Leitfaden für den Umgang mit Folgen traumatischer Ereignisse - Esra
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ESRA-Studie<br />
Mental Health Promotion bei schwerst traumatisierten Menschen –<br />
eine Studie zur Erhebung von ressourcenstärken<strong>den</strong> Bewältigungsstrategien<br />
Die Studie sollte in erster Linie dazu dienen<br />
Ansätze zu fin<strong>den</strong>, welche in der Betreuung<br />
von schwerst traumatisierten<br />
Menschen hilfreich waren und sind. Dies ist in<br />
der Zusammenarbeit <strong>mit</strong> Menschen geschehen,<br />
welche dem unvergleichbaren Man-Made<br />
Disaster und Genozid der NS-Verfolgung ausgesetzt<br />
waren.<br />
Die Ergebnisse der Studie können nicht<br />
in gleicher Form auf andere Gruppen von traumatisierten<br />
Menschen transferiert wer<strong>den</strong>.<br />
Schlüsse sollen und können <strong>den</strong>noch gezogen<br />
wer<strong>den</strong>, um schwer traumatisierten Menschen<br />
im Allgemeinen zu helfen, ihr bleibendes Leid<br />
zu lindern und ihre stark in Mitlei<strong>den</strong>schaft gezogene<br />
Gesundheit zu verbessern bzw. um professionelle<br />
Lösungen im Sinne der Prävention<br />
zu entwickeln.<br />
Diese Studie bietet die einzigartige Gelegenheit,<br />
70 Jahre nach <strong>den</strong> extrem traumatisieren<strong>den</strong><br />
<strong>Ereignisse</strong>n <strong>den</strong> physischen und psychischen<br />
Gesundheitszustand der Betroffenen zu<br />
erfassen. Wie aus <strong>den</strong> Ergebnissen deutlich ersichtlich<br />
ist, spielt das Alter zum Zeitpunkt der<br />
Traumatisierung eine große Rolle. Konkret bedeutet<br />
dies: Je jünger die Menschen zum Zeitpunkt<br />
der Traumatisierung waren, umso schwieriger<br />
war es <strong>für</strong> sie, ressourcenstärkende Copingstrategien<br />
(wie z.B. Urvertrauen, Kohärenzgefühl,<br />
Bindungsqualität) aufzubauen. Die<br />
Ergebnisse der Studie belegen, dass die Auswirkungen<br />
dieses Mangels bis jetzt, also auch<br />
nach Jahrzehnten, noch feststellbar sind.<br />
Die erzielten Ergebnisse der Studie in Bezug<br />
auf ressourcenstärkende Bewältigungsstrategien<br />
sollen im vorliegen<strong>den</strong> <strong>Leitfa<strong>den</strong></strong> festgehalten<br />
wer<strong>den</strong>. Aus <strong>den</strong> Ergebnissen ist deutlich<br />
sichtbar, dass eine Posttraumatische Belastungsstörung<br />
(PTSD) nicht einfach verschwin-<br />
det, sondern dass auch nach jahrzehntelanger<br />
Symptomfreiheit die Beschwer<strong>den</strong> in voller<br />
Wucht auftreten können. Sicher ist, dass traumatische<br />
Erlebnisse eine sehr hohe Komorbidität<br />
und Langzeitfolgen haben und dass sie nach<br />
jahrzehntelanger Latenz durch Reaktivierung<br />
und Retraumatisierung sehr massiv zum Vorschein<br />
kommen können.<br />
Daraus resultiert die Notwendigkeit der<br />
Prävention, um<br />
� traumatische <strong>Ereignisse</strong> dieser Tragweite<br />
durch primäre Prävention (siehe Seite<br />
17) zu verhindern oder<br />
� sollten sie nicht verhinderbar sein, die<br />
<strong>Folgen</strong> durch sofortigen Einsatz der sekundären<br />
Prävention (siehe Seite 25) zu<br />
mildern.<br />
Der <strong>Umgang</strong> <strong>mit</strong> NS-Überleben<strong>den</strong> in<br />
Österreich – ein kurzer Überblick<br />
Den NS-Verfolgten wird trotz schwerer und<br />
komplexer Traumatisierung in Österreich erst<br />
seit kurzem institutionell geholfen. In Österreich<br />
gab es keine dem wissenschaftlichen Standard<br />
entsprechende Begutachtungspraxis <strong>für</strong><br />
schwer traumatisierte Personen. Bis in die späten<br />
1980-er Jahre waren Fragen zur Erlebnisbedingtheit<br />
bzw. Anlagebedingtheit der posttraumatischen<br />
<strong>Folgen</strong> von großer Bedeutung,<br />
bis in <strong>den</strong> 1980-er Jahren die Studie von Baeyer<br />
„Psychiatrie der Verfolgten“ eine Klärung<br />
brachte. Die VertreterInnen der Anlagebedingtheit<br />
gingen davon aus, dass sich die Traumafolgestörungen<br />
nur deshalb entwickelt hatten, weil<br />
die körperlichen und psychischen Voraussetzungen<br />
des Individuums „minderwertig“ waren<br />
und die Menschen daher nicht im Stande waren<br />
und sind, Belastungen wegzustecken und wieder<br />
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