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Buddhismus - FFbiz

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Vo r w o r t<br />

Warum sind Männer und Frauen in vielen Religionen zwar theoretisch, aber nicht praktisch<br />

gleichwertig? Welche Vorstellungen vom oder von höchsten Wesen (Gott) gibt es in den fünf<br />

großen Weltreligionen? Wie thematisieren sie die Gleichheit oder Verschiedenartigkeit der<br />

Geschlechter? Wir laden Sie ein in die Welt des Judentums, Christentums, Islam, Hinduismus<br />

und <strong>Buddhismus</strong>.<br />

Die fünf großen Weltreligionen haben über Jahrtausende hinweg zum Reichtum der Kulturen<br />

beigetragen, im Gegensatz zu Sekten, wie zum Beispiel Scientology. Sie bieten eine Fülle von<br />

interessanten Geschichten, Persönlichkeiten und Gedanken, die wir Ihnen gerne vorstellen. Auf<br />

den folgenden Seiten erfahren Sie mehr über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen<br />

diesen einzelnen Religionen. Im Judentum und Christentum soll man sich keine personale Vor-<br />

stellung von Gott machen, und Ähnliches gilt im Islam; besonders dürfen Allah und sein Pro-<br />

phet Mohammed nicht abgebildet werden. Dagegen gibt es im Hinduismus eine bunte, schil-<br />

lernde Bilder-Welt von Göttern und Göttinnen, von deren Abenteuern die großen religiösen<br />

Schriften berichten. Der <strong>Buddhismus</strong> kennt keinen allmächtigen, ewigen Schöpfergott. Dennoch<br />

gibt es Verkörperungen des Buddha in unterschiedlichen Gestalten und weibliche Luftwesen.<br />

Welche Vorstellung von Geschlecht/Gender gibt es in den jeweiligen Religionen? Welche Eigen-<br />

schaften und Fähigkeiten werden ihnen zugeschrieben? Wir stellen Ihnen die wichtigsten Persön-<br />

lichkeiten in ihren unterschiedlichen (Geschlechter-)Repräsentationen und Funktionen vor:<br />

Mohammed, Chadidscha, Aischa, Buddha, Maria und Jesus. Außerdem finden Sie ein eigenes<br />

Kapitel über „Homosexualität und Transidentitäten“ mit weiterführenden Hinweisen.<br />

Klicken Sie oben auf die jeweilige Religion, um mehr darüber zu erfahren. Weitere Informationen<br />

finden Sie unter den angegebenen links und in den Literaturlisten aber auch im FFBIZ-Archiv.<br />

Wir freuen uns auf Ihren Besuch!<br />

Judentum<br />

Religionen / Konfessionen und Gender<br />

Christentum<br />

Islam<br />

Hinduismus<br />

<strong>Buddhismus</strong><br />

1


1. Glaubengrundsätze<br />

2. Schriften<br />

3. Strömungen<br />

4. Die Götterwelt westsemitischer Völker<br />

5. „Du sollst dir kein Bildnis machen“ – Das Gottesbild JHWHs<br />

6. Verschiedene Lesarten der Schriften<br />

7. Schöpfungsmythen: Adam, Eva und Lilith<br />

Glaubengrundsätze<br />

Zum Judentum bekennen sich heute zirka 14. Millionen Menschen auf der Welt. Es ist die älteste<br />

der drei Weltreligionen mit Glauben an einen Gott (Monotheismus). Gott, Jahwe, wird als<br />

Schöpfer aller Dinge angesehen. Er hat die Menschen nach seinem Ebenbild erschaffen. Der<br />

Nomade Abraham wird als jüdischer Ur-Vater betrachtet, auf den sich auch das Christentum und<br />

der Islam beziehen. Mit Abraham beginnt die Geschichte des jüdischen Volkes. Doch ob er<br />

wirklich gelebt hat, und ob der biblische Bericht vom Auszug aus Ägypten historisch nachweisbar<br />

ist, ist in der Forschung umstritten.<br />

Die Glaubensgrundsätze stammen unter anderem aus den zehn Geboten, die in den fünf<br />

Büchern Moses, in der Tora, festgehalten wurden. Danach steht der Mensch vor Gott und ist für<br />

seine Taten verantwortlich. Juden erwarten den Messias, der kommen wird, um die Welt zu<br />

erlösen. Im Judentum gibt es keine eindeutigen Vorstellungen von einem Leben nach dem Tode.<br />

Es ist stark auf das Diesseits orientiert, das als prinzipiell gut, weil von Gott geschaffen und vom<br />

Menschen gestaltet, gilt.<br />

Judentum<br />

2


Schriften<br />

Die hebräische Bibel Tanach besteht aus der Tora (Bücher Moses mit 613 Gesetzen), den Nebiim<br />

(Bücher der Propheten) und den Ketubim (Schriften). Diese Texte bilden in anderer Anordnung<br />

und Gewichtung auch die Grundlage des Alten Testaments im Christentum. Die hebräische Bibel<br />

ist eine Sammlung verschiedener Bücher unterschiedlicher literarischer Formen: Erzählungen,<br />

Gedichte, Prophezeiungen, Gesetze. Neben den zum Teil ganz unbekannten Verfassern oder<br />

Autorengruppen arbeiteten unzählige Abschreiber, Sammler, Kommentatoren und Herausgebern<br />

an den Schriften. Eine Frau als Autorin wird nirgendwo erwähnt. In ihrer mehr als<br />

tausendjährigen Entstehungsgeschichte von den mündlichen Überlieferungen bis zu ihrer<br />

endgültigen schriftlichen Form wurde die Bibel immer wieder umgeschrieben, verändert und neu<br />

übersetzt. Da sie von Menschen gemacht ist, spiegelt sie unterschiedliche kulturelle Einflüsse,<br />

Interpretationen und Absichten.<br />

Der Talmud ist die zweite wichtige Schrift im Judentum. Er besteht aus der Mischna, eine<br />

Sammlung von religiösen Gesetzen und der Gemara, der Diskussion dieser Gesetze. Die Mischna<br />

Strömungen<br />

enthält unter anderem Regeln zum Ehe-, Familien-, und Strafrecht<br />

und stellt Reinlichkeitsgebote für die Geschlechter auf. In der<br />

Gemara, dem zweiten Teil des Talmuts, werden diese Gesetze in<br />

Form von Geschichten und Gleichnissen ausgelegt und kommentiert.<br />

Diese mündliche Lehre wurde in der Regel von männlichen jüdischen<br />

Gelehrten über Generationen hinweg verbal weitergegeben,<br />

gesammelt und schließlich in eine schriftliche Form gebracht.<br />

Das Judentum unterteilt sich heute in drei Hauptströmungen: Orthodoxes, progressives und<br />

konservatives Judentum. Das orthodoxe Judentum hält trotz gesellschaftlicher Veränderungen<br />

unverändert an den alten Gebräuchen fest. Die Thora gilt als das direkt geoffenbarte Wort<br />

Gottes. Die religiösen Schriften gehen davon aus, dass Menschen als zweierlei Geschlecht<br />

geschaffen wurden, als Mann und Frau. In den Schriften gibt es Anweisungen dazu, welche<br />

sexuellen Praktiken zwischen welchen Geschlechtern erlaubt sind, und welche nicht. Nach<br />

einigen Auslegungen lehnt die hebräische Bibel (z. B. Leviticus 18,22 und 20, 13) Homosexualität<br />

ab und sieht Strafen dafür vor.<br />

3


Das orthodoxe Judentum betrachtet die Geschlechter als gleichwertig vor Gott, aber nicht als<br />

gleichartig. Aus der Verschiedenheit der Geschlechter begründet es getrennte Arbeits- und<br />

Aufgabenbereiche. Der Mann soll sich vorrangig dem Studium der heiligen Schriften und der<br />

Religionsgesetze widmen. Die Frau ist zuständig für die Bewahrung der religiösen Tradition vor<br />

allem in der Familie. Im Judentum existiert ein Mythos der „starken jüdischen Frau“, die neben<br />

ihrer Erwerbstätigkeit und der Familienarbeit dem Mann noch den „Rücken“ für seine geistigen<br />

Studien freihält. Jüdische Gelehrte huldigen ihr dafür in zahlreichen Textstellen der Schriften<br />

(Lob der tüchtigen Hausfrau, Sprüche Salomon 12, 4). Der Zugang zu geistlichen Ämtern ist<br />

abhängig vom zugeschriebenen Geschlecht des Menschen: Männer dürfen das Amt von<br />

Geistlichen = Rabbinern übernehmen, lesen aus dem Talmud oder der Tora vor und<br />

interpretieren die Gesetze. Frauen sind davon ausgeschlossen. In den religiösen<br />

Versammlungsräumen, den Synagogen, sitzen Frauen und Männer separat, manchmal auch durch<br />

einen Vorhang getrennt.<br />

Die Halacha, das jüdische Religionsgesetz, gilt als Leitlinie für das religiöse Leben im Alltag. In<br />

Tora und Talmud gibt es mehr als 613 Gesetzte: 248 Gebote und 365 Verbote. Darin ist unter<br />

anderem festgelegt, dass eine Ehescheidung nur auf Initiative des Mannes erfolgen kann. Die<br />

Frau willigt durch Berührung des Scheidungsdokumentes in die Trennung ein. Es gibt klare<br />

Reinlichkeitsvorschriften für Männer und Frauen. Der Verlust von Menstruationsblut und<br />

Sperma gelten als unrein. Der Zustand der Reinheit muss durch ein rituelles Bad wieder<br />

hergestellt werden. Der Geschlechtsverkehr zwischen Männern und Frauen ist während der<br />

Menstruation der Frau und einige Tage danach verboten. Auch nach der Geburt eines Kindes<br />

fordern die Gesetze von den Ehepartnern Enthaltsamkeit und eine Absonderung der Frau von<br />

der religiösen Gemeinschaft. Diese gilt für einen Zeitraum von 40 Tagen nach der Geburt eines<br />

Jungen und 80 Tagen nach der Geburt eines Mädchens.<br />

Das progressive Judentum entwickelte sich stark im 19. Jahrhundert mit liberalen,<br />

reformorientierten Ausprägungen. Die Offenbarungen Gottes werden als ein fortschreitender<br />

Prozess verstanden und können von Menschen neu ausgelegt werden. Die Regeln des Talmuds<br />

sind nicht göttlichen Ursprungs, sondern durch Menschen gemacht. Für das progressive<br />

Judentum sind sie abhängig von der Zeit, in der sie entstanden sind und daher veränderbar.<br />

Männer und Frauen werden im progressiven Judentum gleichgestellt. In der Synagoge sitzen die<br />

Geschlechter gemischt. Männer und Frauen haben gleichberechtigten Zugang zu den religiösen<br />

Ämtern. Schon 1936 wurde Regina Jonas als erste Rabbinerin in Deutschland eingesetzt. Generell<br />

gilt die Gleichwertigkeit aller Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung. Es gibt<br />

4


liberale Gemeinschaften schwuler, lesbischer und bisexueller Jüdinnen und Juden und eine erste<br />

Generation lesbischer Rabbinerinnen.<br />

Das konservative Judentum entstand im 19. Jahrhundert in Europa und bewegt sich zwischen<br />

orthodoxem und progressivem Judentum. Auch die konservative Bewegung ordiniert seit 1984<br />

Frauen als Rabbinerinnen, d.h. führt sie in ihr Amt ein.<br />

Die Götterwelt westsemitischer Völker<br />

Zur Zeit der Entstehung des Judentums beteten die Menschen im Alten Orient verschiedene<br />

Götter und Göttinnen an. Diese symbolisierten die Kräfte der Natur oder die vier Elemente,<br />

„Feuer“, "Wasser", "Luft" und "Erde". Auch jede Stadt hatte einen eigenen Schutzgott. Das<br />

Prinzip der Fruchtbarkeit wurde dabei sowohl in weiblicher als auch in männlicher Gestalt<br />

angebetet. Ischtar, die babylonische Göttin des Kampfes und der Liebe, wurde im gesamten<br />

Alten Orient unter verschiedenen Namen verehrt: Ashtar, Astarte, Ashera, Inanna. Als<br />

Doppelcharakter hat sie eine helle und dunkle Seite und tritt in unterschiedlichen<br />

Erscheinungsformen der einen Hauptgöttin auf. Sie ist die Göttin des Abend- und Morgensterns,<br />

des Himmels- und der Unterwelt, Mutter- und Liebesgöttin, Göttin der Fruchtbarkeit und der<br />

Wollust. Dargestellt wird sie oft als Kriegsgöttin mit Hörnermütze, Köchern auf dem Rücken<br />

und Pfeilen und Bogen in den Händen.<br />

Baal (Bhaal, Bel, Bēl) ist eine Bezeichnung aus dem Altertum für verschiedene Gottheiten im<br />

syrischen und levantinischen Raum. Der Begriff bedeutet Herr, Meister, Besitzer, Ehemann,<br />

König oder Gott und kann für jeden Gott benutzt werden. Er ist der Fruchtbarkeits-, Regen-,<br />

Gewitter-, Berg- und Sturmgott westsemitischer Völker. Als Ehemann der Astarte steht auch er<br />

für lebensspendende und -zerstörende Kräfte. Dargestellt wird er mit Donnerkeil und<br />

erhobenem Arm, der Blitze schleudert.<br />

Die Erzählungen über die ältesten Götter und Göttinnen des ägyptischen Raums und vieler<br />

Regionen rund um das Mittelmeer stellen sie oftmals doppelgeschlechtlich (androgyn) vor, so wie<br />

auch in der griechischen Mythologie. Die Religion des jüdischen Volkes, der 12 Stämme Israels,<br />

entstand also in einer Welt der Vielgötterei (Polytheismus). Die hebräischen Stämme führten<br />

Krieg mit anderen Völkern in der Kulturlandschaft Kanaans, die Göttinnen verehrten,<br />

5


Tempelprostitution betrieben und Sexualität als Teil ihres religiösen Lebens würdigten. In der<br />

hebräischen Bibel finden sich noch Spuren dieser Götterkulte, die scharf verurteilt werden.<br />

„Du sollst dir kein Bildnis machen“ – Das Gottesbild JHWHs<br />

Das Judentum basiert auf den Glauben an den einen<br />

Gott, der den Namen des Unaussprechlichen,<br />

Jahwe, trägt. Dieser wird unter anderem mit<br />

folgenden männlichen Beinamen belegt: Herr,<br />

Vater, Gemahl, König, Richter, Kriegsherr, Hirte.<br />

Er gilt als der Schöpfer der Welt und als eine<br />

gewaltige Macht jenseits dieser Welt. Gott wird als<br />

allwissend, allmächtig und allgegenwärtig angesehen.<br />

Er erscheint als Träger positiver menschlicher<br />

Eigenschaften in überhöhter Form, wie unfehlbare<br />

Gerechtigkeit, allumfassende Liebe und Güte. Er<br />

unterliegt keinen zeitlichen Begrenzungen und<br />

keinem Wandel, sondern gilt als ewig, also<br />

unveränderlich. Auf der einen Seite wird Jahwe von<br />

Menschen annäherungsweise in „männlichen“<br />

Bildern, Rollen und Funktion beschrieben, auf der anderen Seite erscheint er als geschlechtsloses<br />

Wesen. In der hebräischen Bibel gibt es keine Äußerungen über die Gestalt Gottes. Auch in den<br />

Berichten der Propheten, die ihn im Traum oder als Vision sahen, fällt nie ein Wort über sein<br />

Aussehen oder seine Geschlechtsmerkmale. Im Gegensatz zu vielen Göttern und Göttinnen des<br />

Polytheismus hat Jahwe keine sexuelle Biographie, keine sexuelle Partnerschaft und zeugt auch<br />

keine Nachkommen. Er soll nicht in menschlichen Abbildungen dargestellt werden<br />

(Bilderverbot).<br />

Verschiedene Lesarten der Schriften<br />

Die jüdische feministische Theologie beschäftigt sich unter anderem mit der sogenannten<br />

„weiblichen" Seite Gottes. Sie verweist dabei auf Eigenschaften, die im Hebräischen als<br />

„Schechina“ und „Hochma“ bezeichnet werden und für die Herrlichkeit und Weisheit Jahwes<br />

6


stehen. Da diese Begriffe der Grammatik nach weiblich sind, werden aus ihnen auch weibliche<br />

