 133 Namen identifiziert und in einer Liste festgehalten wurden.<br />
Neben <strong>der</strong> erneuten Veröffentlichung <strong>der</strong> Petition vermittelt er die Rezeptionsgeschichte<br />
dieser <strong>Trier</strong>er Petition. Vgl. Heinz Monz: Zur <strong>Trier</strong>er<br />
<strong>Juden</strong>petition des Jahres 1843, in: Landeskundliche Vierteljahresblätter<br />
Nr. 29, 1983, S. 45-53.<br />
67 Ebda.<br />
93
des vierten Buches Mose, Kapitel 4, Vers 21 ff., als an seine<br />
Gemeinde gerichtet: „(...) dass du dieses dein Vater- und Geburtsland<br />
als dein Kanaan anerkennest, dass du diesem dienen<br />
und ihm helfen willst seine Lasten zu tragen!“ 68 Mit dieser<br />
Interpretation legte <strong>der</strong> Oberrabbiner nahe, dass die jüdischen<br />
Bürger die Realität des Staates, in dem sie geboren, innerlich<br />
annehmen und Verantwortung übernehmen sollten. 69 Gegen<br />
Ende des Vortrags teilte er mit, dass die „edlen und bie<strong>der</strong>en<br />
christlichen Bürger unserer lieben Stadt [<strong>Trier</strong>, Anm. des<br />
Verf.] sich würdig angeschlossen haben an die <strong>der</strong> bedeutendsten<br />
unserer Rheinprovinz, um unsere jetzt versammelten Stände<br />
zu bitten, dass diese sich auch für uns bei unserm König<br />
verwenden möchten, damit wir an allen Staatsrechten gleich<br />
den übrigen Bürgern betheiligt würden“. Deswegen erbittet er<br />
einen „vollkommnen Segen für die edlen Bürger unserer Stadt:<br />
„O Gott, segne sie und bewahre sie; O Gott, laß dein Antlitz<br />
ihnen leuchten und sei ihnen gnädig; O Gott, wende dein Antlitz<br />
ihnen zu und verleihe ihnen Frieden“. 70 Dieses Beispiel<br />
zeigt, dass Joseph Kahn die Rolle <strong>der</strong> von <strong>der</strong> französischen<br />
Freiheit geprägten Bürger im Staat ernst nahm, weil sie die<br />
Idee <strong>der</strong> Gleichheit begünstige. Anfang Juli 1843 wurde auf<br />
dem „Siebenten Rheinischen Provinzial-Landtag“ die „Petition“<br />
mit 54 zu 19 Stimmen angenommen. 71 Dennoch rechnete<br />
68 Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums vom 10.7.1843, S. 413.<br />
69 Die jüdische Gemeinde <strong>Trier</strong> beteiligte sich an einer Hilfsaktion zugunsten<br />
des abgebrannten Hamburgs, wofür sich die Preußische Regierung<br />
bedankte. Vgl. Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums vom 27.8.1842, S.<br />
525.<br />
70 Ebda. Die Nähe von <strong>Juden</strong> und Christen im <strong>Trier</strong> des Jahres 1843 ist<br />
lobenswert und erhält eine beson<strong>der</strong>e Note, wenn man sie mit den negativen<br />
geschichtlichen Ereignissen vor und nach dieser Epoche vergleicht.<br />
71 Von <strong>der</strong> Emanzipation zum Holoc<strong>aus</strong>t. Die Israelitische Synagogengemeinde<br />
zu Aachen 1801-1942, bearb. von Herbert Lepper, S. 11. Am 6.<br />
Juli 1836 war es in Preußen <strong>Juden</strong> verboten worden, christliche Vornamen<br />
zu verwenden. Der Oberrabbiner von Krefeld, Dr. Ullmann, stellte daraufhin<br />
in Frage, ob es christliche und jüdische Vornamen gebe, da die<br />
neutestamentlichen Namen jüdischen Ursprungs seien. Am 22. März 1841<br />
wurde schließlich <strong>der</strong> Erlass vom 6.Juli 1836 für die Gebiete aufgehoben,<br />
94
er mit dem Faktischen <strong>der</strong> Monarchie, die die rechtliche<br />
Gleichheit von <strong>Juden</strong> behin<strong>der</strong>te, aber für überzeugende Argumente<br />
nicht völlig verschlossen war. Als <strong>der</strong> preußische<br />
Staat im Jahre 1847 den jüdischen Gemeinden Synagogen-<br />
Gemeinde-Statuten aufoktroyierte, die im Wi<strong>der</strong>spruch zu den<br />
Interessen <strong>der</strong> einzelnen Gemeinden standen, kam es am 10.<br />
August 1847 in Köln <strong>zur</strong> Gründung eines „Comité[s] für die<br />
Angelegenheiten <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> in <strong>der</strong> Rheinprovinz“, <strong>der</strong> auch <strong>der</strong><br />
Oberrabbiner von <strong>Trier</strong>, Joseph Kahn, angehörte. Obwohl <strong>der</strong><br />
Oberpräsident <strong>der</strong> Rheinprovinz Franz August Eichmann von<br />
dieser Gründung in Kenntnis gesetzt wurde und ihm angeboten<br />
wurde „bei Beratungen“ mitzuwirken, lehnte er aber eine<br />
Zusammenarbeit mit dieser neuen Vereinigung ab, weil <strong>der</strong><br />
preußische Staat nicht willens war, die beson<strong>der</strong>en Verhältnisse<br />
<strong>der</strong> einzelnen <strong>Juden</strong>gemeinden zu berücksichtigen, son<strong>der</strong>n<br />
auf Einheitlichkeit <strong>der</strong> Bestimmungen insistierte. 72<br />
Im Revolutionsjahr 1848 erschien kein von Oberrabbiner<br />
Kahn gekennzeichneter Zeitungsartikel. Doch spricht <strong>der</strong> am<br />
24. Januar 1848 unter <strong>der</strong> Überschrift „Aus <strong>der</strong> Rheinprovinz“<br />
in <strong>der</strong> Allgemeinen Zeitung des <strong>Juden</strong>thums veröffentlichte<br />
Beitrag Bewertungen des am 23. Juli 1847 erlassenen Gesetzes<br />
über die Verhältnisse <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> <strong>aus</strong>, die Joseph Kahn schon<br />
Jahre vorher, 1843, geäußert hatte. Die Formulierung „in unserem<br />
Thale an <strong>der</strong> äußersten Grenze unseres Vaterlandes“ umschreibt<br />
die geopolitische Lage <strong>der</strong> Stadt <strong>Trier</strong>. Der Verfasser<br />
gibt an, dass das neue Gesetz „mit dem größten Interesse“<br />
verfolgt worden sei, es hätte aber die in seit 35 Jahren gehegten<br />
Erwartungen und Wünsche zum Teil sehr herabgestimmt<br />
und die Gemüter verstimmt. Als Grund nennt er: Wer einmal<br />
zum Bewusstsein und <strong>zur</strong> Erkenntnis seines Rechts gelangt<br />
sei, den könne ein halbes Stück ihm zugestandenen Rechts<br />
niemals recht zusagen. Positiv vermerkt <strong>der</strong> Beitrag, dass es<br />
in denen „französisches Recht“ galt. Vgl. Ebda., S. 11.<br />
72 Von <strong>der</strong> Emanzipation zum Holoc<strong>aus</strong>t. Die Israelitische Synagogengemeinde<br />
zu Aachen 1801-1942 Bd. I., bearbeitet von Herbert Lepper, S.<br />
26.<br />
95
den Gemeinden <strong>zur</strong> Pflicht gemacht werde, die schulpflichtigen<br />
Kin<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Religion von gebildeten Lehrern unterrichten<br />
zu lassen. Negativ wir hervorgehoben, dass das neue Gesetz<br />
die inneren Angelegenheiten <strong>der</strong> Gemeinde außer Acht<br />
lasse. Gerade in einer Zeit des religiösen Indifferentismus<br />
müssen Volkslehrer, Prediger und Rabbiner die Einzelnen zu<br />
einem „höheren Leben“ anregen. 73<br />
Die jüdischen Bürger von <strong>Trier</strong> beteiligten sich kaum am<br />
revolutionären Prozess von 1848. Da es aber zu Verfolgungen<br />
von <strong>Juden</strong> in <strong>der</strong> Region kam, beklagte Oberrabbiner Kahn<br />
diese Ereignisse in einer öffentlichen Erklärung vom 5. April<br />
1848; auch <strong>der</strong> <strong>Trier</strong>er Bischof Arnoldi wies diese Übergriffe<br />
<strong>zur</strong>ück. 74<br />
Im Jahre 1851 bahnt sich eine rückschrittliche Entwicklung<br />
des Verhältnisses von <strong>Juden</strong>tum und preußischem Staat an, die<br />
publizistisch von <strong>der</strong> „Kreuzzeitung“ getragen wird. Diese<br />
Zeitung verbreitet, die Revolution von 1848 sei von den <strong>Juden</strong><br />
verursacht worden, sie seien die „rothesten Republikaner“ und<br />
die <strong>Juden</strong> seien die größten Feinde <strong>der</strong> Regierung. 75 Die „Allgemeine<br />
Zeitung des <strong>Juden</strong>thums“ lehnt es ab, sich mit diesen<br />
Anfeindungen <strong>aus</strong>einan<strong>der</strong> zu setzen. Stattdessen zitiert sie<br />
einen projüdischen Zeitungs<strong>aus</strong>schnitt <strong>der</strong> „<strong>Trier</strong>schen Zeitung“,<br />
<strong>der</strong> am Ziel <strong>der</strong> rechtlichen Gleichstellung <strong>der</strong> <strong>Juden</strong><br />
festhält. 76 Im Folgenden greift <strong>der</strong> Autor auf ein Privatschreiben<br />
des Herrn Oberrabbiners Kahn <strong>zur</strong>ück, das als Kommentar<br />
zu einem von ihm verfassten Rundschreiben zu verstehen<br />
sei. 77 Darin heißt es, dass die mittelalterlichen Bestrebungen<br />
des Königs und <strong>der</strong> Stände gegen die <strong>Juden</strong> abgewiesen werden<br />
sollen. Mit Blick auf die „Indifferenten“ in den eigenen<br />
Reihen sollen diese „<strong>aus</strong> ihrem sanften Schlafe“ aufgerüttelt<br />
73 Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums vom 24.1.1848, S. 70.<br />
74 Lindner, Erik: Deutsche <strong>Juden</strong> in <strong>der</strong> Revolution, in „Der schlimmste<br />
Punkt in <strong>der</strong> Provinz“, S. 625.<br />
75 Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums vom 1.1.1851, S.4 und 6.<br />
76 Ebda., S. 6.<br />
77 Ebda., S. 4.<br />
96
und in ihrer behaglichen Ruhe und Sicherheit“ gestört werden.<br />
78 Auf die aktuellen politischen Vorgänge bezogen beklagt<br />
er, dass man beabsichtige, eine „Oberkirchenbehörde“ einsetzen,<br />
ohne dass man hierüber mit den jüdischen Vertretern gesprochen<br />
hätte. Überdies unterstelle diese Behörde, dass die<br />
<strong>Juden</strong> ihre eigenen Angelegenheiten nicht geordnet bekämen.<br />
Dies stelle einen Eingriff in die „religiöse Selbständigkeit“<br />
dar. 79 Deswegen rät er, die bevorstehende Versammlung israelitischer<br />
Abgeordneter solle sich nicht nur für Korporationsrechte<br />
einsetzen, son<strong>der</strong>n erwirken, dass Abgeordnete <strong>aus</strong> <strong>der</strong><br />
ganzen Monarchie ein „allgemeines Statut“ genehmigen, <strong>aus</strong>führen<br />
und überwachen, wie dies bereits in Österreich angeordnet<br />
wurde. Schließlich solle verlangt werden, dass Rabbiner<br />
und Vorbeter wie die übrigen Geistlichen besoldet werden,<br />
wie dies in Frankreich [Elsaß-Lothringen, Anm. des Verfassers],<br />
Belgien und Holland und einigen deutschen Staaten<br />
schon jetzt praktiziert werde. Es sei „heiligste Pflicht“, auf<br />
gesetzlichem Wege alles aufzubieten, dass die jüdische Religion<br />
nicht länger mehr den an<strong>der</strong>en nachgesetzt bleibe. 80 Zur<br />
Lage <strong>der</strong> Schule bemerkt <strong>der</strong> Oberrabbiner Kahn, dass jüdische<br />
Familien in kleinen Gemeinden einen Religionslehrer <strong>aus</strong><br />
eigener Tasche bezahlen müssten, damit ihre Kin<strong>der</strong> überhaupt<br />
in jüdischer Religion unterrichtet werden können. Dies wiege<br />
umso schwerer, weil sie ohnehin zum Gehalt des freien<br />
[christlichen, Anm. des Verfassers] Unterrichts finanziell beizutragen<br />
hätten, aber für ihre eigenen Schulen zusätzliche<br />
Opfer zu erbringen hätten. 81<br />
Aus diesem Vorgang ist zu ersehen, dass Oberrabbiner Joseph<br />
Kahn die ungerechte Situation <strong>der</strong> jüdischen Religion in<br />
Preußen seiner Zeit nicht nur im Stillen beklagte, son<strong>der</strong>n sie<br />
mit Hilfe <strong>der</strong> Zeitungen in die öffentliche Diskussion einbrachte.<br />
Dabei wird seine mutige und kämpferische Rolle<br />
78 Ebda., S. 5.<br />
79 Ebda.<br />
80 Ebda.<br />
81 Ebda., S. 6.<br />
97
deutlich; er verfolgt mit großer Aufmerksamkeit die politischen<br />
Geschehnisse und reagiert entschieden, wenn die Belange<br />
<strong>der</strong> <strong>Juden</strong> nicht fortschrittlich beschieden werden. Diese<br />
Aktivität wird allerdings von einem Teil <strong>der</strong> jüdischen Gemeinde<br />
als unrabbinisch abgelehnt.<br />
Die Lage <strong>der</strong> jüdischen Bürger verbessert sich nur in kleinen<br />
Schritten. Erst 1871 erhielten die <strong>Juden</strong> die Gleichberechtigung.<br />
Nach Joseph Kahn sollte das Verhältnis von Staat und Religion<br />
nicht durch Grenzüberschreitung <strong>der</strong> beiden Institutionen<br />
bestimmt sein, wie es im preußischen Staatskirchensystem<br />
praktiziert wurde, son<strong>der</strong>n durch größtmögliche Eigenständigkeit.<br />
Damit ist er als Vordenker <strong>der</strong> rechtlichen Trennung von<br />
Kirche und Staat anzusehen, die die Kooperation von Staat<br />
und Religionen in sachlichen Angelegenheiten wie <strong>der</strong> Schule<br />
ermöglicht hätte. Er schreibt: „Und so lasse <strong>der</strong> Staat die jüdische<br />
Religion sich <strong>aus</strong> sich selbst entwickeln und fortbilden<br />
auf ruhigem wissenschaftlichen Wege, und nur auf diesem ist<br />
es möglich, dass mit <strong>der</strong> Zeit sich manches an<strong>der</strong>s her<strong>aus</strong>stellen<br />
werde.“ 82 Seine Zuversicht gründet er auf die positive<br />
Wirkung <strong>der</strong> Wissenschaft und auf die Dimension Zeit, die<br />
Fortschritt bringen wird. Der rechtliche Rahmen lässt allerdings<br />
noch Jahrzehnte auf sich warten. Das <strong>Juden</strong>tum erhält<br />
seine völlige Eigenständigkeit in Religionsangelegenheiten<br />
erst mit <strong>der</strong> Weimarer Reichsverfassung vom 11.August 1919.<br />
An<strong>der</strong>erseits wendet er sich dagegen, dass <strong>Juden</strong> dem Staat<br />
keinen Militärdienst leisten sollen. Er erkennt, dass dieser<br />
Ausschluss die noch nicht erlangte Gleichberechtigung zunichtemachen<br />
könnte. Deswegen formuliert er apodiktisch:<br />
„Bei den gläubigen Israeliten herrscht nicht <strong>der</strong> geringste<br />
Zweifel, dass ihre Söhne, so es ihre Vermögensumstände nur<br />
gestatten – als Freiwillige dienen zu lassen.“ 83 , dass je<strong>der</strong> Jo-<br />
82 Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums vom 29.4.1843, S. 255.<br />
83 Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums vom 9.4.1842, S. 217; Joseph Kahn<br />
betont die Freiwilligkeit des Militärdienstes und er weist auf die Vermögensumstände<br />
hin. Damit leistet er einen Beitrag <strong>zur</strong> Humanisierung des<br />
98
seph Kahn betont in seinen Gemeinden Bürger jüdischen<br />
Glaubens Pflichten und an<strong>der</strong>e Dienste dem Staat gegenüber<br />
zu beachten habe, sofern seine Vermögensumstände es gestatten.<br />
Dieses bedeutet, dass er die Ansprüche des Staates nicht<br />
isoliert von den wirtschaftlichen und familiären Verhältnissen<br />
betrachtet. Für ihn ist <strong>der</strong> Staat also kein Prinzip, dem sich die<br />
Einzelperson vorbehaltlos zu unterwerfen hat. Dass er am 18.<br />
Juni 1871 in <strong>der</strong> <strong>Trier</strong>er Synagoge einen Dankgottesdienst für<br />
„den errungenen glorreichen Frieden“ 84 nach dem Krieg <strong>der</strong><br />
Deutschen gegen Frankreich hielt, entspricht seinen Vorstellungen<br />
eines emanzipierten <strong>Juden</strong>tums. Das von Joseph Kahn<br />
angedachte Verhältnis von Religion und Staat, den Militärdienst<br />
betreffend, führte dazu, dass <strong>Juden</strong> und Christen für<strong>der</strong>hin<br />
geeint in gleicher nationaler Motivation in den Krieg<br />
zogen. Beson<strong>der</strong>s <strong>der</strong> Erste Weltkrieg zeigte erstmals, dass<br />
zahlreiche jüdische Männer als deutsche Soldaten schwer verwundet<br />
und getötet wurden. Allein <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Region Konz starben<br />
in diesem Krieg mehrere jüdische Männer, z.B. <strong>aus</strong> Könen,<br />
<strong>aus</strong> Konz und <strong>aus</strong> Oberemmel. In Könen hält <strong>der</strong> Verfasser<br />
<strong>der</strong> Schulchronik die Namen <strong>der</strong> jüdischen Kriegstoten des<br />
Ortes fest. In Oberemmel erinnert eine Tafel aller Kriegstoten<br />
des Ersten Weltkrieges an <strong>der</strong> alten Kirche auch an die beiden<br />
jüdischen Gefallenen. In <strong>der</strong> <strong>Trier</strong>er Synagoge wurde eine<br />
Tafel mit den Namen <strong>der</strong> Kriegstoten des Ersten Weltkrieges<br />
angebracht, die nach dem Zweiten Weltkrieg von jüdischen<br />
Gemeindemitglie<strong>der</strong>n <strong>aus</strong> <strong>der</strong> zerstörten Synagoge geborgen<br />
und in die neue Synagoge gebracht wurde. 85<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg erhält das deutsche <strong>Juden</strong>tum<br />
seine völlige Gleichberechtigung. Die Kern<strong>aus</strong>sage <strong>der</strong> Weimarer<br />
Reichsverfassung geht von <strong>der</strong> Trennung von Religion<br />
und Staat <strong>aus</strong>. Damit ist <strong>der</strong> Weg frei für eine eigenständige<br />
Organisation <strong>der</strong> einzelnen Religionen in Deutschland, die bis<br />
staatlichen Anspruchs auf die von Preußen und Habsburg beanspruchte<br />
allgemeine Militärpflicht.<br />
84 Kayserling: Bibliothek jüdischer Kanzelredner, S. 300.<br />
85 <strong>Juden</strong> in <strong>Trier</strong>. Katalog einer Ausstellung, S. 106.<br />
99
dahin unbekannt war. Diese neue Rechtssituation entspricht<br />
<strong>der</strong> For<strong>der</strong>ung von Joseph Kahn an den preußischen Staat seiner<br />
Zeit, die dieser aber nicht einlöste.<br />
Mit dem Beginn <strong>der</strong> Nazi-Herrschaft im Jahre 1933 ist <strong>der</strong><br />
Abbruch aller Ideen von Toleranz und Humanität verbunden,<br />
<strong>der</strong> alle aufklärerischen Bemühungen des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />
zunichtemachte. Die fortschrittliche Verfassung <strong>der</strong> Weimarer<br />
Republik wurde von den Nationalsozialisten zuerst demagogisch<br />
abgewertet und anschließend außer Kraft gesetzt.<br />
Im Grundgesetz <strong>der</strong> Bundesrepublik Deutschland von 1949<br />
wurden die Artikel <strong>der</strong> Weimarer Reichsverfassung, die das<br />
Verhältnis von Religion und Staat betreffen, neu verankert.<br />
Joseph Kahn und <strong>der</strong> Synagogenbau in <strong>der</strong> Region <strong>Trier</strong><br />
Zur Erneuerung des <strong>Juden</strong>tums zählt für den <strong>Trier</strong>er Oberrabbiner<br />
Kahn auch <strong>der</strong> Bau neuer Synagogen in den überwiegend<br />
kleinen Gemeinden seines Amtsbezirkes. Dieser ist nicht<br />
identisch mit dem heutigen Regierungsbezirk <strong>Trier</strong>, son<strong>der</strong>n er<br />
ist erweitert um Teile des heutigen nördlichen Saarlandes.<br />
In <strong>der</strong> Region <strong>Trier</strong> existierten um 1840 in den kleinen<br />
Gemeinden viele provisorische Gebetsräume, die in Privathäusern<br />
untergebracht waren, die die Funktion als Synagoge mehr<br />
recht als schlecht erfüllten. 86 In an<strong>der</strong>en Gemeinden waren die<br />
Synagogen zu klein, zu alt o<strong>der</strong> baufällig geworden, z.B. in<br />
Tholey, in in Spiesen, in Schweich und in <strong>Trier</strong>. Sowohl die<br />
Gebetsräume als auch die alten Synagogen genügten we<strong>der</strong><br />
dem neuen Anspruch <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> noch <strong>der</strong> zum Teil stark angestiegenen<br />
Zahl von Gemeindemitglie<strong>der</strong>n.<br />
86 Eine genaue Bestandsaufnahme fehlt. In den Quellen werden die privaten<br />
