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120 Jahre Dresdener Rennverein 1890 ev

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<strong>120</strong> <strong>Jahre</strong><br />

<strong>Dresdener</strong> <strong>Rennverein</strong> <strong>1890</strong> e.V.<br />

Geschichtliche Impressionen<br />

von<br />

Horst Gründel


<strong>120</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Dresdener</strong> <strong>Rennverein</strong> <strong>1890</strong> e.V.<br />

Vor <strong>120</strong> <strong>Jahre</strong>n, bereitete sich ein Herr Walter von Treskow auf eine Versammlung vor, zu<br />

der er die ihm bekannten und vertrauenswürdig erscheinenden Persönlichkeiten aus der<br />

sächsischen Residenz für den 17. Dezember <strong>1890</strong> eingeladen hatte. 50 dieser Herren<br />

kamen und beteiligten sich an der Gründung einer GmbH, erst später sprach man von<br />

einem Verein, unter dem unverfänglichen Namen „Dresdner Reiterheim“. Diese fast<br />

konspirativ anmutende öffentliche Darstellung hielt man für sinnvoll, um zunächst den<br />

sächsischen Hof und vor allem den Kriegsminister von Fabrice zu täuschen, denn das<br />

Vorhaben lautete eigentlich: Aufbau einer Galopprennbahn in Dresden. Und gerade dies<br />

hatte man „an höchster Stelle“ mit Erfolg verhindert, weil vor allem der Herr Kriegsminister<br />

durch das mit den Rennen verbundene Wetter die Moral der Truppe gefährdet sah.<br />

In England hatte dagegen die Lust des ganzen Volkes, über jedes denkbare Ereignis<br />

Wetten abzuschließen, immerhin das Entstehen einer neuen, eleganten und vor allem<br />

schnellen Pferderassen befördert. Zuerst waren landeseigene Rösser rund um den<br />

Marktplatz oder geradeaus nach dem nächsten Kirchtor gelaufen. Als die Engländer<br />

fremde Länder eroberten, trafen sie dort auch auf andere Pferde, die ihnen sehr gefielen,<br />

so dass sie einige auf die beschwerliche Heimreise in den Segelschiffen mitnahmen. Das<br />

waren in der Regel Hengste, weil speziell die Araber ihre Stuten nicht gern hergaben.<br />

Diese Hengste verwendete man zu Hause auch für die Zucht und merkte bald, dass die<br />

daraus entstandenen Produkte bei den heimischen Wettkämpfen am schnellsten waren.<br />

Also wurde in dieser Richtung weitergezüchtet und man kam auf die Idee, die<br />

Abstammungen zu notieren und über die Ergebnisse einen – wie er seitdem noch heute<br />

heißt – Rennkalender anzufertigen. Die neuen, „englische Vollblüter“ bezeichneten<br />

Pferde, sah man auf dem Kontinent vor allem 1814 bei der Armee Wellingtons, als<br />

Napoleon sein Waterloo erlebte. Abgesehen von einzelnen, nicht zielgerichteten Importen<br />

durch die Grafen von Moltke und Plessen, war die neue Rasse selbst im Pferdeland<br />

Mecklenburg unbekannt geblieben. Das änderte sich durch die Barone Gottlieb und<br />

Wilhelm von Biel, die einerseits Vollblüter bei Wellington sahen und andererseits –<br />

nämlich Wilhelm – zweimal englische Frauen ehelichten. Zu gleicher Zeit blieben die<br />

großen Landwirtschaftsbetriebe Mecklenburgs wegen zuerst Napoleons Ausfuhr – und<br />

danach Englands Einfuhrverboten auf ihren Getreideernten sitzen, die die Lagerhallen<br />

füllten, aber kein Geld einbrachten. Gottlieb von Biels Überlegungen lautete: Wenn wir<br />

unsere auf Europas Märkten am teuersten gehandelte mecklenburgische Pferderasse mit<br />

der neuen englischen Vollblutrasse kreuzen, muss das ein Superpferd ergeben und wir<br />

haben ein profitables Geschäft zu erwarten. Dazu brauchen wir eine größere Anzahl<br />

