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SUSANNE REGENER: BARTFRAUEN<br />

In Zirkussen, auf Jahrmärkten und in populären Zeitschriften<br />

wird zum Alltagswissen, was von Darwinisten, Ethnologen, Literaten<br />

propagiert wurde. Durch den Gebrauch der Fotografie <strong>als</strong> Beweis<br />

wird der Prozeß der Verwunderung und Verunsicherung unterstützt.<br />

Und gleichzeitig zeigt sich, daß das bloße Schauen nichts vom<br />

Wesen der Abgebildeten verrät.<br />

Der französische Psychologe Edgar Berillon gibt zwischen<br />

1904 und 1906 in einem Fortsetzungsartikel einen kulturgeschichtlichen<br />

Rückblick auf Erwähnungen, Darstellungen, Erklärungsweisen<br />

von Bartfrauen, und auch der Wissenschaftler betont immer wieder,<br />

daß das Äußere der behaarten Frauen im krassen Gegensatz· zu<br />

ihren inneren Werten steht. 27<br />

Anhand dieser Quelle kann sehr gut studiert werden, wie es<br />

im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts durch die Fotografie zu<br />

einem Visualisierungsschub der Bartfrauen kommt. der einhergeht<br />

mit verstärkter Zurschaustellung der Frauen.<br />

Medizin und Psychiatrie<br />

Kurz nach 1900 entdeckt die Medizin die Bartweiber, und jetzt wird<br />

erst aus der Abweichung ein Problem. Das Sichtbare wird noch<br />

einmal auf seine Aussagekraft für Beschaffenheit von Seele, Geschlecht.<br />

Krankheit befragt. In dieser Zeit konkurrieren ganz verschiedene<br />

Konzepte, die man, kurz gesagt. in solche der Toleranz<br />

und solche der Stigmatisierung einteilen kann.<br />

Die Erforschung der physiologischen und psychologischen<br />

Unterscheidungen der Geschlechtscharaktere wird von Franz von<br />

Neugebauer und Magnus Hirschfeld wesentlich vorangetrieben.<br />

Alltagssprachliche Ausdrücke wie »männliche Weiber« oder »Mannweiber«<br />

sollten nach N eugebauer differenziert betrachtet werden:<br />

»Erstreckt sich dieser Begriff immer nur auf den Virilismus im Aussehen eines Weibes,<br />

zinische Bildervom Menschen im 19. Jahrhundert, erscheint demnächst in: Köln, Wien:<br />

Böhlau Verlag 2001.<br />

27. [Edgar] Berillon: »Les Femmes a barbe. Etude psychologique et socio­<br />

Logique«, in: Revue de L'Hypnotisme (1904-1906). Berillon bezieht in seine Studien<br />

auch die unter Hypertrichose Leidenden , sogenannten Haarmenschen ein. An der am<br />

ganzen Körper behaarten Julia Pastrana wird das Moment der Verstörung exemplifiziert,<br />

das Ethnologen zur gleichen Zeit (etwa Mitte des 19. Jahrhunderts) mit dem<br />

sogenannten guten, edlen Wilden entdecken. 1932 wird dieses Thema ein Letztes Mal<br />

bedient in dem Film Freaks des amerikanischen Regisseurs Todd Browning.<br />

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