Gebetsräume zum Teil Synagogen genannt, gemäß dem Wortsinn als Ort,<br />
an dem man zum Beten zusammenkommt. Vgl. auch Reichard/Heidenblut:<br />
Synagogen im Landkreis <strong>Trier</strong>-Saarburg.<br />
100
Oberrabbiner Kahns Bautätigkeit neuer Synagogen bezieht<br />
sich auf die überwiegend kleinen Gemeinden seines Amtsbezirks,<br />
größere Synagogen entstanden lediglich in Scheich und<br />
in <strong>Trier</strong>.<br />
Ein mit dem Pseudonym „Zeta“ gezeichneter Artikel in <strong>der</strong><br />
„Allgemeinen Zeitung des <strong>Juden</strong>tums“ vom 5. Januar 1852<br />
vergleicht die Lage <strong>der</strong> jüdischen Landgemeinden in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />
mit <strong>der</strong> neuen Lage, die Oberrabbiner Kahn geprägt<br />
hat. Während im „Konsistorialsprengel <strong>Trier</strong> die Landgemeinden<br />
verwahrlost, ohne Synagoge, ohne Religionsschule,<br />
überhaupt ohne jede, einer Religionsgemeinde nöthige Einrichtung“<br />
waren, sei seit dem Amtsantritt von Oberrabbiner<br />
Kahn in den Gemeinden seines Sprengels ein frischer, religiöser<br />
Geist erwacht, <strong>der</strong> „zu großen Opfern zum Bau schöner<br />
Synagogen“ geführt hätte. 87 In den vergangenen fünf bis sechs<br />
Jahren seien nicht weniger als 18 neue Synagogen errichtet<br />
worden und in jedem weiteren Jahr würde sich diese Zahl vergrößern.<br />
Der Verfasser hebt hervor, dass dies das Verdienst<br />
des <strong>Trier</strong>er Oberrabbiners sei, er hätte den „Aufschwung <strong>der</strong><br />
hiesigen Verhältnisse angeregt und das Feuer <strong>der</strong> Begeisterung<br />
für die gute Sache angefacht und unterhalten“. 88 Die „Allgemeine<br />
Zeitung des <strong>Juden</strong>tums“ gibt im Jahre 1865 an, dass<br />
Joseph Kahn in 47 von 49 Gemeinden neue Synagogen erbaut<br />
habe. 89 In „Kahns Bade- und Reiseberichte“, die Joseph Kahn<br />
während seines Kuraufenthaltes im Jahre 1867 in Bad Ems<br />
verfasste, nennt er die Zahl 29, bemerkt aber dazu, dass sich<br />
noch weitere Synagogen im Bau befänden. 90 Realistischer<br />
wäre es deshalb, von 30 bis 35 Synagogeneinweihungen <strong>aus</strong>zugehen.<br />
Auch kann die Zahl <strong>der</strong> Synagogeneinweihungen<br />
nicht <strong>der</strong> im Jahre 1838 mit 38 angegebenen Zahl 91 hinzu gerechnet<br />
werden, denn in einigen Orten wird <strong>aus</strong>drücklich da-<br />
87 Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums vom 5.1.1852, S. 18/19.<br />
88 Ebda., S. 19.<br />
89 Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>tums vom 27.6.1865, S. 395.<br />
90 Ben Chananja, 1.10.1867, S. 617.<br />
91 Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums vom 21.6.1838, S. 1.<br />
101
auf hingewiesen, dass im Rahmen <strong>der</strong> Einweihungsfeierlichkeiten<br />
die Prozession <strong>der</strong> Gläubigen von <strong>der</strong> alten <strong>zur</strong> neuen<br />
Synagoge geleitet wurde, so zum Beispiel in Tholey, also vorhandene<br />
zu kleine o<strong>der</strong> baufällige Synagogen durch einen<br />
Neubau ersetzt wurden. Damit verlor die alte Synagoge ihre<br />
sakrale Bedeutung, zählte künftig nicht mehr als Synagoge<br />
und wurde abgerissen o<strong>der</strong> profanen Zwecken zugeführt. Nur<br />
in kleineren Gemeinden dürfte die neue Synagoge die erste am<br />
Ort gewesen sein. Häufig wurden vorher die Gottesdienste<br />
dieser keinen Gemeinden in privaten Räumen abgehalten.<br />
<strong>Wawern</strong> ist ein solches Beispiel. Die 1844 feierlich eingeweihte<br />
Synagoge, die als restauriertes Gebäude noch heute existiert,<br />
hatte keinen Vorgängerbau, son<strong>der</strong>n die Gemeinde hatte<br />
sich in einem Gebetsraum versammelt, <strong>der</strong> in einem Privath<strong>aus</strong><br />
eingerichtet war. 92 Ganz sicher aber hat sich die Zahl <strong>der</strong><br />
Synagogen in <strong>der</strong> Region <strong>Trier</strong> während <strong>der</strong> Amtszeit von<br />
Joseph Kahn merklich vergrößert.<br />
Nicht alle Einweihungsfeiern neuer Synagogen in <strong>der</strong><br />
Amtszeit von Oberrabbiner Kahn lassen sich in einem mehr<br />
o<strong>der</strong> weniger umfangreichen Bericht in einer <strong>der</strong> jüdischen<br />
Zeitungen wie<strong>der</strong>finden. Aus <strong>der</strong> Region <strong>Trier</strong> sind die Einweihungsfeiern<br />
<strong>der</strong> Synagogen in <strong>Wawern</strong>, in <strong>Trier</strong>, in<br />
Spiesen, in Tholey, in Schweich, in Bernkastel, in Zeltingen,<br />
in Trittenheim, in Neunkirchen und in Müstert-Emmel (Nie<strong>der</strong>emmel)<br />
in Form eines Zeitungsberichts festgehalten. 93 Ein<br />
Artikel über die Einweihungsfeier <strong>der</strong> Synagoge von Lösnich<br />
<strong>aus</strong> dem Jahre 1867 findet sich in „Kahns Bade- und Reise-<br />
92 Dieser Gebetsraum ist heute noch in einem Wohnh<strong>aus</strong> anhand von sakralen<br />
Fensterrahmen zu erkennen. Freundlicher Hinweis von Hans Greis,<br />
<strong>Wawern</strong>. In Oberemmel, in Trittenheim, in Bitburg, in Nie<strong>der</strong>emmel, in<br />
Mehring, in Leiwen und an<strong>der</strong>en Orten sind solche privaten Gebetsräume<br />
nachzuweisen. In Hermeskeil diente noch bis Ende <strong>der</strong> dreißiger Jahre<br />
ein Privatraum als Synagogoge. Vgl. Marx, Georg: <strong>Juden</strong> in Hermeskeil,<br />
S. 33.<br />
93 Zum Teil beziehen sich die Berichte in den jüdischen Zeitungen auf regionale<br />
Zeitungsberichte, z.B. zu <strong>Wawern</strong> und zu Trittenheim.<br />
102
Synagoge <strong>Wawern</strong>, heutiger Zustand<br />
103
Schweicher Synagoge, heutiger Zustand<br />
104
Plan <strong>zur</strong> Vor<strong>der</strong>seite <strong>der</strong> Synagoge <strong>Trier</strong> 1858<br />
105
Synagoge <strong>Trier</strong> 94<br />
94 Löwenstein, Isaac: Yom-ha-bikkurim: eine vollständige israelitische<br />
Confirmationshandlung am Schebuoth-Feste, Frankfurt 1883, S. 94. (Universitätsbibliothek<br />
Frankfurt a.M., Signatur Jud 1772. - Frau Maike Strobel<br />
sei herzlich gedankt für die Übermittlung <strong>der</strong> Kopien). Erstmals veröffentlicht<br />
in: Schulte, Bärbel: Max Lazarus. <strong>Trier</strong>-St. Louis- Denver. Ein<br />
jüdisches Künstlerschicksal, <strong>Trier</strong> 2010, S. 279. (Katalog-Handbuch <strong>zur</strong><br />
Ausstellung im Stadtmuseum Simeonstift <strong>Trier</strong> 21. März-27. Juni 2010).<br />
Dieses „Foto“ gehört aufgrund <strong>der</strong> unterschiedlichen zeitlichen Bezüge<br />
von Buch und Bild - <strong>der</strong> Druck erfolgte 1843, die <strong>Trier</strong>er Synagoge wurde<br />
dagegen erst 1859 eingeweiht - nicht zu diesem Buch, son<strong>der</strong>n ist als<br />
spätere Hinzufügung zu verstehen. Möglicherweise handelt es sich um<br />
ein Relikt des früheren Besitzers, <strong>der</strong> unter Amtspersonen einer jüdischen<br />
Gemeinde zu suchen ist, da sich dieses Buch an einen jüdischen<br />
Lehrer, einen Kantor o<strong>der</strong> einen Rabbiner richtet. Das Bild <strong>der</strong> <strong>Trier</strong>er<br />
Synagoge ist vermutlich zufällig in dieses Buch gelegt worden. Es ist<br />
bekannt, dass Oberrabbiner Stein von Frankfurt a.M. die Festrede <strong>zur</strong><br />
Einweihung <strong>der</strong> Synagoge von <strong>Trier</strong> im Jahre 1859 hielt. Es lassen sich<br />
allerdings auch an<strong>der</strong>e Theorien entwickeln, die das Zusammentreffen<br />
von Buch und Bild erklären. So könnte es sich um einen Erinnerungsgegenstand<br />
an einen Besuch in <strong>Trier</strong> handeln o<strong>der</strong> um eine postalische<br />
versandte Grußkarte; im Augenblick fehlen Belege für eine eindeutige<br />
106
erichte“. 95 Allein im Jahre 1855 seien vier Synagogen im<br />
<strong>Trier</strong>er Sprengel eingeweiht worden. 96 Berichte darüber sind<br />
bisher noch nicht entdeckt worden. In <strong>der</strong> Beilage <strong>der</strong> „Allgemeinen<br />
Zeitung des <strong>Juden</strong>thums“ vom 19.12. 1865 wird die<br />
Einweihungsfeier <strong>der</strong> Synagoge in Neunkirchen beschrieben. 97<br />
Die Einweihungsfeiern werden in <strong>der</strong> Regel als großes Ereignis<br />
<strong>der</strong> Gesamtgemeinde, einschließlich <strong>der</strong> christlichen Mitbürger,<br />
beschrieben. Häufig wird darauf hingewiesen, dass die<br />
bürgerlichen Vertreter <strong>der</strong> Gemeinde und des Landkreises<br />
anwesend waren. Auch christliche Geistliche werden vereinzelt<br />
als Mitfeiernde erwähnt. Der Oberrabbiner Kahn als wichtigste<br />
Person <strong>der</strong> Weihehandlung stand stets im Mittelpunkt<br />
Klärung dieser Frage.<br />
Die Abbildung <strong>der</strong> <strong>Trier</strong>er Synagoge weist die Form einer großen Postkarte<br />
auf, auf <strong>der</strong> <strong>der</strong> graphische Inhalt im Querformat präsentiert ist. Diese<br />
Anordnung betont das Ausmaß des Baukörpers im neo-romanischen Stil.<br />
Der romanische B<strong>aus</strong>til habe sich an <strong>der</strong> Synagoge von Worms orientiert,<br />
führt <strong>der</strong> Architekt Christian Wilhelm Schmidt in seiner im Materialband<br />
<strong>zur</strong> Einweihung <strong>der</strong> Synagoge abgedruckten Baubeschreibung (Seite 52)<br />
<strong>aus</strong>. - Am unteren Rand <strong>der</strong> Abbildung findet sich in geschwungenem<br />
Schriftzug die Bezeichnung des dargestellten Gegenstandes: „Die neue<br />
Synagoge zu <strong>Trier</strong>“.<br />
95 Ben Chananja, 1.10.1867, S. 617; <strong>zur</strong> Synagogeneinweihung in Merzig<br />
vgl. Der Israelit im neunzehnten Jahrhun<strong>der</strong>t vom 30. 10.1842, S. 178; <strong>zur</strong><br />
Einweihung <strong>der</strong> Synagoge Trittenheim vgl. Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums<br />
vom 20.4.1857, S. 225, ebenso Schmitt, Christoph: „Ein Gottesh<strong>aus</strong><br />
zum Gebete für alle“. Die Synagoge <strong>der</strong> jüdischen Gemeinde<br />
Trittenheim . Zur Synagogeneinweihung in <strong>Trier</strong> vgl. Zenz, Emil: <strong>Geschichte</strong><br />
<strong>der</strong> Stadt <strong>Trier</strong> im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t. Bd.II, S. 201/202. Sowohl von<br />
<strong>der</strong> Grundsteinlegung am 6. 10.1857 als auch von <strong>der</strong> Einweihungsfeier<br />
am 9./10. 9.1859 existieren Buch<strong>aus</strong>gaben, die Berichte, Reden, Gebete,<br />
Gedichte und Dokumente enthalten. Siehe Literaturliste.<br />
96 Israelitischer Volkslehrer vom September 1855, S. 366<br />
97 Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums, Beilage <strong>zur</strong> Nr. 51 vom 19.12.1865;<br />
vgl. auch Ben Chananja vom 20.12. 1865, S. 915-916 und vom 7.12.1865,<br />
S. 920-921. Ungewöhnlich ist, dass Ben Chananja von <strong>der</strong> Synagogeneinweihung<br />
zwei Berichte veröffentlichte. In Neunkirchen weihte Joseph<br />
Kahn seine 28. Synagoge ein.<br />
107
Synagoge Neunkirchen, historische Aufnahme<br />
<strong>der</strong> Berichterstattung. Einzelheiten <strong>der</strong> Festpredigt und <strong>der</strong><br />
Liturgie sind fast jedem Artikel zu entnehmen. Der Artikel <strong>zur</strong><br />
Einweihungsfeier in Schweich und Bernkastel hob hervor,<br />
dass das Programm zu dieser Veranstaltung bereits bei <strong>der</strong><br />
Einweihungsfeier <strong>der</strong> Magdeburger Synagoge verwendet wurde;<br />
die „Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>tums“ druckte sogar<br />
einige Lie<strong>der</strong> <strong>aus</strong> Magdeburg ab. 98<br />
Als am 13. August 1844 in <strong>Wawern</strong> eine neue Synagoge<br />
eingeweiht wurde, nahm Oberrabbiner Joseph Kahn in seinem<br />
Heimatdorf, wie die Zeitung „Der Israelit in neunzehnten<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t“ in <strong>der</strong> Ausgabe vom 3. November 1844 schreibt,<br />
die sakralen Handlungen vor. Der Verfasser legt Wert darauf<br />
98 Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums vom 1.11.1852, S. 538/539.<br />
108
zu berichten, dass viele und angesehene Bürger zu diesem<br />
Anlass nach <strong>Wawern</strong> gekommen waren: Die meisten Beamten,<br />
viele <strong>der</strong> ersten Bürger <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Umgebung von Saarburg 99<br />
Der Synagogenbau in <strong>Trier</strong> im Jahre 1857 nimmt einen<br />
breiten publizistischen Raum ein. Bereits die Feier <strong>zur</strong> Grundsteinlegung<br />
<strong>der</strong> neuen Synagoge <strong>Trier</strong> wurde in Buchform<br />
veröffentlicht. 100 Als Buch wurde auch die Einweihungsfeier<br />
am 9./10. September 1859 her<strong>aus</strong>gegeben. Berichtet wird über<br />
die Bauplanung, über die Finanzierung und die Baugeschichte<br />
ebenso wie über die Liturgie <strong>der</strong> Einweihungsfeier, an <strong>der</strong><br />
mehr als 700 Nicht-<strong>Juden</strong> teilnahmen, insgesamt 1300 Personen.<br />
Abgedruckt sind die zu diesem Anlass publizierten Zeitungsartikel<br />
<strong>der</strong> <strong>Trier</strong>´schen Zeitung. Bertha Kahn, die Tochter<br />
des Oberrabbiners, und Anna Rothschild hatten Gedichte vorgetragen.<br />
101<br />
Der Bau neuer Synagogen stellte für die zum Teil kleinen<br />
Gemeinden in <strong>der</strong> Region eine erhebliche finanzielle Belastung<br />
dar. In allen Berichten wird deshalb auf die außergewöhnlichen<br />
Anstrengungen einzelner Personen und <strong>der</strong> gesamten<br />
Gemeinden hingewiesen. In Bitburg hatten die jüdischen<br />
Viehhändler im Rahmen ihrer Handelsgeschäfte ihre<br />
christlichen Vertragspartner gebeten, einen Thaler für den Bau<br />
<strong>der</strong> dortigen Synagoge beizusteuern. 102<br />
99 Im Text steht <strong>der</strong> Name „Sonneburg“, doch dürfte es sich um eine Verschreibung<br />
für Saarburg handeln, da alle weiteren Informationen keinen<br />
Zweifel daran lassen, dass nur die Synagogeneinweihungsfeier in <strong>Wawern</strong><br />
gemeint sein kann, das in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> kleinen Stadt Saarburg liegt.<br />
100 Bau-Comité (Hrsg.): Grundsteinlegung <strong>zur</strong> neuen Synagoge <strong>Trier</strong> am 6.<br />
October 1857, <strong>Trier</strong> 1857. Die bisher unbekannte Lyrikerin Clara Levy<br />
hatte zu dieser Feier Gedichte beigetragen. Ob die von Bertha Kahn,<br />
Tochter des Oberrabbiners Joseph Kahn, und Anna Rothschild <strong>zur</strong> Einweihung<br />
<strong>der</strong> neuen Synagoge im Jahre 1859 vorgetragen Gedichte auch<br />
von Clara Levy stammen, ist nach dem jetzigen Kenntnisstand nicht zu<br />
beweisen, aber nicht unwahrscheinlich.<br />
101 Kahn, Joseph: Die Feier <strong>der</strong> Einweihung <strong>der</strong> neuen Synagoge zu <strong>Trier</strong> am<br />
9./10. September 1859, 2. Auflage, <strong>Trier</strong> 1860.<br />
102 Israeltisches Wochenblatt [<strong>Trier</strong>] 1887, S. 27. Dieses Ereignis wird rückblickend<br />
von <strong>der</strong> Bistumszeitung „Paulinus“ mit dem Begriff „Gewalt-<br />
109
Damit die neue Synagoge in <strong>Trier</strong> errichtet werden konnte,<br />
betätigte sich Oberrabbiner Kahn als „Selbstsammler“, <strong>der</strong> in<br />
Frankfurt a.M. und in Paris „namhafte Beiträge“ zu diesem<br />
Zweck erhielt. 103 Ausführlich gibt <strong>der</strong> Oberrabbiner Kahn <strong>aus</strong><br />
<strong>Trier</strong> Rechenschaft über die Herkunft <strong>der</strong> Gel<strong>der</strong>, die zum Bau<br />
<strong>der</strong> <strong>Trier</strong>er Synagoge benötigt wurden. Die größte Summe<br />
hatte die jüdische Gemeinde in <strong>Trier</strong> selbst aufzubringen. Zu<br />
diesem Zweck gab <strong>der</strong> Vorstand im Jahre 1854, nachdem <strong>der</strong><br />
Beschluss zu einem Neubau gefasst war, eine Liste <strong>aus</strong>, in die<br />
sich Freiwillige eintragen konnten, die bereit waren, in 5 Jahren<br />
20 Monatsraten zu leisten. Aus dieser Selbstverpflichtung<br />
wurden insgesamt 4300 Thaler eingesammelt. Die Zahlungen<br />
auf die einzelnen Jahre übertragen, zeigen, dass 1855, einem<br />
Krisenjahr, nur 508 Thaler zusammenkamen. An größeren<br />
Privatspenden sind 150 Thaler im Jahre 1854 und 500 Thaler<br />
im Jahre 1858 von Baron Rothschild <strong>aus</strong> Frankfurt vermerkt.<br />
Auf Vermittlung von Albert Cohn und Rabbiner Stein <strong>aus</strong><br />
Frankfurt zahlte <strong>der</strong> Bankier Rothschild <strong>aus</strong> Paris 1000 Thaler.<br />
Von Christen stammten insgesamt 600 Thaler. Als im Jahre<br />
1858 die Frau des Oberrabbiners, Rebecca Biema, starb, gründete<br />
sich ein Komitee zu ihrer Erinnerung, welches 2203 Thaler<br />
zum Bau <strong>der</strong> neuen Synagoge aufbrachte. Der Bürgermeister<br />
<strong>aus</strong> <strong>Trier</strong> hatte im Jahre 1854 1500 Thaler zum Synagogenvorhaben<br />
zugesagt, diese Zusage allerdings an Bedingungen<br />
geknüpft: Die jüdische Schule und die Wohnung des jüdischen<br />
Elementarlehrers solle im jüdischen Gemeindeh<strong>aus</strong> untergebracht<br />
werden. Diese Bedingung wurde nicht realisiert.<br />
Im Jahre 1857 beschloss die Abgeordnetenversammlung <strong>der</strong><br />
Stadt, den Bau <strong>der</strong> Synagoge mit 500 Thalern zu för<strong>der</strong>n. Über<br />
1000 Thaler kamen zusammen <strong>aus</strong> Versteigerung und Vermietung<br />
von „Stätten“ in <strong>der</strong> neuen Synagoge. 104<br />
mittel“ bezeichnet.<br />
103 Der israelitische Volkslehrer, Oktober 1858, S. 331.<br />
104 Kahn, Joseph [Hrsg.]: Die Feier <strong>der</strong> Einweihung <strong>der</strong> neuen Synagoge.<br />
110
Dank <strong>der</strong> von Oberrabbiner Joseph Kahn zusammengetragenen<br />
<strong>Materialien</strong> lassen sich sowohl <strong>der</strong> Festzug als auch die<br />
Liturgie <strong>der</strong> Einweihungsfeier rekonstruieren.<br />
Der Festzug am 9. September 1859 von <strong>der</strong> Weberbach bis<br />
zum Zuckerberg ab 2 Uhr:<br />
Alle Fenster auf diesem Weg waren geschmückt mit Flaggen, Symbolen<br />
und Laubgewinden<br />
Die Schuljugend mit ihrem Lehrer<br />
Das Musikcorps<br />
Der Synagogengesangverein<br />
Die Träger <strong>der</strong> Thora-Rollen, umgeben von weißgekleideten Mädchen<br />
mit Blumenkränzen<br />
Zwei Mädchen, die die Schlüssel trugen<br />
Der Oberrabbiner Joseph Kahn und <strong>der</strong> assistierende Rabbiner Stein<br />
<strong>aus</strong> Frankfurt<br />
Der Vorstand <strong>der</strong> jüdischen Gemeinde und das Bau-Komitee<br />
Mitglie<strong>der</strong> des Konsistoriums<br />
Die hohe Behörde<br />
Der Architekt und <strong>der</strong> Baumeister<br />
Gemeindemitglie<strong>der</strong><br />
Die Einweihungsliturgie:<br />
Überreichung <strong>der</strong> Schlüssel im Vorhof <strong>der</strong> Synagoge<br />
Öffnung <strong>der</strong> Synagogentüren<br />
Erklärung <strong>der</strong> hebräischen Inschriften<br />