Vollblüter, vor allem auch Stuten. Und wir brauchen Rennbahnen, um aus den Prüfungen<br />

nur die besten Tiere für die Zucht auswählen zu können.<br />

Nach dem ersten Rennen auf freiem Felde 1822 entstand 1823 die erste Rennbahn bei<br />

Doberan. In beiden <strong>Jahre</strong>n gewann die Biel’sche Stute Pamina. Die nächsten<br />

Rennbahnen schossen förmlich aus dem Boden: 1827 in Güstrow, 1828 in Basedow und<br />

Neubrandenburg, 1829 in Berlin - Lichtenfelde (1830 wurde nach Tempelhof ungezogen),<br />

1832 war Breslau an der Reihe, 1834 Magdeburg, 1844 Düsseldorf, 1863 Frankfurt am<br />

Main und Leipzig. In Mecklenburg versuchte zwischenzeitlich fast jeder Ort einmal eine<br />

Rennbahn zu gründen, weil sich das Zusammenströmen größerer Volksmassen immer<br />

mehr als ein gutes Geschäft erwies. Außerdem entwickelte sich fast auf allen Bahnen ein<br />

reges Treiben junger Reiteroffiziere, die sich im Ruhm der Berittenen Friedrichs des<br />

Großen sonnten; erinnert sei nur an die Generale Ziethen und Seydlitz. Die Leute im<br />

„bunten Rock“ wollten ihre Sattelkünste allerdings vornehmlich über Hindernisse zeigen.<br />

Und das Publikum sah sich das Spektakel mit den Pferden sehr gern an – und wettete<br />

2


darauf. Anfangs waren es nur die Besitzer derjenigen Pferde, die gegeneinander liefen.<br />

Manchmal wurden nur „Matches“ für zwei Pferde ausgeschrieben. Mit immer größeren<br />

Feldern tauchten sogenannte „Bookmaker“ – Buchmacher nach englischem Muster auf.<br />

Die breite Masse, die auf den Rängen auch insgeheim längst mit wetteten, konnte<br />

schließlich erst mit der Erfindung des Totalisators beteiligt werden. Über die davon<br />

ausgehenden moralischen Gefahren wurde seit den siebziger <strong>Jahre</strong>n des 19.<br />

Jahrhunderts heftig gestritten.<br />

Walter von Treskow wurde in diese Zeit hineingeboren. Er diente beim Husarenregiment<br />

von Schill, auch 1. Schlesisches Regiment Nr. 4 , das im Volksmund nach der Bekleidung<br />

„die kaffeebraunen Husaren“ genannt wurde. Andere sprachen von den Oelser Husaren<br />

und meinten damit den Standort Oels in Schlesien, also keineswegs etwa unser Ölsa bei<br />

Rabenau.<br />

Treskow ritt selbst vor allem in Breslau, wo er auch mehrere Rennpferde besaß, die<br />

mehrfach lukrative Rennpreise gewannen. Allein während der fünfzigjährigen Jubelfeier<br />

des schlesischen Vereins für Pferdezucht und Pferderennen vom 15. bis 22. Juli 1882<br />

standen fünf Pferde mit den Treskow - Farben „Schwarz, schwarz - weiße Kappe“ in der<br />

Starterliste. Als Premierleutnant a.D. verschlug es Treskow schließlich – wir wissen nicht<br />

warum – ausgerechnet in das etwas verschlafene Dresden. Noch 1905 urteilte jedenfalls<br />

der Reiseführer „Kleiner Wecker“ wenig schmeichelhaft: „Dresden – die Stadt der stillen<br />

Heimlichkeiten; die verliebte Kuchenstadt. Die Stadt des äußeren Scheins, die mehr<br />

Gewicht auf spießbürgerliche Sauberkeit, kleinliche Einschränkungen legt, als auf<br />

Einrichtungen, die den Charakter des lebendigen, weltstädtischen Verkehrs tragen. Das<br />

am Gängelband geführte „Dörfel“, die Heimat der Leine und des Maulkorbs, der offiziellen<br />

Leisetreterei sowie der hohlklingenden Titeln. ... Das Treibhaus der Vorschriften und<br />

