31.10.2012 Aufrufe

Pdf-Document - DIW Berlin

Pdf-Document - DIW Berlin

Pdf-Document - DIW Berlin

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung<br />

gegründet 1925 als Institut für Konjunkturforschung<br />

von Prof. Dr. Ernst Wagemann<br />

Mohrenstraße 58<br />

10117 <strong>Berlin</strong><br />

Deutschland<br />

Vorstand:<br />

Präsident Prof. Dr. Klaus F. Zimmermann<br />

Vizepräsident Prof. Dr. Georg Meran<br />

Geschäftsführer Dr. Alexander Fisher<br />

Kollegium der Abteilungsleiter:<br />

Prof. Dr. Tilman Brück<br />

Prof. Dr. Claudia Kemfert<br />

Prof. Dr. Viktor Steiner<br />

Prof. Dr. Dr. h.c. Alfred Steinherr<br />

Prof. Dr. Gert G. Wagner<br />

Prof. Dr. Christian Wey


Vierteljahrshefte<br />

zur Wirtschaftsforschung<br />

76. Jahrgang, Heft 3/2007<br />

Firmendaten: Nützlich<br />

für die wissenschaftliche<br />

Politikberatung?<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Innentitel.indd 1 22.10.2007 11:23:29


Herausgeber:<br />

Prof. Dr. Friedrich Breyer<br />

Prof. Dr. Georg Meran<br />

Prof. Dr. Hans-Georg Petersen<br />

Prof. Dr. Viktor Steiner<br />

Prof. Dr. Gert G. Wagner<br />

Prof. Dr. Wolfgang Wiegard<br />

Prof. Dr. Klaus F. Zimmermann<br />

Mohrenstraße 58<br />

10117 <strong>Berlin</strong><br />

Deutschland<br />

Tel. +49 (30) 8 97 89-0<br />

Fax +49 (30) 8 97 89-200<br />

Redaktion:<br />

Dr. Pio Baake<br />

Juniorprof. Dr. Ulrich Fritsche<br />

Ellen Müller-Gödtel<br />

Dr. Barbara Praetorius<br />

Dr. Mechthild Schrooten<br />

Prof. Dr. Reimund Schwarze<br />

Prof. Dr. C. Katharina Spieß<br />

Verantwortlich für das vorliegende Heft:<br />

Prof. Dr. Andreas Stephan<br />

Verlag Duncker & Humblot GmbH<br />

Carl-Heinrich-Becker-Weg 9<br />

12165 <strong>Berlin</strong><br />

Alle Rechte vorbehalten<br />

© 2007 Duncker & Humblot GmbH<br />

Konzept und Gestaltung:<br />

kognito, <strong>Berlin</strong><br />

Satz:<br />

Alfred Gutzler<br />

Ellen Müller-Gödtel<br />

Druck:<br />

2007 bei <strong>Berlin</strong>er Buchdruckerei Union GmbH<br />

Urbanstr. 71<br />

10967 <strong>Berlin</strong><br />

Printed in Germany<br />

ISSN 0340-1707<br />

ISBN 978-3-428-12682-8


Inhaltsverzeichnis<br />

Der Nutzen von Firmendaten für die wirtschaftspolitische<br />

Beratung 5<br />

Von Andreas Stephan<br />

Firmendaten der amtlichen Statistik – Datenzugang und neue<br />

Entwicklungen im Forschungsdatenzentrum 8<br />

Von Anja Malchin und Ramona Pohl<br />

Die Nutzung der Innovationsdaten des Mannheimer<br />

Innovationspanels für die Politikberatung 17<br />

Von Tobias Schmidt und Birgit Aschhoff<br />

Diversifikationsmaße im Praxistest – Ergebnisse auf der<br />

Grundlage von amtlichen Mikrodaten für Deutschland 29<br />

Von Petra Zloczysti und Cathleen Faber<br />

Spezialisierung und Unternehmenserfolg im verarbeitenden<br />

Gewerbe Deutschlands 43<br />

Von Bernd Görzig, Martin Gornig und Ramona Pohl<br />

Die Heterogenität der Effizienz innerhalb von Branchen – Eine<br />

Auswertung von Unternehmensdaten der Kostenstrukturerhebung<br />

im Verarbeitenden Gewerbe 59<br />

Von Michael Fritsch und Andreas Stephan<br />

Jobmotor Mittelstand? Arbeitsplatzdynamik und Betriebsgröße<br />

in der westdeutschen Industrie 76<br />

Von Joachim Wagner<br />

Beschäftigungsprognosen auf Basis amtlicher Firmendaten als<br />

Instrument einer handlungsorientierten Politikberatung am<br />

Beispiel Brandenburg 88<br />

Von Markus Höhne, Carsten Kampe, Anna Lejpras und<br />

Andreas Stephan<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 3


Der Nutzen von Firmendaten für die<br />

wirtschaftspolitische Beratung<br />

Von Andreas Stephan*<br />

Vierteljahrshefte<br />

zur Wirtschaftsforschung<br />

76 (2007), 3, S. 5–7<br />

In den vergangenen fünf bis zehn Jahren hat sich in Deutschland das Datenangebot für die<br />

empirische Forschung mit Firmendaten erheblich verbessert. Das IAB-Betriebspanel, das<br />

Mannheimer Innovationspanel, das Betriebshistorik-Panel der Bundesagentur für Arbeit<br />

und die seit einigen Jahren von den Forschungsdatenzentren der Statistischen Ämter bereitgestellten<br />

Firmendaten amtlicher Erhebungen sind Beispiele für Datensätze, die nun<br />

für wissenschaftliche Analysen zur Verfügung stehen. Einen guten Überblick über die<br />

neuen Möglichkeiten der Nutzung vertraulicher Firmendaten bietet der Aufsatz von Kaiser<br />

und Wagner (2007).<br />

Firmendaten bilden eine wichtige Grundlage für eine qualitativ hochwertige und international<br />

wettbewerbsfähige Forschung, die darauf abzielt, theoretische Hypothesen auf ihren<br />

empirischen Gehalt hin zu überprüfen. Zunehmend werden Firmendaten auch im Rahmen<br />

der wirtschaftspolitischen Beratung eingesetzt. Ein wichtiger Bereich hierbei ist die Innovationspolitik,<br />

wo Ergebnisse von Befragungen wie dem Mannheimer Innovationspanel<br />

schon seit Jahren konkrete Anhaltspunkte für Handlungsempfehlungen an die Wirtschaftspolitik<br />

liefern.<br />

Das vorliegende Vierteljahrsheft soll nicht nur wichtige Datengrundlagen für die Forschung<br />

mit Firmendaten vorstellen, sondern auch anhand von konkreten Studien das Potenzial<br />

von Firmendaten für die wirtschaftspolitische Beratung aufzeigen. Hervorzuheben<br />

ist hierbei das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderte Projekt<br />

Produktinnovationen und Unternehmenserfolg der Abteilung Innovation, Industrie und<br />

Dienstleistung des <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>, das Pioniercharakter aufweist, weil erstmalig für Deutschland<br />

zwei amtliche wirtschaftsstatistische Erhebungen zusammengeführt wurden: die Produktionsstatistik<br />

zum einen und die Kostenstrukturerhebung zum anderen. Hierdurch ist<br />

ein Product-Producer-Panel geschaffen worden, das erlaubt, die Änderungen der Produktpalette<br />

von Unternehmen im Längsschnitt zu analysieren.<br />

Im ersten Beitrag von Anja Malchin und Ramona Pohl wird eine Übersicht über die Möglichkeiten<br />

der Datennutzung in den Forschungsdatenzentren der Statistischen Ämter des<br />

Bundes und der Länder gegeben. Insbesondere wird das Analysepotential der durch die<br />

Forschungsdatenzentren zur Verfügung gestellten Betriebs- und Unternehmensdaten betrachtet,<br />

da Ergebnisse aus Auswertungen dieser Datenbestände eine valide Basis für die<br />

wirtschaftspolitische Beratung darstellen.<br />

* Jömköping International Business School und <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>, E-Mail: andreas.stephan@ihh.hj.se<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 5


Andreas Stephan<br />

Im zweiten Beitrag von Tobias Schmidt und Birgit Aschhoff werden die Daten des Mannheimer<br />

Innovationspanels (MIP) vorgestellt, einer großen Befragung zum Innovationsverhalten<br />

deutscher Unternehmen. Das Mannheimer Innovationspanel stellt eine qualitativ<br />

hochwertige Basis für die Politikberatung dar. Anhand von konkreten Beispielen wird<br />

weiterhin aufgezeigt, wie die Daten des Innovationspanels konkret für die Politikberatung<br />

genutzt werden. So wird ein Projekt zur Evaluation öffentlicher Forschungs- und Entwicklungsförderung<br />

in Deutschland und Flandern beschrieben. Dieses verdeutlicht, wie methodisch<br />

gut fundierte Analysen mit Politikberatung verknüpft werden können.<br />

Der dritte Beitrag von Petra Zloczysti und Cathleen Faber stellt die in der empirischen industrieökonomischen<br />

Forschung vorherrschenden Diversifikationsmaße vor und unterzieht<br />

diese einem praktischen Test anhand des Produkt-Producer-Panels. Alle getesteten<br />

Diversifikationsmaße zeigen, dass im verarbeitenden Gewerbe in Deutschland ein Trend<br />

hin zu stärkerer Spezialisierung beobachtet wird. Diese Beobachtung steht im Einklang<br />

mit dem seit einigen Jahren ebenfalls zu beobachtenden Trend des Outsourcings und der<br />

Konzentration auf die Kernkompetenz seitens der Unternehmen (vgl. hierzu Görzig, Kaminiarz<br />

und Stephan 2005).<br />

Der vierte Beitrag von Bernd Görzig, Martin Gornig und Ramona Pohl untersucht, wie<br />

Anpassungen der Produktpalette in Beziehung zum Erfolg und zum Wachstum der Unternehmen<br />

gesetzt werden können. Anhand von deskriptiven Auswertungen wird gezeigt,<br />

dass die Mehrzahl der Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe in Deutschland eine Spezialisierungsstrategie<br />

verfolgt und diese Unternehmen hierdurch im Durchschnitt ihren<br />

operativen Gewinn steigern. Vor allem im Fahrzeugbau scheint die Spezialisierungsstrategie<br />

für die Unternehmen erfolgreich zu sein. In der chemischen Industrie schneiden dagegen<br />

bei der Entwicklung des operativen Gewinns Unternehmen mit einer Ausweitung der<br />

Produktpalette besser ab. Es zeigt sich weiterhin, dass sich Produktspezialisierung offensichtlich<br />

insbesondere für Unternehmen mittlerer Größe lohnt.<br />

Die Auswertungen von Angaben aus der Kostenstrukturerhebung der Statistischen Ämter<br />

von Michael Fritsch und Andreas Stephan im fünften Beitrag zeigen, dass Branchen in der<br />

Regel sehr heterogen zusammengesetzt sind. Aus diesem Grund erscheint die Branchenzugehörigkeit<br />

als Abgrenzungskriterium für wirtschaftspolitische Eingriffe fragwürdig.<br />

Ebenso fragwürdig ist eine Verwendung von Branchenaggregaten im Rahmen statistischer<br />

Analysen oder als Grundlage wirtschaftspolitischer Beratung, da hierbei die Heterogenität<br />

innerhalb der Aggregate verdeckt bleibt. Wirtschaftspolitische Maßnahmen sollten sich<br />

daher nicht an Kategorien wie Wirtschaftszweig oder Firmengröße orientieren, denn diese<br />

Einteilungen sind nicht trennscharf im Hinblick auf Eigenschaften von Betrieben wie<br />

Wachstum, Exporterfolg oder Effizienz (siehe auch Wagner 2006).<br />

In der öffentlichen Diskussion gilt als allgemein akzeptiert, dass in Deutschland ein Zusammenhang<br />

zwischen Firmengröße und Arbeitsplatzdynamik besteht, der sich durch den<br />

stilisierten Fakt beschreiben lässt, dass kleine und mittlere Firmen vorwiegend Arbeitsplätze<br />

schaffen, während in großen Firmen vor allem Arbeitsplätze abgebaut werden. Der<br />

Mittelstand gilt als Jobmotor. Im sechsten Beitrag von Joachim Wagner wird gezeigt, dass<br />

eine Auswertung von Längsschnittdaten für Betriebe Zweifel an dieser einfachen Sichtweise<br />

hervorruft. In mittelständischen Betrieben entstehen viele Arbeitsplätze, aber es<br />

werden auch viele abgebaut, und dasselbe gilt für Großbetriebe. Wachsende und schrump-<br />

6 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Der Nutzen von Firmendaten für die wirtschaftspolitische Beratung<br />

fende, neu gegründete und geschlossene Betriebe sind in jeweils erheblichem Umfang in<br />

jedem Jahr in allen Größenklassen anzutreffen. Wirtschaftspolitische Maßnahmen mit einer<br />

spezifischen Ausrichtung auf bestimmte Firmengrößenklassen lassen sich daher nicht<br />

mit einem besonders ausgeprägten Beitrag dieser Firmen zur Beschäftigungsdynamik<br />

rechtfertigen.<br />

Der siebte Beitrag von Markus Höhne, Carsten Kampe, Anna Lejpras und Andreas Stephan<br />

beschreibt die Verwendung eines ökonometrischen Prognosemodells zur Vorhersage<br />

eines sektoral bzw. regional differenzierten Fachkräftebedarfs. Grundlage hierfür bilden<br />

amtliche Firmendaten aus dem „Monatsbericht für Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes<br />

Bergbau und der Gewinnung von Steinen und Erden“. Grundsätzlich kann festgestellt<br />

werden, dass anhand der Mikrodaten verlässliche Prognosen der kurzfristigen Beschäftigungsentwicklung<br />

erstellt werden können und ökonometrische Prognosen anhand von Firmendaten<br />

daher als ein sinnvolles Tool für eine handlungsorientierte Politikberatung anzusehen<br />

sind.<br />

Im Vergleich zur Verwendung von Personendaten in der Forschung und Politikberatung<br />

steckt die Nutzung von Firmendaten in Deutschland eher noch in den Anfängen. Dennoch<br />

ist vorherzusehen, dass sich dies durch die nun verfügbaren qualitativ hochwertigen Datensätze<br />

und die neuen Zugangsmöglichkeiten in den Forschungsdatenzentren in naher<br />

Zukunft ändern wird. Vor allem sollte angestrebt werden, wirtschaftspolitische Maßnahmen,<br />

die Unternehmen betreffen, anhand von Firmendatensätzen mit entsprechenden Methoden,<br />

wie sie in der Evaluation arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen seit einigen Jahren<br />

zunehmend eingesetzt werden, quantitativ zu evaluieren. Dadurch lässt sich der potenzielle<br />

Nutzen einer wirtschaftspolitischen Maßnahme in Relation zu den Kosten bewerten. Eine<br />

andere zukunftsträchtige Richtung erscheint auch die Durchführung von Mikrosimulationen<br />

basierend auf Firmendaten. Anwendungsbeispiele hierfür sind die Auswirkungen<br />

von Änderungen der Unternehmensbesteuerung oder der Gewährung von Subventionen<br />

auf die Arbeitsnachfrage von Unternehmen.<br />

Literaturverzeichnis<br />

Görzig, Bernd, Adrianna Kaminiarz und Andreas Stephan (2005): Wie wirkt sich Outsourcing<br />

auf den Unternehmenserfolg aus? Schmollers Jahrbuch, 125, 489–508.<br />

Kaiser, Ulrich und Joachim Wagner (2007): Neue Möglichkeiten zur Nutzung vertraulicher<br />

amtlicher Personen- und Firmendaten. FDZ-Arbeitspapier Nr. 20.<br />

Download unter: www.forschungsdatenzentrum.de/publikationen/veroeffentlichungen/<br />

fdz_arbeitspapier-20.pdf (Stand vom 22.08.2007).<br />

Wagner, Joachim (2006): Politikrelevante Folgerungen aus Analysen mit Firmendaten der<br />

Amtlichen Statistik. Schmollers Jahrbuch, 126, 359–374.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 7


Firmendaten der amtlichen Statistik –<br />

Datenzugang und neue Entwicklungen im<br />

Forschungsdatenzentrum<br />

Von Anja Malchin und Ramona Pohl*<br />

8 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Vierteljahrshefte<br />

zur Wirtschaftsforschung<br />

76 (2007), 3, S. 8–16<br />

Zusammenfassung: Innerhalb der ersten Förderphase ist von den Forschungsdatenzentren der Statistischen<br />

Ämter des Bundes und der Länder eine Dateninfrastruktur geschaffen worden, die umfangreiche<br />

wissenschaftliche Analysen amtlicher Mikrodaten aus allen Bereichen zulässt. In diesem Aufsatz<br />

wird insbesondere das Analysepotential der durch die Forschungsdatenzentren zur Verfügung<br />

gestellten Betriebs- und Unternehmensdaten betrachtet, da Ergebnisse aus Auswertungen dieser<br />

Datenbestände eine valide Basis für die wirtschaftspolitische Beratung darstellen.<br />

Den Wissenschaftlern stehen nicht nur Erhebungen aus den unterschiedlichsten Wirtschaftszweigen<br />

zur Verfügung, auch der Zugang zu den Mikrodaten wird angepasst an die jeweiligen projektspezifischen<br />

Bedürfnisse. Neben der Bereitstellung einzelner Querschnittserhebungen werden von den FDZ<br />

mittlerweile auch Längsschnittdaten angeboten. Mittelfristig geplant ist die Erweiterung des Dienstleistungsangebots<br />

durch die Verknüpfung von Informationen aus verschiedenen Firmendaten der<br />

amtlichen Statistik bzw. durch die Zusammenführung von Mikrodaten weiterer Datenproduzenten<br />

mit dem Unternehmensregister.<br />

Summary: During the first years of their existence both the research data centre of the Federal Statistical<br />

Office and the statistical offices of the Länder have managed to implement a data infrastructure<br />

in Germany, which allows a wide range of scientific analyses of microdata in all fields of official<br />

statistics. Since valid information about German enterprises is a reliable source for scientific policy<br />

advisory, this paper focuses on the potential of microdata of German enterprises, which are provided<br />

by the research data centres.<br />

Through the research data centres, scientists have access to information from a wide variety of economic<br />

sectors. Data access is customized for the needs of each project. The range of services offered is<br />

extended continuously; analyses of paneldata are already possible. To further enlarge the information<br />

potential of the microdata of official statistics, the linkage of different economic statistics respectively<br />

the matching of microdata of other data producers with the German business register is planned.<br />

JEL Classification: C81, D00, L6, L8<br />

Keywords: Microdata of firms, research data centre<br />

1 Einführung<br />

In den letzten Jahren wurde der Wunsch der Wissenschaft nach einem vereinfachten Zugang<br />

zu amtlichen Mikrodaten erfüllt. Mithilfe von Fördermitteln des Bundesministeriums<br />

für Bildung und Forschung (BMBF) konnte eine Dateninfrastruktur in Deutschland<br />

* Amt für Statistik <strong>Berlin</strong>-Brandenburg, Alt-Friedrichsfelde 60, 10315 <strong>Berlin</strong>, E-Mail: Anja.Malchin@statistikbbb.de,<br />

Ramona.Pohl@statistik-bbb.de


Firmendaten der amtlichen Statistik – Datenzugang und neue Entwicklungen im Forschungsdatenzentrum<br />

aufgebaut werden, die eine entscheidende Grundlage für die Leistungsfähigkeit der Gesellschaft<br />

sowie für eine im internationalen Maßstab innovationsfähige sozial- und wirtschaftswissenschaftliche<br />

Forschung und Politikberatung ist.<br />

Die Ergebnisse der intensiven Nutzung dieser neuen Dateninfrastruktur zeigen sich in vielerlei<br />

Hinsicht bei Veranstaltungen oder auch in den verschiedensten wissenschaftlichen<br />

Publikationen, beispielsweise dem vorliegendem Heft, der European-Data-Watch-Serie<br />

von Schmollers Jahrbuch oder auch den Bänden des Wirtschafts- und Sozialstatistischen<br />

Archivs (AStA) sowie der eigenen Reihe der Forschungsdatenzentren der Statistischen<br />

Ämter, den FDZ-Arbeitspapieren. Das Forschungsdatenzentrum (FDZ) der Statistischen<br />

Ämter der Länder wurde seit April 2004 neben anderen Forschungsdatenzentren der öffentlichen<br />

Datenanbieter als Pilotprojekt vom BMBF gefördert (Zühlke et. al. 2004). Die<br />

erste Förderphase endete im Juni 2007. Seit Juli 2007 läuft eine zweite Förderphase mit<br />

neuen Zielen und Aufgaben bis Dezember 2009. 1<br />

In diesem Aufsatz sollen vorrangig die Firmendaten der amtlichen Statistik vorgestellt<br />

werden. Nach einem Überblick über die derzeit verfügbaren Betriebs- und Unternehmensdaten<br />

im FDZ werden kurz die Zugangsmöglichkeiten erläutert. Abschließend folgen<br />

Ausführungen zu neuen Entwicklungen im FDZ.<br />

2 Betriebs- und Unternehmensdaten<br />

Ziel der Forschungsdatenzentren ist es, der Wissenschaft die Nutzung von amtlichen Mikrodaten<br />

zu ermöglichen. Zu diesem Zweck wurden in der ersten Förderphase des FDZ<br />

ausgewählte Statistiken sukzessive zusammengetragen, aufbereitet und detailliert durch<br />

Metadaten dokumentiert. 2 Dadurch wurde ein auf die Anforderungen der Wissenschaft abgestimmtes<br />

Datenangebot aufgebaut, das über verschiedene Zugangswege ausgewertet<br />

werden kann.<br />

Im Bereich der Betriebs- und Unternehmensdaten können im FDZ Mikrodaten aus ca. 20<br />

Wirtschaftsstatistiken genutzt werden. Zu den Firmendaten zählen in der amtlichen Statistik<br />

ebenfalls die Daten aus dem Agrar- und Umweltbereich sowie einige Erhebungen aus<br />

dem Steuerbereich. Die Erhebungen bei Betrieben bzw. Unternehmen 3 erfolgen in der Regel<br />

mit Auskunftspflicht und getrennt nach den Wirtschaftsbereichen. Nachfolgend wird<br />

eine kleine Auswahl der Betriebs- und Unternehmensdaten – einige Mikrodaten aus dem<br />

Bereich der Wirtschaftsstatistiken – vorgestellt. Alle derzeitig und auch zukünftig verfügbaren<br />

Mikrodaten in den FDZ sind mit detaillierten Informationen im Internet unter<br />

www.forschungsdatenzentrum.de zu finden. 4<br />

1 Nähere Ausführungen zu den Aufgaben und Zielen des FDZ in der zweiten Förderphase findet man unter<br />

Bömermann et al. (2007).<br />

2 Vgl. www.forschungszentrum.de<br />

3 Ein Betrieb ist in der amtlichen Statistik als die kleinste örtliche Einheit definiert. Das Unternehmen stellt die<br />

kleinste rechtliche Einheit dar. Als Firmendaten werden in diesem Beitrag die amtlichen Betriebs- und Unternehmensdaten<br />

definiert.<br />

4 Es besteht zusätzlich die Möglichkeit, sich für den Newsletter anzumelden, um so über Neuheiten oder auch<br />

Veranstaltungen informiert zu werden.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 9


Anja Malchin und Ramona Pohl<br />

2.1 Betriebs- und Unternehmensdaten im Verarbeitenden Gewerbe<br />

Die amtliche Statistik des Verarbeitenden Gewerbes in Deutschland ist vergleichsweise<br />

gut ausgebaut. Das Erhebungssystem besteht aus mehreren konsistent verbundenen Einzelbefragungen<br />

zu unterschiedlichen Themenbereichen. So werden beispielsweise im Monatsbericht<br />

5 für Betriebe die Beschäftigten, die Löhne und Gehälter, die Arbeitsstunden<br />

und die Umsätze – untergliedert nach Inlands- und Auslandsumsatz – erfasst (Statistisches<br />

Bundesamt 2005a). In der Produktionserhebung melden die Betriebe ihre Produkte mit<br />

den entsprechenden Absatzproduktionswerten und in der Investitionserhebung sind zum<br />

Beispiel die Investitionen für erworbene und selbsterstellte Sachanlagen, wie Grundstücke<br />

mit oder ohne Bauten und Maschinen, enthalten (Statistisches Bundesamt 2005b,c). Bei<br />

den genannten Erhebungen handelt es sich um Totalerhebungen mit Abschneidegrenzen,<br />

deren Berichtskreise sich ähneln. 6 Die Mikrodaten dieser einzelnen Statistiken stehen im<br />

FDZ zum einen als Querschnitt, zum anderen verknüpft über die Zeit als Längsschnittdatensatz<br />

zur Verfügung. Zusätzlich wurde im FDZ ein „Betriebspanel“ erstellt, in dem die<br />

Mikrodaten des Monatsberichtes einschließlich der Investitionserhebung sowie der Kleinbetriebserhebung<br />

7 zusammengefügt und als Panel verknüpft wurden (Konold 2007). Nähere<br />

Ausführungen zu den Forschungspotentialen der Betriebspaneldaten finden sich in<br />

Wagner (2007).<br />

Als Unternehmensbefragung ist die Kostenstrukturerhebung im Verarbeitenden Gewerbe<br />

zu nennen, die für vielfältige Strukturuntersuchungen geeignet ist (Fritsch et al. 2004). Die<br />

Kostenstrukturerhebung liefert umfassende Informationen über die Produktionsergebnisse,<br />

die eingesetzten Produktionsfaktoren sowie über die Wertschöpfung. Es handelt sich<br />

um eine Stichprobenerhebung bei Unternehmen mit mindestens 20 Beschäftigten (Statistisches<br />

Bundesamt 2005d). Die Mikrodaten dieser Erhebung sind ebenfalls im FDZ verknüpft<br />

als Längsschnittdaten nutzbar.<br />

2.2 Unternehmensdaten im Handel und Gastgewerbe<br />

Die jährlich durchgeführten Strukturerhebungen im Einzelhandel und im Gastgewerbe liefern<br />

wirtschaftspolitisch bedeutsame Informationen über die Unternehmensstruktur sowie<br />

zur Beurteilung der Rentabilität und Produktivität der befragten Unternehmen.<br />

In beiden Wirtschaftsbereichen werden neben dem Jahresumsatz, den Investitionen, dem<br />

Wareneingang und den Lagerbeständen am Anfang und am Ende des Jahres auch die Anzahl<br />

der Beschäftigten, die Bruttolohn- und -gehaltssumme sowie die Sozialabgaben erfasst<br />

(Statistisches Bundesamt 2006a,b). Der Gesamtumsatz in der Strukturerhebung im<br />

Einzelhandel wird zusätzlich nach Arten der ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeiten aufgegliedert.<br />

5 Monatsbericht für Betriebe im Verarbeitenden Gewerbe sowie des Bergbaus und der Gewinnung von Steinen<br />

und Erden.<br />

6 Einbezogen werden in der Regel Betriebe, die einem Unternehmen des Produzierenden Gewerbes angehören,<br />

das mehr als 20 tätige Personen aufweist. Liegt der Schwerpunkt des Unternehmens außerhalb des Produzierenden<br />

Gewerbes, werden die Betriebe dann einbezogen, wenn sie mindestens 20 Personen beschäftigen.<br />

7 In der Kleinbetriebserhebung sind Betriebe mit im Allgemeinen weniger als 20 Beschäftigten im Bereich<br />

Verarbeitendes Gewerbe, Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden enthalten. Die Kleinbetriebserhebung<br />

wurde im Berichtsjahr 2002 jedoch letztmalig durchgeführt.<br />

10 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Firmendaten der amtlichen Statistik – Datenzugang und neue Entwicklungen im Forschungsdatenzentrum<br />

Aufgrund des breiten Spektrums an Erhebungsmerkmalen eignen sich die Stichprobenerhebungen<br />

des Handels und des Gastgewerbes besonders für Analysen der Umsatz-, Investitions-<br />

und Beschäftigungsstruktur sowie von Kapital- und Beschäftigungsrentabilität<br />

und -produktivität in beiden Branchen.<br />

2.3 Unternehmensdaten im Dienstleistungsbereich<br />

Bis vor einigen Jahren ist die Tatsache der fortschreitenden Tertiarisierung und das damit<br />

verbundene Wachstum im Bereich der Dienstleistungen nur unzureichend durch die amtliche<br />

Statistik abgebildet worden. Gerade zu diesem bedeutenden Wirtschaftszweig fehlten<br />

bisher belastbare Ergebnisse, die den Wandel der deutschen Unternehmenslandschaft zu<br />

einer Dienstleistungsgesellschaft zeigen.<br />

Im Dienstleistungsbereich wird daher seit dem Jahr 2000 eine Strukturerhebung durchgeführt,<br />

die dazu beiträgt, die noch bestehenden Informationsdefizite im Bereich der Dienstleistungen<br />

zu beheben. Einbezogen werden Unternehmen und Einrichtungen, die den<br />

Schwerpunkt ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit in den Wirtschaftsbereichen Verkehr und<br />

Nachrichtenübermittlung, Grundstücks- und Wohnungswesen, Vermietung beweglicher<br />

Sachen sowie unternehmensnahe Dienstleistungen haben.<br />

Im Rahmen dieser Stichprobenerhebung 8 sind neben allgemeinen Angaben der befragten<br />

Unternehmen wie Sitz oder der Anzahl der Niederlassungen auch umfassende Informationen<br />

über tätige Personen, Löhne und Gehälter, Umsätze, Aufwendungen, die Bestände am<br />

Anfang und am Ende des Berichtsjahres sowie über Steuern, Subventionen und getätigte<br />

Investitionen enthalten (Statistisches Bundesamt 2005e). Wissenschaftliche Auswertungen<br />

zu den genannten Unternehmensmerkmalen sind auf Ebene der Bundesländer möglich.<br />

2.4 Weitere Betriebs- und Unternehmensdaten<br />

In der nachfolgend vorgestellten Gehalts- und Lohnstrukturerhebung (GLS) sowie in der<br />

Arbeitskostenerhebung werden im Gegensatz zu den bisher genannten Erhebungen Betriebe<br />

bzw. Unternehmen mehrerer Wirtschaftszweige erfasst.<br />

Die GLS wird im Allgemeinen alle vier Jahre als Stichprobe in den Betrieben des Verarbeitenden<br />

Gewerbes und ausgewählter Dienstleistungsbereiche durchgeführt. Die Erhebung<br />

enthält ausführliche Informationen zur Person, zur Tätigkeit und zum Verdienst der<br />

Arbeitnehmer. Auf Betriebsebene gibt es zusätzlich Angaben darüber, ob die öffentliche<br />

Hand am Unternehmen beteiligt ist, welche Tarifverträge gelten, sowie zur Anzahl der Beschäftigten,<br />

jeweils differenziert nach Geschlecht und Status der Arbeitnehmer (Hafner<br />

und Lenz 2007).<br />

8 Kleinunternehmen mit einem jährlichen Umsatz unter 16620 Euro werden nicht herangezogen; Angaben<br />

zu sämtlichen genannten Positionen sind für alle Unternehmen mit einem jährlichen Umsatz von mehr als<br />

250 000 Euro enthalten.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 11


Anja Malchin und Ramona Pohl<br />

Bei der GLS handelt es sich um einen Linked-Employer-Employee-Datensatz, d.h., die<br />

Angaben zu den Beschäftigten lassen sich mit den Merkmalen des jeweiligen Betriebes<br />

verknüpfen. Der Datensatz eignet sich gut zur Analyse geschlechtsspezifischer Lohnunterschiede<br />

sowie zur Untersuchung der Verdienstunterschiede in tarifgebundenen Betrieben<br />

im Vergleich zu solchen, die nach freier Vereinbarung vergüten. Da die Stichprobenauswahl<br />

auf Bundeslandebene erfolgt, lassen sich für kleinräumigere regionale<br />

Gliederungen keine repräsentativen Ergebnisse erzielen.<br />

Als weitere wichtige Erhebung im Bereich der Betriebs- und Unternehmensdaten lässt<br />

sich die Arbeitskostenerhebung nennen. Diese Stichprobenerhebung wird alle vier Jahre<br />

in Unternehmen des Produzierenden Gewerbes und in ausgewählten Dienstleistungsbranchen<br />

durchgeführt (Statistisches Bundesamt 2007). Die Arbeitskostenerhebung gibt Aufschluss<br />

über die Höhe und Struktur der Kosten, welche den Unternehmen bei der Beschäftigung<br />

von Arbeitnehmern entstehen. Gut 40 Kostenpositionen werden differenziert:<br />

Neben den Löhnen und Gehältern insgesamt sind u.a. Informationen über Sonderzahlungen,<br />

Vergütung für Feiertage, Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung, Beiträge zur<br />

Berufsgenossenschaft, Pensionsrückstellungen und Familienunterstützungen enthalten.<br />

Die Arbeitskostenerhebung eignet sich beispielsweise dazu, den Anteil der Lohnnebenkosten<br />

und der zusätzlichen Leistungen der Arbeitgeber differenziert nach Branchen zu untersuchen.<br />

Regionale Analysen sind auf Ebene der Bundesländer möglich. Die Erhebung<br />

wird in allen Mitgliedsstaaten der EU durchgeführt, die Ergebnisse sind also europaweit<br />

vergleichbar.<br />

3 Datenzugang<br />

Die Forschungsdatenzentren bieten verschiedene Zugangswege zu den Mikrodaten der<br />

amtlichen Statistik an, die sich sowohl hinsichtlich der Anonymität der Daten als auch in<br />

der Art der Datenbereitstellung unterscheiden (Zühlke et al. 2004).<br />

Speziell für die Lehre an Hochschulen werden CAMPUS-Files entwickelt, die kostenfrei<br />

per Download aus dem Internet bezogen werden können. 9 CAMPUS-Files sind absolut<br />

anonymisierte Mikrodaten, mit deren Hilfe sich Studierende Methodenkenntnisse aneignen<br />

sowie sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Fragestellungen empirisch mithilfe<br />

von Statistikprogrammen analysieren können. Für stark nachgefragte Statistiken wie die<br />

GLS wurden standardisierte Scientific-Use-Files erstellt (Statistisches Bundesamt 2005f).<br />

Auch diese Datendateien können außerhalb der FDZ genutzt werden. Sie enthalten faktisch<br />

anonymisierte Mikrodaten, die von den Wissenschaftlern am eigenen Arbeitsplatz<br />

ausgewertet werden dürfen.<br />

Daneben bieten die FDZ mit ihren Gastwissenschaftlerarbeitsplätzen und der kontrollierten<br />

Datenfernverarbeitung auch speziell auf den jeweiligen Datenbedarf zugeschnittene<br />