Vortrag von zwei Gedichten von Bertha Kahn und Anna Rothschild<br />
111
Einweisungsgebet von Oberrabbiner Joseph Kahn<br />
Einzug in die Synagoge, begleitet von den Klängen des Musikcorps<br />
und Liedvorträgen des Synagogengesangvereins<br />
Die Thorarollen werden in die Mitte <strong>der</strong> Synagoge getragen<br />
Die Türen des Thoraschreins werden geöffnet und die Thorarollen<br />
eingestellt<br />
Gebetsvortrag und Thoralesung von Kantor Schnerb <strong>aus</strong> Merzig<br />
Predigt von Oberrabbiner Joseph Kahn<br />
Festrede von Rabbiner Stein <strong>aus</strong> Frankfurt<br />
Vorträge des Musikcorps und des Synagogengesangvereins<br />
Segen in hebräischer und deutscher Sprache für die Gemeinde, die<br />
Stadt, den König und das Vaterland von Oberrabbiner Joseph Kahn<br />
Obwohl die Bitburger Synagoge erst 1877, also zwei Jahre<br />
nach dem Tod von Joseph Kahn, eingeweiht wurde, ist sie<br />
dennoch in sein Bauprogramm einzuordnen, da die Vorüberlegungen<br />
zu einem Bauvorhaben dieser Art eine jahrelange Vorlaufzeit<br />
benötigen. Dass die Festrede <strong>zur</strong> Einweihung <strong>der</strong> neuen<br />
Synagoge <strong>der</strong> <strong>Trier</strong>er Kantor und Religionslehrer Michael<br />
Levy, ein langjähriger Vertrauter des verstorbenen Oberrabbiners<br />
Joseph Kahn, hielt, spricht für den Einfluss des <strong>Trier</strong>er<br />
Rabbiners auf dieses Bauprojekt. 105<br />
Die Restauration <strong>der</strong> ehemaligen Synagoge <strong>Wawern</strong> ist<br />
dargestellt in dem Band „Neue Nutzung in alten Gebäuden“,<br />
hrsg. von Marie-Luise Niewodniczanska, o.J.,<br />
S. 43-46<br />
105 Der Israelit vom 25.4.1877, S. 389-390.<br />
112
För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> jüdischen Schule<br />
Oberrabbiner Joseph Kahn wirkt auf vielen Ebenen, damit<br />
sein Sprengel, <strong>der</strong> Regierungsbezirk <strong>Trier</strong>, eine fortschrittliche<br />
Entwicklung nimmt. Er för<strong>der</strong>t nicht nur den Synagogenbau,<br />
son<strong>der</strong>n legt großen Wert auf die Entwicklung <strong>der</strong> jüdischen<br />
Schulen. Bereits vor seinem Amtsantritt als Rabbiner von<br />
<strong>Trier</strong> befasste er sich mit <strong>der</strong> vorbildlichen jüdischen Elementarschule<br />
<strong>Trier</strong> unter Leitung von Isaak Levy. 106 Die Vorbildfunktion<br />
<strong>der</strong> <strong>Trier</strong>er Elementarschule bleibt über mehrere Generationen<br />
erhalten, aber in den Landgemeinden wird dieses<br />
Vorbild nach über 20 Jahren schulischen Engagements seitens<br />
des <strong>Trier</strong>er Rabbinats nicht Standard in allen jüdischen Gemeinden.<br />
Seine sechsteilige Artikelserie in <strong>der</strong> jüdischen Zeitschrift<br />
„Ben Chananja“ <strong>aus</strong> dem Jahre 1864 geht unter an<strong>der</strong>em<br />
auch auf die Lage <strong>der</strong> jüdischen Schulen ein. Vieles lasse<br />
zu wünschen übrig, manche Gemeinden verfügten über keinen<br />
Lehrer, an<strong>der</strong>e müssten sich mit einem unfähigen behelfen. Er<br />
erkennt die Gründe in <strong>der</strong> Weigerung <strong>der</strong> Gemeinden, einen<br />
Lehrer aufzunehmen und in den gesetzlichen Bestimmungen.<br />
107 Im Vergleich zu früheren Zeiten habe sich einiges geän<strong>der</strong>t.<br />
Viele Gemeinden hätten vorzügliche Elementar- und<br />
Religionslehrer, von denen einige sich durch vorzügliche<br />
Kenntnisse <strong>aus</strong>zeichneten. Einige Gemeinden hätten ihre Opferbereitschaft<br />
<strong>zur</strong> Anstellung eines Lehrers verdoppelt. Die<br />
meisten Lehrer versähen das Vorbeteramt und das des Schächters.<br />
Joseph Kahn ist zuversichtlich, dass sich die schulischen<br />
Unzulänglichkeiten in Zukunft vermin<strong>der</strong>n werden. 108<br />
Joseph Kahn sieht die Schule als Einrichtung, die intelligente<br />
jüdische Schüler für eine höhere Ausbildung qualifizie-<br />
106 Israelitische Annalen vom 18.1.1839, S. 23/24; ebenfalls sein Mitbewerber<br />
um das Rabbineramt, Moses Heß, vgl. Israelitische Annalen vom<br />
10.5.1839. S. 150.<br />
107 Kahn, Joseph: Aus dem Regierungsbezirke <strong>Trier</strong>, in: Ben Chananja vom<br />
30.3.1864, S. 263.<br />
108 Ebda.<br />
113
en kann, damit sie nicht in <strong>der</strong> traditionellen Viehhändlerrolle<br />
verbleiben. 109<br />
Die Verbesserung <strong>der</strong> jüdischen Schulen ist nicht nur sein<br />
Werk, son<strong>der</strong>n auch das <strong>der</strong> jüdischen Lehrer selbst. Erstmals<br />
versammelten sich dreizehn jüdische Lehrer <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Rheinprovinz<br />
im Jahre 1846 in Krefeld, um über die Probleme <strong>der</strong> jüdischen<br />
Schule zu diskutieren und einheitliche Lehrbücher für<br />
die jüdischen Fächer festzulegen. 110<br />
Auf die Lage <strong>der</strong> jüdischen Lehrer wurde die Öffentlichkeit<br />
in <strong>der</strong> Denkschrift israelitischer Lehrer Westphalens und <strong>der</strong><br />
Rheinprovinz vom Juli 1862 durch jüdische Lehrer aufmerksam<br />
gemacht. Die jüdischen Lehrer beklagten, dass sie zwar<br />
dieselbe Ausbildung wie ihre christlichen Kollegen erworben<br />
hätten, aber in den jüdischen Privatschulen ohne staatlichen<br />
Schutz unterrichten müssten. Dies hätte <strong>zur</strong> Folge, dass die<br />
Lehrer je<strong>der</strong>zeit entlassen werden könnten. Außerdem könne<br />
<strong>der</strong> jüdische Lehrer am Ende seiner Dienstzeit keine Rente<br />
erwarten. Deswegen sei <strong>der</strong> Beamtenstatus des jüdischen Lehrers<br />
zu for<strong>der</strong>n. Da die vom Staat begünstigte Schule eine<br />
christliche sei, müsse sich <strong>der</strong> jüdische Schüler die christlichen<br />
Anschauungen aneignen. Dies aber zerstöre jedes Glaubenselement<br />
des jüdischen Kindes. Das Gesetz begünstige und<br />
verlange die Heranbildung „einer glaubenslosen Generation<br />
unter den Israeliten.“ Eine jüdische Konfessionsschule sei<br />
deswegen notwendig, um die jüdische Identität zu gewährleisten.<br />
Deswegen for<strong>der</strong>ten die Lehrervertreter:<br />
den Beamtenstatus für die jüdischen Lehrer<br />
<br />
<br />
gleiche Grundsätze bei <strong>der</strong> Anstellung<br />
Kostenübernahme <strong>der</strong> jüdischen Schule durch die<br />
politischen Gemeinden<br />
109 Seine theologische Haltung kam in einer in Ottweiler gehaltenen Predigt<br />
zum Ausdruck: „Der Mensch darf auch nicht nur auf dem Boden stehen,<br />
an <strong>der</strong> Scholle kleben bleiben; er muss vielmehr auf <strong>der</strong> Himmelsleiter<br />
stets hinauf und fortschreiten, bis er die Spitze erreicht und <strong>zur</strong> Erkenntnis<br />
Gottes gelangt ist.“ Vgl. AZJ vom 11.2.1862.<br />
110 Eliav, Mordechai: Jüdische Erziehung in Deutschland, S. 398.<br />
114
ein Mindestgehalt von 250 Thalern jährlich<br />
Sitz und Stimme des jüdischen Lehrers im Schulvorstand<br />
Aufhebung des Verbots des Schulbesuchs christlicher<br />
Schüler in jüdischen Schulen.<br />
Schulinspektion durch einen Rabbiner. 111<br />
Die Haltung des <strong>Trier</strong>er Oberrabbiners Joseph Kahn in <strong>der</strong><br />
Schulfrage ist noch 12 Jahre nach seinem Tod ein Thema des<br />
jüdischen Lehrerverbandes. In seiner Ablehnung <strong>der</strong> Gesetze<br />
von 1847 sei die Ursache für ihre nach wie vor missliche Lage<br />
zu erkennen.<br />
Die jüdischen Elementarlehrer <strong>der</strong> Region <strong>Trier</strong> beteiligen<br />
sich zeitlich verzögert als Einzelpersonen und in Verbänden<br />
organisiert an einer Dauerdiskussion über die Bedeutung <strong>der</strong><br />
jüdischen Schule, über die Lerninhalte und über die rechtliche<br />
und finanzielle Lage <strong>der</strong> Lehrer. Eine her<strong>aus</strong>ragende Persönlichkeit<br />
dieser Jahre stellt <strong>der</strong> in Hoppstädten tätige jüdische<br />
Lehrer Emanuel Hecht dar, <strong>der</strong> eine große Zahl von pädagogischen<br />
Schriften verfasste und mehrere Schulbücher überarbeite<br />
o<strong>der</strong> neu her<strong>aus</strong>gab. 112 Außerdem kämpfte er für die Belange<br />
<strong>der</strong> jüdischen Lehrer. Joseph Kahn würdigte diesen außergewöhnlichen<br />
jüdischen Lehrer in einem Nekrolog mit den<br />
Worten des Landesrabbiners Goldmann: Dr. Hecht habe als<br />
Lehrer, Schriftsteller und Kämpfer für den Fortschritt des <strong>Juden</strong>tums<br />
segensreich gewirkt. Neben seiner schriftstellerischen<br />
Arbeit habe er die Schule niemals vernachlässigt, sie sei eine<br />
<strong>der</strong> besten gewesen, er sei mit Begeisterung Lehrer gewesen<br />
und habe den Lehrerstand mit allem Eifer zu heben sich bemüht.<br />
113<br />
Publizistischer Ausdruck dieser öffentlich <strong>aus</strong>getragenen<br />
Diskussion stellt die von dem jüdischen Elementarlehrer Aron<br />
111 Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums vom 12.8.1862, S. 543-558; und<br />
vom 7.6.1888, S. 367/368.<br />
112 Kronenberger, Fritz: Dr. Emanuel Hecht 1921-1862, in: Mitteilungen des<br />
Vereins für Heimatkunde im Landkreis Birkenfeld, 1977, S. 33-40.<br />
113 Ben Chananja vom 14.3.1862, S. 90-91<br />
115
Nussbaum in <strong>Trier</strong> gegründete Zeitschrift „Israelitisches<br />
Volksblatt“ 114 dar. Allein in den Ausgaben des Jahres 1887<br />
finden sich fünfzehn Artikel zu Fragen <strong>der</strong> jüdischen Schule.<br />
Unter den namentlich gekennzeichneten Verfassern dieser<br />
Zeitschrift ist <strong>der</strong> jüdische Elementarlehrer German Sen<strong>der</strong> <strong>aus</strong><br />
Tholey mit einem „Mahnruf“ vertreten, <strong>der</strong> im Wesentlichen<br />
darauf zielte, die jüdischen Gemeinden zu bewegen, die neuen<br />
preußischen Gesetze <strong>zur</strong> Bildung von staatlich anerkannten<br />
Synagogengemeinden zu nützen, um die Belange <strong>der</strong> kleinen<br />
jüdischen Gemeinden zu stärken. Darin kommt <strong>der</strong> Missmut<br />
<strong>der</strong> jüdischen Lehrer über ihre bedrückende Lage zum Ausdruck:<br />
„Während über 500 jüdische Gemeinden in Preußen<br />
ihre Cultus-Angelegenheiten zum Theil schon bald vierzig<br />
Jahre gesetzlich geordnet wissen, blühen und eine sichere Zukunft<br />
haben, schrumpfen die sogenannten Gemeinden unseres<br />
114 Israelitisches Volksblatt. Volkstümliche Wochenschrift für die Interessen<br />
des <strong>Juden</strong>tums, her<strong>aus</strong>gegeben von Aron Nussbaum in <strong>Trier</strong>. In dieser<br />
Zeitschrift sind 10 Texte des jüdischen Lehrers Michael Levy enthalten,<br />
die sich in lyrischer Sprache auf jüdische Feste und biblische Themen<br />
beziehen. Michael Levy war über zwanzig Jahre lang Elementarlehrer in<br />
Schweich. Seit 1870 war er Chasan und Religionslehrer <strong>der</strong> israelitischen<br />
Religionsgesellschaft <strong>Trier</strong>. Diese bisher unbekannte Zeitschrift<br />
<strong>der</strong> Region <strong>Trier</strong> informiert über jüdische Sachverhalte in Deutschland<br />
und <strong>der</strong> ganzen Welt. Eine beson<strong>der</strong>e Aufgabe sehen die Verfasser in <strong>der</strong><br />
Reaktion auf antisemitische Berichte in <strong>der</strong> <strong>Trier</strong>er Bistumszeitung<br />
„Paulinus“ und <strong>der</strong> „Landeszeitung“.<br />
116
Bezirks, welche wohl <strong>Juden</strong>schaften, aber keine anerkannten<br />
Genossenschaften bilden, in je<strong>der</strong> Hinsicht von Jahr zu Jahr<br />
mehr zusammen, ja, gehen nach und nach ihrem Ruin sicher<br />
entgegen.“ 115 Ziel seiner Kritik ist nicht die staatliche Gesetzgebung<br />
den <strong>Juden</strong> gegenüber, son<strong>der</strong>n die Haltung <strong>der</strong> jüdischen<br />
Gemeindevorstände. Obwohl laut Ministerial-Reskript<br />
vom 30. Juni 1859 den öffentlichen Schulen „eine fortlaufende<br />
jährliche Beihilfe von den Communen gewährt werden“, gingen<br />
die Privatschulen leer <strong>aus</strong>. Ursache seien die Gemeinden<br />
selbst. Deshalb rät er: „(...) gehet hin und bildet Synagogengemeinden!“<br />
116 Er verwirft die Skepsis <strong>der</strong> jüdischen Gemeindevorstände<br />
gegenüber dem Gesetz vom 23. Juli 1847, gegen<br />
welches sich nicht nur jüdische Kritiker negativ geäußert hätten,<br />
denn am 6. Februar 1850 sei dieses Gesetz von beiden<br />
Kammern <strong>der</strong> preußischen Regierung revidiert und diese neue<br />
Fassung vom preußischen König „beschworen“ worden. In<br />
dieser neuen „Constitution“ seien die <strong>Juden</strong> Preußens „jüdische<br />
Preußen“ geworden. Dadurch sei <strong>der</strong> ungünstige Teil des<br />
Gesetzes von 1847 aufgehoben worden. Die jüdischen Gemeinden<br />
des Rheinlandes hätten sich dieser Neuregelung bereits<br />
angepasst und sich neu organisiert. Der <strong>Trier</strong>er Sprengel<br />
dagegen habe sich seinerzeit unter <strong>der</strong> Leitung des Oberrabbiners<br />
Joseph Kahn „entschieden ablehnend“ verhalten. Daran<br />
habe auch die Einladung an die Abgeordneten <strong>der</strong> jüdischen<br />
115 German Sen<strong>der</strong>: Mahnruf, in: Israelitisches Volksblatt 1887, S. 73. Sen<strong>der</strong><br />
spricht hier den Rückgang <strong>der</strong> Einwohnerzahl <strong>der</strong> meisten kleineren<br />
Gemeinden <strong>der</strong> Region <strong>Trier</strong> an, die wesentlich Folge des Wegzugs in<br />
größere Städte ist, weniger mit <strong>der</strong> Auswan<strong>der</strong>ung nach Amerika zu<br />
erklären ist.<br />
116 Ebda, S. 74. Die Position von Oberrabbiner Joseph Kahn findet ihren<br />
Nie<strong>der</strong>schlag in einem Zeitungsartikel, <strong>der</strong> am 1.8.1867 in Ben Chananja<br />
veröffentlicht worden war: „Auch jetzt noch sind sie [die Gemeinden<br />
unseres Bezirks] fest entschlossen, dieses [das Gesetz vom 23.Juli 1847]<br />
nicht anzunehmen und wollen sich lieber verpflichten, freiwillig den<br />
Kultusbeitrag zu zahlen.“ Dieses Gesetz löst das napoleonische Konsistorialsystem<br />
vom 17.3.1808 ab. Vgl. Haller, Annette: Das Protokollbuch<br />
<strong>der</strong> jüdischen Gemeinde <strong>Trier</strong> (1784-1836), S. 35.<br />
117
Gemeinden durch den Königlichen Landrat von Spangenberg<br />
als Regierungskommissar am 4. Oktober 1853 nichts geän<strong>der</strong>t,<br />
weil die „Hauptstimmführer jener Zeit“ gegen die Annahme<br />
<strong>der</strong> neuen Gesetze waren. Noch Ende <strong>der</strong> 50er Jahre habe die<br />
Delegiertenversammlung in Ottweiler mit Ausnahme <strong>der</strong> Vertreter<br />
<strong>aus</strong> Merzig und Tholey die neuen Gesetze abgelehnt.<br />
Erst nach dem Tod von Oberrabbiner Kahn hätte eine Delegiertenversammlung<br />
am 12. Dezember 1876 in Saarbrücken<br />
die Notwendigkeit <strong>zur</strong> Bildung von Synagogengemeinden<br />
angenommen, ohne dass es zu einer praktischen Konsequenz<br />
geführt hätte. 117 Der Verfasser habe daraufhin zu einer Versammlung<br />
nach Ottweiler eingeladen, um die Gemeinden für<br />
eine staatliche Anerkennung zu gewinnen, <strong>der</strong> kein Erfolg<br />
beschieden war. Sein Mahnruf endet mit einem eindringlichen<br />
Appell an die jüdischen Gemeinden „in <strong>der</strong> Nähe und Ferne“<br />
eine „gesetzliche Körperschaft“ zu bilden, damit <strong>der</strong> Weg für<br />
öffentliche jüdische Schulen geebnet werde. 118<br />
Joseph Kahn hatte sich bereits in den ersten Jahren seines<br />
Rabbinats um die Verbesserung <strong>der</strong> Lehrerbildung bemüht. Er<br />
unterstützte ideell und materiell die Marks-Haindorf´sche<br />
Lehrerbildungsanstalt in Münster, die von dem Arzt Dr. Alexan<strong>der</strong><br />
Haindorf im Jahre 1827 gegründet worden war. 119<br />
Oberrabbiner Kahn wohnte im Jahre 1858 einer Prüfung<br />
von sechs Studierenden dieser Einrichtung bei. Obwohl nicht<br />
alle eine Vorbereitungseinrichtung besuchen konnten, seien<br />
die Prüfungsleistungen <strong>der</strong> Kandidaten hinreichend gewesen.<br />
Geprüft wurden Religionskenntnisse in <strong>der</strong> biblischen und<br />
jüdischen <strong>Geschichte</strong> und in hebräischer Grammatik. Der<br />
Kandidat habe die Bibel geläufig zu übersetzen und müsse<br />
einen hebräischen Kommentar lesen können. Die Prüfung sei<br />
117 Ebda.<br />
118 Ebda, S. 82. Bereits 1863 veröffentlichte die Allgemeine Zeitung des<br />
<strong>Juden</strong>tums einen Artikel <strong>zur</strong> Lage <strong>der</strong> jüdischen Schule <strong>der</strong> Region <strong>Trier</strong><br />
mit selbstkritischer Tendenz. Vgl. Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>tums<br />
vom 20.1.1863, S. 52.<br />
119 Erschens, Hermann: <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong>gemeinde in Leiwen, S. 28/29.<br />
118
von den Lehrern <strong>der</strong> Anstalt, einem Oberrabbiner o<strong>der</strong> einem<br />
in den hebräischen Disziplinen Gelehrte, abzunehmen, heißt es<br />
in dem Programm dieser Lehrerbildungseinrichtung vom 26.<br />
Oktober 1851. Die Kandidaten müssten lernen, einen Seminargottesdienst<br />
ein<strong>zur</strong>ichten, wie er in früheren Jahren bestand,<br />
<strong>der</strong> <strong>der</strong> Mehrheit <strong>der</strong> anwesenden Gemeinde entspricht.<br />
Außerdem müsse das Vorbeten und das Vorlesen <strong>der</strong> Tora<br />
unterrichtet werden. Die künftigen Lehrer müssten das Vorbeteramt<br />
einüben und Vorträge halten. Um dem Lehrermangel zu<br />
begegnen, müssten unvorbereitete Kandidaten in die Lehrerbildungseinrichtung<br />
aufgenommen werden. Diese hätten sich<br />
aber einer Prüfung über ihre Vorkenntnisse durch den „Dirigenten“<br />
<strong>der</strong> Anstalt o<strong>der</strong> einem von diesem bezeichneten<br />
Oberrabbiner zu unterziehen. 120<br />
Diese Einrichtung wurde von Gemeinden <strong>der</strong> Region <strong>Trier</strong><br />
und des Rheinlandes finanziell unterstützt. 121 Oberrabbiner<br />
Kahn lobt die Arbeit des Haindorfischen Vereins, er habe<br />
„sehr viel Gutes bewirkt“, beson<strong>der</strong>s wegen <strong>der</strong> Ausbildung<br />
<strong>der</strong> Lehrer, die in Westphalen und im Rheinland tätig seien. 122<br />
In dieser Anstalt wurde Wert auf eine praktische Lehrer<strong>aus</strong>-bildung<br />
gelegt; <strong>aus</strong> diesem Grunde war diesem Institut<br />
eine Elementarschule angeglie<strong>der</strong>t. Die Kandidaten wurden<br />
auf ihre spätere Tätigkeit in <strong>der</strong> Synagoge vorbereitet. In dieser<br />
Einrichtung wurde auch Simon Bonem <strong>aus</strong> Neumagen<br />
1836/37 <strong>aus</strong>gebildet. 123 An<strong>der</strong>e Lehrerseminare, <strong>der</strong>en Bewerber<br />
in <strong>der</strong> Region <strong>Trier</strong> angestellt wurden, befanden sich in<br />
Ems, Würzburg, Kassel, Hannover, Berlin und Köln.<br />
120 Kahn, Joseph, in: Der jüdische Volkslehrer Oktober 1858, S. 318-321.<br />