Verbote. An einem schönen, mit Dampfschiffen belebten Strom gelegen, dessen Ufer zu<br />

lieblichen Hügeln ansteigen, mag die kunstfreudige Stadt einst der behagliche<br />

Sammelpunkt für Künstler und Poeten gewesen sein, ein Ort wie geschaffen, in<br />

behaglicher Ruhe die Regierungskunst sächsischer Regenten über sich ergehen zu<br />

lassen. Jetzt ist sie die Stadt der hohen Steuern und der Prozesse; das Paradies der<br />

Beamten und Rechtsanwälte, der Chimborazo der Selbsttötungen (jährlich über 200).“<br />

Weiter wird Dresden charakterisiert: „Dresden steht im Ruf einer Luxus- und<br />

Fremdenstadt und sendet als solche ihre künstlichen und natürlichen Blumen, ihre<br />

Mineralwässer, ihre Weihnachtsstollen und Schokoladenwaren, ihre Eisen- und ihre<br />

chemischen Waren nach fernen Ländern. Für fotografische Papiere und<br />

Zigarettenfabrikation ist es sogar Weltmarkt."<br />

Damit ist zugleich angedeutet, in welches aufstrebende Industriezeitalter unsere<br />

Rennbahn hineinlachen sollte, während die Vorgänger an anderen Orten häufig noch von<br />

Adel und Landwirtschaft geprägt waren. Dresden befand sich zudem in einem Bauboom.<br />

Stellvertretend seien dafür die Markthalle auf der Neustädter Seite und das<br />

Landesgerichtsgebäude in der Altstadt genannt. Das neue Rathaus und den<br />

Rathausmann gab es damals übrigens noch nicht. Anstelle der bereits 70 <strong>Jahre</strong> zuvor<br />

abgebrochenen Festungswälle häufte nun die neue Eisenbahn große Dämme für ihre<br />

Schienen auf. Die meiste Erde gewann man aus dem Bau befindlichen Elbhafen, wobei<br />

ein großer Teil gleich in Friedrichstadt blieb, um die noch heute in Betrieb befindliche<br />

Ablaufschräge für einen Güterbahnhof zu schaffen. Der technische Fortschritt nahm zwar<br />

rasant zu, was man durch die ersten Fotoapparate, das Grammophon und das von<br />

einigen Leuten für gefährlich gehaltene Telefon benennen kann. Aber die grundsätzlich<br />

auch bekannte Elektrizität war noch kein Allgemeingut. Überall brannten die „Gas -<br />

Glühlichte“, die Strassenbahn wurde von Pferden gezogen, wobei 1891 eine neue Linie<br />

zum Wilden Mann hinzukam. Die Dresdner, die 1889 mit großem Pomp das 800-jährige<br />

Thronjubiläum der Wettiner begangen hatten, fanden am 12. April 1891 wieder einen<br />

Grund zum feiern, denn 50 <strong>Jahre</strong> zuvor war die Semper-Oper eröffnet wurden. Am 23.<br />

April gab es dann viel zu sehen, als eine Menge europäischer Monarchen zum<br />

Geburtstag von König Albert eintrafen. Anders sah es dagegen am 1. Mai aus, den die<br />

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ständig wachsende Arbeiterschaft seit einem Jahr als Tag zur Durchsetzung ihrer<br />

Forderungen beging.<br />

In diesem Umfeld begeisterte Walter von Treskow 50 Mitstreiter zum Bau einer<br />

Rennbahn. Die nötigen Flächen hatte er zunächst selbst von den Bauern in Seidnitz<br />

gepachtet. Während und nach einem außerordentlich strengen Winter <strong>1890</strong>/91 entstand<br />

die durchweg ohne Nägel gebaute, nur verfugte Tribüne, in der auch die Funktionsräume,<br />

wie Jockeystube, Büro und Waage untergebracht waren. Das Waagegebäude, wie wir es<br />

heute kenne, entstand erst 1911.<br />

Den ersten Renntag hatte die bald als Verein agierende ursprüngliche GmbH auf den<br />

Pfingstmontag, 18. Mai, ausgeschrieben. Von dem Datum nahm man Abstand, weil es mit<br />

einem Hoppegartner Renntag zusammengefallen wäre. So kam man schließlich auf den<br />