Datenzugangsmöglichkeiten an. Hier können weniger stark anonymisierte Mikrodaten genutzt<br />

werden, die in abgeschotteten Bereichen in den FDZ bereitgestellt werden. Das FDZ<br />

der Statistischen Ämter der Länder ist mit regionalen Standorten bundesweit in fast allen<br />

9 Vgl. www.forschungsdatenzentrum.de<br />

12 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Firmendaten der amtlichen Statistik – Datenzugang und neue Entwicklungen im Forschungsdatenzentrum<br />

Statistischen Landesämtern vertreten. Dadurch können amtliche Mikrodaten in der Nähe<br />

der wissenschaftlichen Institute und Hochschulen analysiert werden. Diese lokale Präsenz<br />

des FDZ wird von den Nutzern sehr positiv angenommen (Geschäftstelle des FDZ 2006).<br />

An den Gastwissenschaftlerarbeitsplätzen stehen den Nutzern die gängigen Statistikprogramme<br />

SPSS, SAS und STATA für die Auswertung der Mikrodaten zur Verfügung. Die<br />

Mikrodaten werden im Vorfeld projektspezifisch anonymisiert, enthalten jedoch mehr Informationen<br />

als die standardisierten Scientific-Use-Files. Die Anonymität wird hierbei<br />

durch restriktivere Rahmenbedingungen für den Datenzugang sowie durch die Anonymisierung<br />

der Daten erreicht.<br />

Die kontrollierte Datenfernverarbeitung als weiterer Zugangsweg ist örtlich unabhängig.<br />

Über diesen Zugangsweg können Mikrodaten analysiert werden, die lediglich formal anonymisiert<br />

sind. Die Datennutzer erhalten hierzu Strukturdaten, die in Aufbau und Merkmalsausprägungen<br />

den Originaldaten entsprechen. Mithilfe dieser Dummy-Dateien können<br />

Auswertungsprogramme in den Statistikprogrammen SPSS, SAS oder STATA erstellt<br />

werden. Diese Programme werden dann von Ansprechpartnern in den FDZ an den Originaldaten<br />

ausgeführt und die entstehenden Ergebnisse auf Geheimhaltung geprüft. Anschließend<br />

erhalten die Datennutzer die Ergebnisse ihrer Auswertungen.<br />

Die genannten Zugangswege können auch miteinander kombiniert werden. Die Erfahrungen<br />

der ersten Förderphase zeigen, dass es bei komplexen Daten, insbesondere bei<br />

Betriebs- und Unternehmensdaten, durchaus sinnvoll ist, diese vorerst am Gastwissenschaftlerarbeitsplatz<br />

zu nutzen. Nach erfolgreicher „Kennenlernphase“ bietet sich die<br />

Auswertung der Originaldaten über die kontrollierte Datenfernverarbeitung an. Solche<br />

Aufteilungen sind gerade bei längeren Forschungsprojekten sinnvoll.<br />

4 Neue Entwicklungen<br />

Mit der Änderung des Bundesstatistikgesetzes (BStatG) im Jahre 2005 besteht nunmehr<br />

die Möglichkeit, Informationen aus den verschiedenen Erhebungen der Wirtschafts- und<br />

Umweltstatistiken zusammenzuführen (siehe §13a BStatG). Die Verknüpfung von Betriebs-<br />

und Unternehmensdaten ist für wissenschaftliche Forschungsprojekte von besonderem<br />

Interesse, da die meisten amtlichen Wirtschafts- und Umweltstatistiken einen geringen<br />

Merkmalsumfang aufweisen und durch Verknüpfungen das Informationspotential<br />

erhöht wird.<br />

Die Forschungsdatenzentren wollen zukünftig unter anderem mit dem Projekt der „Integration<br />

von amtlichen wirtschafts- und umweltstatistischen Daten unter Berücksichtigung<br />

der Zeitdimension“ ihr Dienstleistungsangebot weiterentwickeln. Auch im Rahmen der<br />

Evaluation des FDZ wird die Integration als Aufgabe von den Gutachtern ausdrücklich<br />

empfohlen (Bericht der Gutachtergruppe 2006). Dieses Projekt unterteilt sich in zwei Teilprojekte<br />

„AFiD – Amtliche Firmendaten für Deutschland“ und „KombiFiD – Kombinierte<br />

Firmendaten für Deutschland“, die nachfolgend näher erläutert werden.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 13


Anja Malchin und Ramona Pohl<br />

4.1 AFiD – Amtliche Firmendaten für Deutschland<br />

Die Zusammenführung der Firmendaten der amtlichen Statistik erfolgt im Teilprojekt<br />

AFiD, als eine der Aufgaben des FDZ in der zweiten Förderphase. Hier konnten in der<br />

ersten Förderphase bereits Erfahrungen mit der Verknüpfung wirtschaftsstatistischer Daten<br />

gesammelt werden. Für einzelne Projekte wurden beispielsweise die Kostenstrukturund<br />

die Produktionserhebung zusammengeführt (Görzig et al. 2005). Neben den Statistiken<br />

aus dem Verarbeitenden Gewerbe bieten sich eine Reihe von weiteren Erhebungen<br />

aus den unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen zur Integration an, so beispielsweise aus<br />

dem Dienstleistungsbereich, dem Baugewerbe, der Landwirtschaft oder dem Umweltbereich.<br />

Des Weiteren können auch Informationen aus den Steuerstatistiken für die Zusammenführung<br />

genutzt werden.<br />

Die Auswahlgrundlage der betroffenen Erhebungen wird bis auf wenige Ausnahmen vom<br />

Unternehmensregister (URS) gebildet. Ziel des Projektes AFiD ist eine Zusammenführung<br />

des URS mit den Mikrodaten ausgewählter Erhebungen. Eine Auswertung des<br />

Unternehmensregisters im Rahmen der Belastungsstudie der Unternehmen (vgl. Stäglin<br />

und Pfeiffer 2006) zeigte, dass von den rund 3,5 Millionen Unternehmen im Jahr 2004 nur<br />

15,2% berichtspflichtig waren. Für diese berichtspflichtigen Unternehmen sollen die firmenspezifischen<br />

Informationen aus den gewählten Erhebungen an die bisher vorhandenen<br />

Informationen im URS angefügt werden. Das Produzierende Gewerbe stellt dabei die<br />

höchsten Anteile der berichtspflichtigen Unternehmen, wobei sich dieser hohe Anteil zum<br />

einen durch die Historie des URS erklärt und zum anderen durch die in dem Bereich<br />

durchgeführten Vollerhebungen mit Abschneidegrenze. Die weniger hohen Anteile in den<br />

Bereichen Handel und Gastgewerbe ergeben sich durch die dort durchgeführten Stichprobenerhebungen.<br />

Für die Dienstleistungsbereiche ergeben sich ebenfalls höhere Anteile,<br />

die aus der jungen Dienstleistungsstatistik resultieren.<br />

Die Zusammenführung der Mikrodaten im Projekt AFiD soll schrittweise erfolgen. Zunächst<br />

werden für einzelne Wirtschaftsbereiche sowie auch bereichsübergreifend Teilkonzepte<br />

entwickelt, die die Erstellung von Einzelprodukten im Längsschnitt enthalten. Ein<br />

Beispiel für ein Teilprodukt wäre ein Betriebs- oder Unternehmensdatensatz für das Verarbeitende<br />

Gewerbe, der alle Informationen aus den entsprechenden Erhebungen verknüpft<br />

über die Zeit enthält. Über diese Verknüpfungen entstehen umfassende Datenbestände, deren<br />

Analysepotenzial noch zusätzlich erweitert werden kann. Je komplexer der Datenbestand<br />

ist, desto vielfältiger sind jedoch die methodischen Anforderungen, die bei der Zusammenführung<br />

der Daten beachtet und im Projekt bearbeitet werden müssen. Hierzu<br />

gehören unter anderem die unterschiedlichen Erhebungsdesigns in den Statistiken oder<br />

das (Nicht-)Vorhandensein einheitlicher Identifikationsnummern. Ferner soll der Informationsgehalt<br />

der einzelnen Analyseeinheiten, wie Unternehmen, Betriebe oder Produkte, erhalten<br />

bleiben. Darüber hinaus ergeben sich zusätzliche Anforderungen an die fachliche<br />

Erarbeitung der Metadaten, da den Wissenschaftlern sowohl Informationen über die Zusammenführung<br />

der Daten und die damit verbundenen Selektionsprozesse als auch über<br />

die Anwendung von Gewichtungsverfahren zur Verfügung gestellt werden müssen.<br />

14 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Firmendaten der amtlichen Statistik – Datenzugang und neue Entwicklungen im Forschungsdatenzentrum<br />

4.2 KombiFiD – Kombinierte Firmendaten für Deutschland<br />

Bei dem Teilprojekt KombiFiD handelt es sich um eine Machbarkeitsstudie zur Verknüpfung<br />

des Unternehmensregisters mit Mikrodaten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />

(IAB). Diese Studie wird gemeinsam von der Leuphana Universität Lüneburg<br />

(Prof. Dr. Joachim Wagner), dem Forschungsdatenzentrum des Statistischen<br />

Bundesamtes und dem IAB durchgeführt (Bender, Wagner und Zwick 2007). In der ersten<br />

Phase werden die inhaltlichen und datenschutzrechtlichen Fragen geklärt sowie die Zusammenführung<br />

der Unternehmen bis hin zur Bereitstellung der verknüpften Datenbestände<br />

für Forschungsprojekte durchgeführt. Die Zusammenführung der Mikrodaten des Unternehmensregisters<br />

mit denen des IAB erfolgt für nur diejenigen Unternehmen, die einer<br />

solchen Verknüpfung schriftlich zugestimmt haben.<br />

Sofern die Verknüpfung der Daten grundsätzlich durchführbar ist, soll in der anschließenden<br />

Phase die Möglichkeit der Erweiterung dieser so geschaffenen Datenbestände um zusätzliche<br />

Informationen aus Betriebs- und Unternehmensdaten der Statistischen Ämter,<br />

beispielsweise aus Wirtschafts- und Steuerstatistiken, sowie um Mikrodaten weiterer Datenproduzenten<br />

geprüft werden.<br />

Es wird deutlich, dass die Forschungsdatenzentren ihr Dienstleistungsangebot kontinuierlich<br />

und nutzerorientiert weiterentwickeln. Folgendes Zitat bildet ein gelungenes Fazit<br />

dieses Beitrags:<br />

„Weitere große Fortschritte beim Zugang zu vertraulichen Mikrodaten in Deutschland in<br />

den kommenden Jahren zu erwarten ist damit realistisch.“ (Kaiser und Wagner 2007).<br />

Literaturverzeichnis<br />

Bender, S., J. Wagner und M. Zwick (2007): Machbarkeitsstudie: Zusammenführung von<br />

Mikrodaten der Statistischen Ämter, des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung<br />

und weiterer Datenproduzenten – Kombinierte Firmendaten für Deutschland<br />

(KombiFiD). Mimeo.<br />

Bericht der Gutachtergruppe mit Empfehlungen (2006): Ergebnisse der Evaluierung des<br />

Forschungsdatenzentrums der Statistischen Landesämter. Begehung am 13. Oktober<br />

2006. Unveröffentlichtes Manuskript. Lüneburg.<br />

Bömermann et al. (2007): Das Forschungsdatenzentrum der Statistischen Landesämter –<br />

Was haben wir erreicht und wie geht es weiter? Zeitschrift für amtliche Statistik <strong>Berlin</strong><br />

Brandenburg, 2, 30–33.<br />

Fritsch M., B. Görzig, O. Hennchen und A. Stephan (2004): Cost Structure Surveys in<br />

Germany. Schmollers Jahrbuch/Journal of Applied Social Science Studies, 124, 557–<br />

566.<br />

Geschäftstelle des Forschungsdatenzentrums der Statistischen Landesämter (2006):<br />

Beantwortung des Fragenkataloges der Leibniz-Gemeinschaft für die Evaluation des<br />

Projektes „Verbesserung des Zugangs der Wissenschaft zu statistischen Mikrodaten –<br />

Konkretisierung und Erprobung eines Forschungsdatennetzwerkes der Statistischen<br />

Landesämter“. Unveröffentlichtes Manuskript. Düsseldorf.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 15


Anja Malchin und Ramona Pohl<br />

Görzig, B., H. Bömermann und R. Pohl (2005): Produktdiversifizierung und Unternehmenserfolg:<br />

Nutzung der Forschungsdatenzentren der Statistischen Ämter. Allgemeines<br />

statistisches Archiv, 89, 337–354.<br />

Hafner H.-P. und R. Lenz (2007): Die Gehalts- und Lohnstrukturerhebung: Methodik,<br />

Datenzugang und Forschungspotential. FDZ-Arbeitspapier Nr. 18. Wiesbaden.<br />

Kaiser, U. und J. Wagner (2007): Neue Möglichkeiten zur Nutzung vertraulicher amtlicher<br />

Personen- und Firmendaten. FDZ-Arbeitspapier Nr. 20. Düsseldorf.<br />

Konold, M. (2007): New possibilities for economic research through integration of establishment-level<br />

panel data of German official statistics. Schmollers Jahrbuch/Journal of<br />

Applied Social Science Studies, 127. (im Erscheinen).<br />

Stäglin R. und I. Pfeiffer (2006): Die Bedeutung der Belastung der Wirtschaft durch amtliche<br />

Statistiken. Wirtschaft und Statistik, Heft 11/2006.<br />

Statistisches Bundesamt (2005a): Monatsbericht für Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes<br />

sowie des Bergbaus und der Gewinnung von Steinen und Erden. Qualitätsbericht.<br />

Wiesbaden.<br />

Statistisches Bundesamt (2005b): Produktionserhebungen. Qualitätsbericht. Wiesbaden.<br />

Statistisches Bundesamt (2005c): Investitionserhebung bei Unternehmen und Betrieben<br />

des Verarbeitenden Gewerbes sowie des Bergbaus und der Gewinnung von Steinen und<br />

Erden. Qualitätsbericht. Wiesbaden.<br />

Statistisches Bundesamt (2005d): Kostenstrukturerhebung im Verarbeitenden Gewerbe,<br />

im Bergbau sowie in der Gewinnung von Steinen und Erden. Qualitätsbericht. Wiesbaden.<br />

Statistisches Bundesamt (2005e): Jährliche Strukturerhebung im Dienstleistungsbereich.<br />

Qualitätsbericht. Wiesbaden.<br />

Statistisches Bundesamt (2005f): Statistik und Wissenschaft. Handbuch zur Anonymisierung<br />

wirtschaftsstatistischer Mikrodaten. Bd. 4. Wiesbaden.<br />

Statistisches Bundesamt (2006a): Jahreserhebung im Handel. Qualitätsbericht. Wiesbaden.<br />

Statistisches Bundesamt (2006b): Jahreserhebung im Gastgewerbe. Qualitätsbericht.<br />

Wiesbaden.<br />

Statistisches Bundesamt (2007): Arbeitskostenerhebung 2004. Qualitätsbericht. Wiesbaden.<br />

Wagner, Joachim (2007): Die Forschungspotentiale der Betriebspaneldaten des Monatsberichtes<br />

im Verarbeitenden Gewerbe. Working Paper No. 51. Universität Lüneburg.<br />

Zühlke, Sylvia et al. (2004): The research data centres of the Federal Statistics Office and<br />

the statistical offices of the Länder. Schmollers Jahrbuch, 124, 567–578.<br />

16 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Die Nutzung der Innovationsdaten des<br />

Mannheimer Innovationspanels für die<br />

Politikberatung<br />

Von Tobias Schmidt und Birgit Aschhoff*<br />

Vierteljahrshefte<br />

zur Wirtschaftsforschung<br />

76 (2007), 3, S. 17–28<br />

Zusammenfassung: Die Daten des Mannheimer Innovationspanels (MIP), einer großen Befragung<br />

zum Innovationsverhalten deutscher Unternehmen, stellen eine qualitativ hochwertige Basis für die<br />

Politikberatung dar. Der Beitrag zeigt auf, wie die Daten und Ergebnisse der jährlichen Erhebung konkret<br />

für die Politikberatung genutzt werden. Ein erster Schritt ist die Berichterstattung zum Status<br />

quo und zu aktuellen Entwicklungen. Die Ergebnisse der seit 1993 durchgeführten Erhebung fließen<br />

unter anderem in Berichte an Ministerien, Publikationen der Europäischen Union, Beiträge für Fachzeitschriften<br />

und die Tagespresse ein. Darüber hinaus werden die Daten des Mannheimer Innovationspanels<br />

in großem Umfang wissenschaftlich ausgewertet. Themen für wissenschaftliche Analysen<br />

mit innovationspolitischer Relevanz sind zum Beispiel der Einfluss von Innovation auf Beschäftigung<br />

und Produktivität und die Evaluation von Forschungs- und Technologiepolitik. Der Beitrag endet mit<br />

einem Beispiel für die Evaluation öffentlicher Forschungs- und Entwicklungsförderung in Deutschland<br />

und Flandern. Das Beispiel zeigt, wie wissenschaftliche Analysen mit Politikberatung verknüpft werden<br />

können.<br />

Summary: The Mannheim Innovation Panel (MIP), a large scale survey on innovation activities of<br />

German firms, is a high-quality database that can be used for policy analysis and policy advice. The<br />

article describes how the data from the annual surveys are used for policy advice. A first aspect is the<br />

standard reporting on the status quo and developments: The survey's results are included in reports<br />

to German ministries, in European Commission publications, specialised journals and newspaper articles.<br />

In addition, the data is used for scientific analysis. Topics related to policy issues are for example,<br />

the effects of innovation on productivity and employment or the evaluation of public programs for<br />

R&D and innovation. The article concludes with an example of an evaluation of R&D funding in Germany<br />

and Flanders, which shows how scientific analysis and policy advice can be linked.<br />

1 Einleitung<br />

Regierungen in aller Welt investieren jährlich große Summen in die Förderung von Personen<br />

und Unternehmen, um die Wettbewerbsfähigkeit ihres Landes zu erhalten oder zu<br />

steigern. Allerdings werden die Mittel, die für Förderprogramme zur Verfügung gestellt<br />

werden, angesichts knapper öffentlicher Kassen immer geringer. Der effektive und effiziente<br />

Einsatz der knappen Ressourcen ist daher von großer Bedeutung. Eine Analyse von<br />

Politikmaßnahmen und deren Effekte kann helfen die Effektivität des Mitteleinsatzes zu<br />

steigern, indem sie erfolgreich Strategien identifiziert und Schwachstellen bestehender<br />

Programm aufdeckt. Daten über Personen, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen<br />

sind eine wichtige Basis für die Vorbereitung von Entscheidungen der Politik und die Evaluation<br />

der Effekte von Politikmaßnahmen. Sie können dazu beitragen, die aktuelle Situa-<br />

* Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Industrieökonomik und Internationale Unternehmensführung,<br />

Mannheim, E-Mail: Aschhoff@zew.de<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 17


Tobias Schmidt und Birgit Aschhoff<br />

tion und Entwicklung zu beschreiben und mit wissenschaftlichen Methoden zu analysieren.<br />

In dieser Arbeit wird am Beispiel der Technologie- und Innovationspolitik<br />

exemplarisch dargestellt, wie dies konkret umgesetzt werden kann. Im nächsten Abschnitt<br />

wird zunächst allgemein auf die verschiedenen Möglichkeiten eingegangen, mit Datensätzen<br />

zu einzelnen Unternehmen Politikberatung zu betreiben. Dem schließt sich eine kurze<br />

Beschreibung des Mannheimer Innovationspanels an, eine große Datenbank zum Innovationsverhalten<br />

von Unternehmen. An diesem Datenbestand können die im vorherigen Abschnitt<br />

identifizierten Möglichkeiten zur Nutzung von Daten für die Politikberatung exemplarisch<br />

aufgezeigt werden. Dabei wird sowohl auf die Berichterstattung zu<br />

Innovationsindikatoren als auch auf die wissenschaftliche Analyse der Daten eingegangen.<br />

Der Beitrag schließt mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse, die Möglichkeiten<br />

aufzeigt, wie das Potential von Mikrodatensätzen für die Politikberatung weiter gesteigert<br />

werden kann.<br />

2 Nutzung von Mikrodaten für die Politikberatung<br />

Gute Politikberatung beginnt mit guten Daten. So oder so ähnlich könnte man den ersten<br />

Schritt bei der Nutzung von Mikrodaten für die Politikberatung beschreiben. Zunächst ist<br />

es nötig eine qualitativ hochwertige Datenbasis zu konstruieren, auf Basis derer dann weitere<br />

Analysen durchgeführt werden können. Dabei ist nicht nur zu beachten, dass die gewählten<br />

Erhebungsmethoden und -instrumente adäquat gewählt werden, sondern auch,<br />

dass die Aufbereitung und Hochrechnung der Daten hohen Standards genügt. Nur so kann<br />

das Vertrauen der Politik in die auf den Daten aufbauenden Analysen und die hochgerechneten<br />

Werte gewonnen werden.<br />

Die im ersten Schritt erzeugte Datenbasis kann dann im Wesentlichen auf zwei Arten für<br />

die Politikberatung verwendet werden: erstens für die Erstellung von Berichten, Tabellen<br />

und Graphiken zum Status quo bzw. zu Veränderungen im Status quo und zweitens für die<br />

Abbildung 1<br />

Mikrodaten für die Politikberatung – ein dreidimensionaler Ansatz<br />

18 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Erhebung,<br />

Aufbereitung,<br />

Hochrechnung<br />

und<br />

Verknüpfung<br />

von Daten<br />

Qualitativ<br />

hochwertigeDatenbasis<br />

Berichterstattung<br />

Wiss. Analysen<br />

Beschreibung<br />

Status Quo<br />

und<br />

Entwicklungen<br />

+<br />

Einblick in<br />

Wirkungszusammenhänge<br />

und<br />

Determinanten<br />

beobachteter<br />

Entwicklungen


Die Nutzung der Innovationsdaten des Mannheimer Innovationspanels für die Politikberatung<br />

wissenschaftliche Analyse, die es erlaubt, detaillierte und statistisch gesicherte Einblicke<br />

in die Wirkungszusammenhänge und die Determinanten beobachteter Entwicklungen zu<br />

erlangen. Wichtig ist, dass beide Arten von Politikberatung miteinander kombiniert werden<br />

und so dazu beitragen, dass die Entscheidungsträger sich sowohl an der aktuellen Situation<br />

als auch an zu erwartenden Zusammenhängen orientieren können. Abbildung 1<br />

fasst die drei Dimensionen der Nutzung von Mikrodaten für die Politikberatung zusammen.<br />

3 Politikberatung am Beispiel des Mannheimer Innovationspanels<br />

Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim führt in Zusammenarbeit<br />

mit infas – Institut für angewandte Sozialforschung – und dem Frauenhofer-Institut<br />

für Innovations- und Systemforschung (Partner seit 2005) seit nunmehr 15 Jahren im Auftrag<br />

des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) die deutsche Innovationserhebung<br />

durch. Die schriftliche Befragung, die unter dem Namen „Mannheimer Innovationspanel“<br />

(MIP) bekannt ist, ist repräsentativ für Unternehmen im verarbeitenden<br />

Gewerbe und Dienstleistungssektor mit Hauptsitz in Deutschland, die mindestens fünf Beschäftigte<br />

haben. Sie wird jährlich in den Monaten März bis September durchgeführt und<br />

befragt die Unternehmen zu ihren Innovationsaktivitäten, -erfolgen und -strategien in den<br />

letzten drei Jahren vor der Erhebung. 1 Zudem werden einige wenige Unternehmenscharakteristika<br />

wie Umsatz und Beschäftigung erfragt. Die deutsche Erhebung ist alle vier<br />

Jahre Teil der europaweiten Innovationserhebungen („Community Innovation Survey“ –<br />

CIS). 2 Aufgrund ihrer Flexibilität im Hinblick auf neue Fragestellungen (u.a. durch den<br />

jährlichen Erhebungsrhythmus) bietet das Mannheimer Innovationspanel eine gute Möglichkeit<br />

aktuelle Themen der Innovations- und Technologiepolitik aufzugreifen und zu untersuchen.<br />

Bei der Auswahl der Themen wird das ZEW durch einen wissenschaftlichen<br />

Projektbeirat unterstützt, dem Wissenschaftler und Vertreter von Ministerien und Verbänden<br />

angehören. 3 Das Potential der Erhebung für die Politikberatung ergibt sich auch aus<br />

der Tatsache, dass die Erhebung das Innovationsverhalten der Unternehmen in Deutschland<br />

umfassend abbildet – durch den Panelansatz auch im Zeitablauf – und mit anderen<br />

Datensätzen aus dem Bereich von Forschung und Entwicklung bzw. Innovation verknüpft<br />

werden kann. Verknüpfungen sind unter anderem mit den Patentdaten des europäischen<br />

Patentamts, Unternehmensdaten der Vereine für Creditreform e.V. und der „PROFI“-Datenbank<br />

zur direkten Projektförderung des BMBF und BMWI im Bereich Forschung und<br />

Entwicklung (FuE) und Innovation möglich. Letztere bietet unter anderem eine Möglichkeit<br />

die Fördermaßnahmen der direkten Projektförderung in Deutschland zu evaluieren.<br />

Die Einbindung von Eurostat (CIS) und die damit verbundene Verwendung von OECDund<br />

EU-weit harmonisierten Konzepten (OECD und Eurostat 1997, 2005) für die Erhe-<br />

1 Eine detaillierte Beschreibung der Inhalte der Innovationserhebungen findet sich z.B. in Rammer et al.<br />

(2005) und Schmidt et al. (2005).<br />

2 Die CIS-Befragungen bauen auf einem EU-weit harmonisierten Fragebogen und Methodik auf. Sie werden<br />

alle vier bzw. ab der Erhebung 2007 alle zwei Jahre in allen Mitgliedsländern der EU durchgeführt. Weitere<br />

Informationen und Ergebnisse der Erhebung 2001 (CIS III) wurden von der EU-Kommission 2004 veröffentlicht<br />

(vgl. European Commission 2004).<br />

3 Eine aktuelle Liste der Beiratsmitglieder ist unter www.zew.de/de/publikationen/innovationserhebungen/<br />

wissbeirat.php3 im Internet zu finden.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 19


Tobias Schmidt und Birgit Aschhoff<br />

bung bietet zudem die Möglichkeit, die Ergebnisse für Deutschland mit denen anderer<br />

Länder zu vergleichen.<br />

3.1 Berichterstattung zum Mannheimer Innovationspanel<br />

Die Publikationen, die auf Daten aus dem Mannheimer Innovationspanel basieren, 4 sind<br />

ein gutes Beispiel dafür, wie Unternehmensdaten für die Politikberatung genutzt werden<br />

können, aber auch andere Interessengruppen erreichen. Die Berichterstattung an den Auftraggeber<br />

(BMBF) erfolgt in Form von so genannten „Indikatorenberichten“. Der jährlich<br />

erscheinende Indikatorenbericht zeigt anhand der wichtigsten Indikatoren aktuelle Entwicklungen<br />

im Bereich der Innovationsaktivitäten deutscher Unternehmen auf, getrennt<br />

nach wissensintensiven Dienstleistern, sonstigen Dienstleistern und Verarbeitendem Gewerbe<br />

und Bergbau. Ein wichtiger Bestandteil des Berichts ist ein Vergleich des Innovationsgeschehens<br />

in Ost- und Westdeutschland. Die Standardberichterstattung wird durch 21<br />

Branchenreports ergänzt, die auf jeweils vier Seiten für einzelne Branchengruppen die<br />

wichtigsten Indikatoren im Zeitablauf enthalten. Ein Branchenreport ihrer Branche wird<br />

auch den teilnehmenden Unternehmen zugesandt, als Dankeschön für die Beteiligung an<br />

der Befragung. Die Ergebnisse auf Sektoren und Branchenebene werden regelmäßig von<br />

Tageszeitungen und Fachzeitschriften aufgegriffen. Sonderstudien und Schwerpunktberichte<br />

zu aktuellen innovationspolitischen Themen wie Umweltinnovationen, die Zusammenarbeit<br />

zwischen Unternehmen und Wissenschaft, Quellen für Innovationen oder die<br />

Finanzierung von Innovationsaktivitäten runden die Berichterstattung zur Erhebung ab.<br />

Neben den direkt mit der Erhebung verbundenen Berichten finden die Ergebnisse der Innovationserhebung<br />

auch Eingang in andere Berichte des BMBF und der EU. Als Beispiel<br />

kann hier der Bundesbericht Forschung, der Bericht zur Technologischen Leistungsfähigkeit<br />

Deutschlands oder die Publikation von Eurostat „Innovation in Europe“ angeführt<br />

werden.<br />

3.2 Wissenschaftliche Analysen mit dem Mannheimer Innovationspanel 5<br />

Von Beginn der Erhebung an war es das Ziel des ZEW die Berichterstattung zum Mannheimer<br />

Innovationspanel mit wissenschaftlichen und hier vor allem mikroökonometrischen<br />

Analysen zu verbinden. Seit Anfang der 1990er Jahre sind daher eine ganze Reihe<br />

von wissenschaftlichen Studien und Aufsätzen entstanden, die die Daten des Mannheimer<br />

Innovationspanels nutzen. Themen, die behandelt werden und wurden, sind zum Beispiel:<br />

• Determinanten von Innovationsverhalten und -erfolg (z.B. Rammer et al. 2004, Aschhoff<br />

und Schmidt 2006, Spielkamp und Rammer 2004, Rammer et al. 2005)<br />

• Effekte von Innovationen auf Beschäftigung und Produktivität (z.B. Griffith et al.<br />

2006, Peters 2003, Peters 2004)<br />

4 Die jeweils aktuellsten Berichte sind unter www.zew.de/innovation online verfügbar.<br />

5 Eine Übersicht über die wissenschaftliche Nutzung von Innovationsdaten bis etwa zum Jahr 2001 gibt der<br />

Reader von Janz and Licht (2003). Aktuelle wissenschaftliche Studien zum Mannheimer Innovationspanel sind<br />

im Internet unter der Adresse www.zew.de/de/publikationen/innovationserhebungen/wissaufsaetze.php3 zu<br />

finden.<br />

20 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Die Nutzung der Innovationsdaten des Mannheimer Innovationspanels für die Politikberatung<br />

• Effekte von öffentlicher Förderung auf das Forschungs- und Entwicklungsverhalten<br />

von Unternehmen (z.B. Czarnitzki und Fier 2002, Fier et al. 2006)<br />

• Einfluss von Rahmenbedingungen (Intellektuelle Eigentumsrechte – z.B. Konjunktur,<br />

Innovationshemmnisse, Finanzierungsrestriktionen etc.) auf das Innovationsverhalten<br />

von Unternehmen (z.B. Heger 2004, Peters et al. 2006)<br />

• Identifikation von Lead Märkten 6 (z.B. Beise-Zee 2001, Beise-Zee et al. 2002)<br />

Die empirische Analyse der Daten des Mannheimer Innovationspanels ist nicht auf die<br />

Mitarbeiter des ZEW beschränkt. Seit mehreren Jahren bietet das ZEW (unter gewissen<br />

Vorraussetzungen) die Möglichkeit für externe Wissenschaftler an mit den Daten zu arbeiten.<br />

7 Dazu wurden faktisch anonymisierte Datensätze erstellt, die sog. „scientific use files“,<br />

die aktuell von etwa 70 Wissenschaftlern im In- und Ausland genutzt werden. In den<br />

Räumen des ZEW ist es zudem möglich, mit den um Identifikatoren bereinigten Originaldaten<br />

zu arbeiten. Um den Austausch über wissenschaftliche Forschungsergebnisse im<br />

Bereich der empirischen Innovationsforschung zu fördern, veranstaltet das ZEW wissenschaftliche<br />

Tagungen.<br />

3.3 Die Nutzung des Mannheimer Innovationspanels zur Evaluation von<br />

öffentlicher FuE-Förderung<br />

Politikberatung hat viele Facetten, eine sehr direkte Form der Beratung ist die Evaluation<br />

von Aktivitäten der öffentlichen Hand. Die Evaluation öffentlicher FuE-Förderung ist daher<br />

ein gutes Beispiel dafür, wie die Daten des Mannheimer Innovationspanels in Verbindung<br />

mit anderen Datenbanken für die Politikberatung genutzt werden können. Das ZEW<br />

hat unter anderem die Wirkung der direkten FuE-Projektförderung mithilfe der so genannten<br />

„PROFI“-Datenbank untersucht, einer Datenbasis, die alle vom BMBF geleisteten Zuwendungen<br />

der direkten Projektförderung enthält (vgl. Fier 2002). Um die Effekte der<br />

FuE-Förderung auf das Innovationsverhalten der Unternehmen und hier insbesondere auf<br />

die Höhe der FuE-Aufwendungen zu bestimmen, wurde die „PROFI“-Datenbank, die keine<br />

Informationen über das Innovationsverhalten der geförderten Unternehmen enthält, mit<br />

den Daten aus dem Mannheimer Innovationspanel verknüpft. Zusätzlich wurden häufig<br />

noch die Patentdaten aus der Datenbank des Europäischen Patentamts hinzugespielt, um<br />

(dafür) kontrollieren zu können, ob Unternehmen mit Patenten potentiell eine höhere Förderwahrscheinlichkeit<br />

haben als Unternehmen ohne Patente. Untersucht wurde mit diesem<br />

Datensatz sowohl der Einfluss der Förderung auf die Höhe der FuE-Aufwendungen, die<br />

sog. „Input Additionalität“ (Fier et al. 2005), als auch „Output Additionalitäten“ wie Effekte<br />

auf das Patentierungsverhalten (Czarnitzki and Hussinger 2004, Czarnitzki and Fier<br />

2003) und „Verhaltens-Additionalitäten“ wie Effekte auf das Kooperationsverhalten<br />

(Aschhoff et al. 2006) . Auch ohne die Verknüpfung mit der „PROFI“-Datenbank wurden<br />

die Daten des Mannheimer Innovationspanels zur Analyse der Effekte öffentlicher Förderung<br />

verwendet (vgl. Czarnitzki and Fier 2002).<br />

6 Als „Lead Markt“ kann ein Markt definiert werden, der ein weltweit führender Absatzmarkt für Innovationen<br />

ist und für den anzunehmen ist, dass ein Erfolg von frühzeitig genutzten Innovationen in diesem Markt ein Indikator<br />

für einen möglichen weltweiten Erfolg ist.<br />

7 Siehe www.zew.de/de/publikationen/innovationserhebungen/wisszugang.php3.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 21


