Pressespiegel L'Incoronazione di Poppea - Oper Köln
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<strong>Pressespiegel</strong><br />
L’Incoronazione <strong>di</strong> <strong>Poppea</strong><br />
Machtspiele in der Kantine<br />
Sensationeller Abend: Montever<strong>di</strong>s „<strong>Poppea</strong>“ feiert in der Gerling-Kantine<br />
am Hildeboldplatz eine herausragende Premiere. Dabei passt <strong>di</strong>e Architektur<br />
des ungewohnten Ausweich-Quartiers perfekt zu Montever<strong>di</strong>s modernem<br />
Kammerspiel um Macht, Gewalt und Liebe.<br />
Das Schlussduett von <strong>Poppea</strong> und Nero verzaubert endgültig <strong>di</strong>e ehemalige<br />
Kantine der Konzernzentrale. Das Publikum bleibt mindestens eine Minute lang<br />
still, ehe der Beifallssturm losbricht. Wie auch nicht nach <strong>di</strong>eser finalen<br />
Entäußerung höchster, kultiviertester wie anrührendster Sangeskunst, dargeboten<br />
von Sandrine Piau und Franco Fagioli. Was heißt hier schon „Duett“ angesichts<br />
<strong>di</strong>eser Perfektion von Einswerden und Auseinandergehen, Dissonanzspannung und<br />
-lösung, Phrasentausch und -verschmelzung. Dabei ist das Ganze grun<strong>di</strong>ert von<br />
Trauer, <strong>di</strong>e der Regisseur Dietrich Hilsdorf gezielt in <strong>di</strong>e Personenführung umsetzt:<br />
Am Schluss sitzen sich <strong>Poppea</strong> und Nero <strong>di</strong>stanziert gegenüber, einsam im<br />
Moment des höchsten Triumphs. Die Melancholie der Macht.<br />
Kein Vertun: Kurz vor 23 Uhr geht im Gerling-Quartier am Hildeboldplatz, einem<br />
der Ausweichquartiere der Kölner <strong>Oper</strong>, mit der Premiere von Montever<strong>di</strong>s<br />
„Krönung der <strong>Poppea</strong>“ ein sensationeller Abend zu Ende, ein Sängerfest<br />
sondergleichen - und eine mit den Möglichkeiten des ungewohnten Raumes<br />
überlegen spielende Produktion. Wenn <strong>di</strong>e übrigen Interims-Veranstaltungen <strong>di</strong>eses<br />
Niveau halten, dann wird da nicht aus der Not eine Tugend gemacht. Dann<br />
erschließen sich vielmehr dem Musiktheater und seinem Publikum ganz neue
Möglichkeiten und Zugänge, <strong>di</strong>e der Routinebetrieb im Großen Haus tendenziell<br />
sogar versperrt. Dann erlebt <strong>di</strong>e Kölner <strong>Oper</strong> eine Beflügelung sondergleichen.<br />
Raum und Ereignis: In der nur 650 Zuschauern Platz gebenden Gerling-Kantine<br />
geht es intimer zu als am Offenbachplatz - Publikum und Bühne hocken eng<br />
aufeinander. Für <strong>di</strong>ese Konstellation ist Montever<strong>di</strong>s Spätwerk, <strong>di</strong>eses erschreckend<br />
moderne Kammerspiel um Macht, Gewalt und Liebe, ein denkbar geeignetes<br />
Stück. Hilsdorf hat den auch von seiner Akustik her überzeugenden Raum geteilt,<br />
so dass <strong>di</strong>e Zuhörer zu beiden Seiten der „Aufführungszone“ Platz nehmen müssen.<br />
Unter der kreisrunden Lichtung zur Galerie befindet sich eine erhobene Rundbühne<br />
(Dieter Richter), zu der einige Laufstege hinführen. Einzige Accessoires: eine<br />
elliptische Bistro-Theke und einige Designer-Bürosessel.<br />
Das abgespeckte und mit Experten der historischen Aufführungspraxis ergänzte<br />