121 Von <strong>der</strong> jüdischen Gemeinde <strong>Trier</strong> sind Listen von För<strong>der</strong>ern zwischen<br />
1835 und 1848 erhalten. Vgl. Stadtarchiv <strong>Trier</strong> Tb 11/001. Die Beteiligung<br />
<strong>der</strong> Königlichen Regierung in <strong>Trier</strong> an <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung dieser Einrichtung<br />
erfolgte in jährlichen Auffor<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Gemeinden, Beiträge<br />
zu entrichten. Über den Ertrag fertigte die Regierung einen Bericht an.<br />
Vgl. „Aus dem Regierungsbezirke <strong>Trier</strong>“ in Ben Chananja vom<br />
20.4.1864, S. 331.<br />
122 Ebda.<br />
123 Kahn, Joseph, in: Der jüdische Volkslehrer Oktober 1858, S. 318-321.<br />
119
Neben den Zeugnissen <strong>der</strong> bestandenen Lehrerprüfung legten<br />
einige wenige Bewerber um ein Lehramt in einer jüdischen<br />
Privatschule auch Gutachten o<strong>der</strong> Empfehlungen des Oberrabbiners<br />
<strong>aus</strong> <strong>Trier</strong> vor, dies häufig dann, wenn die 2. Lehrerprüfung<br />
noch nicht abgelegt worden war. Es lassen sich auch<br />
Bewerbungsprozesse nachweisen, in denen <strong>der</strong> Leiter des Lehrerseminars<br />
und <strong>der</strong> zugeordnete Rabbiner einzelne Kandidaten<br />
empfehlen. Diese Gutachten enthalten nicht nur Aussagen<br />
zu den Lernergebnissen, son<strong>der</strong>n beziehen sich auf die Gesamtpersönlichkeit<br />
des künftigen Lehrers.<br />
In <strong>der</strong> Region bewarben sich in den Landgemeinden häufig<br />
Lehramtskandidaten kurz nach bestandenem 1. Lehrerexamen<br />
in einem Alter von erst 20 bis 22 Jahren. Selten lassen sich<br />
Stellenbesetzungen von älteren gestandenen Lehrerpersönlichkeiten<br />
beobachten. Diese jungen Lehrer, von denen per Suchanzeige<br />
erwartet wurde, dass sie unverheiratet waren, verließen<br />
oft schon nach einem Jahr die angenommene Lehrerstelle,<br />
um lukrativere Positionen in Städten anzunehmen. Ein völlig<br />
an<strong>der</strong>es Bild ergibt die Lehrersituation in <strong>der</strong> Stadt <strong>Trier</strong>, in<br />
<strong>der</strong> von 1837 bis 1937/38 alle jüdischen Lehrer mehrere Jahrzehnte<br />
tätig waren, bis sie <strong>aus</strong> Altergründen <strong>aus</strong> dem Schuldienst<br />
<strong>aus</strong>schieden. Auf diese Weise war es ihnen möglich,<br />
sich mit <strong>der</strong> jüdischen Gemeinde und <strong>der</strong> Stadt zu identifizieren.<br />
Die Anstellung eines Lehrerkandidaten wurde mit einem<br />
Vertrag besiegelt, <strong>der</strong> vom Vorstand <strong>der</strong> jeweiligen Gemeinde<br />
und vom Bewerber unterzeichnet werden musste. Dieser Vertrag<br />
wurde <strong>der</strong> Schulbehörde <strong>zur</strong> Genehmigung vorgelegt.<br />
Einige Verträge wurden beanstandet.<br />
Anfang 1839 wurde von zwei wissenschaftlich gebildeten<br />
Rabbinatskandidaten, Moses Heß und Joseph Kahn, die Lage<br />
<strong>der</strong> <strong>Juden</strong> in <strong>der</strong> Region <strong>Trier</strong> nicht nur positiv bewertet. Moses<br />
Heß sah Fortschritte in <strong>der</strong> Bildung von Wohltätigkeitsvereinen<br />
und in <strong>der</strong> Elementarschule in <strong>Trier</strong> unter Leitung von<br />
120
Lehrer Levy. 124 Einen differenzierteren Überblick vermittelte<br />
Joseph Kahn, <strong>der</strong> zwischen den politischen und religiösintellektuellen<br />
Verhältnissen unterschied. Die politischen Bedingungen<br />
<strong>der</strong> <strong>Juden</strong> litten darunter, dass das sogenannte Moralpatent<br />
von Napoleon, das sich gegen den Wucher einer Provinz<br />
gerichtet hatte, von den preußischen Machthabern angewendet<br />
werde, obwohl es in Frankreich längst aufgehoben sei.<br />
Im Regierungsbezirk <strong>Trier</strong> sei sehr selten Wucher im Handel<br />
anzutreffen. In religiös-intellektueller Hinsicht lasse noch Vieles<br />
zu wünschen übrig, aber es gebe auch Fortschritte. Wie<br />
Moses Heß nennt er als Beispiel die jüdische Elementarschule<br />
von <strong>Trier</strong>. Auf Verlangen <strong>der</strong> Israeliten seien in Ottweiler,<br />
Merzig, Thalfang und an<strong>der</strong>en Orten geprüfte Lehrer angestellt<br />
worden. Für das jüdische Schullehrerseminarium in<br />
Münster würden <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Region jährlich Beträge gesammelt,<br />
wozu die Regierung die Gemeindevorsteher aufgefor<strong>der</strong>t habe.<br />
Aus dieser Einrichtung (Institut Dr. Haindorf) seien Kandidaten<br />
<strong>aus</strong> <strong>der</strong> Region <strong>aus</strong>gebildet worden, die als tüchtige Lehrer<br />
tätig seien. Negativ zu Buche schlage allerdings <strong>der</strong> Umstand,<br />
dass sich die kleineren Gemeinden mit sogenannten Religionslehrern<br />
(Bachurim o<strong>der</strong> Ribbi) behelfen, was sich nachteilig<br />
auf die Schüler <strong>aus</strong>wirke. Diese seien zwar „min<strong>der</strong> kostspielig“<br />
und die Vorstände könnten besser über sie gebieten, doch<br />
die Folge sei, dass von dem unprofessionellen Religionsunterricht<br />
keine Verbesserung <strong>der</strong> Lage <strong>aus</strong>gehe: die Söhne <strong>der</strong><br />
Väter würden sich beruflich „lieber dem Handel als dem<br />
Handwerke o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en bürgerlichen Nahrungszweigen<br />
widmen.“ 125 In <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> jüdischen Elementarschulen<br />
auf dem Lande erkennt er das geeignete Mittel, „dass eine<br />
bessere Generation in dem <strong>Trier</strong>ischen heranwachse.“ 126<br />
Joseph Kahn äußert sich kritisch gegenüber den staatlichen<br />
Gesetzen, insofern sie die jüdischen Schulen im Vergleich zu<br />
124 Heß, Moses, in: Israelitische Annalen vom 10.5.1839, S. 150.<br />
125 Kahn, Joseph, in: Israelitische Annalen vom 18.1.1839, S. 23/24.<br />
126 Kahn, Joseph, in: Israelitische Annalen vom 14.8.1839, S. 283.<br />
121
den christlichen benachteiligen. Er kritisiert vor allem die private<br />
Lehrerbesoldung, die jüdische Familien unverhältnismäßig<br />
finanziell belastet und die Schulaufsicht, die in jüdischen<br />
Schulen nur von christlichen Geistlichen vorgenommen werden<br />
darf.<br />
Als im Jahre 1865 ein „Verein <strong>zur</strong> Unterstützung hilfsbedürftiger<br />
Lehrer, Lehrers-Witwen und Waisen in Deutschland“<br />
gegründet wird, regt er die Lehrer seines Bezirks an, diesem<br />
Verein beizutreten. Ebenfalls beantwortet er die Anfrage des<br />
Vorsitzenden <strong>der</strong> Hauptcomtés dieses Verbandes, Rabbiner<br />
Dr. Rothschild, <strong>aus</strong> Alzey, an <strong>der</strong> Her<strong>aus</strong>gabe des Jahrbuches<br />
„Achawa“ mitzuarbeiten, positiv. Dennoch übt er Kritik an <strong>der</strong><br />
unzulänglichen Ausformulierung <strong>der</strong> Statuten dieses neuen<br />
Vereins, <strong>der</strong> auf ganz Deutschland <strong>aus</strong>gedehnt werden soll. Er<br />
kritisiert die unzweckmäßige Art <strong>der</strong> Verwaltung des Vereinsvermögens,<br />
die zentrale Stellung von Hessen bei <strong>der</strong> Verwaltung<br />
des Vereins und dass nur dem Vorstand die Reisekosten<br />
bei Kongressen zu erstatten sind, nicht aber den übrigen Delegierten.<br />
127<br />
Der jüdische Sprengel <strong>Trier</strong><br />
Oberrabbiner Joseph Kahn veröffentlichte im Jahre 1864<br />
eine Artikelserie „Aus dem Regierungsbezirke <strong>Trier</strong>“, in <strong>der</strong> er<br />
einen einzigartigen Überblick über seinen Wirkungsbereich<br />
gibt. Der Leser erfährt, in welchen Landkreisen des Regierungsbezirks<br />
<strong>Trier</strong> jüdische Bürger wohnen, wo die größeren<br />
Gemeinden liegen und wo es nur eine geringe Bevölkerungsdichte<br />
jüdischer Bürger gibt. Die bevölkerungsreichsten Gemeinden<br />
sind <strong>Trier</strong> mit 100 Familien und mit je 50 Familien<br />
die Orte Illingen, Ottweiler, Wittlich, Schweich und Offen-<br />
127 Ben Chanaja vom 13.9.1865, S. 662-663. Im Jahre 1886 sind für den<br />
Monat April Mitgliedsbeiträge von Lehrer Speyer <strong>aus</strong> Schweich und von<br />
Rabbiner Dr. Zuckermandel <strong>aus</strong> <strong>Trier</strong> veröffentlicht. Vgl. AZJ vom<br />
11.5.1886, S. 320.<br />
122
ach a.G. 128 In den Kreisen Bitburg, Daun und Prüm lebten<br />
nur wenige Israeliten.<br />
In den Städten seien die meisten Jüdischen Bürger Kaufleute,<br />
auf dem Lande dagegen werde Weinhandel betrieben, wobei<br />
die wohlhaben<strong>der</strong>en nebenher durch Landwirtschaft ihre<br />
Existenz sicherten. Die Vermarktung des hiesigen „Saar-<br />
Mosel-Weins“ floriere. Es gebe auch Handwerker und Gerber.<br />
Allein in <strong>Trier</strong> erzielten 4 jüdische Bürger mit nicht unbedeutenden<br />
Gerbereien ihr Einkommen. Im Regierungsbezirk <strong>Trier</strong><br />
gebe es auch mehrere größere und kleinere Zigarrenfabriken,<br />
die von Israeliten unterhalten würden. Deswegen sei die Einkommenssituation<br />
<strong>der</strong> <strong>Juden</strong> in <strong>der</strong> Region“ <strong>Trier</strong> durchschnittlich<br />
gut“. Die wenigen Armen würden „ohne große<br />
Opfer“ von den einzelnen Gemeinden unterhalten.<br />
Das Zusammenleben von Christen und <strong>Juden</strong> charakterisiert<br />
Joseph Kahn als friedlich. Die Behörden würden sich <strong>der</strong><br />
Israeliten „wolwollend und human“ annehmen. Es existierten<br />
noch diskriminierende Gesetze, die <strong>der</strong> Verfassung wi<strong>der</strong>sprächen,<br />
aber die Kammern und das Volk lehnten diese mit aller<br />
Kraft ab. 129<br />
Umfangreich informiert ein Artikel über die Vereine in jüdischen<br />
Gemeinden. Ausgehend von den „städtischen Spitälern“<br />
und dem „Landarmenh<strong>aus</strong>“ in <strong>Trier</strong>, die von <strong>der</strong> Kommune<br />
verpflichtet seien, alle Armen ohne Unterschied <strong>der</strong><br />
Religion aufzunehmen, bemerkt Kahn, dass verarmte jüdische<br />
Bürger selten von den Spitälern aufgenommen werden , aber<br />
häufiger im Landarmenh<strong>aus</strong>. Joseph Kahn versehe im Landarmenh<strong>aus</strong><br />
und in den Strafanstalten in <strong>Trier</strong> die Seelsorge an<br />
den jüdischen „Deternierten“ schon länger als 20 Jahre. Gemäß<br />
den Ideen <strong>der</strong> säkularen Gesellschaft hat die Bürgergesellschaft<br />
ehemals caritative Aufgaben <strong>der</strong> Religion in eigener<br />
Verantwortung übernommen. Dem Rabbiner wie den christlichen<br />
Geistlichen bleibt allerdings die Rolle des Seelsorgers<br />
128 Ben Chananja vom 24.2.1864, S. 151<br />
129 Ebda.<br />
123
überantwortet. Dies hat Konsequenzen für die Ziele <strong>der</strong> jüdischen<br />
wie <strong>der</strong> christlichen sozialen Vereine, die nicht mehr die<br />
ärgste Armut in den Gemeinden bekämpfen müssen, son<strong>der</strong>n<br />
Notlagen, die von den Hospitälern und dem Landarmenh<strong>aus</strong><br />
nicht abgedeckt werden. So befassen sich die „Wohlthätigkeitsvereine“<br />
in Tholey, Saarlouis, Saarwellingen, Neunkirchen,<br />
Illingen, Schweich, <strong>Wawern</strong> und <strong>Trier</strong> mit <strong>der</strong> Belehrung<br />
<strong>der</strong> Mitglie<strong>der</strong> durch Vorlesen und Erklären religiöser<br />
Bücher und Zeitschriften. Die in <strong>Trier</strong> existierenden Männervereine<br />
übernehmen die Bestattung von Toten, unterstützen<br />
arme Kranke, steuern Mittel <strong>zur</strong> H<strong>aus</strong>miete bei, verteilen im<br />
Winter Brennmaterial. Ein Synagogenchorverein för<strong>der</strong>t den<br />
Chorgesang im Gottesdienst. 130 Die Frauenvereine in <strong>Trier</strong><br />
tragen Sorge, dass arme Frauen Klei<strong>der</strong> erhalten, sie unterstützen<br />
Waisen, verteilen Fleisch an Festtagen, pflegen arme<br />
kranke Frauen. An Pesach erhalten die Armen in <strong>Trier</strong> Gaben<br />
<strong>aus</strong> den Zinsen <strong>der</strong> „Kallmanischen“ Stiftung.<br />
Das überregionale Engagement des Rabbinatsbezirks <strong>Trier</strong><br />
zeigt sich in <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung des „Haindorfischen Vereins“ <strong>zur</strong><br />
Erlernung von Handwerken und Ausbildung von Elementarlehrern<br />
in Münster, an <strong>der</strong> sowohl <strong>der</strong> Oberrabbiner als auch<br />
die Königlichen Regierung beteiligt ist. Außerdem ist <strong>der</strong> <strong>Trier</strong>er<br />
Oberrabbiner Mitglied im Kuratorium des jüdischen Waisenh<strong>aus</strong>es<br />
Pa<strong>der</strong>born. Er sammelt in und außerhalb Beiträge<br />
<strong>zur</strong> Unterhaltung dieser Einrichtung. 131 In dieser Einrichtung<br />
hielt Joseph Kahn am 29. August 1863 eine Predigt, in <strong>der</strong> er<br />
die Waisen ermuntert, ihr Schicksal anzunehmen. Ausgehend<br />
von seiner eigenen Erfahrung, mit 13 Jahren Vollwaise zu<br />
sein, führt er <strong>aus</strong>: „…<strong>der</strong> gütige Gott, <strong>der</strong> Vater <strong>der</strong> Waisen,<br />
stand mir gnädigst bei; er weidete und nährte mich von meiner<br />
Jugend an bis auf den heutigen Tag.“ 132<br />
130 Ben Chananja vom 20.4.1864, S. 330<br />
131 Ben Chananja vom 20.4.1864, S. 331<br />
132 Ben Chananja vom 6.4.1864, S. 289. Diese Predigt wurde im<br />
Selbstverlag des Kuratoriums in Pa<strong>der</strong>born unter dem Titel „Gott<br />
124
Das Rabbinat beteiligt sich ebenso an einer Sammlung für<br />
Palästina, die Beträge werden an Albert Cohn in Paris gesendet,<br />
<strong>der</strong> sie am Bestimmungsort zweckmäßig und gerecht verteilt.<br />
133<br />
Über den Synagogengottesdienst weiß Joseph Kahn zu berichten,<br />
dass die früheren Missstände beseitigt seien. Das Wesen<br />
des Gottesdienstes sei „noch ein konservatives“, so dass an<br />
den alten Gebeten nichts verän<strong>der</strong>t worden sei. Jedoch sei <strong>der</strong><br />
Chorgesang und die deutsche Predigt sehr beliebt und einheimisch<br />
geworden. 134<br />
Oberrabbiner Joseph Kahn hofft, dass seine sechs Beiträge<br />
über den Regierungsbezirk <strong>Trier</strong> dazu beitragen, dass „manche<br />
Gemeinden“ das Gute nachahmen und Parteiungen <strong>aus</strong> ihrer<br />
Mitte beseitigen und den Frieden in sich erhalten. 135<br />
<strong>der</strong> Vater <strong>der</strong> Waisen“ veröffentlicht.<br />
133 Ben Chananja vom 20.4.1864, S. 331.<br />
134 Ben Chanja vom 30.3.1864, S. 263.<br />
135 Ebda.<br />
125
Ein Predigtbeispiel<br />
<strong>aus</strong>: Mayer Kayserling: Bibliothek jüdischer<br />
Kanzelredner, Berlin 1872, S. 298-305<br />
126
127
128
129
130
Annäherung an diese Predigt<br />
Dieses Predigt beginnt mit einem Bußgebet, in dem <strong>der</strong><br />
Sabbat und das Jom-Kippur-Fest personifiziert als Fürsten<br />
angesprochen werden. Darauf folgt eine Bitte an Gott, wenn er<br />
die bekannten und unbekannten Sünden an diesem Tage richte,<br />
die Gerechtigkeit ans Tageslicht zu för<strong>der</strong>n. Dem schließt sich<br />
ein Vers <strong>aus</strong> dem Psalm 133 an: „Siehe, wie schön und lieblich<br />
ist´s, wenn Brü<strong>der</strong> auch in Liebe zusammen wohnen.“<br />
Der Predigende spricht sodann die Zuhörer an, sie sollen<br />
„die beiden Fürsten“ begrüßen und feierlich empfangen, um<br />
131
sie innerlich bereit zu machen, die Versöhnungsbotschaft anzunehmen.<br />
Im Folgenden definiert er den Sabbat als „Fürst <strong>der</strong> Ruhe“,<br />
<strong>der</strong> Gott den Schöpfer vergegenwärtige und den „Fürsten <strong>der</strong><br />
Versöhnung, <strong>der</strong> Gott als den mit den Menschen sich Versöhnende<br />
verkünde, als Muster und Lehrer <strong>der</strong> Verbrü<strong>der</strong>ung aller<br />
Menschen durch Liebe und Versöhnung.<br />
Darauf greift <strong>der</strong> Oberrabbiner das Motiv <strong>aus</strong> dem Psalm<br />
133,1 wie<strong>der</strong> auf, die Botschaft <strong>der</strong> „beiden Fürsten“ sei „in<br />
leisem und sanftem Säuseln“ zu vernehmen, nicht nur an diesem<br />
Tage, son<strong>der</strong>n sie entböten Gottes „Segen und Leben in<br />
Ewigkeit“.<br />
Im folgenden Abschnitt weitet er den Begriff „Brü<strong>der</strong>“ auf<br />
alle Menschen, die Geschöpfe Gottes sind, <strong>aus</strong>.<br />
Darauf folgt ein Rückblick auf Vorträge des Predigers, die<br />
dieser am Neujahrstag gehalten hatte. Das Kernthema lautet:<br />
Lebet in Liebe und Versöhnung mit unsern, an<strong>der</strong>n Glaubensbekenntnissen<br />
angehörenden Brü<strong>der</strong>n und Schwestern und<br />
selbst auch mit denen unter ihnen, die uns nicht lieben, die uns<br />
hassen und gering schätzen.“<br />
Diesem Gedanken schließt sich eine Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
mit <strong>der</strong> „Schuld <strong>der</strong> Väter“ an. Joseph Kahn antwortet mit dem<br />
Wort des Propheten Ezechiel: „Je<strong>der</strong> sterbe nur ob seiner eigenen<br />
Sünde.“ Damit weist er die antijüdischen Äußerungen<br />
eines deutschen Kongresses katholischer Vereine in <strong>Trier</strong>, die<br />
<strong>Juden</strong> seien schuld am Tod Jesu, <strong>zur</strong>ück.<br />
Anschließend bezieht er sich auf den Missbrauch des Wortes<br />
„Jude“ in <strong>der</strong> damaligen Öffentlichkeit. „Jude“ bedeute<br />
„ein Gott-Loben<strong>der</strong> und Danken<strong>der</strong>“.<br />
Der folgende Abschnitt thematisiert den <strong>Juden</strong>hass in <strong>der</strong><br />
schönen Literatur. Die Zerrbil<strong>der</strong> von <strong>Juden</strong> resultierten <strong>aus</strong><br />
Unkenntnis <strong>der</strong> häuslichen und religiösen Zustände <strong>der</strong> <strong>Juden</strong>,<br />
so dass sich die antisemitischen Schriftsteller „gewissenlos<br />
schuldig“ machten. Gleiches gelte auch für einen Teil <strong>der</strong> Zeitungen<br />
(Tagesblätter) und Schriften, die den <strong>Juden</strong>hass „verewigten“.<br />
Wenn etwas Nachteiliges zu berichten sei, so er-<br />
132
wähnten die Verfasser, dass <strong>der</strong> Betreffende Jude sei, im umgekehrten<br />
Fall werde die Zugehörigkeit zum <strong>Juden</strong>tum unterschlagen.<br />
An dieser Stelle fügt er die Frage ein, ob die Zuhörer auch<br />
die lieben sollen, die in ihrem Hasse gegen <strong>Juden</strong> fortfahren.<br />
Mit Bezug zu 4 Mos. 14, 31 antwortet er überraschend: „Wir<br />
können nicht“.<br />
Zur Bekräftigung dieser Aussage erinnert Joseph Kahn an<br />
die vielen jüdischen Märtyrer, die durch „ihrer Väter [<strong>der</strong><br />
Christen] eigene Schuld“ gestorben seien.<br />
Der folgende Abschnitt korrigiert (dialektisch) die zuvor<br />
gemachten Aussagen. Die eigene Exodus-Erfahrung lehre,<br />
An<strong>der</strong>e mit Schonung und Liebe zu behandeln.<br />
Zahlreiche Bibelstellen <strong>aus</strong> dem 2., 3. und 5. Buch Mose<br />
unterstreichen die zentrale Botschaft des Oberrabbiners, die im<br />