Tugenden abgeleitet. Die Autorinnen weisen auf Gleichnisse hin, wo Gott sich der Bibel nach<br />

selbst als „Gebärende“ oder als „Mutter“ im Verhältnis zu seinem Volke beschreibt. Er erscheint<br />

als „Bärin“, der man die Jungen geraubt hat und als „Adlermutter“, die ihre Kinder unter ihren<br />

Flügeln schützt. Wir können fragen: Werden hier Anteile der „Fruchtbarkeits- und<br />

Muttergöttinnen“ „Jahwe“ zugeschrieben und warum? Durch die Gleichsetzung von „weiblich“<br />

mit Begriffen wie „fürsorglich“, „behütend“ oder „beschützend“, schreiben manche Autorinnen<br />

dem „Weiblichen“ wesenhafte, scheinbar natürliche und immerwährende Eigenschaften zu.<br />

Dadurch wird, wie im orthodoxen Judentum, die Andersartigkeit der Geschlechter betont, und<br />

diese werden auf bestimmte Rollen und Funktionen festgelegt.<br />

Eine andere Leseart der Schriften untersucht die Beziehung zwischen Mensch und Gott wie der<br />

Autor Eilberg-Schwartz. Diese Beziehung wird mit Begriffen wie Liebe und Hingabe<br />

umschrieben. Das traditionelle Judentum fasst die Frau als den natürlichen, ergänzenden<br />

Gegenpart zum Mann auf. Aus den unterschiedlichen Geschlechtsmerkmalen werden<br />

Eigenschaften abgeleitet, die verschiedene Aufgaben und Gender-Rollen nach sich ziehen. Die<br />

Liebesbeziehung zwischen unterschiedlichen Geschlechtern gilt als Norm und die zwischen<br />

Gleichgeschlechtlichen als unnatürlich. Daher ist nach Eilberg-Schwartz der gläubige Jude in<br />

erster Linie ein männlicher Gläubiger. Dieser darf keine (Liebes)beziehung mit einem Gott<br />

eingehen, der männliche Geschlechtsmerkmale hat. Dadurch entstünde der Verdacht der<br />

Homoerotik. Deshalb erscheint Gott in den Schriften als geschlechtslos und körperlos. Eine<br />

eigenwillige Interpretation!<br />

Schöpfungsmythen: Adam, Eva und Lilith<br />

In der hebräischen Bibel gibt es zwei Versionen über die Entstehung<br />

der Menschen. Die erste Schöpfungsgeschichte berichtet, dass Gott<br />

den Menschen am 5. Tag nach seinem (Eben)bilde als Mann und Frau<br />

erschuf (Genesis 1). Im zweiten Schöpfungsbericht (Genesis 2-3)<br />

erschuf Gott zuerst den Mann „Adam“ und aus seiner Rippe die Frau<br />

„Eva“ als seine Helferin. In dieser Schrift steht, dass Gott ein Wesen<br />

aus der Ackererde bildete, diesem den Lebensatem einhauchte und ihn<br />

in den Garten Eden setzte. Jüdische Theologinnen gehen oft davon<br />

aus, dass dem ersten Geschöpf noch kein Geschlecht zugeordnet wurde. Für sie ist der Begriff<br />

7


„Adam“ eine Gattungsbezeichnung für Menschen und noch kein Name für einen Mann. Um die<br />

Einsamkeit dieses Wesens zu lindern, baut Gott, der zweiten Überlieferung nach, aus seiner<br />

Rippe einen zweiten Menschen. Aus dem ersten androgynen Menschen entstehen zwei, die jetzt<br />

geschlechtlich unterschieden werden. Adam erkennt Eva als ihm ähnlich. Diese Ähnlichkeit<br />

zwischen den beiden Geschlechtern wird noch durch die hebräischen Namen „Isch“ und „Ischa“<br />

betont. Der Rest der Geschichte ist bekannt: Eva verführt Adam dazu, vom Baum der<br />

Erkenntnis zu essen, und es folgt die Vertreibung aus dem Paradies. Die Einteilung in zwei<br />

Geschlechter erscheint in beiden Versionen also als gottgewollt. Am Ende der zweiten, der<br />

wahrscheinlich geschichtlich jüngeren Erzählung, wird nach der Unterschiedlichkeit der<br />

Geschlechter auch noch die Hierarchie der Geschlechter formuliert „Du hast Verlangen nach<br />

deinem Manne, er aber wird über dich herrschen“ (1. Buch Moses 3,16).<br />

Es gibt Hinweise auf weitere Versionen der Schöpfungsgeschichte auch unter Israeliten. Sie<br />

werden im jüdischen Talmud und in der hebräischen Bibel (Jesaija 34,14) erwähnt. In dieser<br />

Version ist Lilith ein erster Mensch, geschlechtslos, oder aber die erste Frau Adams vor Eva.<br />

Nach jüdischen Sagen streitet Lilith mit Adam und verschwindet aus<br />

dem Paradies in die Wüste. Sie bleibt aber unsterblich, vereinigt sich mit<br />

Dämonen und bringt Dämonenkinder zur Welt. In anderen Überlieferungen<br />

wird sie durch den Tod ihrer Kinder bestraft und verwandelt sich selbst in<br />

einen Geist, der die neugeborenen Kinder der Menschen tötet. Lilith, im Hebräischen „die<br />

Nächtliche“, wird schließlich im alten Mesopotamien zum weiblichen Dämon des<br />

Kindbettfiebers. In der Version der jüdisch-feministischen Theologie aber steht Lilith entweder<br />

für den ersten Menschen überhaupt oder aber für die eigenständige starke Frau, die Adam den<br />

Gehorsam, also die Unterordnung, verweigert. Die verschiedenen Vorstellungen zu Lilith haben<br />

vor allem im 19. Jahrhundert, während der sog. Ersten Frauenbewegung, besonders männliche<br />

Künstler zu unterschiedlichen Darstellungen angeregt.<br />

Jüdisch-rabbinische Literatur deutet eine vierte Version der<br />

Schöpfungsgeschichte an. Adam wird danach auch als zweigesichtiges,<br />

androgynes Wesen beschrieben, das männliche und weibliche Merkmale<br />

aufweist. Demnach schuf Gott den Menschen zuerst als Hermaphroditen und<br />

teilte dieses Geschöpf dann in zwei voneinander getrennte Körper. Diese<br />

Betrachtung ähnelt anderen Schöpfungsmythen. Nach persischen Legenden<br />

lebte das erste Menschenpaar, als Licht und Dunkelheit, im Garten Eden, zuerst<br />

gemeinsam in einem Körper. Auch die griechischen Mythen berichten davon,<br />

dass Prometheus den Menschen zuerst androgyn, als Wesen aus Lehm erschuf und die Göttin<br />

8


Athene ihn lebendig machte. Nach der Geschichte von Platon trennte der Göttervater Zeus die<br />

ursprünglichen Kugelmenschen, die aus drei Geschlechtern bestanden, und nahm vom<br />

weiblichen Körper ein Stück Lehm, dass er dem Manne ansetzte.<br />

Weiterführende Informationen<br />

Bet Deborah. Frauenperspektiven im Judentum<br />

http://www.bet-debora.de/<br />

http://www.talmud.de/cms/Hauptseite.45.0.html<br />

http://www.hagalil.com/judentum/<br />

http://www.religion-online.info/judentum/themen/themen.html<br />

http://www.verlagderweltreligionen.de/<br />

Bridges. A Jewish Feminist Journal<br />

http://bridgesjournal.org/<br />

Nashim. A Journal of Jewish Women´s Studies & Gender Issues<br />

http://muse.jhu.edu/demo/nashim<br />

Lilith. A Feminist History Journal: www.history.unimelb.edu.au/lilith/<br />

9


1. Glaubensgrundsätze<br />

2. Orthodoxe, Katholische und Evangelische Kirchen<br />

3. Schriften<br />

4. Geschlechterordnung, -hierarchie und –beziehungen<br />

5. Bekleidungsvorschriften für die Geschlechter<br />

6. Maria und Jesus: historische Figuren und Mythengestalten<br />

Glaubensgrundsätze<br />

Christentum<br />

Das Christentum ist mit über zwei Milliarden Anhängern noch die größte der fünf Weltreligionen.<br />

Seine Wurzeln liegen im Judentum. Die Christen glauben wie die Juden an einen Gott, von dem<br />

man sich kein Bild machen soll. Jedoch sehen die meisten Christen Gott als einen dreifaltigen<br />

Gott an (Trinität): als Vater, Sohn (Jesus Christus) und Heiligen Geist, die zusammen eine<br />

Einheit bilden. Jesus Christus ist nach der Festlegung früher Konzilien zugleich ganz Mensch und<br />

ganz Gott. Die zentralen Elemente der christlichen Lehre sind die Liebe Gottes, die Liebe zu<br />

Gott und die Nächstenliebe. Gott erlöste die Menschen von seiner Schuld oder Erbsünde durch<br />

den Tod Jesu Christi. Dieser ist nach den Zeugnissen der Apostel und der Maria Magdalena vom<br />

Tod als erster Mensch auferstanden. Gemeinsame Sakramente, d.h. heilige, zeichenhafte Rituale,<br />

aller christlichen Konfessionen und Strömungen sind die Taufe und das Abendmahl.<br />

Orthodoxe, Katholische und Evangelische Kirchen<br />

Glaubensspaltungen begleiteten die christliche Kirche, d.h. die dem Herrn gehörige<br />

Religionsgemeinschaft, von Anfang an, wie schon aus den Paulus-Briefen des Neuen Testaments<br />

hervorgeht. Im Römischen Reich wurde das Christentum im Jahr 391 Staatsreligion. Nach der<br />

Teilung des Reiches 395 entstand die orthodoxe Kirche um den Mittelpunkt Konstantinopel.<br />

10


Unterschiedliche theologische Meinungen führten 1054 zum großen Schisma, d.h. der<br />

endgültigen Kirchenspaltung. Die Kirche der „Rechtgläubigen“ der Lobpreisung des dreifaltigen,<br />

unfassbaren, unbegreifbaren Gottes ist heute ein Verband von verschiedenen Nationalkirchen,<br />

die durch Patriarchen vertreten werden. Durch Migration leben orthodoxe Christen heute in allen<br />

Teilen der Welt, wobei die USA, Australien und Deutschland zahlenmäßig am bedeutendsten<br />

sind. Wichtigste Quelle des orthodoxen Glaubens ist die Heilige Schrift. Von Bedeutung sind<br />

aber auch die Lehren der Kirchenväter (Nachfolger der Apostel = Jünger Jesu, bis etwa zum 8.<br />

Jahrhundert) und die Konzilien. Orthodoxe Christen kritisieren das Papsttum und das Dogma,<br />

d.h. die Glaubenvorschrift, der Unfehlbarkeit des Papstes. Das in orthodoxen Kirchen besonders<br />

Anziehende ist die feierliche Liturgie mit Gesängen und Symbolhandlungen, bei denen auch<br />

Ikonen als kirchlich geweihte Bilder eine große Rolle spielen. Diese Ikonen stellen z. B. Christus,<br />

Maria oder Heilige dar. Ihre Verehrung widerspricht nicht dem Bilderverbot und ist von der<br />

Anbetung Gottes zu trennen. Wie in der katholischen Kirche sind nur Männer zum Priesteramt<br />

zugelassen. Von ihnen wird ein Leben in Zölibat, ohne Ehe und Sexualität verlangt.<br />

Die katholische Kirche ist die größte Konfession innerhalb des Christentums und umfasst 23<br />

Teilkirchen. Sie entstand aus der westlichen Tradition Roms und sieht den Papst als „Nachfolger<br />

des heiligen Petrus“ und oberste, unfehlbare Autorität an. Sie teilt die sieben Sakramente<br />

(Taufe, Heilige Eucharistie/Kommunion, Salbung bzw. Firmung, Sakrament der<br />

Versöhnung/Bußsakrament, Krankensalbung, Priesterweihe, Ehe) mit den orthodoxen Kirchen.<br />

Katholische Christen verehren in den Heiligen und in Maria das vielfältige Wirken Gottes. Nach<br />

ihrer Auffassung ist Maria von der Erbsünde frei, hat Jesus vom Heiligen Geist keusch<br />

empfangen und ist in den Himmel aufgenommen worden. Für Jahrhunderte galt während<br />

katholischer Gottesdienste eine nach Geschlechtern getrennte Sitzordnung. In der katholischen<br />

Kirche sind bis heute Frauen als Priesterinnen nicht zugelassen.<br />

Zur katholischen Kirche zählt auch das in den letzten Jahrzehnten von Päpsten noch<br />

aufgewertete rechtslastige und umstrittene Opus Dei (=Werk Gottes), das 1928 in Spanien von<br />

Josemaria Escrivà gegründet wurde. Es rekrutiert neue Mitglieder als katholische Elite bevorzugt<br />

aus Studierendenkreisen, aber auch unter Staatsrepräsentanten. Opus Dei ist nicht nur eine<br />

einflussreiche Organisation im Vatikan, sondern arbeitet in 62 Ländern auf allen Kontinenten der<br />

Erde. Zu seinen Methoden gehören neben psychischer Unterwerfung und Selbstzüchtigung auch<br />

die Isolierung und Kontrolle der geheimen Mitglieder der Organisation. Darüber hinaus<br />

praktiziert Opus Dei eine strikte Geschlechtertrennung und behandelt Frauen faktisch als<br />

minderwertige Wesen. Dennoch sprach Papst Johannes Paul II 2002 den Gründer heilig und<br />

verschaffte Opus Dei innerhalb der Kirche weiteren Einfluss. Er unterstützte so die gefährliche<br />

11


und undurchsichtige Macht dieser Organisation, die bisher auch von Papst Benedikt nicht<br />

beschnitten wurde.<br />

Die evangelischen Kirchen stehen in der Tradition der Reformation, die in Deutschland durch<br />

den Mönch Martin Luther aus Wittenberg ausgelöst wurde. Er übersetzte die Bibel grundlegend<br />

neu aus der lateinischen Fassung. Die wesentlichen Glaubensgrundsätze der Protestanten sind bis<br />

heute: allein die Bibel ist Grundlage des christlichen Glaubens, nicht aber die Autorität von<br />

Päpsten oder Bischöfen. Der gläubige Mensch wird allein von Gottes Gnade und nicht durch<br />

eigene Handlungen errettet. Als Sakramente bestehen die Taufe und das Abendmahl. In den<br />

evangelischen Kirchen werden seit wenigen Jahren Frauen als Pastorinnen und Bischöfinnen<br />

beschäftigt. Schon Luther schaffte das Zölibat, d.h. die Pflicht für Priester, ehelos zu bleiben, ab.<br />

Schriften<br />

Die Luther - Bibel ist nicht ein Buch, sondern eine Sammlung von 66 verschiedenen Büchern (39<br />

Altes Testament und 27 Neues Testament). Verfasst wurden die Vorläufer von mehr als 40<br />

Schreibern aus unterschiedlichen Kulturen, an verschiedenen Orten und<br />

über einen Zeitraum von mehr als 1.500 Jahren hinweg. Die einzelnen<br />

christlichen Konfessionen erklärten unterschiedliche Schriften zu<br />

Apokryphen, d.h. zu nicht-amtlichen Überlieferungen. Die Verfasser der<br />

unterschiedlichen Bücher der Bibel sind zum größten Teil nicht bekannt..<br />

Dies gilt nicht nur für das Alte Testament sondern auch für einige der<br />

zwischen 70 und 120 nach Christi Geburt entstandenen Schriften des<br />

Neuen Testamentes. Bei einigen Autoren ist die Verfasserschaft<br />

umstritten. Das Christentum übernahm die ins Griechisch übersetzte<br />

hebräische Bibel als Altes Testament. Bis auf einige Abweichungen<br />

entspricht es der hebräischen Bibel des Judentums. Das Neue Testament<br />

enthält neben dem Bericht über das Leben Jesu (Evangelien) Geschichten<br />

über die Kirche (Apostelgeschichte) und die Briefe von den Aposteln. Unter Christen gibt es<br />

Unstimmigkeiten über die richtige Methode der Übersetzung und unterschiedliche<br />

Interpretationen der Texte. Umstritten ist auch, wie weit es sich bei den Texten um Gottes Wort<br />

handelt. Generell gilt die „Bibel“ für Gläubige jedoch als anerkannte Quelle von Informationen<br />

über Jesus und Gott allgemein.<br />

12


Geschlechterordnung, -hierarchie und -beziehungen<br />

Christen sehen Frauen wie Männer als gleichwertige Ebenbilder von Gott. Aber in der<br />