7. Mai, der sich im nächsten Jahr zum <strong>120</strong>. Mal jährt.<br />

Die „Dresdner Nachrichten“ resümierten am 8. Mai 1891: „Die günstige Wahl des<br />

Terrains, das prächtige Sportwetter, welches nach einem kleinen Vormittags -<br />

Regenschauer leicht bedeckten Himmel und wohltuende Kühle brachte, die Neuheit des<br />

Schauspiels, die vortrefflichen Gelegenheiten, den Rennplatz zu erreichen, Alles dies<br />

wirkte zusammen, um die Teilnahme des Publikums in höchsten Grade zu erregen und<br />

auf dem weiten Platze eine Menge von etwa 20.000 Personen zu versammeln. Schon<br />

gegen1 Uhr rollte die ersten Equipagen hinaus und wer etwa gegen 2 Uhr auf den fernhin<br />

durch bunte Fahnen und Gebäude kenntlichen Platz gelangte, war erstaunt, die Bahn<br />

schon von einer dunklen, lebenden Linie umgeben zu sehen, die sich besonders dann<br />

stark verdichtete, wenn die Bahnzüge mit ihren Schaaren eingetroffen waren“. Dazu muss<br />

man wissen, dass die Eisenbahnverwaltung in Reick extra einen behelfsmäßigen<br />

Bahnsteig einrichtete, der erst später zum Bahnhof ausgebaut wurde. Quer über die Bahn<br />

gab es übrigens noch öffentliche Fußwege nach Seidnitz und Dobritz, die nur wegen der<br />

Renen gesperrt waren.<br />

Das erste Rennen auf der neuen Rennbahn gewann schließlich die Halbblut-Stute<br />

Sycorax, die der Kommerzienrat Hösch erst am Tag zuvor gekauft hatte. Hugo Hösch<br />

gehörte neben Treskow, G. Dotti und Louis Meyer zu den engagiertesten Leuten des<br />

neuen Vereins. Der, wie es heißt, begeisterte Fan der Galopprennen überhaupt in<br />

Dresden, der damals schon die Berliner „Sport-Welt“ las, soll der Vorsteher des<br />

Böhmischen Bahnhofs (des heutigen Hauptbahnhofs), ein Herr Schreyer gewesen sein.<br />

Wie der es mit dem Wetten hielt, wissen wir nicht. In Seidnitz konnte er offiziell jedenfalls<br />

nicht wetten, denn aus Rücksicht auf die Hofgesellschaft und auf die Armee hatte der<br />

Verein auf Wettbüros verzichtet, wobei man wissen muss, dass in ganz Deutschland von<br />

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1881 bis 1888 das Wetten verboten war. Das „<strong>Dresdener</strong> Stadtblatt“ vom 10. Mai enthüllte<br />

dann: „Der ruhige Staatsbürger pflegt ja sonst an das sportliche Gebiet nur wie an eine Art<br />

von Mode - Exzeß zu denken, dem sich die feine Welt hingibt. Die Hauptanziehung der<br />

Pferderennen scheint ihm darin zu bestehen, daß sie eine Gelegenheit gewähren, Wetten<br />

abzuschließen. Und wenn auch die Gelegenheit offiziell genommen war, zu wetten –<br />

Totalisator und Buchmacher wurden auf der Rennbahn nicht gestattet -, so wurden doch<br />

überall Wetten abgeschlossen, ob die Wettsumme nun auf dem ersten Platz in die<br />

hunderte Mark sich steigerten oder auf den anderen sich auf ebenso viele Pfennige<br />

beliefen. Selbst auch die Droschkenkutscher, als Fachleute, beteiligten sich an diesem<br />

Lottospiel, und man bekam eine Ahnung von dem Leben und Treiben auf den englischen<br />

Rennbahnen. ... Die Belebung des Rennsports hat immerhin eine volkswirtschaftliche<br />

Bedeutung, ... und es ist daher erfreulich, daß sich auch Dresden nunmehr an dieser<br />

Belebung beteiligt.“ Übrigens hat der größte Gegner der Rennwetten von Fabrice, die<br />

