28.04.2014 Aufrufe

TEIL ANALYSIS Friedrich Liese 10. Juli 2013 - Fachbereich ...

TEIL ANALYSIS Friedrich Liese 10. Juli 2013 - Fachbereich ...

TEIL ANALYSIS Friedrich Liese 10. Juli 2013 - Fachbereich ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Universität Rostock<br />

Institut für Mathematik<br />

VORKURS MATHEMATIK: <strong>TEIL</strong> <strong>ANALYSIS</strong><br />

<strong>Friedrich</strong> <strong>Liese</strong><br />

<strong>10.</strong> <strong>Juli</strong> <strong>2013</strong><br />

1


Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

1 Das Rechnen im Bereich der reellen Zahlen 4<br />

1.1 Reelle Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

1.2 Rechenregeln: Vertauschungs-und Klammerregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

1.3 Bruchrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

1.4 Rechnen mit Ungleichungen und Beträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

2 Potenzen, Wurzeln und Logarithmen 12<br />

2.1 Potenzen mit ganzzahligen Exponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

2.2 Binomialkoeffizient, binomischer Lehrsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

2.2.1 Binomial-Koeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

2.2.2 Binomischer Lehrsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

2.3 Potenzen mit rationalen und irrationalen Exponenten . . . . . . . . . . . . . . . . . 17<br />

2.4 Logarithmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

3 Reelle Funktionen 20<br />

3.1 Definition und Darstellung von reellen Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />

3.2 Qualitative Eigenschaften reeller Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

3.2.1 Beschränktheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25<br />

3.2.2 Monotonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />

3.2.3 Gerade und ungerade Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />

3.2.4 Periodische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />

3.2.5 Stetigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29<br />

3.2.6 Mittelbare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

3.2.7 Vererbung qualitativer Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31<br />

3.2.8 Umkehrfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

4 Elementare Funktionen 33<br />

4.1 Polynome und rationale Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />

4.2 Gebrochen-rationale Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34<br />

4.3 Potenzfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />

4.4 Exponential-und Logarithmusfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

4.5 Trigonometrische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />

4.6 Arkusfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39<br />

4.7 Weitere elementare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />

4.8 Gleichungen und Ungleichungen für elementare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . 40<br />

4.8.1 Lineare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40<br />

4.8.2 Quadratische Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />

4.8.3 Weitere Gleichungen für elementare Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />

4.9 Numerische Lösungen von Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />

5 Differentialrechnung 46<br />

5.1 Der Begriff der Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />

5.2 Monotonie und Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />

5.3 Extremstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51<br />

5.4 Konvexität, Konkavität, Wendepunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />

5.5 Kurvendiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54<br />

2


Inhaltsverzeichnis<br />

6 Integralrechnung 55<br />

6.1 Bestimmtes Integral . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />

6.2 Hauptsatz der Differential-und Integralrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56<br />

6.3 Berechnung unbestimmter und bestimmter Integrale . . . . . . . . . . . . . . . . . 58<br />

6.4 Flächenberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60<br />

3


1.1 Reelle Zahlen<br />

1 Das Rechnen im Bereich der reellen Zahlen<br />

1.1 Reelle Zahlen<br />

Bereits aus der Schule sind verschiedene Typen von Zahlen bekannt, die alle zu der umfassenden<br />

Menge der reellen Zahlen gehören. Wir starten mit der Menge der natürlichen Zahlen 1, 2, ... . Diese<br />

Zahlen bezeichnen in der Regel Anzahlen. Das kann die Anzahl von Personen in einem bestimmten<br />

Raum, die Anzahl der Universitäten in Deutschland oder Ähnliches sein. Die Zahl 0 bezeichnet dann<br />

z.B. die Situation, dass sich keine Person in dem betreffenden Raum befindet. Die Menge {0, 1, 2, ...}<br />

ist die Menge der natürlichen Zahlen, die wir stets mit N bezeichnen. Nimmt man die negativen Zahlen<br />

−1, −2, ... hinzu, so erhält man alle ganzen Zahlen<br />

G = {..., −3, −2 − 1, 0, 1, 2, 3, ...}.<br />

Wir haben hierbei die geschweiften Klammern {....} als Symbol für eine Menge verwendet. Es handelt<br />

sich also hier und im Weiteren um die Menge der Elemente, die in der geschweiften Klammer aufgeführt<br />

sind. Die nächste größere Klasse sind die so genannten rationalen Zahlen, die man als Quotient von<br />

ganzen Zahlen erhält, wo der Nenner natürlich nicht Null sein darf. Will man z.B. 2 Pizzen gerecht<br />

zwischen drei Personen aufteilen, so erhält jede Person 2 3<br />

einer Pizza. Wir können rationale Zahlen<br />

auch als Dezimalbruch schreiben. Es gilt z.B.<br />

1<br />

4 = 0, 25; 2<br />

3 = 0, 6666.... , 117<br />

−481<br />

= −0, 243243243...<br />

Wir sehen also, dass rationale Zahlen stets darstellbar sind als abbrechende Dezimalzahlen oder als<br />

unendliche aber periodische Dezimalzahlen, wobei prinzipiell jede natürliche Zahl als Periode auftreten<br />

kann. Darüber hinaus gibt es auch reelle Zahlen, die nicht so darstellbar sind, also keine rationalen<br />

Zahlen sind. So ist z.B. √ 2 keine rationale Zahl. Weitere Beispiele sind die Kreiszahl π, deren<br />

Anfangsziffern gegeben sind durch 3, 1415927 und die Eulersche Zahl e, deren erste Ziffern lauten<br />

2, 7182818. Solche nicht abbrechenden oder nicht periodischen Dezimalzahlen nennt man irrationale<br />

Zahlen. Die rationalen und die irrationalen Zahlen bilden zusammen die Menge R der reellen Zahlen.<br />

Eine anschauliche Vorstellung von den reellen Zahlen gewinnt man mittels der Zahlengeraden. Das ist<br />

eine horizontale Strecke, auf der der Nullpunkt fixiert ist und von dort eine Einheitsstrecke abgetragen<br />

ist, womit die Zahl 1 festgelegt ist. Alle anderen Zahlen sind dann auf dieser Geraden fixiert. Ganze<br />

Zahlen haben einen Abstand vom Nullpunkt, der ein ganzzahliges Vielfaches der Länge der Einheitsstrecke<br />

ist. Unterteilt man die Einheitsstrecke in q Strecken gleicher Länge, so hat jede dieser Strecken<br />

die Länge 1 q . Fügt man p dieser kleinen Strecken zusammen, so hat die neue Strecke die Länge p q .<br />

Rationale Zahlen entstehen also durch Zerlegen von großen Strecken in kleine gleichlange Strecken<br />

und durch Zusammenfügen dieser kleinen Strecken. Wir fassen unsere Betrachtungen zusammen.<br />

Reelle Zahlen sind Punkte auf der Zahlengeraden. Sie können ganzzahlig, rational oder irrational sein.<br />

Alle reellen Zahlen können als Dezimalzahlen geschrieben werden, die entweder endlich viele oder<br />

unendlich viele Ziffern hat. Eine Zahl ist genau dann rational, wenn sie als Dezimalzahl mit endlich<br />

vielen Ziffern oder als periodische Dezimahlzahl geschrieben werden kann. Irrationale Zahlen haben<br />

unendlich viele Stellen, die nicht periodisch auftreten. Wichtige Beispiele sind Wurzeln, die Kreiszahl<br />

π und die Eulersche Zahl e.<br />

1.2 Rechenregeln: Vertauschungs-und Klammerregeln<br />

Im Bereich R der reellen Zahlen sind die vier Grundrechenarten erklärt. Das sind die Addition, die Subtraktion,<br />

die Multiplikation und die Division mit Ausnahme der Null. Beim Ausführen dieser Rechenoperationen<br />

treten bestimmte Gesetzmäßigkeiten auf, die zu beachten sind. Es gilt z.B. 3 + 4 = 4 + 3<br />

4


1.2 Rechenregeln: Vertauschungs-und Klammerregeln<br />

oder 3 · 4 = 4 · 3. Die linke Seite der ersten Gleichung besagt, dass man ausgehend von der Zahl<br />

3 auf der Zahlengeraden vier Einheitsschritten nach rechts geht. Die rechte Seite besagt, dass man<br />

beginnend mit 4 drei Schritte nach rechts geht. Man gelangt immer zur Zahl 7. Um solche und ähnliche<br />

Aussagen allgemein, knapper und in übersichtlicher Form formulieren zu können, arbeitet man<br />

mit allgemeinen Zahlen (Buchstaben), die dann alle möglichen Werte annehmen können. Nur durch<br />

das Rechnen mit allgemeinen Zahlen gelangt man in der Mathematik zu allgemein gültigen Aussagen.<br />

Wir erinnern zunächst an die so genannten Kommutativgesetze oder Vertauschungsgesetze. Es gilt<br />

3 + 7 = 7 + 3 = 10 und 3 · 7 = 7 · 3 = 21. Allgemein formuliert führen diese Aussagen zu den<br />

Kommutativgesetzen der Addition und der Multiplikation<br />

a + b = b + a, a, b ∈ R<br />

a · b = b · a, a, b ∈ R.<br />

Hierbei bedeutet a, b ∈ R, dass die entsprechende Aussage für alle reellen Zahlen a, b gelten soll.<br />

Die oben formulierten Kommutativgesetze gelten nicht nur für zwei Summanden oder Faktoren, sondern<br />

auch für eine größere Anzahl von Summanden und Faktoren.<br />

Beispiele: 1.<br />

x + y + a + 5 = 5 + x + y + a = a + y + 5 + x ,<br />

weitere Gleichheiten könnte man hinzufügen.<br />

2. Kommutativgesetze werden verwendet, um gleichnamige Glieder zusammenzufassen. Es gilt<br />

und<br />

2 + x + a + 5 + 3x + 4a = 7 + 4x + 5a<br />

6abx · 7 = 6 · 7 · abx = 42abx.<br />

Der Malpunkt · kann geschrieben oder weggelassen werden. Wenn man konkrete Zahlen am Ende hat<br />

wird er in der Regel geschrieben: 6ac · 7 bzw. man setzt eine Klammer (6ac)7. Auch bei gleichen<br />

Faktoren schreibt man den Malpunkt: a · x · x · a = a 2 · x 2 .<br />

Weitere Gesetze sind die Assoziativgesetze der Addition und der Multiplikation<br />

(a + b) + c = a + (b + c), a, b, c ∈ R<br />

(ab)c = a(bc), a, b, c ∈ R.<br />

Das Assoziativgesetz der Addition besagt inhaltlich, dass es bei der Addition von drei reellen Zahlen<br />

gleichgültig ist, ob man zuerst die beide ersten Zahlen addiert und danach die dritte Zahl addiert oder<br />

zuerst die beiden letzten Zahlen addiert und danach die erste Zahl. Man kann also Klammern beliebig<br />

setzen und schreibt deshalb auch kürzer durch Weglassen der Klammern<br />

(a + b) + c = a + (b + c) = a + b + c, a, b, c ∈ R.<br />

Eine analoge Interpretation gilt für die Multiplikation und wir erhalten durch Weglassen der Klammern<br />

(ab)c = a(bc) = abc, a, b, c ∈ R.<br />

Die Operationen Addition und Multiplikation werden durch das Distributivgesetz miteinander verknüpft.<br />

Es lautet<br />

a(b + c) = ab + ac, a, b, c ∈ R.<br />

Das Distributivgesetz besagt, dass man einen Faktor vor einer Klammer auf beide Summanden anwenden<br />

muss. Das gilt entsprechend, wenn in der Klammer mehr als ein Summand steht.<br />

Beispiele: 1.<br />

a(b + c + d + e) = ab + ac + ad + ae, a, b, c, d, e ∈ R.<br />

5


1.2 Rechenregeln: Vertauschungs-und Klammerregeln<br />

2.<br />

3.<br />

(x 1 + x 2 + ... + x n )y = x 1 y + x 2 y + ... + x n y<br />

b(7a + 5b + c) = 7ab + 5b 2 + bc<br />

Das Distributivgesetz ist auch Grundlage für das Multiplizieren von Klammern:<br />

(a + b)(c + d) = a(c + d) + b(c + d)<br />

= ac + ad + bc + bd.<br />

Beim Ausmultiplizieren zweier in Klammern stehender Summen muss man jedes Glied der einen Klammer<br />

mit jedem Glied der anderen Klammer multiplizieren und die entstehenden Produkte addieren.<br />

Beispiele: 1.<br />

(x + 2y)(4a + 3b) = 4ax + 3bx + 8ay + 6by<br />

2.<br />

(6a + 2b + 4c)(4a + 4b + 5c) = 24a 2 + 24ab + 30ac + 8ab + 8b 2 + 10bc<br />

+16ac + 16bc + 20c 2<br />

= 24a 2 + 32ab + 46ac + 8b 2 + 26bc + 20c 2 .<br />

Das Distributivgesetz kann auch verwendet werden, um gemeinsame Faktoren auszuklammern und so<br />

Terme zu vereinfachen. Wenn ein Faktor in jedem Glied einer Summe auftritt, dann kann man diesen<br />

Faktor ausklammern.<br />

Beispiele: 1.<br />

abc + ad + 4a = a(bc + d + 4)<br />

2.<br />

2xy + 4x 2 y 2 + 8xyz = 2xy(1 + 2xy + 4z).<br />

Wir wenden uns jetzt den Vorzeichenregeln zu. Ist a eine reelle Zahl, also ein Punkt auf der Zahlengeraden,<br />

so erhält man durch Spiegelung am Nullpunkt die entgegengesetzte Zahl −a. Ist a positiv<br />

dann liegt a rechts vom Nullpunkt. Die Zahl −a ist dann negativ und liegt links der Null. Ist a negativ,<br />

so ist −a positiv. Es gelten folgende Vorzeichenregeln<br />

a − b = a + (−b)<br />

−(−a) = a<br />

(−a)b = a(−b) = −(ab) = −ab<br />

(−a)(−b) = ab.<br />

Die erste Vorzeichenregel besagt, dass man die Differenz durch Addieren der entgegengesetzten Zahl<br />

erhält. Die zweite und die vierte Regel entsprechen den Merksätzen ’Minus mal Minus ist Plus’. Der<br />

Merksatz für die dritte Regel ist ’Minus mal Plus ist Minus’. Diese Regel ist sinngemäß auch in<br />

Kombination mit dem Distributivgesetz anzuwenden.<br />

Beispiele: 1.<br />

(−3)(a + b − c) = −3a − 3b + 3c<br />

2.<br />

3.<br />

6a(−3a + 5b − c) = −18a 2 + 30ab − 6ac<br />

(x − y)(x + 2y)(a − b) = (x 2 + 2xy − xy − 2y 2 )(a − b)<br />

= (x 2 + xy − 2y 2 )(a − b)<br />

= ax 2 − bx 2 + axy − bxy − 2ay 2 + 2by 2<br />

6


1.3 Bruchrechnung<br />

Durch Ausmultiplizieren des Produktes von zwei Klammern erhält man<br />

(a + b) 2 = (a + b)(a + b) = a 2 + ab + ba + b 2<br />

= a 2 + 2ab + b 2<br />

(a − b) 2 = (a − b)(a − b) = a 2 − ab − ba + b 2<br />

= a 2 − 2ab + b 2<br />

(a + b)(a − b) = a 2 − ab + ba − b 2 = a 2 − b 2 .<br />

Zusammenfassend erhalten wir die drei binomischen Formeln.<br />

1.3 Bruchrechnung<br />

(a + b) 2 = a 2 + 2ab + b 2 1. binomische Formel<br />

(a − b) 2 = a 2 − 2ab + b 2 2. binomische Formel<br />

(a + b)(a − b) = a 2 − b 2 3. binomische Formel<br />

Zur Zeit des Rechenmeisters Adam Ries, im 16. Jahrhundert, galt die Bruchrechnung als besonders<br />

schwierig. Auch heute haben einige Menschen damit Probleme. Besonders einfach sind die Multiplikation<br />

und die Division von Brüchen:<br />

a<br />

b · c<br />

d = ac<br />

(1)<br />

bd<br />

Für die Division gilt<br />

a<br />

b<br />

c<br />

d<br />

= a b · d<br />

c = ad<br />

bc<br />

Man multipliziert Brüche, indem man Zähler und Nenner jeweils multipliziert.Man dividiert einen Bruch<br />

durch einen zweiten Bruch, indem man den ersten Bruch mit dem Kehrwert des zweiten Bruchs<br />

multipliziert.<br />

(2)<br />

Beispiele: 1.<br />

2.<br />

2(a − b)<br />

c<br />

xy<br />

a · x<br />

ab = x 2 y<br />

a 2 b<br />

: a + b<br />

c − d<br />

=<br />

2(a − b)(c − d)<br />

c(a + b)<br />

An diesem Beispiel sieht man, dass die Bruchstriche gleichzeitig die Funktion einer Klammer haben.<br />

Werden sie in ihrer Eigenständigkeit im ersten Schritt aufgehoben, so muss man Klammern setzen.<br />

Setzt man in (1) b = 1 und in (2) d = 1 bzw. b = 1 so gilt<br />

a · c<br />

d = ac<br />

d<br />

a<br />

a<br />

b : c = b<br />

c<br />

1<br />

a : b c = a<br />

1<br />

b<br />

c<br />

= a<br />

bc<br />

Man multipliziert einen Bruch mit einer Zahl, indem man den Zähler mit dieser Zahl multipliziert und<br />

den Nenner unverändert läßt. Man dividiert einen Bruch durch eine Zahl, indem man den Nenner mit<br />

dieser Zahl multipliziert und den Zähler unverändert läßt. Man dividiert eine Zahl durch einen Bruch,<br />

indem man diese Zahl mit dem Kehrwert des Bruchs multipliziert.<br />

= ac b<br />

7


1.3 Bruchrechnung<br />

Beispiele: 1.<br />

2.<br />

3.<br />

x − y<br />

x + y + x 2 − y 2<br />

y<br />

7 · 5<br />

3 = 35<br />

3<br />

x x 2 − 1<br />

y<br />

= x 3 − x<br />

y<br />

= x − y<br />

+ y<br />

+ (x − y)x<br />

x + y y<br />

1<br />

= (x − y)(<br />

x + y + x + y )<br />

y<br />

4.<br />

xy<br />

z<br />

x 2 = xy<br />

x 2 z = y<br />

xz<br />

7a + 7b<br />

a+b<br />

a−b<br />

= 7(a + b) α − b<br />

a + b<br />

= 7(a − b)<br />

Setzt man in der Regel (1) d = c, so ergeben sich die Regeln für das Kürzen und das Erweitern.<br />

ac<br />

bc = a b .<br />

Hat ein Bruch im Zähler und Nenner einen gemeinsame Faktor, so kann dieser Faktor gekürzt, d.h.<br />

weggelassen werden. In einem Bruch kann man den Zähler und den Nenner mit derselben Zahl multiplizieren,<br />

ohne den Wert zu ändern.<br />

Beispiel: 1.<br />

2.<br />

2 − x<br />

4 − x = 2 − x<br />

2 (2 − x)(2 + x) = 1<br />

2 + x<br />

a 2 + 5ab<br />

a 2 c<br />

=<br />

a(a + 5b)<br />

a(ac)<br />

= a + 5b .<br />

ac<br />

Das Erweitern von Brüchen mit −1 liefert die Vorzeichenregeln.<br />

Beispiel:<br />

− a b = (−1) · a<br />

b = −a<br />

b<br />

= 1 −1 · a<br />

b =<br />

x − y<br />

= − y − x<br />

y 2 − x 2 y 2 − x = − 2<br />

= − 1<br />

y + x<br />

a<br />

−b .<br />

y − x<br />

(y − x)(y + x)<br />

Die Addition und die Subtraktion von Brüchen ist einfach, wenn die Brüche gleiche Nenner haben.<br />

Man sagt dann auch, dass sie gleichnamig sind.<br />

a<br />

c + b c<br />

a<br />

c − b c<br />

= a + b<br />

c<br />

= a − b<br />

c<br />

8


1.3 Bruchrechnung<br />

Gleichnamige Brüche werden addiert oder subtrahiert, indem man ihre Zähler addiert bzw. subtrahiert<br />

und den gleichnamigen Nenner unverändert lässt.<br />

Beispiele: 1.<br />

2.<br />

a<br />

3b + c − d<br />

3b<br />

a<br />

3b − c − d<br />

3b<br />

= a + c − d<br />

3b<br />

= a − c + d<br />

3b<br />

Sind Brüche nicht gleichnamig, so können sie nicht direkt addiert oder subtrahiert werden. Durch<br />

Erweitern der Brüche muss man sie erst gleichnamig machen. Man muß einen gemeinsamen Nenner<br />

finden, der Hauptnenner genannt wird<br />

a<br />

b + c d = ad<br />

bd + bc<br />

bd<br />

ad + bc<br />

= .<br />

bd<br />

Entsprechend kann man auch bei drei und mehr Brüchen vorgehen:<br />

a<br />

x − b y − c z<br />

=<br />

ayz − bxz − cxy<br />

xyz<br />

Es ist nicht immer notwendig und günstig den Hauptnenner als Produkt der einzelnen Nenner zu<br />

ermitteln.<br />

Beispiel:<br />

a<br />

x + b<br />

xy −<br />

c<br />

xy = ay 2 + by − c<br />

.<br />

2 xy 2<br />

Bei ganzen Zahlen als Nenner ist das kleinste gemeinsame Vielfache der einfachste Nenner. Wir erinnern<br />

in diesem Zusammenhang daran, dass das kleinste gemeinsame Vielfache (kgV) von natürlichen<br />