Tobias Schmidt und Birgit Aschhoff<br />

3.3.1 Matching-Verfahren als Analysetool der Evaluation öffentlicher FuE-<br />

Förderung 8<br />

Bei der Wirkungsanalyse von öffentlichen Maßnahmen ist die Frage nach dem Fördererfolg<br />

der Ausgangspunkt. Fördererfolg kann auf verschiedene Art und Weise gemessen<br />

werden, in vielen Studien ist er als eine Erhöhung der privaten FuE-Aufwendungen im<br />

Vergleich zur Situation ohne Förderung definiert. Die Messung dieses Fördererfolgs, d.h.<br />

der Differenz zwischen der Situation mit Förderung und ohne Förderung, setzt eigentlich<br />

voraus, dass ein Unternehmen sowohl im Zustand der Förderung als auch im Zustand der<br />

Nichtförderung beobachtet werden kann. Da diese Vorraussetzung in der Realität nicht gegeben<br />

ist, wurden ökonometrische Verfahren entwickelt, mithilfe derer für ein gefördertes<br />

Unternehmen der Zustand der Nichtförderung („kontrafaktische Situation“) geschätzt<br />

werden kann. Im Wesentlichen sind dies so genannte „Matching-“ bzw. „Selektionsmodelle“<br />

(vgl. Fier et al. 2005). Häufig wird für die Analyse der Effekte von öffentlicher FuE-<br />

Förderung das Matching-Verfahren verwendet, das im Folgenden kurz beschrieben wird.<br />

Die Grundidee des Matching-Verfahrens ist es, jedem geförderten Unternehmen ein soweit<br />

wie möglich ähnliches, aber nicht gefördertes „Zwillingsunternehmen“ gegenüber zu<br />

stellen. Das Zwillingsunternehmen wird dann als Ersatz für den Zustand der Nichtförderung<br />

des geförderten Unternehmens verwendet. Die implizite Annahme dabei ist, dass<br />

sich die Unternehmen in allen beobachtbaren Charakteristika so ähnlich sind, dass die Unterschiede<br />

z.B. in ihren FuE-Aufwendungen alleine auf die öffentliche Förderung zurückzuführen<br />

sind. Der Fördereffekt auf Firmenebene ergibt sich in diesem Fall als Differenz<br />

zwischen den FuE-Aufwendungen des geförderten Unternehmens und den FuE-Aufwendungen<br />

seines Zwillingspartners bzw. für die gesamte Population als Differenz aus den<br />

mittleren FuE-Aufwendungen der geförderten Unternehmen und den ihnen zugeordneten<br />

Zwillingen.<br />

Der Vorteil bei der Verwendung dieses Verfahrens gegenüber herkömmlichen Regressionsanalysen<br />

ist, dass bei der Evaluation des Fördereffekts die Heterogenität der geförderten<br />

Unternehmen erhalten bleibt und somit vergleichbare Unternehmen gegenübergestellt<br />

werden, wie Abbildung 2 verdeutlicht.<br />

Die Schwierigkeit bei der Verwendung von Matching-Verfahren besteht darin, für jedes<br />

geförderte Unternehmen einen Zwillingspartner in der Gruppe der nicht geförderten Unternehmen<br />

zu finden. Hierfür werden verschiedene Möglichkeiten vorgeschlagen. Für die<br />

Forschung der „PROFI“-Datenbank wurde meistens das modifizierte „Nearest Neighbour<br />

Matching“ verwendet. Bei diesem Verfahren werden zwei verschiedene Kriterien angelegt,<br />

zum einen der „Propensity Score“ und zum anderen Charakteristika, in denen sich<br />

gefördertes Unternehmen und Zwillingsunternehmen exakt gleichen müssen (z.B. Region<br />

und Branche). Der Propensity Score gibt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Unternehmen<br />

gefördert wird und wird aus einer ökonometrischen Analyse des Einflusses von<br />

Unternehmenscharakteristika auf die Wahrscheinlichkeit, öffentliche FuE-Förderung zu<br />

erhalten, gewonnen. Die zusätzlichen Charakteristika sollen gewährleisten, dass nur Unternehmen<br />

der gleichen Branche oder Größe miteinander verglichen werden. Damit wird<br />

8 Eine ausführliche (technische) Beschreibung des Matching-Verfahrens und seiner Annahmen findet sich<br />

zum Beispiel in Aerts and Schmidt (2006).<br />

22 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Die Nutzung der Innovationsdaten des Mannheimer Innovationspanels für die Politikberatung<br />

Abbildung 2<br />

Grundidee des Matching-Verfahrens<br />

Vor dem Matching Nach dem Matching<br />

gefördert gefördert<br />

Nicht nicht Nicht Nichtgefördert gefördert gefördert<br />

gefördert<br />

gefördert<br />

Nicht nicht Nicht Nichtgefördert gefördert<br />

gefördert<br />

Untern. A<br />

Untern. L<br />

Banken<br />

Banken<br />

1,000 Besch.<br />

1,000 Besch.<br />

Untern. A<br />

Untern. W<br />

Banken<br />

Maschinenbau<br />

1,000 Besch.<br />

10 Besch.<br />

Untern. B<br />

Untern. M<br />

Untern. B<br />

Fahrzeugbau<br />

Untern. X<br />

Baugewerbe<br />

Fahrzeugbau<br />

15,000 Besch.<br />

Fahrzeugbau<br />

15,000 Besch.<br />

15,000 Besch.<br />

150 Besch.<br />

Unterschiedl. Unterschiedl. Untern. Untern.<br />

Vergleichbare Vergleichbare Unt.<br />

Unt.<br />

Untern. Y<br />

Untern. C<br />

Untern. N<br />

Untern. C<br />

Großhandel<br />

Einzelhandel<br />

Einzelhandel<br />

Einzelhandel<br />

50 Besch.<br />

50 Besch.<br />

50 Besch.<br />

50 Besch.<br />

Untern. Z<br />

Untern. D<br />

Pharma<br />

Verkehr<br />

12,000 Besch.<br />

100 Besch.<br />

Untern. D<br />

Untern. O<br />

Verkehr<br />

Verkehr<br />

100 Besch.<br />

100 Besch.<br />

Quelle: Sofka and Teichert (2006: 6), eigene Übersetzung.<br />

verhindert, dass z.B. ein Pharmaunternehmen mit einem Großhändler verglichen wird,<br />

wenn beide eine ähnliche Förderwahrscheinlichkeit haben. Das Zwillingsunternehmen ist<br />

das Unternehmen aus der durch die zusätzlichen Charakteristika abgegrenzten Population,<br />

das hinsichtlich des Propensity Scores die geringste Distanz vom geförderten Unternehmen<br />

aufweist.<br />

3.3.2 Effekte öffentlicher FuE-Förderung in Flandern und Deutschland<br />

Um die Möglichkeiten des Einsatzes des Matching-Ansatzes für die Evaluation staatlicher<br />

FuE-Förderung aufzuzeigen wird im Folgenden die Studie von Aerts and Schmidt (2006)<br />

exemplarisch dargestellt. Der Hintergrund der Studie ist ein Vergleich der Effekte von öffentlicher<br />

FuE-Förderung in Flandern und Deutschland.<br />

Um die Ergebnisse für beide Länder 9 besser vergleichen zu können, wurde auf die Daten<br />

der Community Innovation Survey IV (CIS IV)-Erhebung zurückgegriffen. Diese im Jahr<br />

2005 durchgeführte Erhebung basiert in beiden Ländern auf einem von Eurostat harmonisierten<br />

Fragebogen und einer harmonisierten Methodik, sodass die Vergleichbarkeit der<br />

verwendeten Datenbasen gegeben ist. Die Referenzperiode der Befragung sind die Jahre<br />

2002 bis 2004, d.h. die Fragen beziehen sich auf Innovationsaktivitäten der Unternehmen<br />

im jeweiligen Land im Zeitraum 2002 bis 2004. Beide Datensätze wurden zusätzlich mit<br />

den Patentdaten des Europäischen Patentamts verknüpft, um den Einfluss von Patenten<br />

9 Flandern ist kein Land, sondern nur eine Region in Belgien; zur Vereinfachung wird im Folgenden dennoch<br />

immer von zwei Ländern gesprochen.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 23


Tobias Schmidt und Birgit Aschhoff<br />

auf die Förderwahrscheinlichkeit adäquat und vergleichbar berücksichtigen zu können.<br />

Anschließend wurde für beide Länder getrennt eine Matching-Analyse durchgeführt. Um<br />

die Vergleichbarkeit weiter zu erhöhen, wurden beide Datensätze hinsichtlich Branche<br />

und Größe auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ reduziert, d.h. unter anderem, dass in<br />

Deutschland und Flandern nur Unternehmen mit mehr als zehn Beschäftigten berücksichtigt<br />

wurden, obwohl für Deutschland auch Informationen über kleinere Unternehmen vorliegen.<br />

Nach diesem zusätzlichen Harmonisierungsschritt bleiben für die Analyse in Flandern<br />

noch 866 Unternehmen übrig, von denen 157 angeben, in den Jahren 2002 bis 2004<br />

öffentliche FuE-Förderung 10 bekommen zu haben. Für Deutschland sind es 2 348 Unternehmen,<br />

von denen 484 gefördert wurden.<br />

Beim Vergleich von Fördereffekten in Flandern und Deutschland wurden in der ersten<br />

Stufe des Matching-Verfahrens die folgenden Einflussgrößen auf die Wahrscheinlichkeit,<br />

öffentliche FuE-Förderung vom jeweiligen Land oder von der EU zu erhalten, berücksichtigt:<br />

Größe (Anzahl der Beschäftigten) eines Unternehmens, seine Exportintensität (Exporte/Umsatz),<br />

sein Patentstock pro Beschäftigtem, seine Zugehörigkeit zu einer Gruppe<br />

Abbildung 3<br />

„Conditional Difference in Difference Methode“<br />

Quelle: Aerts and Schmidt (2006: 11), eigene Übersetzung.<br />

10 Die bei der Antwort auf die Frage nach öffentlicher Förderung einzubeziehenden Förderinstrumente sind<br />

im Fragebogen genauer spezifiziert. Für Deutschland lautet die Erklärung zur Frage (Erhebung 2005): „Innovationsförderung<br />

umfasst die finanzielle Förderung für FuE- und Innovationsvorhaben durch die öffentliche Hand,<br />

z.B. über Zuschüsse, Darlehen, Subventionszahlungen, Beteiligungen, Kreditbürgschaften. Die gewöhnliche<br />

Bezahlung von Aufträgen durch öffentliche Auftraggeber gilt nicht als öffentliche Förderung. Berücksichtigen<br />

Sie bitte auch öffentliche Förderung durch beauftragte Institutionen (z.B. Projektträger wie AiF, DLR, FZJ, KfW,<br />

Landesbanken).“ Der entsprechende Text im Fragebogen für Flandern ist nahezu identisch, er schließt allerdings<br />

die in Deutschland nicht vorhandenen FuE-Steuernachlässe mit ein.<br />

24 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Periode t 0<br />

Untern. k:<br />

Y c<br />

k |S=0<br />

Untern. j:<br />

Y c<br />

j |S=0<br />

B<br />

X k,to =X i,t1<br />

X j,to =X h,t1<br />

C<br />

Periode t 1<br />

Untern. i:<br />

Y T<br />

i |S=0<br />

X i,to =X h,t1<br />

Untern. h:<br />

Y c<br />

h |S=0<br />

A


Die Nutzung der Innovationsdaten des Mannheimer Innovationspanels für die Politikberatung<br />

und Hauptsitz der Gruppe im Ausland. Für Deutschland wird zusätzlich berücksichtigt, ob<br />

das Unternehmen seinen Sitz in Ost- oder Westdeutschland hat, da zahlreiche Förderprogramme<br />

nur von ostdeutschen Unternehmen genutzt werden können.<br />

Der erste Analyseschritt des Matching-Verfahrens zeigt, dass die Förderwahrscheinlichkeit<br />

in Flandern und Deutschland signifikant mit der Größe und dem Patentstock pro Beschäftigtem<br />

steigt. Ostdeutsche Unternehmen und Unternehmen mit hoher Exportquote<br />

haben in Deutschland eine höhere Förderwahrscheinlichkeit als westdeutsche und solche<br />

mit geringen Exportquoten. Für Flandern findet sich kein signifikanter Effekt der Exportquote.<br />

Im zweiten Analyseschritt des Matching-Verfahrens wurden die aus der ersten Stufe gewonnene<br />

Propensity Score und die Größe, Branche und Sitz in Ostdeutschland (nur für<br />

Deutschland) benutzt, um den geförderten Unternehmen ein Zwillingsunternehmen zuzu-<br />

Tabelle 1<br />

Ergebnisse der Matching-Analysen<br />

Flandern<br />

A B C<br />

FuE 0.838*** 0.900*** 0.050<br />

(0.273) (0.288) (0.178)<br />

FuE-Intensität 4.669*** 5.017*** 0.203<br />

(1.246) (1.429) (1.190)<br />

Ln (FuE) 2.923*** 2.530*** –0.480<br />

(0.512) (0.832) (0.854)<br />

Ln (FuE-Intensität) 2.334*** 2.065*** –0.242<br />

Deutschland<br />

(0.400) (0.635) (0.646)<br />

FuE 3.232*** 2.432* –0.262<br />

(1.049) (1.433) (2.027)<br />

FuE-Intensität 5.327*** 5.717*** 0.201<br />

(0.503) (0.544) (0.939)<br />

Ln (FuE) 2.680*** 2.956*** 0.165<br />

(0.245) (0.344) (0.823)<br />

Ln (FuE-Intensität) 3.798*** 4.052*** 0.125<br />

(0.274) (0.386) (0.935)<br />

*** (**, *) Signifikanzniveau 1% (5%, 10%), heteroskedastie-konsistente Standardfehler<br />

in Klammern. T-Statistiken unter Berücksichtigung der “Lechner-Korrektur” (Lechner 2001)<br />

berechnet.<br />

Quelle: Aerts and Schmidt (2006: 18), gekürzt (eigene Übersetzung).<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 25


Tobias Schmidt und Birgit Aschhoff<br />

ordnen. In der hier beschriebenen Studie wurde der Matching-Ansatz noch um eine zeitliche<br />

Komponente erweitert („conditional difference in differences“), auf die hier nur kurz<br />

eingegangen werden soll. Die Verwendung dieser Methode erlaubt es für unterschiedliche<br />

Reaktionen von geförderten und nicht geförderten Unternehmen auf makroökonomische<br />

Schocks im Zeitablauf zu kontrollieren.<br />

Bei Matching A in Abbildung 3 wird der Effekt von öffentlicher FuE-Förderung auf die<br />

FuE-Aufwendungen im Jahr t 1 bestimmt. Matching B vergleicht die FuE-Aufwendungen<br />

von im Jahr t 1 geförderten Unternehmen mit denen von im Jahr t 0 nicht geförderten Unternehmen.<br />

Die Differenz der FuE-Aufwendungen in beiden Jahren beinhaltet somit die Entwicklung<br />

der FuE-Aufwendungen, die sich aufgrund makroökonomischer Veränderungen<br />

zwischen t 1 und t 0 ergibt, und die Entwicklung die sich aufgrund der Förderung in t 1 ergibt.<br />

Matching C erlaubt den Effekt von makroökonomischen Veränderungen auf die FuE-Aufwendungen<br />

zu isolieren. Durch Subtraktion des mit Matching C gefundenen Effekts vom<br />

Ergebnis des Matchings B kann schließlich der um allgemeine makroökonomische Effekte<br />

bereinigte Einfluss öffentlicher Förderung im Jahr t 1 auf die FuE-Aufwendungen im<br />

Jahr t 1 berechnet werden.<br />

Die Ergebnisse des Matching-Verfahrens für beide Länder zeigen eine relativ ähnliche<br />

Struktur (Tabelle 1). In beiden Ländern hat die öffentliche FuE-Förderung in den Jahren<br />

2002 bis 2004 einen positiven Einfluss auf die Höhe der FuE-Aufwendungen eines Unternehmens<br />

und auf die Höhe der FuE-Intensität, gemessen als Anteil der FuE-Aufwendungen<br />

am Umsatz. Unterschiede ergeben sich hinsichtlich der Höhe des Effekts zwischen<br />

den Ländern, sowohl hinsichtlich der FuE-Aufwendungen als auch der FuE-Intensität. Für<br />

beide Kennzahlen ist der Effekt der Förderung in Deutschland stärker als in Flandern. Die<br />

Ergebnisse bestätigen frühere Studien für beide Länder.<br />

4 Zusammenfassung und Ausblick<br />

Die Ausführungen haben gezeigt, welches Potential für Politikberatung in qualitativ hochwertigen<br />

Unternehmensdaten steckt und wie vielfältig die Formen der Beratung sein können.<br />

Die verschiedenen Möglichkeiten, die Daten auszuwerten, sind dabei als komplementär<br />

zueinander zu sehen. Letztendlich profitiert die Politikberatung davon, dass<br />

Berichte zum Status quo und Entwicklungen durch wissenschaftliche Analysen ergänzt<br />

werden, die sowohl den Einfluss von Politikmaßnahmen untersuchen, als auch detaillierte<br />

und statistisch gesicherte Einblicke in die beobachteten Entwicklungen erlauben. Umgekehrt<br />

stellen die durch wissenschaftliche Analysen erarbeiteten Ergebnisse und Zusammenhänge<br />

eine wichtige Basis für die Auswahl der Indikatoren, für die Berichterstattung<br />

und für die Erklärung der gefundenen Entwicklungen dar. Das beschriebene Beispiel für<br />

Deutschland und Flandern zeigt nicht nur das Potential der Innovationsdaten für die Wirkungsanalyse<br />

öffentlicher FuE-Förderung in Deutschland auf, sondern macht auch exemplarisch<br />

deutlich, welches Potential sich durch die Harmonisierung der verwendeten Konzepte<br />

in verschiedenen (EU-)Ländern ergibt.<br />

Wie die Studien zur Wirkungsanalyse der direkten FuE-Projektförderung mithilfe der<br />

„PROFI“-Datenbank gezeigt haben, kann das Analysepotential der Innovationsdaten und<br />

damit auch das Potential für die Politikberatung erheblich gesteigert werden, indem Datenbanken<br />

miteinander verknüpft werden. Dadurch kann, ohne neue Daten erheben zu<br />

26 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Die Nutzung der Innovationsdaten des Mannheimer Innovationspanels für die Politikberatung<br />

müssen, eine ganze Reihe von Fragestellungen schnell und flexibel bearbeitet werden. Gerade<br />

auch vor dem Hintergrund der Bemühungen, die Bürokratielast und damit verbunden<br />

auch die Last im Zusammenhang mit Statistiken für Personen und Unternehmen zu verringern,<br />

kann dies ein Weg für die Zukunft sein.<br />

Literaturverzeichnis<br />

Aerts, K. und T. Schmidt (2006): Two for the Price of One? On Additionality Effects of<br />

R&D Subsidies: A Comparison Between Flanders and Germany. ZEW Discussion<br />

Paper Mannheim No. 06-063. Mannheim.<br />

Aschhoff, B., A. Fier und H. Löhlein (2006): Detecting Behavioural Additionalit: An<br />

Empirical Study on the Impact of Public R&D Funding on Firms’ Cooperative Behaviour<br />

in Germany. ZEW Discussion Paper No. 06-37. Mannhem.<br />

Aschhoff, B. und T. Schmidt (2006): Empirical Evidence on the Success of R&D Co-operation<br />

– Happy together? ZEW Discussion Paper No. 06-059. Mannheim.<br />

Beise-Zee, M. (2001): Lead Markets. ZEW Economic Studies. Bd. 14. Heidelberg.<br />

Beise-Zee, M., T. Cleff, O. Heneric und Ch. Rammer (2002): Lead Markt Deutschland –<br />

Zur Position Deutschlands als führender Absatzmarkt für Innovationen. ZEW Dokumentation<br />

Nr. 02-02. Mannheim.<br />

Czarnitzki, D. und A. Fier (2002): Do Innovation Subsidies Crowd out Private Investment?<br />

Evidence from the German Service Sector. Applied Economics Quarterly, 48 (1),<br />

1–25.<br />

Czarnitzki, D. und A. Fier (2003): Publicly Funded R&D Collaborations and Patent Outcome<br />

in Germany. ZEW Discussion Paper No. 03-24. Mannheim.<br />

Czarnitzki, D. und K. Hussinger (2004): The Link Between R&D Subsidies, R&D Spending<br />

and Technological Performance. ZEW Discussion Paper No. 04-56. Mannheim.<br />

European Commission (2004): Innovation in Europe – Results for the EU, Iceland and<br />

Norway (Data 1998–2001): Theme 9 Science and Technology. Luxemburg.<br />

Fier, A. (2002): Staatliche Förderung industrieller Forschung in Deutschland. ZEW Wirtschaftsanalysen.<br />

Bd. 62. Baden-Baden.<br />

Fier, A., B. Aschhoff und H. Fier (2006): Behavioural Additionality of Public R&D Funding<br />

in Germany. In: OECD (Hrsg.): Government R&D Funding and Company Behaviour,<br />

Measuring Behavioural Additionality. Paris, 127–149.<br />

Fier, A., D. Heger und K. Hussinger (2005): Die Wirkungsanalyse staatlicher Förderprogramme<br />

durch den Einsatz von Matching- und Selektionsmodellen am Beispiel der Fertigungstechnik.<br />

ZEW Discussion Paper No. 05-09. Mannheim.<br />

Griffith, R., E. Huergo, J. Mairesse und B. Peters (2006): Innovation and Productivity<br />

Across Four European Countries. Oxford Review of Economic Policy, 22 (4), 483–498.<br />

Heger, D. (2004): The Link Between Firms’ Innovation Decision and the Business Cycle:<br />

An Empirical Analysis. ZEW Discussion Paper No. 04-85. Mannheim.<br />

Janz, N. und G. Licht (2003): Innovationsforschung heute. ZEW Wirtschaftsanalysen. Bd.<br />

63. Baden-Baden.<br />

Lechner, M. (2001): Identification and estimation of causal effects of multiple treatments<br />

under the conditional independence assumption. In: M. Lechner und F. Pfeiffer (Hrsg.):<br />

Econometric evaluation of active labour market policies. Heidelberg, 43–58.<br />

OECD and Eurostat (1997): Oslo Manual – Proposed Guidelines for Collecting and Interpreting<br />

Technological Innovation Data. 2. Aufl. Paris.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 27


Tobias Schmidt und Birgit Aschhoff<br />

OECD and Eurostat (2005): Oslo Manual – Proposed Guidelines for Collecting and Interpreting<br />

Technological Innovation Data. 3. Aufl. Paris.<br />

Peters, B. (2003): Innovation und Beschäftigung. In: N. Janz und G. Licht (Hrsg.): Innovationsforschung<br />

heute. ZEW Wirtschaftsanalysen. Bd. 63. Baden-Baden, 115–151.<br />

Peters, B. (2004): Employment Effects of Different Innovation Activities: Microeconometric<br />

Evidence. ZEW Discussion Paper No. 04-73. Mannheim.<br />

Peters, B., Ch. Rammer und H. Binz (2006): Innovationsfinanzierung: Stand, Hindernisse,<br />

Perspektiven. In: KfW (Hrsg.): Innovationen im Mittelstand, Mittelstands- und Strukturpolitik.<br />

Bd. 37. Frankfurt a.M., 91–144.<br />

Rammer, Ch., H. Penzkofer, A. Stephan, C. Grenzmann, D. Heger und O. Nagel (2004):<br />

FuE- und Innovationsverhalten von KMU und Großunternehmen unter dem Einfluss<br />

der Konjunktur. Studien zum deutschen Innovationssystem 22-2004. Mannheim.<br />

Rammer, C., B. Peters, T. Schmidt, B. Aschhoff, T. Doherr und H. Niggemann (2005):<br />

Innovationen in Deutschland – Ergebnisse der Innovationserhebung 2003 in der deutschen<br />

Wirtschaft. ZEW Wirtschaftsanalysen. Bd. 78. Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft.<br />

Schmidt, T., B. Aschhoff, T. Doherr, S. Gottschalk, H. Löhlein, B. Peters und C. Rammer<br />

(2005): Das Mannheimer Innovationspanel (MIP): Innovationsaktivitäten der deutschen<br />

Wirtschaft. In: I. Ellendorfer und U. Fahl (Hrsg.): Ansätze zur Modellierung von<br />

Innovationen in der Energiewirtschaft. BWMA und IER Hohenheim. Bonn, 31–38.<br />

Sofka, W. und T. Teichert (2006): Global Sensing and Sensibility – A Multi-Stage Matching<br />

Assessment of Competitive Advantage from Foreign Sources of Innovation. ZEW<br />

Discussion Paper No. 06-009. Mannheim.<br />

Spielkamp, A. und Ch. Rammer (2006): Balanceakt Innovation – Erfolgsfaktoren im Innovationsmanagement<br />

kleiner und mittlerer Unternehmen. ZEW Dokumentation Nr. 06-<br />

04. Mannheim.<br />

28 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Diversifikationsmaße im Praxistest –<br />

Ergebnisse auf der Grundlage von amtlichen<br />

Mikrodaten für Deutschland*<br />

Von Petra Zloczysti** und Cathleen Faber***<br />

Vierteljahrshefte<br />

zur Wirtschaftsforschung<br />

76 (2007), 3, S. 29–42<br />

Zusammenfassung: Die Wahl zwischen Diversifikation und Spezialisierung ist eine lange und kontrovers<br />

diskutierte Frage in der industrieökonomischen Forschung. Inzwischen ist es möglich, anhand von<br />

Mikrodaten auf Unternehmensebene die Gestaltung der Produktpalette von Unternehmen zu untersuchen.<br />

In dieser Studie werden die in der empirischen industrieökonomischen Forschung vorherrschenden<br />

Diversifikationsmaße einem Praxistest unterzogen. Die Frage ist, was die zur Verfügung stehenden<br />

Maße tatsächlich messen, wie sie bei real existierender, also beobachtbarer Diversifikation<br />

reagieren und ob sie in Querschnitt- und Längsschnittanalysen zu vergleichbaren Ergebnissen führen.<br />

Gleichzeitig wird damit eine Beschreibung der empirisch beobachtbaren Diversifikation sowie ihrer<br />

Entwicklung im Zeitverlauf für das verarbeitende Gewerbe in Deutschland gegeben.<br />

Summary: The choice between diversification and specialization has been a matter of controversial<br />

debate in the field of industrial economics for years. By now, it is possible to analyze the composition<br />

of the array of products using micro data on the firm level. This study applies the diversification<br />

indexes being used in the empirical research on industrial economics and tests their implications and<br />

results. The questions arising are: what do the indexes measure, how do they depict observable diversification<br />

and do they lead to comparable results for cross section and longitudinal data analysis. Furthermore,<br />

a description of the observed diversification and its trend is provided for manufacturing<br />

firms in Germany.<br />

JEL Classification: L60, D21, O14<br />

Keywords: Diversification, specialization, measurement, micro data<br />

1 Motivation<br />

Die Wahl zwischen Diversifikation 1 und Spezialisierung ist eine lange und kontrovers diskutierte<br />

Frage in der industrieökonomischen Forschung. Theoretisch begründbar sind beide<br />

Strategien. Spezialisierung kann angestrebt werden, um „economies of scale“ und<br />

Lerneffekte zu nutzen, während mithilfe einer Diversifikationsstrategie Risikostreuung<br />

vorgenommen werden kann.<br />

Inzwischen ist es möglich, anhand von Mikrodaten auf Unternehmensebene die Gestaltung<br />

der Produktpalette von Unternehmen zu untersuchen. Diese neuen Analysepotentiale,<br />

* Wir danken dem Arbeitskreis Monopolstrategien am <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> für wertvolle Anregungen und Diskussionen<br />

sowie Axel Werwatz, Ramona Pohl und Ronny Freier für hilfreiche Kommentare.<br />

** Freie Universität <strong>Berlin</strong>, Fachbereich Wirtschaftswissenschaft, E-Mail: zloczy@wiwiss.fu-berlin.de<br />

*** Amt für Statistik <strong>Berlin</strong>-Brandenburg, Standorte <strong>Berlin</strong> und Potsdam, E-Mail: cathleen.faber@statistikbbb.de<br />

1 Die Begriffe Diversifizierung und Diversifikation können synonym verwendet werden.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 29


Petra Zloczysti und Cathleen Faber<br />

z.B. im Hinblick auf die Erfolgsimplikationen der jeweiligen Strategie, lassen sich nur<br />

dann vollständig ausschöpfen, wenn entsprechende Maße zur Verfügung stehen, die den<br />

Diversifikationsgrad der Unternehmen sowie seine Entwicklung im Zeitablauf abbilden.<br />

In dieser Studie werden die in der empirischen industrieökonomischen Forschung vorherrschenden<br />

Diversifikationsmaße einem Praxistest unterzogen. Die Frage ist, was die zur<br />

Verfügung stehenden Maße eigentlich messen, wie sie auf real existierende, also beobachtbare<br />

Diversifikation anschlagen und ob sie in der Querschnitt- und Längsschnittanalyse<br />

zu vergleichbaren Ergebnissen führen. Gleichzeitig wird damit eine Beschreibung der<br />

empirisch beobachtbaren Diversifikation sowie ihrer Entwicklung in Deutschland im Zeitverlauf<br />

gegeben.<br />

Das verwendete Datenmaterial ist ein Product-Producer-Panel, das von den Forschungsdatenzentren<br />

der Statistischen Ämter der Länder bereitgestellt wird. Es handelt sich hierbei<br />

um einen auf Unternehmensebene verbundenen Datensatz zweier Erhebungen für das<br />

verarbeitende Gewerbe.<br />

2 Diversifikationsmaße<br />

Die in der industrieökonomisch geprägten empirischen Forschung verbreiteten Diversifikationsmaße<br />

sind in der Regel von Konzentrationsmaßen oder Maßen zur Messung der<br />

Spezialisierung eines Unternehmens oder einer Branche abgeleitet.<br />

Das am einfachsten zu erfassende – in der Literatur oft vernachlässigte – Diversifikationsmaß<br />

ist die Anzahl der Produkte (1) des Unternehmens.<br />

d1n n = Anzahl der Produkte eines Unternehmens<br />

Ein Unternehmen gilt dementsprechend als diversifiziert, wenn es mehr als ein Produkt<br />

herstellt. Hauptkritikpunkt dieses Maßes ist die fehlende Berücksichtigung des Wertes der<br />

einzelnen Produkte für das Unternehmen, beispielsweise anhand seines Anteils an Absatz<br />

oder Produktionswert.<br />

Gort (1962) entwickelte den ersten quantitativen Ausdruck für die Diversifikation in der<br />

US-amerikanischen Industrie, abgeleitet aus der „primary product specialization ratio“<br />

(PPSR) bzw. Konzentrationsrate eines Unternehmens auf ein Hauptprodukt. Hierbei wird<br />

der Anteil des absatzstärksten Produkts von eins abgezogen.<br />

s j = Anteil eines Produkts am Absatzproduktionswert eines Unternehmens<br />

Übrig bleibt der Anteil der sekundären bzw. Nebenprodukte am Gesamtabsatz (2) des Unternehmens.<br />

Dieser Index ist methodisch einfach zu bestimmen und veranschaulicht die<br />

Verteilung des Absatzes eines Unternehmens auf das primäre Hauptprodukt und die Sum-<br />

30 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

= 1<br />

1 ≤ d ≤ n<br />

2 = 1− max(<br />

n<br />

j ) =∑<br />

j=<br />

2<br />

j<br />

d2<br />

d s s<br />

0≤≤1 (1)<br />

(2)


Diversifikationsmaße im Praxistest – Ergebnisse auf der Grundlage von amtlichen Mikrodaten für Deutschland<br />

me der Nebenprodukte. Ein Wert nahe null kennzeichnet ein stark spezialisiertes Unternehmen,<br />

während ein Wert nahe eins auf ein diversifiziertes Unternehmen hinweist. Einschränkend<br />

ist im Hinblick auf dieses Maß anzumerken, dass die Gesamtzahl der Produkte<br />

des Unternehmens bei der Interpretation vernachlässigt wird.<br />

Ein weiteres, recht populäres Diversifikationsmaß (measure of corporate diversification)<br />

basiert auf dem Herfindahl-Index (3), einer Maßzahl zur Bestimmung der relativen Konzentration<br />

(Berry 1971, McVey 1972).<br />

n<br />

2<br />

j<br />

j=<br />

1<br />

HF = ∑ s<br />

1<br />

≤ HF ≤ 1<br />

n<br />

Ausgangspunkte für die Berechnung des Herfindahl-Indexes sind die Anzahl der Produkte<br />

sowie deren relative Bedeutung für das Unternehmen, gemessen anhand des Anteils am<br />

Absatzproduktionswert. Der Herfindahl-Index ist eine gewichtete Summe über die Absatzanteile<br />

aller Produkte, wobei jedes Produkt mit seinem eigenen Anteil gewichtet, also<br />

faktisch quadriert wird. Dies führt dazu, dass der Einfluss von Produkten mit niedrigem<br />

Absatzanteil insgesamt geringer ausfällt.<br />

Berry (1971: 373) wandelte dies zu einem Diversifikationsindex ab, der in der Literatur<br />

auch als Berry-Herfindahl-Index (4) bezeichnet wird.<br />

3<br />

1<br />

n<br />

∑<br />

j = 1<br />

2<br />

j 1<br />

0≤ d 1<br />

3 ≤1− d = − s = −HF<br />

Der Berry-Herfindahl-Index hat gegenüber dem eigentlichen Herfindahl-Index den Vorteil,<br />

dass er ansteigt, sobald die Diversifikation innerhalb eines Unternehmens zunimmt.<br />

Bei Ein-Produkt-Unternehmen nimmt er den Wert null an und nähert sich dem Wert eins,<br />

wenn die Absatzanteile der Produkte eines Unternehmens nahezu gleich verteilt sind. Aufgrund<br />

des Gewichtungsschemas reagieren der Herfindahl- und der Berry-Herfindahl-Index<br />

nur schwach auf Ausweitungen des Produktportfolios, solange diese nur einen geringen<br />

Absatzanteil aufweisen. Veränderungen werden somit erst ab einer gewissen Größe<br />

(im Hinblick auf den Absatzanteil) erfassbar.<br />

Die Cumulative Diversification Curve (5) wurde von Utton (1977) entwickelt und berücksichtigt<br />

neben dem Absatzanteil eines Produktes indirekt die Rangordnung der Produkte<br />

innerhalb des Unternehmens.<br />

n<br />

4 = 2⋅∑<br />

j ⋅ j −1<br />

j=<br />

1<br />

s r d<br />

1 ≤ d4≤ n<br />

r j = Rang des Produkts bezüglich seines Anteils am Absatzproduktionswert des Unternehmens<br />

(absteigend sortiert)<br />

Die Rangordnung der Produkte wird anhand des Absatzanteils bestimmt, wobei dem Produkt<br />

mit dem größten Anteil der erste Rang zugewiesen wird. Die Cumulative Diversification<br />