Eröffnung der Rennbahn nicht mehr erlebt. Er starb im März 1891.<br />

Der Massenbesuch am Anfang wiederholte sich im Juli und September nicht, zumal der<br />

Vereinsvorstand nicht aufgepaßt hatte, so dass die Termine mit Veranstaltungen der in<br />

Blasewitz angesiedelten Ruder - Regatte zusammenfielen. Auch in den folgenden <strong>Jahre</strong>n<br />

hatte das Geschehen auf dem grünen Rasen mehr provinziellen Charakter, zumal alle<br />

klassischen und Standart - Rennen in Deutschland vergeben waren. So konzentrierte<br />

man sich mehr auf Hindernisrennen und die damit verbundenen Chancen für sogenannte<br />

Herrenreiter, unter denen auch alle öffentlich reitenden Offiziere verstanden wurden.<br />

Das paßte zugleich zu der gesellschaftlichen Aufwertung der Rennen, nachdem der König<br />

1893 seinen Boykott der Seidnitzer Einrichtungen aufgegeben hatte. Hinzu kam, dass der<br />

äußere Eindruck der Anlage immer wieder gelobt wurde.<br />

Der damals führende Sport – Journalist Paul Siebert schrieb. „Kaum eine Rennbahn hat<br />

einen solch prachtvollen Blick von den Tribünen aus.<br />

Das Panorama nach dem Weißen Hirsch und den Gebirgszügen der Sächsischen<br />

Schweiz fesselt immer aufs neue.“ Siebert schildert auch eine Anekdote, als er sich für<br />

seine Zigarre von einen Uniformierten Feuer geben ließ und sich mit „Danke verbindlichst,<br />

Herr Oberst“ entfernte.<br />

Umstehende waren entsetzt, denn der Uniformierte war der inzwischen regierende König<br />

Friedrich August III., der sich ungezwungen zwischen dem Publikum bewegte. Um 1895<br />

versuchte der <strong>Rennverein</strong>, überzeugt von den Seidnitzer Erfolgen, eine Filiale in Chemnitz<br />

zu entwickeln, die sich aber als Verlustgeschäft erwies und beinahe zum Ruin des<br />

Vereins geführt hätte. Die Dresdner Turfgemeinde begrüßte dagegen manche<br />

zusätzlichen, vornehmlich kulturellen Ereignisse. Von Anfang an bis zum 1. Weltkrieg<br />

musizierte die Kapelle der Gardereiter in ihren Hellblau - goldenen Uniformen unter der<br />

Stabführung von Obermusikmeister Heinrich Stock, der zu seinem zehnjährigen Jubiläum<br />

einen Brillant besetzten Ring mit einem von einem Hufeisen umschlossenen Pferdekopf<br />

erhielt. Wenn Sie eins unserer Heutigen Mitglieder ansehen, dann sehen sie auch diesen<br />

Ring. Anders verhält es sich mit einer Schallack - Schallplatte, von der ein Marsch der<br />

Dresdner Rennbahn erklingt, den Heinrich Stock komponierte.<br />

Als günstiger Schachzug erwies sich auch, die zuvor am Neustädter Ufer im Gelände der<br />

Gardereiter - Kaserne stattfindende Pferdeausstellung, die man gerade nach Leipzig<br />

-Connewitz abwerben wollte. Statt dessen nach Seidnitz zu locken wo sie nun neben der<br />

Rennbahn ein Domizil fand.<br />

Dresden wuchs am Ende des 19. Jahrhunderts sowohl in der Fläche als auch in der<br />

B<strong>ev</strong>ölkerungszahl. Vororte wurden eingemeindet, wobei es u.a. Ärger mit Striessen gab,<br />

wo die Straßen nur mit großen Buchstaben bezeichnet waren; Strassennamen kannte<br />

man nicht.<br />

Eine Volkszählung vom 1.12.<strong>1890</strong> weist für Dresden 276 085 Einwohner aus; der<br />

Reiseführer von 1905 spricht von 500.000. Dabei muß man bedenken, dass das ganze<br />

