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Gut Waldhof befand sich hinter einem ... - Nele Neuhaus

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<strong>Gut</strong> <strong>Waldhof</strong> <strong>befand</strong> <strong>sich</strong> <strong>hinter</strong> <strong>einem</strong> Gewerbegebiet am Feldrand<br />

zwischen Kelkheim-Münster und Liederbach. Pia stellte ihr Auto auf dem<br />

sauber gepflasterten Parkplatz ab und stieg aus. Mehrere Autos parkten<br />

hier, auf der anderen Seite waren Pferdeanhänger, ordentlich in Reih und<br />

Glied abgestellt. In Abständen von ein paar Metern standen kümmerliche<br />

Bäumchen, die erst vor kurzer Zeit gepflanzt worden sein mussten. Pia<br />

blickte <strong>sich</strong> interessiert um. Sie war vor vielen Jahren einmal in diesem<br />

Stall gewesen um eine Freundin zu besuchen, die dort ihr Pferd<br />

untergebracht hatte, aber da hatte es noch ganz anders ausgesehen. Von<br />

meterhoch wucherndem Unkraut, matschigen Wegen und den Bergen von<br />

Pferdemist früherer Zeiten war nichts mehr zu sehen. Jemand hatte hier<br />

ganz offen<strong>sich</strong>tlich eine Menge Geld und Mühe investiert und aus dem<br />

heruntergekommenen Bauernhof eine wirklich schöne und gepflegte<br />

Reitanlage gemacht. Es gab eine zweite Reithalle dort, wo früher der Mist<br />

gelagert worden war, gepflegte Rasenflächen mit Blumenrabatten und<br />

Rhododendren, einen großen Springplatz mit bunten Hindernissen und ein<br />

Dressurviereck. Der lange Stall hatte Außenfenster erhalten, aus denen<br />

die Pferde neugierig ihre Köpfe hinausstreckten. Pia schlenderte über den<br />

Parkplatz und begegnete <strong>einem</strong> sonnengebräunten jungen Mann mit kahl<br />

rasiertem Schädel, der eine Schubkarre mit Heu vor <strong>sich</strong> her schob. Er<br />

trug ein hautenge Jeans und ein grünes Polohemd mit der goldfarbenen<br />

Aufschrift „<strong>Gut</strong> <strong>Waldhof</strong>“, unter dem <strong>sich</strong> durchtrainierte Muskelpakete<br />

abzeichneten. Der allgemein verbesserte Zustand des Hofes hatte wohl<br />

auch Auswirkungen auf das Aussehen des Personals, dachte Pia belustigt.<br />

„Hallo“, sprach sie den jungen Mann an, „können Sie mir sagen, wo ich<br />

hier den Chef finde?“<br />

Er musterte Pia von Kopf bis Fuß mit neugierigem Interesse ohne die<br />

Schubkarre abzustellen.<br />

„Chef oben in Haus“, sagte er mit <strong>einem</strong> starken ausländischen Akzent,<br />

„alles klar, ja?“<br />

„Alles klar“, Pia lächelte, „danke für die Auskunft.“


Das Wohnhaus entpuppte <strong>sich</strong> als der gleiche fantasielose Flachbau wie<br />

früher, allerdings hatte man einige Anstrengungen unternommen, das<br />

ge<strong>sich</strong>tslose 08/15-Haus aufzupeppen. Es gab zum Hof hin einen<br />

großzügigen Wintergarten, in dem zwischen Topfpalmen und<br />

Zitronenbäumchen gemütlich wirkende Lederstühle um einen wuchtigen<br />

Holztisch gruppiert standen. Das Haus hatte einen frischen, sonnengelben<br />

Anstrich erhalten, wie sämtliche Gebäude auf der Anlage. Gegenüber dem<br />

Wohnhaus <strong>befand</strong> <strong>sich</strong> ein weiterer, neuer Stalltrakt und an einer<br />