Zahlen gerade die kleinste natürliche Zahl ist, in der diese Zahlen als Faktor vorkommen. Wir fassen<br />

die Überlegungen zum Hauptnenner zusammen.<br />

.<br />

Zur Bildung der Summe und der Differenz von Brüchen benötigt man den Hauptnenner. Bei seiner<br />

Bestimmung sucht man einen Ausdruck, in dem alle beteiligten Nenner als Faktoren enthalten sind.<br />

Das Produkt aller Nenner leistet das. Oft gibt es einfachere Ausdrücke. Sind die Nenner natürliche<br />

Zahlen, so ist das kgV der kleinste Hauptnenner.<br />

Beispiele: 1.<br />

1<br />

8 − 1<br />

12 + 7 4 = 1 · 3 − 1 · 2 + 6 · 7<br />

24<br />

Hierbei ist das kgV von 8, 12 und 4 gerade 24.<br />

2.<br />

x<br />

y − x +<br />

2x<br />

x + y +<br />

y<br />

x − y<br />

= − x<br />

x − y +<br />

= y − x<br />

x − y +<br />

= 2x − x − y<br />

x + y<br />

= 43<br />

24<br />

2x<br />

x + y +<br />

2x<br />

x + y = −1 +<br />

= x − y<br />

x + y<br />

y<br />

x − y<br />

2x<br />

x + y<br />

9


1.4 Rechnen mit Ungleichungen und Beträgen<br />

1.4 Rechnen mit Ungleichungen und Beträgen<br />

Bei der Einführung der reellen Zahlen hatten wir diese mit den Punkten auf der Zahlengeraden identifiziert.<br />

Man sagt, dass eine reelle Zahl a kleiner als die reelle Zahl b ist, falls a links von b liegt. Wir<br />

schreiben dann a < b. Wir schreiben a ≤ b falls a entweder (echt) links von b liegt, also a < b gilt<br />

oder a = b erfüllt ist. Liegt a (echt) rechts von b, so schreiben wir a > b. Ist auch a = b zugelassen,<br />

so drücken wir das durch a ≥ b aus. Die reelle Zahl a heißt positiv, falls a > 0 gilt, sie heißt nicht<br />

negativ, falls a ≥ 0 gilt. Die Relationen ’ 0<br />

a < b ⇐⇒ ac > bc falls c < 0<br />

Diese Rechenregeln sind gleichzeitig die Rechenregeln für die Division, wenn man c durch 1/d ersetzt.<br />

Eine Ungleichung darf mit einer positiven Zahl multipliziert und durch eine positive Zahl dividiert<br />

werden, ohne dass sich die Ungleichung ändert. Ist die Zahl negativ, so muß das Ungleichheitszeichen<br />

umgekehrt werden. Sind die Seiten einer Ungleichung beide positiv oder beide negativ, so kann man<br />

auf beiden Seiten zum Kehrwert übergehen, wenn man das Ungleichheitszeichen umkehrt.<br />

Beispiele: 1.<br />

2.<br />

3.<br />

4.<br />

7, 6 < 10 | · 3 ⇐⇒ 22, 8 < 30.<br />

7 < 10 | · (−2) ⇐⇒ −14 > −20.<br />

7 < 10 =⇒ 1 7 > 1 10 .<br />

−3 < −2 =⇒ − 1 3 > −1 2 .<br />

5. Für welche x ist −3x + 2 < 4x − 9 ?<br />

−3x + 2 < 4x − 9 ⇐⇒<br />

2 + 9 < 4x + 3x ⇐⇒<br />

11 < 7x ⇐⇒ x > 11<br />

7 .<br />

10


1.4 Rechnen mit Ungleichungen und Beträgen<br />

Unter dem Betrag einer Zahl a (bezeichnet mit |a|, gelesen ’Betrag von a’) versteht man den Abstand<br />

des Punktes a auf der Zahlengeraden zum Punkt 0. Der Abstand ist nie negativ und der Betrag kann<br />

auch so ausgedrückt werden:<br />

{ a für a ≥ 0<br />

|a| =<br />

−a für a < 0 .<br />

Hierbei ist zu beachten, dass trotz des Minus in der zweiten Zeile der Betrag immer nicht negativ ist,<br />

weil für negatives a die Zahl −a positiv ist. Weiterhin bemerken wir<br />

|a| = | − a|,<br />

was aus der Tatsache folgt, dass a und −a den gleichen Abstand zum Nullpunkt haben. Wir wollen<br />

jetzt den Betrag verwenden, um den Abstand von zwei reellen Zahlen einzuführen.<br />

Für den Betrag gilt die Dreiecksungleichung<br />

|a − b| ist der Abstand von a und b.<br />

|a + b| ≤ |a| + |b|. (3)<br />

Es ist unmittelbar klar, dass in dieser Ungleichung das Gleichheitszeichen steht, wenn gilt a ≥ 0 und<br />

b ≥ 0 oder a ≤ 0 und b ≤ 0 gilt. Liegen unterschiedliche Vorzeichen vor, dann heben sich Teile dieser<br />

Zahlen bei der Summenbildung weg und man hat dann des Kleinerzeichen.<br />

Beispiele: 1. Die Zahlen a = −8 und b = 4 haben den Abstand 12, weil a 8 Einheiten links vom<br />

Nullpunkt und b 4 Einheiten rechts vom Nullpunkt liegt. Es gilt<br />

|a − b| = | − 8 − 4| = | − 12| = 12.<br />

2. Für a = 4 und b = 7 ist der Abstand 3 Einheiten<br />

|4 − 7| = | − 3| = 3.<br />

3. Sei a = 4 und b = 2. Dann gilt |a + b| = |6| = 6. Es gilt also das Gleichheitszeichen in der<br />

Dreiecksungleichung. Das liegt daran, dass a und b beide positiv sind.<br />

4. Sei a = 10 und b = −3. Dann gilt<br />

|a + b| = |10 − 3| = 7<br />

|a| + |b| = |10| + | − 3| = 10 + 3 = 13.<br />

Es gilt also das Kleinerzeichen 7 < 13 in der Dreiecksungleichung, was daran liegt, dass a und b<br />

unterschiedliche Vorzeichen haben.<br />

Das Rechnen mit Ungleichungen soll jetzt mit dem Rechnen mit dem Betrag kombiniert werden.<br />

Beispiel: Wir fragen nach allen x, für die gilt |x − 2| ≤ 4. Wir müssen zwei Fälle unterscheiden.<br />

1. Fall: x − 2 ≥ 0. Dann gilt<br />

2. Fall x − 2 < 0. Dann gilt<br />

|x − 2| = x − 2 ≤ 4<br />

x ≤ 6.<br />

|x − 2| = 2 − x ≤ 4<br />

−x ≤ 2 =⇒ x ≥ −2.<br />

Insgesamt gilt also −2 ≤ x ≤ 6. Dieses Ergebnis erhält man auch durch Betrachtung auf der Zahlengeraden,<br />

weil −2 und 6 gerade den maximalen Abstand 4 von der Zahl 2 haben.<br />

11


2.1 Potenzen mit ganzzahligen Exponenten<br />

2 Potenzen, Wurzeln und Logarithmen<br />

2.1 Potenzen mit ganzzahligen Exponenten<br />

Ähnlich wie man für die Summe von n gleichen Zahlen a + ... + a auch na schreiben kann, führen wir<br />

jetzt eine entsprechende Bezeichnung für das Produkt ein. Wir setzen für jede reelle Zahl a und jede<br />

natürliche Zahl n<br />

a n = a } · a {{ · ... · a}<br />

. (4)<br />

n Faktoren<br />

Dieser Ausdruck wird gelesen als a hoch n. a n heißt die n−te Potenz von a. a ist die Basis und n<br />

heißt der Exponent. Wir erweitern jetzt diesen Begriff auf negative Potenzen und auf die Potenz mit<br />

Exponenten Null. Zunächst setzen wir für a ≠ 0<br />

und für n = 1, 2, ...<br />

Beispiele: 1.<br />

2.<br />

a 0 = 1 (5)<br />

a −n = 1 a · 1<br />

a · ... · 1<br />

} {{ a}<br />

n Faktoren<br />

(−2) 4 = (−2) · (−2) · (−2) · (−2) = 16 .<br />

(2a − b) 4 = (2a − b) · (2a − b) · (2a − b) · (2a − b)<br />

= 16a 4 − 32a 3 b + 24a 2 b 2 − 8ab 3 + b 4 .<br />

3.<br />

x −3 y −2 = 1 .<br />

x 3 y 2<br />

Addieren und subtrahieren lassen sich Potenzen nur, wenn sie in der Basis und im Exponenten übereinstimmen.<br />

Beispiel:<br />

7x 3 + 3x 2 + 6x − 1 − (2x 3 − x 2 + x − 7)<br />

= 5x 3 + 4x 2 + 5x + 6<br />

Wir betrachten jetzt Produkte und Quotienten von Potenzen. Es gilt<br />

a n b n = a } · a {{ · · · a}<br />

n Faktoren<br />

· b · b · · · b } {{ }<br />

n Faktoren<br />

= (ab) · (ab) · · · (ab)<br />

} {{ }<br />

n Faktoren<br />

= (ab) n .<br />

Eine entsprechende Aussage ergibt sich, wenn b durch 1 b<br />

ersetzt wird. Damit erhalten wir insgesamt<br />

folgende Aussage<br />

Potenzen mit gleichen Exponenten werden multipliziert (dividiert), indem man die Basen multipliziert<br />

(dividiert) und die Exponenten unverändert läßt. Ein Bruch wird potenziert, indem man Zähler und<br />

Nenner potenziert und die entsprechenden Potenzen dividiert.<br />

a n b n = (ab) n<br />

a n<br />

b n = ( a b )n .<br />

12


2.1 Potenzen mit ganzzahligen Exponenten<br />

Beispiele: 1.<br />

2.<br />

3.<br />

(−2ab) 4 = (−2) 4 a 4 b 4 = 16a 4 b 4<br />

(q − 1) 3 (q + 1) 3 = ((q − 1)(q + 1)) 3 = (q 2 − 1) 3<br />

( 2x−3y<br />

) 4<br />

4<br />

(<br />

4x 2 −9y 2<br />

8<br />

) 4<br />

=<br />

=<br />

(<br />

2x−3y<br />

4<br />

4x 2 −9y 2<br />

8<br />

) 4 ( 8(2x − 3y)<br />

=<br />

4(4x 2 − 9y 2 )<br />

) 4<br />

(<br />

) 4 (<br />

=<br />

2(2x − 3y)<br />

(2x − 3y)(2x + 3y<br />

2<br />

2x + 3y<br />

) 4<br />

.<br />

Nachdem wir oben die Multiplikation und Division von Potenzen mit gleichem Exponenten betrachtet<br />

hatten, wollen wir jetzt Potenzen mit gleicher Basis untersuchen. Es gilt für natürliche Zahlen m und<br />

n<br />

Also haben wir<br />

a n a m = } a · a {{ · ... · a}<br />

· a } · a {{ · ... · a}<br />

n Faktoren m Faktoren<br />

= } a · a {{ · ... · a}<br />

= a m+n .<br />

n+m Faktoren<br />

a n a m = a n+m . (6)<br />

Es läßt sich zeigen, dass diese Aussage erhalten bleibt, wenn eine oder beide der Zahlen m, n negativ<br />

sind. Außerdem ergibt sich durch mehrfache Anwendung von (6), dass das Potenzieren einer Potenz<br />

der Potenz mit dem Produkt der Exponenten entspricht, d.h. es gilt<br />

(a m ) k = a k·m .<br />

Damit haben wir für ganzzahlige Exponenten folgende Potenzgesetze erhalten.<br />

Potenzen mit gleicher Basis werden multipliziert, indem die Exponenten addiert werden. Sie werden<br />

dividiert, indem die Exponenten subtrahiert werden. Eine Potenz wird potenziert, indem die Exponenten<br />

multipliziert werden. Es gelten also für alle ganzen Zahlen m, n und p die Potenzgesetze<br />

a n a m = a n+m<br />

(a n ) p = a n·p (7)<br />

Beispiele: 1.<br />

x −3 y −2 = 1 x · 1<br />

3 y = 1<br />

2 x 3 y 2<br />

2. Der Bruch<br />

x 2 y −3 z 5<br />

u −2 v −1<br />

soll so umgeformt werden, dass keine Potenzen mit negativen Exponenten vorkommen.<br />

x 2 y −3 z 5<br />

u −2 v −1 =<br />

x 2 z 5<br />

y 3<br />

1<br />

u 2 v<br />

= u2 vx 2 z 5<br />

y 3<br />

= u2 v<br />

1 · x 2 z 5<br />

y 3<br />

13


2.2 Binomialkoeffizient, binomischer Lehrsatz<br />

2.2 Binomialkoeffizient, binomischer Lehrsatz<br />

2.2.1 Binomial-Koeffizienten<br />

Wir wollen untersuchen, auf wie viele verschiedene Weisen man n Objekte anordnen kann. Dazu stellen<br />

wir uns vor, dass diese Objekte nummeriert sind und die Nummern 1, 2, ..., n tragen. Jede Anordnung<br />

der Objekte entspricht dann einer Folge von Zahlen, wobei jede Zahl genau einmal an irgendeiner Stelle<br />

auftritt. Die entsprechenden auftretenden Zahlenfolgen wollen wir in runde Klammern einschließen.<br />

Für n = 1 gibt es nur die eine Folge der Länge 1, die aus der Zahl 1 besteht. Für n = 2 erhalten wir<br />

Für n = 3 ergibt sich<br />

(1, 2), (2, 1). (8)<br />

(1, 2, 3), (1, 3, 2), (2.1, 3), (2, 3, 1), (3, 1, 2), (3, 2, 1). (9)<br />

Man sieht, dass sich ausgehend von (1, 2, 3) die anderen Folgen durch Vertauschen von Ziffern ergeben.<br />

Diese Vertauschungen nennt man auch Permutationen. Wie viele Permutationen gibt es? Diese<br />

Anzahl wird gegeben durch das Produkt der Zahlen 1, 2, ..., n. Hierfür gibt es einen speziellen Namen.<br />

heißt n−Fakultät. Als Ergänzung setzt man noch<br />

n! = 1 · 2 · 3 · · · n<br />

0! = 1.<br />

Wir prüfen nach, ob n! gerade die Anzahl der Permutationen ist. Für n = 1 ist 1! = 1. Für n = 2 ist<br />

2! = 1 · 2 = 2. Diese Zahl 2 entspricht den beiden Paaren in (8). Die Zahl<br />

3! = 1 · 2 · 3 = 6<br />

entspricht den 6 Tripeln in (9). Wie kommt man zu den Permutationen der Länge 4 ? Diese erhalten<br />

wir aus (9), indem wir die Zahl 4 jedem Tripel hinzufügen. Nehmen wir etwa (2, 3, 1), dann erhalten<br />

wir<br />

(4, 2, 3, 1), (2, 4, 3, 1), (2, 3, 4, 1), (2, 3, 1, 4).<br />

Insgesamt erhalten wir also 6 · 4 = 1 · 2 · 3 · 4 = 24 verschiedene Permutationen. Für n = 5, 6, ..<br />

kann man ähnlich argumentieren, wodurch bewiesen ist, dass n! wirklich die Anzahl der verschiedenen<br />

Permutationen ist.<br />

Ausgehend von den n Objekten wollen wir für ein festes k, 0 ≤ k ≤ n eine Gruppe von k Objekten<br />

zusammenstellen. Mathematisch gesprochen wollen wir aus der Menge {1, ..., n} eine k−elementige<br />

Teilmenge auswählen. Bei einer Menge, die immer durch geschweifte Klammern symbolisiert ist,<br />

kommt es nicht darauf an, in welcher Reihenfolge die Elemente in den Klammern aufgeführt sind. Es<br />

ist nur wichtig, ob die Elemente zu dieser Menge gehören oder nicht. So ist z.B.<br />

{1, 2, 3} = {1, 3, 2} = {2, 1, 3}<br />

= {2, 3, 1} = {3, 1, 2} = {3, 2, 1}.<br />

Wie kommen wir zur Anzahl der k−elementigen Teilmengen, die wir mit A bezeichnen wollen ?<br />

Haben wir die Teilmenge {l 1 , .., l k } ausgewählt, so bleiben noch die Zahlen m 1 , ..., m n−k übrig. Bauen<br />

wir hiermit eine Permutation auf, so ergibt sich<br />

(l 1 , .., l k , m 1 , ..., m n−k ).<br />

14


2.2 Binomialkoeffizient, binomischer Lehrsatz<br />

Vertauschen wir die l i unter sich und die k j unter sich, ändert sich hinsichtlich der ausgewählten<br />

Menge nichts. Weil wir so durch Auswahl einer Menge und anschließende Permutationen in der Menge<br />

{l 1 , .., l k } und der Restmenge {m 1 , ..., m n−k } alle Permutationen erhalten, ergibt sich<br />

A · k! · (n − k)! = n!<br />

A =<br />

n!<br />

k! · (n − k)! .<br />

Dieser Ausdruck heißt Binomialkoeffizient und wird durch ( n<br />

k)<br />

bezeichnet, gelesen n über k. Es gilt<br />

also<br />

( n n!<br />

k)<br />

= , k = 0, 1, ..., n.<br />

k! · (n − k)!<br />

Der Binomialkoeffizient gibt die Anzahl der verschiedenen k−elementigen Teilmengen einer Menge<br />

vom Umfang n.<br />

Aus der Definition des Binomial-Koeffizienten ergibt sich unmittelbar die folgende Symmetriebeziehung<br />

( n<br />

k)<br />

=<br />

( n<br />

n−k)<br />

.<br />

Beispiel: Sei n = 5 und k = 2. Dann gibt es die 10 zweielementigen Teilmengen<br />

{1, 2}, {1, 3}, {1, 4}, {1, 5}, {2, 3},<br />

{2, 4}, {2, 5}, {3, 4}, {3, 5}, {4, 5}.<br />

Andererseits gilt<br />

( 5 5!<br />

2)<br />

=<br />

2! · 3! = 1 · 2 · 3 · 4 · 5<br />

1 · 2 · 1 · 2 · 3 = 4 · 5<br />

2 = <strong>10.</strong><br />

Für konkrete Rechnungen mit dem Binomial-Koeffizienten formen wir diesen noch etwas um, indem<br />

wir die Fakultäten explizit als Produkt hinschreiben und dann in dem entstehenden Bruch kürzen<br />

Beispiel:<br />

( n n!<br />

k)<br />

=<br />

k! · (n − k)!<br />

1 · 2 · 3 · · · (n − k) · (n − k + 1) · · · n<br />

=<br />

1 · 2 · 3 · · · (n − k) · 1 · 2 · 3 · · · k<br />

n · (n − 1) · · · (n − k + 1)<br />

= .<br />

1 · 2 · 3 · · · k<br />

( 18<br />

) 18 · 17 · 16 · 15<br />

4 = = 3060<br />

1 · 2 · 3 · 4<br />

( 101<br />

) 101 · 100 · 99<br />

3 = = 16650<br />

1 · 2 · 3<br />

Wir betrachten eine Anwendung auf das Lottospiel. Wie viele Möglichkeiten gibt es, aus 49 Zahlen 6<br />

Zahlen auszuwählen? Das sind<br />

( 49<br />

6<br />

)<br />

=<br />

49 · 48 · 47 · 46 · 45 · 44<br />

1 · 2 · 3 · 4 · 5 · 6<br />

= 13983816<br />

Möglichkeiten. Damit ist die Wahrscheinlichkeit für einen richtigen 6−er Tipp 1/13983816, also sehr<br />

klein.<br />

15


2.2 Binomialkoeffizient, binomischer Lehrsatz<br />

Abschließend wollen wir die Beziehung zum Pascalschen Dreieck herstellen, mit dessen Hilfe man sehr<br />

einfach die ersten Binomial-Koeffizienten berechnen kann. Die Spitze des Pascalschen Dreiecks lautet<br />

1<br />

1 1<br />

1 2 1<br />

1 3 3 1<br />

1 4 6 4 1<br />

Die Bildungsvorschrift besagt, dass die Zahl in der nächsten Zeile gerade die Summe der beiden Zahlen<br />

ist, die in der vorigen Zeile über dieser Zahl stehen. Durch direkte Berechnung von ( n<br />

k)<br />

für n = 1, 2, 3, 4<br />

erkennt man, dass die Zahlen im obigen Dreieck gerade die entsprechenden Binomial-Koeffizienten<br />

sind. Dass die Bildungsvorschrift für die Binomial-Koeffizienten auch allgemein gilt, erkennt man so<br />

2.2.2 Binomischer Lehrsatz<br />

( n<br />

(<br />

k)<br />

+<br />

n<br />

) n!<br />

k+1 =<br />

k! · (n − k)! + n!<br />

(k + 1)! · (n − (k + 1))!<br />

n!<br />

=<br />

k! · (n − k − 1)! ( 1<br />

n − k + 1<br />

k + 1 )<br />

=<br />

=<br />

n!<br />

k! · (n − k − 1)! · k + 1 + n − k<br />

(n − k)(k + 1)<br />

(n + 1)!<br />

(k + 1)! · (n − k)! = ( n+1<br />

k+1)<br />

.<br />

Wir haben schon früher die binomischen Formeln kennen gelernt. Diese wollen wir jetzt auf höhere<br />