Gürzenich-Orchester (in den Gesangsteilen kommt eh nur <strong>di</strong>e Generalbass-Gruppe<br />
zum Einsatz) ist rechts und links unterhalb der Bühne in zwei abwechselnd<br />
spielenden Gruppen postiert. Das zeitigt wunderbare stereophone Effekte, <strong>di</strong>e<br />
Herausforderung für den Dirigenten bewältigt Konrad Junghänel souverän.<br />
Die Bühne zeigt es bereits: Hilsdorf situiert seine „<strong>Poppea</strong>“ in „unserer“<br />
Gegenwart. Das Ganze spielt im mondän-lustbetonten Ambiente, in der<br />
herrschenden Schicht sagen wir einer Militär<strong>di</strong>ktatur. Nero, teils dandyhaft, teils<br />
kindlich-hysterisch in seiner Grausamkeit, erinnert an <strong>di</strong>e halbirren Söhne<br />
lateinamerikanischer Gewaltherrscher. Sonst „macht“ Hilsdorf nicht viel an der<br />
<strong>Oper</strong> - seiht man von einem zentralen Eingriff im Sinne der auch sonst von ihm<br />
praktizierten Mythenzerstörung ab: Den allegorischen Prolog bevölkern keine<br />
Götter, sondern Neros Personal, das Götter darstellt. Es gibt überhaupt keine Götter<br />
mehr, <strong>di</strong>e Menschen hängen einzig an den Fäden ihrer eigenen Triebe, Gelüste und<br />
Sehnsüchte.<br />
Das macht <strong>di</strong>e <strong>Oper</strong> erst recht mit dem Ort kompatibel, dem Schaltzentrum einer<br />
Wirtschaftsmacht. Wenn Nero Seneca entgegenhält, <strong>di</strong>e Gesetze seien (nur) für <strong>di</strong>e<br />
Untertanen da, dann erwächst daraus ganz zwanglos eine Aktualität, <strong>di</strong>e mit
vordergrün<strong>di</strong>ger Aktualisierung nichts zu tun hat.<br />
Das Ganze hingegen wäre aber, wie gesagt, nichts ohne <strong>di</strong>e Impulse der Musik<br />
genauestens umsetzenden Leistungen der szenisch wie sängerisch herausragenden<br />
Akteure. Von Piau und Fagioli war bereits <strong>di</strong>e Rede, zu nennen sind aber genauso<br />
Romina Boscolos Ottavia, <strong>di</strong>e als einzige in <strong>di</strong>esem weithin barock-gestählten<br />
Ensemble den tra<strong>di</strong>tionellen <strong>Oper</strong>n-Mezzo vertritt, und Wolf Matthias Friedrichs<br />
Seneca, der immer noch eine Quinte tiefer kann, wenn man denkt, er habe den<br />
Keller erreicht. Unter den Nebendarstellern gibt Daniel Lager als Amme Arnalta in<br />
tuntenhafter Aufmachung herzhaft-burleske Einlagen, an denen es Hilsdorf auch<br />
sonst nicht ganz fehlen lässt. Die absolute Macht hat neben ihren traurigen eben<br />
auch lächerliche Züge.<br />
Kölnischer Stadtanzeiger, 17. Oktober 2010<br />
Ein Sog mitten in <strong>di</strong>e Intrige<br />
Sensationelle Inszenierung der „Krönung der <strong>Poppea</strong>“ in Köln<br />
Wer von Traumpaaren der <strong>Oper</strong> spricht, bezieht sich meist auf Konstellationen aus<br />
dem Reich der Großen <strong>Oper</strong> von Ver<strong>di</strong> bis Puccini. Köln besitzt jetzt ein<br />
Traumpaar der Kleinen-<strong>Oper</strong>: Zur sensationell gelungenen Inszenierung der<br />
Montever<strong>di</strong>-<strong>Oper</strong> „Krönung der <strong>Poppea</strong>“ krönen Sandrine Piau und Franco Fagioli<br />
als Herrscherpaar – beide in der Stimmlage Sopran – auch musikalisch einen sehr<br />
besonderen Abend.<br />