Anbindestange dösten zwei Pferde mit vor Nässe glänzendem Fell. Die<br />

dazugehörigen Reiterinnen, beide etwa um die vierzig, saßen im<br />

Wintergarten, dessen Türen weit geöffnet waren. Sie tranken Sekt aus<br />

Pappbechern und warteten wohl darauf, dass die heiße Augustsonne das<br />

Fell ihrer Pferde trocknete.<br />

„Hallo“, sagte Pia zu den beiden Damen in blank polierten Reitstiefeln,<br />

„können Sie mir sagen, wer hier der Chef ist?“<br />

„Das ist Kampmann, der Reitlehrer“, antwortete die Brünette und wies<br />

nach links, „die Haustür ist gleich da drüben, wo der Cayenne steht.“<br />

Pia bedankte <strong>sich</strong> und drehte <strong>sich</strong> um. Ein silberner Porsche Cayenne<br />

stand vor dem Haus und gerade, als sie auf die Haustür zuging, wurde<br />

diese geöffnet. Ein dunkelblonder Mann in Jeans und <strong>einem</strong> kurzärmeligen<br />

leuchtendblauen Hemd kam heraus, gefolgt von einer wasserstoffblonden<br />

Frau mit allzu dunkler Solarienbräune und zwei mürrischen Teenagern in<br />

Schlabberhosen und Turnschuhen, die grußlos an Pia vorbei zum Auto<br />

trotteten. Der Mann, ungefähr Mitte bis Ende vierzig, musste früher<br />

einmal recht gut ausgesehen haben, aber sein gerötetes Ge<strong>sich</strong>t, das auf<br />

zuviel Alkoholgenuss und die Vorliebe für üppiges Essen schließen ließ,<br />

wirkte verlebt und aufgedunsen. Die Frau war mindestens zehn Jahre<br />

jünger als er und sah aus wie jemand, der mit Gewalt noch jünger wirken<br />

will. Das hochgesteckte Haar war zu blond um echt zu sein, sie trug eine<br />

hautenge beigefarbene Hose und einen ebenso engen türkisfarbenen<br />

Pullover mit <strong>einem</strong> unglaublich tiefen Ausschnitt. Dazu war sie von Kopf<br />

bis Fuß mit Schmuck behängt.


„<strong>Gut</strong>en Tag“, sagte Pia, „sind Sie Herr Kampmann?“<br />

„Das bin ich“, antwortete der Mann abweisend und blieb stehen, „was<br />

kann ich für Sie tun?“<br />

Pia bemerkte ein Pflaster über seiner rechten Augenbraue und einen<br />

ziemlich frisch aussehenden Bluterguss, der <strong>sich</strong> bis unter das Auge zog.<br />

„Mein Name ist Kirchhoff“, sagte sie und zückte ihren Ausweis,<br />

„Kriminalpolizei Hofheim. Ich habe ein paar Fragen an Sie.“<br />

„Wir wollen gerade wegfahren“, der Reitlehrer warf einen Blick auf seine<br />

Armbanduhr, wohl um zu demonstrieren, dass er weder Zeit noch Lust<br />

hatte, <strong>sich</strong> länger als unbedingt notwendig aufhalten zu lassen, „heute ist<br />

mein freier Tag.“<br />

„Es dauert auch nicht lange“, ver<strong>sich</strong>erte Pia.<br />

„Natürlich haben wir Zeit ein paar Fragen zu beantworten“, mischte <strong>sich</strong><br />

die blonde Frau ein und lächelte freundlich, wohl um das unhöfliche<br />

Verhalten ihres Mannes wettzumachen. Dem schien das nicht in den Kram<br />

zu passen, aber er zuckte mit säuerlicher Miene die Schultern, drehte <strong>sich</strong><br />

auf dem Absatz um und ging zurück zur Haustür. Er führte Pia in ein<br />

modern eingerichtetes Büro und blieb mitten im Raum stehen. Seine Frau<br />

stellte <strong>sich</strong> neben ihn.<br />

„Also“, Kampmann bemühte <strong>sich</strong> nicht im Mindesten um Freundlichkeit,<br />

„um was geht es?“<br />

„Am Sonntagmorgen wurde Isabel Kerstner tot aufgefunden“, sagte Pia,<br />

„ich gehe davon aus, dass Sie sie kannten.“<br />

„Oh Gott!“ sagten beide Kampmanns wie aus <strong>einem</strong> Munde, auf ihren<br />