Verbot gipfelt, den, <strong>der</strong> dich hasst und dir Böses angetan hat,<br />
wie<strong>der</strong> zu hassen und sich an ihm zu rächen. Die Nächstenliebe<br />
sei die biblische Botschaft.<br />
Im Folgenden führt er <strong>aus</strong>, dass sich, wie die Nächstenliebe,<br />
die Versöhnungsliebe auf alle Menschen erstrecke. Zur<br />
Verdeutlichung zitiert er Bibelstellen <strong>aus</strong> dem 2., 3. und 4.<br />
Buch Mose.<br />
Die Lesung des folgenden Tages vorweg nehmend, erzählt<br />
<strong>der</strong> Prediger die <strong>Geschichte</strong> des Propheten Jona. In den Vor<strong>der</strong>grund<br />
stellt er dessen Gottesbekenntnis: „Denn ich weiß,<br />
dass du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langmütig<br />
und reich an Gnade.“ Theologisch bekräftigt wird dieses Bekenntnis<br />
mit einem Zitat <strong>aus</strong> dem Midrasch Jalkut: „Für meine<br />
Liebe hassen sie mich, ich aber bin ganz Gebet.“<br />
Anschließend erläutert <strong>der</strong> Oberrabbiner seinen Zuhörern<br />
den Sinn des Versöhnungsfestes: Weil sie dem Gebot <strong>der</strong><br />
Feindesliebe im Alltag nicht in allen Fällen nachkommen,<br />
sollen sie Opfer bringen.<br />
Gegen Ende <strong>der</strong> Predigt wird <strong>der</strong> Versöhnungsgedanke in<br />
knapper Form wie<strong>der</strong>holt und mit <strong>der</strong> Auffor<strong>der</strong>ung verbun-<br />
133
den, das eigene Verhalten dem vom Propheten Jesaja verkündeten<br />
Messianischen Reich anzunähern.<br />
Das silberne Amtsjubiläum am 15./16. Dezember<br />
1866<br />
Zum 25. Amtsjubiläum von Oberrabbiner Joseph Kahn<br />
fanden am 15. Dezember 1866 im Gemeindesaal und am 16.<br />
Dezember in <strong>der</strong> Synagoge Feiern statt. Von beiden Ereignissen<br />
berichtet <strong>der</strong> Schweicher Lehrer Michael Levy. 136<br />
Die Feierlichkeiten begannen am Freitagabend um 7 Uhr.<br />
Der hellerleuchtete Saal sei mit Girlanden und passenden Inschriften<br />
geschmückt gewesen. Zahlreich Gratulationsschreiben<br />
und Geschenke hätten auf den Tischen gelegen. Männer<br />
und Frauen hätten in großer Zahl Ehrengeschenke überreicht<br />
und den Jubilar beglückwünscht. Auch <strong>der</strong> Regierungspräsident<br />
von Gärtner sei anwesend gewesen. Der Synagogenchor<br />
unter Leitung von Herrn Kantor Schmal <strong>aus</strong> <strong>Trier</strong> hätte einen<br />
ergreifenden Gesang vorgetragen, <strong>der</strong> nach einem Gedicht des<br />
Berichterstatters vertont worden war. Anschließend hätte Herr<br />
Allmeyer, einer <strong>der</strong> ältesten Mitglie<strong>der</strong> des Festkomitee den<br />
Jubilar gewürdigt. Das Ehrengeschenk hätte <strong>aus</strong> vier silbernen<br />
Leuchtern bestanden. Auf dieses Geschenk Bezug nehmend<br />
hätte <strong>der</strong> Redner in Anlehnung an Sprüche 3,25 „Das Gebot ist<br />
eine Leuchte und die Lehre ein Licht“ den Jubilar gewürdigt,<br />
weil er immer in allem Guten vorleuchtete, sich um den Bau<br />
neuer Synagogen bemühte und stets in klarer, lichtvoller Sprache<br />
das Wort Gottes verkündete. Unter Tränen hätte darauf <strong>der</strong><br />
Jubilar allen gedankt, indem er an einen Vers <strong>aus</strong> seiner Antrittsrede<br />
vor 25 Jahren erinnerte: „Ich bin zu gering aller<br />
Barmherzigkeit und Treue, die du deinem Knecht erwiesen.“<br />
(1 Mos 32,11).<br />
136 Ben Chananja vom 15.1.1867.<br />
134
Der Berichtende hätte auf den Jubilar einen Toast <strong>aus</strong>gebracht:<br />
„Es lebe unser Herr Josef, <strong>der</strong> Hirte seiner Brü<strong>der</strong>.“<br />
Die Anwesenden hätten noch mehrere Stunden bei Erfrischungen<br />
munter und fröhlich zugebracht.<br />
Am Morgen des kommenden Tages hätte in <strong>der</strong> reichlich<br />
mit Blumen geschmückten Synagoge und bei brennendem<br />
Gaslicht eine weitere Feier stattgefunden. Anwesend seien<br />
gewesen <strong>der</strong> Regierungspräsident, <strong>der</strong> Landrat und <strong>der</strong> Bürgermeister.<br />
Nach dem Festgesang des Synagogenchores hätte<br />
Herr Lehrer Levy <strong>aus</strong> Ottweiler die Festpredigt nach Jes 9,1<br />
gehalten. Dabei sei er eingegangen auf die Bedeutung des<br />
Festtages, den Beruf des jüdischen Priesters und würdigte<br />
anschließend den Jubilar wegen seiner Verdienste für die Synagogen<br />
und das Gemeinde- und Schulwesen.<br />
Der Jubilar hätte sich daraufhin bedankt, indem er auf den<br />
Vers „Auch bis zum Alter und graue Haare, Gott verlass mich<br />
nicht.“ (Ps 71,18) Bezug genommen hätte. Ein Schlussgesang<br />
hätte die Feier beendet. Im Laufe dieses Tages seien noch<br />
viele Gratulanten in <strong>der</strong> Wohnung des Jubilars eingetroffen<br />
und zahlreiche Briefe und Telegramme seien angekommen.<br />
Zitate <strong>aus</strong> dem Buch Jesaja beenden die Predigt<br />
Geschenk <strong>der</strong> Israelitischen Gemeinde Saarwellingen<br />
Foto von Richard Almond, Palo MD, Palo Alto, Californien<br />
135
<strong>aus</strong>: Ben Chananja vom 15.1.1867<br />
136
Die vielleicht bedeutsamste Würdigung von Joseph Kahn<br />
stammt von seinem Rabbinerkollegen Leopold Löw (1811-<br />
1875), dem Universalgelehrten und Her<strong>aus</strong>geber <strong>der</strong> Zeitschrift<br />
„Ben Chananja“. Sie ist am 1. Dezember 1866 in <strong>der</strong><br />
Zeitschrift „Ben Chananja“ in einer unscheinbaren Form abgedruckt.<br />
Die zentralen Inhalte sind in einer Anmerkung am<br />
unteren Rand auf <strong>der</strong> Seite 846 zu finden, die sich auf die<br />
knappen Ankündigung dieses Ereignisses unter <strong>der</strong> Überschrift<br />
„Aus dem Regierungsbezirke <strong>Trier</strong>“ beziehen. Nachdem<br />
Oberrabbiner Joseph Kahn als „einer <strong>der</strong> tüchtigsten Vorkämpfer<br />
für Licht und Fortschritt“ vorgestellt wird, fährt die<br />
Anmerkung fort: „Der verehrte Jubilar braucht sich nicht, wie<br />
sein Namensbru<strong>der</strong> in dem Schriftabschnitte [Joseph, Anm. d.<br />
Verf.]des Jubeltages, seinen Brü<strong>der</strong>n erst zu erkennen zu geben.<br />
Er ist nicht nur den nahen, son<strong>der</strong>n auch den entfernten<br />
Brü<strong>der</strong>n als einer <strong>der</strong> edelsten Lehrer des heutigen Israels bekannt.<br />
´Lehre <strong>der</strong> Wahrheit ist in seinem Munde, und Unrecht<br />
ward nicht gefunden auf seinen Lippen; friedlich und redlich<br />
verkehrt er mit mir, und Viele hält er <strong>zur</strong>ück vom Vergehen.<br />
Denn die Lippen dieses Priesters bewahren die Wissenschaft,<br />
und Belehrung sucht man <strong>aus</strong> seinem Munde, denn er ist ein<br />
Bote des Herrn <strong>der</strong> Heerscharen (Mal. 2, 6.7).´ Möge es ihm<br />
unter <strong>der</strong> Obhut Gottes gegönnt sein, noch eine lange Reihe<br />
von Jahren <strong>der</strong> treue Hirte seiner gebildeten Herde zu sein!“ 137<br />
„Kahns Bade- und Reiseberichte“<br />
Im Jahre 1867 verbrachte Joseph Kahn vom 22. Juli bis<br />
zum 27. August in Bad Ems. 138 Während dieses langen Kuraufenthalts<br />
verfasste er seine Bade- und Reiseberichte, die in<br />
137 Ben Chananja vom 1. Dezember 1866, S. 846<br />
138 In Bad Ems, <strong>der</strong> bedeutenden Kurstadt, gab es im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t mehrere<br />
jüdische Kureinrichtungen, streng koscher geführte Gasthäuser und Hotels<br />
sowie jüdische Ärzte. Vgl. http://www.alemannia-judaica.de/bad_ems_<br />
137
mehreren Folgen von August bis Oktober 1867 in <strong>der</strong><br />
jüdischen Zeitschrift “Ben Chananja” abgedruckt wurden.<br />
Diese Berichte umfassen drei Teile, die mit lateinischen Zahlen<br />
versehen sind. In die einzelnen Teile sind Orts- und Zeitangaben<br />
eingefügt.<br />
Der erste Teil beginnt mit <strong>der</strong> Ortsangabe „Bad Ems“ und<br />
dem Datum „22. Juli“. Der Verfasser gibt an, er könne noch<br />
nicht viel berichten, da er erst seit Freitagmittag eingetroffen<br />
sei. Deswegen greift er auf Ereignisse <strong>zur</strong>ück, die seinen<br />
früheren Kuraufenthalt in Bad Cannstadt bei Stuttgart betreffen.<br />
Er berichtet über seine Eindrücke von Personen, mit denen<br />
er dort Gespräche geführt hat, informiert über die jüdischen<br />
Verhältnisse in Württemberg und setzt sich mit Themen<br />
<strong>aus</strong>einan<strong>der</strong>, die sich auf das Fortbestehen des <strong>Juden</strong>tums in<br />
<strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong> beziehen. Erst am Ende erwähnt er, dass er in<br />
Bad Ems einen Vortrag seines Kollegen Dr. Hochstädter gehört<br />
hat. Er bedauert, dass die jüdischen Kurgäste die Gottesdienste<br />
recht selten besuchen. 139<br />
Der zweite Bericht besteht <strong>aus</strong> zwei Abschnitten: Der erste<br />
trägt das Datum des 1. August, <strong>der</strong> zweite des 4. August.<br />
Da er inzwischen einen gut besuchten Gottesdienst erlebt<br />
hat, nimmt er seinen Tadel wegen des spärlichen Gottesdienstbesuches<br />
<strong>der</strong> jüdischen Kurgäste <strong>zur</strong>ück. Er informiert über<br />
die Gespräche mit Bekannten <strong>aus</strong> verschiedenen Län<strong>der</strong>n,<br />
thematisiert das Gebet zum Jerusalemer Tempel und <strong>zur</strong> Wie<strong>der</strong>herstellung<br />
des Opferkultes.<br />
Der auf den 4. August datierte Teil beschreibt die jüdischen<br />
Verhältnisse von Schweden und Dänemark, soweit er sie <strong>aus</strong><br />
den Gesprächen namhafter Kurgäste kennen gelernt hat. Im<br />
Schlussteil setzt er sich mit einem Artikel ´Vom Rhein´, <strong>der</strong> in<br />
Nr. 15 des Ben Chananja erschienen ist, <strong>aus</strong>einan<strong>der</strong>. Sein<br />
Kollege Dr. Hochstädter habe diesen falsch verstanden. 140<br />
139 Ben Chananja, 1. 8.1867, S. 486-488.<br />
140 Ben Chananja, 15.8.1867, S. 506-508.<br />
138
Am 1. September 1867 erscheint <strong>der</strong> Schluss zum Kapitel<br />
II, datiert auf den 1. August. Dieser Beitrag ist in vier Unterpunkte<br />
geglie<strong>der</strong>t, die sich alle als Replik auf den vorher schon<br />
genannten Artikel ´Vom Rhein´ verstehen. Joseph Kahn erweist<br />
sich in diesem Text als wortgewaltiger Verfechter des<br />
aufgeklärten <strong>Juden</strong>tums. 141<br />
Der dritte Teil <strong>der</strong> Bade- und Reiseberichte wurde erst in<br />
<strong>der</strong> Ausgabe vom 1. Oktober 1867 veröffentlicht, obwohl er<br />
wie vorhergehende Kapitel den 1. August als Tag <strong>der</strong> Abfassung<br />
trägt. In diesem Beitrag geht es um die von Joseph Kahn<br />
vorgenommene Einweihung <strong>der</strong> Synagoge in Lösnich an <strong>der</strong><br />
Mosel. Er betont, dass <strong>Juden</strong> und Christen die Feier gemeinsam<br />
begangen haben.<br />
Im Folgenden berichtet er von <strong>der</strong> Begegnung mit einem<br />
Ehepaar, das in Australien mehrere erwachsene Söhne „durch<br />
Tod“ verloren habe.<br />
Der Schluss zum Teil III, auf den 1., 25. und 26. August<br />
datiert, enthält umfangreich die Ergebnisse seiner Unterhaltung<br />
mit dem <strong>aus</strong>tralischen Ehepaar. In diesem Abschnitt beschreibt<br />
er die <strong>aus</strong>tralischen Verhältnisse des <strong>Juden</strong>tums. Am<br />
Ende des Bericht vom 1. August geht <strong>der</strong> Schreiber auf neue<br />
Entwicklungen in <strong>der</strong> jüdischen Gemeinde von San Francisco<br />
in den USA ein. Der kurze Text vom 25. August informiert<br />
über das Zusammentreffen von Joseph Kahn mit dem Bekannten<br />
Kahana, einem Bankier <strong>aus</strong> Jassy.<br />
In seinem Bericht vom 26. August erfährt <strong>der</strong> Leser die<br />
Wie<strong>der</strong>begegnung zweier ehemaliger Talmudschüler. Joseph<br />
Kahn hatte zuvor über dreißig Jahre gemeinsam mit Rabbiner<br />
Dr. Frankel bei Rabbi Ettlinger den Talmud ´gelernt`. Joseph<br />
Kahn wird durch dieses Treffen an „<strong>aus</strong> dem Gedächtnis geschwundene“<br />
Ereignisse erinnert, die ihn „erheben“ und für<br />
die er sich bedankt. Im weiteren erklärt <strong>der</strong> Autor die Verschiedenheiten<br />
ihrer bei<strong>der</strong> religiösen Positionen mit den unterschiedlichen<br />
Erfahrungen <strong>der</strong> beiden Lebensläufe. Während<br />
141 Ben Chananja, 1.9.1867, S. 554-557.<br />
139
das Leben von Dr. Frankel „an stillen Wassern“ verlaufen sei,<br />
hätte er vielfach „im düsteren Thale“ “ringen und streben im<br />
friedlichen Leben“ müssen. 142<br />
Da er angibt, am darauffolgenden Tag seinen Kurort zu<br />
verlassen, um zu seinen Kin<strong>der</strong>n nach Amsterdam zu reisen,<br />
ist die Abreise am 27. August 1867 erfolgt.<br />
Glie<strong>der</strong>ung von Kahns Bade- und Reiseberichte<br />
Teil ergänzt Ort und Datum erschienen<br />
I Bad Ems, den 22. Juli 1.8.1867<br />
II Bad Ems, 1. August 15.8.1867<br />
Schluss Bad Ems, 1. August 1.9.1867<br />
III Bad Ems, den 1. August 1.10.1867<br />
Schluss Bad Ems, den 1. August 15.10.1867<br />
Bad Ems, den 25. August 15.10.1867<br />
Bad Ems, den 26. August 15.10.1867<br />
Warum heute an Joseph Kahn erinnern?<br />
Als Joseph Kahn am 10.Juli 1875 in Amsterdam bei einem<br />
Besuch seiner Tochter starb, verfügte die <strong>Trier</strong>er jüdische Gemeinde,<br />
dass er auf ihre Kosten nach <strong>Trier</strong> überführt und dort<br />
beerdigt werden sollte, wo er 33 Jahre 143 segensreich gewirkt<br />
hatte. Am 12. Juli 1875 um ein Uhr traf sein Leichnam auf<br />
dem <strong>Trier</strong>er Bahnhof ein, und um 4 Uhr wurde er unter Beteiligung<br />
zahlreicher jüdischer und christlicher Einwohner <strong>der</strong><br />
Stadt <strong>Trier</strong> beerdigt. Rabbiner Goldmann <strong>aus</strong> Birkenfeld und<br />
Rabbiner Dr. Blumenstein <strong>aus</strong> Luxemburg hielten die<br />
142 Ben Chananja, 15.10.1867, S. 643-647.<br />
143 Es ist nicht <strong>aus</strong>zuschließen, dass Oberrabbiner Kahn 34 Jahre lang im<br />
Amt<br />
war, denn noch im Todesjahr wird er in einem Zeitungsartikel <strong>der</strong> Allgemeinen<br />
Zeitung des <strong>Juden</strong>tums vom 13.4.1875, S. 253/254 als Kollege angesprochen.<br />
Eine Verabschiedungsfeier ist nicht bekannt.<br />
140
Sterbeanzeige von Joseph Kahn in Amsterdam<br />
Grabreden. Die große Bedeutung von Oberrabbiner Joseph<br />
Kahn fasste einer <strong>der</strong> Redner in dem Satz zusammen: „Durch<br />
seine segensreiche Wirksamkeit habe Oberrabbiner Kahn sich<br />
das unvergessliche Andenken erworben, das ihm seine Gemeinden<br />
in pietätvoller Treue bewahren werden“. 144 Dazu<br />
zählte auch die Synagogengemeinde <strong>Wawern</strong>. Sich heute an<br />
Joseph Kahn zu erinnern, ist von Schwierigkeiten bestimmt,<br />
die <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Zeit des neunzehnten Jahrhun<strong>der</strong>ts betrachtet unvorstellbar<br />
waren. Die jüdischen Gemeinden seines Sprengels<br />
144 Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums vom 27.7.1875, S. 492/493; vgl.<br />
ebenso Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums vom 20.7.1875, S. 483. Ein<br />
weiterer Nachruf ist in <strong>der</strong> in Wien erschienenen Zeitschrift „Die Neu<br />
zeit“ im Jahre 1875 veröffentlicht worden. Vgl. Die Neuzeit 1875, S.<br />
241.<br />
141
sind bis auf die <strong>Trier</strong>er jüdische Gemeinde <strong>aus</strong>gelöscht, weil<br />
die Nationalsozialisten in <strong>der</strong> Shoa an den europäischen<br />
<strong>Juden</strong> Massenmord begingen. - Zu den Ermordeten gehören<br />
auch Joseph Kahns Enkel, Joseph Samuel und Rebecca de<br />
Bruin, geb. Samuel, Kin<strong>der</strong> seiner Tochter Bertha, die in Amsterdam<br />
den <strong>aus</strong> Freudenburg stammenden Leib Samuel geheiratet<br />
hatte. Joseph Samuel starb am 4. Juni 1943 und Rebecca<br />
de Bruin, geb. Samuel, starb am 16.4.1943 im Vernichtungslager<br />
Sobibor. - Hun<strong>der</strong>te von jüdischen Bürgern des <strong>Trier</strong>er<br />
Landes wurden ermordet, Hun<strong>der</strong>te flohen in an<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong><br />
und kehrten nie wie<strong>der</strong> <strong>zur</strong>ück. Nachfahren <strong>der</strong> mit Joseph<br />
Kahn verwandten Familie Samuel <strong>aus</strong> Freudenburg leben heute<br />
in den USA.<br />
Einen Einblick in die Situation in <strong>Wawern</strong> in <strong>der</strong> Zeit von<br />
1933 bis 1940 vermittelt <strong>der</strong> wissenschaftliche Aufsatz von<br />
Pascale Eberhard. Die antijüdischen Maßnahmen stellten keineswegs<br />
nur von außen in den Ort hineingetragene Aktionen<br />
dar, son<strong>der</strong>n wurden unter an<strong>der</strong>em von Mitbürgern initiiert,<br />
die die nationalsozialistische Ideologie bejahten. 145<br />
In Yad Vashem, <strong>der</strong> zentralen Gedenkstätte für die Ermordeten<br />
<strong>der</strong> Shoa in Israel, wird im Tal <strong>der</strong> Gemeinden an die<br />
nicht mehr existierenden Gemeinden in Europa erinnert, darunter<br />
kommen auch Ortsnamen vor, in denen Joseph Kahn<br />
rund hun<strong>der</strong>t Jahre vorher hoffnungsfroh neue Synagogen<br />
einweihte, z.B. Schweich, <strong>Wawern</strong>, Trittenheim, Tholey. Der<br />
Optimismus, mit dem Oberrabbiner Kahn die jüdischen Gemeinden<br />
aufbaute, kann den Menschen <strong>der</strong> Gegenwart umso<br />
deutlicher vor Augen führen, welche Gr<strong>aus</strong>amkeit die Nationalsozialisten<br />
in Deutschland und an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>n<br />
an den <strong>Juden</strong> verübten. An<strong>der</strong>erseits macht sein Kampf<br />
gegen den auch damals nicht unbekannten Antisemitismus uns<br />
Heutigen klar, dass eine Gesellschaft nicht ohne Toleranz zwi-<br />
145 Eberhard, Pascale: Die Reichspogromnacht 1938 in <strong>Wawern</strong>, in: Jahrbuch<br />
des Kreises <strong>Trier</strong>-Saarburg 2009, S. 244-255; Vgl. auch „Das Leben<br />
ist ein Kampf“ Marianne Elikan -Verfolgte des Nazi-Regimes, hrsg. von<br />
Thomas Schnitzler, S. 1 und 2.<br />
142
schen den unterschiedlichen Religionen vorstellbar ist. Das<br />
bedeutet, dass das Gleiche in Form und Lehre <strong>der</strong> jeweils an<strong>der</strong>en<br />
Religion gesucht und das Ungleiche <strong>aus</strong>gehalten werden<br />
muss und dass billigen - nationalen o<strong>der</strong> kulturellen - Einheitsideologien,<br />
die von sich behaupten, die absolute Wahrheit zu<br />
besitzen, wi<strong>der</strong>sprochen werden muss, weil sie dem Weltbild<br />
einer humanen Gesellschaft zuwi<strong>der</strong> sind. Ebenso erkannte<br />
Joseph Kahn das Problem <strong>der</strong> Gleichgültigkeit sowohl in seinen<br />
eigenen Reihen als auch in <strong>der</strong> Gesellschaft. Auch diese<br />
Thematik ist in <strong>der</strong> Gegenwart noch aktuell, weil das verbreitete<br />
Bewusstsein, <strong>der</strong> Spaß sei das entscheidende Ziel des<br />
Menschen, die wirklich bewegenden Fragen heutiger Existenz<br />
