PDF-Download - Evangelische Kirchengemeinde Mühlenfließ
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4 A N D A C H T<br />
Erinnern<br />
Achtmal heißt es in diesem Jahr im Ortsblatt<br />
von Petershagen/Eggersdorf „WIR ERINNERN“.<br />
Wir denken an Bürger unseres Dorfes, die in der<br />
Zeit des Nationalsozialismus verfolgt wurden,<br />
geflohen sind, umgebracht wurden. Es sind<br />
Juden, Kommunisten, Künstler und ein katholischer<br />
Pfarrer darunter. Achtmal Verbrechen<br />
gegen die Menschlichkeit. Ihre Namen sind uns<br />
bekannt, wir wollen sie nicht vergessen.<br />
Vergessen sind andere Opfer: Behinderte an<br />
Geist, Körper und Seele. Sie hatten nach dem<br />
Krieg keine Lobby, dass man sich ihrer erinnerte.<br />
Man rechnet, dass bei 500 Geburten etwa<br />
ein Down-Kind (früher nannte man sie fälschlich<br />
Mongoloiden, besser sagen wir wie die Japaner:<br />
„Sonnenkinder“) geboren wird. Das ist<br />
nur die eine Zahl, Viele mehr gibt es, die etwa<br />
unter der Geburt (perinatal) eine Beeinträchtigung<br />
erleiden, und dann noch die, die später<br />
eine Behinderung erfahren.<br />
Sie lebten mitten in unseren Orten, sie<br />
wurden oft weggeschlossen, man schämte sich<br />
ihrer. Die Nazis hatten ein leichtes Spiel. „Wir<br />
wollen ein gesundes Volk sein, sie liegen dem<br />
Volk nur auf der Tasche. Sie kosten doch uns<br />
allen ein Vermögen!“ Eugenik nannte man das<br />
Ganze. Gesunde Erbmasse. Und dann Euthanasie.<br />
Ein guter Tod. Das Ende war dann für viele<br />
erst die Sterilisation, dann die tödliche Spritze<br />
oder Gaskammer. Der Mensch wurde verzweckt,<br />
das Menschenbild - menschenverachtend.<br />
Die Zeiten sind vorbei. Wirklich? Damals<br />
wurden Menschen der „Eugenik“ zugeführt, die<br />
bereits geboren worden waren. Heute macht es<br />
die Pränataldiagnostik (Diagnose vor der<br />
Geburt, sie untersucht den Fötus auf Erbkrankheiten<br />
wie beim Down-Syndrom) möglich, dass<br />
diese Kinder gar nicht erst geboren werden. Der<br />
Mensch nach Maß – wer wollte das verdenken.<br />
Was ein behindertes Kind für die Eltern bedeutet,<br />
können wir oft nicht nachfühlen. Wer will<br />
den ersten Stein werfen? Und doch: Jedes Kind<br />
– ein Geschenk Gottes. Sind wir als Gesellschaft,<br />
die sich christlich nennt, bereit, Menschen,<br />
die in irgendeiner Weise anders sind, so<br />
anzunehmen, wie sie sind? Hier entscheidet<br />
sich, ob wir wirklich human sind. Eltern, die auf<br />
eine Pränataldiagnostik verzichten, dürfen<br />
nicht im Verdacht stehen, verantwortungslos<br />
gehandelt zu haben, sondern menschlich. Wir<br />
können dankbar sein, wenn wir gesunde Kinder<br />
haben. Und wenn nicht – dann gilt es, Eltern<br />
und Kinder mit all unseren Kräften zu unterstützen,<br />
denn sie sind „Sonnenkinder“.<br />
Pfarrer i. R. Dr. Christoph Schlemmer<br />
In memoriam<br />
Am 30. Januar 2013 jährte sich zum 80. Male<br />
die für Deutschland und die ganze Welt so verhängnisvolle<br />
Ernennung Adolf Hitlers zum<br />
Reichskanzler. Dieses Gedenkjahr schließt mit<br />
dem 75. Jahrestag der organisierten Pogrome<br />
gegen Deutschlands Juden ab. Die Arbeitsgruppe<br />
Erinnerungskultur und die <strong>Evangelische</strong> Gemeinde<br />
<strong>Mühlenfließ</strong> laden zum Gedenken ein.<br />
Wir erinnern am Samstag, dem 9. November,<br />
um 18.00 Uhr in der Kirche Eggersdorf an<br />
Menschen aus Petershagen und Eggersdorf, die<br />
in den Jahren der nationalsozialistischen Diktatur<br />
vielfältiges Leid erdulden oder sogar ihr<br />
Leben lassen mussten. Über die Artikelserie im<br />
Monatsheft „Das Doppeldorf“ hinaus sollen<br />
Bilder und Gedanken, Texte und Musik diese<br />
Menschen im Gedächtnis weiterleben lassen.<br />
Dr. Karin Reimann, AG Erinnerungskultur