Potenzen verallgemeinern. Dazu betrachten wir zunächst Spezialfälle. Durch direktes Ausmultiplizieren<br />

erhält man<br />

(a + b) 2 = a 2 + 2ab + b 2<br />

(a + b) 3 = a 3 + 3a 2 b + 3ab 2 + b 3<br />

(a + b) 4 = a 4 + 4a 3 b + 6a 2 b 2 + 4ab 3 + b 4 .<br />

Wir erkennen sofort eine Gesetzmäßigkeit. In den Summen auf der rechten Seite stehen Terme der<br />

Form a n b 0 , a n−1 b, ..., a 1 b n−1 , b n a 0 , die noch mit Koeffizienten behaftet sind. Durch Vergleich mit dem<br />

oben angegebenen Pascalschen Dreieck erkennt man, dass dies gerade die Binomial-Koeffizienten<br />

sind. Diese Aussage gilt nun nicht nur bis n = 4, sonders ist allgemein gültig. Will man<br />

(a + b) n = (a + b) · (a + b) · · · (a + b)<br />

berechnen, so muss man jeden Summanden jeder Klammer mit jedem Summanden jeder anderen<br />

Klammer multiplizieren. Da es beim Produkt nicht auf die Reihenfolge ankommt, muss man also für<br />

festes k von den n Klammern k Klammern auswählen, daraus a nehmen und aus den restlichen<br />

Klammern b entnehmen und die ausgewählten Größen multiplizieren. Das gibt dann a k b n−k . Hierfür<br />

gibt es ( n<br />

k)<br />

Auswahlmöglichkeiten.<br />

Binomischen Lehrsatz: Für alle reellen Zahlen a, b und alle natürlichen Zahlen n = 1, 2, .. gilt<br />

(a + b) n = ∑ n<br />

k=0<br />

( n<br />

k)<br />

a k b n−k .<br />

16


2.3 Potenzen mit rationalen und irrationalen Exponenten<br />

Beispiele: 1. Es gilt<br />

( 6<br />

) (<br />

0 = 1, 6<br />

) (<br />

1 = 6, 6<br />

) (<br />

2 = 15, 6<br />

)<br />

3 = 20<br />

( 6<br />

) (<br />

4 = 15, 6<br />

) (<br />

5 = 6, 6<br />

)<br />

6 = 1.<br />

Damit folgt<br />

2.<br />

(a + b) 6 = a 6 + 6a 5 b + 15a 4 b 2 + 20a 3 b 3 + 15a 2 b 4 + 6ab 5 + b 6<br />

(2u − 3v) 4 = (2u) 4 + 4(2u) 3 (−3v) + 6(2u) 2 (−3v) 2 + 4(2u)(−3v) 3 + (−3v) 4<br />

= 16u 4 − 96u 3 v + 216u 2 v 2 − 216uv 3 + 81v 4<br />

2.3 Potenzen mit rationalen und irrationalen Exponenten<br />

Wir starten mit einem Beispiel aus der Zinseszinsrechnung. Jemand hat den Betrag von 13000 Euro<br />

mit einem Zinssatz von 3% angelegt. Dann besitzt er nach einem Jahr (in Euro)<br />

13000 + 3% von 13000<br />

= 13000(1 + 0, 03) = 13390.<br />

Er besitzt nach k Jahren 13000(1 + 0, 03) k Euro. Allgemein gilt folgende Aussage: Ist K 0 das Anfangskapital<br />

(in Euro) und ist der Zinssatz p %, mit q = 1 + p<br />

100<br />

, so besitzt man nach n Jahren<br />

K n = K 0 q n<br />

Euro. Wir wollen jetzt aus dem Anfangskapital und dem Endkapital den Zinssatz p errechnen. Es sei<br />

bekannt, dass K 0 = 13000 gilt und das Endkapital nach 6 Jahren den Wert<br />

K 6 = 16929, 38<br />

hat. Um den Zinssatz p zu ermitteln, müssen wir zunächst q bestimmen. Es gilt<br />

q 6 · 13000 = 16929, 38<br />

q 6 =<br />

16929, 38<br />

= 1, 30226.<br />

13000<br />

Wir müssen jetzt diese Gleichung nach q auflösen, also das Potenzieren umkehren. Das führt zum<br />

Begriff der Wurzel.<br />

Die n−te Wurzel aus b ≥ 0 (geschrieben n√ b) ist diejenige nicht negative Zahl, deren n−te Potenz<br />

den Wert b ergibt. Die Auflösung von a n = b (b ≥ 0) nach a liefert n√ b oder<br />

a n = b ⇔ a = n√ b für b ≥ 0.<br />

b heißt der Radikand, n der Wurzelexponent und a der Wurzelwert.<br />

Aus der Definition der Wurzel ergibt sich sofort folgende Rechenregel<br />

n√<br />

c · d =<br />

n √ c · n√ d.<br />

Wir kombinieren jetzt den Begriff der Wurzel mit dem der Potenz, indem wir eine einheitliche Bezeichnung<br />

einführen. Wir setzen für b ≥ 0<br />

b 1 n<br />

=<br />

n √ b<br />

17


2.4 Logarithmen<br />

und führen für alle ganzen Zahlen m, n > 0 die gebrochene Potenz durch<br />

b m n = n√ b m und<br />

b − m n =<br />

1<br />

n√<br />

b<br />

m<br />

ein. Es läßt sich nun zeigen, dass die Potenzgesetze (7) erhalten bleiben.<br />

Wir haben bisher die Potenz b p für rationale p erklärt. Weil man jede reelle Zahl p durch eine Folge<br />

rationaler Zahlen p 1 , p 2 , ... approximieren kann, also lim n→∞ p n = p gilt, setzen wir<br />

b p = lim<br />

n→∞<br />

b pn .<br />

Im Sinne einer strengen mathematischen Herleitung müßte gezeigt werden, dass dieser Limes tatsächlich<br />

existiert und von der approximierenden Folge unabhängig ist. Außerdem läßt sich zeigen, dass die Potenzgesetze<br />

(6) auch für alle reellen Zahlen x, y als Exponenten statt m und n richtig bleiben.<br />

Obwohl die allgemeine Potenz b x später noch systematisch als Funktion von x untersucht wird,<br />

bemerken wir bereits jetzt eine wichtige Eigenschaft. Jede positive Potenz einer Zahl b ≥ 1 ist wieder<br />

größer oder gleich 1. Ebenso ist jede negative Potenz einer Zahl b ≤ 1eine Zahl zwischen 0 und 1.<br />

Damit erhalten wir für b ≥ 1 folgende Eigenschaft der Potenzfunktion<br />

b x > 1 für x > 0<br />

b 0 = 1<br />

b x < 1 für x < 0.<br />

Potenzgesetze: Sind a, b positive Zahlen und x, y, p reelle Zahlen, so gilt<br />

(10)<br />

b x · b y = b x+y ,<br />

(a · b) x = a x · b x<br />

(b x ) p = b x·p .<br />

(11)<br />

Potenzen mit gleicher Basis werden multipliziert, indem die Exponenten addiert werden. Potenzen<br />

mit gleichen Exponenten werden multipliziert, indem die Basen multipliziert werden. Eine Potenz wird<br />

potenziert, indem die Exponenten multipliziert werden.<br />

Wegen a 0 = 1 erhalten wir aus der ersten Beziehung in (11) mit y = −x<br />

b −x = 1 b x .<br />

Beispiele: 1.<br />

3√<br />

b ·<br />

7 √ b = b 1 3 · b<br />

1<br />

7 = b<br />

10<br />

21 =<br />

21 √ b 10 = ( 21√ b) 10<br />

2.<br />

7√<br />

x<br />

3<br />

4√ x<br />

= x 3 7<br />

x 1 4<br />

= x 3 7 − 1 4<br />

= x 12−7<br />

28 = x √ 5 28<br />

28 = x 5 .<br />

2.4 Logarithmen<br />

Zur Motivierung des Begriffs des Logarithmus gehen wir von einem Beispiel der Zinseszinsrechnung<br />

aus. Wie lange muss man 10000 Euro zu 5, 1% anlegen, um 16000 Euro zu erhalten. Wir suchen also<br />

die Zahl x mit<br />

10000 · 1, 051 x = 16000<br />

18


2.4 Logarithmen<br />

oder mit b = 1, 051<br />

b x = 16000 = 1, 6. (12)<br />

10000<br />

Wir wollen also jetzt nicht wie bei den Wurzeln nach der Basis b auflösen, sondern einen geeigneten<br />

Exponenten x finden.<br />

Denjenigen Exponenten x, mit dem man die Basis b > 0, b ≠ 1 potenzieren muss, um a zu erhalten,<br />

nennt man den Logarithmus von a zur Basis b. Man schreibt für diesen Exponenten x = log b a. Es<br />

gilt also<br />

b log b a<br />

b x = a ⇔ x = log b a (13)<br />

= a und log b (b x ) = x.<br />

Beispiele: 1.<br />

2.<br />

3.<br />

log 10 100 = 2, weil 10 2 = 100<br />

log 5 125 = 3, weil 5 3 = 125<br />

log 8 0, 5 = − 1 3 , weil 8− 1 3 =<br />

1<br />

3√<br />

8<br />

= 1 2 = 0, 5<br />

Die Logarithmen im obigen Beispiel konnten wir nur angeben, weil man den gesuchten Exponenten,<br />

also den Logarithmus, leicht erraten kann. Um die allgemeine Situation zu behandeln, untersuchen<br />

wir, wie Logarithmen mit verschiedenen Basen miteinander zusammenhängen. Es seien b 1 , b 2 zwei<br />

positive Zahlen, die uns als Basen für Logarithmen dienen sollen. Dann gilt nach der Definition des<br />

Logarithmus<br />

a = b log b 2<br />

a<br />

2 und b 2 = b log b 1<br />

b 2<br />

1 .<br />

Also<br />

Das ergibt<br />

(<br />

a =<br />

b log b 1<br />

b 2<br />

1<br />

) logb2 a<br />

= b<br />

(log b1 b 2 )(log b2 a)<br />

1 .<br />

log b1<br />

a = (log b2<br />

a)(log b1<br />

b 2 ). (14)<br />

Wir betrachten jetzt spezielle Basen für Logarithmen. Zunächst sei b = <strong>10.</strong> Die zugehörigen Logarithmen<br />

nennt man die dekadischen Logarithmen und bezeichnet sie einfach mit log . Es gilt also<br />

a = 10 log a .<br />

Speziell erhalten wir hieraus log 1 = 0, log 10 = 1, log 1<br />

10<br />

aus (14) mit b 2 = b und b 1 = 10<br />

= −1, log 100 = 2, .... Weiterhin ergibt sich<br />

log a = (log b a)(log b) (15)<br />

log b a = log a<br />

log b .<br />

Wir betrachten jetzt eine sehr spezielle Zahl, nämlich die Eulersche Zahl e, als Basis für den Logarithmus.<br />

Zunächst soll e motiviert werden. Dazu stellen wir uns vor, dass jemand bei einer Geldanlage<br />

von 1000 Euro einen Zins von 100% bekommt. Dann hat nach einem Jahr (in Euro)<br />

(1 + 1) 1 · 1000 = 2 · 1000.<br />

19


3.1 Definition und Darstellung von reellen Funktionen<br />

Stellen wir uns vor, dass monatlich mit (100/12)% verzinst wird. Dann hat der Geldanleger nach<br />

einem Jahr<br />

(1 + 1 12 )12 · 1000 Euro = 2, 61303 · 1000 Euro.<br />

Wird jetzt täglich verzinst, so ist der Betrag<br />

(1 + 1<br />

365 )365 · 1000 Euro = 2, 71456 · 1000 Euro.<br />

Vergleicht man die erhaltenen Faktoren, so sieht man, dass sich diese Faktoren der Eulerschen Zahl<br />

e nähern. Man kann nachweisen, dass folgende Grenzbeziehung besteht<br />

lim<br />

n→∞ (1 + 1 n )n = e = 2, 71828183... .<br />

Nimmt man diese Zahl als Basis, so nennt man den zugehörigen Logarithmus den natürlichen Logarithmus<br />

und bezeichnet ihn mit ln . Die Werte von ln a kann man im Allgemeinen nur mit numerischen<br />

Methoden ermitteln, die in jedem Taschenrechner implementiert sind.<br />

Wir wollen jetzt wichtige Rechenregeln angeben, die für jeden Logarithmus gültig sind und sich aus<br />

den Potenzgesetzen 11 ergeben.<br />

Logarithmengesetze: Für positive Zahlen x, y eine positive Basis b ≠ 1 und jede reelle Zahl p gilt<br />

log b (x · y) = log b x + log b y<br />

log b ( x y ) = log b x − log b y<br />

log b (x p ) = p · log b x<br />

Obwohl die Verwendung der zunächst etwas künstlichen Basis e unnötig kompliziert erscheint, hat<br />

gerade der natürliche Logarithmus eine zentrale Stellung in der Mathematik. Deshalb und weil man<br />

durch die einfache Umrechnung in (15) den Logarithmus zur Basis a auf den natürlichen Logarithmus<br />

zurückführen kann, arbeitet man eigentlich nur mit dem natürlichen Logarithmus und verwendet dabei<br />

die Beziehungen<br />

b x = e x·ln b und ln(b x ) = x ln b, (16)<br />

die sich aus der Rechenregel (15) ergeben.<br />

Beispiel: Wir wollen zu dem einführenden Beispiel zurückkehren und die Gleichung (12) lösen. Durch<br />

Logarithmieren erhält man mit Hilfe von (16)<br />

x ln b = ln 1, 6<br />

x =<br />

ln 1, 6<br />

ln 1, 051 = (Taschenrechner)<br />

= 9, 45.<br />

Bei einem Prozentsatz von 5, 1 benötigt man 9, 45 Jahre, damit sich das Kapital von 1000 Euro auf<br />

1600 Euro erhöht.<br />

3 Reelle Funktionen<br />

3.1 Definition und Darstellung von reellen Funktionen<br />

In unzähligen Situationen des täglichen Lebens und in der Wissenschaft hängen bestimmte Größen<br />

(Variablen) von anderen Größen (Variablen) ab und das Ziel der Untersuchungen besteht gerade<br />

20


3.1 Definition und Darstellung von reellen Funktionen<br />

darin, diese Abhängigkeit zu ermitteln, um damit Gesetzmäßigkeiten in der Physik, Technik oder der<br />

Ökonomie zu formulieren. Innermathematisch dienen Funktionen zum Aufbau eines mathematischen<br />

Apparates, mit dessen Hilfe sich z.B. geometrische Zusammenhänge beschreiben lassen.<br />

Beispiele<br />

1. Unter fixierten Bedingungen hängt der Energieverbrauch einer Anlage von der Zeit ab.<br />

2. Der Bremsweg eines bestimmten PKW in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit.<br />

3. Die Größe eines Rechtecks in Abhängigkeit von der Länge a und der Breite b.<br />

Typisch für die obigen Situationen ist folgende Konstellation. Gegeben ist eine bestimmte Menge,<br />

z.B. die Menge aller reellen Zahlen und eine Zuordnungsvorschrift, die jedem Objekt dieser Menge<br />

eine reelle Zahl zuordnet.<br />

Gegeben sei eine Menge X und eine Teilmenge D ⊆ X . Wenn jedem x ∈ D in eindeutiger Weise eine<br />

reelle Zahl y zugeordnet ist, so sagt man, y ist eine Funktion von x, und man schreibt y = f (x). Die<br />

Menge D, oder auch durch D(f ) bezeichnet, heißt die Definitionsmenge oder der Definitionsbereich.<br />

Die Menge W(f ), die aus allen möglichen Funktionswerten besteht, heißt der Wertebereich von f .<br />

Die Größe x heißt die unabhängige Variable oder das Argument, die Größe y heißt die abhängige<br />

Variable oder der Funktionswert und f ist das Symbol für die Zurodnungsvorschrift. Um den Definitionsbereich<br />

hervorzuheben schreiben wir auch<br />

f : D → R,<br />

was bedeutet, dass jedem x ∈ D durch die Vorschrift f eine reelle Zahl zugeordnet wird.<br />

Ist der Definitionsbereich der Funktion f eine Teilmenge der reellen Achse, so ist f oft geschlossen<br />

durch analytische Ausdrücke definiert, die aber nicht für alle x sinnvoll sind. Unter dem natürlichen<br />

Definitionsbereich D(f ) versteht man dann die Menge aller der x, für die f (x) sinnvoll definiert ist.<br />

Beispiele: 1. Wir betrachten die Funktion f (x) = x 2 − 1. Dieser Ausdruck ist für alle reellen Zahlen x<br />

definiert und deshalb stimmt der natürliche Definitionsbereich D(f ) mit der gesamten reellen Achse<br />

überein. Die durch f gegebene Zuordnungsvorschrift besagt, dass man zur Berechnung des Funktionswertes<br />

das Argument x quadrieren muss und dann muss man noch 1 subtrahieren. Weil x 2 stets<br />

nicht negativ ist, gilt f (x) = x 2 − 1 ≥ −1. Der Wertebereich W(f ) dieser Funktion ist also<br />

[−1, ∞) = {x : x ∈ R, x ≥ −1}.<br />

Kommen nun wirklich alle Werte y ∈ [−1, ∞) als Funktionswerte von f vor? Sei y irgendeine Zahl<br />

mit y ≥ −1. Wir fragen nach einer Lösung der Gleichung<br />

x 2 − 1 = y oder<br />

x 2 = y + 1.<br />

Weil y + 1 ≥ 0 gilt, können wir die Wurzel ziehen und erhalten x = √ y + 1. Durch Einsetzen erkennt<br />

man nochmals, dass dieses x tatsächlich eine Lösung der Gleichung liefert<br />

( √ y + 1) 2 − 1 = y + 1 − 1 = y.<br />

Insgesamt haben wir also W(f ) = [−1, ∞) erhalten.<br />

21


3.1 Definition und Darstellung von reellen Funktionen<br />

2. Sei f (x) = 1<br />

x−1<br />

. Der natürliche Definitionsbereich D(f ) ist hier die reelle Achse mit Ausnahme des<br />

Punktes x = 1, weil hier der Nenner verschwindet und der Bruch nicht definiert ist. Zur Bestimmung<br />

des Wertebereichs lösen wir die Gleichung y = 1<br />

x−1<br />

nach x auf. Es gilt<br />

y(x − 1) = 1<br />

yx − y = 1<br />

x = 1 + y .<br />

y<br />

Dieser Ausdruck ist für alle y ≠ 0 definiert. Damit ist W(f ) die Menge aller reellen Zahlen mit<br />

Ausnahme des Nullpunktes.<br />

3. Sei f (x) = √ x. Hier besteht D(f ) aus allen nicht negativen reellen Zahlen und der Wertebereich<br />

besteht auch aus dieser Zahlenmenge.<br />

4. Sei f (x) = 4√ x 2 − 1. Der natürliche Definitionsbereich D(f ) besteht aus allen reellen Zahlen x,<br />

die der Bedingung x 2 − 1 ≥ 0 genügen, weil nur für diese x der Radikand nicht negativ und somit die<br />

Wurzel definiert ist. x 2 −1 ≥ 0 ist äquivalent mit |x| ≥ 1 und damit besteht D(f ) aus der Vereinigung<br />

von zwei Intervallen<br />

D(f ) = (−∞, −1] ∪ [1, ∞).<br />

Aus der reellen Achse musste also das offene Intervall (−1, 1) entfernt werden.<br />

In vielen Fällen sind die betrachteten Funktionen nicht durch einen geschlossenen analytischen Ausdruck<br />

für alle Argumente definiert. Dann ist der Definitionsbereich in mehrere Teilbereiche zerlegt, für<br />

die dann getrennt definierte Zuordnungsvorschriften oder analytische Ausdrücke zur Berechnung der<br />

Funktionswerte zu verwenden sind. Vorbereitend erinnern wir an verschiedenen Typen von Intervallen<br />

der reellen Achse. Hierzu seien a, b fest gewählte reelle Zahlen.<br />

[a, b] = {x : a ≤ x ≤ b}, [a, b) = {x : a ≤ x < b}<br />

(a, b] = {x : a < x ≤ b}, (a, b) = {x : a < x < b}<br />

Diese Intervalle haben alle die endliche Länge b − a. Die Zeichen [ bzw. ] symbolisieren, dass die<br />

entsprechenden Randpunkte zum Intervall gehören sollen. Die Intervalle sind also dort abgeschlossen.<br />

Dagegen symbolisieren ( bzw. ), dass die entsprechenden Randpunkte nicht zum Intervall gehören<br />

sollen. Wir betrachten auch unendliche Intervalle der Form<br />

(−∞, a) = {x : x < a}, (−∞, a] = {x : x ≤ a}<br />

(b, ∞) = {x : x > b}, [b, ∞) = {x : x ≥ b}.<br />

Allgemein wird ein Intervall immer mit dem Buchstaben I bezeichnet und ist von einem der obigen<br />

acht Typen.<br />

Beispiele: 1. Es sei<br />

{ √<br />

x<br />

2<br />

− 1 für |x| > 1<br />

f (x) =<br />

x 2 (17)<br />

− 1 für |x| ≤ 1.<br />

Bei dieser Funktion gibt es zwei verschiedene Zuordnungsvorschriften. Im Bereich |x| > 1 oder x 2 > 1<br />

ist die erste Zuordnungsvorschrift sinnvoll, sie ist aber nicht sinnvoll im zweiten Bereich. In diesem<br />

gilt die zweite Zuordnungsvorschrift, die aber auch im ersten Bereich sinnvoll ist, dort aber nicht zur<br />