Jahrhunderte langen christlichen Überlieferung und vor allem in der Praxis gläubiger Christen<br />

gewann Maria als zugleich Jungfrau und Gottesmutter eine besondere Bedeutung. Sie gilt als<br />

„neue Eva“, die dem Teufel in Gestalt der Schlange den Kopf zertreten hat. Dennoch wird mit<br />

Hinweis auf den Schöpfungsbericht Frauen in der katholischen Kirche der Zugang zum<br />

Priesteramt verwehrt: „Weil Gott in einem Mann Mensch geworden ist, kann nur ein männlicher<br />

Priester am Altar Christus repräsentieren“, heißt es in einem offiziellen Dokument der Kirche<br />

von 1976. Der Ausschluss der Frauen von kirchlichen Ämtern wird auch mit Hinweis auf<br />

bestimmte Bibelstellen im Neuen Testament als gottgewollt dargestellt. Auf der anderen Seite<br />

betonen Christen in der Nachfolge der Apostel die Gleichheit aller Menschen vor Christus,<br />

unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Klasse oder kulturellen Zugehörigkeiten: „Hier ist nicht<br />

Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid<br />

allesamt einer in Christus Jesus“ (Paulus Brief an die Galater 3,26-28).<br />

Bekleidungsvorschriften für die Geschlechter<br />

Die alttestamentarische Textstelle „Eine Frau soll nicht Männersachen tragen, und ein Mann soll<br />

nicht Frauenkleider anziehen ....“ (5 Moses 22,4) wirft einige Fragen auf. Waren die<br />

Geschlechtergrenzen in damaliger Zeit vielleicht eher fließend und abhängig von Kleidung und<br />

Verhalten? Konnten „weibliche“ und „männliche“ Menschen ohne die entsprechende Kleidung<br />

nicht klar identifiziert werden? Bestand die Sorge, dass ein Mann, wenn er Frauenkleider trug, als<br />

Frau gelten konnte und umgekehrt? Gab es die von den biologischen und medizinischen<br />

Wissenschaften vor allem im 19. Jahrhundert behaupteten eindeutigen körperlichen Unterschiede<br />

zwischen den Geschlechtern vielleicht gar nicht immer? Auch im Neuen Testament finden sich<br />

Vorschriften für Kopfbedeckungen und Haartracht abhängig vom zugewiesenen Geschlecht. Für<br />

Frauen ist es dort eine Ehre, langes Haar zu haben, denn dieses dient ihnen angeblich als Schleier.<br />

Bei Männern ist das Tragen langer Haare dagegen eine „Unehre“ und gegen die Natur (wie im<br />

Paulus-Brief an die Korinther 1 Kor 11, 14-16). Jesus aber wird in vielen christlichen Dar-<br />

stellungen durch verschiedene Jahrhunderte mit langen Haaren dargestellt. War Jesus also zwar<br />

ganz Mensch, aber dennoch kein Mann?<br />

Nach Thomas Laqueur ist die kulturelle Vorstellung von zwei gegensätzlichen, aber aufeinander<br />

als Paar verwiesenen Geschlechtern erst im 18. Jh. entstanden. In dieser Zeit verlor die christliche<br />

13


Religion weitgehend an Autorität und Bedeutung. Denn Philosophie und Naturwissenschaften<br />

veränderten im Zeitalter der Aufklärung zusammen mit der Entdeckung ferner Kontinente das<br />

bis dahin bestehende Menschenbild. Bis zu diesem Zeitalter gingen verschiedene Gelehrte von<br />

der Existenz nur eines Geschlechts aus. Der männliche und der weibliche Körper wurden nicht<br />

als grundsätzlich verschieden angesehen. Vielmehr war der Mann die Norm oder der Standard<br />

des Menschen, von dem die Frau als unvollkommeneres Wesen abweicht. Die körperlichen<br />

Geschlechtsmerkmale von Frauen wurden als nach innen gestülpte männliche Geschlechtsorgane<br />

angesehen. Denn bis dahin unterschied man nicht zwischen „natürlichem“ Geschlecht (sex) und<br />

kulturellem Geschlecht (gender). Die im Zuge der Aufklärung vorgenommene neue<br />

Unterscheidung in zwei biologisch erklärte „natürliche“ Geschlechter führte dazu, klare, soziale<br />

und kulturelle Unterschiede zwischen Männern und Frauen als „Geschlechtscharaktere“ von nur<br />

noch zwei Geschlechtern festzulegen. Daraus folgend konnten geschlechtsspezifische Gesetze,<br />

Arbeitsteilungen und Verhaltensnormen begründet werden.<br />

Maria und Jesus: historische Figuren und Mythengestalten<br />

Der Mythos von der Gottesmutter, die ein Gotteskind zur Welt bringt ist<br />

uralt. In den vorchristlichen Religionen gab es ihn schon lange, zum<br />

Beispiel als die ägyptische Himmelsgöttin Hathor oder Isis mit dem<br />

Horusknaben. Die jüdische Mutter Jesus übernimmt einige der<br />

Eigenschaften dieser Göttinnen. Die frühesten Marienbilder stammen aus<br />

dem 2. bis 3. Jahrhundert nach Christus. Auf den meisten Abbildungen<br />

wird Maria nun als Mutter, mit dem Jesuskind auf dem Schoß oder Arm<br />

dargestellt. Im Laufe der anhaltenden Marienverehrung gab die<br />

katholische Kirche nach und nach vier Mariendogmen heraus. Danach<br />

besitzt Maria eine “unbefleckte, ewige Jungfräulichkeit“. Sie ist die Gottesmutter und frei von<br />

Sünde (1854). Außerdem wird ihr die Aufnahme in das Himmelreich bescheinigt (1950). Von<br />

christlichen Gläubigen, und sogar von Muslimen, wird Maria in ganz unterschiedlichen Rollen<br />

verehrt: als Jungfrau, als Himmelskönigin, als Schutzherrin und Führsprecherin. Sie wird als<br />

tugendhaft, gehorsam, demütig, gläubig, liebend und fürsorglich beschrieben. In ihrer Rolle als<br />

Jungfrau erscheint sie fast als androgyne, vergeistigte Gestalt. War Maria eine geheime Göttin im<br />

praktizierten Christentum? Und wer war die historische Maria?<br />

14


Maria (hebräisch Mirjam) heißt nach dem Neuen Testament die Mutter des Jesus von Nazaret.<br />

Diese jüdische Frau war mit dem Bauhandwerker Josef verlobt und lebte wahrscheinlich in der<br />

Kleinstadt Nazaret in Galiläa. Die Bibel berichtet von Maria im Zusammenhang mit der Geburt<br />

Jesu: Ein Engel verkündete ihr die jungfräuliche Empfängnis durch den Heiligen Geist. Sie<br />

flüchtete vor dem römischen Statthalter während des<br />

Kindesmords in Bethlehem mit ihrem Verlobten nach Ägypten.<br />

Später wird sie noch einmal im Zusammenhang mit der<br />

Hochzeit in Kana erwähnt. Am Ende der Evangelien benennen<br />

die Apostel sie als Zeugin für die Kreuzigung Jesus. Ihre<br />

Grabstätte und der Zeitpunkt ihres Todes sind nicht bekannt.<br />

Nach geschichtswissenschaftlichen Untersuchungen fallen in<br />

der biblisch überlieferten Maria wahrscheinlich ganz<br />

unterschiedliche Frauengestalten zusammen. Im Hebräischen<br />

wird Maria als „almah“ bezeichnet. Das ist der Name für ein<br />

Mädchen oder eine junge Frau. In der griechischen<br />

Übersetzung wird daraus dann die „Jungfrau“.<br />

Jesus, der Begründer des Christentums, wurde wahrscheinlich zwischen 7 und 4 v. Chr. in<br />

Bethlehem oder Nazaret geboren und starb in den Jahren 30, 31 oder 33 n. Chr. in Jerusalem. Ab<br />

dem Alter von etwa 28 Jahren trat er im Gebiet des heutigen Israel und im Westjordanland<br />

öffentlich als Wanderprediger und Heiler auf. Wenige Jahre später wurde er von den Römern<br />

gekreuzigt. Sein genaues Todesjahr ist nicht überliefert.<br />

Das Neue Testament berichtet von den Taten und Worten Jesu, der nach christlichem Glauben<br />

ganzer Mensch und ganzer Gott ist. Es wird das Bild eines Asketen gezeichnet, der Familie und<br />

Beruf verlässt und ohne Besitz und Waffen predigend durch das Land zieht. Jesus verkündete das<br />

Reich Gottes, Nächstenliebe und Vergebung. Dabei verstieß er gegen die geltenden jüdischen<br />

Vorschriften für den Sabbat, die Achtung der Eltern und Reinlichkeitsgesetze. Er heilte sozial<br />

ausgegrenzte Menschen, wie Prostituierte und Ehebrecherinnen oder vorher Ungläubige. Er<br />

führte Lehrgespräche mit Frauen und nahm sie als Begleiterinnen an. Einige scheinen ihm von<br />

Beginn an gefolgt zu sein und ihn auch finanziell unterstützt zu haben. Sie sollen auch die letzten<br />

Zeugen seiner Hinrichtung und seiner Auferstehung geworden sein. Eine Eheschließung dieses<br />

Jesus erwähnt das Neue Testament nicht. Maria von Magdala, wird als eine seiner engsten<br />

Anhängerinnen bezeichnet.<br />

Einige feministische Theologinnen deuten Jesus vor allem als Freund und Befreier der Frauen.<br />

Andere betonen seine angeblich „weiblichen“ Eigenschaften. Auf den frühen Abbildungen<br />

15


erscheint er oft in der Rolle des guten Hirten, des Lehrers oder in der Pose des Herrschers. Er<br />

trägt in der Regel lange Haare und oft auch einen Bart. Im Mittelalter, vor allem in gotischer<br />

Kunst, wird die Menschengestalt Jesu besonders thematisiert. Er erscheint als Leidender, von<br />

Schmerzen entstellt und voller Wunden. Auf<br />

vielen Heiligenbildchen seit dem 18./19. Jh.<br />

gibt es die Darstellung des blutenden Herzens<br />

Jesu. Oder der Schmerzensmann hängt am<br />

Kreuz, trägt eine Dornenkrone und ist von<br />

einer Glorie eingefasst. Der Kunsthistoriker<br />

Steinberg weist darauf hin, dass in vielen<br />

bildlichen Darstellungen des Jesus seine<br />

„Männlichkeit“ betont wird. Manche<br />

Muttergottes zeigt auf das Geschlecht des Neugeborenen. Ein anderes Bild zeigt Jesu nach seiner<br />

Kreuzigung, halbnackt in den Armen seiner Mutter. Vor allen Dingen die Abbildungen seiner<br />

Kreuzigung zeigen seine Genitalien unverhüllt. Die Darstellung des Toten wird hier zugleich mit<br />

der Abbildung sexueller Potenz verbunden. Denn - so Steinberg - der Phallus steht als Symbol<br />

für Macht und Fruchtbarkeit und die Überwindung des Todes. Im Tod werden Körperlichkeit<br />

und Sexualität überwunden.<br />

Weiterführende Informationen<br />

Laqueur, Thomas: Auf den Leib geschrieben. Die Inszenierung der Geschlechter von der<br />

Antike bis Freud, Frankfurt/Main-New York 1992<br />

http://www.religioustolerance.org/christ.htm<br />

Schlangenbrut- Zeitschrift für feministische Theologie<br />

http://www.schlangenbrut.de/<br />

ESWTR - Netzwerk für Frauen aus der theologischen Forschung<br />

http://www.eswtr.org/home_d.html<br />

16


1. Glaubensgrundsätze<br />

2. Die Schriften<br />

3. Sunniten, Schiiten und Aleviten<br />

4. Der Prophet Mohammed, Chadidscha, Aischa und Fatima<br />

5. Die Geschlechterordnung im Koran<br />

6. Feministische Lesarten der Schriften<br />

Glaubensgrundsätze<br />

Islam<br />

Der Islam hat zur Zeit neben dem Christentum die meisten Gläubigen. Der Kernraum der<br />

islamischen Welt sind die arabischen Staaten, die Türkei und der Iran. Aber ungefähr ein Fünftel<br />

der Muslime lebt in Südostasien. "Islam" bedeutet "Hingabe, Annahme, Übergabe,<br />

Unterwerfung" gegenüber Allah (Gott). Allah ist weder männlich noch weiblich. Er trägt 99<br />

Namen, die seine Güte und Barmherzigkeit betonen, aber auch seine Strenge und Gerechtigkeit.<br />

Allah ist der Erste, der Letzte, der Ewige, der Unendliche, der Allmächtige, der Allwissende,<br />

Schöpfer aller Dinge, der Gerechte, der Erbarmer, der Gnädige, der Liebende, der Gütige, der<br />

Erhabene, der Wahrhaftige usw.. Eigenschaften wie „Gnade“ und „Frieden“ zählen zu seinen am<br />

häufigsten genannten Attributen. Sein Wille ist in Schriften und Gesetzen festgelegt, die alle<br />

Lebensbereiche der Gläubigen bestimmen. Den Menschen wurden die Worte Allahs vermittelt<br />

durch Mohammed, den Propheten und Religionsgründer. Mit seiner Auswanderung nach<br />

Medina, im Jahre 622 n. Chr., beginnt die islamische Zeitrechnung.<br />

Die Lehre des Islam basiert auf fünf Säulen. Die erste Säule stellt den Glauben an Gott, die<br />

Engel, die Schriften, Gottes Gesandte und den Jüngsten Tag dar. Zu den Gesandten oder<br />

Propheten gehören auch Adam, Abraham, Moses und Jesus. Mohammed wird als der letzte<br />

Prophet angesehen. Die anderen vier Säulen des Islam verpflichten die Gläubigen dazu, fünf mal<br />

täglich zu beten, Almosensteuern zu geben, vorgegebene Fastenzeiten einzuhalten und eine<br />

17


Pilgerfahrt nach Mekka zu unternehmen. Der Islam ist eine streng monotheistische Religion, die<br />

sich stark von polytheistischen Religionen abgrenzt, in denen mehrere Götter und Göttinnen<br />

verehrt werden. Gott gilt als einzigartig, vollkommen und nicht vorstellbar. Deshalb lehnt der<br />

Islam auch die christliche Lehre vom dreifaltigen Gott (Trinität): als Vater, Sohn (Jesus Christus)<br />

und Heiliger Geist ab. Und er verbietet jede persönliche Vorstellung oder bildliche Darstellung<br />

von Allah, aber auch von lebenden Wesen. Dadurch hat der Islam eine hohe Schriftkunst<br />

(Kalligraphie) und eine Fülle von Ornamenten, besonders Arabesken (Gabelblattranken)<br />

hervorgebracht. Sie sind das Ergebnis komplizierter rechnerischer Formeln, die auf den<br />

wunderbaren Aufbau der Welt hinweisen.<br />

Die Schriften<br />

Der Koran ist seit 1.400 Jahren das zentrale Dokument des Islam, die heilige Schrift, die<br />

Nichtmuslime nicht berühren, besitzen oder herstellen sollen. Nach dem Glauben vieler Muslime<br />

enthält der Koran die wortwörtlichen Offenbarungen Gottes, die dem Propheten Mohammed im<br />

Laufe von zwei Jahrzehnten (um 610-632 n. Chr.) durch den Erzengel Gabriel übermittelt<br />

wurden. Der Koran gilt grundsätzlich als unübersetzbar, weil Gott durch Mohammed in<br />

arabischer Sprache gesprochen hat. Der Gläubige erlebt Gott in der möglichst auswendigen<br />

Rezitation der Koranverse. Es geht nicht so sehr darum, die Inhalte zu verstehen, sondern die<br />

Laute auszusprechen. Nach islamischer Überlieferung konnte selbst der Prophet weder lesen<br />

noch schreiben, daher wurde der Koran erst von seinen Anhängern schriftlich festgehalten. Nach<br />

seinem Tode, zur Zeit des ersten Kalifen (Stellvertreter des Propheten) Abu Bakr um 632 n. Chr.<br />

entstand der erste Koran-Band.<br />

Der großen teils in Reimprosa geschriebene Koran ist in 114 Suren (Kapitel) eingeteilt, die nach<br />

ihrer Länge geordnet sind. Der Inhalt besteht aus Lobpreisungen auf Allah, Ankündigungen des<br />

Jüngsten Tages, Trostworten, Ermahnungen, Warnungen und anderem. Da sich der Islam vor<br />

dem Hintergrund des Judentums und Christentums entwickelte, enthält er auch viele Elemente<br />

aus den jüdischen und christlichen Überlieferungen. Er bezeichnet die Tora, die Psalmen und das<br />