<strong>aus</strong>klammert. Schließlich wi<strong>der</strong>sprach er nicht, wenn er fortschrittlich<br />
genannt wurde o<strong>der</strong> seine Tätigkeit mit dem Fortschritt<br />
in Verbindung gebracht wurde. Joseph Kahn verstand<br />
seine Arbeit nie als inhalts- und wertneutrale Lebensmaxime,<br />
son<strong>der</strong>n für ihn war <strong>der</strong> Fortschritt nur human, wenn er von<br />
<strong>der</strong> Offenbarung, also vom Willen Gottes, getragen ist. Gottes<br />
Wille ist für Joseph Kahn auch dann gültig, wenn er „eine<br />
schwere und un<strong>aus</strong>führbare Zumuthung“ für viele darstellt,<br />
wie er im Bezug <strong>zur</strong> Versöhnung mit denen, die <strong>Juden</strong> hassen<br />
und gering schätzen, in einer Predigt zu Liebe und Versöhnung<br />
im Jahre 1865 <strong>aus</strong>führte. Damit bereitet er den Weg zu<br />
einem menschlichen Miteinan<strong>der</strong>. Denen, die die <strong>Juden</strong> seiner<br />
Zeit wegen des Todes Jesu kränkten und beleidigten, hält er<br />
entgegen, dass je<strong>der</strong> nur für seine Taten bestraft werden darf,<br />
nicht aber für die Taten <strong>der</strong> Vorfahren. Außerdem sei es wissenschaftliche<br />
Tatsache, dass die Römer <strong>aus</strong> politischen Gründen<br />
Jesus ermordet hätten. 146 Joseph Kahn reagiert mit diesen<br />
Worten auf antisemitische Aussagen eines Kongresses katholischer<br />
Vereine in <strong>Trier</strong> im Jahre 1865. In seiner Predigt zum<br />
Versöhnungstag 1865 führt er enttäuscht <strong>aus</strong>: „Machten wir<br />
doch ganz neulich hier, in unserer lieben Vaterstadt, <strong>der</strong>en<br />
Bürger stets liebevoll gegen uns sich benommen haben, die<br />
146 Kayserling: Bibliothek jüdischer Kanzelredner, S. 301.<br />
143
traurige Erfahrung, wie einige hervorragende Männer, und<br />
selbst Pfleger <strong>der</strong> Religion <strong>der</strong> Liebe, die Alles auf ihrem Gebiete<br />
rein conservieren und erlangen wollen, durch mehre Äußerungen<br />
gegen uns bekundet haben, dass sie nicht rein und<br />
frei von <strong>Juden</strong>haß sind“. Der christlichen Erinnerung an ihre<br />
Märtyrer hält er die unzähligen Märtyrer Israels entgegen, die<br />
„durch ihrer Väter eigene Schuld“ gestorben sind. 147 Joseph<br />
Kahn vertraute auf die Wirksamkeit <strong>der</strong> Wahrheit im Kampf<br />
gegen tradierte Vorurteile. Wenn dieser Weg verlassen wurde,<br />
wie im Falle <strong>der</strong> Mortara-Affäre in Bologna, als fanatische<br />
Christen einen jüdischen Jungen raubten und anschließend<br />
tauften, unterzeichnete Oberrabbiner Joseph Kahn zusammen<br />
mit den meisten deutschen Rabbinern einen Protestbrief an<br />
den damaligen Papst Pius IX. 148<br />
Allerdings ist es für ihn nicht vorstellbar, dass die <strong>Geschichte</strong><br />
von <strong>Juden</strong> und Christen zum Holoc<strong>aus</strong>t führen könnte.<br />
Dass die deutsche <strong>Geschichte</strong> in <strong>der</strong> ersten Hälfte des<br />
zwanzigsten Jahrhun<strong>der</strong>ts dennoch in eine bis heute unfassbare<br />
Menschheitskatastrophe mündete, zwingt den geistig wachen<br />
Menschen <strong>zur</strong> Suche nach Ursachen und Deutungen. Hat die<br />
Aufklärung den Menschen als zu gut eingeschätzt und seine<br />
irrationale Abgründigkeit übersehen? O<strong>der</strong> ist gar ein Bewusstsein<br />
<strong>der</strong> Abkehr von den Werten des Humanen, das in<br />
übersteigerten technischen, wissenschaftlichen, wirtschaftlichen<br />
o<strong>der</strong> vi-talistischen Prämissen seine Erfüllung suchte, die<br />
tiefere Ursache für diesen Rückfall in die Barbarei, weil es<br />
blind geworden war für die Gültigkeit des religiös Unverfügbaren?<br />
Immer wie<strong>der</strong> verweisen die Historiker auf den <strong>aus</strong><br />
verschiedenen Quellen gespeisten Antisemitismus, <strong>der</strong> sich<br />
schon bald nach 1870 <strong>aus</strong>breitete, als Motiv für den Völkermord<br />
an den <strong>Juden</strong>. Die Begriffe „Fortschritt“ und „Mo<strong>der</strong>ne“<br />
jedenfalls sind auf Grund des historisch gewordenen Holoc<strong>aus</strong>t<br />
schwer beschädigt worden und können kaum noch im<br />
147 Ebda., S. 302. Vgl. auch Nieuw Isr. Weekblad, 1865, Nr. 14, S. 2.<br />
148 Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums vom 20.9.1858, S. 530-531.<br />
144
Sinne eines vor<strong>der</strong>gründigen Glaubens an eine bessere Welt<br />
verwendet werden. Der Rabbiner Leo Baeck formulierte nach<br />
seiner Befreiung <strong>aus</strong> dem KZ Theresienstadt 1945 in New<br />
York:<br />
„Für uns <strong>Juden</strong> ist eine Geschichtsepoche zu Ende gegangen.<br />
(...) Unser Glaube war es, daß deutscher und jüdischer<br />
Geist auf deutschem Boden sich treffen und durch ihre<br />
Vermählung zum Segen werden können. Dies war eine<br />
Illusion – die Epoche <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> in Deutschland ist ein für<br />
alle Mal vorbei“. 149<br />
Damit beschreibt Leo Baeck das Lebensgefühl vieler überleben<strong>der</strong><br />
jüdischer Bürger nach 1945: In Deutschland werde es<br />
wegen <strong>der</strong> Verbrechen <strong>der</strong> Nationalsozialisten kein jüdisches<br />
Leben mehr geben. Seine Aussagen markieren einen kulturellen<br />
Abbruch zwischen <strong>Juden</strong> und Christen in Deutschland.<br />
=========================<br />
Inzwischen sind über sechzig Jahre vergangen. In dieser<br />
langen historischen Zeitspanne gab es Zeiten des Verdrängens<br />
und Zeiten des Erinnerns. Es hat sich eine neue Gedenkkultur,<br />
die die Shoa thematisiert, etabliert. Viele nichtjüdische Deutsche<br />
bejahen die Erinnerung an die Verbrechen <strong>der</strong> Nationalsozialsten<br />
und beziehen <strong>aus</strong> dieser Erinnerung ihre Motivation,<br />
die gesellschaftlichen Verhältnisse heute mit dem Maßstab des<br />
Humanen zu begleiten. Heute denken nicht mehr alle jüdischen<br />
Bürger in Deutschland wie die Generation <strong>der</strong> Opfer.<br />
Deutschland ist auch für <strong>Juden</strong> zu einem Einwan<strong>der</strong>ungsland<br />
geworden. Es entstehen wie<strong>der</strong> neue Synagogengemeinden.<br />
Es lässt sich aber auch ein neuer Antisemitismus beobachten.<br />
Viele jüdische Einrichtungen müssen vor Übergriffen<br />
polizeilich geschützt werden.<br />
149 Gidal: Die <strong>Juden</strong> in Deutschland, S. 426.<br />
145
Erinnerung an <strong>aus</strong>gelöschte jüdische Gemeinden <strong>der</strong> Region <strong>Trier</strong> in<br />
Yad Vashem, Jerusalem<br />
Vielleicht ließe sich heute wie<strong>der</strong> anknüpfen an die Ideale<br />
von Joseph Kahn. Dabei sollte <strong>der</strong> Gang <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong> nicht<br />
vergessen werden, damit nicht Realitätsferne das Handeln<br />
bestimmt. Es wäre auch nicht falsch, die Ziele gemeinsamen<br />
Lebens von <strong>Juden</strong> und Christen in Deutschland nicht in abstrakter<br />
Gestalt, wie etwa mit dem Begriff „Geist“, zu umschreiben,<br />
denn dieser Begriff beinhaltete beispielsweise auch<br />
die unkritische Bejahung des Militärischen, son<strong>der</strong>n darauf zu<br />
achten, dass alle Bürger menschenwürdig existieren können.<br />
Dies könnte sich beispielsweise darin zeigen, antisemitische<br />
Äußerungen einzelner nicht zu überhören, son<strong>der</strong>n diese zu<br />
thematisieren und <strong>zur</strong>ück zu weisen. Dies sollte nicht nur die<br />
Aufgabe einer verantwortungsbewusster Presse sein, son<strong>der</strong>n<br />
eine selbstverständliche Bürgerpflicht, die alle angeht.<br />
Und noch ein Gedanke soll die Aktualität des <strong>Trier</strong>er Oberrabbiners<br />
<strong>aus</strong> <strong>Wawern</strong> her<strong>aus</strong>stellen: Joseph Kahn liebte seinen<br />
Sprengel, die Region <strong>Trier</strong>, dennoch war er an den Belangen<br />
des <strong>Juden</strong>tums in Deutschland, in Europa und <strong>der</strong> ganzen<br />
146
Welt interessiert, wie man dies sowohl seinem Engagement<br />
zugunsten <strong>der</strong> Rabbinerkonferenzen entnehmen kann als auch<br />
seinen intensiven Gesprächen mit Rabbinern <strong>aus</strong> an<strong>der</strong>en europäischen<br />
Län<strong>der</strong>n, die er während seiner Kuraufenthalte traf.<br />
Insofern lebte er nicht <strong>aus</strong> einem provinziellen und nationalistischen<br />
Bewusstsein, son<strong>der</strong>n er verkörperte in seiner geistigen<br />
Orientierung und durch seine Reisetätigkeit die Idee Europas.<br />
Dass er in Amsterdam starb und in <strong>Trier</strong> beerdigt wurde, zeigt<br />
bis zu den letzten Tagen seines Lebens, zeichenhaft, einen<br />
nicht unbedeutenden Teil seines Vermächtnisses.<br />
Es wäre viel geleistet, wenn die Erinnerung an Joseph<br />
Kahn und sein Werk viele von denen erreichen würde, die<br />
bisher noch nichts von ihm wussten. Dass er ein großer Sohn<br />
<strong>der</strong> kleinen Gemeinde <strong>Wawern</strong> war, sollte im Bewusstsein<br />
heutiger Bürger dieses Ortes sowie <strong>der</strong> näheren und <strong>der</strong> weiteren<br />
Umgebung einen festen Platz haben. Vielleicht kann die<br />
Erinnerung an seinen 200. Geburtstag am 2. September 2009<br />
einen Beitrag dazu leisten.<br />
147
Grabstein von Joseph Kahn<br />
Aus: Annette Haller: Der Jüdische Friedhof an <strong>der</strong> Weidegasse in<br />
<strong>Trier</strong>, S. 52<br />
148
Lebenslauf, kurzgefasst<br />
Am 2. September 1809 in <strong>Wawern</strong> geboren<br />
Talmud-Studien in Metz 1823-1827<br />
Talmud-Studien in Mannheim 1827-1831<br />
Theologiestudium in Heidelberg 1831-1832<br />
Theologiestudium in Bonn 1833-1838<br />
Preisschrift über den Propheten Zacharias, Bonn<br />
Am 13. Dezember 1841 Besuch in <strong>Wawern</strong><br />
Am 19. Dezember 1841 Oberrabbiner von <strong>Trier</strong><br />
Bis 1848 wohnhaft in <strong>der</strong> Fleischstraße Nr. 476 in <strong>Trier</strong><br />
Von 1848 bis 1875 wohnhaft in <strong>der</strong> Metzelstraße Nr. 103 in <strong>Trier</strong><br />
Predigtedition Luxemburg 1840<br />
Predigtedition Saarbrücken 1841<br />
Predigtedition <strong>Trier</strong> 1842<br />
Silberner Pokal 1843<br />
Einweihung <strong>der</strong> Synagoge in <strong>Wawern</strong> am 13. August 1844<br />
Eheschließung mit Rebekka van Biema 18.12.1844<br />
Edition <strong>zur</strong> Rabbinerkonferenz Frankfurt a.M.1845<br />
Rabbinerkonferenz in Frankfurt 1845<br />
Rabbinerkonferenz in Breslau 1846<br />
Geburt <strong>der</strong> Tochter Herta 16.2.1846<br />
Geburt <strong>der</strong> Tochter Sara Amalie 19.10.1849<br />
Geburt <strong>der</strong> Tochter Rosa Julia 28.11.1850<br />
Einweihung <strong>der</strong> Synagoge in Schweich 1852<br />
Einweihung <strong>der</strong> Synagoge in Bernkastel 1852<br />
Einweihung <strong>der</strong> Synagoge in Zeltingen 1855<br />
Einweihung <strong>der</strong> Synagoge in Müstert-Emmel (Nie<strong>der</strong>emmel) 1855<br />
Predigtedition <strong>Trier</strong> 1855<br />
Einweihung <strong>der</strong> Synagoge in Trittenheim 1857<br />
Einweihung <strong>der</strong> Synagoge in <strong>Trier</strong> 1859<br />
Predigtedition <strong>Trier</strong> 1860<br />
Einweihung <strong>der</strong> Synagoge in Tholey 1864<br />
Predigtedition Jüdische Liebe und Versöhnung 1865<br />
Einweihung <strong>der</strong> Synagoge von Neunkirchen 1865<br />
Einweihung <strong>der</strong> Synagoge in Lösnich 1866<br />
Kuraufenthalte in Bad Ems und Bad Cannstadt 1866/67<br />
Kahns Bade- und Reiseberichte 1867<br />
Rabbinerkonferenz in Kassel 1869<br />
Predigtedition Berlin 1872<br />
Edition <strong>der</strong> Denkschrift, die gesetzliche Regelung des jüdischen Gemeinwesens<br />
betreffend, <strong>Trier</strong> 1874<br />
Silbernes Rabbinerjubiläum 1867<br />
Ende seiner Amtszeit 1874 ?<br />
Tod in Amsterdam am 10. Juli 1875<br />
Beerdigung in <strong>Trier</strong> am 12. Juli 1875<br />
149
Quellen und Literatur:<br />
1. Adressbücher <strong>der</strong> Stadt <strong>Trier</strong> 1848, 1858, 1861, 1864,<br />
1867, 1868, 1871, 1875, Stadtbibliothek <strong>Trier</strong>, Bestand<br />
11/8, Nr. 3767<br />
2. Almond, Richard MD: Fotos von Joseph und Rebecca Kahn,<br />
Geschenke <strong>der</strong> jüdischen Gemeinde Saarwellingen<br />
3. Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>tums 1838-1875<br />
4. Altmann, Alexan<strong>der</strong>: Adolf Altmann (1879-1944) A Filial<br />
Memoir, in: The Leo-Baeck-Year Book 1981, S. 145-167<br />
5. Archiv <strong>der</strong> Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität<br />
Bonn, Immatrikulations- und Exmatrikulationsakte Joseph<br />
Kahn, Schreiben vom 2.12.08<br />
6. Ben Chananja 1860-1867<br />
7. Biographisches Handbuch <strong>der</strong> Rabbiner, hrsg. von Michael<br />
Brocke und Julius Carlebach, Teil 1: Die Rabbiner <strong>der</strong><br />
Emanzipationszeit in den deutschen, böhmischen und großpolnischen<br />
Län<strong>der</strong>n 1781-1871, bearbeitet von Carsten Wilke,<br />
Band 2: Kaempf – Zuckermann, München 2004, S. 500-<br />
502<br />
8. Der Israelit im neunzehnten Jahrhun<strong>der</strong>t 1844-1847<br />
9. Der israelitische Volkslehrer 1858, 1859, 1860<br />
10. Der Orient 1840-1846<br />
11. Die Neuzeit 1870 u. 1875<br />
12. Dezennaltabellen <strong>der</strong> Stadt <strong>Trier</strong> 1843-53, 1853-63<br />
13. Eberhard, Pascale: Die Reichspogromnacht 1938 in <strong>Wawern</strong>,<br />
in: Jahrbuch des Kreises <strong>Trier</strong>-Saarburg 2009, S. 244-<br />
255<br />
14. Geburtsregister <strong>der</strong> Stadt <strong>Trier</strong> von 1846, 1849, 1850<br />
15. Geburtsurkunde von Joseph Kahn u.a., Standesamt Konz<br />
16. Gidal, Nachum T.: Die <strong>Juden</strong> in Deutschland von <strong>der</strong> Römerzeit<br />
bis <strong>zur</strong> Weimarer Republik, Köln 1997<br />
17. Haller, Annette: Der Jüdische Friedhof an <strong>der</strong> Weidegasse in<br />
<strong>Trier</strong>, <strong>Trier</strong> 2003<br />
18. Heidt, Günter/ Lennartz, Dirk S.: Fast vergessene Zeugen.<br />
<strong>Juden</strong> in Freudenburg und im Saar-Mosel-Raum 1321-1943,<br />
Nor<strong>der</strong>stedt 2000<br />
19. Heiratsregister <strong>der</strong> Stadt <strong>Trier</strong> von 1844, Stadtarchiv <strong>Trier</strong><br />
150
http://www.jewishencyclopedia.com/view.jsp?artid=24&lett<br />
er=K (30.9.08)<br />
20. Israelitische Annalen 1841, 17.9.1841, S. 304<br />
21. Ittenbach, Elmar P.: Jüdisches Leben in Thalfang. <strong>Geschichte</strong><br />
und Schicksale, <strong>Trier</strong> 2011<br />
22. joods historisch museum Amsterdam (http:// www. jhm. nl/<br />
bezoek.aspx?ID=16)<br />
23. <strong>Juden</strong> in <strong>Trier</strong>. Katalog einer Ausstellung von Stadtarchiv<br />
und Stadtbibliothek <strong>Trier</strong> März – November 1988 unter<br />
Mitwirkung von Horst Mühleisen und Bernhard Simon,<br />
bearbeitet von Reiner Nolden, <strong>Trier</strong> 1988<br />
24. Kahn, Joseph: Das Pesach - als Versöhnungsfest. Predigt,<br />
gehalten in <strong>der</strong> Synagoge zu Saarlouis am Sabbath vor dem<br />
Pesachfeste 5601 (1841), Saarlouis 1841<br />
25. Kahn, Joseph: Predigt zu seinem Amtsantritt, <strong>Trier</strong> 1842<br />
26. Kahn, Joseph: Edition <strong>zur</strong> Rabbinerkonferenz in Frankfurt a.<br />
M. 1843<br />
27. Kahn, Joseph: Leichenrede, gehalten am Grabe des Herrn<br />
Joseph Penas am 19. Februar 1855, <strong>Trier</strong> 1855<br />
28. Kahn, Joseph: Predigt <strong>zur</strong> Einweihung <strong>der</strong> neuen Synagoge<br />
in <strong>Trier</strong>, <strong>Trier</strong> 1860<br />
29. Kahn, Joseph: <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Liturgie. I. Notizen über den<br />
Kaddisch, in: Ben Chananja, 1.10.1867 (Beilage)<br />
30. Kahn, Joseph: Denkschrift, die gesetzliche Regelung des<br />
jüdischen Gemeinwesens betreffend, <strong>Trier</strong> 1874<br />
31. Kahn, Joseph: Kahns Bade- und Reiseberichte, in: Ben Chananja<br />
1867<br />
32. Kahn, Joseph: Über die Heiligkeitt <strong>der</strong> thierischen Erstgeburt,<br />
in: Der israelitischen Volkslehrer 1859<br />
33. Kayserling, Meyer: Bibliothek jüdischer Kanzelredner,<br />
Berlin 1872, S. 298-305: (Joseph Kahn)<br />
34. Lindner, Erik: Deutsche <strong>Juden</strong> in <strong>der</strong> Revolution von<br />
1848/49. Barrikadenkämpfer, radikale Demokraten, gemäßigte<br />
Parlamentarier und Monarchisten, in: „Der schlimmste<br />
Punkt in <strong>der</strong> Provinz“ Demokratische Revolution 1848/49 in<br />
<strong>Trier</strong> und Umgebung. Katalog- Handbuch, Her<strong>aus</strong>gegeben<br />
von Elisabeth Dühr, S. 622-642<br />
35. Marx, Albert: Die <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> im Saarland. Vom<br />
Ancien Régimes bis zum Zweiten Weltkrieg, Saarbrücken<br />
151
1992<br />
36. Marx, Georg: <strong>Juden</strong> in Hermeskeil, Kell a. See 1999<br />
37. Ders.: <strong>Juden</strong> in Schillingen, Kell a. See, 2001<br />
38. Mendes-Flohr, Jehuda Reinharz: The Jew in the mo<strong>der</strong>n<br />
world, Oxford Press US 1995<br />
39. Monz, Heinz: Samuel Hirsch (1815-1889) Ein jüdischer<br />
Reformator <strong>aus</strong> dem Hunsrück, in: Weirich, Hilde und<br />
Kr<strong>aus</strong>e, Winfried: Beiträge <strong>zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> von<br />
Thalfang, Spiesen-Elversberg 1995<br />
40. Monz, Heinz: Zur <strong>Trier</strong>er <strong>Juden</strong>petition des Jahres 1843, in:<br />
Landeskundliche Vierteljahresblätter Nr. 29, 1983, S. 45-53<br />
41. Neue Adresse: Kaiserstraße. 50 Jahre Synagoge <strong>Trier</strong>. Festschrift,<br />
hrsg. von Reinhold Bohlen und Benz Botmann, <strong>Trier</strong><br />
2007<br />
42. Nieuw Isr. Weekblad 1865, 1866<br />
43. Lepper, Herbert: Von <strong>der</strong> Emanzipation zum Holoc<strong>aus</strong>t. Die<br />
israelitische Synagogengemeinde Aachen 1802-1942, 2 Bde,<br />
Aachen 1994<br />
44. Schnitzler, Thomas(Hrsg.): „Das Leben ist ein Kampf“<br />
Marianne Elikan – Verfolgte des Nazi-Regimes, <strong>Trier</strong> 2008<br />
45. Stadsarchief Amsterdam BR 1864-1874, C 92, BR 1874-<br />
1892, vol. 143, vol. 224, S 1875, vol. 5<br />
46. Str<strong>aus</strong>s-Almstad, Jeanette/Matthias Wolfers, Biographie zu<br />
Jakob Ettlinger, in Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon<br />
(www.bautz.de/bbk/)<br />
47. <strong>Trier</strong>er Biographisches Lexikon, hrsg. von Heinz Monz,<br />
<strong>Trier</strong> 2000<br />
48. Wilke, Carsten: „Den Talmud und den Kant“. Rabbiner<strong>aus</strong>bildung<br />
an <strong>der</strong> Schwelle <strong>zur</strong> Mo<strong>der</strong>ne, Hildesheim 2003<br />
49. Zenz, Emil: <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Stadt <strong>Trier</strong> im 19. Jahrhun<strong>der</strong>t.<br />
Bd. I: Vom Beginn <strong>der</strong> französischen Herrschaft bis zum<br />