Curve liegt zwischen eins (für Ein-Produkt-Unternehmen) und der Anzahl der Pro-<br />

n<br />

(3)<br />

(4)<br />

(5)<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 31


Petra Zloczysti und Cathleen Faber<br />

dukte (für ein Unternehmen, dessen Absatzproduktionswert gleichmäßig auf alle<br />

produzierten Produkte verteilt ist). Ein Vorteil dieses Maßes ist dementsprechend, dass jede<br />

Ausprägung der Cumulative Diversification Curve anzahläquivalent interpretiert werden<br />

kann. Beispielsweise weist ein Unternehmen mit vielen Produkten und einem Wert<br />

von d 4 = 4 den gleichen Diversifikationsgrad auf wie ein Unternehmen, das über vier Produkte<br />

mit einem jeweiligen Absatzanteil von ¼ verfügt (Utton 1977: 103). Vollständige<br />

Diversifikation ist bei diesem Index somit eng mit dem Gedanken gleicher Absatzanteile<br />

für verschiedene Produkte verbunden. Ähnliches gilt auch für das folgende Diversifikationsmaß.<br />

Die Entropie (6) entstammt der Physik und wurde von Jacquemin und Berry (1979) auf<br />

die Messung der Diversifikation von Unternehmen übertragen. Für die Berechnung wird<br />

der Anteil eines Produktes am Absatz mit dem Logarithmus des Kehrwertes gewichtet.<br />

Sinn dieses Gewichtungsschemas ist es, Produkte mit geringem Absatzanteil, wie er häufig<br />

für neue Produkte kennzeichnend ist, stärker zu betonen.<br />

d = s ⋅ln<br />

5<br />

n<br />

∑<br />

j = 1<br />

Die Entropie lässt sich vergleichsweise schwer interpretieren: Sie ist nach unten durch null<br />

(für Ein-Produkt-Unternehmen) begrenzt und kann maximal den Wert des Logarithmus<br />

der Anzahl der Produkte (bei Gleichverteilung der einzelnen Produkte gemäß des Absatzanteils)<br />

annehmen – ein Wert, der intuitiv schlecht greifbar ist.<br />

Die anzahläquivalente Entropie (7) hingegen, angewandt beispielsweise von Baldwin et<br />

al. (2001), errechnet sich aus der exponierten Entropie und lässt sich direkt als durchschnittliche,<br />

gewichtete Anzahl von Produkten eines Unternehmens interpretieren.<br />

d5<br />

d6e e<br />

Die Idee hierbei ist, vergleichbar dem Konzept der Cumulative Diversification Curve, ein<br />

zahlenmäßiges Äquivalent zu bestimmen, das der Anzahl der Produkte bei Gleichverteilung<br />

des Absatzes entsprechen würde. Ein-Produkt-Unternehmen erhalten den Wert eins,<br />

während die anzahläquivalente Entropie für Mehr-Produkt-Unternehmen kleiner oder<br />

gleich (bei Gleichverteilung) der Anzahl der Produkte ist.<br />

Neben den hier vorgestellten, in der empirischen Forschung verbreiteten Diversifikationsmaßen<br />

entwickelten viele Autoren speziell auf die jeweilige Fragestellung und die zur<br />

Verfügung stehenden Daten zugeschnittene Diversifikationsmaße, die im Folgenden nicht<br />

weiter betrachtet werden sollen. 2<br />

Zusammenfassend lassen sich die gängigen Diversifikationsmaße in zwei Gruppen unterteilen:<br />

Die eine Gruppe, bestehend aus dem (Berry-)Herfindahl-Index und dem Anteil der<br />

Nebenprodukte, lässt sich anteilswertbezogen verstehen. Diese Maße liegen definitionsge-<br />

2 Vgl. beispielsweise Ushijima und Fukui (2004), Rumelt (1974), Varadarajan und Ramanujam (1987), Gollop<br />

und Monahan (1991).<br />

32 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

j<br />

1 ( s ) j<br />

0≤d ≤ ln( n)<br />

s ln<br />

⎛ 1 ⎞<br />

∑ j ⎜ s ⎟<br />

⎝ j ⎠<br />

= = 1 ≤ d6≤ n<br />

5<br />

(6)<br />

(7)


Diversifikationsmaße im Praxistest – Ergebnisse auf der Grundlage von amtlichen Mikrodaten für Deutschland<br />

mäß zwischen null und eins, wobei null für Spezialisierung und Werte nahe eins für eine<br />

starke Diversifikation stehen. Die andere Gruppe, bestehend aus Anzahl der Produkte, Cumulative<br />

Diversification Curve und anzahläquivalenter Entropie, kann jeweils als durchschnittliche<br />

Produktanzahl interpretiert werden, wobei Cumulative Diversification Curve<br />

und anzahläquivalente Entropie eine Gewichtung anhand der Absatzanteile vornehmen.<br />

Die Entropie ist aufgrund ihrer begrenzten Interpretationsmöglichkeiten schwer zu klassifizieren,<br />

in der praktischen Anwendung allerdings mit der anzahläquivalenten Entropie<br />

vergleichbar. Sie wird daher im Folgenden nicht weiter betrachtet.<br />

Anzahlbezogene Maße Anteilswertbezogene Maße<br />

Anzahl der Produkte Anteil der Nebenprodukte am Absatz<br />

Cumulative Diversification Curve (Berry-)Herfindahl Index<br />

Anzahläquivalente Entropie<br />

Die vorgenommene Untergliederung der Diversifikationsmaße in anzahl- und anteilswertbezogene<br />

Maße wird aus Gründen der Übersichtlichkeit auch in der folgenden empirischen<br />

Analyse beibehalten.<br />

An dieser Stelle ist anzumerken, dass die Ergebnisse der Diversifikationsmessung naturgemäß<br />

von der zugrunde liegenden Klassifizierung der Produkte oder Wirtschaftszweige<br />

abhängen. Je aggregierter die Ausgangsdaten sind, desto geringer fällt die gemessene Diversifikation<br />

aus.<br />

3 Verwendete Daten<br />

Die meisten Studien zum Thema beziehen sich auf Diversifikation von Unternehmen über<br />

Wirtschaftszweige und hierbei vor allem auf 2- oder 4-Steller-Ebene der nationalen Klassifikation<br />

der Wirtschaftszweige. 3 Diese Untersuchung konzentriert sich hingegen auf die<br />

neuen Analysepotentiale von Mikrodaten, setzt auf der Produktebene an und betrachtet<br />

folglich die Produktdiversifikation von Unternehmen. Hierbei wird die tiefste Gliederungsebene<br />

des Güterverzeichnisses für Produktionsstatistiken (9-Steller der GP95) verwendet.<br />

Die folgenden Ergebnisse basieren auf Mikrodaten eines faktisch anonymisierten Producer-Product-Panels<br />

4 für das verarbeitende Gewerbe (Görzig et al. 2005). Diese Daten wurden<br />

im Forschungsdatenzentrum der Statistischen Ämter der Länder am regionalen Standort<br />

<strong>Berlin</strong> für Forschungszwecke aufbereitet und anonymisiert. Sie können am<br />

Gastwissenschaftlerarbeitsplatz ausgewertet werden.<br />

Das Panel enthält Mikrodaten aus der Produktions- und Kostenstrukturerhebung (zwei unterschiedlichen<br />

Erhebungen der Statistik des verarbeitenden Gewerbes), die für den Zeit-<br />

3 Beispielhaft sei hier auf die Studien von Gort (1962), Berry (1971), Utton (1977), Jacquemin und Berry<br />

(1979) oder Baldwin (2001) verwiesen.<br />

4 Durch die Kombination von Produktions- und Kostenstrukturerhebung entsteht ein Mikrodatensatz, der eine<br />

Zuordnung zwischen hergestellten Produkten, jeweiligen Produzenten und deren Kostenarten ermöglicht.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 33


Petra Zloczysti und Cathleen Faber<br />

raum von 1995 bis 2001 auf Unternehmensebene über die Unternehmensnummer miteinander<br />

verknüpft wurden.<br />

Die Unternehmen der Kostenstrukturerhebung gehören in der Regel auch zu den Berichtspflichtigen<br />

der Produktionserhebung, einer Vollerhebung mit Abschneidegrenze, die Angaben<br />

über Anzahl und Wert der erzeugten Produkte der im Inland ansässigen produzierenden<br />

Betriebe von Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes mit 20 und mehr<br />

Beschäftigten erfasst 5 . Im Mittelpunkt der Analyse steht der Wert der zum Absatz bestimmten<br />

Produktion ohne Berücksichtigung von Zwischenprodukten und vergebener<br />

Lohnarbeit. Die Produktionserhebung liefert Daten für die jeweiligen örtlichen Betriebsstätten<br />

der Unternehmen. Diese lassen sich entsprechend den Unternehmen zuordnen,<br />

woraus sich die Zahl der Betriebe eines jeden Unternehmens als zusätzliches Merkmal ergibt.<br />

In den vorliegenden Mikrodaten werden, von wenigen Ausnahmen abgesehen, Angaben<br />

über Menge und Wert aller 6400 vorgegebenen Produkte, entsprechend des Güterverzeichnisses<br />

für Produktionsstatistiken (GP95), verwendet.<br />

Die Kostenstrukturerhebung ist eine jährliche Stichprobe für ca. 18000 Unternehmen mit<br />

mindestens 20 Beschäftigten. Für Unternehmen mit 500 und mehr Beschäftigten handelt<br />

es sich um eine Vollerhebung; für kleinere Unternehmen ist es eine rotierende Stichprobe<br />

mit Panelcharakter. Der durchschnittliche Auswahlsatz beträgt 45% (Statistisches Bundesamt<br />

2005b). Aus dieser Erhebung sind in die vorliegende Untersuchung Informationen<br />

über die Zahl der tätigen Personen beziehungsweise Beschäftigtengrößenklassen einbezogen<br />

worden.<br />

Bei der Längsschnittanalyse sind Stichprobenneuziehungen zu beachten. In der Kostenstrukturerhebung<br />

wurde 1997 und 1999 eine neue Stichprobe gezogen. Diese Veränderungen<br />

werden in der folgenden Analyse berücksichtigt, da neben allen Unternehmen ein Datensatz<br />

mit Großunternehmen 6 extrahiert wird, der eine Vollerhebung darstellt.<br />

Insgesamt sind im analysierten Producer-Product-Panel Mikrodaten für 105530 Unternehmen<br />

enthalten. Davon sind zirka ein Drittel Ein-Produkt-Unternehmen, für die eine Analyse<br />

der Diversifikation nur im Zeitverlauf eine Rolle spielt. Rund 10% der Unternehmen<br />

verfügen über mehr als 500 Beschäftigte.<br />

Für 2394 Unternehmen liegen Daten für alle sieben Erhebungsjahre von 1995 bis 2001<br />

vor. Auch hiervon sind zirka zwei Drittel Mehr-Produkt-Unternehmen. Rund ein Drittel<br />

der Unternehmen im reduzierten Panel sind Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten.<br />

Im Rahmen der Analyse hat sich wiederholt gezeigt, dass anstelle der Zahl der Produkte<br />

des Unternehmens im vorliegenden Datensatz auch die Zahl der Betriebe verwandt werden<br />

könnte, da beide Merkmale hoch korreliert sind.<br />

5 Liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit des Unternehmens außerhalb des produzierenden Gewerbes, so muss<br />

der Betrieb mindestens 20 Beschäftigte aufweisen. Für besonders klein strukturierte Wirtschaftszweige gilt<br />

eine abweichende Abschneidegrenze von überwiegend 10 und mehr Beschäftigten (Statistisches Bundesamt<br />

2005a: 3).<br />

6 Mehr als 500 Beschäftige.<br />

34 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Diversifikationsmaße im Praxistest – Ergebnisse auf der Grundlage von amtlichen Mikrodaten für Deutschland<br />

4 Ergebnisse im Querschnittvergleich<br />

Im Hinblick auf die praktische Anwendung der vorgestellten Diversifikationsmaße in der<br />

empirischen Analyse ist die Frage nach unterschiedlichen Ausprägungen und Gemeinsamkeiten<br />

von wesentlicher Bedeutung. In der Querschnittbetrachtung bieten Mittelwerte und<br />

Standardabweichungen der Diversifikationsmaße einen ersten Anhaltspunkt. Tabelle 1<br />

zeigt die Mittelwerte und Standardabweichungen für das Jahr 2001 7 , wobei die Standardabweichung<br />

zur besseren Vergleichbarkeit prozentual in Relation zum Mittel angegeben<br />

ist.<br />

Es ist zu erkennen, dass sich die meisten Maße in ihrer Streuung kaum unterscheiden. Im<br />

Durchschnitt liegt die Standardabweichung bei rund 100% des entsprechenden Mittelwertes.<br />

Mögen diese Werte auf den ersten Blick sehr hoch erscheinen, so sind sie jedoch aufgrund<br />

der Heterogenität bezüglich Größe und Produktpalette der Unternehmen des produzierenden<br />

Gewerbes erklärbar. Auch eine erste Schwäche des rudimentärsten aller Maße,<br />

die schlichte Anzahl der hergestellten Produkte, wird erkennbar. Da es keinerlei Gewichtung<br />

verwendet, die die Bedeutung einzelner Produkte widerspiegeln würde, ist eine wesentlich<br />

höhere Standardabweichung die Folge, die fast das Doppelte des durchschnittlichen<br />

Wertes beträgt. 8<br />

Weitaus interessanter sind die empirischen Zusammenhänge der verschiedenen Diversifikationsmaße.<br />

Die Wahl eines geeigneten Maßes stellt eine der inhaltlichen Analyse, beispielsweise<br />

von Diversifikation und Unternehmenserfolg, vorgelagerte Entscheidung dar<br />

und ist somit bei der Interpretation von Ergebnissen zu berücksichtigen. Es stellt sich in<br />

Tabelle 1<br />

Mittelwerte und prozentuale Standardabweichungen der Diversifikationsmaße<br />

1 Im Folgenden wird die Variante des (Berry-)Herfindahl-Indexes zum Zweck der Vergleichbarkeit der Ergebnisse<br />

im Hinblick auf Diversifikation verwendet.<br />

Quelle: Forschungsdatenzentren der Länder, eigene Berechnungen.<br />

Diversifikationsmaß Mittelwert<br />

7 2001 stellt die aktuellste Welle des vorhandenen Datenmaterials dar.<br />

8 Die Ergebnisse für frühere Jahre zeigen keine wesentlichen Unterschiede, daher können die gezeigten Werte<br />

in ihrer Struktur als repräsentativ betrachtet werden.<br />

Prozentuale<br />

Standardabweichung<br />

Anzahlbezogene Maße Anzahl der Produkte 3,54 185,2<br />

Cumulative<br />

Diversification Curve<br />

Anzahläquivalente<br />

Entropie<br />

Anteilsbezogene Maße Anteil der<br />

Nebenprodukte<br />

1,81 84,9<br />

2,11 94,9<br />

0,22 105,8<br />

Herfindahl-Index 1 0,29 97,6<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 35


Petra Zloczysti und Cathleen Faber<br />

Tabelle 2<br />

Korrelationskoeffizienten der Diversifikationsmaße für das Jahr 2001<br />

Quelle: Forschungsdatenzentren der Länder, eigene Berechnungen.<br />

diesem Zusammenhang insbesondere die Frage, ob schwerpunktmäßig anzahl- oder anteilsbezogene<br />

Größen die Diversifikation von Unternehmen in vergleichbarer Weise abbilden.<br />

Zu diesem Zweck werden Korrelationskoeffizienten für alle vorhandenen Wellen,<br />

1995–2001, berechnet. An dieser Stelle werden exemplarisch die aktuellen Werte für 2001<br />

wiedergegeben. 9<br />

Die erste Hälfte der Tabelle 2 beinhaltet die anzahlbezogenen Maße, während die anteilsbezogenen<br />

Diversifikationsmaße in der unteren Hälfte angeordnet sind. Kursiv in der jeweils<br />

zweiten Zeile sind die Korrelationskoeffizienten für die Gruppe der Mehr-Produkt-<br />

Unternehmen dargestellt. 10 Diese Unternehmen liefern den Großteil der Varianz der angewandten<br />

Maße, daher dient ihre Gruppe der Kontrolle und Verdeutlichung der Ergebnisse.<br />

Die Tatsache, dass die Korrelationskoeffizienten systematisch etwas niedriger ausfallen,<br />

lässt sich daher aufgrund unterschiedlicher Gewichtungen leicht begründen.<br />

Die anzahlbezogenen Maße: Anzahl der Produkte, anzahläquivalente Entropie und Cumulative<br />

Diversification Curve zeigen hohe Korrelationen von über 80% untereinander, was<br />

auf eine hohe Vergleichbarkeit der Ergebnisse schließen lässt. Insbesondere die anzahläquivalente<br />

Entropie und die Cumulative Diversification Curve zeigen einen nahezu perfekten<br />

linearen Zusammenhang.<br />

9 Die Korrelationsstruktur ist über die Jahre weitgehend konstant.<br />

10 Unternehmen, die gemäß der verwendeten Gliederung mehr als ein Produkt erstellen. Der Anteil von Ein-<br />

Produkt-Unternehmen liegt im Schnitt bei gut 30%.<br />

36 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Anzahl der<br />

Produkte<br />

Anzahl der Produkte 1<br />

Cumulative Diversification<br />

Curve<br />

Anzahläquivalente<br />

Entropie<br />

1<br />

Cumulative<br />

Diversification<br />

Curve<br />

0,86 1<br />

0,84 1<br />

Anzahläquivalente<br />

Entropie<br />

0,85 1 1<br />

0,83 1 1<br />

Anteil der Nebenprodukte 0,44 0,7 0,71 1<br />

0,35 0,65 0,65 1<br />

Anteil der<br />

Nebenprodukte Herfindahl-Index<br />

Herfindahl-Index 0,44 0,68 0,7 0,99 1<br />

0,35 0,64 0,65 0,98 1


Diversifikationsmaße im Praxistest – Ergebnisse auf der Grundlage von amtlichen Mikrodaten für Deutschland<br />

Selbiges gilt für die anteilsbezogenen Größen: Der Anteil der Nebenprodukte und der<br />

Herfindahl-Index weisen ebenfalls einen Korrelationskoeffizienten von knapp eins auf.<br />

Innerhalb der beiden gebildeten Gruppen von Diversifikationsmaßen ist damit eine fast lineare<br />

Entsprechung der Ergebnisse zu erwarten. Diese Beobachtung leitet über zu der Fragestellung,<br />

inwieweit die Ergebnisse der gebildeten Gruppen voneinander abweichen.<br />

Hier zeigen sich einige systematische Unterschiede, die für den Bereich der Mehr-Produkt-Unternehmen<br />

noch deutlicher ausfallen. Insbesondere die einfache Anzahl der Produkte<br />

weist verhältnismäßig niedrige Korrelationen mit den anteilsbezogenen Maßen auf.<br />

Die beiden anderen anzahlbezogenen Größen zeigen hingegen auch hohe Korrelation mit<br />

den anteilsbezogenen Maßen, wenngleich diese niedriger ausfallen als die Werte innerhalb<br />

der eigenen Gruppe. Diese Ergebnisse sind insofern nicht verwunderlich, als dass anteilsbezogene<br />

Informationen sowohl in der Cumulative Diversification Curve als auch im anzahläquivalenten<br />

Entropiemaß Verwendung finden.<br />

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die meisten Maße einen treffenden,<br />

einheitlichen Eindruck der beobachtbaren Diversifikation liefern. Die beiden gebildeten<br />

Gruppen zeigen insgesamt eine stärkere Korrelation unter- als zwischeneinander; allerdings<br />

sind diese Unterschiede nicht gravierend. Einschränkungen sind nur hinsichtlich der<br />

Anzahl der hergestellten Produkte zu machen, da hierbei absatzwertbezogene Informationen<br />

systematisch unberücksichtigt bleiben. Die Entscheidung für ein bestimmtes Maß ist<br />

von der zu klärenden Fragestellung und der gewählten Definition von Diversifikation abhängig<br />

zu machen, insbesondere im Hinblick auf die Wahl zwischen Anzahl der Produkte<br />

oder eines gewichteten Maßes. Allerdings bleibt grundsätzlich festzuhalten, dass die Abbildung<br />

des Diversifikationsgrades eines Unternehmens über die verschiedenen Maße hinweg<br />

sehr ähnlich ist. Bezüglich der praktischen Anwendung erscheint die Verwendung<br />

von gewichteten Maßen in den meisten Fällen sinnvoller, um der unterschiedlichen Bedeutung<br />

von Produkten für den Erfolg des Unternehmens Rechnung zu tragen. Aus interpretatorischer<br />

Sicht sind daher anzahlbezogene gewichtete Diversifikationsmaße wie die<br />

anzahläquivalente Entropie empfehlenswert.<br />

Ein weiterer wichtiger Aspekt in der empirischen Forschung ist die Klassifizierung und<br />

Gruppierung von Unternehmen gemäß ihrer Diversifikationsniveaus. Hierfür sind weniger<br />

die Korrelationskoeffizienten der Maße relevant als viel mehr die von ihnen erzeugten<br />

Rangordnungen der Unternehmen entsprechend ihres Diversifikationsgrades. Um die resultierenden<br />

Klassifizierungen zu vergleichen, werden Spearman-Rangkorrelationskoeffizienten<br />

berechnet.<br />

In Anlehnung an Tabelle 2 zeigt Tabelle 3 die Werte für das Jahr 2001 unter Verwendung<br />

des kompletten Datensatzes. Hier zeigt sich über alle Diversifikationsmaße und beide<br />

Gruppen hinweg ein einheitliches Bild: hohe Korrelationskoeffizienten zwischen 0,9 und<br />

eins. Auch hier sind die Werte für die Anzahl der Produkte am geringsten, absolut jedoch<br />

immer noch auf sehr hohem Niveau. Da sich diese Ergebnisse für alle vorhandenen Jahre<br />

und auch in der Gruppe der Mehr-Produkt- und Großunternehmen wiederfinden, lässt dies<br />

den Schluss zu, dass die von den verschiedenen Maßen erzeugten Rangfolgen weitgehend<br />

identisch sind. In praktischer Hinsicht sind damit alle Maße zur Bildung von Clustern geeignet,<br />

wobei die Anzahl der Produkte und der Anteil der Nebenprodukte durch ihre einfache<br />

Bestimmung einen guten und schnellen Überblick liefern können. Der Einfluss der<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 37


Petra Zloczysti und Cathleen Faber<br />

Tabelle 3<br />

Rangkorrelationskoeffizienten der Diversifikationsmaße für das Jahr 2001 1<br />

1 Auf die Ausweisung von Rangkorrelationskoeffizienten für Mehrproduktunternehmen wurde verzichtet, da sie<br />

ein vergleichbares Bild liefern.<br />

Quelle: Forschungsdatenzentren der Länder, eigene Berechnungen.<br />

Fragestellung im Hinblick auf das zu verwendende Maß verliert in diesem Zusammenhang<br />

an Bedeutung, führt jedoch in der Praxis zu einer deutlichen Arbeitserleichterung.<br />

5 Entwicklungsvergleich der Diversifikation in Deutschland<br />

Neben der Querschnittperspektive ist im Hinblick auf die Nutzung von Diversifikationsmaßen<br />

ihre Fähigkeit zur Abbildung der Entwicklung im Zeitverlauf relevant. In vielen<br />

empirischen Forschungsarbeiten sind gerade die Verhaltensänderungen der Unternehmen<br />

von Interesse. Im Vordergrund steht z.B. die Frage, ob sich Spezialisierungs- oder Diversifizierungstendenzen<br />

durchgesetzt haben.<br />

Für den gesamten Datensatz zeigt sich sowohl für die anzahl- als auch für die anteilsbezogenen<br />

Maße ein leichte Abwärtsbewegung, ein Indiz für einen Trend hin zu stärkerer<br />

Spezialisierung. Die Abbildungen 1 und 2 zeigen den Verlauf beider Gruppen, wobei eine<br />

indexierte Darstellungsform gewählt wird, um die Veränderungen der Größen hervorzuheben.<br />

Der Ausgangswert von 1995 wird als Basis verwendet und entspricht damit 100%.<br />

Ausgehend von dieser Größe werden die Werte der folgenden Jahre bis 2001 in Relation<br />

gesetzt. Die prozentuale Abnahme vom Ausgangsniveau ist daher als Differenz zum Basisjahr<br />

ablesbar. So liegt der Wert der Cumulative Diversification Curve 2001 rund 5%<br />

unter dem Wert von 1995. Im Durchschnitt beträgt die Abnahme über den gesamten Zeitraum<br />

für die anzahlbezogenen Maße zwischen 5% und 7%.<br />

Für die anteilsbezogenen Diversifikationsmaße sind ebenfalls deutliche Veränderungen zu<br />

verzeichnen. Auch hier zeigt sich ein stetiges Absinken zwischen 6% und 7%.<br />

Insgesamt verläuft die Entwicklung aller Maße recht gleichmäßig und kontinuierlich;<br />

Strukturbrüche sind nicht zu erkennen, wobei die Anzahl der hergestellten Produkte den<br />

größten Schwankungen unterliegt. Dies könnte auf neu eingeführte Produkte zurückzu-<br />

38 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Anzahl der<br />

Produkte<br />

Anzahl der Produkte 1<br />

Cumulative Diversification<br />

Curve<br />

Anzahläquivalente<br />

Entropie<br />

Cumulative<br />

Diversification<br />

Curve<br />

0,92 1<br />

Anzahläquivalente<br />

Entropie<br />

0,93 0,99 1<br />

Anteil der Nebenprodukte 0,88 0,97 0,98 1<br />

Anteil der<br />

Nebenprodukte Herfindahl-Index<br />

Herfindahl-Index 0,90 0,97 0,99 1 1


Diversifikationsmaße im Praxistest – Ergebnisse auf der Grundlage von amtlichen Mikrodaten für Deutschland<br />

Abbildung 1<br />

Entwicklung der anzahlbezogenen Diversifikationsmaße<br />

Index<br />

102<br />

100<br />

98<br />

96<br />

94<br />

92<br />

90<br />

88<br />

Quelle: Forschungsdatenzentren der Länder, eigene Berechnungen.<br />

Abbildung 2<br />

Entwicklung der anteilsbezogenen Maße<br />

Index<br />

102<br />

100<br />

98<br />

96<br />

94<br />

92<br />

90<br />

88<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001<br />

Quelle: Forschungsdatenzentren der Länder, eigene Berechnungen.<br />

Anzahl der<br />

Produkte<br />

Anzahläquivalente<br />

Entropie<br />

Cumulative<br />

Diversification Curve<br />

Anteil der<br />

Nebenprodukte<br />

Herfindahl-Index<br />

führen sein, die sich nie am Markt durchsetzen konnten, keinen relevanten Absatzwertanteil<br />

ausmachen und schließlich wieder aus der Produktion genommen werden.<br />

In diesem Zusammenhang muss auf die Neuziehung der Stichproben geachtet werden, da<br />

dies die Ergebnisse beeinflussen könnte. Vor dem Hintergrund des verwendeten Datensatzes<br />

stellt sich in methodischer Hinsicht die Frage, ob die Neuziehungen der Stichproben<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 39


Petra Zloczysti und Cathleen Faber<br />

Abbildung 3<br />

Entwicklung anzahlbezogener Maße für Großunternehmen<br />

Index<br />

Quelle: Forschungsdatenzentren der Länder, eigene Berechnungen.<br />

Abbildung 4<br />

Entwicklung anteilsbezogener Maße für Großunternehmen<br />

Index<br />

Quelle: Forschungsdatenzentren der Länder, eigene Berechnungen.<br />

maßgeblich zur Beobachtung einer kontinuierlichen Abwärtsbewegung beigetragen haben.<br />

Diese Neuziehungen betreffen jedoch nicht alle Unternehmensklassen gleichermaßen,<br />

für Großunternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten liegt eine Vollerhebung vor.<br />

Daher werden im Rahmen dieser Studie die Veränderungen der Diversifikationsmaße auch<br />

für eben jene Gruppe bestimmt. Die Abbildungen 3 und 4 zeigen die Entwicklung anzahlund<br />

anteilsbezogener Maße für den Zeitraum von 1995 bis 2001.<br />

40 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

105<br />

100<br />

95<br />

90<br />

85<br />

80<br />

75<br />

105<br />

100<br />

95<br />

90<br />

85<br />

80<br />

75<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001<br />

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001<br />

Anzahl der Produkte<br />

Anzahläquivalente<br />

Entropie<br />

Cumulative<br />

Diversification Curve<br />

Anteil der<br />

Nebenprodukte<br />

Herfindahl-Index


Diversifikationsmaße im Praxistest – Ergebnisse auf der Grundlage von amtlichen Mikrodaten für Deutschland<br />

Die Grafiken bestätigen den Eindruck der Abbildungen 1 und 2. Es ist ein deutlicher<br />

Trend zu stärkerer Spezialisierung zu verzeichnen und fast alle Maße liefern vergleichbar<br />

gute Informationen über die Veränderung der durchschnittlichen Diversifikation. Problematisch<br />

bleibt die Verwendung der Anzahl der Produkte, da relativ starke Schwankungen<br />

und Abweichungen von den anderen Maßen vorliegen. Insgesamt bestätigen die Eindrücke<br />

der Abbildungen 3 und 4 die Beobachtungen für den vollständigen Datensatz.<br />

Ergänzend wird ein Kontrollpanel, bestehend aus allen Unternehmen, die in sämtlichen<br />

Wellen vertreten waren, gebildet, um für Einflüsse der Stichprobenneuziehung zu kontrollieren.<br />

Es zeigt sich auch in diesem Zusammenhang eine leichte Tendenz zur Spezialisierung<br />

der Unternehmen im Rahmen der anzahlbezogenen Maße, wobei diese geringer ausfällt<br />

als im gesamten Datensatz. Neu hinzukommende Unternehmen scheinen daher die<br />

Spezialisierung durch neue Produkte voranzutreiben. Die Ergebnisse der anteilsbezogenen<br />

Maße zeigen hier keine nennenswerte Entwicklung, die weitere Rückschlüsse zulassen.<br />

Zusammenfassend scheint im Hinblick auf Längsschnittanalysen die Fragestellung bei der<br />

Wahl eines Diversifikationsmaßes keinen entscheidenden Einfluss zu haben. Mit Ausnahme<br />

der Anzahl der Produkte beschreiben alle Maße einen ähnlichen Entwicklungsprozess<br />

und sind daher für Messungen der Veränderungen im Zeitablauf geeignet. Die Neuziehungen<br />

der Stichproben haben keine Strukturbrüche innerhalb der kurzen, zur Verfügung stehenden<br />

Zeitreihe erkennen lassen und stellen daher in der praktischen Anwendung kein<br />

wesentliches Problem dar.<br />

6 Schlussfolgerungen<br />

Diversifikationsmaße sollen empirisch die Gestaltung der Produktpalette von Unternehmen<br />

und somit ihr Verhalten bzw. Verhaltensänderungen auf Märkten abbilden. Die vorliegende<br />

Studie zeigt, dass die Ergebnisse sowohl im Längsschnitt- als auch im<br />

Querschnittvergleich für die verschiedenen Diversifikationsmaße große Ähnlichkeiten<br />

aufweisen. Grundsätzlich sind alle getesteten Maße in der Praxis anwendbar. Lediglich<br />

das zugrunde liegende Verständnis von Diversifikation sollte beachtet werden und hierbei<br />

insbesondere die Frage, ob eine Gewichtung der Produktanzahl anhand der Bedeutung<br />

vorgenommen wird oder nicht. In welcher Form diese Gewichtung stattfindet, scheint von<br />

geringerer Bedeutung zu sein. Sie beeinflusst allerdings, wie stark ein Maß auf neue Produkte<br />

mit geringem Absatzanteil reagiert.<br />

So finden sich im Querschnittvergleich zwar Unterschiede zwischen den beiden gebildeten<br />

Gruppen anhand der Bestimmung von Korrelationskoeffizienten, allerdings fallen nur<br />

die Werte für die ungewichtete Anzahl der Produkte deutlich niedriger aus, sodass für dieses<br />

Maß mit abweichenden Ergebnissen in der empirischen Forschung zu rechnen ist. Für<br />

den Bereich der Clusterbildung können keine durch die Wahl eines bestimmten Maßes<br />

hervorgerufenen Einschränkungen festgestellt werden. Daher können auch einfache Maße<br />

wie der Anteil der Nebenprodukte einen guten und schnellen Überblick liefern.<br />

Die Analyse der Veränderungen im Zeitablauf zeigt eine ähnliche Entwicklung aller Maße.<br />

Nur die Anzahl der Produkte unterliegt höheren Schwankungen über die Zeit und erscheint<br />

auch aufgrund ihrer diskreten Erfassungsweise für die Beurteilung ungeeignet.<br />

Insgesamt kann ein Trend hin zu stärkerer Spezialisierung beobachtet werden, der von al-<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 41


Petra Zloczysti und Cathleen Faber<br />

len Maßen gleichermaßen erfasst und abgebildet wird. Da auch für Veränderungen des<br />

Datensatzes durch Stichprobenneuziehungen kontrolliert wird, ist diese Aussage nicht<br />

durch etwaige Strukturbrüche verfälscht.<br />

Literaturverzeichnis<br />

Baldwin, J.R., D. Beckstead, und R. Caves (2001): Changes in the diversification of<br />

Canadian manufacturing firms (1973–1997): A move to spezialization. Analytical<br />

Studies Branch – Research Paper Series. Statistics Canada No. 11F0019 No. 179.<br />

Ottawa.<br />

Berry, C.H. (1971): Corporate growth and diversification. Journal of Law and Economics,<br />

14, 371–383.<br />

Gollop, F.M. und J.L. Monahan (1991): A generalized index of diversification: Trends in<br />

U.S. manufacturing. The Review of Economics and Statistics, 73 (2), 318–330.<br />

Gort, M. (1962): Diversification and integration in American industry. Princeton, Princeton<br />

University Press.<br />

Görzig, B., H. Bömermann und R. Pohl (2005): Produktdiversifizierung und Unternehmenserfolg:<br />

Nuzung der Forschungsdatenzentren der Statistischen Ämter. Allgemeines<br />

Statistisches Archiv, 89, 339–354.<br />

Jacquemin, A.P. und C.H. Berry, (1979): Entropy measure of diversification and corparate<br />

growth. Journal of Industrial Economics, 27 (4), 359–369.<br />

McVey, J.S. (1972): The industrial diversification of multi-establishment manufacturing<br />

firms: A developmental study. Canadian Statistical Review, 47 (4/6), 112–117.<br />