Evangelium als heilige Schriften, die von Gott stammen, aber später von Menschen verfälscht<br />

worden seien. Adam wird erwähnt, Hawwa (Eva) als sein Weib bezeichnet. Laut Koran trugen<br />

beide die Verantwortung für die Vertreibung aus dem Paradies, aber ihnen wurde von Gott<br />

verziehen. Im Islam gibt es daher keine Erbsünde. Der Mutter von Jesus, Maryam (Maria),<br />

widmet der Koran eine ganze Sure. Nach dem Glauben vieler Muslime ist Maria in den Himmel<br />

18


aufgefahren und hat Jesus in jungfräulicher Geburt zur Welt gebracht. Sie gilt als eine der vier<br />

hervorragendst Frauen der Menschheitsgeschichte, neben Chadidscha, Aischa und Fatima. Jesus<br />

wird als einer der großen Propheten angesehen, aber nicht als Gottes Sohn. Laut Koran wurde er<br />

nicht gekreuzigt, sondern von Gott errettet.<br />

Die Sunna, d.h. die Gesamtheit der Überlieferungen des Propheten Mohammed, ist die zweite<br />

wichtige Schrift im Islam. Sie beschreibt beispielhaftes, vorbildliches Verhalten und leitet daraus<br />

Handlungsanweisungen für alle gläubigen Muslime ab. Übermittelt wird sie in Form der Hadithe,<br />

d.h. Nachrichten und Erzählungen über das, was der Prophet gesagt, getan, verurteilt oder gelobt<br />

haben soll. Die Hadithe wurden zuerst in mündlicher Überlieferung weitergegeben. Sie gehen auf<br />

Freunde, Verwandte und Bekannte des Propheten zurück. Ihr Wahrheitsgehalt wird an der<br />

Glaubwürdigkeit der Personen gemessen und daran, wie nahe sie dem Propheten gestanden<br />

haben sollen. Auch der angebliche Charakter und der Ruf der Übermittler spielen eine Rolle.<br />

Eine Hadithe besteht aus zwei Komponenten: dem Inhalt und der Kette der Namen derjenigen<br />

Männer und Frauen, die sie überliefert haben. Die ersten Aufzeichnungen entstanden nach<br />

heutiger Islamforschung schon im ersten muslimischen Jahrhundert. Nach dem Tode<br />

Mohammeds kam es zu einer regelrechten Hadithe-Produktion, die zu zahlreichen,<br />

unterschiedlichen Sammlungen führte. Islamische Theologen stellten Regeln für ihre Echtheit auf<br />

und prüften die vorliegenden Quellen. Daraus entwickelten sich die weitgehend noch heute<br />

anerkannten Hadithe-Sammlungen. Im Gegensatz zum Koran gibt es aber keine von allen<br />

akzeptierte Festlegung, welche Hadithen echt sind.<br />

Der Begriff „Scharia“ wird im heutigen Sprachgebrauch für "islamisches Recht" verwendet,<br />

bedeutet im engeren Sinne jedoch die von Gott gesetzte Ordnung. Zurückzuführen ist sie auf die<br />

Schriften von islamischen Rechtsgelehrten des 7. bis 10. Jahrhunderts. Die Scharia regelt nicht<br />

nur Rechtsfragen, sondern enthält auch religiöse, ethische, moralische und soziale Gesetze,<br />

Normen und Gebote. Sie bezieht sich auf den Koran und die Hadithe als Hauptquellen.<br />

Abgesehen von einigen religiösen Gesetzen und Teilen des Familienrechts ist die Scharia auch für<br />

alle nichtmuslimischen Mitglieder in einer islamischen Gesellschaft verbindlich. Es gibt heute in<br />

Staaten mit islamischer Bevölkerungsmehrheit sehr verschiedene Modelle im Blick auf die<br />

Bedeutung der Scharia. Während etwa die Türkei ein säkularer Staat ist, dessen Verfassung keinen<br />

Bezug auf das islamische Recht nimmt, haben Pakistan oder Sudan beschlossen, die Scharia zur<br />

Grundlage der Rechtsprechung zu machen. Das kann in der Praxis heißen, dass neue Gesetze<br />

von islamischen Juristen auf ihre Vereinbarkeit mit dem überlieferten islamischen Recht<br />

überprüft werden. Dazwischen stehen Staaten wie Malaysia, die sich zwar als islamische Staaten<br />

19


ezeichnen, deren Gesetzgebungsverfahren aber säkular, also rein aufgrund einer<br />

Mehrheitsentscheidung des Parlamentes erfolgt. Saudi-Arabien hat den Koran zur Verfassung<br />

seiner Monarchie erklärt, in der Praxis aber nicht aufgehört, trotzdem andere Rechtsquellen<br />

heranzuziehen.<br />

Sunniten, Schiiten und Aleviten<br />

Die Streitigkeiten und Machtkämpfe um die Nachfolge Mohammeds führten zu Abspaltungen<br />

innerhalb des Islam und zur Herausbildung unterschiedlicher Konfessionen. Die Sunniten sind<br />

mit etwa 80-90 Prozent die zahlenmäßig größte Gruppe im Islam, gefolgt von den Schiiten und<br />

den Aleviten. Die Sunniten stellen in vielen islamischen<br />

Ländern die Mehrheit der Muslime. Im Iran, im Irak, in<br />

Bahrain und in Aserbaidschan dagegen ist der Anteil der<br />

Sunniten an der Gesamtbevölkerung am größten.<br />

Daneben gibt es noch zahlreiche kleinere Gruppen und<br />

Richtungen, unter anderem den Sufismus und<br />

Wahhabismus. Die Sunniten betrachten die ersten vier<br />

Kalifen als die rechtmäßigen Nachfolger Mohammeds.<br />

Die Schiiten und die Aleviten berufen sich hingegen auf<br />

Ali, den Cousin und Schwiegersohn des Propheten, als<br />

legitimen Erben. Beide Strömungen folgen den fünf<br />

Säulen des Islam und stimmen in wesentlichen Glaubensgrundsätzen überein. Unstimmigkeiten<br />

hingegen herrschen in Bezug auf die Gültigkeit und Echtheit bestimmter Hadithe und die<br />

Auslegung der Rechtsprechung.<br />

Die Aleviten bilden nach den Sunniten die zweitgrößte Religionsgemeinschaft in der Türkei.<br />

Nach den Sunniten sind sie auch in Deutschland die zweitstärkste muslimische Konfession. Über<br />

Jahrhunderte waren sie immer wieder Anfeindungen und Verfolgungen ausgesetzt. Die Aleviten<br />

teilen nur das Glaubensbekenntnis mit den Sunniten und Schiiten. Sie folgen nicht den Geboten<br />

der Scharia und der Hadithe und legen den Koran nicht wortwörtlich aus. Die Aleviten treten<br />

stärker als andere Konfessionen im Islam ein für Religionsfreiheit, Menschenrechte und die<br />

Gleichberechtigung der Geschlechter. Männer und Frauen sitzen im Gottesdienst zusammen und<br />

haben dieselben Rechte und Pflichten. Frauen tragen in der Regel kein Kopftuch. Im Zentrum<br />

des alevitischen Denkens und Handelns stehen Liebe, Respekt und Frieden. Für sie manifestiert<br />

20


sich Gott in der Natur und im Menschen, unabhängig von seinem Geschlecht, ethnischer<br />

Zugehörigkeit oder sozialem Stand.<br />

Der Prophet Mohammed, Chadidscha, Aischa und Fatima<br />

Es gibt so gut wie keine unabhängigen zeitgenössischen Quellen zu Mohammeds Leben und<br />

Wirken. Wie auch bei Jesus ranken sich zahlreiche, zum Teil widersprüchliche Legenden und<br />

Erzählungen um seine Person. Mohammed wurde um 570 n. Chr. in Mekka geboren. In jungen<br />

Jahren soll er als Hirte, später als Karawanenführer und Angestellter der Kauffrau Chadidscha<br />

gearbeitet haben. Mit der 15 Jahre älteren Chadidscha war er 25 Jahre verheiratet. Nach ihrem<br />

Tode heiratete er neun Frauen (die Anzahl variiert je nach Quelle) und hatte zwei Sklavinnen als<br />

Nebenfrauen, unter anderem eine Christin. Im Alter von ungefähr 40 Jahren wurden ihm die<br />

ersten Offenbarungen Gottes zuerst in Träumen und Visionen, später mündlich überliefert. Er<br />

predigte gegen den Polytheismus und wurde als angefeindeter Prophet aus Mekka vertrieben.<br />

Nach seiner Übersiedlung nach Medina wurde Mohammed zum geachteten Führer der dortigen<br />

Gemeinde. Seine Feldzüge führten 630 n. Chr. zur Eroberung von Mekka und mündeten in die<br />

religiöse und politische Einigung der arabischen Stämme unter dem Islam. Nach dem Tod<br />

Mohammeds (um 632 n. Chr.) in Medina, trat Ali Bakr, sein langjähriger Freund und Vater seiner<br />

Ehefrau Aischa, seine Nachfolge an.<br />

Chadidscha, die erste Frau des Propheten, war eine wohlhabende Geschäftsfrau in hoher sozialer<br />

Stellung. Sie soll Mohammed die Ehe selbst angeboten haben. Mit ihrer Hilfe erlangte er<br />

finanzielle Unabhängigkeit und soziale Sicherheit. Nach den Hadithen ist sie die erste Person, die<br />

an seine Botschaften glaubte und ihn als Gründer einer neuen Religion unterstützte. Die<br />

islamische Geschichtsschreibung betrachtet sie daher als die erste Muslimin. Als Mutter und<br />

Vorbild aller Gläubigen wird sie hochverehrt. Chadidscha trägt den Beinamen "At-Tahira" (die<br />

Reine). Die Hadithe bezeichnen sie als entschlossene, edle und kluge Frau von vornehmer<br />

Abstammung. Die Berichte heben besonders ihre positiven Eigenschaften in ihrer Funktion als<br />

Ehefrau von Mohammed hervor. Sie erscheint als die mütterliche, beschützende Frau, die den<br />

Propheten mit ihrem Einfluss, ihrem Geld und ihrer Zuneigung unterstützte.<br />

Die spätere Ehefrau Mohammeds, Hafsa, bewahrte die erste Niederschrift des Koran auf, bis die<br />

Teile später zu einem Buch geordnet wurden. Aischa war die dritte Frau des Propheten und die<br />

Tochter seines engsten Freundes Abu Bakr. Der Prophet soll Aischa geheiratet haben, als sie<br />

neun Jahre alt war (ihr genaues Alter variiert je nach Quelle). Sie gilt als eine der gebildetsten<br />

21


Frauen der damaligen Zeit und als eine der wichtigsten Quellen für die Überlieferungen von<br />

Mohammeds Worten und Taten. Die Hadithe beschreiben Aischa als Gelehrte, Politikerin und<br />

Kriegerin, die an mehreren Schlachten Mohammeds beteiligt war. Nach seinem Tode bekämpfte<br />

sie den vierten Kalifen, Ali, den Cousin und Schwiegersohn Mohammeds. Als Lieblingsfrau des<br />

Propheten und Gegenspielerin Alis wird sie besonders von den Sunniten verehrt. Für sie stellt<br />

Aischa ein Vorbild an Frömmigkeit und eine religiöse Autorität dar.<br />

Fatima genießt als Tochter Mohammeds und Ehefrau des vierten Kalifen Ali großes Ansehen<br />

unter den Muslimen, insbesondere bei den Schiiten. Diese zählen sie zusammen mit Mohammed<br />

und den zwölf Imamen zu den „Vierzehn Unfehlbaren“. Hier sind Parallelen zu der christlichen<br />

Marienverehrung zu erkennen, da Fatima auch als „Jungfrau Fatima“ bezeichnet wird. Fatima<br />

war die einzige von Mohammeds Kindern, die männliche Nachkommen hatte und daher auch an<br />

den Streitigkeiten und Kämpfen um seine Nachfolge beteiligt war. Im Volksglauben spielt „die<br />

Hand der Fatima" oder „das Auge der Fatima“, als Abwehr gegen den bösen Blick eine wichtige<br />

Rolle. Dieses Amulett ist ein Schmuckstück in Form einer geöffneten Hand, manchmal auch mit<br />

einem Auge in der Mitte der Hand. Es soll an Fatima erinnern und symbolisiert Standhaftigkeit,<br />

Mut, Loyalität und auch Reue. Es kommt auch bei Juden häufig vor und heißt dort: die Hand der<br />

Schwester von Moses.<br />

Die Geschlechterordnung im Koran<br />

Die Lehre des Islam geht von zwei Geschlechtern aus: dem Mann und der Frau. Gegenüber Allah<br />

sind beide Geschlechter absolut gleichwertig, aber nicht<br />

gleichartig. In der gesellschaftlichen Realität vieler islamischer<br />

Länder herrscht jedoch Geschlechtertrennung, und die Frau<br />

wird als dem Mann untergeordnet angesehen. Aus der<br />

Verschiedenartigkeit der Geschlechter werden unter-<br />

schiedliche Stellungen und Aufgaben abgeleitet und mit<br />

Hinweis auf entsprechende Aussagen im Koran und in den<br />

Hadithe begründet. Daraus folgen der Ausschluss der Frauen<br />

von bestimmten religiösen und politischen Ämtern und<br />

andere Formen von Diskriminierung.<br />

22


Die Verbindung von Mann und Frau in Ehe und Familie gilt als Ideal, auch wenn die Ehe im<br />

Islam nur ein rechtlicher Vertrag ist und kein heiliger Bund. Der Koran und die Hathide sehen<br />

eine klare Aufgabenteilung für die zwei Geschlechter vor, die als gottgewollt und natürlich gilt.<br />

Der Mann ist für den Lebensunterhalt der Familie verantwortlich. Die Frau erfüllt ihre Pflichten<br />

als Ehefrau und ihre Aufgabe als Mutter. Der Koran begründet die Überordnung des Mannes<br />

über die Frau und gibt ihm das Recht, sie im Falle von Ungehorsam zu bestrafen: „Die Männer<br />

stehen den Frauen in Verantwortung vor, weil Allah die einen vor den anderen ausgezeichnet hat<br />

und weil sie von ihrem Vermögen hingeben. Darum sind tugendhafte Frauen die Gehorsamen<br />

und diejenigen, die (ihrer Gatten) Geheimnisse mit Allahs Hilfe wahren. Und jene, deren<br />

Widerspenstigkeit ihr befürchtet: ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie! Wenn sie<br />

euch dann gehorchen, so sucht gegen sie keine Ausrede...“ (Sure 4, Vers 34; Sure 2 Vers 228).<br />

Auf der anderen Seite ist die Ehe nach islamischem Verständnis eine Einrichtung zur<br />

gegenseitigen Unterstützung, denn „...die gläubigen Männer und Frauen sind einer des anderen<br />

Beschützer...“ (Sure 9, Vers 71). Die beiden Geschlechter sollen sich als Freunde und<br />

„Zwillingshälften“ (Sunan Dawud Abu, Hadith Nr. 226) in ihrer Verschiedenartigkeit ergänzen<br />

und sich mit Zuneigung und Achtung begegnen (Sure 30, Vers 21).<br />

Feministische Lesarten der Schriften<br />

Islamische Feministinnen, wie die Islamwissenschaftlerin Margot Badran, verweisen auf die bisher<br />

eher von männlichen Gelehrten übermittelten Lesarten und Traditionen und setzen sich für eine<br />

zeitgemäße, geschlechtsneutrale Auslegung der Schriften des Korans ein. Aus ihrer Sicht ist eine<br />

neue Interpretation des Koran die Basis für die von ihnen geforderte grundlegende Reformierung<br />

der Rechtsprechung (Scharia). Andere Autorinnen, wie die Soziologin<br />

Fatima Mernissi, verweisen auf die sich widersprechenden Aussagen in<br />

bezug auf die Geschlechterordnung, -beziehungen und -hierarchien im<br />

Koran und in den Hadithe. Sie bezweifelt die Glaubwürdigkeit der<br />

Überlieferer und die Echtheit ihrer Berichte. Die Theologin Riffat<br />

Hassan kritisiert die falsche Übersetzung und Interpretation bestimmter<br />

Koranstellen und nimmt Bezug auf den Schöpfungsmythos im Koran.<br />

Die traditionelle Übersetzung des Schöpfungsberichts lautet: „O ihr Menschen, fürchtet euren<br />

