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Der Zwergstendel (Chamorchis alpina):<br />
die kleinste Orchidee der heimischen Flora<br />
In einem weiteren Beitrag der Serie über <strong>Orchideen</strong> unter dem Mikroskop widmet<br />
sich MATTHIAS SVOJTKA dem „alpinen Extremisten“ unter den heimischen <strong>Orchideen</strong><br />
„Für mich schuff deine Güte, o Gott! die Welt so<br />
schön. Für mich ist Frucht und Blüthe in Thälern<br />
und auf Höh’n.“ Diesen Teil eines Bauernliedes<br />
stellt Franz de Paula Schrank (1747–1835) als<br />
Motto vor sein Werk über die Pflanzenwelt von<br />
Salzburg, „Primitiae Florae Salisburgensis“ (1792).<br />
Das artenreiche Vorkommen terrestrischer<br />
<strong>Orchideen</strong> in der Ebene ist jedem Liebhaber<br />
bekannt, doch kann der <strong>Orchideen</strong>freund in unseren<br />
Breiten sogar im Hochgebirge fündig werden:<br />
Weißliche Höswurz (Pseudorchis albida),<br />
Hohlzunge (Coeloglossum viride), Kugelstendel<br />
(Traunsteinera globosa) und alle Kohlröschen-Arten<br />
(Nigritella spp.) erreichen die alpine Höhenstufe.<br />
Die höchst steigende Orchidee der Alpen, gleichzeitig<br />
auch die kleinste <strong>Orchideen</strong>-Art der heimischen<br />
Flora, ist jedoch der Zwergstendel (Chamorchis<br />
alpina).<br />
Diese Art wird in der Liter<strong>at</strong>ur erstmals in dem<br />
Werk „Prodromos The<strong>at</strong>ri Botanici“ (Frankfurt am<br />
Main, 1620) von Caspar Bauhin erwähnt. Caspar<br />
Bauhin (1560–1624) war ein Schweizer Arzt und<br />
Botaniker, er unterrichtete von 1588 bis 1614<br />
An<strong>at</strong>omie und Botanik an der Universität Basel. In<br />
seinem „Prodromus“ nennt Bauhin den<br />
Zwergstendel „Camaeorchis alpina folio gramineo“<br />
und verweist damit auf die grasartigen Blätter <strong>diese</strong>r<br />
Orchidee. Mit knappen Worten erwähnt er<br />
weiters das reichliche Vorkommen im Schweizer<br />
Gotthard-Massiv und den Mon<strong>at</strong> Juni als Blütezeit.<br />
Dieser Beschreibung fügt Bauhin allerdings keine<br />
Abbildung bei; erst 142 Jahre später findet sich die<br />
wahrscheinlich erste Abbildung von Chamorchis<br />
alpina bei Nikolaus Joseph von Jacquin<br />
(1727–1817; siehe Abb. 3): In seinem Büchlein<br />
„Enumer<strong>at</strong>io stirpium [Ö]“ von 1762 beschreibt er<br />
kurz die Art „Ophrys alpina“, ihr Vorkommen am<br />
Schneeberg und die Blütezeit von Mai bis Juli.<br />
Schon zuvor h<strong>at</strong> der berühmte Carl von Linné<br />
(1707-1778) die Art in seinem Werk „Species plantarum“<br />
(1753) wissenschaftlich gültig als „Ophrys<br />
alpina“ (Bd. 2, S. 948) beschrieben. Louis Claude<br />
Marie Richard (1754-1821) schliefllich stellt die Art<br />
in seinem Werk „De orchideis europaeis annot<strong>at</strong>iones“<br />
(1817) erstmals in die heute gültige G<strong>at</strong>tung<br />
Chamorchis. Somit ergibt sich für den<br />
Zwergstendel die Namenskombin<strong>at</strong>ion Chamorchis<br />
alpina (L.) L.C.M. Richard.<br />
Der Name „Chamorchis“ leitet sich von griechisch<br />
chamai (= niedrig, auf der Erde) und orchis<br />
(= Hoden, Knolle) ab und verweist auf die geringe<br />
Wuchshöhe der Pflanze. In der älteren Liter<strong>at</strong>ur finden<br />
sich weiters die Bezeichnungen „Orchis pumila<br />
seu Chamaeorchis alpina“ (John Ray 1688),<br />
„Orchis graminea“ (Crantz 1769), „Orchis alpina“<br />
und „Epipactis alpina“ (Franz de Paula Schrank<br />
1789 und 1792), „Chamaerepes alpina“ (Kurt<br />
Sprengel 1826) sowie „Herminium alpinum“ (John<br />
Abb. 1: Chamorchis alpina (Speiereck, 2200 m,<br />
Lungau, Sbg., 26. 7. 2006). Foto: Norbert Svojtka<br />
Abb. 2: Chamorchis alpina (Speiereck, 2200 m,<br />
Lungau, Sbg., 10. 8. 2004)<br />
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