Rumelt, R.P. (1974): Strategy, structure, and economic performance. Boston, Harvard<br />

Business School Press.<br />

Statistisches Bundesamt (2005a): Qualitätsbericht Produktionserhebungen. Stand: Juli<br />

2005.<br />

Statistisches Bundesamt (2005b): Qualitätsbericht Kostenstrukturerhebung im Verarbeitenden<br />

Gewerbe, im Bergbau sowie in der Gewinnung von Steinen und Erden. Stand:<br />

Juni 2005.<br />

Ushijima, T. und Y. Fukui (2004): Diversifcation patterns and performance of large established<br />

Japanese firms. Im Internet veröffentlichte Arbeit der Aoyama Gakuin University,<br />

Graduate School of International Management.<br />

Utton, M.A. (1977): Large firm diversification in British manufacturing industry. The<br />

Economic Journal, 87, 96–113.<br />

Varadarajan, P.R. und V. Ramanujam (1987): Diversification and performance: A<br />

reexamination using a new two-dimensional conceptualization of diversity of firms.<br />

Academy of Management Journal, 30 (2), 380–393.<br />

42 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Spezialisierung und Unternehmenserfolg im<br />

verarbeitenden Gewerbe Deutschlands<br />

Von Bernd Görzig*, Martin Gornig** und Ramona Pohl***<br />

Vierteljahrshefte<br />

zur Wirtschaftsforschung<br />

76 (2007), 3, S. 43–58<br />

Zusammenfassung: Der Wandel der Produktions- und Nachfragebedingungen verlangt von Unternehmen<br />

immer wieder Anpassungen ihrer Produktpalette. Auf der Basis von repräsentativen Mikrodaten<br />

der amtlichen Statistik werden hier diese Anpassungen in Beziehung zum Erfolg und zum<br />

Wachstum der Unternehmen gesetzt. Es wird gezeigt, dass die Mehrzahl der Unternehmen im verarbeitenden<br />

Gewerbe in Deutschland eine Spezialisierungsstrategie verfolgt. Sie konzentrieren sich auf<br />

die Erstellung und Vermarktung immer weniger Produkte. Damit steigern diese Unternehmen vor<br />

allem ihren operativen Gewinn. Unternehmen mit steigender Produktvielfalt, die eine Diversifizierungsstrategie<br />

verfolgen, erweisen sich dagegen als deutlich wachstumsstärker. Jedoch nicht alle<br />

Unternehmen, die eine Spezialisierungsstrategie verfolgen, sind erfolgreich und nicht alle Unternehmen,<br />

die ihre Produktpalette ausweiten, wachsen. Entsprechend zeigen sich auch Abweichungen von<br />

den generellen Ergebnissen, wenn man einzelne Wirtschaftzweige, Größenklassen oder Regionen<br />

betrachtet.<br />

Summary: The change of production and demand conditions requires continues adjustments of the<br />

product portfolio of enterprises. Based on representative micro data of official surveys for Germany<br />

these adjustments are set here in relationship with the success of enterprises. It can be shown that<br />

the majority of the enterprises in manufacturing is pursuing a specialization strategy. They concentrate<br />

on a decreasing number of products, increasing above all their operating surplus. Contrary,<br />

enterprises that pursue a diversification strategy prove against it as clearly growth-oriented. However,<br />

not all enterprises, which pursue a specialization strategy, are successful and not all enterprises,<br />

which expand their product range, are growing. Accordingly also deviations from the general results<br />

show up, if one regards individual industries, size classes or regions.<br />

JEL-Codes: L60, L25, R30<br />

Keywords: Diversification, firm’s success, firm size, industry, region<br />

1 Einführung<br />

Die hier vorgestellten Ergebnisse basieren auf einer Studie des <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> zum Zusammenhang<br />

von Produktinnovationen und Unternehmenserfolg, die im Auftrag des Bundesministeriums<br />

für Wirtschaft und Technologie durchgeführt wurde.<br />

In dem folgenden Beitrag geht es um die empirische Überprüfung der Frage, inwieweit die<br />

für das verarbeitende Gewerbe insgesamt zu beobachtende allgemeine Spezialisierungstendenz<br />

allgemeiner Natur ist oder ob bestimmte Unternehmenstypen nicht in dieses Raster<br />

passen. Insbesondere wird geprüft, inwieweit der im Durchschnitt der deutschen Un-<br />

* <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>, Mohrenstraße 58, 10117 <strong>Berlin</strong>, Tel: 49 30 89789314, E-Mail: bgoerzig@diw.de<br />

** <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>, Mohrenstraße 58, 10117 <strong>Berlin</strong>, Tel: 49 30 89789314, E-Mail: mgornig@diw.de<br />

*** Amt für Statistik <strong>Berlin</strong>-Brandenburg, 10315 <strong>Berlin</strong>, Tel: 49 30 90213907, E-Mail: Ramona.Pohl@statistikbbb.de<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 43


Bernd Görzig, Martin Gornig und Ramona Pohl<br />

ternehmen beobachtbare positive Zusammenhang zwischen Spezialisierung und Erfolg<br />

allgemeiner Natur ist oder bestimmte Unternehmensgrößen, Wirtschaftszweige oder Regionen<br />

vorrangig betrifft.<br />

Die Analysen wurden mit repräsentativen Mikrodaten der amtlichen Statistik durchgeführt.<br />

Es wurde ein auf Unternehmensebene verbundener Längsschnittdatensatz zweier<br />

Erhebungen für das verarbeitende Gewerbe verwendet. Ermöglicht wird diese Untersuchung<br />

durch die neu geschaffenen Forschungsdatenzentren der amtlichen Statistik.<br />

2 Diversifizierung und Spezialisierung<br />

Die Vorteile arbeitsteiliger Spezialisierungsprozesse sind Gegenstand vieler ökonomischer<br />

Studien. Dennoch ist unstrittig, dass von vielen Unternehmen Diversifizierungsstrategien<br />

angewandt werden. Vor diesem Hintergrund hat die industrieökonomische Forschung Begründungen<br />

dafür entwickelt, warum – trotz grundsätzlicher Nachteile – Diversifizierung<br />

für ein einzelnes Unternehmen sinnvoll sein kann. Von den durch Jovanovic und Gilbert<br />

(1993) aufgelisteten Beweggründen können Gewinnung zusätzlicher Marktmacht, Risikoausgleich,<br />

und Erhöhung der Produktkompatibilität der Absatzseite zugerechnet werden.<br />

Dagegen sind verbesserte Finanzierungsmöglichkeiten und Effizienzgewinne durch Economies<br />

of Scope eher der Kostenseite zuzuordnen.<br />

Angesichts der teilweise stark differierenden theoretischen Begründungen für Diversifizierung<br />

fallen auch die empirischen Ergebnisse keineswegs eindeutig aus. Jovanovic und<br />

Gilbert (1993) konstatieren unter Berufung auf eine Reihe von Studien, dass zumindest in<br />

den USA der überwiegende Teil des 20. Jahrhunderts von einer zunehmenden Diversifizierung<br />

der Unternehmen geprägt war. Demgegenüber konnte gegen Ende des 20. Jahrhunderts,<br />

beginnend etwa 1980, zunehmende Spezialisierung beobachtet werden (Gollop<br />

und Monahan 1991). Zurückgeführt wird diese Entwicklung auf die verstärkte Öffnung<br />

und Integration der Märkte im Zuge von Handelsliberalisierung.<br />

Während Spezialisierung in der Regel auf Effizienz- und Erfolgssteigerung ausgerichtet<br />

ist, sind die unterschiedlichen Diversifizierungsmotive von Unternehmen nicht zwangsläufig<br />

mit der Absicht einer Steigerung des Erfolgs verbunden. Theoretische Überlegungen<br />

(Caves et al. 1980, Smolny 2003) lassen erwarten, dass in Abhängigkeit von den Motiven<br />

diversifizierende Unternehmen weniger profitabel sind.<br />

Während Montgomery (1985) empirisch bestätigen kann, dass hoch diversifizierte Unternehmen<br />

eine geringere Profitabilität aufweisen, berichtet Hall (1995) über eine Reihe empirischer<br />

Studien, die auch einen positiven Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Diversifizierung<br />

und dem Unternehmenserfolg konstatieren. Diese Studien beziehen sich in<br />

der Regel jedoch nur auf eine geringe Zahl von Unternehmen.<br />

Umfassende repräsentative empirische Studien zur Produktdiversifizierung von Unternehmen<br />

gibt es bisher relativ wenige. Auf der Basis eines umfassenden Datensatzes haben<br />

Gollop und Mohanan (1991) Diversifizierungsprozesse in den USA zwischen 1963 und<br />

1982 untersucht. Für Kanada liegen Ergebnisse von Baldwin et al. (2001) vor.<br />

44 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Spezialisierung und Unternehmenserfolg im verarbeitenden Gewerbe Deutschlands<br />

Beide Studien machen allerdings keine Aussage über den Zusammenhang von Unternehmenserfolg<br />

und Spezialisierung. Für Deutschland haben dagegen Görzig und Pohl (2007)<br />

zeigen können, dass im Durchschnitt des verarbeitenden Gewerbes diversifizierende Unternehmen<br />

weniger erfolgreich sind als ihre spezialisierenden Wettbewerber. Dabei sind<br />

jedoch beide Unternehmenstypen erfolgreicher als jene Unternehmen, die keine Veränderungen<br />

in ihrer Produktpalette vornehmen. Unternehmen mit einer Ausweitung der Produktpalette<br />

wachsen stärker. Unternehmen, die sich spezialisieren, weisen eine besonders<br />

starke Verbesserung ihrer Ertragssituation auf.<br />

Aus diesen Beobachtungen lassen sich folgende Hypothesen ableiten (Görzig und Gornig<br />

2007):<br />

• Spezialisierungsstrategien werden vornehmlich von Unternehmen verfolgt, die unter<br />

starkem Kostendruck stehen und über die Effizienzgewinne der Spezialisierung ihre<br />

Ertragsrate zu steigern versuchen.<br />

• Diversifizierungsstrategien scheinen auf der hier beobachteten Produktebene weniger<br />

als erwartet defensiv zur Risikoabwehr angewandt zu werden. Vielmehr sind es offenbar<br />

gerade ertragsstarke, expansive Unternehmen, die diese Strategie anwenden. Es<br />

liegt nahe, bei diesen Unternehmen auch erfolgreiche Produktinnovationen zu vermuten.<br />

Angesichts der vielfältigen, in der Literatur beschriebenen Diversifizierungsmotive liegt<br />

es nahe anzunehmen, dass es von den jeweiligen Charakteristika der Unternehmen abhängen<br />

mag, ob eine Diversifizierungsstrategie oder Spezialisierungsstrategie erfolgreich ist.<br />

Das Ziel der Untersuchung besteht darin, herauszufinden, inwieweit das für den Durchschnitt<br />

aller Unternehmen erzielte Ergebnis auch für bestimmte Unternehmenstypen zutrifft.<br />

Hierzu werden die Unternehmen unterschieden nach:<br />

• Wirtschaftszweigzugehörigkeit,<br />

• Beschäftigtenzahl und<br />

• regionalem Standort.<br />

3 Abgrenzungen<br />

Die Analysen beziehen sich auf die kleinste rechtliche Einheit, also das Unternehmen als<br />

Entscheidungsträger. Einbezogen sind auch die unterschiedlichen örtlichen Einheiten eines<br />

Unternehmens, die Betriebe, nicht jedoch rechtlich selbstständige Tochterunternehmen.<br />

Ebenso wenig werden die Muttergesellschaften der betrachteten Unternehmen berücksichtigt.<br />

Dabei werden Datensätze aus amtlichen Erhebungen verwendet. Dadurch ist<br />

es möglich eine vergleichsweise große Zahl von etwa 15000 Unternehmen pro Jahr zu<br />

analysieren.<br />

Einschränkungen müssen in einem unternehmensbasierten Datensatz hingenommen werden,<br />

wenn die Diversifizierungsstrategie eines Unternehmens/Konzerns über die betrach-<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 45


Bernd Görzig, Martin Gornig und Ramona Pohl<br />

tete rechtliche Einheit hinaus reicht. Faktisch von Unternehmen angewandte Strategien<br />

zur Organisation ihres Produktionsprozesses können sehr unterschiedlich sein. Betreibt<br />

beispielsweise ein Unternehmen mehrere rechtlich selbstständige Tochterunternehmen mit<br />

jeweils eigenem Produkt, so würde man dies als Auslagerungsprozess erfassen und gleichzeitig<br />

auf einen hohen Spezialisierungsgrad der betroffenen Unternehmen schließen<br />

(Baldwin et al. 2001). Werden dagegen statt rechtlich selbständiger Einheiten lediglich zusätzliche<br />

örtliche Betriebsstätten errichtet, so würde dieses Unternehmen den Status eines<br />

Mehrbetriebsunternehmens mit hoher Produktdiversifizierung erhalten. Für die USA haben<br />

Gollop und Mohanan (1991) festgestellt, dass die Unternehmen in dem von ihnen beobachteten<br />

Zeitraum diversifiziert und gleichzeitig ihre Betriebe sich stärker spezialisiert<br />

haben. Diversifizierung von Unternehmen fand im Wesentlichen durch Gründung zusätzlicher<br />

Betriebe mit hoher Spezialisierung statt.<br />

Neben der Abgrenzung der unternehmerischen Einheit kann auch die Abgrenzung des zu<br />

betrachtenden Produkts unterschiedlich gehandhabt werden. In der Literatur wird vielfach<br />

mangels besserer Informationen nicht das einzelne Produkt, sondern der zugehörige Wirtschaftzweig<br />

für die Betriebsstätten als Abgrenzungskriterium verwendet. Dabei wird in<br />

der Regel nur das Hauptprodukt eines Betriebes betrachtet. Hier kommt es für das Ergebnis<br />

sehr stark darauf an, welche Tiefe der Wirtschaftzweigunterteilung genutzt wird. Die<br />

häufig so genannte Zweistellerebene von Wirtschaftzweigen unterscheidet im verarbeitenden<br />

Gewerbe nach gut 30 unterschiedlichen Wirtschaftszweigen. Bei der Vierstellerebene<br />

können bis zu 250 Wirtschaftszweige unterschieden werden. In der hier durchgeführten<br />

Studie wird die Unterscheidung auf der Produktebene zwischen 6400 Produkten vorgenommen.<br />

In der ökonomischen Theorie werden homogene von heterogenen Produkten durch die Art<br />

der Preisbildung am Markt unterschieden. Zur Abschöpfung von Renten werden Unternehmen<br />

versuchen, physisch eher verwandte Produkte dem Nachfrager als unterschiedliche<br />

Produkte zu präsentieren. Entsprechend sind die Produktionsprogramme der Unternehmen<br />

häufig sehr ausdifferenziert, lassen sich jedoch nicht unbedingt durch objektive<br />

Merkmale einer statistischen Produktklassifikation beschreiben. Die Produktabgrenzungen<br />

der amtlichen Statistik beruhen dagegen auf physischen Abgrenzungskriterien. So unterscheidet<br />

die nach der Prodcom-Verordnung durchgeführte Produktionserhebung in<br />

Deutschland zwar zwischen mehr als 6400 Produkten, dennoch ist zu erwarten, dass nur<br />

ein Teil der ökonomisch relevanten Produktdiversifizierung durch diese erfasst werden<br />

kann.<br />

4 Aufbereitung der Daten<br />

Durch die Schaffung von Forschungsdatenzentren (FDZ) ist es möglich geworden, mit<br />

Mikrodaten der amtlichen Statistik zu arbeiten (Zühlke et al. 2003, Wagner 2005). Für diese<br />

Untersuchung wurden erstmals Daten aus der Statistik des produzierenden Gewerbes<br />

ausgewertet, indem zwei unterschiedliche Erhebungen auf Unternehmensebene miteinander<br />

verbunden wurden. Verwendet wird ein Panel für Unternehmen des verarbeitenden<br />

Gewerbes für die Jahre 1995 und 2001 (siehe auch Görzig und Pohl 2007).<br />

Die amtliche Statistik des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland ist vergleichsweise<br />

gut ausgebaut und für eine Reihe von Tatbeständen eine Vollerhebung. Das Erhebungssys-<br />

46 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Spezialisierung und Unternehmenserfolg im verarbeitenden Gewerbe Deutschlands<br />

tem besteht aus mehreren konsistent verbundenen Einzelbefragungen zu unterschiedlichen<br />

Themenbereichen. Die auf gesetzlicher Grundlage Berichtspflichtigen dieser Erhebungen<br />

gehören zu Unternehmen mit im Allgemeinen 20 und mehr Beschäftigten. 1<br />

Die für diese Studie eingesetzte Kostenstrukturerhebung wird als hochrechnungsfähige<br />

geschichtete Stichprobe jährlich durchgeführt (Destatis 2005a). Neben dem Umsatz und<br />

einer Anzahl von Kostengrößen, insbesondere den Arbeitskosten, lassen sich mit dieser<br />

Erhebung auch Indikatoren für den Erfolg der Unternehmen in Form des operativen<br />

Gewinnes ermitteln. Der operative Gewinn bezeichnet jenen Teil des Gewinns, der im<br />

Rahmen des operativen Geschäfts erzielt wird, ohne Berücksichtigung der Finanzierungssphäre.<br />

Er entspricht auf einzelwirtschaftlicher Ebene dem im volkswirtschaftlichen Rechnungswesen<br />

(VGR) 2 verwendeten Begriff Betriebsüberschuss. Zudem sind der Kostenstrukturerhebung<br />

auch Beschäftigtenangaben zu entnehmen.<br />

Unternehmen, die in der Kostenstrukturerhebung berichtspflichtig sind, gehören in der<br />

Regel auch zum Berichtskreis der Produktionserhebung. 3 Hier werden sie nach Menge<br />

und Wert der von ihnen erzeugten Produkte befragt. Im Mittelpunkt dieser Untersuchung<br />

steht die zum Absatz bestimmte Produktion. Zwischenprodukte und vergebene Lohnarbeiten<br />

sind nicht einbezogen. Die Befragung richtet sich an die jeweiligen Betriebsstätten der<br />

Unternehmen, also an die örtlichen Einheiten, die jedoch vollständig den entsprechenden<br />

Unternehmen zugeordnet werden können. Über diese Zuordnung ergibt sich die Anzahl<br />

der Betriebe eines jeden Unternehmens als ein zusätzliches Merkmal. Von der hier verwendeten<br />

vierteljährlichen Befragung werden, von wenigen Ausnahmen abgesehen, Angaben<br />

über Menge und Wert aller 6400 vorgegebenen Produkte, entsprechend den Güterarten<br />

des Güterverzeichnisses (GP), sowie die Zahl der Betriebe verwendet. Der<br />

vorliegenden Untersuchung liegt die GP 95 zugrunde. Über die Zusammenführung der<br />

beiden Datensätze haben Görzig, Bömermann und Pohl (2005) berichtet. In dem Datensatz<br />

sind somit nur die Unternehmen enthalten, die zum Berichtskreis der Kostenstrukturerhebung<br />

gehören und eigene Erzeugnisse zur Produktionserhebung melden. 4 Die Auswertungen<br />

der beiden zusammengeführten Erhebungen erfolgten auf Unternehmensebene.<br />

5 Messansätze<br />

In der Literatur werden unterschiedliche Konzepte zur Messung der Produktspezialisierung<br />

diskutiert (Gollop und Monahan 1991, Fan und Lang 2000). Eine kritische Würdigung<br />

findet sich im Aufsatz von Zloczysti und Faber (2007) in diesem Heft. Das einfachste<br />

kategoriale Maß, das üblicherweise verwendet wird, besteht darin, die Zahl der<br />

Produkte eines Unternehmens zu messen. Allerdings ist dies ein sehr grobes Maß, da jedes<br />

1 Für die hier in Frage kommenden Befragungen, Produktionserhebung und Kostenstrukturerhebung, gibt es<br />

geringfügige Abweichungen im Berichtskreis. Diese sind jedoch für das verfolgte Ziel von untergeordneter<br />

Bedeutung.<br />

2 Ebenso wie der operative Gewinn wird auch der Betriebsüberschuss in der VGR für Unternehmen, den rechtlichen<br />

Einheiten, und nicht für Betriebe, den örtlichen Einheiten, ermittelt.<br />

3 Hier sind Betriebe von Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes mit mindestens 20 Beschäftigten<br />

berichtspflichtig. Liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit des Unternehmens außerhalb des produzierenden<br />

Gewerbes, muss der Betrieb mindestens 20 Beschäftigte aufweisen. Für klein strukturierte Wirtschaftszweige<br />

gibt es abweichende Abschneidegrenzen (Destatis 2005b).<br />

4 Unternehmen, die ausschließlich als Konverter tätig oder ausschließlich Erzeugnisse aus vergebenen Lohnarbeiten<br />

aufweisen, werden in der Analyse nicht berücksichtigt.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 47


Bernd Görzig, Martin Gornig und Ramona Pohl<br />

Produkt mit dem gleichen Gewicht in die Analyse eingeht. Es ist kaum anzunehmen, dass<br />

Mehrproduktunternehmen ihre Aktivitäten auf alle Produkte gleichmäßig verteilen. Viel<br />

häufiger dürfte es vorkommen, dass neben einem Hauptprodukt viele andere Produkte in<br />

geringerem Umfang zum Aktivitätsfeld des Unternehmens gehören. Allerdings haben<br />

Görzig und Pohl (2007) gezeigt, dass die längerfristige Entwicklung beider Größen vergleichsweise<br />

ähnlich ist. Um ein diskretes Merkmal zur Einteilung der Unternehmen nach<br />

diversifizierenden und spezialisierenden zu erhalten, wird in dieser Untersuchung die Diversifizierung<br />

ausschließlich mit der Zahl der Produkte gemessen.<br />

Die adäquate Definition eines Erfolgsmaßes hängt davon ab, aus welcher Perspektive der<br />

Erfolg eines Unternehmens beurteilt werden soll. Auf volkswirtschaftlicher Ebene kann<br />

die Beurteilung eine andere sein als aus betrieblicher Sichtweise. Aus der Sicht der Kapitalgeber<br />

wirkt sich Unternehmenserfolg erwartungsgemäß in der Kapitalrendite aus. Allerdings<br />

lässt sich diese aus dem verwendeten Datensatz nicht ermitteln. Auf betrieblicher<br />

Ebene werden auch alternative Erfolgsindikatoren verwendet. Dazu gehören beispielsweise<br />

die Umsatzrendite oder die Produktivität. Diese verschiedenen Maße führen jedoch zu<br />

ähnlichen Ergebnissen hinsichtlich der Erfolgseinschätzung. Die vorliegende Untersuchung<br />

beschränkt sich daher auf die Analyse des operativen Gewinnes. Dieser wird für ein<br />

Unternehmen ermittelt, indem von der Wertschöpfung die Lohnkosten und die Aufwendungen<br />

für Gütersteuern abgezogen werden. 5<br />

6 Bedeutung von Größe und Branche<br />

Auch für Deutschland bestätigt sich der für die USA und Kanada in verschiedenen Untersuchungen<br />

(Jovanovic und Gilbert 1993, Baldwin et al. 2001) berichtete starke Zusammenhang<br />

zwischen Produktdiversifizierung und Unternehmensgröße (Tabelle 1). Der<br />

Korrelationskoeffizient zwischen der Unternehmensgröße, gemessen durch die Zahl der<br />

Beschäftigten und der Zahl der Produkte, liegt für alle Unternehmen bei 0,507. Für die<br />

Mehrproduktunternehmen ist er mit 0,515 nicht viel höher.<br />

Die Frage, ob Produktspezialisierung zugleich auch Prozessspezialisierung bedeutet, mag<br />

sich daran ablesen lassen, inwieweit die Produkte eines Unternehmens von unterschiedlichen<br />

Betrieben, also den örtlichen Einheiten eines Unternehmens, erstellt werden. Die empirische<br />

Überprüfung zeigt einen starken Zusammenhang zwischen der Zahl der Betriebe<br />

und der Zahl der Produkte je Unternehmen. Der Korrelationskoeffizient beträgt 0,92 sowohl<br />

für alle Unternehmen als auch für die Mehrproduktunternehmen.<br />

Bezieht man die durchschnittlich von einem Unternehmen erstellte Zahl von Produkten<br />

nicht auf das Unternehmen, sondern auf seine Betriebe, dann ist deutlich zu erkennen,<br />

dass von größeren Unternehmen tendenziell weniger Produkte je Betrieb erstellt werden<br />

als von kleinen und mittleren Unternehmen (Tabelle 2). Ab einer Unternehmensgröße von<br />

100 und mehr Beschäftigten nimmt offenbar die Zahl der Unternehmen zu, bei denen ein<br />

Produkt im Durchschnitt durch mehr als einen Betrieb erzeugt wird.<br />

5 Verwendet wird der operative Gewinn als Bruttogröße, d. h. einschließlich der Abschreibungen, da die in der<br />

Kostenstrukturerhebung ausgewiesenen Abschreibungen sehr stark durch steuerliche Einflüsse verfälscht sind.<br />

48 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Spezialisierung und Unternehmenserfolg im verarbeitenden Gewerbe Deutschlands<br />

Tabelle 1<br />

Spezialisierung nach Größenklassen (alle Unternehmen)<br />

1995–2001<br />

Beschäftigte von<br />

… bis …<br />

Anzahl Unternehmen Beschäftigte Produkte<br />

In 1000 Je Unternehmen 1<br />

20–49 32,94 33 2,7<br />

50–99 25,72 70 2,9<br />

100–199 19,95 140 3,4<br />

200–499 15,68 307 4,3<br />

500–999 6,74 683 5,6<br />

1000–4999 4,09 1830 8,7<br />

5000 und mehr 0,42 14754 40,2<br />

Insgesamt 105,53 273 3,7<br />

1 Mittelwert 1995– 2001.<br />

Quellen: Forschungsdatenzentrum der Länder, eigene Berechnungen.<br />

Tabelle 2<br />

Produkt- und Prozessspezialisierung (alle Unternehmen)<br />

1995–2001<br />

Beschäftigte von<br />

… bis …<br />

Produkt je<br />

Unternehmen Betrieb<br />

20–49 2,7 1,0<br />

50–99 2,9 1,0<br />

100–199 3,4 0,9<br />

200–499 4,3 0,9<br />

500–999 5,6 0,8<br />

1000–4999 8,7 0,8<br />

5000 und mehr 40,2 0,7<br />

Insgesamt 3,7 0,9<br />

Quellen: Forschungsdatenzentrum der Länder, eigene Berechnungen.<br />

Damit bestätigt sich im Querschnittsvergleich für das deutsche verarbeitende Gewerbe das<br />

von Gollop und Mohanan (1991) für die USA ermittelte Ergebnis, dass mit zunehmender<br />

Diversifizierung von Unternehmen meist auch eine Spezialisierung der zugehörigen Betriebe<br />

verbunden ist. Auch für den Durchschnitt der Unternehmen ist die Zahl der je Betrieb<br />

erzeugten Produkte kleiner als eins. Mehrproduktbetriebe sind im Unterschied zu<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 49


Bernd Görzig, Martin Gornig und Ramona Pohl<br />

Abbildung 1<br />

Zusammensetzung der untersuchten Unternehmen in 2001<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

Mehrproduktunternehmen im deutschen verarbeitenden Gewerbe relativ selten vertreten. 6<br />

Neben der Größe des Unternehmens hat auch die Art der erstellten Produkte einen Einfluss<br />

auf die Produktspezialisierung. Insbesondere gibt es wirtschaftszweigtypische Sortimentsgrößen.<br />

Die durchschnittliche Zahl der Produkte je Unternehmen kann in Abhängigkeit<br />

von dem Wirtschaftzweig sehr unterschiedlich sein. Sie variiert zwischen 10,8 bei<br />

Chemieprodukten und 3,3 bei Lederprodukten.<br />

7 Spezialisierung und Erfolg von Unternehmen<br />

Der Spezialisierungsgrad eines Unternehmens kann von einer Vielzahl von Einflussfaktoren,<br />

insbesondere auch der Größe und des zugehörigen Wirtschaftszweiges, geprägt sein.<br />

Ein reiner Querschnittsvergleich der Unternehmen sagt daher nur wenig über den Zusammenhang<br />

zwischen der Spezialisierungsstrategie und dem Unternehmenserfolg aus. Aus<br />

diesem Grund ist im Folgenden untersucht worden, wie einzelne Unternehmen sich im<br />

Längsschnitt entwickelt haben.<br />

Dafür werden von den insgesamt betrachteten Unternehmen jene ausgewählt, die sowohl<br />

1995 als auch 2001 im Berichtskreis enthalten sind. Von den pro Jahr in die Erhebung einbezogenen<br />

rund 15000 Unternehmen wurde dabei mit gut 7400 Unternehmen lediglich<br />

die Hälfte berücksichtigt. In 2001 berichtspflichtige Unternehmen, die 1995 nicht zum<br />

Berichtskreis gehörten, sind überwiegend durch Neuziehungen im rotierenden Panel dazugekommen.<br />

In geringerem Umfang gehören auch solche Unternehmen dazu, die erst 2001<br />

6 Faktisch sind Mehrproduktunternehmen im deutschen verarbeitenden Gewerbe immer auch Mehrbetriebsunternehmen.<br />

50 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

47<br />

34<br />

12<br />

7<br />

18<br />

29<br />

38<br />

16<br />

15 Tsd. Unternehmen 4 Mill. Beschäftigte<br />

Nicht vergleichbare Unternehmen<br />

Festes Sortiment<br />

Spezialisierer<br />

Diversifizierer


Spezialisierung und Unternehmenserfolg im verarbeitenden Gewerbe Deutschlands<br />

Tabelle 3<br />

Spezialisierung nach Wirtschaftszweigen (Mehrproduktunternehmen)<br />

1995–2001<br />

Überwiegende Produktion<br />

NACE-<br />

Entsprechung<br />

1 Mittelwert 1995– 2001.<br />

Quellen: Forschungsdatenzentrum der Länder, eigene Berechnungen.<br />

Anzahl<br />

Unternehmen<br />

Beschäftigte Produkte<br />

In 1000 Je Unternehmen 1<br />

Bergbau, Gewinnung von Steine u. Erden 10–14 1,03 702 4,1<br />

Ernährungsgewerbe, Tabakverarbeitung 15–16 11,24 210 5,8<br />

Textil-, Leder-, Bekleidungsgewerbe 17–18 4,63 155 5,5<br />

Holzgewerbe 19 0,46 144 3,3<br />

Papier-, Verlags-, Druckgewerbe 20 1,82 143 3,7<br />

Mineralölverarbeitung, Kokerei u.a. 21–22 4,94 263 4,1<br />

Chemische Erzeugnisse 23–24 4,19 660 10,8<br />

Gummi-, Kunstoffwaren 25 3,55 332 4,8<br />

Glasgewerbe, Keramik u.a. 26 4,06 238 3,9<br />

Metallerzeugung und -bearbeitung 27–28 9,73 267 4,2<br />

Maschinenbau 29 10,72 362 4,8<br />

Büromaschinen, Datenverarbeitung, Elektrotechnik u.a. 30–33 6,86 519 4,7<br />

Fahrzeugbau 34–35 2,51 1204 4,3<br />

Möbel, Schmuck u.a. 36–37 3,40 178 3,9<br />

Insgesamt Total 69,14 347 5,1<br />

dadurch berichtspflichtig wurden, dass sie ihre Beschäftigtenzahl auf über 19 Personen<br />

ausgedehnt haben. Eher gering einzuschätzen ist der Anteil neu gegründeter Unternehmen.<br />

Bei den verbleibenden vergleichbaren Unternehmen handelt es sich daher um eine<br />

spezielle Auswahl. Es handelt sich überwiegend um größere Unternehmen. Gemessen an<br />

der Beschäftigtenzahl decken sie immer noch 63% der Gesamtbeschäftigung des Berichtskreises<br />

der Kostenstrukturerhebung ab.<br />

Vergleichbare Unternehmen mit veränderter Produktpalette weisen einen höheren Gewinn<br />

je Beschäftigten auf und konnten diesen stärker steigern als Unternehmen mit gleich bleibender<br />

Produktpalette (Tabelle 4). Dies gilt sowohl für Unternehmen, die ihre Produktzahl<br />

reduzierten als auch für solche, die sie erhöhten. Allerdings konnten jene Unternehmen,<br />

die sich stärker spezialisiert haben, den Gewinn deutlich stärker steigern als Unternehmen,<br />

die auf die Diversifizierungsstrategie setzten. Unternehmen ohne Sortimentsänderung sind<br />

stärker durch kleine Unternehmen geprägt. Dagegen weisen Unternehmen mit veränderter<br />

Produktpalette im Durchschnitt die vier- bis sechsfache Beschäftigtenzahl auf. Unternehmen<br />

mit Sortimentsausweitung hatten am Anfang der Beobachtungsperiode einen etwas<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 51


Bernd Görzig, Martin Gornig und Ramona Pohl<br />

Tabelle 4<br />

Sortimentsstrategien vergleichbarer Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes mit 20<br />

und mehr Beschäftigten<br />

1 Unternehmen die sowohl 1995 als auch 2001 zum Berichtskreis gehörten.<br />

Quellen: Forschungsdatenzentrum der Länder, eigene Berechnungen.<br />

geringeren Beschäftigungsstand gegenüber den Unternehmen mit Sortimentsreduzierung.<br />

Im Zeitverlauf wurde jedoch ihre Beschäftigung ausgeweitet.<br />

Gemessen am Gewinn je Beschäftigten deuten die Ergebnisse daher auf eine Bestätigung<br />

der These, Produktdiversifizierer seien weniger erfolgreich. Dies gilt allerdings nur, wenn<br />

als Referenzgruppe die Unternehmen mit Produktspezialisierung herangezogen werden.<br />

Im Vergleich zu Unternehmen ohne Sortimentsveränderung schneiden diversifizierende<br />

Unternehmen dagegen besser ab.<br />

Allerdings hatten Unternehmen mit höherer Spezialisierungsdynamik 1995 ein wesentlich<br />

geringeres Niveau des operativen Gewinnes, sowohl im Vergleich mit den diversifizierenden<br />