Herrn, der euch erschaffen hat aus einem einzigen Wesen; und aus ihm erschuf er seine Gattin...“<br />

(Sure 4, Vers 1). Nach der Auslegung und Übersetzung von Riffat Hassan erschuf Gott die<br />

Menschen (und nicht den Mann) als Partner und Partnerinnen aus „jener Ursubstanz“ (nafsun<br />

23


wahidatun) und nicht aus einem einzigen Wesen. Damit gleicht sie einigen jüdischen und<br />

christlichen Feministinnen.<br />

Weiterführende Informationen<br />

ZIF Zentrum für Islamische Frauenforschung und Frauenförderung<br />

http://www.zif-koeln.de/<br />

Huda -Netzwerk muslimischer Frauen e. V.<br />

http://www.huda.de/index2.php<br />

Renate Kreile „ Das Verhältnis der Geschlechter und seine Instrumentalisierung in: „Der<br />

Vordere Orient an der Schwelle zum 21. Jahrhundert“, Der Bürger im Staat, Ausgabe 3/1998:<br />

http://www.buergerimstaat.de/4_98/ueberlok.pdf<br />

Dossier zur Kopftuch-Debatte auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung<br />

http://www.bpb.de/themen/NNAABC,0,0,Konfliktstoff_Kopftuch.html<br />

Dossier zum Thema Feministischer Islam auf der Webseite des Internetportals Quantara<br />

http://www.qantara.de/webcom/show_article.php/_c-296/i.html<br />

Hawwa. Journal of Women in the Middle East and the Islamic World<br />

http://www.brill.nl/m_catalogue_sub6_id10263.htm<br />

Peripherie Schwerpunktthema “Gender und Islam“, in Heft 95, 2004<br />

http://www.zeitschrift-peripherie.de/<br />

24


1. Glaubensgrundsätze<br />

2. Schriften<br />

3. Ein Gott und viele Götter zugleich: Brahma, Vishnu und Shivas<br />

4. Vishnuismus und Shivaismus<br />

5. Die Verehrung der Göttin: Shaktismus<br />

6. Geschlechtswandlungen und das dritte Geschlecht<br />

Glaubensgrundsätze<br />

Hinduismus<br />

Den Hinduismus gibt es eigentlich gar nicht. „Hinduismus“ ist ein von westlichen<br />

Wissenschaftlern eingeführter Begriff, der nicht für eine konkrete Religion steht, sondern für eine<br />

Vielzahl von unterschiedlichen Hindu-Religionen. Entstanden ist er aus der Verschmelzung<br />

altindischer Glaubensvorstellungen mit der Religion der aus dem Norden eingewanderten Arier.<br />

Der Hinduismus umfasst zahlreiche religiöse Strömungen und Denksysteme, die zu<br />

verschiedenen Zeiten in den letzten zwei- bis drei Jahrtausenden auf dem indischen Kontinent<br />

entstanden sind. Die Hindus selbst nennen ihre religiöse Tradition auch „die ewige Ordnung“.<br />

Der Hinduismus wird oft als Polytheismus bezeichnet, weil eine große Zahl an Göttinnen und<br />

Göttern verehrt werden. Aber er kann auch als monotheistische Religion betrachtet werden, denn<br />

viele Hindus sehen in der Vielzahl der Götter und Göttinnen lediglich unterschiedliche Gesichter<br />

oder Erscheinungsformen des einen Gottes „Brahman“ oder des jeweiligen Hauptgottes oder der<br />

Hauptgöttin, die sie anbeten. Der Hinduismus geht nicht auf einen bestimmten Religionsgründer<br />

zurück. Es gibt auch kein gemeinsames für alle Gläubigen gültiges Glaubensbekenntnis. Die<br />

einzelnen Hindu-Religionen haben vielmehr unterschiedliche Gottheiten, Wege zur Erlösung von<br />

der Wiedergeburt, Kulte, Ursprünge, heilige Schriften, und diese sind in unterschiedlichen<br />

Sprachen aufgeschrieben (Sanskrit und diverse Volkssprachen).<br />

25


Aber es gibt Gemeinsamkeiten: fast alle Hindus glauben an einen Gott in irgendeiner<br />

persönlichen oder unpersönlichen Form. Sie gehen davon aus, dass Leben und Tod ein sich<br />

ständig wiederholender endloser Kreislauf (Samsara) sind, der Leiden mit sich bringt und aus<br />

dem der Mensch sich nicht aus eigenem Vermögen befreien kann. Die meisten Hindus glauben<br />

an die Reinkarnation, d.h. die Wanderung der Seele nach dem Tode und die Wiedergeburt in<br />

einer neuen Gestalt. Daraus folgt die große Bedeutung eines Gurus, geistlichen Lehrers oder<br />

„Seelenführers“ in den hinduistischen Religionen. Die Form, in der der Mensch wiedergeboren<br />

wird, ist abhängig von seinem Karma, d.h. bedingt durch Handlungen und Gedanken in seinem<br />

jeweiligen Leben. Der Mensch wird an einem ihm vorbestimmten Platz geboren und hat<br />

entsprechend diesem gesellschaftlichen Stand (und Geschlecht?) spezifische Pflichten und<br />

Rechte. In fast allen Strömungen des Hinduismus spielen Rituale eine wichtige Rolle. Die tägliche<br />

Ausübung dieser religiösen Zeremonien findet nicht nur in öffentlichen Tempeln statt, sondern<br />

vor allem im privaten Bereich: in Form von persönlichen Gebeten, Meditationen, Anbetung von<br />

Götterbildern und Opferungen von Naturprodukten. Hinzu kommt die Pilgerung zu heiligen<br />

Stätten und eine lebendige, ausgeprägte Kultur von religiösen Festen und Bestattungszeremonien.<br />

Eine weitere Gemeinsamkeit ist die Verehrung der Veden (altindische heilige Texte).<br />

Trotz aller Unterschiede können Hindus der verschiedenen religiösen Richtungen weitgehend<br />

gemeinsam feiern und beten; und innerhalb einer Familie werden manchmal mehrere Götter<br />

nebeneinander angebetet. Der Hinduismus verändert sich ständig: jedes Dorf und jeder<br />

Landstrich in Indien; Nepal; Bangladesh, Sri Lanka, Bali und anderen Ländern hat seine eigenen<br />

Lokal- oder Stammesgottheiten, die durch die Identifikation mit den Hauptgöttern in die<br />

jeweilige religiöse Richtung mitaufgenommen werden. In den Hindu-Religionen steckt daher eine<br />

stark integrierende Kraft, die sich durch „Einheit in der Vielfalt“ ausdrückt, und prinzipiell für<br />

Flexibilität und Toleranz gegenüber fremden Elementen und anderen Religionen steht.<br />

Schriften<br />

Die Vielfalt der Hindu-Religionen spiegelt sich ebenfalls in der Anzahl der Schriften wider. Eine<br />

für alle Gläubigen verbindliche Schrift, wie etwa die Bibel oder den Koran, gibt es nicht. Generell<br />

wird unterschieden zwischen den Shrutis (das von Weisen/Gott Gehörte oder von Sehern<br />

Geschaute) und den Smriti (das Erinnerte). Shrutis sind die heiligen und verbindlichen Schriften,<br />

Smritis gelten als von Menschen gemacht und übermitteln die Tradition. Zu den Shrutis gehören<br />

die Veden und die Upanishaden.<br />

26


Die vier Veden (Wissen) zählen zu den wichtigsten heiligen Schriften und kommen in ihrem<br />

Umfang einer enormen Enzyklopädie gleich. Sie sind zwischen 1.000-300 v.Chr. entstanden und<br />

bestehen aus religiösen Lobpreisungen, Formeln und Liedern sowie Anweisungen zur<br />

Durchführung und Interpretationen von (Opfer)Ritualen. Die Texte sind in Prosa- und Versform<br />

geschrieben, galten früher als geheim und stellen eine Art „Priesterhandbuch“ dar. In den<br />

Gesängen wurden die göttlichen Kräfte gepriesen und in ihnen liegen auch die Wurzeln der<br />

heutigen indisch-klassischen Musik. Wie im Islam, so ist auch im Hinduismus die wortwörtliche<br />

Rezitation sehr wichtig. Die Veden wurden mündlich von Priestern zu Schülern weitergegeben<br />

und erst um das 5. Jahrhundert n.Chr. niedergeschrieben. Zum Teil gehen ihre Namen auf die<br />

angeblichen Verfasser zurück, diese sind aber nicht historisch belegt. Einerseits verboten einige<br />

Gesetzgeber Frauen das Lesen der Veden, auf der anderen Seite sollen einige Hymnen, zum<br />

Beispiel in der Rigveda, von Frauen geschrieben worden sein.<br />

Die Upanischaden (Geheimlehren) entstanden zwischen 700-200 v.Chr. und bestehen aus<br />

insgesamt 108 Büchern. Die Texte erklären und erläutern die Veden. Darüber hinaus nehmen sie<br />

in Form von philosophischen Abhandlungen zu den zentralen Lehren der Hindu-Religionen<br />

Stellung und geben religiöse Ratschläge und Empfehlungen. Die Upanischaden wurden bisher<br />

immer männlichen Verfassern zugeordnet. Erst in diesem Jahrhundert wurden die Manuskripte<br />

der Autorin Tirukkoneri Dasyai entdeckt, die im 15. Jahrhundert entstanden sind.<br />

Zur zweiten Gruppe der Schriften, den Smritis, gehören die beiden<br />

umfangreichen Helden-Epen Mahabharata und Ramayana. Sie<br />

bilden den Kern der religiösen Hindu-Literatur, aber sie erheben<br />

keinen Anspruch auf Übermittlung der absoluten Wahrheit. Die<br />

vielfältigen Mythen, Legenden und Philosophien der Hindu-<br />

Religionen werden hier in Form von Erzählungen wiedergegeben.<br />

Diese Geschichten sind in Indien bis heute sehr populär. Sie<br />

werden nicht nur auf religiösen Festen vorgelesen und haben die<br />

Malerei und Bildhauerei inspiriert sondern dienen auch als Vorlage<br />

für Kinofilme und Comics. Das Mahabharata wurde wahrscheinlich zwischen 400 v.Chr. und 400<br />

n.Chr. niedergeschrieben, geht aber auf ältere Überlieferungen zurück. Es umfasst etwa 100.000<br />

Doppelverse. Die Bhagavad Gita (Der Gesang des Erhabenen) ist Teil dieses Epos und gilt als<br />

das bedeutendste und bekannteste Werk der Hindu-Literatur. In Form eines<br />

religionsphilosophischen Gedichts erzählt es die Geschichte vom großen Krieger Arjuna und<br />

dem Gott Krishna. Der Weise Vyasa aus der indischen Mythologie wird als der Autor der<br />

Bhagavad Gita angenommen.<br />

27


Ein Gott und viele Götter zugleich: Brahma, Vishnu und Shivas<br />

Zur Zeit der Entstehung der Veden repräsentierten die Götter die Naturkräfte. Erst mit den<br />

späteren Schriften der Upanischaden entstanden die zentralen hinduistischen<br />

Glaubensvorstellungen von Erlösung, Widergeburt und der Alleinheitslehre. Diese Lehre von der<br />

Alleinheit verkörpert eine monotheistische Richtung des Hinduismus. In ihr repräsentiert<br />

Brahman das unpersönlich vorgestellte höchste Sein, das nicht nur in der Seele jedes Lebewesens<br />

enthalten ist (Atman), sondern die Seele des ganzen Kosmos darstellt (Brahman). Brahman ist<br />

das höchste Göttliche, ohne (körperliche) Form und daher nicht abbildbar. Es kann auch nicht<br />

angebetet werden, da es ja den Anbetenden mit einschließt.<br />

Daneben gibt es eine hinduistische Richtung, die Parallelen zur<br />

Dreifaltigkeit im Christentum aufweist und auch als hinduistische<br />

Trinität bezeichnet wird. Brahman (All-Eine) wird in der Dreigestalt<br />

von Brahma (nicht zu verwechseln mit Brahman) dem Schöpfer,<br />

Vishnu dem Erhalter und Shiva dem Zerstörer repräsentiert. Alle drei<br />

Götter sind unterschiedliche Erscheinungsformen des einen höchsten<br />

Wesens und seiner drei Aspekte bzw. Funktionen. Diese Dreigestalt<br />

wird entweder in einer einzigen Figur mit drei Köpfen und sechs<br />

Armen dargestellt oder als drei einzelne Gottheiten. Jedem Gott wird<br />

eine Göttin als Ehefrau zur Seite gestellt. Saraswati, die Ehefrau von Brahma, ist die Göttin der<br />

Wissenschaft, Weisheit, Poesie und Musik. Die Göttin Lakshmi und Ehefrau von Vishnu steht<br />

für Glück, Schönheit und Reichtum. Parvati, die weibliche Seite Shivas, ist die Göttin der<br />

Schönheit, des Glanzes und der Heiterkeit.<br />

Zeichnungen, Statuen und Gemälde zeigen den Gott Brahma als älteren, bärtigen Mann mit vier<br />

Gesichtern, die in alle Himmelsrichtungen zeigen, und mit vier Armen. Als eigenständige<br />

Gottheit wird er im heutigen Indien nur noch in seiner Funktion als Offenbarer der Veden<br />

verehrt. Die Strömung innerhalb des Hinduismus, die Brahma als den einen Gott anbetete, ist<br />

praktisch so gut wie nicht mehr anzutreffen. Die beiden Götter Vishnu und Shiva sind nicht nur<br />

Teil der hinduistischen Dreigestalt, die das höchste Wesen Brahman repräsentiert. Der Glaube<br />

entweder an Shiva oder Vishnu als eigenständige Hauptgottheit steht auch für die Aufteilung in<br />

zwei wichtige Glaubensrichtungen innerhalb des Hinduismus: Vishnuismus und Shivaismus.<br />

Zeitlich fällt diese Aufspaltung in die zwei Hauptströmungen mit dem Ende der Upanischaden-<br />

Zeit und der Niederschrift der beiden bedeutenden Helden-Epen zusammen.<br />

28


Vishnuismus und Shivaismus<br />

Im Vishnuismus spielt die Hingabe an einen persönlichen Gott<br />

meist eine größere Rolle als im Shivaismus. Die Gründe dafür<br />

liegen vielleicht in der weitgehend positiven Darstellung des<br />

angebeteten Gottes. Vishnu erscheint auf den Abbildungen oft<br />

als strahlender, jugendlicher Gott mit vier Armen, die eine<br />

Diskusscheibe, Keule, Muschel oder Lotusblüte halten. Eine<br />

andere Darstellung zeigt ihn schlafend auf den Windungen einer<br />

(Ur)Schlange. Die Anhänger des Vishnuismus verehren ihn als<br />

den Gott der Liebe und Gnade, der zum Menschen wird, um die<br />

Menschheit zu retten und die Weltordnung wiederherzustellen. Dabei inkarniert er sich in<br />

vielfältiger Gestalt als Mensch oder Tier und unter verschiedenen Namen. Dennoch verstehen<br />

sich viele seiner Anhänger als Monotheisten, denn sie verehren nur die unterschiedlichen Formen<br />

und Aspekte des einen Gottes Vishnu. Schon in den Veden findet sein Name Erwähnung. In<br />

seiner Reinkarnation als Krishna und Rama ist er der Held in vielen Legenden der beiden großen<br />

Hindu-Epen, Mahabharata und Ramayana. Insbesondere die Bhagavad Gita repräsentiert in der<br />

Geschichte von Arjuna und Krishna ein Modell vischnuitischen Hindu-Denkens.<br />

In der Figur des Gottes Shiva sind, wie bei Vishnu, verschiedene<br />

regionale Götter zu einer Einheit verschmolzen. Shiva erscheint in<br />

seiner unberechenbaren Doppelnatur sowohl als grausamer<br />

Zerstörer als auch als Erneuerer. In dieser Funktion symbolisiert er<br />

den hinduistischen Glauben an Reinkarnation. Auf Abbildungen tritt<br />

er in den Rollen des Herrschers mit Dreizack und Axt, des Asketen<br />

in meditativer Versenkung oder als vierarmiger Tänzer auf. Er ist<br />

sowohl der belohnende als auch der strafende Gott und wird oft mit<br />

einem um die Taille gewickelten Tigerfell und mit Schlangen um den Hals dargestellt. Shiva ist<br />

der Gott der Geschlechtlichkeit und wird nicht figürlich verehrt, sondern in seinem Symbol, dem<br />