Leben der B<strong>ev</strong>ölkerung vom Pferd bestimmt war. Das Pferd ackerte, ja das Pferd sicherte<br />

sogar den Transport unter der Erde beim Abbau der Steinkohle. Das Pferd zog den<br />

Bierwagen wie die Equipage und letztlich die Strassenbahn. Die ärmere B<strong>ev</strong>ölkerung ging<br />

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auch in Gaststätten wo es Pferdefleisch zu essen gab. Ältere erinnern sich vielleicht noch<br />

an eine Gaststätte in der Alaunstrasse.<br />

Der <strong>Rennverein</strong> gab sich Mühe, seine Existenz und das damit verbundene Vergnügen<br />

auch den vielen Zuzüglern bekannt und populär zu machen. Dem diente mit großem<br />

Erfolg eine „Sport – Fest - Woche“, die man 1895 zum ersten Male veranstaltete und<br />

mehrfach wiederholte. Dabei wurde die gesamte Brühlsche Terrasse zu einem Blütenfest<br />

mit einbezogen. Hauptattraktion war aber ein Blumenkorso um den Palaisteich im Großen<br />

Garten, teilweise mit „Blumenschlachten“ der vornehmen Damen. Die Presse lobte die<br />

Tribünen und Podien für sieben konzertierende Militärkapellen. Die Zuschauer schätze<br />

man „auf 40.000 Köpfe“.<br />

Ein weiterer Höhepunkt noch vor dem 1. Weltkrieg war 1909 ein Renntag mit dem 1000.<br />

Rennen, wozu das höfische „Salonblatt“ einen großen Beitrag veröffentlichte. Zu dieser<br />

Zeit spricht man schon davon, dass man neben Eisenbahn, Droschke und Equipage“ das<br />

fauchende, fliegende Automobil“ benutzte, das inzwischen entwickelt worden war, dessen<br />

Kraft aber – und das bis in unsere Zeit – nach Pferdestärken bemessen wurde.<br />

Inzwischen hatte Treskow Dresden verlassen und Kommerzienrat Hösch übernahm von<br />

1907 bis 1916 die Leitung des Vereins. „Echte Dresdnerin“ wurde die Rennbahn 1902, in<br />

dem das Dörfchen Seidnitz in die Residenzstadt eingemeindet wurde. Sportlich bemühte<br />

sich der neue Rennplatz durch Schaffung des Großen Sachsenpreises 1893, der freilich<br />

1904 wieder einging. Mehr Resonanz fanden statt dessen der Dresdner – Ehrenpreis -<br />

Ausgleich seit 1899 und der Dresdner Jugendpreis für Zweijährige, seit 1998, die<br />

durchgängig weiterbestanden.<br />

Durch den 1. Weltkrieg fielen die Rennen nur 1919 aus, ansonsten konnten sie – wenn<br />

auch eingeschenkt – weitergeführt werden.<br />

1919 konnte man sogar den Sachsenpreis wieder auferstehen lassen und für ganz<br />

Deutschland den Herrenreitern eine neue Heimstatt bieten. Als Präsidenten wählte der<br />

Verein 14 <strong>Jahre</strong>, von 1916 bis 1929 Hermann Freiherr von Kap-herr - Lockwitz. Er hatte<br />

eine ereignisreiche Zeit zu überstehen. Die bunten Röcke der landeseigenen Regimenter<br />

verschwanden, die bürgerliche Jugend suchte sich neue Vergnügungen mit Charleston<br />

und Foxtrott, das Kino beherrschte das Leben, das Radio kam hinzu, Elektrizität ersetzte<br />

die Pferde vor der Strassenbahn. Pferderennen verband der Turffreund bald stets mit dem<br />

Namen eines jungen Mannes, der 1917 zum ersten Mali im Sattel saß: das war Otto<br />

Schmidt, der bis zum Ende seiner Laufbahn 2216 Sieger ritt. Von 1919 bis 1941 gab es<br />

wieder den Sachsenpreis, 1920 gab es die erste Ausschreibung des <strong>Dresdener</strong> – Steher -<br />

Ausgleichs. Die größte Bedeutung erlangte aber der 1924 erstmals ausgetragene<br />