Unternehmen als auch mit dem Durchschnitt aller Unternehmen. Offenbar steht die<br />

verstärkte Konzentration der Produktpalette bei diesen Unternehmen in engem Zusammenhang<br />

mit dem Bestreben, den operativen Gewinn zu steigern.<br />

52 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Merkmal Dimension<br />

Insgesamt<br />

Vergleichbare Unternehmen 1<br />

Ohne<br />

Veränderung<br />

Mit Produktreduzierung<br />

Mit Produkt-<br />

ausweitung<br />

Unternehmen Zahl 7736 4984 1701 1051<br />

Betriebe 5 3 6 10<br />

Beschäftigte Zahl je Unternehmen 434 236 907 605<br />

Produkte 3,92 2,62 5,06 8,26<br />

Betriebsüberschuss<br />

1000 Euro je<br />

Beschäftigtem im<br />

Unternehmen<br />

2001<br />

15,22 15,16 15,34 15,28<br />

Veränderungen gegenüber 1995<br />

Betriebe 0 0 –3 3<br />

Beschäftigte Zahl je Unternehmen –15 6 –98 23<br />

Produkte –0,17 0,00 –2,36 2,55<br />

Betriebsüberschuss<br />

1000 Euro je<br />

Beschäftigtem im<br />

Unternehmen<br />

5,60 4,65 8,32 5,70


Spezialisierung und Unternehmenserfolg im verarbeitenden Gewerbe Deutschlands<br />

Diversifizierende Unternehmen hatten sowohl bei der Wertschöpfung als auch bei der Beschäftigung<br />

ein deutlich höheres Wachstum als andere Unternehmen der Erhebung. Damit<br />

werden die auf anderer Grundlage gefundenen Ergebnisse (Berry 1975, Jacquemin und<br />

Berry 1979) bestätigt, wonach ein enger Zusammenhang zwischen Diversifizierung und<br />

Wachstum von Unternehmen besteht. Ähnlich stark wie die Zahl der Produkte wurde von<br />

spezialisierenden Unternehmen auch die Zahl der Betriebe reduziert. Betriebsstättenabbau<br />

und zunehmende Spezialisierung werden begleitet von einer Verminderung der Beschäftigung<br />

dieser Unternehmen. 7<br />

8 Spezialisierungswirkungen im Einzelnen<br />

Vor dem Hintergrund der für das verarbeitende Gewerbe insgesamt erzielten Ergebnisse<br />

stellt sich allerdings die Frage, ob die seit einigen Jahren im Durchschnitt beobachtbare<br />

verstärkte Spezialisierung wirklich Ausdruck eines allgemeinen Paradigmenwechsels infolge<br />

globalisierter Märkte ist. Ebenso gut könnte die These geäußert werden, dass sich<br />

dass innovative Verhalten der Unternehmen gar nicht geändert hätte und dieser Trend eher<br />

Ausdruck struktureller Veränderungen ist. Von den möglichen strukturellen Veränderungen<br />

wird hier die Zusammensetzung der Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes nach<br />

Wirtschaftzweigen, Größe und Region untersucht. Die Untersuchung konzentriert sich auf<br />

die Frage, inwieweit auch bei differenzierter Betrachtung nach Wirtschaftzweigen, Beschäftigtengrößenklassen<br />

oder Regionen der für das gesamte verarbeitende Gewerbe festgestellte<br />

Unterschied zwischen spezialisierenden, auf Kostenreduzierung ausgerichteten<br />

Unternehmen und expansiven, diversifizierenden, aber dafür weniger erfolgreichen Unternehmen<br />

zutrifft. Hierfür werden die Unternehmen nach folgenden Kriterien unterschieden:<br />

• 14 zusammengefasste Wirtschaftszweige der NACE-Zweisteller,<br />

• sieben Beschäftigtengrößenklassen,<br />

• Ost- und Westdeutschland.<br />

Für die Zuordnung der Unternehmen zu den gebildeten Gruppen gilt das Jahr 1995. Im<br />

Fall der Wirtschaftzweige erfolgt die Zuordnung nach dem Schwerpunkt der Produktionstätigkeit<br />

und bei den Beschäftigtengrößenklassen nach der durchschnittlichen Zahl der<br />

Beschäftigten. Die regionale Zuordnung wird nach dem Sitz des Unternehmens vorgenommen.<br />

Wie jede Klassifizierung kann diese Zuordnung nicht stringent durchgehalten<br />

werden. Unternehmen können den Schwerpunkt ihrer Produktion verlagern oder so viele<br />

verschiedene Produkte herstellen, dass das Hauptprodukt nur einen geringen Anteil am<br />

Umsatz hat. Durch Schrumpfung oder Wachstum können Unternehmen ihre Beschäftigtengrößenklassen<br />

ändern. Unternehmen mit Sitz in Westdeutschland können auch Betriebsstätten<br />

in Ostdeutschland haben. Trotz dieser Einschränkungen zeigen sich beachtliche<br />

Unterschiede in den Diversifizierungsstrategien der so klassifizierten Unternehmen.<br />

7 Für eine weitergehende Bewertung muss berücksichtigt werden, dass der Abbau eines hohen Diversifizierungsgrades<br />

bei diesen Unternehmen nicht zwangsläufig auf einen volkswirtschaftlichen Schrumpfungsprozess<br />

hinweist. Vielmehr kann die verstärkte Spezialisierung der untersuchten Unternehmen begleitet worden sein<br />

von der Auslagerung von Produktionsprozessen auf andere Unternehmen.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 53


Bernd Görzig, Martin Gornig und Ramona Pohl<br />

In den folgenden Tabellen 5 bis 7 sind die wichtigsten Ergebnisse für Wirtschaftzweige,<br />

Beschäftigtengrößenklassen und Regionen konzentriert zusammengefasst.<br />

Drei Thesen wurden speziell für die differenzierten Gruppen überprüft. Spezialisierende<br />

Unternehmen<br />

1. starten weniger erfolgreich als diversifizierende Unternehmen,<br />

2. steigern jedoch ihren Erfolg stärker als diversifizierende Unternehmen,<br />

3. sind weniger expansiv als diversifizierende Unternehmen.<br />

Tabelle 5<br />

Spezialisierungswirkungen nach Wirtschaftszweigen<br />

Wirtschaftszweig<br />

1 Abweichungen vom Durchschnitt sind fett markiert.<br />

Quellen: Forschungsdatenzentrum der Länder, eigene Berechnungen.<br />

54 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

NACE-<br />

Entsprechung<br />

Unternehmen mit Produktreduzierung<br />

Betriebsüberschuss je<br />

Beschäftigten in 1000 Euro<br />

1995<br />

Veränderung<br />

2001<br />

gegenüber<br />

1995<br />

Veränderung<br />

der<br />

Beschäftigtenzahl<br />

je<br />

Unternehmen<br />

Abweichung gegenüber den Werten für<br />

Unternehmen mit Produktausweitung<br />

Bergbau, Gewinnung von Steine u. Erden 10–14 –2,55 2,61 –121<br />

Ernährungsgewerbe, Tabakverarbeitung 15–16 –4,67 –8,12 –1 013<br />

Textil-, Leder-, Bekleidungsgewerbe 17–18 –2,31 4,59 –58<br />

Holzgewerbe 19 0,76 –1,52 –48<br />

Papier-, Verlags-, Druckgewerbe 20 1,09 –3,11 –34<br />

Mineralölverarbeitung, Kokerei u.a. 21–22 –1,83 9,10 –10<br />

Chemische Erzeugnisse 23–24 k.A. k.A. k.A.<br />

Gummi-, Kunstoffwaren 25 2,33 –0,35 86<br />

Glasgewerbe, Keramik u.a. 26 –6,74 5,30 –97<br />

Metallerzeugung und -bearbeitung 27–28 –7,24 5,77 –153<br />

Maschinenbau 29 –2,33 –1,03 –123<br />

Büromaschinen, Datenverarbeitung, Elektrotechnik u.a. 30–33 –4,54 1,67 –74<br />

Fahrzeugbau 34–35 –2,43 1,09 –493<br />

Möbel, Schmuck u.a. 36–37 –2,09 13,29 –204<br />

Insgesamt Total –3,64 3,27 –72


Spezialisierung und Unternehmenserfolg im verarbeitenden Gewerbe Deutschlands<br />

Tabelle 5 macht deutlich, dass die These 1 für alle Wirtschaftszweige, ausgenommen für<br />

das Textil-, Leder- und Bekleidungsgewerbe, das Holzgewerbe sowie die Hersteller von<br />

chemischen Erzeugnissen, zutrifft.<br />

Nicht ganz so deutlich ist das Ergebnis für These 2. Zusätzlich zu den Wirtschaftzweigen<br />

für die bereits These 1 abgelehnt werden musste, kommen noch der Bergbau, Gewinnung<br />

von Steinen und Erden sowie die Metallerzeugung und -bearbeitung hinzu. These 3 der<br />

überdurchschnittlichen Expansion diversifizierender Unternehmen lässt sich für fast alle<br />

Wirtschaftzweige, ausgenommen der chemischen Industrie, bestätigen.<br />

Untersucht man, inwieweit die für das verarbeitende Gewerbe insgesamt gefundenen Ergebnisse<br />

auf Unternehmen unterschiedlicher Größe zutreffen, so ergibt sich ein eindeutiges<br />

Bild. Für Unternehmen ab 50 Beschäftigten bis zu Unternehmen mit weniger als 5000<br />

Beschäftigten gelten die gleichen Schlussfolgerungen wie für das verarbeitende Gewerbe<br />

insgesamt. Hier können alle drei Thesen bestätigt werden.<br />

Dagegen trifft für die ganz großen Unternehmen mit 5000 und mehr Beschäftigten lediglich<br />

die These 3 zu, dass das Beschäftigtenwachstum der Spezialisierer geringer ist als das<br />

der Diversifizierer. Dabei muss berücksichtigt werden, dass bezüglich der Beschäftigung<br />

in der Beobachtungsperiode bei diesen Unternehmen ohnehin nicht von einer Expansion,<br />

sondern von Schrumpfung gesprochen werden muss. Dennoch ist die Verringerung der<br />

Beschäftigtenzahl bei den diversifizierenden ganz großen Unternehmen geringer gewesen<br />

als bei den spezialisierenden Unternehmen. Ganz große Unternehmen, die ihre Produktpalette<br />

ausweiten, steigern damit auch ihren Erfolg.<br />

Tabelle 6<br />

Spezialisierungswirkungen nach Beschäftigtengrößenklassen<br />

Beschäftigte von … bis …<br />

Abweichungen vom Durchschnitt sind fett markiert.<br />

Quellen: Forschungsdatenzentrum der Länder, eigene Berechnungen.<br />

Unternehmen mit Produktreduzierung<br />

Betriebsüberschuss je Beschäftigten in 1000 Euro Veränderung der<br />

1995<br />

Veränderung 2001<br />

gegenüber 1995<br />

Beschäftigitenzahl je<br />

Unternehmen<br />

Abweichung gegenüber den Werten für Unternehmen mit Produktausweitung<br />

20 und mehr –2,55 2,61 –121<br />

20–49 –0,57 –3,16 –1<br />

50–99 –2,64 0,10 –3<br />

100–199 –2,37 2,56 –15<br />

200–499 –3,03 5,18 –47<br />

500–999 –4,79 9,01 –88<br />

1000–4999 –1,91 2,45 –446<br />

5000 und mehr 2,99 –9,66 –1744<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 55


Bernd Görzig, Martin Gornig und Ramona Pohl<br />

Tabelle 7<br />

Spezialisierungswirkungen nach Regionen<br />

Region<br />

Abweichungen vom Durchschnitt sind fett markiert.<br />

Quellen: Forschungsdatenzentrum der Länder, eigene Berechnungen.<br />

Dagegen heben sich die spezialisierenden Unternehmen von den übrigen Unternehmen<br />

dadurch ab, dass ihr Gewinn im Ausgangsjahr, anders als im Durchschnitt des verarbeitenden<br />

Gewerbes, merklich über dem der diversifizierenden Unternehmen liegt. Die These 1<br />

muss für diese Unternehmen daher abgelehnt werden. Die Entwicklung der Pro-Kopf-Gewinne<br />

der ganz großen Spezialisierer ist dagegen deutlich schlechter als bei den ganz großen<br />

Diversifizierern, sodass auch These 2 für diesen Unternehmenstyp abgelehnt werden<br />

muss. Abgelehnt werden muss These 2 auch für die Unternehmen mit 20 bis unter 50 Beschäftigten.<br />

Auch hier weisen die Spezialisierer eine deutlich schlechtere Entwicklung der<br />

Gewinne auf als die Diversifizierer und entsprechen damit nicht den Durchschnitt des verarbeitenden<br />

Gewerbes.<br />

Bezüglich der regionalen Dimensionen bestätigt sowohl für Ost- wie auch für Westdeutschland<br />

die These 1 die ungünstigere Ausgangsposition der Spezialisierer gegenüber<br />

den Diversifizierern in Hinblick auf ihre Gewinne. Für beide Regionen wird auch bestätigt,<br />

dass spezialisierende gegenüber diversifizierenden Unternehmen eine geringere Ausweitung<br />

der Beschäftigung im Untersuchungszeitraum aufweisen (These 3).<br />

Deutliche Unterschiede bestehen allerdings zwischen west- und ostdeutschen Unternehmen<br />

in der Wirkung der Produktspezialisierung auf den Unternehmenserfolg (These 2).<br />

Die westdeutschen Unternehmen, die ihre Produktpalette reduzieren, weiten ihren operativen<br />

Gewinn je Beschäftigten weit überdurchschnittlich aus. Auch die ostdeutschen Unternehmen<br />

mit Produktspezialisierung erhöhen ihren operativen Gewinn. Ihnen gelingt dies<br />

aber in deutlich geringerem Ausmaß. In Ostdeutschland besonders erfolgreich sind Unternehmen,<br />

die ihre Produktanzahl ausweiten. Die ostdeutschen Unternehmen mit Produktdiversifizierung<br />

erhöhen nicht nur ihre Beschäftigung, sie steigern auch ihren operativen<br />

Gewinn je Beschäftigten besonders stark. Für Ostdeutschland muss daher These 2 abgelehnt<br />

werden.<br />

56 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Unternehmen mit Produktreduzierung<br />

Betriebsüberschuss je Beschäftigten<br />

in Euro<br />

1995<br />

Veränderung 2001<br />

gegenüber 1995<br />

Veränderung der<br />

Beschäf-tigtenzahl je<br />

Unternehmen<br />

Abweichung gegenüber den Werten für Unternehmen mit<br />

Produktausweitung<br />

Deutschland –2,55 2,61 –121<br />

Ostdeutschland –2,23 –0,48 –86<br />

Westdeutschland –3,03 3,54 –127


Spezialisierung und Unternehmenserfolg im verarbeitenden Gewerbe Deutschlands<br />

Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich die Unternehmenslandschaft in Ostdeutschland<br />

nach Wirtschaftszweig und Größe wesentlich von der in Westdeutschland unterscheidet.<br />

Dies hat Auswirkungen auch auf die durchschnittliche Produktvielfalt Ostdeutschlands<br />

im Vergleich zu Westdeutschland (Görzig et al. 2007). Es ist daher zu vermuten,<br />

dass sich solche strukturellen Unterschiede auch auf den Zusammenhang von Produktspezialisierung<br />

und Unternehmenserfolg im regionalen Vergleich auswirken. So könnte die<br />

hohe Bedeutung industrieller Kleinbetriebe mit unter 50 Beschäftigten wie auch das vergleichsweise<br />

geringe Gewicht des Fahrzeugbaus in Ostdeutschland die Abweichung im<br />

Unternehmenserfolg von sich spezialisierenden Unternehmen zumindest mit erklären.<br />

9 Fazit<br />

Der Wandel der Produktions- und Nachfragebedingungen verlangt von den Unternehmen<br />

immer wieder Anpassungen ihrer Produktpalette. Die Mehrzahl der Unternehmen im verarbeitenden<br />

Gewerbe in Deutschland verfolgt dabei eine Spezialisierungsstrategie. Sie<br />

konzentrieren sich auf die Erstellung und Vermarktung immer weniger Produkte. Damit<br />

steigern diese Unternehmen vor allem ihren operativen Gewinn je Beschäftigten. Unternehmen<br />

mit steigender Produktvielfalt, die eine Diversifizierungsstrategie verfolgen, erweisen<br />

sich dagegen bei der Beschäftigung als deutlich wachstumsstärker.<br />

Hinter diesem Prozess stehen allerdings gegenläufige Entwicklungen. Nicht alle Unternehmen,<br />

die eine Spezialisierungsstrategie verfolgen, steigern ihren operativen Gewinn<br />

und nicht alle Unternehmen, die ihre Produktpalette ausweiten, erhöhen ihre Beschäftigung.<br />

Entsprechend zeigen sich auch Abweichungen von den generellen Ergebnissen,<br />

wenn man einzelne Wirtschaftzweige, Größenklassen oder Regionen betrachtet. So<br />

scheint vor allem im Fahrzeugbau die Spezialisierungsstrategie für die Unternehmen besonders<br />

erfolgreich. In der chemischen Industrie schneiden dagegen bei der Entwicklung<br />

des operativen Gewinnes Unternehmen mit einer Ausweitung der Produktpalette besser<br />

ab. Die Produktspezialisierung lohnt sich zudem offensichtlich insbesondere für Unternehmen<br />

mittlerer Größe. Kleine Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten und Großunternehmen<br />

mit mehr als 5000 Beschäftigten steigern ihren operativen Gewinn stärker<br />

bei einer Ausweitung der Produktpalette. Eine getrennte Betrachtung für Ost- und Westdeutschland<br />

zeigt zudem, dass ostdeutsche Unternehmen mit Produktdiversifizierung<br />

nicht nur ihre Beschäftigung erhöhen, sondern auch ihren operativen Gewinn je Beschäftigten<br />

besonders stark steigern können.<br />

Literaturverzeichnis<br />

Baldwin, John R., Desmond Beckstead und Richard Caves (2001): Changes in the diversification<br />

of Canadian manufacturing firms (1973–1997): A move to specialization. Statistics<br />

Canada. Analytical Studies Branch – Research Paper Series. 179.<br />

Berry, C. (1975): Corporate growth and diversification. Princeton, Princeton University<br />

Press.<br />

Caves, R.D., M.E. Porter und A.M. Spence (1980): Competition in the open economy: A<br />

model applied to Canada. Cambridge, MA.<br />

DESTATIS (2005a): Kostenstrukturerhebung im Verarbeitenden Gewerbe, im Bergbau<br />

sowie in der Gewinnung von Steinen und Erden. Qualitätsbericht. Wiesbaden.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 57


Bernd Görzig, Martin Gornig und Ramona Pohl<br />

DESTATIS (2005b): Produktionserhebungen. Qualitätsbericht. Wiesbaden.<br />

Fan, Joseph, und Larry Lang (2000): The measurement of elatedness: An application to<br />

corporate diversification. Journal of Business, 73, 629–660.<br />

Görzig, B., H. Bömermann und R. Pohl (2005): Produktdiversifizierung und Unternehmenserfolg:<br />

Nutzung der Forschungsdatenzentren der Statistischen Ämter. Allgemeines<br />

statistisches Archiv, 89, 337–354.<br />

Görzig, B. und M. Gornig (2007): Verstärkte Spezialisierung deutscher Unternehmen.<br />

Wochenbericht des <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>, 74 (20), 333–335.<br />

Görzig, B., M. Gornig und A. Werwatz (2007): Produktdiversifizierung: Konvergenz zwischen<br />

ost- und westdeutschen Unternehmen, Eine Dekomposition mit Mikrodaten der<br />

amtlichen Statistik. Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, 227 (2), 168–186.<br />

Görzig, B. und R. Pohl (2007): Diversifizierungsstrategien deutscher Unternehmen – Auswertung<br />

eines Producer-Product-Panels der amtlichen Statistik. Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches<br />

Archiv, 3 (in Vorbereitung).<br />

Gollop, Frank und James Monahan (1991): A generalized index of diversification trends<br />

in U.S. manufacturing. The Review of Economics and Statistics, 73, 318–330.<br />

Hall, Ernest (1995): Corporate diversification and performance: An investigation of causality.<br />

Australian Journal of Management, 20, 25–42.<br />

Jacquemin, A.P. und C.H. Berry (1979): Entropy measures of corporate growth. The Journal<br />

of Industrial Economics, 27, 359–369.<br />

Jovanovic, B. und R.J. Gilbert (1993): The diversification of production. Brookings<br />

Papers on Economic Activity, Microeconomics, 197–247.<br />

Montgomery, C. (1985): Product-market diversification and market power. The Academy<br />

of Management Journal, 28, 789–798.<br />

Smolny, W. (2003): Determinants of innovation behaviour and investment estimates for<br />

West German manufacturing firms. Economics of Innovation and Technology, 12, 449–<br />

463.<br />

Wagner, Joachim (Hrsg.) (2005): Untersuchungen mit Mikrodaten aus der Amtlichen<br />

Wirtschafts- und Sozialstatistik. Journal of Applied Social Science Studies, 125, 449–<br />

595.<br />

Zloczysti, P. und C. Faber (2007): Diversifikationsmaße im Praxistest – Ergebnisse auf der<br />

Grundlage von amtlichen Mikrodaten für Deutschland. In diesem Heft, S. 29–42.<br />

Zühlke, Sylvia, Markus Zwick, Sebastian Scharnhorst und Thomas Wende (2003): Die<br />

Forschungsdatenzentren der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder. Wirtschaft<br />

und Statistik, 10, 906 ff.<br />

58 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Die Heterogenität der Effizienz innerhalb<br />

von Branchen – Eine Auswertung von Unternehmensdaten<br />

der Kostenstrukturerhebung<br />

im Verarbeitenden Gewerbe *<br />

Von Michael Fritsch** und Andreas Stephan***<br />

Vierteljahrshefte<br />

zur Wirtschaftsforschung<br />

76 (2007), 3, S. 59–75<br />

Zusammenfassung: Der Beitrag arbeitet die Heterogenität von Unternehmen innerhalb von Branchen<br />

hinsichtlich ihrer technischen Effizienz heraus. Datengrundlage sind die Mikrodaten der Kostentrukturerhebung<br />

im Verarbeitenden Gewerbe in Deutschland. Die technische Effizienz wird im Rahmen<br />

der Schätzung einer Translog-Produktionsfunktion als unternehmensspezifischer fixer Effekt<br />

ermittelt. Innerhalb von Branchen bestehen in der Regel große Unterschiede hinsichtlich der technischen<br />

Effizienz. Diese Unterschiede werden beispielhaft für einige Branchen grafisch veranschaulicht.<br />

Die durchschnittliche Effizienz der Kleinunternehmen liegt etwas höher als in der Gruppe der Großunternehmen,<br />

was auf verschiedene Ursachen zurückgeführt werden kann. Abschließend werden<br />

weitere Analysepotenziale der Kostenstrukturerhebung für Forschung und Politikberatung skizziert.<br />

Summary: This article analyzes the heterogeneity of firms within industries in regard to their level of<br />

technical efficiency. The data is taken from the cost structure census of manufacturing industries in<br />

Germany. We estimate the technical efficiency as a firm-specific fixed effect within a translog production<br />

function framework. We find great differences between technical efficiencies of firms within<br />

industries. A graphical tool is applied to display this heterogeneity. Smaller firms tend to be more efficient<br />

than larger ones, which might have various reasons. Finally, we discuss the potential of the cost<br />

structure census for empirical research and policy advice.<br />

JEL-Klassifikation: D24, L10, L11<br />

Keywords: Technische Effizienz, Heterogenität, Branchen<br />

1 Branchen als Berichtseinheiten<br />

Statistische Kennzahlen werden sehr häufig aggregiert für einzelne Branchen ausgewiesen.<br />

Der wesentliche Grund hierfür besteht darin, dass man auf diese Weise den Besonderheiten<br />

der Unternehmen Rechnung tragen will. Das Merkmal „Branchenzugehörigkeit“<br />

soll möglichst viele derjenigen Besonderheiten einfangen, die eine bestimmte<br />

Gruppe von Unternehmen von anderen Gruppen von Unternehmen unterscheidet. 1 In der<br />

Regel (z.B. in der amtlichen Statistik der Bundesrepublik Deutschland) erfolgt die Abgrenzung<br />

von Branchen nicht anhand einheitlicher Kriterien bzw. einer einheitlichen Hier-<br />

* Die im Beitrag vorgestellten Analysen wurden im Rahmen eines Kooperationsprojektes zwischen dem Statistischen<br />

Bundesamt und dem <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> durchgeführt. Wir danken Roland Sturm, Ottmar Hennchen und Gerald<br />

Goebel für die Unterstützung des Projekts. Die hier beschriebenen Analysen können mittlerweile auch in den<br />

Forschungsdatenzentren der statistischen Ämter durchgeführt werden. Etwaige Fehler liegen in der alleinigen<br />

Verantwortung der Autoren.<br />

** Friedrich-Schiller-Universität Jena, <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> und Max-Planck-Institut für Ökonomik, Jena, E-Mail:<br />

m.fritsch@uni-jena.de.<br />

*** Jömköping International Business School und <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>, E-Mail: andreas.stephan@ihh.hj.se<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 59


Michael Fritsch und Andreas Stephan<br />

archie von Kriterien; vielmehr werden bestimmte Kriterien unter pragmatischen Gesichtspunkten<br />

immer dann herangezogen, wenn sie gerade zur Abgrenzung in sich möglichst<br />

homogener Gruppen von Unternehmen geeignet erscheinen. Da die Brancheneinteilung<br />

der amtlichen Statistik erklärtermaßen als Grundlage für möglichst vielfältige Zwecke dienen<br />

soll, kann allerdings wohl selbst bei tiefer Branchegliederung nur ein relativ geringes<br />

Maß an Homogenität erwartet werden. Dieses hohe Maß an Heterogenität innerhalb von<br />

Branchenaggregaten bleibt bei einer Betrachtung von Summen- oder Durchschnittswerten<br />

für diese Branchen insgesamt verdeckt. Aus diesem Grunde sind Analysen anhand von<br />

Mikrodaten für einzelne Betriebe bzw. Unternehmen sinnvoll.<br />

In diesem Beitrag soll das Potential der Kostenstrukturstatistik im Verarbeitenden Gewerbe,<br />

die von den Statistischen Ämtern erstellt wird, für Analysen auf der Mikro-Ebene demonstriert<br />

werden. Dazu stellen wir zunächst diese Datenquelle vor (Abschnitt 2). Abschnitt<br />

3 zeigt dann die Heterogenität von Branchenaggregaten anhand von zwei<br />

wichtigen Kennzahlen auf, nämlich der Arbeitsplatzentwicklung und der Ausgaben für<br />

Forschung und Entwicklung (FuE). Im weiteren Verlauf konzentrieren wir uns dann auf<br />

Analysen der technischen Effizienz von Unternehmen auf der Grundlage einer Produktionsfunktion<br />

(Abschnitt 4). Schließlich behandeln wir die Verteilung und Struktur der technischen<br />

Effizienz innerhalb von Branchen (Abschnitt 7) und ziehen zusammenfassende<br />

Schlussfolgerungen (Abschnitt 8).<br />

2 Die Kostenstrukturstatistik als Datenquelle<br />

Die Kostenstrukturstatistik wird vom Statistischen Bundesamt erhoben und aufbereitet<br />

(ausführlich hierzu Fritsch et al. 2004). Diese Erhebung umfasst alle in Deutschland tätigen<br />

Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes mit mehr als 500 Beschäftigtenn. Um den<br />

Erhebungsaufwand für kleinere Unternehmen zu begrenzen, sind Unternehmen mit 20 bis<br />

499 Beschäftigten nur als eine repräsentative Zufallsstichprobe in den Daten enthalten.<br />

Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten gehen erst seit dem Jahr 2001 ein. In der<br />

Regel werden die Firmen mit 20 bis 499 Beschäftigten vier aufeinander folgende Jahre in<br />

der Statistik erfasst und dann durch andere Unternehmen ersetzt (rotierendes Panel). Unternehmen<br />

mit weniger als 20 Beschäftigten sind nur für jeweils ein Berichtsjahr enthalten.<br />

Die Kostenstrukturstatistik enthält Angaben zum wirtschaftlichen Schwerpunkt der Unternehmen<br />

(Branchenzugehörigkeit), zur Zahl der tätigen Personen, zu den Material- und<br />

Warenbeständen sowie zu den Aufwendungen und Erträgen der Unternehmen im jeweiligen<br />

Wirtschaftsjahr. Außerordentliche sowie betriebsfremde Aufwendungen und Erträge<br />

1 Branchengliederungen sind „produktorientiert“ und basieren im Wesentlichen auf Warenverzeichnissen<br />

(Statistisches Bundesamt 1994). Als wesentliche Gliederungskriterien zur Abgrenzung der Produktfelder werden<br />

verwendet<br />

• die Nachfragesegmente für die produziert wird (z.B. Büromaschinen-Hersteller),<br />

• Gemeinsamkeiten hinsichtlich des/der eingesetzten Inputs (z.B. Stahlverarbeitung, Tabakverarbeitung)<br />

sowie<br />

• Gemeinsamkeiten hinsichtlich der verwendeten Produktionsverfahren (z.B. Gießereien, Druckindustrie, Galvanikindustrie,<br />

Chemische Industrie).<br />

Von der Grundidee her sollen Branchen möglichst auch Märkte abbilden. In der Realität ist dies jedoch wohl<br />

kaum jemals der Fall. In der Regel umfassen Branchen verschiedene Teilmärkte, die sich häufig über mehrere<br />

Branchen erstrecken.<br />

60 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Die Heterogenität der Effizienz innerhalb von Branchen<br />

werden nicht einbezogen, sodass sich die Ergebnisse auf die typische und spezifische<br />

Leistungserstellung der Unternehmen beschränken. Insbesondere die Angaben zu den verschiedenen<br />

Input-Kategorien sind recht differenziert. Dabei handelt es sich um Löhne und<br />

Gehälter (einschließlich der Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung und freiwilligen<br />

Arbeitgeberzahlungen), Ausgaben für Materialeinsatz und für Handelsware, Aufwand für<br />

selbst erstellte Anlagen, Energiekosten, Aufwendungen für externe Lohnarbeiten sowie<br />

für externe Instandhaltung und Reparaturarbeiten, steuerliche Abschreibungen, Subventionen,<br />

Mieten und Pachten, Umsatzsteuern und andere indirekte Steuern und Gebühren,<br />

Zinszahlungen auf Fremdkapital sowie „sonstige“ Kosten wie Lizenzgebühren, Bankgebühren,<br />

Porti oder Ausgaben für Marketing und Transport.<br />

Weitere in der Kostenstrukturstatistik enthaltene Informationen betreffen den Standort des<br />

Unternehmenshauptsitzes, Ausgaben für Forschung und Entwicklung sowie die Anzahl<br />

der in Forschung und Entwicklung Beschäftigten (seit dem Jahr 1999). Die Informationen<br />

über die Beschäftigten umfassen die Anzahl der im Unternehmen tätigen Inhaber, die Anzahl<br />

der Vollzeit- und der Teilzeitbeschäftigten, die Anzahl der Heimarbeiter sowie die<br />

Anzahl der Leiharbeitnehmer.<br />

3 Wie heterogen sind Unternehmen innerhalb einer Branche?<br />

Die Heterogenität der Unternehmen innerhalb einer Branche soll hier zunächst anhand<br />

von zwei Kennziffern für das Verarbeitende Gewerbe insgesamt sowie für vier ausgewählte<br />

Branchen illustriert werden. Bei diesen Branchen handelt sich um Viersteller der Klassifikation<br />

der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes in der Fassung des Jahres<br />

1993 (WZ 93). Dies stellt die tiefste Branchengliederung dar, für die in der Regel von der<br />

amtlichen Statistik Angaben publiziert werden. Bei diesen vier beispielhaft ausgewählten<br />

Wirtschaftszweigen handelt es sich um die „Herstellung von Konstruktionsteilen, Fertigbauteilen<br />

und Ausbauelementen aus Holz“ (WZ 20.30), den Bereich „Herstellung von<br />

Hohlglas“ (WZ 26.13), die „Herstellung von Heizkörpern für Zentralheizungsanlagen und<br />

von Zentralheizungskesseln“ (WZ 28.22) sowie um die „Herstellung von Kraftwagen und<br />

Kraftwagenmotoren“ (WZ 34.10). Bei der Auswahl dieser Branchen haben wir insbesondere<br />

versucht, Wirtschaftszweige mit unterschiedlicher Unternehmensgrößenstruktur zu<br />

berücksichtigen. Ansonsten ist diese Auswahl willkürlich; ein entsprechendes Maß an<br />

Heterogenität ließe sich auch für fast alle anderen Branchen aufzeigen.<br />

Die Beschäftigungsentwicklung von Unternehmen stellt eine zentrale Größe für die Wirtschaftspolitik<br />

dar. Durchschnittswerte wie das arithmetische Mittel oder der Median zeigen<br />

für das Verarbeitende Gewerbe insgesamt sowie für die vier ausgesuchten Teilbranchen<br />

nur ein geringes Maß an Dynamik an (Tabelle 1). Als Mittelwert für eine Branche<br />

bietet sich hier insbesondere der Median-Wert an, da Werte des arithmetischen Mittels insbesondere<br />

bei relativ kleinen Branchen stark durch extreme Werte einzelner Unternehmen<br />

geprägt sein können. Während die Median-Werte für die Beschäftigungsentwicklung nahe<br />

null liegen, finden sich innerhalb der Aggregate jeweils erhebliche Anteile an Unternehmen<br />

sowohl mit relativ starker Arbeitsplatzexpansion als auch mit sehr deutlichem Arbeitsplatzabbau.<br />

Diese Heterogenität der Entwicklung ist aus den Durchschnittswerten für<br />

die Branche insgesamt nicht erkennbar.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 61


Michael Fritsch und Andreas Stephan<br />

Tabelle 1<br />

Die Heterogenität von Unternehmen innerhalb von Branchen<br />

Beispiel: Jährliche Beschäftigungsentwicklung 2001–2004<br />

In %<br />

Branche<br />

Quelle: Kostenstrukturerhebungen 1992–2005, eigene Berechnungen.<br />

Ein ähnliches Maß an Heterogenität innerhalb der Branchen lässt sich auch hinsichtlich<br />

des jährlichen Anteils der Ausgaben für Forschung und Entwicklung am Bruttoproduktionswert<br />

der Unternehmen feststellen (Tabelle 2). Hier liegt der Median-Wert für das Verarbeitende<br />

Gewerbe insgesamt sowie für zwei der betrachteten vier Einzelbranchen bei<br />

null, da mindestens 50 % der in diesen Aggregaten zusammengefassten Unternehmen keine<br />

Ausgaben für Forschung und Entwicklung ausweisen. Tatsächlich gibt es aber in allen<br />

62 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Arithmetisches<br />

Mittel<br />

10-Perzentil 25-Perzentil Median 75-Perzentil 90-Perzentil<br />

Verarbeitendes Gewerbe insgesamt –1,23 –14,87 –6,48 –0,01 4,08 11,58<br />

Herstellung von Konstruktionsteilen,<br />

Fertigbauteilen und Ausbauelementen<br />

aus Holz (WZ 20.30)<br />

–0,33 –10,90 –4,74 –0,45 3,20 8,70<br />

Herstellung von Hohlglas (WZ 26.13) –1,18 –9,24 –4,77 –0,64 3,10 14,84<br />

Herstellung von Heizkörpern für<br />

Zentralheizungsanlagen und von<br />

Zentralheizungskesseln (WZ 28.22)<br />

Herstellung von Kraftwagen und<br />

Kraftwagenmotoren (WZ 34.10)<br />

Tabelle 2<br />

–2,4 –16,10 –6,45 –1,26 2,53 7,83<br />

3,72 –7,23 –3,86 0,09 4,39 11,28<br />

Die Heterogenität von Unternehmen innerhalb von Branchen<br />

Beispiel: Jährliche Ausgaben für Forschung und Entwicklung 2001–2004<br />

In %<br />

Branche<br />

Anteil Unternehmen<br />

mit<br />

FuE<br />

Quelle: Kostenstrukturerhebungen 1992–2005, eigene Berechnungen.<br />

Median 75-Perzentil 90-Perzentil 95-Perzentil 99-Perzentil<br />

Verarbeitendes Gewerbe insgesamt 30,59 0 0,37 2,86 5,49 13,95<br />

Herstellung von Konstruktionsteilen,<br />

Fertigbauteilen und Ausbauelementen<br />

aus Holz (WZ 20.30)<br />

61,90 0,83 3,20 4,91 6,02 k.A.<br />

Herstellung von Hohlglas (WZ 26.13) 22,95 0 0 0,50 2,72 k.A.<br />

Herstellung von Heizkörpern für<br />

Zentralheizungsanlagen und von<br />

Zentralheizungskesseln (WZ 28.22)<br />

Herstellung von Kraftwagen und<br />

Kraftwagenmotoren (WZ 34.10)<br />

47,37 0 1,03 2,18 k.A. k.A.<br />

56,82 0,37 3,17 6,75 8,07 k.A.