Konstruktion der Funktion f eingesetzt wird.<br />

2. Für ein Intervall I setzen wir<br />

{ 1 für x ∈ I<br />

f (x) =<br />

0 für x /∈ I.<br />

Diese Funktion heißt die Indikatorfunktion des Intervalls I. Der Name besagt, dass f anzeigt, ob das<br />

Argument x in dem Intervall I liegt oder nicht.<br />

22


3.1 Definition und Darstellung von reellen Funktionen<br />

3. Wir wollen jetzt eine stückweise konstante Funktion definieren, betrachten dazu eine Zerlegung<br />

des Intervalls [0, 1] in die disjunkten (durchschnittsfremden) Teilintervalle<br />

und setzen<br />

[0, 1 4 ), [1 4 , 1 2 ), [1 2 , 2 3 ), [2 3 , 1]<br />

⎧<br />

1 für x ∈ [0,<br />

⎪⎨<br />

1 4 )<br />

−1 für x ∈ [ 1<br />

f (x) =<br />

4 , 1 )<br />

2, 5 für x ∈ [ ⎪⎩<br />

1 , 2 3 )<br />

(18)<br />

0, 2 für x ∈ [ 2 3 , 1].<br />

Dann ist D(f ) = [0, 1] und die Funktion f nimmt für 0 ≤ x < 1 4 den Wert 1, für 1 4 ≤ x < 1 2<br />

den Wert<br />

−1, für 1 2 ≤ x < 2 3 den Wert 2, 5 und schließlich für 2 3<br />

≤ x ≤ 1 den Wert 0, 2 an. Mit Hilfe der oben<br />

angegebenen Indikatorfunktion kann man f auch als geschlossene Formel darstellen. Es gilt<br />

f (x) = 1 · I [0,<br />

1<br />

[ 1 4 4 , 1 )(x) + 2, 5 · I [ 1 2 2 , 2 )(x) + 0, 2 · I [ 2 ,1](x)<br />

3 3<br />

= I [0,<br />

1<br />

[ 1 4 4 , 1 )(x) + 2, 5 · I [ 1 2 2 , 2 )(x) + 0, 2 · I [ 2 ,1](x).<br />

3 3<br />

Wir überprüfen diese Beziehung beispielhaft. Sei x ∈ D(f ) = [0, 1]. Dann liegt x in genau einem<br />

der vier Intervalle. Weil sie disjunkt sind, kann x nicht in zwei Intervallen gleichzeitig liegen. Sei etwa<br />

x ∈ [ 1 2 , 2 3 ). Dann gilt I [ 1 2 , 2 )(x) = 1 und<br />

3<br />

I [0,<br />

1<br />

)(x) = I [ 1 4 4 , 1 )(x) = I [ 2 ,1](x) = 0.<br />

2 3<br />

Das ergibt f (x) = 2, 5.<br />

4. Wir verwenden jetzt die Indikator-Funktionen, um kompliziertere Funktionen zusammenzusetzen.<br />

Es sei<br />

f (x) = xI (−∞,1) (x) + (2x − 1)I [1,3) (x) + (−3x + 14)I (3,∞) (x). (19)<br />

Ist D eine Teilmenge der reellen Achse, also f auf einem Teilbereich oder der ganzen reellen Achse<br />

definiert, dann ist es vorteilhaft die Funktion graphisch darzustellen, um einen schnellen Überblick<br />

über den Funktionsverlauf zu gewinnen.<br />

Man versteht unter dem Graphen der Funktion f oder dem zu f gehörigen Bild die in das rechtwinklige<br />

Koordinatensystem eingezeichnete Menge der Punkte (x, y), wobei x ∈ D(f ) und y = f (x) gilt. Der<br />

Graph ist also die Kurve (x, f (x)), wenn x die Menge D(f ) durchläuft.<br />

Um den Graphen dieser Funktion zu finden, stellt man zunächst für ausgewählte Argumente eine<br />

Wertetabelle auf und versucht dann den Verlauf des Graphen zu skizzieren. Das wird um so besser<br />

gelingen, je mehr Punkte in die Wertetabelle aufgenommen werden. Gegebenenfalls muss man die<br />

Wertetabelle noch verfeinern. Wie man besonders interessante Punkte des Graphen findet, z.B. Maxima,<br />

Minima, Wendepunkte und Schnittpunkte mit der x−Achse (Nullstellen), werden wir später<br />

erörtern.<br />

An einem ersten einfachen Beispiel wollen wir demonstrieren, wie man grob den Graphen skizzieren<br />

kann.<br />

Beispiel: Wir betrachten die Funktion f (x) = x 2 − 1, wählen die x Werte −2; −1; −0, 5; 0; 0, 5; 1; 2<br />

aus und betrachten die zugehörige Wertetabelle.<br />

x −2 −1 −0, 5 0 0, 5 1 2<br />

y 3 0 −0, 75 −1 −0, 75 0 3<br />

Aus dieser Tabelle erhalten wir 7 Punkte auf dem Graphen mit den Koordinaten (−2, 3), (−1, 0),<br />

(−0, 5, −0, 75), (0, −1), (0, 5, −0, 75), (1, 0), (2, 3). Die Punkte tragen wir in das rechtwinklige<br />

x − y Koordinatensystem ein und erhalten durch Verbinden der Punkte die folgende Darstellung.<br />

23


3.1 Definition und Darstellung von reellen Funktionen<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

−3<br />

−2<br />

−1<br />

−1<br />

1 2<br />

Das folgende Bild zeigt den Graphen der Funktionen (18).<br />

2<br />

1<br />

0<br />

−1<br />

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />

−2<br />

−3<br />

Schließlich stellen wir (19) graphisch dar.<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

−2<br />

−1<br />

−1<br />

−2<br />

1 2 3 4<br />

24


3.2 Qualitative Eigenschaften reeller Funktionen<br />

Wir haben bisher gesehen, dass eine auf einem Intervall definierte Funktion stets eine gewisse Kurve in<br />

der Ebene produziert. Wir wollen jetzt überlegen, ob zu jeder Kurve der Ebene auch eine sie erzeugende<br />

Funktion gehört.<br />

Beispiel: Wir untersuchen die Kurve, die durch folgendes Bild gegeben ist.<br />

Aus dieser Darstellung ist ersichtlich, dass zum Wert x = 1 zwei Punkte der Kurve, nämlich (1, 1)und<br />

(1, 3) gehören. Nach der Definition einer Funktion gehört aber zu jedem x Wert genau ein y Wert.<br />

Diese Forderung ist hier verletzt.<br />

Sind eine Funktion f und ein Punkt (x, y) in der Ebene gegeben, so entsteht die Frage, ob der Punkt<br />

(x, y) zum Funktionsgraphen gehört. Das ist genau dann der Fall, wenn y = f (x) gilt.<br />

Beispiel: Welche der Punkte (0, −1), (2, 4) , (−1, −1), (1, −1), (3, 24) liegen auf dem Graphen von<br />

f (x) = x 3 − x − 1 ?<br />

f (0) = −1,<br />

f (2) = 5,<br />

f (−1) = −1,<br />

f (1) = −1,<br />

f (3) = 23,<br />

(0, −1) liegt auf dem Graphen.<br />

(2, 4) liegt nicht auf dem Graphen.<br />

(−1, −1) liegt auf dem Graphen.<br />

(1, −1) liegt auf dem Graphen.<br />

(3, 24) liegt nicht auf dem Graphen.<br />

3.2 Qualitative Eigenschaften reeller Funktionen<br />

3.2.1 Beschränktheit<br />

Wir beginnen mit dem Begriff der Beschränktheit.<br />

Die Funktion f : D → R heißt nach oben beschränkt, falls es eine Konstante C 1 gibt, mit f (x) ≤ C 1<br />

für alle x ∈ D. Entsprechend heißt f nach unten beschränkt, falls es eine Konstante C 2 gibt, mit<br />

f (x) ≥ C 2 für alle x ∈ D. Schließlich heißt f beschränkt (ohne Zusatz), falls f nach oben und unten<br />

beschränkt ist.<br />

Aus dieser Definition erkennt man, dass die Funktion f genau dann beschränkt ist, wenn die Funktion<br />

|f | nach oben beschränkt ist. Dann gibt es also eine Konstante C mit |f (x)| ≤ C für alle x ∈ D. Die<br />

Funktionswerte liegen dann im Intervall [−C, C] und der Graph der Funktion verläuft in dem Streifen,<br />

der parallel zur x−Achse liegt und für den die entsprechenden y−Werte die Bedingung −C ≤ y ≤ C<br />

erfüllen. Bei nach oben beschränkten Funktionen liegt der Graph unterhalb der Parallelen y = C 1 zur<br />

x−Achse und bei nach unten beschränkten Funktionen oberhalb der Parallelen y = C 2 zur x−Achse.<br />

Beispiele: 1. Die Funktion f (x) = x 2 ist nach unten beschränkt, weil f (x) ≥ 0 gilt. Sie ist aber nicht<br />

nach oben beschränkt.<br />

25


3.2 Qualitative Eigenschaften reeller Funktionen<br />

2. Wir untersuchen die Funktion<br />

f (x) = x 2<br />

1 + x 4 .<br />

Gilt |x| ≥ 1, so ist x 2 ≤ x 4 ≤ 1 + x 4 . Das ergibt |f (x)| ≤ 1. Gilt |x| ≤ 1, so ist x 2 ≤ 1 ≤ 1 + x 4 und<br />

damit |f (x)| ≤ 1. Damit gilt |f (x)| ≤ 1 für alle x und f ist beschränkt.<br />

3. Die Funktion f (x) = x 3 ist weder nach oben, noch nach unten beschränkt. Schränkt man sie aber<br />

auf (−∞, 0] ein, so ist sie dort nach oben beschränkt. Analog ist ihre Einschränkung auf [0, ∞) nach<br />

unten beschränkt.<br />

3.2.2 Monotonie<br />

Wir wollen jetzt Eigenschaften von Funktionen untersuchen, die die geometrische Gestalt des Graphen<br />

beeinflussen. Der erste Begriff betrifft das Wachsen oder Fallen der Funktionswerte mit wachsendem<br />

Argument.<br />

Eine Funktion f mit dem Definitionbereich D ⊆ R heißt monoton wachsend (fallend), falls für alle<br />

x 1 , x 2 ∈ D mit x 1 < x 2 folgt f (x 1 ) ≤ f (x 2 ) (f (x 1 ) ≥ f (x 2 )˙). Sie heißt streng wachsend (fallend), falls<br />

in den letzten Ungleichungen sogar f (x 1 ) < f (x 2 ) (f (x 1 ) > f (x 2 )˙) erfüllt ist.<br />

Beispiel: 1. Wir betrachten die lineare Funktion f (x) = a + bx, wobei a, b feste reelle Zahlen sind<br />

und die Variable x alle Werte aus D(f ) = R annehmen kann. Das Monotonieverhalten von f hängt<br />

entscheidend von b ab. Wir bilden für x 1 < x 2 die Differenz<br />

f (x 2 ) − f (x 1 ) = b(x 2 − x 1 ).<br />

Ist b = 0, dann folgt f (x 2 ) − f (x 1 ) = 0 und f ist die konstante Funktion, die den konstanten Wert<br />

a für alle x annimmt. Diese Funktion ist sowohl monoton wachsend als auch monoton fallend. Jetzt<br />

sei b > 0. Wegen x 2 − x 1 > 0 ergibt sich f (x 2 ) − f (x 1 ) > 0 und f ist streng monoton wachsend. Ist<br />

jetzt b < 0, so ergibt sich f (x 2 ) − f (x 1 ) < 0 und f ist streng monoton fallend.<br />

2. Wir betrachten die Funktion f (x) = x 2 mit dem Definitionsbereich D(f ) = R. Sei x 1 = 0 und<br />

x 2 = 1, dann folgt f (x 1 ) < f (x 2 ). Das deutet scheinbar auf eine monoton wachsende Funktion hin.<br />

Jetzt betrachten wir x 1 = −1 und x 2 = 0. Dann gilt x 1 < x 2 und f (x 1 ) > f (x 2 ). Damit ist f weder<br />

monoton wachsend noch monoton fallend. Schränkt man jedoch den Definitionsbereich auf [0, ∞)<br />

ein, so ist die Funktion dort streng monoton wachsend. Ebenso ist sie auf (−∞, 0] streng monoton<br />

fallend. Damit spiegelt die Funktion f (x) = x 2 das typische Verhalten vieler Funktionen wieder. In<br />

bestimmten Intervallen sind sie monoton wachsend, in anderen sind sie monoton fallend. Es liegt also<br />

insgesamt eine gemischte Situation vor.<br />

2. Für festes b > 1 betrachten wir die Funktion f (x) = b x , x ∈ D(f ) = R. Sei x 1 < x 2 . Es gilt<br />

f (x 1 )<br />

f (x 2 ) = bx 1<br />

b x 2 = bx 1−x 2<br />

< 1<br />

wegen (10). Damit erhalten wir<br />

f (x 1 ) < f (x 2 ),<br />

woraus folgt, dass f streng monoton wachsend ist.<br />

3.2.3 Gerade und ungerade Funktionen<br />

Wir wollen jetzt einen Eigenschaft von Funktionen betrachten, die eine Symmetrie-Beziehung bzw.<br />

eine Antisymmetrie ausdrückt. Sei D ⊆ R symmetrisch, d.h. aus x ∈ D folgt −x ∈ D.<br />

26


3.2 Qualitative Eigenschaften reeller Funktionen<br />

Eine Funktion f : D → R heißt<br />

für alle x ∈ D gilt.<br />

gerade wenn f (−x) = f (x),<br />

ungerade wenn f (−x) = −f (x)<br />

Diese Eigenschaften lassen sich geometrisch so interpretieren: Bei einer geraden Funktion verläuft der<br />

Graph spiegelbildlich zu y−Achse. Bei einer ungeraden Funktion muss man für x < 0 zusätzlich zum<br />

anderen Vorzeichen übergehen.<br />

Beispiele: 1. Die Funktion<br />

f (x) = 1<br />

1 + x 2<br />

ist eine gerade Funktion, weil<br />

f (−x) =<br />

1<br />

1 + (−x) = 1<br />

2 1 + x = f (x)<br />

2<br />

gilt. Das folgende Bild gibt eine Darstellung des Funktionsverlaufs.<br />

1<br />

−3<br />

−2<br />

−1<br />

1 2 3<br />

2. Die Funktion<br />

ist ungerade, weil<br />

g(x) = x 3 − x<br />

g(−x) = (−x) 3 − (−x) = −x 3 + x<br />

= −(x 3 − x) = −g(x)<br />

gilt.<br />

6<br />

4<br />

2<br />

−2<br />

−1<br />

−2<br />

1 2<br />

−4<br />

−6<br />

27


3.2 Qualitative Eigenschaften reeller Funktionen<br />

3. Die Funktion<br />

f (x) = x 3 − x 2 + x + 1<br />

ist weder gerade noch ungerade. Man muss zum Nachweis dieser Aussage nur ein x finden, so dass<br />

keine der beiden Bedingungen gilt. Es gilt<br />

f (2) = 7 und f (−2) = −13 ≠ f (−1).<br />

2<br />

−2<br />

−1<br />

−2<br />

1 2<br />

−4<br />

−6<br />

3.2.4 Periodische Funktionen<br />

Wir betrachten jetzt eine Eigenschaft von Funktionen, die bei der Beschreibung von Schwingungsvorgängen<br />

verwendet wird.<br />

Die Funktion f : R → R heißt periodisch mit der Periode T, falls<br />

für alle x gilt.<br />

f (x + T ) = f (x)<br />

Beispiele: 1. Die Funktion f (x) = sin x ist periodisch mit der Periode T = 2π. Das nächste Bild zeigt<br />

die Funktionen f (x) = sin x (gestrichelte Linie) und f (x) = cos x.<br />

1<br />

−1<br />

π<br />

2<br />

π<br />

3π<br />

2<br />

2π<br />

5π<br />

2<br />

2. Es sei [x] die so genannte Gaußklammer einer reellen Zahl x. Hierbei ist [x] die größte ganze Zahl<br />

k, die kleiner oder gleich x ist. Dann gilt offensichtlich<br />

x − 1 < [x] ≤ x.<br />

Sei g(x) eine auf dem Intervall [0, 1] definierte Funktion. Wir setzen für jede reelle Zahl x<br />

f (x) = g(x − [x]).<br />

Dann ist f eine Fortsetzung von g auf die ganze reelle Achse. Aus der Definition von [x] ergibt sich<br />

[x + 1] = [x] + 1 und deshalb<br />

f (x + 1) = g(x + 1 − [x + 1]) = f (x + 1).<br />

Somit ist f periodisch mit der Periode 1. Das nächste Bild zeigt die Funktion g(x), wenn f (x) = x<br />

für 0 ≤ x < 1 gilt.<br />

28


3.2 Qualitative Eigenschaften reeller Funktionen<br />

1<br />

1 2<br />

3. Die Funktion f (x) = sin x + x ist nicht periodisch. Zum Nachweis bemerken wir, dass eine periodische<br />

Funktion, die auf [0, T ] betragsmäßig durch eine Konstante C beschränkt ist, durch die gleiche<br />

Konstante auf der ganzen Achse beschränkt ist. Da die Funktion f in jedem endlichen Intervall beschränkt<br />

ist, müsste sie im Falle der Periodizität auch auf der ganzen Achse beschränkt sein, was<br />

nicht der Fall ist.<br />

3.2.5 Stetigkeit<br />

Dem Begriff der Stetigkeit liegt die Frage zu Grunde, ob bei einer gegebenen Funktion kleine Änderungen<br />

des Arguments auch nur kleine Änderungen der Funktionswerte zur Folge haben, oder ob es<br />

abrupte Änderungen der Funktionswerte an bestimmten Stellen gibt.<br />

Eine Funktion f : D → R heißt stetig im Punkt x ∈ D , falls für jede Folge x n ∈ D die gegen x strebt<br />

die Beziehung<br />

f (x) = lim f (x n ) (20)<br />

n→∞<br />

gilt. Gilt diese Aussage für alle x ∈ D, so heißt f stetig (auf D).<br />

Die Eigenschaft (20) kann man auch so interpretieren. Liegt der Punkt ˜x nahe bei x, so muss auch<br />

f (˜x) nahe dem Wert f (x) sein.<br />

Beispiele: 1. Wir untersuchen die lineare Funktion f (x) = 3x + 4 hinsichtlich möglicher Stetigkeit.<br />

Sei x n eine gegen x strebende Folge. Dann gilt<br />

|f (x n ) − f (x)| = |3x n + 4 − (3x + 4)|<br />

= |3x n − 3x| = 3|x n − x|<br />

Wegen x n → x strebt die rechte Seite gegen Null. Damit strebt auch die linke Seite gegen Null und<br />

es gilt somit lim n→∞ f (x n ) = f (x). Eine lineare Funktion ist also in jedem Punkt stetig.<br />

2. Es sei<br />

{ 3<br />

f (x) =<br />

x<br />

für 0 < x ≤ 3<br />

.<br />

x − 1 für x > 3<br />

Wir untersuchen die Stelle x = 3. Es gilt f (3) = 1. Sei x n = 3 + 1 n<br />

. Dann gilt<br />

lim f (x n) = lim ((3 + 1 ) − 1) = 2 ≠ f (3).<br />

n→∞ n→∞ n<br />

Damit ist f an der Stelle x = 3 nicht stetig. Hätten wir x n = 3 − 1 n gewählt, so wäre lim n→∞ f (x n ) =<br />

f (x). Der entscheidende Punkt bei der Stetigkeit ist aber, dass die Limesbeziehung (20) für jede<br />

Folge gelten muss, die gegen x strebt.<br />

Wir wollen jetzt typische Situationen kennen lernen, in denen keine Stetigkeit vorliegt.<br />

29


3.2 Qualitative Eigenschaften reeller Funktionen<br />

Fall 1: Sei x 0 ∈ D fest gewählt. Für jede Folge x n → x 0 streben die Funktionswerte f (x n ) gegen die<br />

gleiche Zahl A, die aber vom Funktionswert f (x) verschieden ist. In diesem Fall spricht man von einer<br />

hebbaren Unstetigkeit. Die Unstetigkeit an der Stelle x 0 lässt sich beheben, wenn man zu der neuen<br />

Funktion<br />

{ f (x) für x ≠<br />

f ∗ x0<br />

(x) =<br />

A für x = x 0<br />

übergeht.<br />

Fall 2: f (x n ) strebt nicht gegen die gleiche Zahl für jede Folge x n → x. Dann sind verschiedene Fälle<br />

möglich. Beispielsweise könnte der Fall vorliegen, dass f (x n ) für keine Folge x n → x konvergiert und<br />

z.B. gegen unendlich strebt. In vielen Fällen streben die Folgen f (x n ) gegen unterschiedliche Werte,<br />

wenn man sich entlang unterschiedlicher Folgen dem Wert x nähert. So könnten Folgen, die von links<br />

gegen x streben, einen anderen Limes von f (x n ) nach sich ziehen als Folgen, die von rechts gegen x<br />

streben.<br />

Beispiele: 1. Wir betrachten die Indikator-Funktion des Intervalls [0, 1]<br />

{ 1 für 0 ≤ x ≤ 1<br />

f (x) = I [0,1] (x) =<br />

0 sonst<br />

.<br />

Offensichtlich sind die kritischen Punkte gerade die Stellen 0 und 1. Es gilt f (1) = 1 und f (1+ 1 n ) = 0<br />

strebt nicht gegen f (1). Aber f (1 − 1 n<br />

) = 1 strebt gegen f (1).<br />

2. Sei<br />

⎧<br />

⎨ 0 für x < 0<br />

1<br />

f (x) =<br />

⎩<br />

2<br />

für x = 0 .<br />

1 für x > 0.<br />

Dann strebt für keine Folge x n ≠ 0, die gegen Null strebt, die Folge f (x n ) gegen den Funktionswert<br />

f (0) = 1 2 , obwohl die Folgen f (x n) selbst konvergieren können, wenn sie jeweils von einer Seite<br />

kommen.<br />

3. Sei<br />

f (x) = 1 , x ≠ 1, x ≠ −1.<br />

x 2 − 1<br />

Diese Funktion ist in allen Punkten stetig mit Ausnahme von x = 1 und x = −1. An diesen Stellen<br />