Dresdner Preis der Dreijährigen, mit dessen Siegern der Name der Elbmetropole in die<br />

deutsche Turfwelt hinaus getragen wurde. Damit verbindet sich vor allem der Name des<br />

Hengstes Palastpage, der 1932 anschließend das Hamburger Derby gewann. Bereits<br />

1930 hatte der Erfolg des Pergolese - Sohns Gregor dazu geführt, dass ihn die<br />

Sowjetunion als Zuchthengst ankaufte.<br />

In der DDR hieß dieses Rennen Herold - Rennen und Preis der VE - Gestüte. Aus ihm<br />

gingen 14 DDR - Derbysieger hervor, wobei natürlich die acht in Seidnitz trainierten<br />

Renner besonders bejubelt wurden. Sogar eine eigene Fan - Gemeinde entwickelte sich<br />

um Gidron, der 1979 das Publikum begeisterte.<br />

Zunächst überstand aber unsere Rennbahn den 2. Weltkrieg auf ungewöhnliche Weise.<br />

Das Näherrücken der Kampfgebiete führte dazu, dass in Dresden und in den<br />

umliegenden Dörfern immer mehr Rennpferde stationiert wurden; zweihundert solle es<br />

schließlich gewesen sein. 1943 gab es 37 Renntage, wobei auch Breslau, Leipzig und<br />

Gotha hier veranstalteten. Ab Mitte 1944 fanden die Rennen allerdings ohne Publikum<br />

statt. Beim schrecklichen Bombenangriff auf Dresden hatte man in Seidnitz Glück, wo<br />

relative Schäden durch einige wenige Brandbomben entstanden. Die sowjetische<br />

Besatzungsmacht reagierte dann überraschend, indem sie in Bad Doberan selbst den<br />

ersten Nachkriegsrenntag bereits am 3. Juni 1945 – allerdings kaum mit Vollblütern<br />

veranstaltete. Es folgten die Genehmigungen für Leipzig und Halle, bis am 14. Oktober<br />

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auch Dresden wieder seine Pforten öffnete. Acht Renntage mit 41 Prüfungen fanden noch<br />

1945 statt. 19 Renntage verzeichnete man dann 1946, und es wird auch Initiative von Dr.<br />

Georg Schroeter die Jahrgangsvergleichsprüfung „Triumph“ mit einem Rennpreis von<br />

50.000 RM aus der Taufe gehoben. Der Dresdner Trainer Hans Gröschel kann mit 51<br />

Siegern Champion aller Besatzungszonen in Deutschland werden.<br />

Noch bis 1961 gab es auf pferdesportlichen Gebiet einen gewissen Austausch zwischen<br />

den Zonen und späteren Staaten, wozu auch beitrug, dass der niedersächsische Minister<br />

Dr. Dr. Gereke in die DDR wechselte und hier an die Spitze der Zentralstelle für<br />

Vollblutzucht und Rennen berufen wurde. Spektakulär war schon 1948 der Sieg des<br />

Leipziger Spitzenpferdes Birkhahn im Hamburger Derby. Der Rennplatz Dresden bekam<br />

in der kleinen DDR immer größere Aufgaben, weil frühere Hoppegartner Standardrennen<br />

von der Bundesrepublik beansprucht wurden und nun im Osten ein neues Pendant<br />

gefunden werden musste. Freilich hatte die Besatzungsmacht 1946 alle Vereine<br />

aufgelöst, und der Rennbetrieb wurde zunächst durch eine Treuhandgesellschaft, dann<br />

von einem VEB geleitet.<br />

Die Tradition hielt man erstaunlicherweise in Ehren, und veranstaltete z.B. zehn <strong>Jahre</strong><br />

einen Jubiläumspreis, bei dem auch polnische und tschechische Spitzenpferde<br />

Starmöglichkeiten fanden.<br />

Für das 100. Jubiläum sollten aus dem Staatssäckel auch Mittel zur Restaurierung der<br />

Tribüne bereitstehen. Mit dem Bau beauftragte man eine VEB mit einem Herrn namens<br />

Christoph Winkler an der Spitze. Aber plötzlich verschwand der Staat und mit ihm das<br />

geplante Geld. Aus dem VEB wurde ganz fix eine GmbH, der Betriebsleiter blieb, er hieß<br />

nun Geschäftsführer und fand Freunde im Rathaus, die auch die Finanzierung des<br />