Die Heterogenität der Effizienz innerhalb von Branchen<br />

vier Branchen einen erheblichen Anteil an Unternehmen mit beachtlicher FuE-Intensität.<br />

Es ist offensichtlich, dass die Relation des Median-Werte für die Beschäftigungsentwicklung<br />

mit dem Median-Wert für den Anteil der FuE-Ausgaben am Bruttoproduktionswert<br />

kaum zu wesentlichen Erkenntnissen etwa über die Determinanten der Beschäftigungsentwicklung<br />

führen kann. Hierzu sind Analysen auf der Mikro-Ebene von Unternehmen<br />

unentbehrlich (ausführlich hierzu Fritsch 1990).<br />

4 Schätzung der technischen Effizienz von Unternehmen mit<br />

Mikrodaten<br />

Unter der technischen Effizienz eines Unternehmens versteht man die Fähigkeit, mit einer<br />

gegebenen Menge an Produktionsfaktoren den maximalen Output zu generieren (Farrell<br />

1957). Demnach ist ein Unternehmen technisch effizient, wenn es die höchstmögliche<br />

Produktivität aufweist. Datengrundlage unserer Analyse sind die Mikrodaten der Kostenstrukturstatistik<br />

im Verarbeitenden Gewerbe für den Zeitraum 1994–2004. Da wir die<br />

technische Effizienz eines Unternehmens als unternehmensspezifischen fixen Effekt bestimmen,<br />

sind mindestens zwei Beobachtungen pro Unternehmen erforderlich. Aus diesem<br />

Grunde bleiben Unternehmen mit nur einer Beobachtung in unseren Berechnungen<br />

unberücksichtigt. Damit sind insbesondere auch die Unternehmen mit weniger als 20 Beschäftigten<br />

ausgeschlossen. Insgesamt umfasst unser Sample ungefähr 50000 Unternehmen.<br />

Die Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten, die in der Kostenstrukturstatistik<br />

lediglich als repräsentative Zufallsstichprobe enthalten sind, gehen mit einer<br />

entsprechenden Gewichtung in die Berechnungen ein: Jedes dieser Unternehmen wird mit<br />

dem Faktor multipliziert, der die Beziehung zwischen der Anzahl der Firmen in der betreffenden<br />

Branche und Größenklasse der Grundgesamtheit und der Anzahl der Firmen der<br />

betreffenden Branche und Größenklasse in der Stichprobe angibt. Da diese Gewichte über<br />

die Zeit ziemlich stabil sind, nutzen wir in sämtlichen Analysen die Gewichte für das Jahr<br />

1997.<br />

Um die technische Effizienz eines Unternehmens zu bestimmen, benötigt man einen Referenzpunkt.<br />

2 Meistens nutzt man hierzu das Konzept der stochastischen Frontier-Produktionsfunktion,<br />

wie es von Aigner et al. (1977) sowie von Meeusen und Brueck (1977)<br />

vorgeschlagen wurde. Sofern Paneldaten verfügbar sind, kann das Modell von Battese und<br />

Coelli (1995) verwendet werden. Zwar bietet der Ansatz der stochastischen Produktionsfunktion<br />

einige Vorteile bei der Unterscheidung zwischen technischer Effizienz und anderen<br />

Einflüssen auf das Produktionsergebnis; er basiert allerdings auch auf ziemlich restriktiven<br />

und damit fragwürdigen Annahmen. Erstens wird für den Ineffizienzterm eine<br />

Verteilung mit negativer Schiefe angenommen, was möglicherweise nicht mit der tatsächlichen<br />

Verteilung übereinstimmt. 3 Zweitens wird unterstellt, dass keine Korrelation zwischen<br />

der technischen Effizienz und den Faktorinputs besteht. In empirischen Anwendungen<br />

– so auch in unseren Schätzungen – zeigt sich allerdings häufig ein solcher<br />

2 Siehe Mayes, Landsbury und Harris (1995) sowie Kumbhakar and Lovell (2000) zu einem Überblick über die<br />

verschiedenen Ansätze zur Messung der technischen Effizienz von Unternehmen.<br />

3 Eine Ausnahme stellt Carree (2002) dar, der ein stochastisches Frontier-Modell mit positiver Schiefe der Verteilung<br />

der technischen Effizienz vorschlägt. Uns ist allerdings keine empirische Anwendung dieses Ansatzes<br />

bekannt.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 63


Michael Fritsch und Andreas Stephan<br />

Zusammenhang zwischen den Inputs und der Effizienz, was dann zu inkonsistenten<br />

Parameterschätzungen führt.<br />

Aus diesen Gründen nutzen wir den Panelcharakter der Daten und bestimmen technische<br />

Effizienz als einen unternehmensspezifischen festen Effekt. 4 Die Grundspezifikation ist<br />

eine deterministische Translog-Produktionsfunktion, die geschrieben werden kann als<br />

(vgl. Greene 1997):<br />

2 1<br />

ln yit = lnα i + λt+ ∑βkln xkit + ∑β2_k ( ln xkit ) + ∑γ<br />

qw ( ln xqit )( ln xwit<br />

) + εit<br />

,<br />

2<br />

wobei k=1,…,p, i=1,…, N, t=1,…, Ti und q=1,…, p, w=1,…,p, q≠w. Der Term yit gibt den<br />

Output des Unternehmens i im Zeitraum t an; xkit bezeichnet den Inputfaktor k und t repräsentiert<br />

einen zeitspezifischen festen Effekt. Wir haben N Unternehmen und Ti Beobachtungen<br />

für jedes Unternehmen. Die Schätzung der technischen Effizienz beruht auf unternehmensspezifischen<br />

festen Effekten α . Der höchste geschätzte Wert für den unter-<br />

i<br />

nehmensspezifischen festen Effekt max aˆ<br />

j gibt das höchste erreichbare Effizienzniveau<br />

an und stellt damit den Maßstab für die (In-)Effizienz der anderen Unternehmen dar. Die<br />

technische Effizient TEi des Unternehmens i wird dann berechnet als<br />

ˆ<br />

ˆ αi<br />

TEi<br />

= ⋅100<br />

[%],<br />

max ˆ α<br />

wobei der Wertebereich zwischen 0 und 100% (= höchste Effizienz) liegt.<br />

Aus methodischer Sicht lassen sich auch gegen unseren Fixed-effects-Ansatz zur Bestimmung<br />

der technischen Effizienz eine Reihe von Einwendungen vorbringen. Erstens sind in<br />

jüngster Zeit Frontier-Modelle entwickelt worden, die eine gleichzeitige Modellierung<br />

und Schätzung von stochastischer Ineffizienz und unbeobachteter Heterogenität als festen<br />

Effekt erlauben (vgl. hierzu Greene 2005). Für unser sehr unfangreiches Sample erweist<br />

sich dieser Ansatz allerdings als rechentechnisch zu anspruchsvoll. Zweitens impliziert<br />

das Fixed-effects-Modell, dass die geschätzte technische Effizienz über die gesamte Beobachtungsperiode<br />

konstant bleibt. Eine Analyse der Entwicklung der technischen Effizienz<br />

verringert die Anzahl der zur Verfügung stehenden Fälle erheblich, da in diesem Falle nur<br />

solche Unternehmen in das Modell einbezogen werden können, für die eine hinreichend<br />

lange Zeitreihe an Beobachtungen vorliegt. Darüber hinaus wäre eine solche Analyse von<br />

großen Unternehmen dominiert, da nur diese Unternehmen über längere Zeiträume in der<br />

Kostenstrukturstatistik enthalten sind (vgl. Abschnitt 2).<br />

Unser Maß für den Unternehmensoutput ist der Bruttoproduktionswert ohne Umsatzsteuer<br />

abzüglich der Differenz von indirekten Steuern und Subventionen. Damit umfasst der so<br />

definierte Output im Wesentlichen den Umsatz einschließlich der Netto-Lagerveränderung<br />

an Endprodukten. Umsatzerlöse durch Handelsware und sonstige Einnahmen (z.B.<br />

durch Lizenzgebühren, Kommissionen, Mieten und Pachten etc.) bleiben unberücksich-<br />

4 Siehe Schmidt und Sickles (1984) sowie Sickles (2005) zu einer Diskussion dieses Ansatzes.<br />

64 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

j<br />

q≠w (1)<br />

(2)


Die Heterogenität der Effizienz innerhalb von Branchen<br />

Tabelle 3<br />

Anteile der verschiedenen Inputfaktoren am Produktionswert – Verteilung<br />

Arithmetisches<br />

Mittel<br />

Median<br />

Standardabweichung<br />

Anmerkung: Die Anzahl Beobachtungen (Unternehmen*Jahre) beträgt 224 769.<br />

Quelle: Kostenstrukturerhebungen 1992–2005, eigene Berechnungen.<br />

1%-Quantil 10%-Quantil 90%-Quantil 99%-Quantil<br />

Materialeinsatz 0,,392 0,382 1,393 0,013 0,154 0,629 0,855<br />

Energieverbrauch 0,026 0,014 0,678 0,001 0,004 0,053 0,180<br />

Externe<br />

Dienstleistungen<br />

0,057 0,031 0,403 0,001 0,007 0,135 0,361<br />

Arbeitskosten 0,383 0,349 4,569 0,060 0,166 0,578 0,957<br />

Sonstige Inputs 0,115 0,087 0,792 0,010 0,031 0,213 0,472<br />

Kapital 0,079 0,061 0,802 0,009 0,025 0,143 0,312<br />

tigt, da wir davon ausgehen, dass solche Einkünfte nicht adäquat auf der Basis einer<br />

Produktionsfunktion erklärt werden können.<br />

Den größten Anteil an den Vorleistungen machen die Materialkosten und die Arbeitskosten<br />

aus (Tabelle 3); die Medianwerte für den Anteil dieser beiden Kostenkategorien<br />

addieren sich zu ca. 73% der Ausgaben insgesamt. Die Werte aller Kostenkategorien<br />

ergeben etwas mehr als 92% des Produktionswertes. Die verbleibenden knapp 8%<br />

können als Anteil des Bruttogewinns am Produktionswert interpretiert werden. Für einige<br />

der Kostenkategorien, wie z.B. die Ausgaben für externe Lohnarbeiten sowie für externe<br />

Wartung und Reparatur, enthält die Kostenstrukturstatistik einen relativ hohen Anteil an<br />

Nullwerten, da viele Unternehmen solche Vorleistungen nicht beziehen. Da in einer Translog-Produktionsfunktion<br />

sämtliche Inputs in logarithmierter Form eingehen, führen Nullwerte<br />

für einzelne Inputkategorien zu Missing Values und damit zum Ausschluss des betreffenden<br />

Unternehmens aus der Analyse. Um die Anzahl der Null-Angaben für die<br />

Inputs zu reduzieren, haben wir die verschiedenen Inputarten in breiteren Kategorien zusammengefasst.<br />

Dabei handelt es sich um Materialaufwendungen, Arbeitskosten, Energiekosten,<br />

Kapitalkosten (Abschreibungen sowie Pacht- und Leasingkosten), externe Dienstleistungen<br />

sowie andere produktionsbezogene Inputs (z.B. Transportleistungen, Beratung,<br />

Marketing). Alle Zeitreihen wurde mit dem Erzeugerpreisindex für die betreffende Branche<br />

deflationiert.<br />

Bezieht man als Näherungsgröße für den Kapitaleinsatz die jährlichen Werte für die steuerlichen<br />

Abschreibungen in die Schätzung ein, so führt dies zu einem relativ niedrigen<br />

Wert für die Produktionselastizität des Kapitals. Der nahe liegende Grund für diesen geringen<br />

Wert sind offenbar die relativ starken jährlichen Schwankungen der Abschreibungen.<br />

Um diese Schwankungen zu reduzieren, haben wir für jedes Jahr die durchschnittlichen<br />

jährlichen Abschreibungen berechnet. Grundlage hierfür sind die Abschreibungen<br />

des jeweils laufenden Jahres und aller vorhergehenden Jahre, über die der Datensatz Informationen<br />

enthält. Die Summe dieser Werte wurde dann durch die Anzahl der entsprechen-<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 65


Michael Fritsch und Andreas Stephan<br />

Tabelle 4<br />

Schätzergebnisse für die logarithmische Translog Produktionsfunktion mit firmenspezifischen<br />

festen Effekten<br />

Anmerkung: Anzahl Beobachtungen: 215 320.<br />

Quelle: Kostenstrukturerhebungen 1992–2005, eigene Berechnungen.<br />

den Jahre dividiert. Diese Durchschnittswerte der jährlichen Abschreibungen führen zu erheblich<br />

höheren und plausibleren Schätzwerten für die Produktionselastizität des Kapitals.<br />

Das Sample enthält eine Reihe von Beobachtungen mit extremen Werten, die u.U. erheblichen<br />

Einfluss auf die geschätzten Parameter haben und teilweise zu unplausiblen Ergebnissen<br />

führen. Wir haben solche Unternehmen als „Ausreißer“ von der Analyse ausgeschlossen,<br />

bei denen die Kostenanteile einzelner Inputs weniger als 0,5% bzw. mehr als<br />

99,5% des Bruttoproduktionswertes ausmachten. Insgesamt werden hierdurch (einschließlich<br />

solcher Unternehmen, die Null-Angaben für mindestens eine Inputkategorie<br />

aufwiesen) ungefähr 10% aller Beobachtungen von der Analyse ausgeschlossen. Tests haben<br />

gezeigt, dass sich durch den Ausschluss dieser extremen Fälle die Robustheit und<br />

Plausibilität der Schätzergebnisse deutlich verbessert.<br />

66 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Koeffizient Schätzwert p-Wert Koeffizient Schätzwert p-Wert Koeffizient Schätzwert p-Wert<br />

Materialeinsatz 0,1933


Die Heterogenität der Effizienz innerhalb von Branchen<br />

Tabelle 4 zeigt die geschätzten Parameter für die Translog-Produktionsfunktion entsprechend<br />

Gleichung (1) mit den Mikrodaten der im Sample enthaltenen Unternehmen 5 . Wir<br />

beziehen Dummy-Variablen für die einzelnen Beobachtungsjahre ein, wobei das Jahr<br />

2005 das Referenzjahr darstellt. Die Anpassungsgüte der Regression (R 2 ) ist bemerkenswert<br />

hoch (0,996) und die unternehmensspezifischen Effekte als auch die Jahreseffekte<br />

erweisen sich als hoch signifikant. 6 Für die Produktionsfunktion wurde eine Reihe von<br />

Spezifikationstests durchgeführt. Zunächst haben wir untersucht, ob die Translog-Spezifikation<br />

einer einfachen Cobb-Douglas-Funktion vorzuziehen ist. Die entsprechenden Tests<br />

zeigen, dass die Translog-Spezifikation den Daten besser entspricht. Außerdem zeigen die<br />

Tests, dass die geschätzte Produktionstechnologie linear-homogen vom Grade eins ist. 7<br />

Die von uns genutzte Näherungsvariable für den Kapitalstock führt zu vernünftigen<br />

Schätzwerten für die Outputelastizität des Kapitaleinsatzes. Die positiven Werte für die<br />

meisten Jahres-Dummys deuten auf eine höhere Produktivität in den betreffenden Jahren<br />

verglichen mit dem Referenzjahr 2005 hin. Offenbar stellen diese Dummy-Variablen nicht<br />

einfach Maße für den technischen Fortschritt dar, denn fortschreitende Verbesserungen<br />

über die Zeit würden negative Werte für die Jahres-Dummys implizieren. Offensichtlich<br />

reflektieren die Jahres-Dummys vor allem die makroökonomischen Bedingungen, die mit<br />

Abbildung 1<br />

Die Verteilung der technischen Effizienz im Verarbeitenden Gewerbe (n = 48 292)<br />

15,0<br />

12,5<br />

10,0<br />

7,5<br />

5,0<br />

2,5<br />

0<br />

0 10 20 30 40 50<br />

Effizienz [%]<br />

60 70 80 90<br />

100<br />

Quelle: Kostenstrukturerhebungen 1992–2005, eigene Berechnungen.<br />

5 Geschätzt mit der Least-Squares-Dummy-Variables-Methode für Paneldaten; siehe hierzu Baltagi (2001)<br />

sowie Coelli et al. (2002).<br />

6 Ein Hausman-Wu-Test deutet auf eine Korrelation zwischen den fixen Effekten und anderen unabhängigen<br />

Variablen hin. Aus diesem Grunde wäre ein Random-effects-Modell oder ein stochastisches Frontier-Modell<br />

nicht angemessen.<br />

7 Die Summe der geschätzten Input-Parameter beträgt 0,9988 mit einem Standardfehler von 0,0168.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 67


Michael Fritsch und Andreas Stephan<br />

einer beträchtlichen Unterauslastung der Kapazitäten in den Jahren 2002 und 2003 einhergingen,<br />

in denen sich negative Werte für die betreffenden Jahres-Dummy-Variablen ergeben.<br />

Der Mittelwert wie auch der Median für die technische Effizienz liegen bei knapp 60%,<br />

wobei die Werte der Unternehmen um diesen Mittelwert konzentriert sind, d.h., 90% aller<br />

Werte der technischen Effizienzen liegen im Intervall von 43 bis 77% (Abbildung 1). Die<br />

Verteilung der Effizienzwerte zeigt, dass nur relativ wenige Unternehmen nahe der Effizienzgrenze<br />

operieren, wohingegen das Gros der Firmen ein deutlich geringeres Effizienzniveau<br />

aufweist. Nur 10% aller Firmen erreichen ein Effizienzniveau von mehr als 77%;<br />

bei lediglich 5% der Unternehmen liegt das Effizienzniveau über 82%. Die Verteilung ist<br />

annähernd normalverteilt, was sich auch in den Maßzahlen für Schiefe und Wölbung<br />

zeigt, die jeweils nur knapp über null liegen.<br />

5 Effizienz und Unternehmensgröße<br />

Ein relativ weit verbreitetes Vorurteil lautet dahingehend, dass Großunternehmen deutlich<br />

effizienter sind als kleiner Unternehmen (Alvarez und Crespi 2003). Diese Frage kann auf<br />

der Grundlage unseres Ansatzes sehr gut geklärt werden, indem man die technischen Effizienzen<br />

für Unternehmen unterschiedlicher Größe betrachtet (Tabelle 5). Dabei zeigt sich<br />

einmal, dass es in sämtlichen Größenklassen relativ effiziente und relative ineffiziente Unternehmen<br />

gibt. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Mittelwerte (arithmetisches Mittel,<br />

Median) für kleinere Unternehmen höhere Werte annehmen als für Großunternehmen.<br />

Dies gilt auch für das obere und untere Ende der Verteilung, dargestellt etwa an den Werten<br />

für das 5%- und das 95%-Perzentil. Für dieses zunächst überraschende Ergebnis bieten<br />

sich mindestens zwei Erklärungen an. Erstens könnte sich hierin die größere Übersichtlichkeit<br />

kleinerer Einheiten niederschlagen, die mit weniger X-Ineffizienz verbunden<br />

ist. Zum anderen schlägt sich hier sicherlich der Survivor-Bias in den Daten nieder: Während<br />

größere Unternehmen bei ausgeprägter Ineffizienz mit Kapazitätsabbau reagieren<br />

können, müssen ineffiziente Kleinunternehmen in der Regel gleich ganz schließen. Dies<br />

hat dann zur Folge, dass in der Gruppe der Großunternehmen mehr ineffiziente Firmen<br />

Tabelle 5<br />

Technische Effizienz und Unternehmensgröße<br />

Unternehmensgröße<br />

(Beschäftigte)<br />

Quelle: Kostenstrukturerhebungen 1992–2005, eigene Berechnungen.<br />

68 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Anzahl<br />

Arithmetrisches<br />

Mittel<br />

Standardabweichung<br />

Minimum 5%-Quantil Median 95%-Quantil<br />

20–49 18488 62,18 13,69 1,36 40,12 62,11 84,68<br />

50–99 12099 60,50 13,35 1,95 38,81 60,32 82,39<br />

100–249 10374 58,91 12,96 5,01 38,33 58,71 79,93<br />

250–499 3980 57,69 12,87 8,92 35,75 57,38 78,54<br />

>500 3351 55,04 12,92 14,23 33,29 54,71 76,21<br />

Insgesamt 48292 60,19 13,49 1,36 38,53 59,98 82,27


Die Heterogenität der Effizienz innerhalb von Branchen<br />

enthalten sind als in der Gruppe der kleineren Unternehmen (ausführlicher Badunenko<br />

2006).<br />

Analysen der Determinanten der technischen Effizienz der Unternehmen auf der Mikro-<br />

Ebene ergeben den größten Erklärungsbeitrag für die Branchenzugehörigkeit, die Größe<br />

und den Standort der Unternehmen (Badunenko, Fritsch und Stephan 2006, Badunenko<br />

2006). Die Rechtsform, Fertigungstiefe, Niveau des Outsourcing und Alter der Unternehmen<br />

tragen hingegen kaum zur Erklärung der Effizienz bei.<br />

6 Die Struktur der technischen Effizienz innerhalb von Branchen<br />

Zur graphischen Darstellung der Verteilung von Unternehmenseffizienzen in einem Wirtschaftszweig<br />

sind in Abbildung 2 die Unternehmen beginnend mit dem effizientesten Unternehmen<br />

entsprechend ihrem Effizienzniveau in abfallender Reihenfolge angeordnet<br />

(vgl. Salter 1969, Fritsch und Stephan 2003). Das effizienteste Unternehmen bildet mit<br />

100 % Effizienz den Benchmark in einem Wirtschaftszweig, der zur Bestimmung der relativen<br />

Effizienz der übrigen Unternehmen der betreffenden Branche dient. Auf der horizontalen<br />

Achse ist der Produktionsanteil der Unternehmen im jeweiligen Wirtschaftszweig<br />

abgetragen. Daher entspricht die Breite einer Stufe dem Anteil eines Unternehmens am<br />

Produktionswert der betreffenden Branche. Man kann also erkennen, welchen Anteil am<br />

gesamten Output des jeweiligen Wirtschaftszweiges ein Unternehmen hat und welche Position<br />

beispielsweise das Unternehmen bezüglich der technischen Effizienz einnimmt.<br />

Abbildung 2<br />

Die Verteilung der technischen Effizienz innerhalb von Branchen: Herstellung von<br />

Konstruktionsteilen, Fertigbauteilen und Ausbauelementen aus Holz (WZ 20.30)<br />

Relative Effizienz [%]<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />

Produktionsanteil im Wirtschaftszweig [%]<br />

Quellen: Kostenstrukturerhebungen 1992–2005, eigene Berechnungen.<br />

1995 (n=173)<br />

2005 (n=134)<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 69


Michael Fritsch und Andreas Stephan<br />

Entsprechende Kurven für die Branche „Herstellung von Konstruktionsteilen, Fertigbauteilen<br />

und Ausbauelementen aus Holz“ (WZ 20.30) sind in Abbildung 2 wiedergegeben.<br />

Um die Entwicklung der Effizienzverteilung abzubilden, sind die Kurven für die Jahre<br />

1995 und 2005 dargestellt. Dabei werden die Effizienzen zwar für den Gesamtzeitraum<br />

geschätzt, und die Produktionsanteile sind Durchschnittswerte für alle Beobachtungsjahre<br />

eines Unternehmens. In die Kurven gehen jedoch nur die Unternehmen ein, die in dem jeweiligen<br />

Jahr in der Stichprobe enthalten waren. Beispielsweise lagen in der Branche<br />

20.30 nur für 20 der insgesamt 287 Unternehmen Werte für beide Jahre vor; die restlichen<br />

267 Unternehmen wurden nur in jeweils einem der beiden Jahre beobachtet. Wie in den<br />

meisten Branchen, sind die Kurven dadurch gekennzeichnet, dass die Positionen am oberen<br />

und am unteren Ende der Effizienzverteilung jeweils von Kleinunternehmen eingenommen<br />

werden. Dass die Grenzanbieter mit relativ niedriger Effizienz Kleinunternehmen<br />

sind, ist aus zwei Gründen sehr plausibel. Erstens kann es sich dabei um altetablierte<br />

Unternehmen handeln, die – sofern sie einmal größer waren – auf wirtschaftliche Probleme<br />

mit Kapazitätsabbau reagiert haben. Zweitens können dies junge Unternehmen sein,<br />

die auf dem Markt Fuß zu fassen versuchen. Typischerweise beginnen neue Unternehmen<br />

relativ klein, oft mit einer Produktionsmenge unterhalb der mindestoptimalen Größe, und<br />

weisen dabei ein unterdurchschnittliches Produktivitätsniveau auf. Sieht man einmal von<br />

den extremen Werten für das Effizienzmaß ab, so ergibt sich für die Branche eine Spannweite<br />

der Effizienz zwischen ca. 60 und 90%. Das etwas niedrigere Niveau der Kurve für<br />

das Jahr 2005 ergibt sich hier daraus, dass der Abstand des Unternehmens mit höchster<br />

Produktivität zum Mittelfeld zugenommen hat. Die Branche scheint im Wesentlichen<br />

Abbildung 3<br />

Die Verteilung der technischen Effizienz innerhalb von Branchen: Herstellung von Hohlglas<br />

(WZ 26.13)<br />

Relative Effizienz [%]<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

Quelle: Kostenstrukturerhebungen 1992–2005, eigene Berechnungen.<br />

70 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

0<br />

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />

Produktionsanteil im Wirtschaftszweig [%]<br />

1995 (n=61)<br />

2005 (n=36)


Die Heterogenität der Effizienz innerhalb von Branchen<br />

durch kleine und mittelgroße Anbieter gekennzeichnet zu sein. Ausgesprochene Großunternehmen<br />

sind jedenfalls nicht erkennbar.<br />

Auch in der Effizienzverteilung für die Branche „Herstellung von Hohlglas“ (WZ 26.13)<br />

in Abbildung 3 werden die extremen Positionen durch Kleinunternehmen eingenommen.<br />

Von insgesamt 74 Unternehmen sind nur 23 in beiden Jahren im Sample. Hier reicht der<br />

mittlere Bereich ohne die extremen Fälle von ca. 55 bis ca. 80%. Auffällig ist bei dieser<br />

Branche, dass es einige Anbieter mit einem relativ hohen Anteil am Branchenoutput gibt.<br />

Ausgesprochene Großunternehmen sind auch in der Branche „Herstellung von Heizkörpern<br />

für Zentralheizungsanlagen und von Zentralheizungskesseln“ (WZ 28.22) zu verzeichnen<br />

(Abbildung 4), wobei hier die Bandbreite der mittleren Effizienzwerte zwischen<br />

ca. 65 und 90% liegt. Besonders deutlich ist die Bedeutung großer Unternehmen im Bereich<br />

„Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenmotoren“ (WZ 34.10) (Abbildung 5).<br />

Die Effizienzwerte der großen Produzenten liegen hier relativ nahe beieinander, was auf<br />

intensiven Wettbewerb und ähnliche Produktionsmethoden hindeutet. Der Bereich der<br />

mittleren Effizienz, ohne die Unternehmen mit relativ extremen Werten, ist hier relativ<br />

eng und liegt zwischen ca. 48 und 56 % (1995) bzw. zwischen ca. 58 und 70 % (2005).<br />

Hierbei sind nur 29 von insgesamt 94 Unternehmen in beiden Jahren in der Stichprobe.<br />

Die Annahme, dass sich die technische Effizienz im Zeitverlauf nicht ändert, erscheint als<br />

restriktiv, da Unternehmen, die im Wettbewerb stehen, versuchen werden, beispielsweise<br />

durch Veränderungen in der Organisation der Produktion effizienter zu werden. Prinzipiell<br />

Abbildung 4<br />

Die Verteilung der technischen Effizienz innerhalb von Branchen: Herstellung von<br />

Heizkörpern für Zentralheizungsanlagen und von Zentralheizungskesseln (WZ 28.22)<br />

Relative Effizienz [%]<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />

Produktionsanteil im Wirtschaftszweig [%]<br />

Quellen: Kostenstrukturerhebungen 199–2005, eigene Berechnungen.<br />

1995 (n=44)<br />

2005 (n=28)<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 71


Michael Fritsch und Andreas Stephan<br />

Abbildung 5<br />

Die Verteilung der technischen Effizienz innerhalb von Branchen: Herstellung von<br />

Kraftwagen und Kraftwagenmotoren (WZ 34.10)<br />

Relative Effizienz [%]<br />

100<br />

90<br />

80<br />

70<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

Quellen: Kostenstrukturerhebungen 1992–2005, eigene Berechnungen.<br />

ist es möglich, für einzelne Unternehmen zeitlich variable Effizienzen zu schätzen, indem<br />

in der Schätzgleichung zum zeitinvarianten festen Effekt 1nα i noch ein unternehmenspezifischer<br />

Zeittrend α it t hinzugefügt wird. Je nachdem, ob α it positiv oder negativ geschätzt<br />

wird, hat dann die Effizienz des Unternehmens im Zeitablauf entweder zu- oder abgenommen.<br />

Zu beachten ist hierbei, dass der Schätzansatz für eine zeitlich variable Effizienz nur<br />

dann möglich ist, wenn die Unternehmen eine ausreichend große Zahl von Beobachtungsjahren<br />

aufweisen. Wir haben daher bei der Schätzung zeitlich variabler Effizienzen nur<br />

Unternehmen mit mindestens zehn Beobachtungsjahren berücksichtigt. Tabelle 6 zeigt für<br />

die einzelnen Branchen, wie viele der Unternehmen jeweils eine negative oder positive<br />

Tendenz in der technischen Effizienz aufweisen. Etwas überraschend finden wir für die<br />

überwiegende Zahl von Unternehmen in den vier betrachteten Branchen einen negativen<br />

Trend der technischen Effizienz. Nur in der Automobilindustrie steht den Unternehmen<br />

mit negativem Effizienztrend eine etwa gleich große Zahl von Unternehmen mit positivem<br />

Trend gegenüber.<br />

72 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

0<br />

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100<br />

Produktionsanteil im Wirtschaftszweig [%]<br />

1995 (n=58)<br />

2005 (n=65)


Die Heterogenität der Effizienz innerhalb von Branchen<br />

Tabelle 6<br />

Veränderung der technischen Effizienz in den einzelnen Branchen<br />

Branche<br />

Herstellung von Konstruktionsteilen,<br />

Fertigbauteilen und Ausbauelementen<br />

aus Holz (WZ 20.30)<br />

Darunter auf dem 5%-Niveau<br />

statistisch signifikant<br />

Quellen: Kostenstrukturerhebungen 1992–2005, eigene Berechnungen.<br />

7 Schlussbemerkungen<br />

Anzahl Unternehmen<br />

mit mehr als zehn<br />

Beobachtungen<br />

Veränderung der technischen Effizienz<br />

Negativ Positiv<br />

20 19 1<br />

2 0<br />

Herstellung von Hohlglas (W 26.13) 23 18 5<br />

Darunter auf dem 5%-Niveau<br />

statistisch signifikant<br />

Herstellung von Heizkörpern für<br />

Zentralheizungsanlagen und von<br />

Zentralheizungskesseln (WZ 28.22)<br />

Darunter auf dem 5%-Niveau<br />

statistisch signifikant<br />

Herstellung von Kraftwagen und<br />

Kraftwagenmotoren (WZ 34.10)<br />

Darunter auf dem 5%-Niveau<br />

statistisch signifikant<br />

6 2<br />

21 18 3<br />

4 0<br />

20 16 13<br />

2 5<br />

Unsere Auswertung von Angaben aus der Kostenstrukturerhebung der Statistischen Ämter<br />

hat gezeigt, dass Branchen in der in der Regel sehr heterogen zusammengesetzt sind. Aus<br />

diesem Grund ist die Branchenzugehörigkeit als Kriterium für wirtschaftspolitische Eingriffe<br />

fragwürdig. Ebenso fragwürdig ist die Verwendung von Summen- oder Durchschnittswerten<br />

für Branchenaggregate im Rahmen statistischer Analysen, da hierbei die<br />

Heterogenität innerhalb der Aggregate verdeckt bleibt. Die Kostenstrukturstatistik bietet,<br />

insbesondere bei einer Kombination mit anderen Erhebungen, eine hervorragende Grundlage<br />

für empirische Analysen von Produktivität und Effizienz.<br />

Um die Standorteffekte mit hinreichender Genauigkeit identifizieren zu können, wäre insbesondere<br />

die Kombination mit Angaben aus der Produktionsstatistik wünschenswert, da<br />

sich auf diese Weise für Mehr-Betrieb-Unternehmen die Standorteffekte genau erfassen<br />

lassen. Wünschenswert wäre auch eine Verknüpfung mit dem Unternehmensregister, das<br />

Angaben über das Alter eines Betriebes bzw. Unternehmens sowie über die Besitzverhältnisse<br />

(Inland vs. Ausland) enthält. Weiterhin ließen sich über eine Verknüpfung mit den<br />