Ende <strong>der</strong> Revolution von 1848 (1794-1850), <strong>Trier</strong> 1979<br />
152
Fotos:<br />
S. 83 Joseph Kahn, Richard Almond MD, Palo Alto 2009<br />
S. 84 Rebecca Kahn, Richard Almond MD, Palo Alto 2009<br />
S. 103 Synagoge <strong>Wawern</strong>, Franz Hermann, <strong>Wawern</strong><br />
S.104 Synagoge Schweich, Heribert Wissen, Schweich<br />
S.105 Synagoge <strong>Trier</strong>, http://www.alemannia-judaica.de/<br />
trier_synagoge.htm<br />
S. 106 Die neue Synagoge, Universitätsbibliothek Frankfurt<br />
a.M. Signatur Jud 1772, S. 94<br />
S. 108 Synagoge Neunkirchen, alemannia-judaica 2009<br />
http://www.alemannia-judaica.de/<br />
S. 135 Kiddusch-Becher, Richard Almond, Palo Alto 2009<br />
S. 146 Yad Vashem: Tal <strong>der</strong> Gemeinden, Willi Körtels 1999<br />
S. 148 Grab und Grabinschrift Joseph Kahn: Annette Haller:<br />
Der jüdische Friedhof an <strong>der</strong> Weidegasse in <strong>Trier</strong>, <strong>Trier</strong><br />
2003, S. 52<br />
Anhang<br />
Allgemeine Zeitung des <strong>Juden</strong>thums<br />
Ausgabedatum<br />
Seite<br />
21.6.1838 1<br />
20.7.1839 351<br />
2.5.1840 260<br />
27.6.1840 373<br />
14.11.1840 656<br />
10.4.1841 213-214<br />
11.9.1841 523-524<br />
8.1.1842 22<br />
5.3.1842. 137-139<br />
9.4.1842 216-217<br />
2.7.1842 395-396<br />
9.7.1842 408-410<br />
13.8.1842 489<br />
27.8.1842 525-526<br />
29.4.1843 254-255<br />
3.7.1843 390-391<br />
10.7.1843 412-413<br />
4.9.1843 335<br />
153
20.11.1843 695-696<br />
10.6.1844 326-328<br />
17.6.1844 344-345<br />
3.11.1844 358<br />
2.9.1844 506<br />
20.11.1844 340-2341<br />
30.6.1845 412-413<br />
7.7.1845 423-424<br />
1.8.1845 501-508<br />
21.9.1845 312<br />
24.11.1845 709-710<br />
5.1.1846 21-23<br />
2.2.1846 94<br />
5.7.1846 213-214<br />
31.8.1846 529-530<br />
19.7.1847 462-464<br />
24.1.1848 70-71<br />
9.12.1850 684<br />
1.1.1851 4-7<br />
5.1.1852 18-19<br />
1.8.1852 538<br />
22.11.1854 592<br />
15.1.1855 30-31<br />
18.6.1855 320<br />
2.7.1855 342<br />
20.4.1857 225<br />
16.11.1857 643-644<br />
8.2.1858 85-87<br />
11.10.1858 575-576<br />
13.12.1858 702<br />
3.10.1859 594-595<br />
30.9.1862 568-571<br />
9.6.1863 363<br />
14.7.1863 444<br />
28.7.1863 479<br />
19.1.1864 54<br />
24.10.1865 664-665<br />
1865 Nr. 61, Beilage<br />
11.12.1866 800<br />
8.1.1867 28-29<br />
13.4.1875 253-254<br />
20.7.1875 483<br />
154
27.7.1875 492-493<br />
Ben Chananja<br />
Ausgabedatum<br />
Seite<br />
1.8.1860 374-378<br />
2.8.1861 269-271<br />
22.11.1861 406<br />
14.3.1862 90<br />
3.1.1864 23-24<br />
22.3.1865 201-202<br />
20.6.1865 422<br />
13.9.1865 643 u. 662<br />
20.12.1865 915-916<br />
27.12.1865 920-921<br />
14.2.1866 133<br />
7.3.1866 186-187<br />
21.3.1866 233-234<br />
27.3.1866 258-259<br />
11.4.1866 294-296<br />
18.4.1866 301-306<br />
2.5.1866 335-336<br />
9.5.1866 353-354<br />
15.12.1866 846<br />
15.1.1867 43<br />
1.8.1867 476-477<br />
1.8.1867 486-487<br />
15.8.1867 505-507<br />
1.9.1867 554-557<br />
1.10.1867 617-619<br />
15.10.1867 643-647<br />
Der Israelit im neunzehnten Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
Ausgabedatum<br />
Seite<br />
30.10.1842 178<br />
30.7.1843 125<br />
13.8.1843 133<br />
7.4.1844 106<br />
9.6.1844 183<br />
20.10.1844 340-341<br />
3.11.1844 358-359<br />
3.11.1844 358<br />
155
21.9.1845 312<br />
5.7.1846 213-214<br />
7.2.1847 47-48<br />
14.3.1847 87<br />
28.3.1847 101<br />
20.6.1847 200<br />
Der Orient<br />
Ausgabedatum<br />
Seite<br />
2.5.1840 137<br />
16.5.1840 151<br />
13.6.1840 185-186<br />
1.8.1840 237-238<br />
10.10.1840 319<br />
24.7.1841 210-211<br />
19.2.1842 60<br />
1.8.1843 244-245<br />
24.9.1845 307-308<br />
16.4.1846 118<br />
Israelitische Annalen<br />
Ausgabedatum<br />
Seite<br />
16.8.1839 259-260<br />
30.8.1839 277-278<br />
6.9.1839 284<br />
27.9.1839 307-308<br />
4.10.1839 315-316<br />
15.11.1839 365-366<br />
1.5.1840 151<br />
1.5.1840 158<br />
16.6.1840 219<br />
14.8.1840 282-283<br />
20.11.1840 752<br />
8.1.1841 15<br />
6.8.1841 255<br />
3.9.1841 286<br />
17.9.1841 304<br />
Nieuw Isr. Weekblad<br />
Ausgabedatum<br />
Seite<br />
1865, nr. 14 2<br />
1866, nr. 31 3<br />
156
1866, nr. 36 2-3<br />
1866, nr. 38 3<br />
Der israelitische Volkslehrer<br />
Juli 1855 257-262<br />
August 1855 291<br />
September 1855 366<br />
Oktober 1858 318-321<br />
Oktober 1858 331<br />
März 1859 101<br />
Mai 1859 136-147<br />
Juni 1859<br />
186ff.<br />
Juli 1859 212-223<br />
August 1859 248-257<br />
September 1859 302<br />
März 1860 106-108<br />
Die Neuzeit<br />
Die Neuzeit 1870 S. 54-56<br />
Die Neuzeit 1875 S. 241<br />
157
Rezension von Fritz Hofmann, Dortmund, in Freiburger Rundbrief 2011,<br />
S. 52<br />
158
Rabbiner Dr. Leo Baeck Berlin-Schöneberg, den 1. Juli 1932<br />
Am Park 15<br />
AN DEN LESER!<br />
Es gibt eine <strong>Geschichte</strong> menschlicher Worte, des Sprechens und Aufrufens<br />
von Menschen, aber es gibt auch eine <strong>Geschichte</strong> dessen, wozu Menschen<br />
geschwiegen haben, und sie ist eine <strong>Geschichte</strong> menschlicher Enge und<br />
Niedrigkeit. Wenn so oft Verbrechen und Untat sich weithin dehnen konnten,<br />
es ist fast immer geschehen, weil die Gewissen verschlossen und die<br />
Lippen stumm blieben, die sich zum Worte des Rechtes und <strong>der</strong> Sittlichkeit<br />
hätten öffnen sollen. Schuldig sind die, welche ein Böses verüben, aber<br />
schuldig, zumal vor dem Gericht <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong>, sind die auch, die einen<br />
Frevel sehen o<strong>der</strong> um ihn wissen und still dazu sind; sie sind die, welche,<br />
ohne es zu wollen, ihm erst den Weg bereiten. Nur wo Unfreiheit ist, kann<br />
die Gewalt ihre Bahn haben, und niemand ist unfreier als <strong>der</strong>, welcher<br />
stumm ist dort, wo er reden, wo er mahnen und warnen sollte.<br />
Wenn solches Schweigen über dem Lande lastet, dann will eine Hoffnung<br />
noch daran festhalten, daß manche deshalb nur schweigen, weil sie von dem<br />
Frevel noch nicht wissen. Und es wird darum <strong>zur</strong> Pflicht, ihn jedem, <strong>der</strong><br />
einer <strong>der</strong> Freien sein will, aufzuzeigen und darzutun. Es ist so eine Pflicht<br />
auch gegen Volk und Vaterland.<br />
In jedem Volke sind Unrecht und Sünde; sie kommen und gehen, und das<br />
Volk bleibt. Aber wenn das Volk als solches, als Ganzes mitschuldig wird<br />
durch Schweigen, durch Dulden, durch Zuschauen, dann zerstört die Untat<br />
den Boden, auf dem allein ein Volk besteht; er bricht unter ihm zusammen.<br />
Völker sind versunken, erst wenn sie vorher verstummt waren, wenn <strong>der</strong><br />
Wi<strong>der</strong>spruch gegen die Sünde, <strong>der</strong> Spruch des Rechts seine Menschen nicht<br />
mehr gefunden hat.<br />
Es liegt darum Hoffnung für das Vaterland in <strong>der</strong> Zuversicht, daß die, welche<br />
erfahren werden, auch vermögen werden, zu sprechen.<br />
Quelle: Freiburger Rundbrief 1999, S. 172<br />
159
Fragebogen <strong>zur</strong> Erinnerungskultur 150<br />
Willi Körtels, För<strong>der</strong>verein Synagoge Könen e.V.<br />
→ Wie würden Sie persönlich den Begriff „Erinnerungskultur“<br />
definieren?<br />
Erinnerungskultur ist ein Allgemeinbegriff, <strong>der</strong> verschiedene<br />
Initiativen <strong>der</strong> Gedenkarbeit umgreift. Erinnerungskultur<br />
beginnt auf <strong>der</strong> persönlichen Ebene, in <strong>der</strong> Familie,<br />
am Arbeitsplatz, im Gottesdienst, im Unterricht und<br />
wird weitergeführt von Vereinen, von Parteien und <strong>der</strong> Politik.<br />
Unsere Erinnerungsarbeit ist wissenschaftlich motiviert; sie<br />
folgt nicht einer Tradition von Erinnerung wie sie die Totengedenkfeiern<br />
mit Blasmusik und politischen Reden praktizieren.<br />
Wir möchten anhand von glaubwürdigen Zeugen und Dokumenten<br />
kein geschöntes Bild einer grauenhaften Hitlerei<br />
aufzeigen, son<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Wirklichkeit einer menschenverachtenden<br />
politischen Praxis, die in jedes Dorf hineinreichte, aber<br />
viele Jahrzehnte verdrängt wurde. Unser Anliegen besteht im<br />
Umschreiben von historischer Wirklichkeit in einer eng umgrenzten<br />
Region Konz-<strong>Trier</strong>. Wir möchten erinnern, damit<br />
Fehler <strong>der</strong> Vergangenheit gesehen und nicht wie<strong>der</strong>holt werden.<br />
Wir möchten das Bewusstsein schärfen für die menschliche<br />
Qualität unseres Landes und <strong>zur</strong> Versöhnung zwischen<br />
Opfern und Tätern beitragen.<br />
150 Gouverneur, Petra: Wi<strong>der</strong> das Vergessen-Erinnerungskultur in <strong>der</strong><br />
Region <strong>Trier</strong> am Beispiel des Stolpersteinprojekts, Wissenschaftliche<br />
Prüfungsarbeit für das Lehramt für Grund-und Hauptschulen,<br />
Koblenz 2009.<br />
160
→ Nennen Sie Ihre Hauptmotivation <strong>zur</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung<br />
mit dem Thema Erinnerungskultur. Worauf fußt Ihr Engagement?<br />
Ein Hauptmotiv zu nennen gelingt mir kaum. Deswegen will<br />
ich stichwortartig meine Beweggründe skizzieren:<br />
Meine Erfahrung im Elternh<strong>aus</strong>: freimütige, unverstellte Erzählung<br />
<strong>der</strong> Erlebnisse <strong>zur</strong> Nazi-Zeit durch meine Eltern, das<br />
Studium <strong>der</strong> katholischen Theologie: Einsicht in Textkritik,<br />
damit historische Interpretation <strong>der</strong> Bibel, Impulse über das<br />
Studienfach Germanistik<br />
Freundeskreis ehemaliger Mitstudenten, die dem Thema <strong>Juden</strong>tum<br />
und Holoc<strong>aus</strong>t sehr aufgeschlossen waren- über Jahrzehnte.<br />
Öffentliche Anerkennung eines Schulprojekts zum Thema<br />
„Jüdische Kultur im Raum Konz“ vor über 20 Jahren.<br />
→ Nehmen Sie bitte Stellung zu dem Gegensatz „Geschichtsvergessenheit<br />
– Geschichtsversessenheit“.<br />
Geschichtsvergessenheit erlebte ich in <strong>der</strong> Nachkriegszeit<br />
hautnah in Schule und Dorf. Fortschritt in Technik und Landwirtschaft<br />
waren die zentralen Ideologien, verbunden mit einer<br />
Weiterherrschaft <strong>der</strong> ehemaligen Nazis im Dorf und in <strong>der</strong><br />
Politik. Deren Devise <strong>zur</strong> damaligen Vergangenheit: Halt den<br />
Mund!<br />
Geschichtsversessenheit ist heute wie damals nur sehr selten<br />
anzutreffen, ein Thema für Spezialisten. Wenn sie nicht patriotisch<br />
und nicht nationalistisch ist, schadet sie nicht, son<strong>der</strong>n<br />
kann die Menschen weiter bringen.<br />
161
→ Wird in unserer Region genug erinnert?<br />
Die Initiativen sind sehr fleißig geworden und hie und da beeinflussen<br />
sie Bewusstsein. Die Reden zum Volkstrauertag auf<br />
Gemeindeebene zeigen oftmals, dass die demokratischen Vertreter<br />
immer noch Unverantwortliches von sich geben, was<br />
zum Teil in den Dörfern mehrheitsfähig ist - lei<strong>der</strong>! Deswegen<br />
muss noch lange an das „Unangenehme“ <strong>der</strong> Vergangenheit<br />
erinnert werden. Die Spaßkultur mag keine heilsame Erinnerung.<br />
Rückblick auf ein Jahrzehnt Gedenkarbeit des För<strong>der</strong>vereins<br />
ehemalige Synagoge Könen e.V.<br />
Der Vorstand des För<strong>der</strong>vereins ehemalige Synagoge Könen<br />
e.V. beabsichtigt, den Verein auflösen. Aus diesem Anlass<br />
möchte er allen Mitglie<strong>der</strong>n für die Bereitschaft danken, unsere<br />
ein Jahrzehnt währende Gedenkarbeit im Raum Konz unterstützt<br />
zu haben.<br />
Im Folgenden soll das Geleistete noch einmal in groben<br />
Zügen vorgestellt werden.<br />
Während im Jahre 1996 das Buch „<strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong><br />
von Oberemmel“ für den Ort und die Region Konz ein Novum<br />
darstellte, hat sich diese Situation inzwischen verän<strong>der</strong>t. Die<br />
Erinnerungskultur <strong>der</strong> engeren Region ist um einige Aspekte<br />
bereichert worden, wie sie vor rund zehn Jahren noch nicht<br />
vorstellbar war. Es ist normal geworden, dass die Zeitung über<br />
die regionale Gedenkarbeit berichtet und die angebotenen<br />
Veranstaltungen werden von vielen Interessierten besucht, z.B.<br />
Führungen auf den jüdischen Friedhöfen, Buchvorstellungen<br />
und Vorträge.<br />
In Oberemmel wurde schon im Jahre 1997 eine Bronzetafel<br />
am jüdischen Friedhof feierlich enthüllt, die an die ehemaligen<br />
162
jüdischen Bürger erinnert. In Könen ist das Gespräch über eine<br />
Erinnerungstafel o<strong>der</strong> eine an<strong>der</strong>e Form des Gedenkens für die<br />
Opfer des Holoc<strong>aus</strong>t über das Verfahren <strong>der</strong> Dorfmo<strong>der</strong>ation<br />
eingeleitet und vom Ortsbeirat gebilligt worden.<br />
Die Ortsgemeinde Oberemmel hat ein Straßenschild an <strong>der</strong><br />
Abzweigung Scharzbergstraße/Altenbergstraße anbringen lassen,<br />
das auf den jüdischen Friedhof hinweist. Auf Initiative<br />
des För<strong>der</strong>vereins Synagoge Könen hin wurde an <strong>der</strong> Abzweigung<br />
<strong>der</strong> Reinigerstraße/ Saarburgerstraße ein Schild angebracht,<br />
das auf den dortigen jüdischen Friedhof hinweist.<br />
Im Rahmen <strong>der</strong> Firmvorbereitung in <strong>der</strong> Pfarrei Oberemmel<br />
wurde zweimal das Projekt „<strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> von<br />
Oberemmel“ angeboten. Ebenso fand anlässlich <strong>der</strong> Gemeindeerneuerung<br />
im Jahre 2003 eine gut besuchte öffentliche<br />
Führung <strong>zur</strong> jüdischen <strong>Geschichte</strong> von Oberemmel statt. Als<br />
sich im Jahre 2006 <strong>der</strong> Stadtteil Oberemmel einem kommunalen<br />
Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ stellte,<br />
wurde eigens auf die jüdische <strong>Geschichte</strong> des Ortes verwiesen.<br />
Im Anschluss an dieses Verfahren veröffentlichte <strong>der</strong> <strong>Trier</strong>ische<br />
Volksfreund einen umfangreichen Bericht über den jüdischen<br />
Friedhof von Oberemmel. Die Forschungsaktivität <strong>zur</strong><br />
<strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Oberemmeler <strong>Juden</strong> beeinflusste die Arbeitsgruppen<br />
<strong>zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Nachbargemeinden Wiltingen und<br />
Pellingen als auch überregionale historische Forschungen. So<br />
findet man die Bil<strong>der</strong> und Forschungsergebnisse von Oberemmel<br />
in einem 2005 erschienenen Band über die Synagogen<br />
von Rheinland-Pfalz. Der Bericht über einen Besuch beim<br />
letzten Oberemmeler <strong>Juden</strong>, Jules Herrmann, in Céret in Südfrankreich<br />
im Jahre 1997 wurde von <strong>der</strong> Zeitschrift „Sachor“<br />
in Bad Kreuznach gedruckt. Bibliographische Angaben <strong>zur</strong><br />
<strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> Oberemmeler <strong>Juden</strong> sind mittlerweile in verschiedenen<br />
deutschen, belgischen und israelischen Forschungseinrichtungen<br />
zu finden. Gewürdigt wurden die Forschungen<br />
<strong>zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> von Oberemmel auch im<br />
von Dr. Reiner Nolden im Jahre 2010 neu her<strong>aus</strong>gegebenen<br />
163
Gedenkbuch für die <strong>Juden</strong> <strong>aus</strong> <strong>Trier</strong> und dem <strong>Trier</strong>er Land mit<br />
dem Titel <strong>Trier</strong> vergisst nicht.<br />
Die Ergebnisse <strong>der</strong> Forschungsarbeiten in Architektur von<br />
Robert Reichard und Thomas Heidenblut zu den ehemaligen<br />
Synagogen im Landkreis <strong>Trier</strong> fanden Eingang in die Gesamtdarstellung<br />
ehemaliger Synagogen in Rheinland-Pfalz. Ergebnisse<br />
unserer Gedenkarbeit finden sich auch in einer wissenschaftlichen<br />
Arbeit von Petra Gouverneur, vorgelegt an <strong>der</strong><br />
Universität Koblenz.<br />
Über die rein wissenschaftlichen Ergebnisse hin<strong>aus</strong> stellen<br />
die intensiven menschlichen Begegnungen mit ehemaligen<br />
jüdischen Bürgern <strong>der</strong> Region den höchsten Wert dar. Im Mai<br />
2010 besuchte Rick Cornfeld <strong>aus</strong> St. Louis in den USA, ein<br />
Nachfahre <strong>der</strong> Familie Samuel Herrmann, den Ort Oberemmel.<br />
Im Juni 2012 erkundete eine Gruppe <strong>aus</strong> Israel, Nachfahren<br />
<strong>der</strong> Familie Kahn <strong>aus</strong> Konz und Könen, die ehemaligen<br />
jüdischen Orte im Umfeld von Konz. Frau Babette Levy-Daskin<br />
<strong>aus</strong> St. Louis in den USA entdeckte im September 2012<br />
den Grabstein ihrer Urgroßmutter Elise Herrmann, geb. Bermann,<br />
auf dem jüdischen Friedhof in Oberemmel. Kontakte<br />
via Skype zu Alice Resseguie in Eugene, USA, und Miriam<br />
Neumeier in Petach Tikva, Israel, sind noch zu ergänzen.<br />
Neue Ergebnisse <strong>zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> von Oberemmel<br />
gehen zum Teil auch auf die intensive Recherche <strong>zur</strong> „<strong>Geschichte</strong><br />
<strong>der</strong> <strong>Juden</strong> von Könen“ <strong>zur</strong>ück. Das im Jahre 2005 im<br />
Auftrag des „För<strong>der</strong>vereins Synagoge Könen e.V.“ her<strong>aus</strong>gegebene<br />
Buch wurde in die Reihe Ortschroniken des <strong>Trier</strong>er<br />
Landes aufgenommen.<br />
Im Jahre 2006 veröffentlichte Alois Jäckels ein autobiographisches<br />
Buch mit dem Titel „Leben zwischen Krieg und<br />
Frieden“, in dem er – für viele heutige Bürger völlig überraschend<br />
- den Ablauf <strong>der</strong> Reichspogromnacht in Oberemmel als<br />
Augenzeuge beschreibt. Es ist nicht <strong>aus</strong>zuschließen, dass noch<br />
weitere bisher unbekannte historisch relevante Ergebnisse<br />
entdeckt werden, z.B. infolge des erst vor kurzem freigegebe-<br />
164
nen Archivmaterials <strong>aus</strong> dem Berlin Document - Center und<br />
des „Internationalen Suchdienstes“ in Arolsen.<br />
Am 20. November 2007 wurden die ersten Stolpersteine<br />
vor dem ehemaligen Wohnh<strong>aus</strong> <strong>der</strong> Familie Jakob Herrmann<br />
in <strong>der</strong> Brotstraße in Oberemmel verlegt. Die Aktion „Stolpersteine“<br />
geht auf den Kölner Künstler Demnig <strong>zur</strong>ück, <strong>der</strong> bereits<br />
in Deutschland T<strong>aus</strong>ende Stolpersteine verlegt hat, die an<br />
die ehemaligen jüdischen Bürger, die von den Nationalsozialisten<br />
ermordet wurden o<strong>der</strong> vor ihnen flohen, erinnern. Die<br />
für die diese Aktion notwendigen biographischen Erkenntnisse<br />
<strong>zur</strong> Familie Jakob Herrmann sind ebenfalls das Resultat <strong>der</strong><br />
Erforschung jüdischer Ortsgeschichte. Zur Stolpersteinverlegung<br />
für Mathilde und Marianne Levy in Konz erschien eine<br />
Broschüre mit den wichtigsten biographischen Daten.<br />
Inzwischen liegt auch eine Biographie von dem <strong>aus</strong> <strong>Wawern</strong><br />