Ge<strong>sich</strong>tern malte <strong>sich</strong> Bestürzung.<br />

„Nach unseren derzeitigen Erkenntnissen wurde sie Opfer eines<br />

Gewaltverbrechens“, setzte Pia nach.<br />

„Gewaltverbrechen?“ wiederholte Frau Kampmann ungläubig und riss<br />

entsetzt die Augen auf, „das ist ja furchtbar."<br />

„Wir stehen noch ziemlich am Anfang unserer Ermittlungen und versuchen<br />

gerade, etwas mehr über Frau Kerstner, ihren Bekannten- und


Freundeskreis in Erfahrung zu bringen", erklärte Pia, „Sie könnten uns<br />

vielleicht dabei helfen.“<br />

Kampmann wirkte einigermaßen betroffen, aber als seine Frau Hilfe<br />

suchend seine Hand ergreifen wollte, steckte er beide Hände in die<br />

Taschen seiner Jeans.<br />

„Selbstverständlich“, sagte er steif, „was können wir für Sie tun?"<br />

„Frau Kerstner hatte ihr Pferd in diesem Stall stehen“, sagte Pia, „da<br />

haben Sie beide sie doch <strong>sich</strong>erlich recht gut gekannt.“<br />

„Ja, natürlich haben wir sie gut gekannt“, flüsterte Frau Kampmann<br />

erschüttert, „ach, die arme, arme Isabel! Sie war doch noch so jung! Wie<br />

schrecklich, wie schrecklich.“<br />

Sie verzog bekümmert das Ge<strong>sich</strong>t und schüttelte den Kopf. Pias Blick<br />

wanderte zu Reitlehrer Kampmann. Für den Bruchteil einer Sekunde<br />

glaubte sie einen Ausdruck von Verzweiflung in seinen Augen zu<br />

erkennen, der aber gleich darauf wieder einer ausdruckslosen Miene wich.<br />

Vielleicht hatte sie <strong>sich</strong> das auch nur eingebildet.<br />

„Wie lange war Frau Kerstner Einstellerin in diesem Stall?“ erkundigte sie<br />

<strong>sich</strong>.<br />

„Da müsste ich mal nachschauen“, wich der Verwalter von <strong>Gut</strong> <strong>Waldhof</strong><br />

aus. Seine Frau hingegen war offenbar besser informiert.<br />

„Im Oktober wären es zwei Jahre gewesen“, sagte sie und seufzte<br />

bekümmert, „sie war so ein nettes Mädchen. Wir hatten sie sehr gern,<br />

nicht wahr, Robert?“<br />

„Ja, das stimmt“, Kampmann vermied beharrlich jeden Blickkontakt.<br />

„Sie hatte <strong>sich</strong> vor nicht langer Zeit von ihrem Mann getrennt“, sagte Pia,<br />

„und bei der Obduktion wurde festgestellt, dass sie vor etwa drei Wochen<br />

einen Schwangerschaftsabbruch hatte vornehmen lassen. Wissen Sie<br />

etwas darüber?“<br />

Das Ehepaar wechselte einen erstaunten Blick.<br />

„Nein“, antwortete Kampmann, „davon wusste ich nichts.“<br />

„Ich auch nicht“, seine Frau sah Pia unverwandt aus ihren etwas zu eng<br />

zusammen stehenden Augen an, und Pia hatte das unbestimmte Gefühl,


dass sie log. Robert Kampmann war gar nicht zu durchschauen, nur seine<br />

Körperhaltung, die Art, wie er die Arme vor der Brust gekreuzt hielt,<br />

verriet sein Unbehagen.<br />

„Könnten Sie mir eine Liste der Leute zur Verfügung stellen, die ihre<br />

Pferde hier auf dem Hof stehen haben?“ fragte Pia, „und vielleicht können<br />

Sie mir auch sagen, mit wem Frau Kerstner befreundet war oder den<br />

meisten Kontakt hatte.“<br />

„Ich weiß nicht, ob wir das einfach so tun dürfen“, sagte Frau Kampmann<br />

und warf ihrem Mann einen un<strong>sich</strong>eren Blick zu, den dieser aber genauso<br />

wenig erwiderte wie die meisten ihrer Blicke zuvor.<br />

„Warum nicht?“ sagte er, „es ist doch kein Geheimnis wer hier seine<br />

Pferde stehen hat.“<br />

Frau Kampmann setzte <strong>sich</strong> also an den Schreibtisch, schaltete den<br />