Jubiläums übernahm. Im neugegründeten Verein freute man sich so, dass man Christoph<br />

Winkler gleich den Posten eines Vereinspräsidenten antrug. Unter seiner Leitung<br />

wandelte sich der Preis der Dreijährigen zum Großen Radeberger Pilsner - Preis, den u.a.<br />

Laroche und All my Dreams 1994 und 1995 gewannen, ehe sie im Hamburger Derby<br />

siegreich waren und damit das Radeberger Bier in der ganzen Bundesrepublik bekannt<br />

machten.<br />

Etwa zur gleichen Zeit wie der <strong>Dresdener</strong> <strong>Rennverein</strong> gründete man eine Zeitung, die sich<br />

nur der Verbreitung der Pferderennen widmete; sie hieß „Sport Welt“. Der Name<br />

entsprang dem allgemeinen Sprachgebrauch, denn seit Mitte des 19.Jahrhunderts hießen<br />

alle Beschäftigungen mit Pferden nach der englischen Bezeichnung „sports“. Bei den<br />

Briten war das schon länger üblich; die weitverbreitete Zeitung „Sporting Magazine“ hieß<br />

in der Übersetzung „Freizeit- R<strong>ev</strong>ue“.<br />

Das Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm erklärte den Begriff noch in der<br />

Ausgabe von 1906 so; „Sport mit Leibesübung als Spiel und zum Vergnügen; ein<br />

englisches Wort, das die Vergnügungen des Feldes, der Jagd, Wettrennen, Schwimmen<br />

und sonst allerlei Kurzweil, nach festen Regeln ausgeführt, im Mittelenglischen „disport“,<br />

mit dem Verbum „disporten“, sich vergnügen lautet und auf Altfranzösisch „desport“,<br />

italienisch „disporto“ – Belustigung, Freude, Vergnügen zurückgeht ...... die Sache hat<br />

erst in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts so um sich gegriffen, dass das Wort<br />

völlig in die deutsche Sprache eingegliedert ist; Sport treiben, Jagd-, Reit-, Renn-,<br />

Schwimm-, Rittersport ...... dem Sport huldigen, den Sport pflegen.“<br />

Von Anfang an zählten übrigens die Engländer ausgerechnet auch das Angeln zu ihren<br />

„Sports“, sprich Vergnügungen. Bleibt und zu resümieren, dass 1805 der englische<br />

Gesandte am sächsischen Hofe, Lord Wynn, versuchte, seine „Sports“ bekannt zu<br />

machen, indem er Vollblüter samt Jockeys einführte, um im Dresdner Ostragehege laufen<br />

zu lassen und mit Baron von Curland darauf zu wetten. Doch die Sache fand wohl keine<br />

Freude.<br />

7


Ein Riesenvergnügen für die Hofgesellschaft war dann 1841 eine Veranstaltung auf der<br />

sogenannten Maillebahn im Großen Garten, als nach dem Muster der uralten Ritterspiele<br />

jeweils zwei Adelssöhne mit ihren Pferden (aber keine Vollblüter) um die Wette liefen.<br />

1852 gründeten schließlich Offiziere einen Rennklub, dessen Rennen sogar im<br />

„Hippologischen Kalender“ erwähnt wurden. Aber erst Walter von Treskow blieb es<br />

vorbehalten, einen wirklich dem englischen Vorbild nachempfundenen <strong>Rennverein</strong> zu<br />

gründen- .. „Sport“ hat inzwischen eine übergreifende Bedeutung gefunden.<br />

Interessanterweise kamen Ballspiele – und damit Fußball – erst ganz zuletzt dazu.<br />

Wir sollten deshalb ein wenig Stolz entwickeln, dass der Pferdesport den Ursprung allen<br />

Sports bildet, Auch deshalb haben wir Grund, das <strong>120</strong>-jährige Jubiläum zu feiern.<br />

Kontaktadresse: Horst Gründel, August-Bebel-Straße 37, 01445 Radebeul<br />

Tel. / Fax 0351 / 8301484<br />

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