1<br />

ist der Nenner Null und der Ausdruck<br />

x 2 −1 nicht definiert. Strebt eine Folge x n gegen 1, so streben<br />

die zugehörigen Funktionswerte gegen unendlich.<br />

An den obigen Beispielen haben wir gesehen, dass gewisse unstetige Funktionen Sprünge haben und<br />

damit zwischen ihrem maximalen Wert und ihrem minimalen Wert gewisse Werte auslassen. Für<br />

stetige Funktionen gilt das nicht.<br />

Zwischenwertsatz: Sei −∞ < a < b < ∞. Ist f im abgeschlossenen Intervall [a, b] stetig, so gibt es<br />

wenigstens eine Stelle x mit a ≤ x ≤ b, globale Minimumstelle genannt, mit<br />

f (x) ≥ f (x) für alle a ≤ x ≤ b,<br />

und wenigstens eine Stelle x mit a ≤ x ≤ b, globale Maximumstelle genannt, mit<br />

f (x) ≤ f (x) für alle a ≤ x ≤ b.<br />

Die Funktion f nimmt alle Werte zwischen f (x) und f (x) an, d.h. es gibt für jedes η ∈ [f (x), f (x)]<br />

wenigstens eine Stelle a ≤ ξ ≤ b mit f (ξ) = η.<br />

Aufgrund der oben formulierten Eigenschaften einer stetigen Funktion ist der Graph einer stetigen<br />

Funktion immer eine durchgezogene Linie.<br />

30


3.2 Qualitative Eigenschaften reeller Funktionen<br />

3.2.6 Mittelbare Funktionen<br />

Zur Bildung neuer Funktionen aus gegebenen Funktionen kann man diese mit den üblichen Rechenregeln<br />

für Zahlen miteinander verknüpfen. Man kann sie aber auch ineinander einsetzen. Das ist nicht<br />

immer möglich und bedarf einer Präzisierung hinsichtlich der auftretenden Definitions- und Wertebereiche.<br />

Es seien f : D(f ) → R und g : D(g) → R zwei Funktionen mit W(g) ⊆ D(f ). Dann heißt h(x) =<br />

f (g(x)) die Verkettung von f und g.<br />

Die Bedingung W(g) ⊆ D(f ) sichert, dass der Ausdruck f (g(x)) tatsächlich sinnvoll ist.<br />

Beispiele: 1. Sei f (x) = √ x für x ∈ D(f ) = [0, ∞) und g(x) = sin x für x ∈ D(g). Dann ist f (g(x))<br />

nicht für alle x sinnvoll definiert, weil sin x auch negative Werte annehmen kann. Die Bedingung<br />

W(g) ⊆ D(f ) ist nicht erfüllt. Umgekehrt ist aber g(f (x)) immer definiert. Es gilt W(f ) ⊆ D(g) = R.<br />

2. Sei f (x) = e x und g(x) = sin x. Dann sind beide Funktionen auf der ganzen reellen Achse definiert.<br />

Damit ist D(f ) = D(g) = R und die Forderung W(g) ⊆ D(f ) gilt damit automatisch. Man kann also<br />

f (g) bilden und erhält<br />

f (g(x)) = e sin x .<br />

Umgekehrt kann man auch g(f ) bilden und erhält<br />

g(f (x)) = sin(e x ).<br />

So entstehen zwei völlig verschiedene Funktionen. Die Reihenfolge bei der Verkettung ist also entscheidend.<br />

3.2.7 Vererbung qualitativer Eigenschaften<br />

Eine wichtige Frage ist, ob eine bestimmte Eigenschaft, z.B. die Monotonie bei den üblichen Rechenoperationen<br />

und bei der Verkettung von Funktionen erhalten bleibt. Wir sprechen dann von der<br />

Vererbung dieser Eigenschaft.<br />

Vererbung der Monotonie: Es seien f und g monoton wachsende Funktionen mit W(g) ⊆ D(f ).<br />

Wir prüfen, ob f (g) wieder monoton wachsend ist. Dazu sei x 1 < x 2 . Dann gilt<br />

g(x 1 ) ≤ g(x 2 ).<br />

Weil f monoton wachsend ist, können wir f auf beide Seiten anwenden, ohne die Ungleichung zu<br />

verletzen. Also ergibt sich<br />

f (g(x 1 )) ≤ f (g(x 2 ))<br />

und damit sehen wir, dass f (g) monoton wachsend ist. Wenn f und g beide monoton fallend sind, so<br />

ist f (g) monoton wachsend. Ist jedoch eine der beiden Funktionen monoton wachsend und die andere<br />

monoton fallend, so ist f (g) monoton fallend.<br />

Sind f , g zwei monoton wachsende Funktionen. Es seien a, b nicht negative Zahlen und h(x) =<br />

af (x) + bg(x). Dann gilt für x 1 < x 2<br />

h(x 1 ) = af (x 1 ) + bg(x 1 ) ≤ af (x 2 ) + bg(x 2 ) = h(x 2 ).<br />

Damit ist h wieder monoton wachsend. Sind a und b beide nicht positiv, so dreht sich die Ungleichung<br />

um und h ist monoton fallend. Ist eine der Zahlen a, b positiv und die andere negativ, so ist h im<br />

Allgemeinen weder monoton wachsend noch monoton fallend.<br />

Vererbung der Stetigkeit:<br />

31


3.2 Qualitative Eigenschaften reeller Funktionen<br />

Eine wichtige Eigenschaft der Stetigkeit ist, dass diese Eigenschaft bei der Verknüpfung von zwei<br />

oder mehr Funktionen mit Hilfe der Rechenoperationen +, −, · und : erhalten bleibt. Ebenso führt die<br />

Multiplikation mit einer festen Zahl wieder zu einer stetigen Funktion.<br />

Sind f und g stetige Funktionen und a, b reelle Zahlen, so sind<br />

af (x) + bg(x), f (x) + g(x), f (x) − g(x) und f (x)g(x)<br />

stetig. Weiterhin ist f (x)<br />

g(x)<br />

an allen Punkten stetig, wo g ungleich Null ist. Die Eigenschaft der Stetigkeit<br />

bleibt bei der Verkettung von Funktionen auch erhalten. Wir erinnern zunächst daran, dass nach<br />

(20) die Forderung der Stetigkeit gerade besagt, dass man dass Funktionssymbol und den Limes<br />

vertauschen kann, d.h. es gilt für jede konvergente Folge x n<br />

lim f (x n) = f ( lim x n ).<br />

n→∞ n→∞<br />

Seien f und g stetige Funktionen mit W(g) ⊆ D(f ). Für eine gegen x konvergente Folge x n setzen<br />

wir y n = g(x n ). Dann folgt aus der Stetigkeit von g : lim n→∞ y n = y = g(x) und wir erhalten aus der<br />

Stetigkeit von f<br />

lim f (g(x n)) = f ( lim g(x n ))<br />

n→∞ n→∞<br />

Die Verkettung stetiger Funktionen ist also wieder stetig.<br />

3.2.8 Umkehrfunktion<br />

= f ( lim<br />

n→∞<br />

y n ) = f (y) = f (g(x)).<br />

Im Allgemeinen ordnet eine Funktion unterschiedlichen Argumenten nicht notwendig verschiedene<br />

Funktionswerte zu. Man denke etwa an die Funktion f (x) = x 2 für die gilt f (−3) = f (3) = 9. Gilt<br />

dagegen, dass aus<br />

x 1 ≠ x 2 =⇒ f (x 1 ) ≠ f (x 2 ), (21)<br />

so kann man jedem Funktionswert sein eindeutig bestimmtes Argument zuordnen. Die Bedingung<br />

(21) ist z.B. für streng monotone Funktionen erfüllt.<br />

Ist die Bedingung (21) erfüllt und y = f (x), so heißt die durch g(y) = x definierte Funktion die<br />

Umkehrfunktion von f .<br />

Es gilt für die Definitions- bzw. Wertebereiche der Funktionen f und g<br />

D(g) = W(f ), W(g) = D(f ), sowie<br />

f (g(y)) = y und g(f (x)) = x.<br />

Bei der Berechnung einer Umkehrfunktion geben wir uns ein y vor und suchen das x mit f (x) = y,<br />

wir suchen also die Stelle, wo die Funktion f das Niveau y schneidet. Umgekehrt schneidet die<br />

Umkehrfunktion das Niveau x an der Stelle y. Insgesamt ergibt sich also die Umkehrfunktion durch<br />

Spiegelung an der Geraden y = x.<br />

Beispiele: 1. Sei f (x) = a + bx und b ≠ 0, Dann können wir die Gleichung y = a + bx nach x<br />

auflösen und erhalten<br />

x = y − a<br />

b .<br />

Also ist die Umkehrfunktion gegeben durch<br />

g(y) = y − a<br />

b .<br />

32


4.1 Polynome und rationale Funktionen<br />

2. Für f (x) = x 2 mit dem Definitionsbereich D(f ) = R existiert keine Umkehrfunktion, weil z.B. zum<br />

Wert y = 9 die beiden Argumente 3 und −3 führen. Weil f aber auf [0, ∞) und auf (−∞, 0] jeweils<br />

streng monoton sind, kann man für die Einschränkungen der Funktion f getrennte Umkehrfunktionen<br />

finden. Für die Einschränkung von f auf D = [0, ∞) existiert die Umkehrfunktion g = √ y und das<br />

folgende Bild zeigt die Spiegelung g von f an der Geraden y = x. Die durchgezogene Linie ist x 2 und<br />

die gestrichelte Linie ist √ x.<br />

3<br />

2<br />

1<br />

1 2<br />

3. Gesucht ist die Umkehrfunktion von<br />

f (x) = 1 − x<br />

x + 3 ,<br />

D(f ) = (−3, ∞).<br />

Wir untersuchen zunächst den Wertebereich. Nähert sich x von rechts dem Wert −3 so strebt f gegen<br />

unendlich. Für x = 1 ist f (x) Null und für x → ∞ strebt f (x) gegen −1. Damit gilt W(f ) = (−1, ∞).<br />

Die Auflösung der Gleichung y = f (x) nach x ergibt<br />

y = 1 − x =⇒ y(x + 3) = 1 − x<br />

x + 3<br />

=⇒ xy + 3y = 1 − x<br />

x(y + 1) = 1 − 3y =⇒ x = 1 − 3y<br />

y + 1<br />

Damit lautet die Umkehrfunktion<br />

g(y) = 1 − 3y<br />

y + 1 ,<br />

D(g) = (−1, ∞).<br />

4 Elementare Funktionen<br />

4.1 Polynome und rationale Funktionen<br />

Eine flexible und mathematisch einfach handhabbare Klasse von Funktionen bilden die ganzen rationalen<br />

Funktionen oder Polynome. Jede Funktion<br />

f (x) = ∑ n<br />

i=0 a ix i = a 0 + a 1 x + ... + a n x n<br />

33


4.2 Gebrochen-rationale Funktionen<br />

heißt Polynom. Die reellen Zahlen a i heißen die Koeffizienten und der Exponent der höchsten vorkommenden<br />

Potenz heißt der Grad (also n falls a n ≠ 0).<br />

Beispiele: 1.<br />

f (x) = 2x 2 − x + 1, also a 0 = 1, a 1 = −1, a 2 = 2, Grad 2<br />

2.<br />

3.<br />

f (x) = −x + 4, also a 0 = 4, a 1 = −1, Grad 1<br />

f (x) = 6, also a 0 = 6, Grad 0.<br />

Wir untersuchen jetzt, ob Polynome die oben diskutierten qualitativen Eigenschaften besitzen.<br />

Beispiele: 1. Wir starten mit der konstanten Funktion<br />

f (x) = a,<br />

wobei a eine reelle Zahl ist. Diese Funktion ist zugleich monoton wachsend und monoton fallend,<br />

natürlich nicht streng. Sie ist stetig. Diese Funktion besitzt keine Umkehrfunktion.<br />

2. Die lineare Funktion<br />

f (x) = a + bx, b ≠ 0.<br />

ist stetig. Sie ist streng monoton wachsend für b > 0 und streng monoton fallend für b < 0. Die<br />

lineare Funktion besitzt für b ≠ 0 eine Umkehrfunktion, die man durch Auflösen der Gleichung<br />

a + bx = y<br />

nach x erhält. Damit folgt<br />

g(y) = y − a<br />

b .<br />

3. Wir betrachten jetzt die quadratische Funktion<br />

f (x) = a + bx + cx 2 , c ≠ 0.<br />

Diese Funktion ist stetig. Sie ist aber im Allgemeinen nicht mehr monoton und besitzt deshalb keine<br />

Umkehrfunktion.<br />

Betrachtet man jetzt eine allgemeine rationale Funktion f (x) = ∑ n<br />

i=0 a ix i , so ist diese wieder stetig.<br />

Alle anderen Eigenschaften, wie Monotonie und Existenz einer Umkehrfunktion gehen im Allgemeinen<br />

aber verloren. Es zeigt sich aber, dass es zu jeder solchen Funktion immer gewisse Intervalle gibt, in<br />

denen diese Eigenschaften für f erfüllt sind.<br />

4.2 Gebrochen-rationale Funktionen<br />

Den Quotienten zweier Polynome nennt man eine gebrochen-rationale Funktion. Sie hat die Gestalt<br />

∑ n<br />

i=0<br />

f (x) = ∑ a ix i<br />

m<br />

j=0 b jx j<br />

und ihr Definitionsgebiet besteht aus allen x, für die der Nenner ungleich Null ist. Während man durch<br />

Addition, Subtraktion und Multiplikation von Polynomen wieder Polynome erhält, bleibt man in der<br />

größeren Klasse der gebrochen-rationalen Funktionen auch bei der Division in dieser Klasse.<br />

Beispiel: Sei<br />

f (x) =<br />

x und g(x) = 1 + x 2<br />

1 + x 2 1 + 2x . 4<br />

34


4.3 Potenzfunktionen<br />

Dann gilt für das Produkt<br />

und für den Quotienten<br />

f (x)<br />

g(x)<br />

f (x)g(x) =<br />

=<br />

=<br />

=<br />

=<br />

x<br />

1 + x · 1 + x 2<br />

2 1 + 2x 4<br />

x(1 + x 2 )<br />

(1 + x 2 )(1 + 2x 4 )<br />

x 3 + x<br />

2x 6 + 2x 4 + x 2 + 1<br />

x<br />

1+x 2<br />

= x<br />

1+x 2<br />

1 + x · 1 + 2x 4<br />

2 1 + x 2<br />

1+2x 4<br />

x(1 + 2x 4 )<br />

(1 + x 2 )(1 + x 2 ) = 2x 5 + x<br />

x 4 + 2x 2 + 1 .<br />

4.3 Potenzfunktionen<br />

Wir hatten früher bereits die allgemeine Potenz b p kennengelernt, wobei b eine positive Zahl war und<br />

p beliebig reell war. Hier treten zwei Variablen b und p auf. Wir wollen jetzt p festhalten und b als<br />

unabhängige Variable betrachten. Deshalb schreiben wir dann auch x statt b. Für festes reelles p heißt<br />

die Funktion<br />

f (x) = x p , x > 0<br />

die Potenzfunktion mit Potenz p. Speziell heißt für p = 1 n<br />

f (x) = x 1 n =<br />

n √ x, x ≥ 0<br />

die Funktion<br />

die n−te Wurzel. Für ganzzahlige p = n ist x p = x n für alle x definiert, wobei für n < 0 der Wert<br />

x = 0 auszuschließen ist.<br />

Für alle Potenzfunktionen gilt:<br />

Seien<br />

1. Sie sind nicht negativ, also nach unten durch 0 beschränkt.<br />

2. f (x) = x p geht durch (1, 1).<br />

3. Für x → ∞ und p > 0 wächst f (x) = x p unbegrenzt und strebt gegen unendlich. Für p < 0<br />

strebt f (x) = x p für x → ∞ gegen Null.<br />

4. f (x) = x p ist streng monoton wachsend für p > 0 und streng monoton fallend für p < 0.<br />

5. f (x) = x p ist stetig.<br />

zwei Potenzfunktionen. Dann sind<br />

f 1 (x) = x p 1<br />

, und f 2 (x) = x p 2<br />

f 1 (x)f 2 (x) = x p 1+p 2<br />

f 1 (x)<br />

f 2 (x)<br />

= x p 1−p 2<br />

f 1 (f 2 (x)) = (f 2 (x)) p 1<br />

= (x p 2<br />

) p 1<br />

= x p 1·p 2<br />

35


4.4 Exponential-und Logarithmusfunktion<br />

wieder Potenzfunktionen.<br />

Wir betrachten jetzt die Frage der Umkehrfunktion der Funktion y = x p . Nach den Potenzgesetzen<br />

gilt<br />

y 1 p = (x p ) 1 p = x<br />

p· 1<br />

p = x.<br />

Damit ist<br />

g(y) = y 1 p<br />

die Umkehrfunktion der Potenzfunktion f (x) = x p . Speziell ist also die n−te Wurzel gerade die<br />

Umkehrfunktion der Potenzfunktion x n , wenn man diese nur in dem Bereich x ≥ 0 betrachtet.<br />

4.4 Exponential-und Logarithmusfunktion<br />

In der allgemeinen Potenz b p halten wir jetzt das b > 0, b ≠ 1 fest und lassen p als unabhängige<br />

Variable laufen, die wir dann mit x bezeichnen.<br />

Für b > 0, b ≠ 1 heißt die Funktion<br />

f (x) = b x ,<br />

−∞ < x < ∞<br />

die Exponentialfunktion mit Basis b. Ist b = e die Eulersche Zahl, so wird e x die Exponentialfunktion<br />

(ohne Zusatz) genannt.<br />

Das folgende Bild zeigt Exponentialfunktionen zu den Basen 3 (durchgezogene Linie), e (fette Linie)<br />

und 1/3 (gestrichelte Linie).<br />

4<br />

2<br />

−1<br />

Wir tragen jetzt qualitative Eigenschaften von Exponentialfunktionen zusammen. Jede Exponentialfunktion<br />

besitzt folgende Eigenschaften.<br />

1. Sie ist nicht negativ, also nach unten durch 0 beschränkt.<br />

2. f (x) = b x geht durch den Punkt (0, 1).<br />

3. Für x → ∞ und b > 1 wächst f (x) = b x unbegrenzt und strebt gegen unendlich. Für b < 1<br />

strebt f (x) = b x für x → ∞ gegen Null. Für x → −∞ gelten analoge Aussagen.<br />

4. f (x) = b x ist streng monoton wachsend in x für b > 1 und streng monoton fallend für b < 1.<br />

1<br />

36


4.4 Exponential-und Logarithmusfunktion<br />

5. f (x) = b x ist stetig.<br />

Wir betrachten jetzt die Umkehrfunktion, d.h. die Lösung der Gleichung y = b x , b > 0, b ≠ 1. Die<br />

Auflösung ergibt nach der Definition des Logarithmus zur Basis b, siehe (13)<br />

x = log b y.<br />

Wir wollen jetzt die Logarithmusfunktion systematisch studieren und bezeichnen die unabhängige Variable<br />

mit x, wir untersuchen also die Funktion f (x) = log b x. Nach der Definition der Umkehrfunktion<br />

gilt<br />

b log b x = x.<br />

Bilden wir jetzt den natürlichen Logarithmus auf beiden Seiten, so erhalten wir<br />

(ln b) · (log b x) = ln x<br />

log b x = ln x<br />

ln b .<br />

Hieraus sehen wir, dass sich die verschiedenen Logarithmusfunktionen nur um einen Faktor unterscheiden.<br />

Dieser Faktor kann positiv oder negativ sein. Trotzdem reicht es also prinzipiell aus, mit<br />

dem natürlichen Logarithmus zu arbeiten. Das folgende Bild zeigt den Verlauf des natürlichen und des<br />

dekadischen Logarithmus (dünne Linie).<br />

2<br />

1<br />

−1<br />

−2<br />

−3<br />

2 4 6 8 10<br />

Beispiel: Ein Kapital K 0 wird zum Zeitpunkt t = 0 mit einem Zinssatz von p% angelegt. Bei kontinuierlicher<br />

Verzinsung ist das Kapital zur Zeit t dann<br />

K t = K 0 · exp{ p<br />

100 t}.<br />

Hierbei ist exp{x} nur ein anderes Symbol für e x , das bei komplizierteren Exponenten verwendet wird.<br />

Gesucht ist jetzt die Zeit τ bis zu der sich das Kapital verdoppelt hat. Dann gilt<br />