Phallus. Zeichnungen und Gemälde zeigen ihn oft mit seiner Gattin Parvati zusammen in inniger<br />

Umarmung oder beim Geschlechtsakt. Die berühmte Skulptur in den Elephanta-Höhlen in der<br />

Nähe von Bombay bildet ihn als zweigeschlechtliche Gottheit ab, halb Mann, halb Frau, mit nur<br />

einer Brust. Als ambivalenter Gott besitzt Shiva einen weiblichen Aspekt, der als seine shakti<br />

(Energie) verehrt wird und in der Mythologie von seiner Gattin Parvati verkörpert wird.<br />

29


Die Verehrung der Göttin: Shaktismus<br />

Der Shaktismus entwickelte sich zwischen dem 4. und 7. Jahrhundert; seine Ursprünge gehen aber<br />

schon auf die Veden zurück. Er spielt heute besonders in den ländlichen Gegenden Indiens eine<br />

große Rolle und bildet die dritte Hauptströmung innerhalb der Hindu-Religionen. In jedem<br />

hinduistischen Kult gibt es weibliche Gottheiten. Die Abgrenzung zu diesen Kulten liegt darin,<br />

dass im Shaktismus eine oder mehrere Göttinnen als Energien aufgefasst oder als eigenständige<br />

höchste Gottheit verehrt werden. Seine Anhänger sehen in der Shakti (Energie) die aktive<br />

weiblichen Kraft, die den Ursprung allen Lebens darstellt. Die Götter (Brahma, Vishnu und<br />

Shiva) werden als reiner passiver Geist angesehen, der erst durch die aktive Kraft der Shakti<br />

wirksam wird. Nach dieser Sichtweise verkörpert die Shakti den weiblichen Aspekt in Gestalt der<br />

Göttinnen Saraswati, Lakshmi und Paravati. In einigen Regionen Indiens, wie zum Beispiel in<br />

Bengalen, wo der vorarische Muttergöttinnenkult besonders ausgeprägt war, wird die Göttin<br />

(Devi) als Höchste Gottheit verehrt. Auch sie erscheint in ihren Funktionen als Schöpferin,<br />

Bewahrerin und Vernichterin. Sie wird sowohl in ihren gütigen, mütterlichen Aspekten als auch<br />

in ihren grausamen oder erotischen Formen verehrt und taucht in den verschiedensten Gestalten<br />

und unter unterschiedlichen Namen auf. Als Kali mit herausgestreckter,<br />

blutiger Zunge und Stoßzähnen, behängt mit einer Kette aus<br />

Totenschädeln und bekleidet mit einem Gürtel aus abgeschlagenen<br />

Händen, ist sie oft von dunkler Hautfarbe und nackt. Eine andere<br />

Darstellung zeigt sie als junge Frau, die auf dem hingestreckt liegenden<br />

Körper von Shiva steht. Als Waffen schwingende Kriegerin Durga reitet<br />

sie auf einem Löwen und tötet Dämonen. In ihren liebenden und erotischen Anteilen sieht man<br />

sie in ihrer Funktion als Ehefrau und Sexualpartnerin der Götter<br />

Brahma, Vishnu und Shiva. Viele Abbildungen zeigen sie Hand in<br />

Hand mit ihrem Ehemann, auf seinen Knien sitzend oder seine Füße<br />

streichelnd. Auch in dem berühmten Hindu-Epos Ramayana, das die<br />

Liebesgeschichte vom Gott Rama und seiner Ehefrau, der<br />

Königstochter Sita erzählt, wird das Bild einer treuen,<br />

Ungerechtigkeiten erduldenden Gattin entworfen. Gegen dieses Bild<br />

haben vor allem indische Feministinnen wie Madhu Purnima Kishwar, die Gründerin der<br />

Zeitschrift Manushi, rebelliert.<br />

30


Geschlechtswandlungen und das dritte Geschlecht<br />

Die Götter und Göttinnen im Hinduismus erscheinen zum Teil in androgynen und mehrdeutigen<br />

Gestalten. In ihren unterschiedlichen Formen und unter verschiedenen Namen treten sie in oft<br />

gegensätzlichen und widersprüchlichen Funktionen und Rollen auf. Auch die Grenzen zwischen<br />

den Geschlechtern wirken eher fließend und sind durch spielerische Übergänge geprägt. Die<br />

indische Mythologie ist voll von Beispielen für Geschlechtswandlungen, gleichgeschlechtliche<br />

Sexualität und Ideen von einem dritten Geschlecht. In der Welt der Götter verwandelt sich der<br />

männliche Krishna oder der Gott Vishnu manchmal in eine Frau und nennt sich dann Mohini.<br />

Der Gott Shiva wird erst durch die Verbindung mit dem männlichen Feuergott Agni zur<br />

Zeugung von Nachkommen fähig. Die Götter Vishnu und Shiva vereinigen sich zu der Gottheit<br />

Harihara, die aus zwei verschiedenen männlichen Hälften besteht. Kama, der Gott der Liebe,<br />

schießt Pfeile auf zwei Frauen ab, die sich anschließend ineinander verlieben. Und ein<br />

bengalisches Epos erzählt die Geschichte zweier Frauen, die zusammen den Hindu-König<br />

Bhagiratha zeugen und gebären.<br />

Der Indologe und Religionswissenschaftler Thomas Gugler weist auf die Vorstellung von einem<br />

dritten Geschlecht hin, die in Indien schon zur Zeit der Entstehung der Veden existierte. So<br />

berichteten die Veden in ihren Ritualtexten von „klibas“ oder „napumsakas“(Nichtmännchen),<br />

die als unmännliche schwache Männer, mit langen Haaren und „weibischen“ Eigenschaften, wie<br />

Geschwätzigkeit, beschrieben werden. Laut Gugler gehen auch die drei Artikel der deutschen<br />

Sprache auf Grundlagen der Sanskrit-Grammatik zurück, während die semitischen Sprachen kein<br />

grammatikalisches drittes Geschlecht kennen.<br />

Auch Hijras, wie Transsexuelle im heutigen<br />

Indien genannt werden, repräsentieren das<br />

dritte Geschlecht. Sie sind körperlich<br />

größtenteils „Männer“, die sich in der Regel als<br />

Frauen kleiden und keine eindeutig weibliche<br />

oder männliche Geschlechtsidentität haben. Die<br />

Hijras leben in eigenen Gemeinschaften und<br />

verdienen ihren Lebensunterhalt traditionell durch religiöse Tänze und Zeremonien bei<br />

Hauseinweihungen, Hochzeiten oder nach der Geburt eines Sohnes. Obwohl sich einige von<br />

ihnen zum Islam, <strong>Buddhismus</strong>, hinduistischen Richtungen oder dem Christentum bekennen,<br />

verstehen sich alle als Anhängerinnen der Göttin „Bahuchara Mata“. Auf der einen Seite stehen<br />

die Hijras außerhalb der gesellschaftlichen Norm und Ordnung, andererseits sind sie aber keine<br />

31


Außenseiter, sondern haben eine religiöse Funktion als Vermittler zwischen den Göttern und den<br />

Menschen.<br />

Nach Auffassung der Ethnologin und Religionswissenschaftlerin Lidia Guzy gibt es in Indien<br />

noch eine andere Gruppe von Menschen, die gewissermaßen das dritte Geschlecht darstellen: die<br />

Asketen. Die Asketen der religiösen Gruppe Mahima Dharma in der ostindischen Provinz Orissa<br />

sagen, dass sie durch das Zölibat und die Disziplinen der Askese die Kraft der Göttin Shakti in<br />

sich tragen. Laut Guzy bündeln sie die weiblichen und männlichen Schöpfungskräfte und<br />

verwandeln sie in ein neues Geschlecht. Für ihre Anhänger sind sie Mutter und Vater zugleich.<br />

Sie sind androgyn und damit, in der hinduistischen Vorstellungswelt, dem Göttlichen nah. Dies<br />

zeige sich auch in ihrer körperlichen Erscheinung: trotz ihres athletischen Oberkörpers haben die<br />

Asketen in der Regel einen sehr rundlichen Bauch, der dem schwangeren Bauch einer Frau<br />

ähnelt, und erscheinen durch das Tragen ihrer langen Haare als „weiblich“.<br />

Weiterführende Informationen<br />

Alois Payer - Materialien zur Religionswissenschaft<br />

http://www.payer.de/hinduismus/hindu01.htm<br />

Südasien Info - das Informationsportal zu Südasien (Unter den Schlagwörtern Hinduismus,<br />

Queer, Sexualität und Gender finden sich zahlreiche Artikel zum Download)<br />

http://www.suedasien.info/keywords/Hinduismus/ und keywords/Hindu-Nationalism/<br />

Amritsa Basu: Feminism Inverted: The Real Women and Gendered Imagery of Hindu<br />

Nationalism, in: Bulletin of Concerned Asian Scholars, Vol. 25, 1993<br />

http://www.questia.com/PM.qst?a=o&d=97784708<br />

32


1. Glaubengrundsätze<br />

2. Die drei Körbe und der Sanskrit-Kanon<br />

3. Theravada- und Mahayana<br />

4. Tara und die Dakinis – der Tibetische <strong>Buddhismus</strong><br />

5. Siddhartha Gautama – der historische Buddha<br />

6. <strong>Buddhismus</strong> und Gender<br />

Glaubengrundsätze<br />

<strong>Buddhismus</strong><br />

Der <strong>Buddhismus</strong> ist eine Religion, die heute nahezu in ganz Asien vertreten ist, und seit den 60er<br />

Jahren auch in westlichen Ländern großen Anklang findet. Seine Gründung geht auf Siddhartha<br />

Gautama, den historischen Buddha, zurück, der im 6. Jh. v. Chr. in Nordindien lebte. Der<br />

<strong>Buddhismus</strong> entstand in der Umgebung der Hindu-Religionen und teilt mit diesen, mit geringen<br />

Abweichungen, die Glaubensvorstellungen von Wiedergeburt und Karma. Er stellt aber auch<br />

eine Reformbewegung dar, die sich gegen die Macht der Brahmanen (Priester) im Kastensystem<br />

der hinduistischen Gesellschaften richtete. Aus buddhistischer Sicht ist das Leben der Menschen<br />

durch Leid (Alter, Krankheit, Tod), Vergänglichkeit, und Begierde gekennzeichnet. Wie die<br />

Hindu-Religionen so hat auch der <strong>Buddhismus</strong> das Ziel, dem fortlaufenden leidvollen Kreislauf<br />

von Leben, Tod und Wiedergeburt zu entkommen und einen Zustand der „Erleuchtung“<br />

(Bodhi) zu erreichen, der zum Nirvana führt (Wunsch nach Leben, aber auch nach Tod, erlischt).<br />

Buddha sah sich nicht als Überbringer einer göttlichen Offenbarung, sondern einer Erkenntnis,<br />

die jedem Menschen zugänglich ist. Seine Lehre ist eine Art Philosophie, die die Ursachen des<br />

menschlichen Leids ergründet und Wege zu seiner Überwindung aufzeigt. Die daraus gewonnene<br />

Einsicht soll in Verbindung mit der regelmäßigen Praxis bestimmter Methoden und Techniken<br />

(z. B. Meditation), durch ethisches Verhalten und durch Entwicklung bestimmter Tugenden, wie<br />

Mitgefühl, Weisheit und Selbstlosigkeit, zur Erleuchtung führen. Die drei Zufluchten des<br />

33


Buddhisten sind das Bekenntnis zu Buddha, seiner Lehre und zu einem Leben in der<br />

Gemeinschaft (Orden). Den Kern dieser Lehre bilden die Vier Edlen Wahrheiten, die den<br />

gemeinsamen Nenner aller buddhistischen Richtungen bzw. Schulen darstellen. Die erste<br />

Wahrheit stellt die Diagnose, die zweite benennt die Ursachen, die dritte Wahrheit formuliert<br />

Auswege und die vierte Wahrheit beschreibt den praktischen Weg, der zur Überwindung des<br />

Leidens führt. Dieser Weg wird als achtfacher Pfad beschrieben und beinhaltet Anweisungen zu<br />

„rechter Ansicht, rechtem Denken, rechter Rede und Handlung, rechtem Lebenserwerb, rechter<br />

Anstrengung, Achtsamkeit und Konzentration“.<br />

Von den anderen vier Weltreligionen unterscheidet sich der <strong>Buddhismus</strong> vor allen Dingen<br />

dadurch, dass er weder einen allmächtigen, ewigen Gott noch eine unsterbliche Seele kennt. Er<br />

gibt keinen Trost in irgendeiner Vorstellung von einem Paradies oder Himmel nach dem Tode.<br />

Der <strong>Buddhismus</strong> betont die Vergänglichkeit des Lebens und die Selbstverantwortung des<br />

Menschen. Er warnt vor Autoritätsgläubigkeit und mahnt zur Skepsis gegenüber Schriften,<br />

feststehenden Lehren und Vorstellungen. Zudem gilt er als außergewöhnlich tolerante Religion,<br />

in deren Namen keine Kriege geführt wurden, und die es Mönchen oder Nonnen<br />

unterschiedlicher buddhistischer Richtungen ermöglicht, in einem Kloster zusammenzuleben.<br />

Die drei Körbe und der Sanskrit-Kanon<br />

Die heilige Schrift des <strong>Buddhismus</strong>, Pali-Kanon oder Tripitaka<br />

genannt, entstand im 1. Jh. v. Chr. und geht im Gegensatz zu<br />

anderen Religionen nicht auf eine göttliche Überlieferung zurück.<br />

Diese Texte werden von den Anhängern des streng traditionellen<br />

Theravada-<strong>Buddhismus</strong> als die einzig gültige und verbindliche<br />

Schrift angesehen. Da Buddha keine schriftliche Lehre hinterlassen<br />

hatte, wurden seine Reden in vier verschiedenen Konzilien, d.h.<br />

Versammlungen von Mönchen und Nonnen, zusammengetragen<br />

und mündlich überliefert. Für die Mehrzahl der westlichen<br />

Forscher ist die erste Niederschrift des Pali-Kanons nicht das Originaldokument, sondern sie<br />

vermuten, dass eine verlorengegangene ursprüngliche Fassung in Buddhas eigener Sprache<br />

existiert hat. Der Pali-Kanon gliedert sich in drei Bereiche oder „Körbe“ (die Texte wurden auf<br />

Palmblättern geschrieben und in drei Körben aufbewahrt): Ordensregeln, die Lehrreden Buddhas<br />

und philosophische Kommentare. Der zweite Korb enthält auch die Verse der Nonnen und<br />

Mönche und die Lieder der Nonnen. Der Gelehrte Buddhaghosa (5. Jh. n. Chr.) gilt als einer der<br />

bedeutendsten Kommentatoren. Einige Kommentare der frühen Theravada-Literatur schüren die<br />

34


Furcht vor der Macht und Anziehungskraft der Frauen und bezeichnen sie als Grundlage allen<br />

Übels, als Ausdruck der Welt der Begierde und als Hindernis auf dem Weg zur Erleuchtung.<br />

Diese Aussagen müssen in Zusammenhang mit der Bedeutung der Ordenstradition gesehen<br />

werden, die auf dem Keuschheitsgelübde der Mönche basierte. Es stellt sich die Frage, ob diese<br />

Äußerungen von Buddha selbst stammen, ihm untergeschoben wurden oder an die Mönche<br />

gerichtet waren, die keine sexuellen Beziehungen und familiären Bindungen eingehen sollten.<br />

Über den Pali-Kanon hinaus gibt es eine gewaltige Sammlung an Schriften späteren Datums, der<br />

Sanskrit-Kanon genannt wird. Ein großer Teil dieser Originaltexte galt als verschwunden, nur die<br />

Übersetzungen ins Tibetanische und Chinesische blieben erhalten. Erst Mitte des 20.<br />

Jahrhunderts entdeckten westliche Forscher Teile der Original-Schriften in einer Höhle in<br />

Zentralasien. Diese Texte enthalten Legenden, Gedichte und Meditationsübungen und geben<br />

einen großen Teil der buddhistischen Philosophie und Psychologie wieder. Der Sanskrit-Kanon<br />

ist in einzelne Sutren (Leitfäden) unterteilt. Diese unterschiedlichen Sutren bilden die Grundlage<br />

für die verschiedenen Richtungen des Mahayana-<strong>Buddhismus</strong>, so steht zum Beispiel das<br />