stammenden <strong>Trier</strong>er Oberrabbiner Joseph Kahn 1809-<br />
1875 vor. Dem Zufall zu verdanken ist die Entdeckung <strong>der</strong><br />
<strong>Trier</strong>er Lyrikerin Elise Haas, von <strong>der</strong> eine Werk<strong>aus</strong>gabe vorgelegt<br />
werden konnte. Ebenfalls als ein Ergebnis <strong>der</strong> regionalen<br />
Forschung stellt das 2012 erschienene Buch über die jüdische<br />
Schule <strong>der</strong> Region dar, in dem auch die jüdische Schule<br />
<strong>der</strong> Region Konz thematisiert wird.<br />
Zur <strong>Trier</strong>er Lyrikerin Elise Haas fand 2011 in <strong>der</strong> Bibliothek<br />
<strong>der</strong> Universität <strong>Trier</strong> eine mehrmonatige Ausstellung<br />
statt, von <strong>der</strong> <strong>der</strong> SWR einen TV-Beitrag <strong>aus</strong>strahlte. Die Stadt<br />
Mainz nahm Elise Haas in ihrem Frauenkalen<strong>der</strong> 2012 auf. Zu<br />
Elise Haas fanden Vorträge in <strong>Trier</strong>, Luxemburg, in Blieskastel<br />
und in Wiltingen statt.<br />
Im November wurde die von Frau Dr. Pascale Eberhard<br />
entwickelte Ausstellung <strong>zur</strong> ersten deutsch-luxemburgischen<br />
Deportation im Jahre 1941 in <strong>der</strong> Basilika in <strong>Trier</strong> eröffnet.<br />
Zwischen 2007 und 2010 wurden in <strong>der</strong> Synagoge <strong>Wawern</strong><br />
vier Klezmer-Konzerte des Künstlers Eisel veranstaltet, die<br />
gut besucht waren.<br />
Öffentliche Vorträge <strong>zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> <strong>der</strong> Region<br />
Konz-<strong>Trier</strong> fanden in <strong>der</strong> Stiftskurie St. Paulin, in <strong>der</strong> Stadt-<br />
165
ibliothek Konz und <strong>Trier</strong>, in <strong>der</strong> Katholischen Akademie<br />
<strong>Trier</strong>, in <strong>der</strong> deutschen evangelischen Gemeinde in Luxemburg,<br />
im Bürgerh<strong>aus</strong> in Oberemmel, in <strong>der</strong> Reha Blieskastel<br />
und im Hotel Euchariushof in Konz-Obermennig statt.<br />
Für November 2013 hat die Volkshochschule Hermeskeil<br />
einen Vortrag zum Antisemitismus in <strong>der</strong> Region <strong>Trier</strong> in ihr<br />
Programm aufgenommen.<br />
Einzelne Beiträge zu unseren Forschungen in <strong>der</strong> Region<br />
Konz wurden vom Schellemann in Hermeskeil, im Jahrbuch<br />
des Landkreises <strong>Trier</strong>-Land und jüngst im Heimatbuch des<br />
Kreises Bitburg-Prüm veröffentlicht.<br />
Neuere Schriften <strong>aus</strong> dem Jahre 2012 befassen sich mit<br />
dem Antisemitismus <strong>der</strong> Region <strong>Trier</strong> und den Berichten über<br />
die Region <strong>Trier</strong> in <strong>der</strong> amerikanischen jüdischen Zeitschrift<br />
„Aufbau“ zwischen 1945 und 2005 sowie mit <strong>der</strong> Spiegelung<br />
<strong>der</strong> vatikanischen „<strong>Juden</strong>erklärung“ im „Aufbau“.<br />
Im Stadium <strong>der</strong> Vorbereitung befindet sich eine Materialsammlung<br />
<strong>zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> von Konz.<br />
Obwohl gegenwärtig viele Bürger erkennen, dass die Erinnerung<br />
an die jüdische <strong>Geschichte</strong> vor Ort bedeutsam ist, zeigen<br />
sich immer noch unterschiedlich motivierte Abwehrreaktionen<br />
gegenüber dieser Thematik. Während die einen eine<br />
„Überfütterung“ als Grund nennen, ist bei an<strong>der</strong>en kaum verdeckter<br />
Antisemitismus wie<strong>der</strong> zu beobachten, auch bei jüngeren<br />
Menschen. Offenbar steigt die Zahl <strong>der</strong>er, die rechtes Gedankengut<br />
billigen und gedankenlos rechtfertigen. Im Einzelfall<br />
konnte auch rechthaberisches Verteidigen falscher Aussagen<br />
festgestellt werden. Umso bedeutsamer ist das Erinnern an<br />
die Schattenseiten <strong>der</strong> dörflichen <strong>Geschichte</strong>. Eine beson<strong>der</strong>e<br />
Form <strong>der</strong> Abwehrreaktion belasteter dörflicher Vergangenheit<br />
stellt das Nicht-Wahr-haben-Wollen des Faktischen dar.<br />
Der „För<strong>der</strong>verein ehemalige Synagoge Könen e.V.“ hatte<br />
sich das Ziel gesetzt, zu informieren und zu erinnern. An diesem<br />
Ziel über zehn Jahre gearbeitet zu haben, ist das bleibende<br />
Verdienst dieser Initiative. Lei<strong>der</strong> ist es nicht gelungen, die<br />
166
ehemalige Synagoge Könen zu erwerben und zu einem dauernden<br />
Gedenkort umzugestalten.<br />
Die Aufgabe, an die ehemaligen jüdischen Gemeinden <strong>der</strong><br />
Region zu erinnern, bleibt bestehen, auch wenn unser Verein<br />
nicht mehr existiert. Zu wünschen ist, dass an<strong>der</strong>e Personen<br />
die Verantwortung dieser Thematik spüren und verwirklichen.<br />
167
Quellen [<strong>Wawern</strong>]:<br />
1. Alemannia Judaica, Suchbegriff <strong>Wawern</strong><br />
2. Aufbau 1950-2005 (http://archive.org/details/aufbau/)<br />
3. Bundesgedenkbuch<br />
4. Database Yad Vashem<br />
(http://db.yadvashem.org/names/search.html?language=en)<br />
5. Datenbank: Luxembourg_escapes<br />
6. Datenbank: Luxembourg_notes<br />
7. Datenbank: ushmm.org<br />
8. http://dutchjewry.org/inmemoriam/inmemoriam_list.php<br />
9. Eberhard, Pascale: Die Reichspogromnacht 1938 in <strong>Wawern</strong>, in:<br />
Jahrbuch des Kreises <strong>Trier</strong>-Saarburg 2009, S. 244-255<br />
10. dies.: Der Überlebenskampf jüdischer Deportierter <strong>aus</strong> Luxemburg<br />
und <strong>der</strong> Region <strong>Trier</strong> im Ghetto Litzmannstadt, Saarbrücken<br />
2012<br />
11. Gedenkbuch Wuppertal<br />
12. Körtels, Willi: Oberrabbiner Joseph Kahn 1809-1875. Eine biographische<br />
Skizze, Konz 2010<br />
13. <strong>der</strong>s.: Die jüdische Schule <strong>der</strong> Region <strong>Trier</strong>, Konz 2012<br />
14. Schnitzler, Thomas: „Das Leben ist ein Kampf“ Marianne Elikan -<br />
verfolgte des Nazi-Regimes, <strong>Trier</strong> 2008<br />
15. Schwer, Edgar: Was ist <strong>aus</strong> Ihnen geworden? Spurensuche nach<br />
jüdischen Mitbürgern in <strong>der</strong> Exilzeitschrift „Aufbau“ 1940-1950,<br />
Otzenh<strong>aus</strong>en 2011<br />
16. Synagoge und H<strong>aus</strong> Hirschkorn [<strong>Wawern</strong>] nach <strong>der</strong> Restaurierung<br />
1995, in: Neue Nutzung in alten Gebäuden ein Wettbewerb<br />
im ländlichen Raum o.J., S. 43-46<br />
17. <strong>Trier</strong>ische Landeszeitung vom 6.11.1973<br />
18. <strong>Trier</strong> vergisst nicht. Gedenkbuch für die <strong>Juden</strong> <strong>aus</strong> <strong>Trier</strong> und<br />
dem <strong>Trier</strong>er Land, <strong>Trier</strong> 2010<br />
168
Fotonachweis<br />
1. Projektteilnehmer auf dem jüdischen Friedhof 7<br />
Oberemmel [Willi Körtels]<br />
2. Projektteilnehmer vor <strong>der</strong> ehemaligen Synagoge 8<br />
<strong>Wawern</strong> [Projektteilnehmer]<br />
3. Frontansicht <strong>der</strong> ehemaligen Synagoge <strong>Wawern</strong> 11<br />
[Willi Körtels]<br />
4. Seitenansicht [Willi Körtels] 12<br />
5. Detail am Garagentor [Willi Körtels] 12<br />
6. Giebelansicht [Willi Körtels] 13<br />
7. Hundezwinger [Willi Körtels] 14<br />
8. Innensicht [Willi Körtels] 14<br />
9. Projektgruppe 1987 [Projektteilnehmer] 18<br />
10. Projektgruppe mit Pastor Dehn in Konz [Willi Körtels] 19<br />
11. Stolpersteine in Konz [Willi Körtels] 20<br />
12. Louis Meyer, <strong>Wawern</strong> [Yad Vashem] 40<br />
13. Eduard Wolf, <strong>Wawern</strong> [Yad Vashem] 40<br />
14. Norbert Hirschkorn, <strong>Wawern</strong>/<strong>Trier</strong> [TV, <strong>Trier</strong>] 41<br />
15. Marianne Elikan-Reusch, <strong>Wawern</strong>/Saarlouis [Thomas 41<br />
Schnitzler]<br />
16. Ehemalige jüdische Schule <strong>Wawern</strong> [Willi Körtels] 46<br />
Quellen und Literatur <strong>zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> in <strong>der</strong><br />
Region Konz-<strong>Trier</strong>:<br />
1. Altmann, Alexan<strong>der</strong>: Adolf Altmann (1879-1944) A Filial Memoir,<br />
in: The Leo-Baeck-Year Book 1981, S. 145-167<br />
2. Amtliches Schulblatt für den Regierungsbezirk <strong>Trier</strong> 1934<br />
3. Andres, Stefan: Der Knabe im Brunnen, München 1998<br />
4. Bauer, Uwe F.W., Bühler, Marianne: Steine über dem Fluss.<br />
Jüdische Friedhöfe an <strong>der</strong> Mosel, <strong>Trier</strong> 2002<br />
5. Bollmus, Reinhard: <strong>Trier</strong> und <strong>der</strong> Nationalsozialismus, in: <strong>Trier</strong> in<br />
<strong>der</strong> Neuzeit, hrsg. von Kurt Düwell und Franz Irsigler, Bd. 3, 2.<br />
169
Auflage <strong>Trier</strong> 1996, S. 562-568, 591-612<br />
6. Bühler, Marianne: Jüdische Schulen in <strong>Trier</strong> im Laufe <strong>der</strong> <strong>Geschichte</strong>,<br />
unveröffentlichtes Manuskript, Stand Mai 2006<br />
7. dies.: Die jüdische Gemeinde <strong>Trier</strong>s <strong>zur</strong> Zeit <strong>der</strong> Franzosen (Manuskript<br />
12.11.04)<br />
8. Centre du Documentation de Luxembourg (Daten<strong>aus</strong>zug „Geburtsort<br />
Könen“ vom 26.10.2004)<br />
9. Christoffel, Edgar: Der Weg durch die Nacht, <strong>Trier</strong> 1983<br />
10. Compactmemory. Internetarchiv jüdischer Periodika (compactmemory.de)<br />
11. Corbach, Dieter: 6.00 Uhr ab Messe Köln-Deutz. Deportationen<br />
1938-1945, Köln 1999<br />
12. Dasbach, Georg Friedrich: Der Wucher im trierischen Lande,<br />
<strong>Trier</strong> 1887<br />
13. Die nationalsozialistische <strong>Juden</strong>verfolgung im Gebiet des heutigen<br />
Rheinland-Pfalz, Bad Kreuznach 2002 (PZ-Information<br />
4/2002)<br />
14. Dokumentation <strong>zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> jüdischen Bevölkerung in<br />
Rheinland-Pfalz und im Saarland von 1800 bis 1945, hrsg. von<br />
<strong>der</strong> Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz in Verbindung mit<br />
dem Landesarchiv Saarbrücken, Band 5, Koblenz 1975, Bd. 7,<br />
Bd. 9, Boppard 1967, Bd. 9.3, Koblenz 1982<br />
15. Dr. Adolf Altmann zum Gedenken, hrsg. vom Presse- und Informationsamt<br />
<strong>der</strong> Stadt <strong>Trier</strong>, o.J.<br />
16. Eberhard, Pascale: Die Reichspogromnacht 1938 in <strong>Wawern</strong>, in:<br />
Jahrbuch des Kreises <strong>Trier</strong>-Saarburg 2009, S. 244-255<br />
17. Erschens, Hermann: <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> ehemaligen <strong>Juden</strong>gemeinde<br />
in Leiwen, Tritten-heim 1993<br />
18. ...et wor alles net esou einfach. Questions sur le Luxembourg et<br />
la Deuxieme Guerre mondiale. Fragen an die <strong>Geschichte</strong> Luxemburgs<br />
im Zweiten Weltkrieg, Luxemburg 2002<br />
19. Eberhard, Pascale: Der Überlebenskampf jüdischer Deportierter<br />
<strong>aus</strong> Luxemburg und <strong>der</strong> Region <strong>Trier</strong> im Ghetto Litzmannstadt,<br />
170
Saarbrücken 2012<br />
29. Familienbuch 2 Pfarrei St. Aper Wasserliesch (Manuskript)<br />
21. Gedenkbuch Opfer <strong>der</strong> Verfolgung <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> unter <strong>der</strong> nationalsozialistischen<br />
Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945,<br />
Bd. II, Berlin 2006<br />
22. Griesang, Marcel: Vom Boykott <strong>zur</strong> Enteignung. Die wirtschaftliche<br />
und gesellschaftliche Ausschaltung <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> im Gebiet des<br />
heutigen Rhein-Hunsrück-Kreises, Argenthal 2010<br />
23. <strong>Geschichte</strong> des Bistums <strong>Trier</strong>, Bd. IV., hrsg. von Bernhard<br />
Schnei<strong>der</strong> und Martin Persch, 1. Auflage, <strong>Trier</strong> 2004<br />
24. Heumann, Hugo: Erlebtes-Erlittenes. Von Mönchengladbach<br />
über Luxemburg nach Theresienstadt. Tagebuch eines deutschjüdischen<br />
Emigranten, Mersch/Luxemburg 2007<br />
25. Haller, Annette: Der Jüdische Friedhof an <strong>der</strong> Weidegasse in<br />
<strong>Trier</strong>, <strong>Trier</strong> 2003<br />
26. Heidt, Günter/ Lennartz, Dirk S.: Fast vergessene Zeugen. <strong>Juden</strong><br />
in Freudenburg und im Saar-Mosel-Raum 1321-1943, Nor<strong>der</strong>stedt<br />
2000<br />
27. Hepp, Michael, Hrsg.: Die Ausbürgerung deutscher Staatsangehöriger<br />
1933-1945 nach den im Reichsanzeiger veröffentlichten<br />
Listen, München, New York, London, Paris 1985<br />
28. Heyen, Franz Josef: Nationalsozialismus im Alltag, Koblenz 1982<br />
29. Jacobs, Jacques: Existenz und Untergang <strong>der</strong> alten <strong>Juden</strong>gemeinde<br />
<strong>der</strong> Stadt <strong>Trier</strong>, <strong>Trier</strong> 1984<br />
30. <strong>Juden</strong> in <strong>Trier</strong>. Katalog einer Ausstellung von Stadtarchiv und<br />
Stadtbibliothek <strong>Trier</strong> März – November 1988 unter Mitwirkung<br />
von Horst Mühleisen und Bernhard Simon, bearbeitet von Reiner<br />
Nolden, <strong>Trier</strong> 1988<br />
31. Kaiser, Katharina/H<strong>aus</strong>er, Christoph: „hamma neischt ze handeln?“.<br />
Jüdischer Viehhandel im Saarburger Land, <strong>aus</strong>:<br />
www.irsch-saar.de/viehhandel (24.4.05)<br />
32. Kasper-Holtkotte, Cilli: <strong>Juden</strong> im Aufbruch. Zur Sozialgeschichte<br />
171
einer Min<strong>der</strong>heit im Saar-Mosel-Raum um 1800, Hannover 1996<br />
33. Koltz, Jean Pierre: Die geschichtlichen Verbindungen zwischen<br />
Luxemburg und <strong>Trier</strong>, <strong>Trier</strong> o.J.<br />
34. Körtels, Willi. Die <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> von Oberemmel, Kell am<br />
See 1996<br />
35. <strong>der</strong>s.: Die <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> von Könen, Konz 2005<br />
36. <strong>der</strong>s.: Elise Haas. Eine Lyrikerin <strong>aus</strong> <strong>Trier</strong>, Konz 2008<br />
37. <strong>der</strong>s.: Stolpersteine in Oberemmel, Brotstraße 3, Konz 2007<br />
38. <strong>der</strong>s.: Stolpersteine in Konz, Martinstraße 17, Konz 2008<br />
39. <strong>der</strong>s.: Oberrabbiner Joseph Kahn 1809-1875. Eine biographische<br />
Skizze, Konz 2009<br />
40. Lindner, Erik: Deutsche <strong>Juden</strong> in <strong>der</strong> Revolution von 1848/49.<br />
Barrikadenkämpfer, radikale Demokraten, gemäßigte Parlamentarier<br />
und Monarchisten, in: „Der schlimmste Punkt in <strong>der</strong> Provinz“<br />
Demokratische Revolution 1848/49 in <strong>Trier</strong> und Umgebung.<br />
Katalog-Handbuch, Her<strong>aus</strong>gegeben von Elisabeth Dühr, S.<br />
622-642<br />
41. Marx, Albert: Die <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> im Saarland. Vom Ancien<br />
Régime bis zum Zweiten Weltkrieg, Saarbrücken 1992<br />
42. Mergen, Josef: Die Amerika-Auswan<strong>der</strong>ung <strong>aus</strong> dem Regierungsbezirk<br />
<strong>Trier</strong>, hrsg. Von Reiner Nolden, <strong>Trier</strong> 1965<br />
43. Monz, Heinz: Samuel Hirsch (1815-1889) Ein jüdischer Reformator<br />
<strong>aus</strong> dem Hunsrück, in: Weirich, Hilde und Kr<strong>aus</strong>e, Winfried:<br />
Beiträge <strong>zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> von Thalfang, Spiesen-<br />
Elversberg 1995<br />
44. <strong>der</strong>s.: Zur <strong>Trier</strong>er <strong>Juden</strong>petition des Jahres 1843, in: Landeskundliche<br />
Vierteljahresblätter Nr. 29, 1983, S. 45-53<br />
45. Morbach, Johann: Chronik <strong>der</strong> Gemeinde Könen. Zusammengetragen<br />
in den Jahren 1936-1950<br />
46. Neue Adresse: Kaiserstraße. 50 Jahre Synagoge <strong>Trier</strong>. Festschrift,<br />
Hrsg. Von Reinhold Bohlen und Benz Botmann, <strong>Trier</strong><br />
2007<br />
47. Persch, Martin: Spurensuche-Spurensicherung. Vom Einsatz<br />
<strong>Trier</strong>er Bistumsgeistlicher für die jüdischen Mitbürger 1933-<br />
1945, in: Kurtrierisches Jahrbuch Nr. 36, 1996, S. 303-317<br />
172
48. Rothenberger, Heinz/Schuhn, Werner: Der Nationalsozialismus<br />
im <strong>Trier</strong>er Land, in: Beiträge <strong>zur</strong> <strong>Trier</strong>ischen Landeskunde. Unterrichtsmaterialien<br />
für <strong>Geschichte</strong> und Geographie, hrsg. Von<br />
Leo Friedrich u.a., <strong>Trier</strong> 1979<br />
49. Schnitzler, Thomas (Hrsg.): „Das Leben ist ein Kampf“ Marianne<br />
Elikan – Verfolgte des Nazi-Regimes, <strong>Trier</strong> 2008<br />
50. Schuler, Werner: Bericht über einen Schul<strong>aus</strong>flug nach Saarburg,<br />
Festschrift zum 75. jährigen Jubiläum <strong>der</strong> Grundschule St.<br />
Matthias 1989<br />
51. Stattführer. <strong>Trier</strong> im Nationalsozialismus, Hrsg. von Thomas<br />
Zuche, <strong>Trier</strong> 1996<br />
52. Synagogen im Landkreis <strong>Trier</strong>-Saarburg. Denkmalgerechtes<br />
Bauen. Bearbeitet von Doz. Prof. Helmut Schmidt, Robert<br />
Reichard und Thomas Heidenblut (unveröffentlichte Seminararbeit)<br />
<strong>Trier</strong> 1998<br />
53. <strong>Trier</strong>er Biographisches Lexikon, hrsg. von Heinz Monz, <strong>Trier</strong><br />
2000<br />
54. „...und dies ist die Pforte des Himmels“ Synagogen in Rheinland-<br />
Pfalz/Saarland, Mainz 2005<br />
55. Vorläufiges Gedenkbuch für die <strong>Juden</strong> von <strong>Trier</strong> 1938-1943,<br />
zusammengestellt von Reiner Nolden, 2. überarbeitete und<br />
korrigierte Auflage <strong>Trier</strong><br />
56. Weirich, Hilde/ Kr<strong>aus</strong>e, Winfried: Beiträge <strong>zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Juden</strong> in Thalfang, Spiesen-Elversberg 1995<br />
57. Weirich, Hilde: <strong>Juden</strong> in Hottenbach und Stipsh<strong>aus</strong>en. Eine Spurensuche,<br />
Fronhofen 1998<br />
58. Zenz, Dr. Emil. Wie wählten die Bewohner des <strong>Trier</strong>er Raumes in<br />
den Schicksalsjahren 1932 und 1933. in: Jahrbuch des Landkreises<br />
<strong>Trier</strong>-Saarburg 1980, S. 225- 230<br />
59. Zenz, Emil: Die Stadt <strong>Trier</strong> im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t. 1.Hälfte 1900-<br />
1950, <strong>Trier</strong> 1981<br />
173
Literatur <strong>zur</strong> <strong>Geschichte</strong> <strong>der</strong> <strong>Juden</strong> in <strong>der</strong> Region Konz<br />
Konz 2008;<br />
zu beziehen in <strong>der</strong> Buchhandlung Kolibri, Konz.<br />
Konz 2005,<br />
zu beziehen in <strong>der</strong> Buchhandlung Kolibri, Konz.<br />
Konz 2012<br />
Zu beziehen in <strong>der</strong> Buchhandlung Kolibri, Konz<br />
174
Weitere Empfehlungen:<br />
1. Körtels, Willi: Die Region <strong>Trier</strong> im Spiegel <strong>der</strong> amerikanischen Zeitschrift<br />
„Aufbau“, Konz 2012<br />
2. <strong>der</strong>s.: Die „<strong>Juden</strong>erklärung“ des Zweiten Vatikanischen Konzils 1962-65<br />
im Spiegel <strong>der</strong> Zeitschrift „Aufbau“, Konz 2012<br />
3. <strong>der</strong>s.: Anmerkungen zum neuzeitlichen Antisemitismus in <strong>der</strong> Region <strong>Trier</strong><br />
und die jüdische Reaktion, Konz 2012<br />
4. <strong>der</strong>s.: Gertrud Luckner im „Aufbau“, Konz 2012<br />
5. <strong>der</strong>s.: Die jüdische Schule in <strong>der</strong> Region <strong>Trier</strong>, Konz 2012<br />
175