Es ist alles ganz anders bei <strong>di</strong>esem <strong>Oper</strong>nspektakel. Es beginnt bei dem neuen<br />
Spielort Gerlingquartier, eine eigentlich als Ausweichquartier gesuchte Spielstätte,<br />
<strong>di</strong>e sich schnell als ideale Bühne für das intime Kammerspiel „L’Incoronazione <strong>di</strong><br />
<strong>Poppea</strong>“ erweist, für ein Schauspiel mit Musik.<br />
Die Nähe der Zuschauer, <strong>di</strong>e zweigeteilt um eine runde Bühne (Dietrich Richter)
unter der Kuppel im Jubiläumssaal platziert wurden, <strong>di</strong>e rein räumliche Nähe zu<br />
den Akteuren und dem Geschehen und der Musik wirkt als ein erstes Rezept für <strong>di</strong>e<br />
Wirkung des Spiels: Der Zuschauer wird hinein gesogen in <strong>di</strong>e Intrigen am<br />
Kaisersitz Rom.<br />
Hinter einer Gaze wirken <strong>di</strong>e in der Regie Dietrich Hilsdorfs akribisch gearbeiteten<br />
Figuren wie eine perfekte 3D-Show. Der historische Plot um Kaiser Nero und seine<br />
Geliebten gibt alles her für großes Kino, aber <strong>di</strong>e zarten Klänge des originalen<br />
Instrumentariums und <strong>di</strong>e flüchtigen Koloraturen der kunstvoll-virtuosen Gesänge,<br />
meist aus der Feder Clau<strong>di</strong>o Montever<strong>di</strong>s, lieben <strong>di</strong>e Intimität.<br />
Eine weitere, nicht nur dem Raum geschuldete Besonderheit in <strong>di</strong>eser Inszenierung<br />
ist der Einsatz von zwei kompletten Kleinorchestern. Konrad Junghänel, an einem<br />
glücklichen Gluck an der Kölner <strong>Oper</strong> erprobte Fachkraft in Sachen Alter Musik,<br />
hat sich für <strong>di</strong>ese Spezialität entschieden. Er selbst <strong>di</strong>rigiert <strong>di</strong>rekt ein Festorchester<br />
für Kaiserklang und „Sinfonie“ mit Zinken und Flöten, <strong>di</strong>e rund fünfzehn Meter<br />
entfernten Musici in Graben 2 werden über Kamera angesteuert.<br />
Das verlangte dem Dirigenten bei der Premiere sichtlich viel Kraft und große<br />
Bewegungen ab, um <strong>di</strong>e typischen, <strong>di</strong>rekt explo<strong>di</strong>erenden Rhythmuswechsel<br />
einzuleiten. Junghänel hat eine schlüssige musikalische Vorlage der Partitur<br />
entwickelt, und der Einsatz einer Himmelsorger-gleichen „Lirone“ setzt nur das I-<br />
Tüpfelchen auf seine farbsprühende Instrumentierung.<br />
Die Regie griff <strong>di</strong>e Möglichkeiten <strong>di</strong>eser leben<strong>di</strong>gen Stereo-Anlage gern auf, und<br />
so fliegen in bewegt emotionalem Duett nicht nur <strong>di</strong>e Worte zwischen den<br />
Kontrahenten, sondern auch der Orchesterklang changiert von links nach rechts,<br />
oder er mischt sich sogar im Tutti. In <strong>di</strong>eser Tempo betonten, leben<strong>di</strong>gen<br />
Inszenierung flogen <strong>di</strong>e Ideen den Machern nur so zu, und das ist <strong>di</strong>e einzig nicht<br />
euphorische Anmerkung zu <strong>di</strong>esem Abend: Dreineinhalb Stunden Montever<strong>di</strong><br />
hätten auf visuelle Erkundungen durch <strong>di</strong>e Gerlingbauten via Videoprojektion<br />
verzichten können; nicht aber auf <strong>di</strong>e in den raffinierten Kostümen von Renate<br />
Schmitzer agierenden Sängerinnen und Sänger in verwirrender Rollenvielfalt.