Diamant-Sutra für den Zen-<strong>Buddhismus</strong>. In einigen Sutren spricht anstelle des Buddhas auch ein<br />

erleuchteter Mensch, z. B. die Königin Shrimala oder ein Laie (Nicht-Mönch), der Haushälter<br />

Vimalakirti. Für die Mahayana-Schulen stellt der Sanskrit-Kanon eine historische<br />

Weiterentwicklung der Schriften dar. Sie behaupten aber auch, dass ihre Lehre, die später<br />

entstand, von denjenigen Schülern Buddhas stammt, die ihm am nächsten gestanden haben. Aus<br />

der Sicht westlicher Wissenschaftler stellt der Pali-Kanon die authentischere Lehre Buddhas dar.<br />

Theravada- und Mahayana<br />

Der <strong>Buddhismus</strong> zeigte schon bald nach Buddhas Tod verschiedene Schwerpunkte,<br />

Ausprägungen und erste Abspaltungen. Im Laufe der Jahrhunderte verbreitete er sich in<br />

unterschiedlichsten Ländern und Kulturen und veränderte sich durch die Anpassung an die<br />

jeweiligen lokalen Gegebenheiten. Die buddhistischen Traditionen lassen sich grob in Theravada<br />

(Alter Weg, manchmal auch als Hinayana bezeichnet) und Mahayana (Großer Weg) einteilen.<br />

Den Theravada-<strong>Buddhismus</strong> kann man auf Ceylon, in Burma, Sri-Lanka, Thailand, Laos,<br />

Kambodscha und allgemein in Südasien finden.<br />

Im Theravada genießt das Mönchstum eine bevorzugte Stellung und nur ein Mönch kann den<br />

Zustand der Erleuchtung erreichen. Der <strong>Buddhismus</strong> ist hier vor allem eine Ordensreligion, und<br />

das Zusammenspiel zwischen Mönchen bzw. Nonnen und den Laien ist durch gegenseitige<br />

Abhängigkeit geprägt. Die Laien unterstützen die Klöster materiell und erwerben dadurch<br />

religiöse Verdienste, die sogar vererbt werden können. Die Mönche und Nonnen sind auf die<br />

35


Essensspenden der Laien angewiesen und lesen im Gegenzug dazu aus den heiligen Schriften<br />

vor. Das Theravada versteht sich als die einzig überlebende Schule des Ur-<strong>Buddhismus</strong> und als<br />

Bewahrer der zeitlosen, direkt von Buddha überlieferten Worte. Die Betonung liegt auf der<br />

Kontrolle des Geistes und auf dem Vermeiden von Leid. Das Ziel ist die Erlösung des Einzelnen<br />

und der völlige Rückzug von dieser Welt der Erscheinungen.<br />

Die Richtungen des Mahayana sind besonders in Nepal, Nordindien, Tibet, Japan, Bhutan,<br />

Taiwan, China, der Mongolei und teilweise auch in Indonesien präsent. Im Mahayana sind<br />

Mönche und Laien eher gleichgestellt, und beide haben eine Chance auf Erlösung im Nirvana.<br />

Die Sutras sprechen von einer „Buddha-Natur“, die in jedem<br />

Wesen steckt, egal ob Mönch, Laie, Frau oder Mann, und die eine<br />

größere Bedeutung erhält als der historische Buddha. Im täglichen<br />

Leben liegt der Schwerpunkt auf dem Vermeiden von Zorn und<br />

der Entwicklung von Mitgefühl. Der Kern der Lehre ist die<br />

Philosophie der selbstlosen Barmherzigkeit. Das menschliche<br />

Ideal ist der Erleuchtete (Bodhisattva), der schon zum Buddha<br />

geworden ist, aber auf das Nirvana verzichtet und aus Mitgefühl in<br />

die Welt zurückkehrt, um anderen Menschen auf dem Weg zur<br />

Erleuchtung beizustehen. Daraus resultiert die große Bedeutung der Rolle des Lehrers (Guru)<br />

und des Meister-Schüler-Verhältnisses im Mahayana-<strong>Buddhismus</strong>. Das Prinzip der<br />

Barmherzigkeit weist eine Parallele zum Christentum und der Lehre von Jesus im Neuen<br />

Testament auf.<br />

Die Lehre von Anatta gilt als die wichtigste Lehre in allen buddhistischer Richtungen und wird<br />

auch mit dem Prinzip der “Leerheit“ umschrieben. Dieser Gedanke spielt auch bei der<br />

Betrachtung der Geschlechterordnung, -hierarchien und -beziehungen im <strong>Buddhismus</strong> eine große<br />

Rolle. Leerheit bedeutet, dass es kein beständiges Ich mit wesensmäßigen, naturhaften<br />

Eigenschaften gibt, sondern nur Erscheinungen, die sich wandeln und voneinander abhängen.<br />

Das „Weibliche“ hat demnach kein eigene Wirklichkeit, so wenig wie das „Männliche“. Es gibt<br />

nur eine Ansammlung von sich konstant verändernden, physischen und psychischen<br />

Bestandteilen. Das Ziel der buddhistischen Lehre ist, sich von der Vorstellung eines festen Selbst<br />

zu lösen bzw. die Anhaftung daran loszulassen.<br />

36


Tara und die Dakinis – der Tibetische <strong>Buddhismus</strong><br />

Der Tibetische <strong>Buddhismus</strong> (Diamantweg) ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene Schulen,<br />

die nicht nur in Tibet, sondern auch in Bhutan, Nepal, Indien, Japan, China und der Mongolei<br />

verbreitet sind. Er beruht auf den philosophischen Grundlagen des Mahayana, ergänzt diese aber<br />

um bestimmte Rituale, wie das Rezitieren von bestimmten Wortfolgen (Mantras) oder<br />

Körperpraktiken, wie z. B. Joga.<br />

In der Mahayana-Tradition gibt es die Vorstellung, dass jeder Bodhisattva, d. h. Erleuchtete eine<br />

Erscheinungsform von Buddha darstellt. Es wird behauptet, dass der <strong>Buddhismus</strong> keine Götter<br />

kenne, doch das stimmt nur bedingt. Die ursprünglichen Bon-Gottheiten im alten Tibet wurden<br />

in den <strong>Buddhismus</strong> integriert und verwandelten sich in männliche oder weibliche Bodhisattvas,<br />

die nun verschiedene Aspekte von Buddha darstellen. Das „weibliche Prinzip“ wird durch<br />

sogenannte weibliche Buddhas, Erleuchtete, Göttinnen oder Dakinis repräsentiert. Ein Beispiel<br />

dafür ist die Göttin Prajnaparamita, die „Vervollkommnung der Weisheit“, die als „Mutter aller<br />

Buddhas“ mit vollen Brüsten abgebildet wird.<br />

Das Sutra „der goldene Rosenkranz“ erzählt die Geschichte der<br />

Prinzessin Mond der Weisheit, die sich tagtäglich in den<br />

buddhistischen Disziplinen übte. Als ihr die Mönche den Rat gaben,<br />

ihre Kräfte einzusetzen, um in ihrem nächsten Leben als Mann<br />

wiedergeboren zu werden, lehnte sie sich gegen sie auf und sagte: „Es<br />

gibt hier keinen Mann, es gibt keine Frau, kein Selbst, keine Person<br />

und kein Bewusstsein. Die Bezeichnung „Mann“ oder „Frau“ hat<br />

keine Essenz, sondern führt die verblendete Welt irre“. Diese<br />

Aussage muss in Zusammenhang mit der buddhistischen Philosophie<br />

der Leerheit interpretiert werden. Die Legende erzählt weiter, dass sie später erleuchtet wurde,<br />

ihren Namen änderte und zu Tara der Schutzgöttin Tibets wurde. Tara ist die wichtigste<br />

buddhistische Göttin, und ihre frühesten Darstellungen fallen in das 6.<br />

Jh. n. Chr.. Sie wird in verschiedenen Farben dargestellt: als rote, gelbe<br />

und blaue Tara verkörpert sie die grausamen und zerstörerischen<br />

Aspekte der Göttin. Als weiße und grüne Tara erscheint sie in der<br />

Rolle der Mutter, Retterin, Beschützerin und symbolisiert Mitgefühl<br />

und Barmherzigkeit. In China wird sie unter dem Namen Kwan-yin<br />

verehrt, und in Japan wird sie Kwannon genannt.<br />

Wie die Shakti im Hinduismus, so gibt es auch im <strong>Buddhismus</strong> eine<br />

Form der weiblichen Energie, die hier Dakini genannt wird. Dakinis<br />

37


stellen aber auch eine Verkörperung der Tara und anderer buddhistischer Göttinnen dar. Sie sind<br />

Luftwesen (Himmels-Tänzerinnen), körperlos und unsterblich, mit sehr wechselhaftem, wildem<br />

Temperament. Die Darstellungen zeigen sie in verschiedenen Hautfarben als junge, nackte Frau<br />

mit struppigen langen Haaren, die mit wutverzerrtem Gesicht auf einen am Boden liegenden<br />

Körper herumtrampelt. Andere Abbildungen präsentieren sie, wie die Kali im Hinduismus, mit<br />

Hackmesser, blutgefüllter Schädelschale oder mit einer Krone aus menschlichen Schädeln. Die<br />

Dakinis symbolisieren die Weisheit und erscheinen den praktizierenden Buddhisten, um sie zu<br />

prüfen. Viele große Meisterinnen der religiösen Lehre, wie zum Beispiel Machig Labdrön oder<br />

Niguma, werden als Verkörperung der Dakinis betrachtet.<br />

Siddhartha Gautama – der historische Buddha<br />

Die Daten zum historischen Buddha sind umstritten. Laut Überlieferung wurde Siddhartha<br />

Gautama, als Sohn des Fürsten Shuddhodana und seiner Ehefrau Maya um 563 v. Chr. in<br />

Limbini geboren. Neue historische Theorien gehen teilweise davon aus, dass er bis zu 150 Jahre<br />

später gelebt hat. Siddhartha führte ein luxuriöses Leben, heiratete und bekam einen Sohn. Im<br />

Alter von 29 Jahren gewann er durch die Begegnung mit einem Alten, einem Kranken und einem<br />

Toten Einsicht in das Leid der Menschheit und die Vergänglichkeit des Lebens. Bald darauf<br />

verließ er seinen neugeborenen Sohn, seine Ehefrau und seine Familie und zog als Wanderasket<br />

durch das Tal des Ganges. Nach sechs Jahren des religiösen Studiums und der Meditation<br />

ereichte er mit 35 Jahren die vollkommene Erleuchtung unter dem Baum der Weisheit (bodhi).<br />

Wie Jesus im Christentum so hielt auch Siddhartha seine Lehrreden vor sozial Ausgegrenzten,<br />

wie zum Beispiel Prostituierten und Angehörigen der untersten Kasten. Aus der Gemeinschaft<br />

der ihm folgenden Mönche und Laien entstand der erste Orden. Auf die Bitte seiner Stiefmutter<br />

und Tante Mahaprajapati hin, gründete er den ersten Nonnenorden, dem diese als Nonne beitrat.<br />

Buddha lehrte bis zum Alter von 80 Jahren und starb um 483 v. Chr. an einer<br />

Lebensmittelvergiftung.<br />

Die Legenden, die sich um seine Geburt ranken, sind mit den Schilderungen von der Geburt<br />

Jesus vergleichbar. Sie berichten von einem Engel, der in Gestalt eines weißen Elefanten der<br />

Königin Maya im Traum erscheint und von ihr „Besitz nimmt“. Wie Maria im Christentum, so<br />

soll auch die Mutter von Siddhartha bis zu ihrer Empfängnis ein Leben in völliger Keuschheit<br />

geführt haben und seine jungfräuliche Geburt wird angedeutet. Maya, die Mutter von Siddhartha,<br />

stirbt eine Woche nach seiner Geburt.<br />

38


Die Figur Buddhas verkörpert das Ideal der sexuellen Enthaltsamkeit, der Vergeistigung und der<br />

Gemeinschaft unter Männern. Er wird als das positive Bild eines Mannes gezeichnet, der als<br />

Vorbild für alle buddhistischen Mönche die Bindungen an Ehe und Familie aufgibt. Anders als<br />

Jesus, der eine Ehe mit anschließender Familiengründung nie eingegangen ist, löste sich<br />

Siddhartha aus der Verantwortung gegenüber Familie, Ehefrau und Kind. Damit unterscheidet er<br />

sich vom Religionsgründer des Islam. Mohammed verblieb nach der göttlichen Offenbarung<br />

nicht nur bei seiner Familie, sondern er verbreitete seine Lehre mit Hilfe seiner Ehefrauen, seiner<br />

Tochter und seines Onkels.<br />

Der Pali-Kanon enthält eine Beschreibung Buddhas. Demnach war er ein wohlgestalteter,<br />

majestätisch großer Mann mit sehr heller, fast goldener Hautfarbe. Seine Sprache und<br />

Ausdrucksweise wird als kultiviert, klar und präzise, sein Verhalten als einnehmend und<br />

sympathisch beschrieben. Die ersten Skulpturen von Buddha tauchten erst im 1. Jh. n. Chr. auf<br />

und gehen auf die Anhänger des Mahayana zurück, die ein personales Buddha-Bildnis forderten.<br />

Die Abbildungen zeigen Buddha meist in sitzender<br />

Meditationshaltung mit einer Erhöhung auf der Schädelmitte als<br />

Kennzeichen seiner Erleuchtung. Seine Ohrläppchen sind<br />

langgezogen, seine Haare krausen sich in gedrehten Löckchen.<br />

Obwohl er in der Realität, wie alle Mönche im <strong>Buddhismus</strong>, den<br />

Kopf kurz geschoren trug. Die Kunst bildet Buddha oft<br />

wohlgenährt ab, aber nicht dick, mit goldener Hautfarbe und in<br />

eine Mönchsrobe gekleidet. Eine Bronzeskulptur in Thailand<br />

zeigt ihn als Asketen bis auf das Skelett abgemagert. Daneben<br />

gibt es die im Westen bekannte Darstellung des lachenden<br />

Buddhas mit dickem Bauch, die aus China stammt.<br />

<strong>Buddhismus</strong> und Gender<br />

In den buddhistischen Richtungen der Mahayana-Tradition gelten Frauen als Quelle höchster<br />

Weisheit. Die Frau ist in hier in ihrer Rolle als Mutter Vorbild für das Prinzip des Mitgefühls und<br />

der selbstlosen Barmherzigkeit. Im Tibetischen <strong>Buddhismus</strong> repräsentiert sie die Erkenntnis und<br />

die Leerheit. In den frühbuddhistischen Schulen des traditionellen Theravada verkörpert sie das<br />

Leid und die Begierde. Gemäß den zentralen Lehren Buddhas sind die Geschlechter jedoch nicht<br />

verschieden, und sie besitzen daher auch keine wesensmäßigen, naturhaften Eigenschaften. Die<br />

Religion des <strong>Buddhismus</strong> dient nicht zur Begründung von Unterschieden, behauptet keine<br />

Wertigkeit der Geschlechter und kann dem zur Folge auch nicht zur Rechtfertigung von<br />

39


Geschlechterhierarchien herangezogen werden. Es gibt keinen Schöpfungsmythos und keinen<br />

Schöpfergott. Insofern stellt sich nicht die Frage, ob beide Geschlechter vor Gott gleichwertig<br />

sind, oder welches Geschlecht zuerst erschaffen wurde und somit höherrangig ist.<br />

Aber es gibt Unterschiede in Bezug darauf, wie groß die Fähigkeit des Menschen ist, die<br />

Erleuchtung zu erlangen, abhängig von seinem Geschlecht. Alle drei großen Hauptrichtungen<br />

des <strong>Buddhismus</strong> lehren, dass Männern und Frauen diesen Zustand erreichen können und<br />

berichten von großen Lehrern und Meisterinnen. Doch die Aussagen in den Schriften sind<br />

widersprüchlich. Im Pali-Kanon wird Buddha zitiert, der gesagt<br />

habe „Frauen..., die ... (in die Hauslosigkeit) gegangen sind, sind<br />

fähig, ... die Vollkommenheit zu erlangen“ (I.B. Horners<br />

Übersetzung, Band 5, S. 354). In der Sammlung der wichtigsten<br />

und bekanntesten Reden Buddhas soll er hingegen der Frau die<br />

Fähigkeit zur höchsten Verwirklichung des Nirvanas<br />

(Arahatschaft) abgesprochen haben: „Unmöglich ist es und<br />

kann nicht sein, dass eine Frau einen Arahat als vollkommen<br />

Erwachten ... darstellen kann.“( (Majjhima-Nikaya 115, A:1,20).<br />

Die vollkommene Erleuchtung kann anscheinend nur in einem<br />

männlichen Körper stattfinden.<br />

In allen Schriften der Hauptrichtungen des <strong>Buddhismus</strong> gibt es Gebete, in denen man darum<br />

bittet, nicht als Frau wiedergeboren zu werden. Diese Aussagen müssen sicherlich vor dem<br />

sozialen und gesellschaftlichen Hintergrund der jeweiligen Zeit interpretiert werden. Dennoch:<br />