K τ = K 0 · exp{ p<br />

100 τ} = 2K 0<br />

Das ergibt<br />

exp{ p τ} = 2.<br />

100<br />

Bilden des natürlichen Logarithmus ergibt<br />

Bei einem Zinssatz von p = 4, 75% folgt<br />

p<br />

100 τ = ln 2<br />

τ =<br />

τ =<br />

100 · ln 2<br />

p<br />

100 · ln 2<br />

.<br />

p<br />

≈ 14, 59.<br />

Eine Verdopplung des Kapitals erfolgt etwa in 14 Jahren und 7 Monaten.<br />

37


4.5 Trigonometrische Funktionen<br />

4.5 Trigonometrische Funktionen<br />

Bei der Einführung der trigonometrischen Funktionen messen wir den Winkel mit Hilfe des Bogenmaßes.<br />

Ist also irgendein Winkel 0 ◦ ≤ α ≤ 360 ◦ gegeben, so bezeichnen wir durch ϕ die Länge desjenigen<br />

Kreisstücks auf dem Einheitskreis, für die die eingezeichneten Radien gerade den Winkel α einschließen.<br />

Nach Konstruktion entspricht der Vollwinkel dem Bogenmaß 2π, dem rechten Winkel entspricht<br />

π/2 und der Winkel 180 ◦ entspricht der Bogenlänge π. Wir betrachten jetzt ein rechtwinkliges Dreieck<br />

mit den Kathetenlängen a und b und der Länge der Hypothenuse<br />

c = √ a 2 + b 2 .<br />

Die Kathete mit der Länge a sei gegenüber dem betrachteten Winkel α (im Bogenmaß ϕ gemessen).<br />

Wir führen dann die trigonometrischen Funktionen Sinus und Cosinus in der bekannten Weise ein<br />

sin ϕ = a c = Gegenkathete<br />

Hypotenuse<br />

und<br />

cos ϕ = b c = Ankathete<br />

Hypotenuse . (22)<br />

Das können wir auch am Einheitskreis veranschaulichen. Im Dreieck im Einheitskreis ist c = 1 die<br />

Radiuslänge und somit<br />

b = cos ϕ und a = sin ϕ.<br />

Damit lassen sich also die Punkte des Einheitskreises schreiben als (cos ϕ, sin ϕ). Aus der Definition<br />

(22) folgt, dass beide Funktionen (sin ϕ und cos ϕ) periodisch mit der Periode 2π sind, d.h. es gilt<br />

sin ϕ = sin(ϕ + 2π) und cos ϕ = cos(ϕ + 2π)<br />

Ihre Werte liegen stets zwischen −1 und 1. Das folgende Bild veranschaulicht den Verlauf dieser<br />

beiden trigonometrischen Funktionen.<br />

1<br />

−1<br />

π<br />

2<br />

π<br />

3π<br />

2<br />

2π<br />

5π<br />

2<br />

In einem nicht notwendig rechtwinkligen Dreieck mit den Winkeln α, β, γ und den gegenüberliegenden<br />

Seiten mit den Längen a, b, c gilt der Sinussatz und der Kosinussatz.<br />

sin α<br />

= sin β = sin γ Sinussatz<br />

a b c<br />

a 2 = b 2 + c 2 − 2bc cos α Kosinussatz.<br />

Bei der Bildung der Quotienten der beiden trigonometrischen Funktionen sin ϕ und cos ϕ müssen wir<br />

beachten, dass sin ϕ an den Stellen kπ und cos ϕ an den Stellen (k + 1 2<br />

)π Nullstellen hat. Wir setzen<br />

tan ϕ = sin ϕ<br />

cos ϕ , ϕ ≠ (k + 1 2 )π<br />

cot ϕ = cos ϕ<br />

sin ϕ , ϕ ≠ kπ.<br />

Im Gegensatz zu den Funktionen sin ϕ und cos ϕ sind die Funktionen tan ϕ und cot ϕ nicht beschränkt.<br />

Durchläuft ϕ das Intervall (− π 2 , π 2<br />

) so nimmt tan ϕ alle Werte zwischen −∞ und ∞ an.<br />

Analog nimmt cot ϕ alle Werte zwischen −∞ und ∞ an, wenn ϕ das Intervall (0, π) durchläuft. Das<br />

folgende Bild zeigt den Verlauf von tan ϕ und cot ϕ wobei die letzte Funktion gestrichelt gezeichnet<br />

wurde.<br />

38


4.6 Arkusfunktionen<br />

6<br />

3<br />

−π<br />

2<br />

π<br />

2<br />

π<br />

−3<br />

−6<br />

Zwischen den trigonometrischen Funktionen gibt es vielfältige Beziehungen. Wir listen einige von<br />

ihnen auf<br />

cos(−ϕ) = cos ϕ<br />

sin(−ϕ) = − sin ϕ<br />

sin 2 ϕ + cos 2 ϕ = 1<br />

cos(ϕ 1 + ϕ 2 ) = cos ϕ 1 cos ϕ 2 − sin ϕ 1 sin ϕ 2<br />

sin(ϕ 1 + ϕ 2 ) = sin ϕ 1 cos ϕ 2 + cos ϕ 1 sin ϕ 2<br />

gerade Funktion<br />

ungerade Funktion<br />

trigonometrischer Pythagoras<br />

Additionstheorem<br />

Additionstheorem<br />

Aus der letzten Formel folgt<br />

sin(ϕ + π 2 ) = cos ϕ<br />

sin(2ϕ) = 2 sin ϕ cos ϕ.<br />

Wir listen einige speziellen Werte von sin ϕ und cos ϕ auf:<br />

4.6 Arkusfunktionen<br />

π<br />

6<br />

π<br />

4<br />

π<br />

3<br />

π<br />

2<br />

2π<br />

3<br />

ϕ 0<br />

0 30 0 45<br />

√ 0 60<br />

√ 0 90 0 120<br />

√ 0 135<br />

√ 0 150 0 180 0<br />

1 1<br />

sin ϕ 0<br />

2 2 2<br />

1<br />

2 3 1<br />

1<br />

2 3<br />

1<br />

2 2<br />

1<br />

(23)<br />

√ √ √ 2 √<br />

0<br />

1<br />

cos ϕ 1<br />

2 3<br />

1<br />

2 2<br />

1<br />

2<br />

0 − 1 2<br />

− 1 2 2 −<br />

1<br />

2 3 −1<br />

3π<br />

4<br />

5π<br />

6<br />

π<br />

Bei der Einführung von Umkehrfunktionen müssen wir beachten, dass die periodischen trigonometrischen<br />

Funktionen nicht monoton sind und deshalb keine Umkehrfunktion besitzen. Wir können aber<br />

Intervalle finden, in denen diese Funktionen streng monoton sind und deshalb auf diesen eingeschränkten<br />

Bereichen Umkehrfunktionen besitzen. Beginnen wir zunächst mit der Sinusfunktion sin ϕ. Sie ist<br />

im Intervall [− π 2 , π 2<br />

] streng monoton wachsend. Der Wertebereich ist hierfür [−1, 1]. Ähnlich ist die<br />

Kosinusfunktion streng monoton im Intervall [0, π]. Deshalb schränken wir uns bei der Einführung der<br />

Umkehrfunktionen (Arkussinus und Arkuskosinus) auf diese Intervalle ein.<br />

y = sin x, − π 2 ≤ x ≤ π ⇔ x = arcsin y, −1 ≤ y ≤ 1<br />

2<br />

y = cos x, 0 ≤ x ≤ π ⇔ x = arccos y, −1 ≤ y ≤ 1.<br />

39


4.7 Weitere elementare Funktionen<br />

Das bedeutet, dass arcsin y derjenige Winkel ist, für den der Sinus gerade den Wert y hat und<br />

entsprechend für den Kosinus. Analog führen wir durch Einschränkung auf Monotonieintervalle von<br />

tan ϕ und cot ϕ die entsprechenden Umkehrfunktionen ein, die mit Arkustangens und Arkuskotangens<br />

bezeichnet werden.<br />

y = tan x, − π 2 < x < π ⇔ x = arctan y, −∞ < y < ∞<br />

2<br />

y = cot x, 0 < x < π ⇔ x = arccot y, −∞ < y < ∞.<br />

4.7 Weitere elementare Funktionen<br />

Potenz-, Wurzel-, Exponential-, Logarithmusfunktion und trigonometrische Funktionen und deren<br />

Umkehrfunktionen sind Grundfunktionen. Jede Funktion, die sich aus den Grundfunktionen und Konstanten<br />

durch die Grundrechenarten und das Bilden mittelbarer Funktionen in endlich vielen Schritten<br />

erzeugen lässt, heißt elementare Funktion. Damit sind z.B. alle Polynome und alle gebrochen rationalen<br />

Funktionen elementare Funktionen. Wir betrachten weitere Beispiele.<br />

Beispiele: 1. Die Funktion<br />

sinh x = 1 2 (ex − e −x ),<br />

−∞ < x < ∞<br />

heißt der hyperbolische Sinus. Ähnlich heißt<br />

cosh x = 1 2 (ex + e −x ),<br />

−∞ < x < ∞<br />

der hyperbolische Kosinus.<br />

2. Wir betrachten die Funktion<br />

f (x) = (cos(x 2 ) + 3)(ln x) −1/2 − 2 exp{sin x}<br />

Wegen ln x > 0 für x > 1 ist der natürliche Parameterbereich gegeben durch D(f ) = (1, ∞).<br />

3. Die Funktion<br />

{ cos t für t ≤ 0<br />

f (t) =<br />

e −0,2·t cos t für t > 0<br />

beschreibt eine Schwingung, die für t ≤ 0 harmonisch ist und für t > 0 durch den Faktor e −0,2·t<br />

exponentiell gedämpft ist.<br />

1<br />

−π<br />

−π<br />

2<br />

−1<br />

π<br />

2<br />

π<br />

3π<br />

2<br />

2π<br />

4.8 Gleichungen und Ungleichungen für elementare Funktionen<br />

4.8.1 Lineare Funktionen<br />

Wir wollen jetzt Gleichungen untersuchen, in die lineare und nichtlineare elementare Funktionen eingehen.<br />

Die lineare Funktion f (x) = a + bx besitzt genau eine Nullstelle, die für b ≠ 0 durch x 0 = − a b<br />

gegeben ist.<br />

40


4.8 Gleichungen und Ungleichungen für elementare Funktionen<br />

4.8.2 Quadratische Funktionen<br />

Wir betrachten mögliche Nullstellen eines quadratischen Polynoms, d.h. Lösungen der Gleichung<br />

a + bx + cx 2 = 0.<br />

Sei c ≠ 0. Nach Division durch c und durch eine Änderung der Bezeichnung der Koeffizienten läßt<br />

sich diese Gleichung in der Form<br />

x 2 + px + q = 0<br />

mit reellen Koeffizienten p und q schreiben. Jetzt sind drei Fälle zu unterscheiden.<br />

1. Es gilt<br />

Diskriminante = D = p2<br />

4 − q > 0.<br />

Dann existieren zwei reelle Nullstellen, die gegeben sind durch<br />

x 1 = − p 2 + √ D und x 2 = − p 2 − √ D. (24)<br />

Die Parabel y = x 2 + px + q schneidet die x−Achse in den beiden Punkten x 1 , x 2 .<br />

2. Es gilt<br />

D = p2<br />

4 − q = 0.<br />

Dann fallen x 1 und x 2 zusammen. Es gibt eine doppelte Nullstelle<br />

x 1 = x 2 = − p 2<br />

und die Parabel y = x 2 + px + q berührt die x−Achse im Punkt − p 2<br />

3. Es gilt<br />

D = p2<br />

4 − q < 0.<br />

Dann existieren keine reellen Nullstellen. Die Parabel y = x 2 + px + q liegt vollständig oberhalb<br />

der x−Achse.<br />

Beispiele: 1. Gesucht sind die Lösungen der Gleichung<br />

Es gilt<br />

x 2 − x − 2 = 0.<br />

D = p2<br />

4 − q = 1 4 (−1)2 + 2 = 9 4 > 0.<br />

Es existieren also zwei verschiedene Nullstellen<br />

x 1 = 1 2 + √ D = 1 2 + 3 2 = 2<br />

x 2 = 1 2 − √ D = −1.<br />

2<br />

1<br />

−1<br />

−1<br />

−2<br />

1 2<br />

41


4.8 Gleichungen und Ungleichungen für elementare Funktionen<br />

2. Gesucht sind die Lösungen der Gleichung<br />

Es gilt<br />

x 2 − x + 1 4 = 0.<br />

D = p2<br />

4 − q = 1 4 (−1)2 − 1 4 = 0.<br />

Es existiert eine doppelte Nullstelle<br />

x 1 = x 2 = − p 2 = 1 2 .<br />

2<br />

1<br />

−1<br />

−1<br />

−2<br />

1 2<br />

3. Gesucht sind die Lösungen der Gleichung<br />

x 2 − x + 2 = 0.<br />

Es gilt<br />

es existiert keine Nullstelle.<br />

D = p2<br />

4 − q = 1 4 (−1)2 − 2 = − 7 4 < 0,<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

−1<br />

1 2<br />

Beispiel: Gesucht sind alle x ∈ R, die der Ungleichung<br />

x 2 − 2x − 3 > 3 − x<br />

genügen. Wir bestimmen zunächst die Nullstellen der Funktion<br />

Dazu berechnen wir die Diskriminante<br />

f (x) = x 2 − 2x − 3 − (3 − x)<br />

= x 2 − x − 6.<br />

D = (− 1 2 )2 − (−6) = 1 4 + 6 = 25<br />

4 > 0.<br />

42


4.8 Gleichungen und Ungleichungen für elementare Funktionen<br />

Also liegen zwei verschiedene Nullstellen vor.<br />

x 1 = − 1 2 (−1) + √ D = 1 2 + √<br />

25<br />

4 = 3<br />

x 2 = − 1 2 (−1) − √ D = 1 2 − √<br />

25<br />

4 = −2.<br />

Die Parabel f schneidet die x−Achse in den Punkten −2 und 3. Liegt der Scheitelpunkt unterhalb oder<br />

oberhalb der x−Achse? Der zugehörige x−Wert liegt genau in der Mitte zwischen den Nullstellen, ist<br />

also 1 2 (−2 + 3) = 1 2<br />

. Wie groß ist der Funktionswert?<br />

Damit gilt also<br />

f ( 1 2 ) = (1 2 )2 − 1 2 − 6 = −25 4 < 0.<br />

f (x) ≤ 0 für −2 ≤ x ≤ 3<br />

f (x) > 0 für x /∈ [−2, 3].<br />

Die gesuchte Lösungsmenge ist also (−∞, −2) ∪ (3, ∞). Die folgende Abbildung illustriert die obige<br />

Ungleichung.<br />

4<br />

2<br />

−2<br />

−1<br />

−2<br />

1 2 3<br />

4.8.3 Weitere Gleichungen für elementare Funktionen<br />

Wir berechnen jetzt die Nullstellen von Funktionen, die Wurzel-Ausdrücke, die Exponentialfunktion<br />

oder trigonometrische Funktionen enthalten. Hierbei kommt es darauf an, die entsprechenden Ausdrücke<br />

zunächst geeignet umzuformen.<br />

Beispiel für Wurzelgleichung: Gesucht sind die Lösungen der Gleichung<br />

√ x −<br />

√<br />

x − 1 =<br />

√<br />

2x − 1<br />

Damit die Wurzelausdrücke sinnvoll sind, muss gelten<br />

x ≥ 0, x − 1 ≥ 0 und 2x − 1 ≥ 0. (25)<br />

Das bedeutet insgesamt x ≥ 1. Quadrieren der obigen Gleichung ergibt<br />

x − 2 √ x √ x − 1 + x − 1 = 2x − 1<br />

−2 √ x √ x − 1 = 0<br />

√<br />

x(x − 1) = 0<br />

x(x − 1) = 0<br />

Hieraus folgt, dass wenigstens ein Faktor Null sein muss, also x = 0 oder x = 1. Der Wert x = 0<br />

erfüllt nicht die Nebenbedingung x ≥ 1. Also ist x = 1 die gesuchte Nullstelle.<br />

43


4.8 Gleichungen und Ungleichungen für elementare Funktionen<br />

Beispiele für Exponentialgleichungen und logarithmische Gleichungen: 1. Gesucht sind die Lösungen<br />

der Gleichung<br />

2 5x+1 = 3 2x+2 .<br />

Wir bilden auf beiden Seiten den Logarithmus zur Basis 2. Das ergibt<br />

5x + 1 = (log 2 3)(2x + 2)<br />

x(5 − 2 log 2 3) = 2 log 2 3 − 1<br />

x = 2 log 2 3 − 1<br />

5 − 2 log 2 3 .<br />

Bei der numerischen Berechnung, muss man log 2 3 ermitteln. Das kann man mit der Umrechnungsformel<br />

für Logarithmen machen, wobei dann der Taschenrechner für die Berechnung der natürlichen<br />

oder dekadischen Logarithmen verwendet wird. Einfacher und systematischer wird der Lösungsweg,<br />

wenn man gleich die natürlichen Logarithmen verwendet. Dann ergibt sich<br />

(5x + 1) ln 2 = (2x + 2) ln 3<br />

x(5 ln 2 − 2 ln 3) = 2 ln 3 − ln 2<br />

x =<br />

2 ln 3 − ln 2<br />

≈ 1, 1857<br />

5 ln 2 − 2 ln 3<br />

2. Bei festem b > 0, b ≠ 1 sind die Lösungen der Gleichung<br />

gesucht. Durch Umformung erhalten wir<br />

log b (2x + 3) = log b (x − 1) + 1<br />

log b<br />

2x + 3<br />

x − 1 = 1<br />

Nimmt man die linke und die rechte Seite als Potenz von b, so folgt<br />

Für b = 2 gibt es keine Lösung. Für b ≠ 2 ist<br />

b log b 2x+3<br />

x−1 = b<br />

2x + 3<br />

= b<br />

x − 1<br />

(b − 2)x = b + 3<br />

x = b + 3<br />

b − 2<br />

die gesuchte Lösung.<br />

Beispiele für goniometrische Gleichungen: 1. Gesucht sind die Lösungen der Gleichung<br />

Wir setzen y = cos x und erhalten<br />

Mit der Formel (24) für die Nullstellen ergibt sich<br />

cos x + 2 cos 2 x − 1 = 0.<br />

2y 2 + y − 1 = 0<br />

y 2 + 1 2 y − 1 2 = 0.<br />

y 1 = − 1 4 + √<br />

1<br />

16 + 1 2 = −1 4 + √<br />

9<br />

16 = 1 2<br />

y 2 = − 1 4 − √<br />

1<br />

16 + 1 2 = −1 4 − √<br />

9<br />

16 = −1.<br />

44


4.9 Numerische Lösungen von Gleichungen<br />

Also gilt cos x = 1 2 oder cos x = −1. Wegen cos(± π 3 ) = 1 2<br />

(siehe Tabelle (23)) ist im ersten Fall<br />

x = ± π 3 + 2kπ<br />

Im zweiten Fall ist wegen cos π = −1<br />

2. Gesucht sind die Lösungen der Gleichung<br />

Hieraus folgt<br />

x = π + 2kπ = (2k + 1)π.<br />

2 cos 2 x + 2 cos x = 0.<br />

2 cos x(1 + cos x) = 0.<br />

Also gilt cos x = 0 oder 1+cos x = 0. Im ersten Fall ist x = π 2<br />

+kπ im zweiten Fall ist x = π +2kπ =<br />

(2k + 1)π.<br />

4.9 Numerische Lösungen von Gleichungen<br />

Die im vorigen Abschnitt betrachteten nichtlinearen Gleichungen waren gewisse Spezialfälle, die aufgrund<br />

ihrer einfachen Struktur eine formelmäßige Auflösung gestatteten. In der Mehrzahl der Fälle<br />

ist man jedoch auf numerische Verfahren angewiesen. Wir wollen hier eine sehr einfache, aber breit<br />

anwendbare Methode kennen lernen.<br />

Es sei f eine im Intervall [a, b] definierte stetige Funktion. Dann nimmt diese Funktion jeden Wert<br />

zwischen dem Maximum und dem Minimum an. Haben also f (a) und f (b) unterschiedliche Vorzeichen,<br />

so gibt es wenigstens eine Nullstelle im Intervall [a, b]. Wir betrachten jetzt die Intervalle [a, 1 2<br />

(a + b)]<br />

und [ 1 2<br />

(a + b), b]. Dann liegt genau einer der beiden folgenden Fälle vor:<br />

f (a) und f ( 1 (a + b)) haben unterschiedliche Vorzeichen<br />

2<br />

f ( 1 (a + b)) und f (b) haben unterschiedliche Vorzeichen.<br />

2<br />

Möge etwa der erste Fall vorliegen. Dann muss im Intervall [a, 1 2<br />

(a + b)] wenigstens eine Nullstelle<br />

liegen. Jetzt halbieren wir dieses Intervall wieder und betrachten die Intervalle<br />

[a, 3 4 a + 1 4 b], und [3 4 a + 1 4 b, 1 (a + b)].<br />

2<br />

Für eines dieser Intervalle haben die Funktionswerte von f an den Endpunkten unterschiedliche Vorzeichen.<br />

Dann wird dieses Intervall wieder halbiert und das Intervall ausgewählt, für das die Vorzeichen<br />

der Funktionswerte von f an den Endpunkten unterschiedlich sind. Insgesamt erhält man so eine Folge<br />

von Intervallen [a n , b n ] mit der Eigenschaft [a 0 , b 0 ] = [a, b] und<br />

b n − a n = 2 −n (b − a).<br />

Die Intervalllänge strebt also sehr schnell gegen Null. Es läßt sich nun nachweisen, dass die Zahlenfolgen<br />

a n , b n gegen eine Zahl x 0 streben, die eine Nullstelle von f ist. Dieses Verfahren der approximativen<br />