Computer ein und tippte unbeholfen auf der Tastatur herum. Dabei<br />

erzählte sie, dass Isabel Kerstner eine lebenslustige junge Frau gewesen<br />

sei und dazu eine ausgezeichnete und erfolgreiche Dressurreiterin. Nein,<br />

Feinde habe sie keine gehabt. Abgesehen von einigen kleinen<br />

Eifersüchteleien unter Reitern, die durchaus normal seien, habe es zu<br />

keiner Zeit Probleme mit ihr gegeben. Pia registrierte die teure Uhr, die<br />

Frau Kampmann am Handgelenk trug, eine Breitling mit Brillantsplittern,<br />

dazu schweren Goldschmuck. Bulgari. Nicht schlecht für die Frau eines<br />

Reitlehrers. Genauso beeindruckend wie der teure Geländewagen vor der<br />

Haustür. Als sie die ausgedruckte Liste erhalten hatte, bedankte Pia <strong>sich</strong><br />

für die Auskünfte. Dann verließ sie das Ehepaar Kampmann, dem die Lust<br />

am Wegfahren vergangen zu sein schien, denn während Pia zu ihrem Auto<br />

ging, um Bodenstein anzurufen, rief Frau Kampmann ihre beiden Kinder<br />

zurück ins Haus. Es war nicht viel los auf der Reitanlage. Die beiden<br />

Frauen hatten ihre Pferde versorgt, und Pia traf nur zwei Mädchen, die ihr<br />

erzählten, dass Isabel die Frau von Tierarzt Dr. Kerstner gewesen sei und<br />

ein tolles Dressurpferd besessen habe, mit dem sie auf Turnieren<br />

erfolgreich gestartet sei. Außerdem habe sie Pferde, die <strong>Gut</strong> <strong>Waldhof</strong><br />

gehörten und verkauft werden sollten, ausgebildet und auf Turnieren


vorgestellt. Pia schlenderte über die Reitanlage und bedauerte die Pferde,<br />

die <strong>sich</strong> in Gruppen am Eingang der sonnenverbrannten, baumlosen<br />

Koppeln drängten und gerne der glühenden Hitze entronnen wären. Die<br />

Pferde schlugen mit den Köpfen und Schweifen, um die aufdringlichen<br />

Fliegen zu verscheuchen. Pia wunderte <strong>sich</strong> über das fehlende Verständnis<br />

der Pferdebesitzer und dachte an ihre eigenen Pferde, die im kühlen<br />

Schatten der weit ausladenden Eichen und Trauerweiden neben <strong>einem</strong><br />

großen Kübel frischen Wassers den Tag verdösen konnten. Gerade, als sie<br />

ins Auto steigen und zurück ins Kommissariat fahren wollte, donnerte ein<br />

kanariengelber, italienischer Sportwagen mit röhrendem Auspuff auf den<br />

Parkplatz des Reiterhofs und hielt neben ihrem staubigen Nissan Patrol.<br />

Ein blasser, schlanker Mann stieg aus und kam auf sie zu.<br />

„Hallo“, sagte er, „sind Sie die Dame von der Kripo?“<br />

„Ja“, Pia nickte, „das bin ich. Pia Kirchhoff, Kripo Hofheim, K 11.“<br />

„Hans Peter Jagoda“, der Mann reichte Pia mit ernstem Ge<strong>sich</strong>t die Hand,<br />

„ich bin der Eigentümer dieser Reitanlage. Mein Verwalter hat mich<br />

angerufen und mir gesagt, was mit Frau Kerstner passiert ist. Ich bin ganz<br />

erschüttert.“<br />

Pia betrachtete den Mann, der ihr vage bekannt vorkam. Er hatte<br />

schütteres, graues Haar und trug ein rosafarbenes Ralph Lauren Hemd<br />

unter <strong>einem</strong> hellen Leinenanzug.<br />

„Sie wurde ermordet?“ Jagoda zeigte angemessene Betroffenheit über den<br />

gewaltsamen Tod einer entfernt bekannten Person.<br />

„Im Moment gehen wir davon aus, ja“, bestätigte Pia und überlegte, wo<br />

sie den Namen Jagoda schon einmal gehört hatte. Dann fiel es ihr ein.<br />

Hans Peter Jagoda. JagoPharm. Vor ein paar Jahren war er mit seiner<br />

Firma einer der großen Stars am Neuen Markt gewesen.<br />

„Da wir bisher so gut wie nichts über Isabel Kerstner wissen, suchen wir<br />

nach Freunden und Bekannten, um uns ein besseres Bild über sie machen<br />

zu können“, erklärte Pia ihre Anwesenheit.<br />

„Natürlich“, Jagoda nickte, „ich habe gehört, dass Sie bereits eine Liste<br />

mit den Namen unserer Einsteller erhalten haben.“


„Ja, die Frau Ihres Verwalters war so freundlich“, Pia lächelte, „Sie haben<br />