Frauen und Männer, Mönche und Nonnen sind bis heute nicht gleichgestellt und auch nicht<br />

gleichberechtigt. Sie unterliegen unterschiedlichen religiösen Verhaltensregeln und Ge-und<br />

Verboten, die eine Hierarchie abbilden. Dies steht im Widerspruch zu den zentralen Lehren des<br />

<strong>Buddhismus</strong>.<br />

Weiterführende Informationen<br />

http://www.buddhismus.de/<br />

Deutsche Buddhistische Union<br />

http://www.buddhismus-deutschland.de/dbu/<br />

Internationale Buddhistische Frauenvereinigung<br />

http://www.sakyadhita-europe.org/<br />

40


Quellenangaben zu den Abbildungen<br />

Abbildungen im Beitrag Judentum:<br />

Abb. Seite 2, Bildzitat: Quelle:http://www.uni-leipzig.de/ru/bilder/judentum/index.htm<br />

Menora, Zeichnung<br />

Abb. Seite 6, Bildzitat: Quelle:http://www.uni-leipzig.de/ru/bilder/gottbild/index.htm<br />

Schöpfungsbild der Lutherbibel, Lukas Cranach<br />

Abb. Seite 7, Bildzitat: Quelle:http://www.uni-leipzig.de/ru/bilder/urgesch1/index.htm<br />

Sündenfall, Titzian<br />

Abbildungen im Beitrag Christentum<br />

Abb. Seite 10, Bildzitat: Quelle:http://www.uni-leipzig.de/ru/bilder/aufersth/index.htm<br />

Auferstehung Christi, Luca della Robbia<br />

Abb. Seite 12, Bildzitat: Quelle:http://www.uni-leipzig.de/ru/bilder/apostel/index.htm<br />

Apostel Paulus, Deonissij<br />

Abb. Seite 15, Bildzitat: Quelle:http://www.uni-leipzig.de/ru/bilder/kindjes/index.htm<br />

Die heilige Familie, Rembrandt<br />

Abb. Seite 16, Bildzitat: Quelle:http://www.uni-leipzig.de/ru/bilder/kindjes/index.htm<br />

Grablegung Christi, Bertolomeo<br />

Abbildungen im Beitrag Islam<br />

Abb. Seite 20, 23<br />

Fotos mit freundlicher Genehmigung von Otmane Khazraji<br />

Abbildungen im Beitrag Hinduismus<br />

Abb. Seite 25-31 mit freundlicher Genehmigung von Bernhardt Kern<br />

Quelle: http://www.asoka.de/hindugoetter/<br />

Abbildungen im Beitrag <strong>Buddhismus</strong><br />

Abb. Seite 33-40 mit freundlicher Genehmigung von Harri Czesla<br />

Quelle: http://www.tibet-galerie.de/<br />

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Heidegger, Simone: <strong>Buddhismus</strong>, Geschlechterverhältnis und Diskriminierung : die gegenwärtige<br />

Diskussion im Shin-<strong>Buddhismus</strong> Japans. Münster 2006<br />

Dies.: Religiöse Gegenwart Asiens. Berlin - Münster 2006<br />

49


Herrmann-Pfandt, Adelheid: Dākinīs. Zur Stellung und Symbolik des Weiblichen im tantrischen<br />

<strong>Buddhismus</strong>. Bonn 1992<br />

Karnotzki, Ilse: Das Frauenbild zur Zeit des Buddha. Stammbach 2005<br />

Khema, Ayya: Buddha ohne Geheimnis. Die Lehre für den Alltag. Stuttgart 1996<br />

Leyland, Winston (Hrsg.): Queer Dharma. Voices of Gay Buddhists. San Francisco 2000<br />

Mananzan, Mary J.: Religionen und Frauen in Asien. Wege zu einer lebensfördernden<br />

Spiritualität. Frankfurt am Main 2004<br />

Mohr, Thea: Weibliche Identität und Leerheit. Eine ideengeschichtliche Rekonstruktion der<br />

Buddhistischen Frauenbewegung. Theion Jahrbuch für Religionskultur, Bd XIII. Frankfurt am<br />

Main 2001<br />

Paul, Diana Y.: Die Frau im <strong>Buddhismus</strong>. Hamburg 1981<br />

Poggendorf-Kakar, Katharina/ Guzy, Lidia/ Zinser, Hartmut: Tradition im Wandel. Weibliche<br />

Religiosität im Hinduismus, Jainismus und <strong>Buddhismus</strong>. Tübingen 2000<br />

Shaw, Miranda: Der Tanz der Dakinis. Frankfurt am Main 2000<br />

Simmer-Brown, Judith: Dakini's Warm Breath. The Feminine Principle in Tibetan Buddhism.<br />

Boston 2001<br />

Ueki, Masatoshi: Gender Equality in Buddhism. New York 2001<br />

Berlin, im Dezember 2007<br />

Konzeption, Texte und Literatur: Dagmar Noeldge<br />

Layout: Elke Mros<br />

Ergänzung:<br />

Homosexualität und Transidentitäten<br />

in den Religionen der Welt<br />

1. Geschlechterordnung und Sexualität in den Religionen<br />

Ähnlich wie Gesellschaften ordnen auch Religionen ihre Gemeinschaft über<br />

Geschlechtszugehörigkeit oder Geschlechtszuschreibungen. Die Frage, wer Zugang zu religiösen<br />

Ämtern und heiligen Orten erhält und wem die Teilhabe an religiösen Ritualen erlaubt ist, ist<br />

meistens gebunden an die Frage von Geschlecht. In den verschiedenen Religionen der Welt<br />

lassen sich eine starke Geschlechtertrennung und geschlechtsspezifische Pflichten und Rollen in<br />

den wichtigen Bereichen religiösen Lebens beobachten. Dabei sind Männer und Frauen keine<br />

gleichen und meist keine gleichberechtigten Mitglieder einer religiösen Gemeinschaft. In welcher<br />

Weise sich ein Geschlechterverhältnis konkret im religiösen Leben niederschlägt unterscheidet<br />

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sich dabei nicht nur von Religion zu Religion, sondern auch innerhalb der verschiedenen<br />

Strömungen oder im Zuge der geschichtlichen Entwicklungen einer Religion.<br />

Die Ehe stellt für alle Religionen den richtigen und angemessenen Rahmen des Zusammenlebens<br />

von Frauen und Männern dar. Wichtig ist hierbei, dass die Ehe als ‚Mittel’ zur Regulierung und<br />

Kontrolle von Sexualität angesehen wird. Sexualität dient in Religionen, bis auf wenige<br />

Sonderströmungen wie dem indischen Tantrismus, der Fortpflanzung. Damit ist Sexualität in den<br />

Religionen meist heterosexuell ausgerichtet und sexuelle Handlungen, die keinen reproduktiven<br />

‚Zweck’ erfüllen, sind häufig verboten. Diese skizzierten religiösen Positionen zu ‚Geschlecht’<br />

und ‚Sexualität’ leiten sich aus den Interpretationen der maßgebenden Schriften der Religionen<br />

her, die sich bis heute in vielen Bereichen gelebter Religion wirkmächtig zeigen. Dennoch finden<br />

sich in Religionen, vor allem bei den Menschen, die sie leben und gestalten, immer auch<br />

Ausnahmen von diesen Regeln.<br />

2. Homosexualität<br />

Dieses religiöse Verständnis von Sexualität zeigt, dass sich die Verbote von sexuellen Handlungen<br />

vor allem darüber begründen, dass sie nicht den Zweck der Fortpflanzung erfüllen.<br />

Verboten sind damit bestimmte Handlungen, wie z.B. Oralverkehr oder Masturbation, gleich ob<br />

sie zwischen Mann und Frau oder zwischen Menschen gleichen Geschlechts stattfinden. In den<br />

normativen Schriften der Religionen finden sich aber auch ausdrückliche Verbote von Sexualität<br />

zwischen Menschen gleichen Geschlechts. Diese beziehen sich insbesondere bei den<br />

monotheistischen Religionen vor allem auf männliche Homosexualität. Besonders bekannt sind<br />

die Deutungen entsprechender Stellen in der hebräischen Bibel, z.B. im Buch Leviticus, oder im<br />

Neuen Testament, z.B. im Römerbrief. Auch in Auslegungen des Koran und in der islamischen<br />

Rechtslehre, Scharia, finden sich Verbote sexueller Handlungen zwischen Männern. Weibliche<br />

Homosexualität wird seltener angesprochen und meist milder bestraft. Eine Ausnahme ist die<br />

härtere Bestrafung sexueller Handlungen unter Frauen im Hinduismus.<br />

Die Regeln der religiösen Schriften lassen sich jedoch nicht gleichsetzen mit dem, wie Menschen<br />

ihre Religion leben und lebten. Ihre Geschichte und ihre Alltagswelt sehen oft anders aus, als es<br />

die vielen religiösen Vorschriften vorsehen, und das gilt auch für ihr Sexualleben. Dass sich<br />

Menschen ausdrücklich sowohl zu ihrer Religion wie auch zu ihrer Homosexualität bekennen<br />

und diese beiden wichtigen Bereiche ihres Lebens miteinander verbinden, ist jedoch eine<br />

Entwicklung der jüngsten Zeit. Sie hängt mit gesellschaftspolitischen Veränderungen der letzten<br />

40 Jahre zusammen. Denn die Proteste der Frauen- und vor allem der Homosexuellenbewegungen<br />

haben auch innerhalb von Religionen einige Diskussionen in Gang gesetzt und ein<br />

neues Selbstbewusstsein von Schwulen und Lesben in den Religionen begründet. Dies gilt<br />

übrigens nicht nur für ‚westliche’ Länder. Auch z.B. im heutigen Iran, Südafrika oder in Indien<br />

gibt es Gruppen die sich für ihre Anerkennung als religiöse Schwule und Lesben engagieren. Ein<br />

wichtiges Thema ist dabei die Schaffung von Räumen der Anerkennung. ‚Räume’ meint hier<br />

verschiedenes: a) die Einrichtung konkreter Orte, an welchen man sich sicher und in positiver<br />

Atmosphäre religiös begegnen kann; b) die Frage der religiösen Vergemeinschaftung: gibt es eine<br />

Möglichkeit innerhalb der ‚Mehrheitsgemeinde’ einen solchen sicheren Ort einzurichten? Oder<br />

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gründet man eine ‚eigene’, abgegrenzte Gemeinschaft? c) religiöse Lehren, welche so formuliert<br />

und gedeutet werden, dass Schwule und Lesben sich wieder finden können.<br />

Weiterhin beinhalten viele Initiationsriten verschiedener Kulturen der Welt ‚homosexuelle’<br />

Handlungen. Diese finden jedoch in einem strengen rituellen Rahmen statt und sind von<br />

symbolischer Bedeutung. Sie sind daher nicht vergleichbar mit sexuellen Handlungen oder gar<br />

einer Liebesbeziehungen zwischen Menschen gleichen Geschlechts.<br />

3. Transidentitäten<br />

‚Transidentität’ meint eine Geschlechtsidentität, die sich nicht als ‚männlich’ oder ‚weiblich’<br />

versteht oder verstehen lässt und bezieht sich auf Menschen, die sich weder als Mann oder Frau<br />

fühlen. Dies kann sich auf den Körper beziehen (Transsexualität) aber auch auf<br />

geschlechtsspezifische Verhaltensweisen, Rollen oder auch Kleidung (Transgender).<br />

Häufig werden Schamanen, von welchen man richtigerweise nur mit Bezug auf den Raum<br />

Sibiriens sprechen kann, als ‚Geschlechtergrenzen überschreitend’ charakterisiert. Ähnlich wie bei<br />

bestimmten HeilerInnen und PriesterInnen einiger afrikanischer Kulturen und einigen indischen<br />

Traditionen findet dieser Wandel der geschlechtlichen „Rolle“ jedoch nur im zeitlich begrenzten<br />

Rahmen von Ritualen oder z.B. Ekstasezuständen statt. Als Beispiele für das so genannte ‚dritte<br />

Geschlecht’ lassen sich vielmehr die Hijras des indisch-pakistanischen Raums oder die ‚Zwei-<br />

Seelen-Leute’ (Two-Spirit-People) vieler nordamerikanischer Indianerkulturen benennen. Hijras<br />

sind „Männer“, welche „weibliche“ Verhaltensweisen, Rollen und den Status einer Frau<br />

annehmen, z.T. auch über Kastration. Oft wollen sie weder als ‚Frau’ noch als ‚Mann’, sondern<br />

als eigene Gruppe wahrgenommen und akzeptiert werden. Aufgrund ihrer sozial sehr schlechten<br />

Stellung leben sie in engen Gemeinschaften zusammen; sie leben von Bettelei und Prostitution.<br />

Sie sind hinduistischen oder muslimischen Glaubens und bis zu einem gewissen Grad pflegen sie<br />

eine eigene Religiosität und verehren z.B. bestimmte Gottheiten, die sich ihrer speziellen<br />

Situation annehmen sollen. Auch erfüllen sie in der breiteren Gemeinschaft besondere rituelle<br />

Aufgaben, z.B. das Segnen Neugeborener. Die ‚Zwei-Seelen-Leute’ konnten Frauen oder Männer<br />

sein, die entweder bestimmte Aufgaben oder die Kleidung des anderen Geschlechts annahmen<br />

oder ihren geschlechtlichen Status gänzlich wechselten und damit die soziale Identität des<br />

anderen Geschlechts annahmen. Zum Teil übernahmen auch sie besondere rituelle Aufgaben,<br />

wie z.B. das Heilen. Auch kam es vor, dass dieser ‚Geschlechtswechsel’ wieder rückgängig<br />

gemacht wurde. Ihnen war es möglich mit Menschen des gleichen oder des anderen Geschlechts<br />

zusammen zu leben. Viele afrikanische Kulturen kennen eine ähnliche Geschlechterwandelbarkeit<br />

und, in diesem Rahmen, die Möglichkeit gleichgeschlechtlicher Beziehungen. Diese<br />

Geschlechterordnungen wandelten sich dramatisch durch die europäisch-christliche und, in<br />

Afrika, islamische Expansion und Missionierung.<br />

Heutzutage werden unter den Begriffen ‚Transgender’, ‚Transsexuell’, ‚Intersexuell’ oder auch<br />

‚queer’ verschiedene Geschlechter gefasst, die von der ‚Normalität’ der zwei Geschlechter ‚Mann’<br />

und ‚Frau’ abweichen (wollen). Ihr Engagement für gesellschaftliche und rechtliche Anerkennung<br />

findet in vielen Ländern, Kulturen und Religionen statt. Dabei vertreten sie viele unterschiedliche<br />

(Selbst-)Verständnisse und verfolgen unterschiedliche Ziele. Darin, dass zunächst einmal die<br />

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Realität von mehr als zwei Geschlechtern überhaupt wahrgenommen und akzeptiert werden<br />

muss, sind sie sich jedoch einig.<br />

Ausgewählte Internetseiten schwuler/lesbischer/queerer Gruppen in Deutschland:<br />

Jüdisch:<br />

http://www.yachad-deutschland.de/<br />

Christlich:<br />

http://www.lsgg.org/<br />

Muslimisch:<br />

http://www.queermuslimehamburg.de/1.html<br />

Buddhistisch:<br />

http://www.kandayata.net/kandayataseiten/buddha/index.html<br />

http://www.gaysangha.de/<br />

Ausgewählte Literatur<br />

Fels, Eva: Auf der Suche nach dem dritten Geschlecht. Wien 2005.<br />

Karle, Isolde: Da ist nicht Mann noch Frau…’ .Theologie jenseits der Geschlechterdifferenz.<br />

Gütersloh 2006.<br />

Parrinder, Geoffrey: Sexualität in den Religionen der Welt. Düsseldorf 2004.<br />

Berlin, 15. Januar 2008<br />

Márcia Moser M.A.<br />

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