Nullstellenbestimmung heißt das Halbierungsverfahren. Wir demonstrieren das Vorgehen an<br />

einem Beispiel.<br />

Beispiel: Es sei<br />

f (x) = e x + x 3 − 2.<br />

45


5.1 Der Begriff der Ableitung<br />

Es gilt f (0) = 1 + 0 − 2 < 0 und f (1) = e + 1 − 2 > 0. Deshalb können wir a 0 = 0 und b 0 = 1<br />

wählen. Die folgende Tabelle gibt die weiteren Arbeitsschritte an.<br />

a<br />

a i +b i<br />

i<br />

2<br />

b i f (a i ) f ( a i +b i<br />

2<br />

) f (b i )<br />

0 0, 5 1 −1 −0, 2263 1, 7183<br />

0, 5 0, 75 1 −0, 2263 0, 5389 1, 7183<br />

0, 5 0, 625 0, 75 −0, 2263 0, 1124 0, 5389<br />

0, 5 0, 5625 0, 625 −0, 2263 −0, 067 0, 1124<br />

0, 5625 0, 5938 0, 625 −0, 067 0, 02 0, 1124<br />

0, 5625 0, 5781 0, 5938 −0, 067 −0, 02 0, 02<br />

0, 5781 0, 5859 0, 5938 −0, 02 −0, 002 0, 02<br />

0, 5859 0, 5898 0, 5938 −0, 0021 0, 0089 0, 02<br />

Also ist x 0 ≈ 0, 59 eine Approximation für die gesuchte Nullstelle. Das folgende Bild illustriert den<br />

Verlauf der Funktion f (x) = e x + x 3 − 2.<br />

2<br />

1<br />

−1<br />

−1<br />

−2<br />

1<br />

5 Differentialrechnung<br />

5.1 Der Begriff der Ableitung<br />

Wir haben bisher schon einige qualitative Eigenschaften von Funktionen kennen gelernt. Dies waren<br />

Beschränktheit, Monotonie und Stetigkeit. Allerdings hatten wir zum Nachweis der Monotonie bisher<br />

keine systematischen Hilfsmittel zur Verfügung. Die Idee besteht jetzt darin, den Zuwachs f (x 0 +h)−<br />

f (x 0 ) einer Funktion näher zu untersuchen. Wenn f stetig ist, so strebt diese Differenz gegen Null.<br />

Die entscheidende Idee ist, den relativen Zuwachs zu betrachten, also den Zuwachs f (x 0 + h) − f (x 0 )<br />

am Zuwachs h des Arguments zu messen, also zum Differenzen-Quotienten überzugehen:<br />

∆f (x 0 , h) = f (x 0 + h) − f (x 0 )<br />

. (26)<br />

h<br />

Dieser Ausdruck hängt noch von h ab. Da wir vor allem an sehr kleinen Zuwächsen interessiert sind,<br />

lassen wir h gegen Null streben.<br />

Sei I ein offenes Intervall und f : I → R eine in I definierte Funktion. Die Funktion f heißt im Punkt<br />

x 0 ∈ I differenzierbar, falls es eine durch f ′ (x 0 ) bezeichnete reelle Zahl derart gibt, dass für jede Folge<br />

h n → 0 gilt<br />

f ′ f (x 0 + h n ) − f (x 0 )<br />

(x 0 ) = lim<br />

. (27)<br />

n→∞ h n<br />

46


5.1 Der Begriff der Ableitung<br />

Die Zahl f ′ (x 0 ) heißt dann die Ableitung von f an der Stelle x 0 . Ist f in jedem Punkt des Intervalls<br />

I differenzierbar, dann heißt die Funktion x ↦→ f ′ (x) die Ableitung der Funktion f . Ist diese wieder<br />

differenzierbar, dann heißt die Ableitung (f ′ ) ′ der Ableitung f ′ die zweite Ableitung und wird mit f ′′<br />

bezeichnet. Analog sind weitere höhere Ableitungen definiert, vorausgesetzt sie existieren.<br />

Weil der Limes in (27) für jede gegen Null strebende Folge h n existiert und den gleichen Wert hat<br />

schreibt man auch<br />

f ′ f (x 0 + h) − f (x 0 )<br />

(x 0 ) = lim<br />

.<br />

h→0 h<br />

Interpretation als Differential:<br />

Wie kann man näherungsweise den Funktionswert f (x + h) berechnen, wenn f (x) bekannt ist? Aus<br />

(26) und (27) ergibt sich für kleine h<br />

∆f (x, h) ≈ f ′ (x)<br />

f (x + h) ≈ f (x) + f ′ (x) · h.<br />

Um zu betonen, dass h betragsmäßig sehr klein ist, setzt man dx = h und bezeichnet dx als Differential.<br />

Dann liefert das Differential dy = f ′ (x)dx näherungsweise (für kleines dx) den Zuwachs der<br />

Funktionswerte.<br />

Interpretation als Anstieg der Tangente<br />

Wir betrachten die Sekante, die durch die Punkte (x 0 , f (x 0 )) und (x 0 + h, f (x 0 + h)) geht. Die entsprechende<br />

Geradengleichung lautet<br />

g h (x) = f (x 0 ) + f (x 0 + h) − f (x 0 )<br />

(x − x 0 )<br />

h<br />

= f (x 0 ) + ∆f (x 0 , h)(x − x 0 ), h ≠ 0.<br />

Das ist eine Schar von Geraden, die alle durch den Punkt (x 0 , f (x 0 )) gehen, aber unterschiedliche<br />

Anstiege ∆f (x 0 , h) haben, die für h → 0 gegen den Anstieg<br />

streben. Setzen wir jetzt<br />

lim ∆f (x 0, h) = f ′ (x 0 )<br />

h→0<br />

g 0 (x) = f (x 0 ) + f ′ (x 0 )(x − x 0 ),<br />

dann gilt<br />

lim g h(x) = g 0 (x).<br />

h→0<br />

Die durch g 0 (x) definierte Gerade wird als Tangente von f in x 0 bezeichnet. Das folgende Bild illustriert<br />

den Übergang von der Sekante zur Tangente.<br />

12<br />

9<br />

6<br />

3<br />

1 2<br />

47


5.1 Der Begriff der Ableitung<br />

Wir betrachten eine einfaches Beispiel, das zeigt, wie man vom Differenzen-Quotienten zur Ableitung<br />

gelangt.<br />

Beispiele: 1. Sei f (x) = a + bx die lineare Funktion. Dann gilt<br />

∆f (x 0 , h) = a + b(x 0 + h) − (a + bx 0 )<br />

h<br />

= bh<br />

h = b<br />

f ′ (x 0 ) = lim<br />

h→0<br />

∆f (x 0 , h) = b = Anstieg der Geraden<br />

Ist b = 0, dann ist f (x) = a + bx = a die konstante Funktion deren Ableitung gleich Null ist.<br />

2. Es sei f (x) = x 2 . Dann gilt<br />

Somit gilt<br />

∆f (x 0 , h) = (x 0 + h) 2 − x 2 0<br />

h<br />

= x 2 0 + 2hx 0 + h 2 − x 2 0<br />

h<br />

= 2x 0 + h.<br />

lim<br />

h→0 ∆f (x 0, h) = 2x 0<br />

und deshalb (x 2 ) ′ = 2x. Durch ähnliche Überlegungen erhält man, dass alle elementaren Funktionen<br />

differenzierbar sind und die Gestalt der Ableitung.<br />

(c) ′ = 0,<br />

c ist eine Konstante<br />

(x n ) ′ = nx n−1 , n ganzzahlig<br />

(x a ) ′ = ax a−1 , x > 0 falls a nicht ganzzahlig ist<br />

(ln x) ′ = 1 x , x > 0<br />

(e x ) ′ = e x , −∞ < x < ∞<br />

(28)<br />

(a x ) ′ = a x ln a, a > 0, −∞ < x < ∞<br />

Alle trigonometrischen Funktionen und ihre Umkehrfunktionen sind differenzierbar.<br />

(sin x) ′ = cos x, (cos x) ′ = − sin x,<br />

(tan x) ′ = 1<br />

cos 2 x = 1 + tan2 x,<br />

−∞ < x < ∞<br />

x ≠ π 2<br />

+ kπ, k ganz<br />

(cot x) ′ = − 1 sin 2 x cot2 x, x ≠ kπ, k ganz<br />

(arcsin x) ′ = √ 1<br />

1+x 2<br />

, −1 < x < 1<br />

(arctan x) ′ = 1<br />

1+x 2 , −∞ < x < ∞.<br />

(29)<br />

Oft werden aus den elementaren Funktionen durch die Grundrechenarten und durch Verkettung einer<br />

oder mehrerer Funktionen definiert. Dann möchte man das Bilden der Ableitung mit Hilfe von Rechenregeln<br />

auf die oben angegebenen Ableitungen der elementaren Funktionen zurückführen. Ohne<br />

48


5.1 Der Begriff der Ableitung<br />

Beweis listen wir jetzt die wichtigsten Rechenregeln für die Ableitung auf.<br />

(f + g) ′ = f ′ + g ′<br />

(cf ) ′ = cf ′ ,<br />

c Konstante<br />

(f · g) ′ = f ′ · g + f · g ′ , Produktregel<br />

( f g )′ = f ′·g−f ·g ′<br />

g 2 , g(x) ≠ 0, Quotientenregel<br />

(f (g)) ′ = f ′ (g) · g ′ , Kettenregel (Ableitung der Verkettung)<br />

(30)<br />

Beispiele: 1. Sei f (x) = 3x 2 − 8 sin x. Hier wenden wir die ersten beiden Regeln an<br />

f ′ (x) = (3x 2 − 8 sin x) ′<br />

= (3x 2 ) ′ − (8 sin x) ′<br />

= 3(x 2 ) ′ − 8(sin x) ′<br />

= 6x − 8 cos x.<br />

2. Zur Bildung der Ableitung von f (x) = x 2 sin x wenden wir die Produktregel an<br />

f ′ (x) = (x 2 sin x) ′<br />

= (x 2 ) ′ sin x + x 2 (sin x) ′<br />

= 2x sin x + x 2 cos x.<br />

3. Die Anwendung der Quotientenregel auf f (x) = x 2<br />

sin x<br />

, x ≠ kπ ergibt<br />

4. Die Funktion<br />

f ′ (x) = (sin x)(x 2 ) ′ − x 2 (sin x) ′<br />

sin 2 x<br />

= 2x sin x − x 2 cos x<br />

sin 2 .<br />

x<br />

f (x) = exp{cos 2 x}<br />

ist die Verkettung der Funktionen f 1 (x) = e x , f 2 (x) = x 2 und f 3 (x) = cos x<br />

Die doppelte Anwendung der Kettenregel ergibt<br />

f (x) = f 1 (f 2 (f 3 (x))).<br />

f ′ (x) = f 1(f ′<br />

2 (f 3 (x))) · f 2(f ′<br />

3 (x)) · f 3(x)<br />

′<br />

= −2 sin x · cos x · exp{cos 2 x}<br />

= − sin(2x) · exp{cos 2 x}.<br />

5. Höhere Ableitungen erhält man durch schrittweise Bildung der ersten Ableitung. Sei f (x) = cos x.<br />

Dann folgt<br />

f ′ (x) = − sin x und f ′′ (x) = − cos x<br />

f ′′′ (x) = sin x und f (4) (x) = cos x = f (x).<br />

49


5.2 Monotonie und Ableitung<br />

5.2 Monotonie und Ableitung<br />

Wir erinnern daran, dass eine auf einem Intervall I definierte Funktion f monoton wachsend (fallend)<br />

genannt wurde, falls gilt:<br />

x 1 , x 2 ∈ I und x 1 ≤ x 2 =⇒ f (x 1 ) ≤ (≥) f (x 2 ).<br />

Wir betrachten zunächst den Fall, in dem f monoton wachsend ist und setzen x 1 = x und x 2 = x + h.<br />

Für h > 0 folgt dann x < x + h und f (x) ≤ f (x + h). Damit ist<br />

∆f (x, h) =<br />

f (x + h) − f (x)<br />

h<br />

Ist jetzt h < 0, dann ist x + h < x. Weil f monoton wachsend ist, gilt f (x + h) ≤ f (x). Der Bruch ist<br />

wieder nicht negativ. Ist jetzt f differenzierbar, so ergibt der Grenzübergang für h → 0 die Ungleichung<br />

f ′ (x) ≥ 0. Analog kann man vorgehen, wenn f monoton fallend ist.<br />

≥ 0.<br />

Ist f im offenen Intervall I differenzierbar, so gilt:<br />

f ′ (x) ≥ 0 ⇔ f ist monoton wachsend<br />

f ′ (x) ≤ 0 ⇔ f ist monoton fallend<br />

Hinsichtlich der strengen Monotonie gilt nur die eine Richtung der Aussagen.<br />

f ′ (x) > 0 ⇒ f ist streng monoton wachsend<br />

f ′ (x) < 0 ⇒ f ist streng monoton fallend.<br />

Beispielsweise ist f (x) = x 3 streng monoton wachsend. Es gilt aber f ′ (x) = 3x 2 und somit f ′ (0) = 0.<br />

Beispiel : Wir betrachten die Funktion<br />

f (x) = 1 8 x 3 − 3 4 x 2 + 9 x + 1, −∞ < x < ∞.<br />

8<br />

Zunächst bilden wir die Ableitung<br />

f ′ (x) = 3 8 x 2 − 3 2 x + 9 8 .<br />

Wir untersuchen, wo diese Funktion nicht negativ ist. Dazu bestimmen wir die Nullstellen<br />

3<br />

8 x 2 − 3 2 x + 9 8 = 0<br />

x 2 − 4x + 3 = 0<br />

Die Lösungsformel (24) für die quadratische Gleichung ergibt<br />

x 1 = 2 + √ 2 2 − 1 = 3<br />

x 2 = 2 − √ 2 2 − 1 = 1.<br />

Damit hat f ′ innerhalb der Intervalle (−∞, 1), (1, 3), (3, ∞) immer das gleiche Vorzeichen. Welches<br />

Vorzeichen vorliegt erkennt man am einfachsten, wenn man für x spezielle Werte einsetzt.<br />

f ′ (0) = 9 8 > 0, f ′ (2) = − 3 8 < 0, f ′ (4) = 9 8 > 0.<br />

Damit ist f in (−∞, 1) streng monoton wachsend, in (1, 3) streng monoton fallend und schließlich in<br />

(3, ∞) streng monoton wachsend. Das folgende Bild zeigt den Verlauf von f und f ′ . Die gestrichelte<br />

Linie ist der Verlauf der Ableitung f ′ .<br />

50


5.3 Extremstellen<br />

3<br />

2<br />

1<br />

−1<br />

1 2 3 4 5<br />

5.3 Extremstellen<br />

Wir schränken die oben betrachtete Funktion f (x) = 1 8 x 3 − 3 4 x 2 + 9 8x + 1 auf das Intervall [−1, 5] ein.<br />

Dort hat f das globale Minimum an der Stelle x = −1 und das globale Maximum an der Stelle x = 5.<br />

Die Punkte x 1 = 1 und x 2 = 3 liefern ein Maximum bzw. ein Minimum der Funktion f , wenn man die<br />

Funktion f auf eine kleine Umgebung dieser Punkte einschränkt.<br />

Sei f in einem Intervall I definiert. Dann heißt x globale Maximumstelle, wenn gilt<br />

f (x) ≤ f (x) für alle x ∈ I.<br />

Eine Stelle x ∗ heißt lokale Maximumstelle, wenn es ein hinreichend kleines ε > 0 derart gibt, dass gilt<br />

f (x) ≤ f (x ∗ ) für alle x mit x ∗ − ε < x < x ∗ + ε.<br />

Entsprechend sind eine globale bzw. lokale Minimumstelle x bzw. x ∗ definiert, wenn ≤ durch ≥ ersetzt<br />

wird. Zusammenfassend werden Minimum-bzw. Maximumstellen auch als Extremstellen bezeichnet<br />

(lokal bzw. global).<br />

Liegt ein lokales Maximum in x ∗ vor, so ist, zumindest in einer kleinen linksseitigen Umgebung von<br />

x ∗ , die Funktion f monoton wachsend und somit f ′ (x) ≥ 0 für x ∗ − ε < x ≤ x ∗ . Entsprechend ist<br />

f monoton fallend und somit f ′ (x) ≤ 0 für x ∗ ≤ x < x ∗ + ε. Speziell gilt also f ′ (x ∗ ) = 0. Führt<br />

man eine entsprechende Überlegung für ein lokales Minimum durch, so folgt f ′ (x ∗ ) = 0. Wie kann<br />

man an der ersten Ableitung ablesen, ob ein lokales Minimum oder Maximum vorliegt? Ist die zweite<br />

Ableitung an x ∗ kleiner als Null, so ist f ′ streng fallend. Wegen f ′ (x ∗ ) = 0 ist also f ′ links von x ∗<br />

größer oder gleich Null und rechts davon kleiner oder gleich Null. Die Funktion f selbst ist also links<br />

von x ∗ monoton wachsend und rechts davon fallend. Es liegt also ein lokales Maximum vor. Eine<br />

entsprechende Aussage gilt für lokale Minima.<br />

Ermittlung der lokalen Extremstellen: f sei in dem Intervall I zweimal differenzierbar.<br />

1. Bestimme alle Nullstellen der Gleichung f ′ (x) = 0.<br />

2. Ist x 0 eine Nullstelle von f ′ (x) = 0 und gilt f ′′ (x 0 ) < 0, so liegt ein lokales Maximum an x 0<br />

vor. Gilt f ′′ (x 0 ) > 0, so liegt ein lokales Minimum an x 0 vor. Gilt f ′′ (x 0 ) = 0 so sind weitere<br />

Untersuchungen nötig, die im nächsten Abschnitt erfolgen.<br />

Beispiel: Wir betrachten die Funktion<br />

f (x) = 1 8 x 3 − 3 4 x 2 + 9 x + 1, −∞ < x < ∞,<br />

8<br />

51


5.4 Konvexität, Konkavität, Wendepunkte<br />

und bilden die ersten beiden Ableitungen<br />

f ′ (x) = 3 8 x 2 − 3 2 x + 9 8<br />

f ′′ (x) = 3 4 x − 3 2 .<br />

Wir hatten bereits die Nullstellen der Gleichung f ′ (x) = 0 ermittelt. Es galt x 1 = 3 und x 2 = 1. Wegen<br />

f ′′ (3) = 3 4 · 3 − 3 2 = 3 4 > 0<br />

hat die Funktion f für x = x 1 = 3 ein lokales Minimum. Analog ist<br />

f ′′ (1) = 3 4 · 1 − 3 2 = −3 4 < 0.<br />

Also hat die Funktion f für x = x 2 = 1 ein lokales Maximum.<br />

5.4 Konvexität, Konkavität, Wendepunkte<br />

Die folgende Eigenschaft beschreibt das Krümmungsverhalten einer Funktion.<br />

Eine im Intervall I definierte Funktion heißt konvex, falls für alle x 1 , x 2 ∈ I und alle 0 < α < 1 gilt<br />

f (αx 1 + (1 − α)x 2 ) ≤ αf (x 1 ) + (1 − α)f (x 2 ). (31)<br />

Die Funktion f heißt konkav, falls statt ≤ das Zeichen ≥ steht. Sie heißt streng konvex bzw. streng<br />

konkav, falls < bzw. > statt ≤ bzw. ≥ für x 1 ≠ x 2 steht.<br />

Aus der obigen Definition ergibt sich, dass für eine konvexe Funktion f die Funktion −f konkav ist.<br />

Um die geometrische Interpretation vorzubereiten, betrachten wir die Funktion<br />

g s (x) = x 2 − x<br />

x 2 − x 1<br />

f (x 1 ) + x − x 1<br />

x 2 − x 1<br />

f (x 2 ).<br />

g ist eine lineare Funktion in x mit den Eigenschaften<br />

g s (x 1 ) = f (x 1 ) und g(x 2 ) = f (x 2 ).<br />

Damit ist g die Sekante durch die Punkte (x 1 , f (x 1 )) und (x 2 , f (x 2 )) und die Punkte (x, g s (x)) sind<br />

gerade die Punkte, die auf der Sekante liegen. Mit<br />

ergibt sich aus (31) folgende Aussage.<br />

α = x 2 − x<br />

x 2 − x 1<br />

und 1 − α = x − x 1<br />

x 2 − x 1<br />

Eine Funktion ist genau dann konvex, wenn der Graph für x 1 ≤ x ≤ x 2 unterhalb der Sekante liegt,<br />

die durch die Punkte (x 1 , f (x 1 )) und (x 2 , f (x 2 )) geht.<br />

Das folgende Bild zeigt die Beziehung zwischen dem Graphen einer konvexen Funktion und der Sekante.<br />

52


5.4 Konvexität, Konkavität, Wendepunkte<br />

6<br />

4<br />

2<br />

1 2<br />

Jetzt wollen wir weitere Charakterisierungen für die Konvexität mit Hilfe der Ableitungen angeben.<br />

Ist f eine in dem Intervall I zweimal differenzierbare Funktion,dann sind folgende Aussagen gleichwertig:<br />