hier eine sehr schöne Reitanlage. Wie viele Pferde stehen hier?“<br />

Jagoda schien für einen Moment irritiert über den Themenwechsel, dann<br />

lächelte er.<br />

„Ungefähr siebzig“, sagte er, „darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“<br />

„Gerne“, Pia nickte und schlenderte an Jagodas Seite hoch zum<br />

Wintergarten, in dem ein Automat leise summend eisgekühlte Getränke<br />

für die durstigen Reiter bereithielt.<br />

„Als meine Frau und ich den Hof vor sieben Jahren gekauft haben“, Jagoda<br />

öffnete den Getränkeautomaten an der Seite, „war es kaum mehr als ein<br />

heruntergekommener Bauernhof. Wir haben viel Geld investiert, aber jetzt<br />

ist <strong>Gut</strong> <strong>Waldhof</strong> eine der schönsten Reitanlagen im ganzen Rhein-Main-<br />

Gebiet. Was möchten Sie trinken?“<br />

„Eine Cola light wäre prima. Reiten Sie selbst auch?“<br />

„Früher bin ich hin und wieder geritten. Jetzt lässt mir die Arbeit keine<br />

Zeit mehr. Die Reitanlage ist eigentlich mehr das Steckenpferd meiner<br />

Frau.“<br />

„Hm“, Pia warf einen Blick auf das Schwarze Brett, das am Eingang des<br />

Wintergartens hing. Pläne für die Koppelbelegung, ein Werbezettel eines<br />

Reitsportausstatters, die Ankündigung, dass der Deckenreinigungsservice<br />

am nächsten Donnerstag kommen würde, ein Hinweis darauf, dass<br />

während des Reitens in der Reithalle nicht mit dem Handy telefoniert<br />

werden sollte.<br />

„Was können Sie mir über Isabel Kerstner sagen?“ fragte Pia.<br />

Jagoda überlegte einen Moment.<br />

„Sie war eine der schönsten Frauen, die ich jemals gesehen habe“, sagte<br />

er, „zweifellos hätte sie das Zeug zu <strong>einem</strong> Fotomodell oder <strong>einem</strong><br />

Filmstar gehabt. Ich habe mich immer gefragt, wie sie dazu kam, einen<br />

Tierarzt zu heiraten.“<br />

Er sagte das ohne Herablassung oder gar Spott.<br />

„Sie besaß ein sehr gutes Pferd und sie war eine begabte Reiterin. Als sie<br />

damals hier einzog, sorgte das für eine beträchtliche Unruhe. Ich wage zu


ehaupten, dass sie allein durch ihr Aussehen den wenigen Männern, die<br />

es hier im Stall gibt, den Kopf verdreht hat.“<br />

„Ihnen auch?“ fragte Pia und musterte ihr Gegenüber aufmerksam.<br />

„Oh nein, ich bin glücklich verheiratet“, entgegnete Jagoda und lachte, als<br />

habe sie einen guten Witz gemacht.<br />

„Auch andere glücklich verheiratete Männer riskieren Seitensprünge mit<br />

schönen Frauen.“<br />

Jagoda schüttelte nachdrücklich den Kopf.<br />

„Ich habe eine Frau, die ich sehr liebe. Um eines flüchtigen Abenteuers<br />

willen würde ich meine Ehe niemals aufs Spiel setzen. Und mehr als ein<br />

flüchtiges Abenteuer wäre Isabel auf gar keinen Fall gewesen.“<br />

„Was wollen Sie damit sagen?“<br />

Hans Peter Jagoda sah sie durchdringend an, dann trank er sein<br />

Mineralwasser leer. Er schien es plötzlich eilig zu haben und stellte die<br />

leere Flasche in einen Kasten neben dem Automat.<br />

„Isabel Kerstner war ein Flittchen“, sagte er, „mehr nicht.“

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