Wolf Matthias Friedrich als Seneca, Clau<strong>di</strong>a Rohrbach als Drusilla, Romina<br />
Boscolo als Ottavia und David DQ Lee als Ottone sangen auf höchstem Niveau,<br />
nur überstrahlt vom Traumpaar Piau/Fragioli. Für <strong>di</strong>e <strong>Oper</strong>nfreunde eine bittere<br />
Nachricht: Leider sind alle Aufführungen bereits ausverkauft. Kölnische<br />
Rundschau, 18. Oktober 2010<br />
Die Krönung der <strong>Poppea</strong><br />
Früher ballte sich hier Finanz- und Wirtschaftsmacht. Heute wartet das<br />
Gerling-Quartier mitten in der Kölner Innenstadt auf eine neue Nutzung. In<br />
der Zwischenzeit hat sich <strong>di</strong>e <strong>Oper</strong> Köln in den protzigen Bauten aus der<br />
Wirtschaftswunderzeit eingenistet. Was mit den Theaterbauten am<br />
Offenbachplatz passiert, ist nach einem leidenschaftlichen Kampf um Kölns<br />
Kultur, nach Bürgerprotesten und aufgehobenen Ratsbeschlüssen, immer<br />
noch unklar. Die <strong>Oper</strong> Köln spielt noch im <strong>Oper</strong>nhaus, startet aber auch<br />
Musiktheaterprojekte in der ganzen Stadt. Wie nun im Gerling-Quartier.<br />
Spannende Geschichte aus dem antiken Rom<br />
Der Ortswechsel entpuppte sich als Glücksfall. Denn so gran<strong>di</strong>os hätte<br />
Clau<strong>di</strong>o Montever<strong>di</strong>s <strong>Oper</strong> "Die Krönung der <strong>Poppea</strong>" in einem normalen<br />
Theaterraum niemals funktioniert. Es ist ein Stück aus der Frühzeit der<br />
<strong>Oper</strong>, aus dem 17. Jahrhundert, Bach und Händel waren noch lange nicht<br />
geboren. Clau<strong>di</strong>o Montever<strong>di</strong> erzählt <strong>di</strong>e spannende Geschichte aus dem<br />
antiken Rom. Kaiser Nero hat sich in <strong>di</strong>e attraktive <strong>Poppea</strong> verliebt, schickt<br />
seine Ehefrau ins Exil, heiratet und krönt <strong>di</strong>e Neue. Auch sonst regiert er,<br />
wie es ihm passt. Dem alten Berater Seneca legt er nahe, sich selbst ins<br />
Jenseits zu schicken. Weil Nero ihn nicht mehr braucht. Seneca gehorcht.<br />
Nero ist ein Großunternehmer
Diese Geschichte verlegt Regisseur Dietrich Hilsdorf in <strong>di</strong>e Gegenwart.<br />
Nero leitet ein Großunternehmen und ist einer <strong>di</strong>eser aalglatten, von sich<br />
selbst begeisterten Schnösel, <strong>di</strong>e keine Werte mehr akzeptieren. Im<br />
ehemaligen Casino des Gerling-Quartiers sitzen <strong>di</strong>e Zuschauer auf beiden<br />
Seiten der Bühne. Auch das Orchester ist zweigeteilt, eine Gruppe links,<br />
eine Gruppe rechts, was großartige Stereoklänge ermöglicht. So entfaltet<br />
sich ein mitreißendes Spiel um Liebe, Intrigen und Verrat. Erotik ist eine<br />
Waffe im Kampf um <strong>di</strong>e Macht und <strong>di</strong>e Gunst des mächtigen, ziemlich<br />
psychopathischen Nero.<br />
Gran<strong>di</strong>ose Sänger Überragende Sänger machen den <strong>Oper</strong>nabend<br />
perfekt. Die Französin Sandrine Piau ist eine der besten lyrischen<br />
Sopranistinnen, <strong>di</strong>e es auf der Welt gibt. Was auch viele tolle CD-<br />
Einspielungen beweisen, Sie hat aber auch schauspielerisch eine gran<strong>di</strong>ose<br />
Ausstrahlung und erinnert mit ihrer natürlichen Sinnlichkeit an <strong>di</strong>e großen<br />
weiblichen Stars des französischen Kinos. Ebenso gran<strong>di</strong>os singt und spielt<br />
Franco Fagioli den Nero, ein unglaublich kraftvoller Countertenor, ein<br />
Mann, der extrem hoch, in einer Frauentonlage singt. Das fanden im<br />
Barock <strong>di</strong>e <strong>Oper</strong>nfans faszinierend, und auch heute begeistert <strong>di</strong>ese Art des<br />
Singens. "Die Krönung der <strong>Poppea</strong>" ist <strong>di</strong>e beste <strong>Oper</strong>naufführung seit<br />
langem in Köln. Der Auszug aus dem <strong>Oper</strong>nhaus hat anscheinend viel<br />
kreative Kraft frei gesetzt.<br />
WDR 2, Autor: Stefan Keim, 18. Oktober