1. f ist konvex<br />

2. Für alle x 0 und alle x liegt f (x) oberhalb der Tangente<br />

im Punkt x 0 .<br />

3. Es gilt f ′′ (x) ≥ 0 für alle x.<br />

g t (x) = f (x 0 ) + f ′ (x 0 )(x − x 0 )<br />

Das folgende Bild illustriert den Übergang von der Sekante zur Tangente.<br />

12<br />

9<br />

6<br />

3<br />

1 2<br />

53


5.5 Kurvendiskussion<br />

Unter einem Wendepunkt versteht man eine Stelle x 0 , wo für die Kurve Konkavität in Konvexität<br />

(oder umgekehrt) übergeht. Hier muss dann die zweite Ableitung links von diesem Punkt kleiner oder<br />

gleich Null sein und rechts größer oder gleich Null (oder umgekehrt). Insbesondere gilt f ′′ (x 0 ) = 0.<br />

Ist f ′′′ (x 0 ) < 0, so ist f ′′ (x) > 0 für x < x 0 . Also liegt links von x 0 Konvexität und rechts von x 0<br />

Konkavität vor. Bei f ′′′ (x 0 ) > 0 dreht sich die Reihenfolge von Konvexität und Konkavität gerade um.<br />

Ermittlung der Wendepunkte: f sei in dem Intervall I dreimal differenzierbar.<br />

1. Bestimme alle Nullstellen der Gleichung f ′′ (x) = 0.<br />

2. Ist x 0 eine Nullstelle von f ′′ (x) = 0 und gilt f ′′′ (x 0 ) < 0, so geht Konvexität in Konkavität über.<br />

Für f ′′′ (x 0 ) > 0 dreht sich diese Aussage um.<br />

Was geschieht, wenn die erste und mehrere höhere Ableitungen verschwinden? Sei also x 0 ein Punkt<br />

mit f ′ (x 0 ) = f ′′ (x 0 ) = 0. Eventuell gilt sogar noch f ′′′ (x 0 ) = 0. Zur Illustration betrachten wir<br />

f (x) = x 3 und g(x) = x 4 . Dann gilt<br />

Weiter gilt<br />

f ′ (0) = f ′′ (0) = g ′ (0) = g ′′ (0) = 0.<br />

f ′′′ (0) = 6 > 0,<br />

also liegt ein Wendepunkt vor, wo Konkavität in Konvexität übergeht. Dagegen gilt g ′′′ (0) = 0 und<br />

g (4) (0) = 24 > 0 und es liegt ein Minimum der Funktion g(x) = x 4 vor.<br />

Allgemein läßt sich folgende Aussage nachweisen. Gilt f ′ (x 0 ) = f ′′ (x 0 ) = 0 und ist die erste natürliche<br />

Zahl k mit f (k) (x 0 ) ≠ 0 eine ungerade Zahl, dann liegt ein Wendepunkt vor. Ist diese Zahl gerade, so<br />

liegt ein relatives Extremum vor. Hierbei muss natürlich vorausgesetzt werden, dass die Ableitungen<br />

bis zur Ordnung k tatsächlich existieren.<br />

5.5 Kurvendiskussion<br />

Für eine gegebene Funktion hatten wir in den vorigen Kapiteln Nullstellen bestimmt, Monotoniebereiche<br />

untersucht und das Krümmungsverhalten betrachtet. Die Untersuchungen sind Bestandteile<br />

einer genaueren Analyse einer Funktion. Man nennt eine solche Analyse eine Kurvendiskussion. Dabei<br />

werden folgende Schritte gemacht.<br />

Kurvendiskussion:<br />

1. Definitionsbereich 2. Nullstellen 3. Unstetigkeitsstellen<br />

4. Relative Extrema 5. Wendepunkte 6. Monotoniebereiche<br />

7. Krümmungsverhalten 8. Verhalten im Unendlichen 9. Graphische Darstellung<br />

Wir demonstrieren die einzelnen Schritte am Beispiel der Funktion<br />

f (x) = x 2 − 1<br />

x 2 − 4 .<br />

1. Definitionsbereich: f ist für alle x, außer x = −2 und x = 2 definiert (Nullstellen des Nenners).<br />

2. Nullstellen: f (x) = 0 zieht x 2 − 1 = 0 nach sich. Damit sind die beiden Nullstellen x 1 = −1 und<br />

x 2 = 1. Der Nenner ist dort ungleich Null.<br />

3. Unstetigkeitsstellen: f ist an den Nullstellen des Nenners unstetig und sonst stetig.<br />

4. Relative Extrema: Es gilt<br />

f ′ (x) = −<br />

6x und f ′′ (x) = 18x 2 + 24<br />

(x 2 − 4) 2 (x 2 − 4) . 3<br />

54


6.1 Bestimmtes Integral<br />

f ′ (x) = 0 bedeutet −6x = 0, x 0 = 0. f ′′ (0) = − 24<br />

64 < 0. Bei x 0 = 0 liegt ein relatives Maximum vor.<br />

Der Funktionswert des Maximums ist f (0) = 1 4 .<br />

5. Wendepunkte: f ′′ (x) = 0. Also 18x 2 + 24 = 0. Diese Gleichung hat keine reellen Lösungen. Es gibt<br />

keine Wendepunkte.<br />

6. Monotoniebereiche: Da (x 2 − 4) 2 stets positiv ist, richtet sich das Vorzeichen von f ′ (x) nach dem<br />

Vorzeichen von −6x. Also ist f wachsend für x ≤ 0, x ≠ −2 und fallend für x > 0, x ≠ 2.<br />

7. Krümmungsverhalten:<br />

f ′′ (x) = 18x 2 + 24<br />

(x 2 − 4) 3 .<br />

Da 18x 2 + 24 stets positiv ist, richtet sich das Vorzeichen von f ′′ (x) nach dem Vorzeichen von<br />

(x 2 − 4) 3 . Das hat aber das gleiche Vorzeichen wie x 2 − 4. Damit ist f ′′ (x) ≥ 0 für |x| ≥ 2 und sonst<br />

ist f ′′ (x) < 0. Somit ist f konvex für −∞ < x < −2 und 2 < x < ∞ und konkav für −2 < x < 2.<br />

8. Verhalten im Unendlichen: Es gilt<br />

9. Graphische Darstellung:<br />

x 2 − 1<br />

lim<br />

x→∞ x 2 − 4 = lim x 2 − 1<br />

x→−∞ x 2 − 4 = 1.<br />

6 Integralrechnung<br />

6.1 Bestimmtes Integral<br />

In diesem einführenden Kapitel zur Integralrechnung gehen wir von folgender Fragestellung aus. Gegeben<br />

ist eine im Intervall [a, b] definierte nicht negative Funktion f und es soll die von dem Graphen<br />

und der x−Achse eingeschlossene Fläche berechnet werden. Wir zerlegen hierzu das Intervall mit Hilfe<br />

von Zwischenpunkten x n,i , wobei gilt<br />

a = x n,0 < x n,1 < ... < x n,n = b.<br />

Die maximale Schrittweite dieser Zerlegung bezeichnen wir mit<br />

δ n = max<br />

1≤i≤n (x n,i − x n,i−1 ).<br />

55


6.2 Hauptsatz der Differential-und Integralrechnung<br />

Wir betrachten jetzt Rechtecke über den einzelnen Intervallen [x n,i−1 , x n,i ] mit einer (konstanten) Höhe,<br />

die gut zu dem Verlauf der Funktion f im Intervall [x n,i−1 , x n,i ] paßt. Wir wählen also einen Zwischenpunkt<br />

ξ n,i mit x n,i−1 ≤ ξ n,i ≤ x n,i und approximieren die betrachtete Fläche durch die Gesamtfläche<br />

der Rechtecke über [x n,i−1 , x n,i ] mit der Höhe f (ξ n,i ). Diese Fläche ist gegeben durch<br />

S n = ∑ n<br />

i=1 f (ξ n,i)(x n,i − x n,i−1 ).<br />

Das nächste Bild illustriert die Approximation der Fläche unter der Kurve durch Rechtecke.<br />

Der folgende Begriff des Integrals basiert auf der Vorstellung, dass die Approximation der gesuchten<br />

Fläche immer besser wird, wenn n → ∞ und dabei δ n gegen Null strebt.<br />

Die Funktion f heißt über [a, b] Riemann-integrierbar, falls für jede Zerlegungsfolge mit δ n → 0 die<br />

Folge S n gegen die gleiche Zahl strebt, die wir mit ∫ b<br />

a<br />

f (x)dx bezeichnen und das bestimmte Integral<br />

von f von a bis b nennen.<br />

Ohne auf weitere Details einzugehen, bemerken wir, dass jede stetige Funktion Riemann-integrierbar<br />

ist. Auch jede Funktion, die stückweise stetig ist und dazwischen Sprünge hat, ist Riemann-integrierbar.<br />

6.2 Hauptsatz der Differential-und Integralrechnung<br />

Eine direkte Berechnung des Integrals mit Hilfe des Grenzübergangs im vorigen Abschnitt ist sicher<br />

in Spezialfällen möglich, ist aber ein sehr mühsames Verfahren. Die entscheidende Idee besteht jetzt<br />

darin, anstatt des bestimmten Integrals mit festen Grenzen die obere Grenze als Variable zu betrachten<br />

und damit die Funktion<br />

F (x) =<br />

∫ x<br />

a<br />

f (t)dt<br />

als Funktion von x zu untersuchen. Wir haben in den vorigen Kapiteln gesehen, dass die Ableitung sehr<br />

hilfreich bei der Analyse von Funktionen ist. Deshalb betrachten wir für stetiges f den Differenzen-<br />

Quotienten von F<br />

F (x + h) − F (x)<br />

.<br />

h<br />

56


6.2 Hauptsatz der Differential-und Integralrechnung<br />

Es gilt<br />

(Fläche über [a, x + h]) − (Fläche über [a, x]) (32)<br />

= Fläche über [x, x + h] =<br />

F (x + h) − F (x) =<br />

∫ x+h<br />

x<br />

∫ x+h<br />

x<br />

f (t)dt.<br />

f (t)dt<br />

Dieser Zusammenhang wird durch das folgende Bild illustriert.<br />

F (x + h) − F (x)<br />

F (x)<br />

a x x + h b<br />

Weil sich für eine stetige Funktion f die Funktionswerte in dem kleinen Intervall [x, x + h] wenig<br />

ändern, gilt dort f (t) ≈ f (x) und somit ist ∫ x+h<br />

x<br />

f (t)dt approximativ die Fläche des Rechtecks mit<br />

Höhe f (x) und Breite h, d.h.<br />

F (x + h) − F (x)<br />

h<br />

≈ 1 f (x) · h = f (x).<br />

h<br />

Ist z.B. f monoton wachsend, so erhält man aus dem folgenden Bild<br />

h · f(x + h)<br />

h · f(x)<br />

a ← h → b<br />

die Ungleichung<br />

f (x) ≤<br />

Aus der Stetigkeit von f folgt dann<br />

F (x + h) − F (x)<br />

h<br />

≤ f (x + h).<br />

F (x + h) − F (x)<br />

lim<br />

h→0 h<br />

= f (x)<br />

oder<br />

F ′ = f .<br />

Ähnlich wie in (32) sieht man für beliebige a 1 < a 2<br />

F (a 2 ) − F (a 1 ) = Fläche über [a 1 , a 2 ] =<br />

∫ a2<br />

a 1<br />

f (t)dt.<br />

57


6.3 Berechnung unbestimmter und bestimmter Integrale<br />

Ist jetzt G eine weitere Funktion mit<br />

dann folgt<br />

G ′ = f ,<br />

Deshalb unterscheiden sich F und G nur um eine Konstante, d.h.<br />

Dann ist aber<br />

(G − F ) ′ = G ′ − F ′ = 0. (33)<br />

G(x) = F (x) + c.<br />

G(a 2 ) − G(a 1 ) = F (a 2 ) − F (a 1 ) =<br />

∫ a2<br />

a 1<br />

f (t)dt.<br />

Man kann also die Fläche auch mit Hilfe von G berechnen. Wir fassen unsere Betrachtungen zusammen.<br />

Hauptsatz der Differential-und Integralrechnung:<br />

Die Funktion f sei im Intervall [a, b] stetig. Jede Funktion F mit F ′ = f heißt Stammfunktion von f .<br />

Ist F irgendeine Stammfunktion und a ≤ a 1 < a 2 ≤ b, so gilt<br />

F (a 2 ) − F (a 1 ) =<br />

∫ a2<br />

a 1<br />

f (t)dt.<br />

6.3 Berechnung unbestimmter und bestimmter Integrale<br />

Die Gesamtheit aller Stammfunktionen wird auch unbestimmtes Integral genannt und durch ∫ f (x)dx<br />

bezeichnet. Zur Bestimmung der Stammfunktion muss man eine Funktion F mit F ′ = f finden und<br />

erhält dann das unbestimmte Integral als<br />

∫<br />

f (x)dx = F (x) + c,<br />

wobei c eine beliebige Konstante ist. Weil die Ableitung einer Stammfunktion oder des unbestimmten<br />

Integrals gerade die ursprüngliche Funktion ist, ist also in diesem Sinne das Bilden des unbestimmten<br />

Integrals die Umkehrung des Differenzierens.<br />

Für einige elementare Funktionen lassen sich die Stammfunktionen direkt formelmäßig angeben. Man<br />

erhält die entsprechenden Formeln, wenn man die entsprechenden Beziehungen für die Ableitung in<br />

(28) und von (29) rechts nach links liest. Das ergibt<br />

∫<br />

0dx = c<br />

∫<br />

x n dx = 1<br />

n+1 x n+1 + c, −∞ < x < ∞, n ≠ −1 ganzzahlig<br />

∫<br />

x a dx = 1<br />

a+1 x a+1 + c, x > 0, a ≠ −1<br />

∫<br />

e x dx = e x (34)<br />

+ c,<br />

∫<br />

a x dx = 1<br />

ln a ax + c, a > 0, a ≠ 1<br />

∫ 1<br />

x dx = ln(|x|) + c, x ≠ 0.<br />

58


6.3 Berechnung unbestimmter und bestimmter Integrale<br />

Entsprechend kann man auch für die trigonometrischen Funktionen die unbestimmten Integrale finden.<br />

∫<br />

cos xdx = sin x + c,<br />

∫<br />

sin xdx = − cos x + c,<br />

∫<br />

∫<br />

∫<br />

∫<br />

1<br />

cos 2 x<br />

dx = tan x + c, cos x ≠ 0<br />

1<br />

sin 2 x<br />

1<br />

dx = − cot x + c, sin x ≠ 0<br />

√<br />

1−x 2<br />

dx = arcsin x + c, −1 < x < 1<br />

1<br />

1+x 2 dx = arctan x + c,<br />

(35)<br />

Ähnlich wie bei der Bildung der Ableitung gibt es auch bei der Berechnung des unbestimmten Integrals<br />

allgemeine Rechenregeln, von denen wir hier einige auflisten wollen.<br />

Linearität:<br />

∫<br />

(a · f (x) + b · g(x))dx<br />

Variablensubstitution:<br />

∫<br />

f (g(x))g ′ (x)dx<br />

wobei<br />

= a<br />

∫<br />

f (x)dx + b<br />

∫<br />

g(x)dx<br />

= F (g(x)),<br />

F (u) = ∫ f (u)du<br />

(36)<br />

Die erste Regel ist ziemlich einleuchtend. Hinsichtlich der zweiten Regel bemerken wir, dass F folgender<br />

Bedingung genügt:<br />

F ′ (u) = f (u).<br />

Aus der Kettenregel für die Ableitung ergibt sich somit<br />

und das ist gerade die behauptete Beziehung.<br />

Beispiele: 1. Wir berechnen das Integral<br />

∫ 4<br />

(F (g(x)) ′ = f (g(x))g ′ (x)<br />

−2<br />

(−3x 3 + 7x 2 + 4x + 5)dx.<br />

Zur Bestimmung einer Stammfunktion verwenden wir die Linearität, d.h. die erste Regel in (36) und<br />

die Regel für die Integration von Potenzfunktionen mit ganzzahligem Exponenten, d.h. Regel 2 in<br />

(34). Das ergibt<br />

∫ 4<br />

[<br />

(−3x 3 + 7x 2 + 4x + 5)dx = − 3<br />

−2<br />

4 x 4 + 7 ] 4<br />

3 x 3 + 2x 2 + 5x .<br />

−2<br />

Hierbei bedeutet<br />

[F (x)] b a = F (b) − F (a).<br />

Somit erhalten wir für den Wert des betrachteten bestimmten Integrals<br />

(− 3 4 44 + 7 3 43 + 2 · 4 2 + 5 · 4)<br />

− (− 3 4 (−2)4 + 7 3 (−2)3 + 2 · (−2) 2 + 5 · (−2)) = 42<br />

2. Wir berechnen ∫ 4<br />

1<br />

3√ xdx.<br />

59


6.4 Flächenberechnung<br />

Hierzu schreiben wir die Wurzel als Potenz und wenden die dritte Regel in (34) an. Das ergibt<br />

∫ 4<br />

1<br />

∫ 4<br />

[ ] 4<br />

3√ 1<br />

xdx = x 1/3 dx =<br />

1<br />

1 + 1 x 1/3+1<br />

3 1<br />

=<br />

[ ] 4 3<br />

4 x 4/3 ≈ 4, 0122.<br />

1<br />

3. Zur Berechnung von<br />

∫ 4<br />

1<br />

1<br />

3x + 4 dx<br />

bemerken wir, dass sich der Integrand schreiben läßt als<br />

1<br />

3x + 4 = 1 3 f (g(x))g′ (x)<br />

mit f (u) = 1/u, g(x) = 3x + 4 und g ′ (x) = 3. Auf das Integral<br />

∫<br />

f (g(x))g ′ (x)dx<br />

wenden wir die Substitutionsregel an und erhalten mit<br />

∫ 1<br />

du = ln |u|<br />

u<br />

das Zwischenresultat<br />

Hieraus ergibt sich das bestimmte Integral<br />

∫ 4<br />

1<br />

∫<br />

1<br />

3x + 4 dx = 1 ln |3x + 4|.<br />

3<br />

1<br />

3x + 4 dx = [ 1<br />

3 ln |3x + 4| ] 4<br />

1<br />

= 1 3 ln 16 − 1 ln 7 ≈ 0, 2756.<br />

3<br />

6.4 Flächenberechnung<br />

Aus der Konstruktion des bestimmten Integrals mit Hilfe des Limes von<br />

S n = ∑ n<br />

i=1 f (ξ n,i)(x n,i − x n,i−1 ).<br />

hatten wir erkannt, dass das bestimmte Integral die Fläche zwischen der x−Achse, dem Graphen der<br />

Funktion und den Geraden x = a und x = b ist, falls die Funktion in diesem Intervall nicht negativ ist.<br />

Ist f negativ, so ist auch das bestimmte Integral negativ. Als Wert für die Fläche muss man dann den<br />

Betrag nehmen. Wenn f im Intervall [a, b] das Vorzeichen wechselt, so liefert das bestimmte Integral<br />

nicht die Fläche. In diesem Fall muss man das Intervall in Teilintervalle zerlegen in denen f immer das<br />

gleiche Vorzeichen hat.<br />

Beispiele: 1. Wir wollen die Fläche berechnen, die von der x−Achse, dem Graphen der Funktion<br />

f (x) = x 3 und den Grenzen −1 und 1 eingeschlossen wird. Das folgende Bild zeigt den Verlauf der<br />

Funktion und die gesuchte Fläche.<br />

60


6.4 Flächenberechnung<br />

Im Intervall [−1, 0] ist f nicht positiv. Deshalb ist der erste Fächenanteil<br />

∫ 0<br />

∣ ∣∣∣∣ [ ] 0<br />

F 1 =<br />

∣ x 3 dx<br />

1 ∣<br />

∣ =<br />

−1 4 x 4 ∣∣∣ ∣ = 0 − 1 ∣ ∣∣∣<br />

−1<br />

4 (−1)4 = 1 4 .<br />

Im Intervall [0, 1] ist f nicht negativ und die Betragsbildung entfällt. Deshalb erhalten wir für den<br />

zweiten Flächenanteil<br />

F 2 =<br />

∫ 1<br />

0<br />

x 3 dx = 1 4 .<br />

Die Gesamtfläche hat also die Größe 1/2.<br />

2. Wir berechnen die Gesamtfläche zwischen der Kurve und x−Achse in den Grenzen von a = −2<br />

und b = 2 für f (x) = x 3 − x. Es ist<br />

f (x) = x(x − 1)(x + 1).<br />

Hieraus ergibt sich, dass f die Nullstellen x 1 = −1, x 2 = 0 und x 3 = 1 hat. Das folgende Bild zeigt<br />

den Verlauf der Funktion und die gesuchte Fläche.<br />

61


6.4 Flächenberechnung<br />

Folglich ist die gesuchte Fläche<br />

∫ −1<br />

∫ 0<br />

∫<br />

F =<br />

∣ (x 3 − x)dx<br />

∣ + 1<br />

∫ 2<br />

(x 3 − x)dx +<br />

∣ (x 3 − x)dx<br />

∣ + (x 3 − x)dx<br />

−2<br />

−1<br />

0<br />

1<br />

[ 1<br />

=<br />

∣ 4 x 4 − 1 ] −1<br />

[<br />

2 x 2 1 ∣ + −2<br />

4 x 4 − 1 ] 0 2 x 2 1<br />

+ ∣<br />

∣[<br />

−1<br />

4 x 4 − 1 ] 1 [<br />

2 x 2 1 ∣ + 0<br />

4 x 4 − 1 ] 2<br />

2 x 2 1<br />

=<br />

∣ −9 4∣ + 1 ∣ ∣∣∣<br />

4 + − 1 ∣<br />

4<br />

∣ + 9 4 = 5. 62

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!