Monatsberichten oder den Investitionserhebungen Angaben zu den Auslandsumsätzen<br />

bzw. zur Investitionstätigkeit der Unternehmen zuspielen. Auch erscheinen Verknüpfungen<br />

mit Angaben aus nicht-amtlichen Datenbanken wie der europäischen Patentstatistik<br />

ein viel versprechender Ansatz für zukünftige Analysen beispielsweise über die Zusammenhang<br />

zwischen Innovationsaktivität, Produktivität und Unternehmenseffizienz zu<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 73


Michael Fritsch und Andreas Stephan<br />

sein. Die Beantwortung solcher Fragen ist nach unserer Auffassung insbesondere für die<br />

Wirtschaftspolitik von großer Bedeutung.<br />

Literaturverzeichnis<br />

Aigner, Dennis, C.A. Knox Lovell und Peter Schmidt (1977): Formulation and Estimation<br />

of Stochastic Frontier Production Function Models. Journal of Econometrics, 6 (1), 21–<br />

37.<br />

Alvarez, Roberto und Gustavo Crespi (2003): Determinants of Technical Efficiency in<br />

Small Firms. Small Business Economics, 20, 233–244.<br />

Badunenko, Oleg (2006): Efficiency of German Manufacturing Firms During the 1990’s.<br />

Dissertation. Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Europa Universität Viadrina,<br />

Frankfurt (Oder).<br />

Badunenko, Oleg, Michael Fritsch und Andreas Stephan (2006): What Determines the<br />

Technical Efficiency of a Firm? The Importance of Industry, Location, and Size. Jenaer<br />

Schriften zur Wirtschaftswissenschaft 33/2006. Friedrich-Schiller-Universität Jena.<br />

Baltagi, Badi H. (2003): Econometric Analysis of Panel Data. 3. Aufl. Chichester, Wiley<br />

and Sons.<br />

Battese, George E. und Tim Coelli (1995): A Model for Technical Inefficiency Effects in a<br />

Stochastic Frontier Models. Empirical Economics. 20, 325–332.<br />

Carree, Martin A (2002): Technological Inefficiency and the Skewness of the Error Component<br />

in Stochastic Frontier Analysis. Economic Letters, 77, 101–107.<br />

Coelli, Tim, D.S. Prasada Rao und George E. Battese (2002): An Introduction to Efficiency<br />

and Productivity Analysis. London, Kluwer Academic Publishers.<br />

Farrell, Michael J. (1957): The Measurement of Productive Efficiency. Journal of the<br />

Royal Statistical Society, Series A (General), 120 (3), 253–290.<br />

Fritsch, Michael (1990): Arbeitsplatzentwicklung in Industriebetrieben - Entwurf einer<br />

Theorie der Arbeitsplatzdynamik und empirische Analysen auf einzelwirtschaftlicher<br />

Ebene. <strong>Berlin</strong>, de Gruyter.<br />

Fritsch, Michael, Bernd Görzig, Ottmar Hennchen und Andreas Stephan (2004): Cost<br />

Structure Surveys in Germany. Schmollers Jahrbuch/Journal of Applied Social Science<br />

Studies, 124, 557–566.<br />

Fritsch, Michael und Andreas Stephan (2003): Die Heterogenität der technischen Effizienzen<br />

innerhalb von Wirtschaftszweigen. Auswertung auf Grundlage der Kostenstrukturerhebung<br />

des Statistischen Bundesamts. In: Ramona Pohl, Joachim Fischer, Ulrike<br />

Rossmann und Klaus Semlinge (Hrsg.): Analysen zur regionalen Industrieentwicklung.<br />

Sonderauswertung einzelbetrieblicher Daten der amtlichen Statistik. <strong>Berlin</strong>, Statistisches<br />

Landesamt <strong>Berlin</strong>.<br />

Greene, William (1997): Frontier Production Functions. In: M. Hashem Pesaran und Peter<br />

Schmidt (Hrsg.): Handbook of Applied Econometrics. Vol. II. Oxford, Blackwell, 81–<br />

166.<br />

Kumbhakar, Subal C. und C.A. Knox Lovell (2000): Stochastic Frontier Analysis. Cambridge,<br />

Cambridge University Press.<br />

Mayes, David, Melanie Lansbury und Christopher Harris (1995): Inefficiency in Industry.<br />

Hemel Hemstead, Harvester Wheatsheaf.<br />

Meeusen, Wim und Julien van den Broeck (1977): Efficiency Estimation from Cobb-Douglas<br />

Production Functions with Composed Error. International Economic Review, 18<br />

(2), 435–444.<br />

74 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Die Heterogenität der Effizienz innerhalb von Branchen<br />

Salter, Wilfred. E. (1969): Productivity and Technical Change. 2. Aufl. Cambridge, Cambridge<br />

University Press.<br />

Schmidt, Peter und Robin C. Sickles (1984): Production Frontier and Panel Data. Journal<br />

of Business and Economic Statistics, 2 (4), 367–374.<br />

Sickles, Robin C. (2005): Panel Estimators and the Identification of Firm-Specific efficiencylevels<br />

in Parametric, Semiparametric and Nonparametric Settings. Journal of<br />

Econometrics, 126, 305–334.<br />

Statistisches Bundesamt (1994): Klassifikation der Wirtschaftszweige mit Erläuterungen –<br />

Ausgabe 1993. Stuttgart, Metzer-Poeschel.<br />

Statistisches Bundesamt (verschiedene Jahrgänge): Kostenstrukturerhebung im Verarbeitenden<br />

Gewerbe. Fachserie 4, Reihe 4.3. Stuttgart, Metzler-Poeschel.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 75


Jobmotor Mittelstand?<br />

Arbeitsplatzdynamik und Betriebsgröße<br />

in der westdeutschen Industrie*<br />

Von Joachim Wagner**<br />

76 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Vierteljahrshefte<br />

zur Wirtschaftsforschung<br />

76 (2007), 3, S. 76–87<br />

Zusammenfassung: In der öffentlichen Diskussion gilt als allgemein akzeptiert, dass in Deutschland<br />

ein Zusammenhang zwischen Firmengröße und Arbeitsplatzdynamik besteht, der sich durch den stilisierten<br />

Fakt beschreiben lässt, dass kleine und mittlere Firmen vorwiegend Arbeitsplätze schaffen,<br />

während in großen Firmen vor allem Arbeitsplätze abgebaut werden. Der Mittelstand gilt als Jobmotor.<br />

Der vorliegende Beitrag zeigt, dass eine Auswertung von Längsschnittdaten für Betriebe Zweifel<br />

an dieser einfachen Sichtweise begründen kann. In mittelständischen Betrieben entstehen viele<br />

Arbeitsplätze, aber es werden auch viele abgebaut, und dasselbe gilt für Großbetriebe. Wachsende<br />

und schrumpfende, neu gegründete und geschlossene Betriebe sind in jeweils erheblichem Umfang in<br />

jedem Jahr in allen Größenklassen anzutreffen. Wirtschaftspolitische Maßnahmen mit einer spezifischen<br />

Ausrichtung auf bestimmte Firmengrößenklassen lassen sich daher nicht mit einem besonders<br />

ausgeprägten Beitrag dieser Firmen zur Beschäftigungsdynamik rechtfertigen.<br />

Summary: It is often argued that in Germany jobs are mostly created in small and medium sized<br />

firms, while large firms generally tend to destroy jobs. The so-called Mittelstand is considered as the<br />

engine of job creation. Using panel data for manufacturing firms this paper demonstrates that this<br />

simple view is wrong. Growing and shrinking firms, entries and exits can be found in a substantial<br />

amount in all size classes in each time period considered. Economic policy measures with a special<br />

focus on firms from different size classes, therefore, can not be justified by pointing to an extraordinary<br />

large contribution of these firms to job creation.<br />

JEL Classification: J23, L60<br />

Keywords: Firm size, job creation and destruction, firm panel data<br />

1 Motivation<br />

Der Mittelstand gilt als Jobmotor der deutschen Wirtschaft. „Die neue Regierung wird<br />

sich […] in ganz besonderer Weise für den Mittelstand einsetzen […]. Dort ist der Jobmotor<br />

am wirkungsvollsten […]“ – so Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer Regierungserklärung<br />

vom 30. November 2005 vor dem Deutschen Bundestag. Entsprechende Äußerungen<br />

finden sich seit langer Zeit in zahllosen öffentlichen Verlautbarungen von<br />

Wirtschaftspolitikern, Verbandsvertretern und Journalisten. Die Eingabe „Jobmotor Mittelstand“<br />

in Google erbrachte am 3. April 2007 rund 42600 Treffer in 0,11 Sekunden.<br />

* Alle Berechnungen mit vertraulichen Betriebsdaten wurden im Forschungsdatenzentrum der Statistischen<br />

Ämter der Länder in <strong>Berlin</strong> durchgeführt. Ich danke Ramona Pohl für die hervorragende Betreuung dieses Projekts<br />

im FDZ; Brigitte Scheiter danke ich für die sorgfältige Anfertigung der Tabellen.<br />

** Leuphana Universität Lüneburg, Institut für Volkswirtschaftslehre, Postfach 2440, 21314 Lüneburg, E-Mail:<br />

wagner@uni-lueneburg.de


Jobmotor Mittelstand? Arbeitsplatzdynamik und Betriebsgröße in der westdeutschen Industrie<br />

Ganz offensichtlich wird breit akzeptiert, dass in Deutschland ein Zusammenhang zwischen<br />

der Firmengröße und der Arbeitsplatzdynamik besteht, der sich durch den stilisierten<br />

Fakt beschreiben lässt, dass kleine und mittlere Firmen vorwiegend Arbeitsplätze<br />

schaffen, während in großen Firmen vor allem Arbeitsplätze abgebaut werden. Anders als<br />

Wissenschaftler sind Politiker, Verbandsvertreter und Journalisten nicht gezwungen, die<br />

Quellen ihrer Aussagen offen zu legen und die Methoden, mit denen diese arbeiten, kritisch<br />

zu hinterfragen. Dies ist bedauerlich, denn in der wissenschaftlichen Diskussion wird<br />

seit vielen Jahren argumentiert, dass diese These eines negativen Zusammenhangs zwischen<br />

Arbeitsplatzdynamik und Firmengröße so nicht haltbar ist.<br />

Der vorliegende Beitrag will helfen, die Tragfähigkeit dieser weit verbreiteten Meinung<br />

besser einschätzen zu können. Gleichzeitig will er damit das Potenzial verdeutlichen, dass<br />

über die Zeit verknüpfte Daten für einzelne Firmen – so genannte Betriebspaneldaten – als<br />

Basis für wissenschaftliche Politikberatung beinhalten.<br />

Im folgenden Abschnitt 2 werden die Datenbasis und das methodische Vorgehen beschrieben,<br />

in Abschnitt 3 werden die Ergebnisse vorgestellt und diskutiert. Abschnitt 4 zieht<br />

Schlussfolgerungen hieraus zur Bedeutung von Firmenpaneldaten als Basis einer fundierten<br />

wissenschaftlichen Politikberatung.<br />

2 Datenbasis und Analysemethode<br />

Die These vom „Jobmotor Mittelstand“ beruht auf Ergebnissen empirischer Untersuchungen,<br />

in denen die Arbeitsplatzentwicklung für Betriebe getrennt nach Größenklassen untersucht<br />

wird. Dass hier ein Fallstrick lauert, ist seit langer Zeit bekannt, ebenso ein Lösungsweg<br />

(vgl. Davis, Haltiwanger und Schuh 1996).<br />

Untersucht man die Entwicklung der Beschäftigung in verschiedenen Betriebsgrößenklassen<br />

zwischen zwei Jahren t 0 und t 1 , und greift man dafür auf publizierte Angaben aus der<br />

amtlichen Statistik zurück, dann werden die Betriebe hierbei nach ihrer Größe in der Basisperiode<br />

t 0 einer Größenklasse zugeordnet. Betrachtet man mehr als einen Zwei-Jahres-<br />

Zeitraum, also z.B. zusätzlich auch noch den Zeitraum t 1 bis t 2 , dann werden die Betriebe<br />

für die Untersuchung dieses weiteren Zeitraums neu nach ihrer Größe in t 1 sortiert. Und<br />

genau dies kann zu einer „zu guten“ Darstellung der Beschäftigungsentwicklung in kleinen<br />

Betrieben führen, wenn Beschäftigungsveränderungen lediglich vorübergehenden –<br />

transitorischen – Charakter haben und sich daher in der Folgeperiode umkehren. Um dies<br />

zu illustrieren betrachten wir eine Ökonomie, die nur aus zwei Betrieben besteht, und wir<br />

nehmen an, dass wir folgende Beschäftigtenzahlen in den drei Jahren t 0 , t 1 und t 2 beobachten:<br />

t 0 t 1 t 2<br />

Betrieb A 16 21 16<br />

Betrieb B 24 16 24<br />

Kleinbetriebe seien als Betriebe mit einem bis 19 Beschäftigten definiert, Großbetriebe als<br />

solche mit 20 und mehr Beschäftigten. Betrachtet man den ersten Zwei-Jahres-Zeitraum,<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 77


Joachim Wagner<br />

dann ist Betrieb A ein Kleinbetrieb mit einer positiven Wachstumsrate von +31,25% und<br />

Betrieb B ein Großbetrieb mit einer negativen Wachstumsrate von –33,33%. Für den<br />

zweiten Zwei-Jahres-Zeitraum ist jetzt der Betrieb B ein Kleinbetrieb und hat eine Wachstumsrate<br />

von +50%, während Betrieb A jetzt als Großbetrieb zählt und eine Wachstumsrate<br />

von –23,81% aufweist. Demnach wachsen Kleinbetriebe und Großbetriebe schrumpfen<br />

– obwohl jeder Betrieb am Ende der Betrachtungsperiode in t 3 exakt so viele Personen beschäftigt<br />

wie zu Beginn in t 1 !<br />

Natürlich ist dies Beispiel drastisch – soll es ja auch sein. Ob und wie stark dieser Effekt<br />

der „regression-to-the-mean“ durchschlägt, hängt ab von der relativen Bedeutung transitorischer<br />

verglichen mit allen anderen Beschäftigungsänderungen und von der Abgrenzung<br />

der Größenklassen. Alternativ kann man Betriebe auch nach ihrer Durchschnittsgröße im<br />

jeweiligen Untersuchungszeitraum in Größenklassen einsortieren – in unserem Beispiel<br />

gilt dann der Betrieb A immer als Kleinbetrieb und der Betrieb B immer als Großbetrieb,<br />

und wir erhalten ein ganz anderes Bild (wobei sich allerdings bei den hier unterstellten<br />

recht großen Werten der Veränderung der Beschäftigung von Jahr zu Jahr einmal mehr der<br />

„base shift effect“ zeigt, denn ein Wachstum um 50%, gefolgt von einer Schrumpfung um<br />

50%, bringt uns eben nicht wieder zurück auf das Ausgangsniveau – bei kleineren und<br />

realistischeren Änderungen ist dieser Effekt vernachlässigbar).<br />

Überprüfen lässt sich die Bedeutung transitorischer Beschäftigungsveränderungen, verbunden<br />

mit dem Wechsel von Betriebsgrößenklassen, für den Zusammenhang zwischen<br />

Betriebsgröße und Beschäftigungswachstum nur, wenn man auf Einzeldaten für die Betriebe<br />

in der Form eines Betriebspanels zurückgreifen kann und alternativ die Betriebe<br />

nach der Größe im Basisjahr und nach ihrer Durchschnittsgröße zuordnen kann. Solche<br />

Datensätze gibt es für deutsche Industriebetriebe bereits seit vielen Jahren für einzelne<br />

Bundesländer, und diese wurden für entsprechende Untersuchungen des Zusammenhangs<br />

von Betriebsgröße und Arbeitsplatzdynamik genutzt. 1 Seit Ende 2006 ist erstmals ein solches<br />

Betriebspanel für ganz Deutschland verfügbar. 2 Enthalten sind für den Wirtschaftsbereich<br />

Verarbeitendes Gewerbe und Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden (im<br />

Folgenden kurz und etwas ungenau als Industrie bezeichnet) Informationen zu allen Betrieben<br />

(definiert als örtlich abgegrenzte Produktionseinheit einschließlich der in ihrer unmittelbaren<br />

Umgebung liegenden und von ihr abhängenden Einheiten) aus den Jahren<br />

1995 (dem ersten Jahr nach dem Übergang auf eine neue Wirtschaftszweigklassifikation,<br />

verbunden mit einer Änderung des Berichtskreises) bis 2002 (dem letzten Jahr, für das Informationen<br />

für industrielle Kleinbetriebe mit weniger als 20 tätigen Personen vorliegen,<br />

da die jährliche Kleinbetriebserhebung anschließend eingestellt wurde).<br />

In der vorliegenden Studie wird dieser neu verfügbare Paneldatensatz genutzt. Hierbei<br />

werden die Betriebe – alternativ nach der Anzahl der in ihnen tätigen Personen im ersten<br />

von jeweils zwei betrachteten auf einander folgenden Jahren oder im Durchschnitt dieser<br />

beiden Jahre – in sechs Größenklassen eingeteilt: GK1 mit weniger als 20 Personen, GK2<br />

mit 20 bis 49 Personen, GK3 mit 50 bis 99 Personen, GK4 mit 100 bis 249 Personen, GK5<br />

1 Vgl. Wagner (1995) für Niedersachsen 1978 bis 1993, Strotmann (2002) für Baden-Württemberg 1980 bis<br />

1999 und Wagner (2002) für Mecklenburg-Vorpommern 1995 bis 1999.<br />

2 Konold (2007) beschreibt diese Daten und den Zugang zu ihnen in den Forschungsdatenzentren des Statistischen<br />

Bundesamtes und der Statistischen Ämter der Länder; vgl. hierzu auch den Beitrag von Malchin und Pohl<br />

(2007) in diesem Heft.<br />

78 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Jobmotor Mittelstand? Arbeitsplatzdynamik und Betriebsgröße in der westdeutschen Industrie<br />

mit 250 bis 499 Personen und GK6 mit 500 und mehr Personen. 3 Nach einer gängigen Abgrenzung<br />

umfassen damit die Größenklassen 1 bis 4 den Mittelstand (wobei die Betriebe<br />

aus GK1 und GK2 als Kleinbetriebe und die aus GK2 und GK3 als Mittelbetriebe gelten)<br />

und die Größenklassen 5 und 6 die Großbetriebe. 4<br />

Für die Betriebe jeder Größenklasse wird für einen Zeitraum von zwei aufeinander folgenden<br />

Jahren t 0 und t 1 (z.B. 1995 und 1996) ermittelt, ob ein Betrieb gewachsen ist (also in t 1<br />

mehr tätige Personen gemeldet hat als in t 0 ) oder geschrumpft ist. Neue Betriebe, die in t 1 ,<br />

aber nicht in t 0 im Datensatz enthalten sind, zählen hierbei zur ersten Gruppe; da es sich<br />

hierbei auch um Verlagerungen aus anderen Teilen der Wirtschaft wie etwa dem Dienstleistungssektor<br />

oder aus dem Ausland handeln kann, werden diese im Datensatz neuen<br />

Betriebe hier nicht als Gründungen, sondern als Zugänge bezeichnet. Ebenso kann es sich<br />

bei den Abgängen, die in t 0 ,aber nicht in t 1 im Datensatz enthalten sind, sowohl um Schließungen<br />

als auch um Verlagerungen in andere Teile der Wirtschaft oder ins Ausland handeln.<br />

Aggregiert man die Zuwächse an tätigen Personen bei den gewachsenen Betrieben<br />

und den Zugängen und setzt man diese in Beziehung zur Anzahl der tätigen Personen im<br />

Anfangsjahr, dann erhält man die Bruttowachstumsrate der Beschäftigung. Aggregiert<br />

man die Arbeitsplatzverluste in geschrumpften Betrieben und in den Abgängen und teilt<br />

diese durch die Anzahl tätiger Personen im Anfangsjahr, dann erhält man die Bruttoabbaurate<br />

der Beschäftigung. Die Differenz beider Raten ist dann die (positive oder negative)<br />

Nettowachstumsrate der Beschäftigung in allen Betrieben aus einer Größenklasse.<br />

Aus den Publikationen der amtlichen Statistik lassen sich nur die jeweiligen Nettowachstumsraten<br />

der Beschäftigung in Betrieben einer Größenklasse bei einer Zuordnung der Betriebe<br />

in die Größenklassen nach der Anzahl tätiger Personen im Basisjahr des Betrachtungszeitraums<br />

entnehmen. Diese Angaben bilden die Basis von evidenzbasierten<br />

Aussagen zum Zusammenhang von Betriebsgröße und Arbeitsplatzdynamik. Die hinter<br />

dieser Nettoveränderung stehenden gegenläufigen positiven bzw. negativen Bruttoveränderungen<br />

bleiben dabei ebenso verborgen wie die Netto- und Bruttoveränderungen bei einer<br />

Einteilung in Größenklassen nach der Durchschnittsgröße der Betriebe im jeweiligen<br />

Betrachtungszeitraum. Im folgenden Abschnitt soll gezeigt werden, welche weitergehenden<br />

Erkenntnisse zum Zusammenhang von Arbeitsplatzdynamik und Betriebsgröße sich<br />

aus einer zusätzlichen Betrachtung dieser Bruttoströme und einer alternativen Zuordnung<br />

der Betriebe in Größenklassen nach der Durchschnittszahl der Arbeitsplätze gewinnen lassen.<br />

3 Ergebnisse der empirischen Analyse<br />

Die Anzahl der insgesamt in westdeutschen Industriebetrieben tätigen Personen ist im Untersuchungszeitraum<br />

1995 bis 2002 um 7,3% von 6,386 Millionen auf 5,920 Millionen<br />

3 Die Analysen müssen sich hierbei auf Westdeutschland beschränken, da für Ostdeutschland bereits in der<br />

Größenklasse 5 (und verstärkt dann in der Größenklasse 6) Geheimhaltungsfälle auftraten. (Wissenschaftler,<br />

die mit vertraulichen Betriebsdaten arbeiten, kennen dies Problem nur zu gut – ihr Blues hat wegen der bei der<br />

Geheimschutzprüfung die Ziffern ersetzenden Sterne die Melodie „Weißt du, wie viel Sternlein stehen …“)<br />

Wegen der im betrachteten Zeitraum gegebenen strukturellen Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland<br />

ist eine Analyse für Gesamtdeutschland nicht angebracht.<br />

4 Die Abgrenzung mittelständischer Firmen ist nicht unstrittig, denn neben der Anzahl der Beschäftigten werden<br />

oft auch noch der Umsatz oder die Bilanzsumme pro Jahr sowie die Besitzverhältnisse (vom Eigentümer<br />

geführtes Unternehmen) herangezogen; vgl. hierzu Wolter und Hauser (2001).<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 79


Joachim Wagner<br />

gesunken. In Tabelle 1 sind die prozentualen Anteile der Betriebe aus den sechs Größenklassen<br />

an allen Arbeitsplätzen in der westdeutschen Industrie zwischen 1995 und 2002<br />

angegeben, wobei die Werte in der oberen Tabellenhälfte für die (übliche) Zuordnung von<br />

Betrieben nach der Anzahl tätiger Personen im jeweils ersten Jahr des betrachteten Zwei-<br />

Jahres-Zeitraums gelten, während in der unteren Hälfte der Tabelle die entsprechenden<br />

Werte bei einer Größenklassenzuordnung nach dem Durchschnitt der Beschäftigtenzahl in<br />

beiden Jahren aufgelistet sind. Im Untersuchungszeitraum war die nach beiden Verfahren<br />

berechnete Größenklassenverteilung sehr ähnlich. Unterschiede über die Zeit lassen sich<br />

kaum feststellen; leichten Anteilsgewinnen der Größenklassen 1 bis 5 steht ein geringfügi-<br />

Tabelle 1<br />

Prozentuale Anteile der Betriebe an allen Arbeitsplätzen nach zwei Arten der Zuordnung<br />

zu Größenklassen<br />

Westdeutsche Industriebetriebe, 1995/1996–2001/2002<br />

1. Größenklassenzuordnung nach Anzahl Arbeitsplätze im Basisjahr<br />

GK1 GK2 GK3 GK4 GK5 GK6<br />

Anzahl Personen < 20 20–49 50–99 100–249 250–499 > = 500<br />

Zeitraum<br />

Quelle: Eigene Berechnungen.<br />

80 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

1995/1996 4,70 8,65 9,95 17,20 14,51 44,98<br />

1996/1997 5,11 8,74 10,08 17,45 14,65 43,97<br />

1997/1998 4,97 9,57 10,29 17,45 14,58 43,14<br />

1998/1999 8,15 9,02 10,13 17,24 14,44 42,67<br />

1999/2000 4,88 9,42 10,5 17,59 14,86 42,75<br />

2000/2001 4,77 9,27 10,45 17,74 15,22 42,55<br />

2001/2002 5,10 9,32 10,36 17,65 15,02 42,55<br />

2. Größenklassenzuordnung nach durchschnittlicher Anzahl Arbeitsplätze im Basisjahr und Endjahr<br />

GK1 GK2 GK3 GK4 GK5 GK6<br />

Anzahl Personen < 20 20–49 50–99 100–249 250–499 > = 500<br />

Zeitraum<br />

1995/1996 5,42 8,73 10,06 17,11 14,56 44,12<br />

1996/1997 5,40 8,85 10,17 17,42 14,64 43,51<br />

1997/1998 5,26 9,54 10,26 17,32 14,69 42,93<br />

1998/1999 5,34 9,35 10,33 17,39 14,78 42,82<br />

1999/2000 5,14 9,42 10,4 17,6 14,98 42,45<br />

2000/2001 5,02 9,29 10,45 17,64 15,21 42,39<br />

2001/2002 5,49 9,41 10,34 17,84 14,97 41,96


Jobmotor Mittelstand? Arbeitsplatzdynamik und Betriebsgröße in der westdeutschen Industrie<br />

ger Rückgang des Anteils der Beschäftigten in den Betrieben mit 500 oder mehr Personen<br />

an allen Industriebeschäftigten in Westdeutschland gegenüber.<br />

In der Tabelle 2 sind die Nettowachstumsraten sowie die Bruttowachstumsraten und die<br />

Bruttoabbauraten der Beschäftigung für die Betriebe aus den sechs Größenklassen und die<br />

Zeiträume von 1995/96 bis 2001/2002 angegeben. Hierbei finden sich die Werte für eine<br />

Größenklassenzuordnung nach der Anzahl Personen im jeweiligen Basisjahr in der ersten<br />

Hälfte der Tabelle, entsprechende Angaben bei einer Größenklassenzuordnung nach<br />

durchschnittlicher Arbeitsplatzzahl in Basis- und Endjahr in der zweiten Hälfte.<br />

Die in der oberen Hälfte der Tabelle 2 ausgewiesene Nettowachstumsrate der Arbeitsplätze<br />

in den Betriebsgrößenklassen (bei Zuordnung der Betriebe nach Anzahl der Beschäftigten<br />

im jeweiligen Basisjahr) enthält Informationen der Art, wie sie üblicherweise publiziert<br />

werden und damit allgemein zugänglich sind. Für alle sieben hier betrachteten Zwei-<br />

Jahres-Zeiträume ist dabei festzustellen, dass ausschließlich die kleinste Größenklasse (in<br />

der, wie in Tabelle 1 gezeigt, nur rund 5% aller Industriearbeitsplätze zu finden sind) positive<br />

Werte aufweist. In allen anderen Größenklassen ist die Wachstumsrate in allen betrachteten<br />

Perioden negativ, wobei die Absolutwerte der negativen Wachstumsraten mit<br />

steigender Betriebsgrößenklasse tendenziell abnehmen. Einen Beleg für die These vom<br />

„Jobmotor Mittelstand“ lässt sich für die hier betrachteten westdeutschen Industriebetriebe<br />

damit nicht finden.<br />

Wie im vorigen Abschnitt bei der Diskussion des Analyseansatzes bereits herausgestellt,<br />

ergibt sich die Nettowachstumsrate der Arbeitsplätze als Differenz der Bruttowachstumsrate<br />

und der Bruttoabbaurate, wobei man die Bruttowachstumsrate aus den Zuwächsen an<br />

tätigen Personen bei den gewachsenen Betrieben und den Zugängen ermittelt, während<br />

sich die Bruttoabbaurate aus den Arbeitsplatzverlusten in geschrumpften Betrieben und in<br />

Abgängen ergibt. Angaben zu diesen beiden Bruttoraten, die sich nicht in den Publikationen<br />

der amtlichen Statistik finden, sind für die sieben untersuchten Zeiträume in Tabelle 2<br />

abgedruckt. Hier wird sehr deutlich, dass neue Arbeitsplätze keineswegs nur im Mittelstand<br />

entstehen und dass sich der Arbeitsplatzabbau keineswegs auf die Großbetriebe beschränkt.<br />

In allen Größenklassen und in jedem betrachteten Zwei-Jahres-Zeitraum finden<br />

sich gleichzeitig Betriebe, in denen Arbeitsplätze neu entstehen und Betriebe, in denen<br />

Arbeitsplätze abgebaut werden. 5<br />

Betrachtet man die Bruttowachstumsraten, dann zeigt sich ein negativer Zusammenhang<br />

mit der Betriebsgröße – kleinere Betriebe weisen höhere Bruttowachstumsraten auf als<br />

größere. Hierbei ist zu beachten, dass bei einer Zuordnung von Betrieben in Größenklassen<br />

nach der Personenzahl im Basisjahr alle in t 1 neu erfassten Betriebe („Zugänge“) definitionsgemäß<br />

zur GK1 gezählt werden, da sie in t 0 ja nicht im Datensatz enthalten sind<br />

und daher weniger als 20 tätige Personen aufweisen. Dies schlägt bei den sehr hohen Bruttowachstumsraten<br />

der Betriebe in der GK1 deutlich zu Buche – die Bruttowachstumsraten<br />

aufgrund von Zugängen betragen in den sieben hier betrachteten Zeiträumen in zeitlicher<br />

Reihenfolge 21,49%, 51,24%, 32,27%, 40,29%, 27,25%, 49,21% und 56,43%. Das ist<br />

5 Hierbei ist zu beachten, dass in dieser Studie die Anzahl der Arbeitsplätze in einem Betrieb in zwei Jahren<br />

verglichen wird. Wenn innerhalb dieser Zeit in dem Betrieb, z.B. in einer Abteilung, Arbeitsplätze entstehen und<br />

in einer anderen Abteilung Arbeitsplätze abgebaut werden, dann geht lediglich der Nettoeffekt auf<br />

Betriebsebene in die Berechnungen ein.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 81


Tabelle 2<br />

Joachim Wagner<br />

Nettowachstumsrate, Bruttowachstumsrate und Bruttoabbaurate der Arbeitsplätze (%) nach zwei Arten der Zuordnung zu Größenklassen in<br />

westdeutschen Industriebetrieben, 1995–2001<br />

82 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

1. Größenklassenzuordnung nach Anzahl Arbeitsplätze im Basisjahr<br />

Größenklasse GK1 GK2 GK3 GK4 GK5 GK6<br />

Zeitraum<br />

Anzahl Personen < 20 20-–9 50–90 100–249 250–499 > = 500<br />

1995/96 Nettowachstumsrate 12,38 –6,24 –4,59 –4,86 –4,28 –4,49<br />

Bruttowachstumsrate 29,18 3,47 3,12 2,56 2,16 1,19<br />

Bruttoabbaurate –16,80 –9,71 –7,71 –7,42 –6,44 –5,68<br />

1996/97 Nettowachstumsrate 43,55 –5,91 –4,58 –4,28 –4,03 –3,27<br />

Bruttowachstumsrate 59,53 3,68 3,27 2,97 2,31 1,86<br />

Bruttoabbaurate –15,98 –9,60 –7,85 –7,24 –6,33 –5,13<br />

1997/98 Nettowachstumsrate 26,91 –3,80 –2,29 –1,07 –0,95 –1,17<br />

Bruttowachstumsrate 41,68 5,02 4,39 4,11 3,63 3,27<br />

Bruttoabbaurate –14,77 –8,81 –6,68 –5,18 –4,57 –4,44<br />

1998/99 Nettowachstumsrate 29,06 –5,13 –2,61 –2,58 –2,27 –2,18<br />

Bruttowachstumsrate 47,33 4,39 4,10 3,63 2,89 2,13<br />

Bruttoabbaurate –18,28 –9,52 –6,70 –6,21 –5,16 –4,31<br />

1999/00 Nettowachstumsrate 20,71 –3,38 –1,80 –1,14 –0,98 –1,47<br />

Bruttowachstumsrate 35,65 5,04 4,64 4,20 3,60 2,59<br />

Bruttoabbaurate –14,93 –8,43 –6,44 –5,35 –4,59 –4,07<br />

2000/01 Nettowachstumsrate 40,40 –3,66 –2,23 –1,16 –1,11 –0,55<br />

Bruttowachstumsrate 56,74 4,67 4,30 4,07 3,64 2,99<br />

Bruttoabbaurate –16,34 –8,34 –6,52 –5,23 –4,76 –3,54<br />

2001/02 Nettowachstumsrate 43,17 –7,12 –5,29 –4,76 –3,88 –3,13<br />

Bruttowachstumsrate 63,15 3,57 3,15 2,58 2,41 1,63<br />

Bruttoabbaurate –19,98 –10,69 –8,44 –7,34 –6,29 –4,75


Jobmotor Mittelstand? Arbeitsplatzdynamik und Betriebsgröße in der westdeutschen Industrie<br />

Fortsetzung Tabelle 2<br />

2. Größenklassenzuordnung nach durchschnittlicher Anzahl Arbeitsplätze im Basisjahr und Endjahr<br />

Größenklasse GK1 GK2 GK3 GK4 GK5 GK6<br />

Zeitraum<br />

Anzahl Personen < 20 20-–9 50–90 100–249 250–499 > = 500<br />

1995/96 Nettowachstumsrate –8,68 –3,82 –4,00 –2,93 –3,57 –3,65<br />

Bruttowachstumsrate 12,96 6,01 4,45 3,66 2,73 1,58<br />

Bruttoabbaurate –21,63 –9,84 –8,44 –6,59 –6,30 –5,23<br />

1996/97 Nettowachstumsrate 4,78 1,44 –2,03 –2,23 –2,33 –2,25<br />

Bruttowachstumsrate 25,94 11,55 5,97 4,55 3,59 2,34<br />

Bruttoabbaurate –21,16 –10,11 –8,01 –6,78 –5,92 –4,59<br />

1997/98 Nettowachstumsrate –1,32 –0,81 0,37 0,55 –0,01 –0,18<br />

Bruttowachstumsrate 19,44 8,00 6,58 5,34 4,77 3,67<br />

Bruttoabbaurate –20,76 –8,81 –6,21 –4,79 –4,78 –3,84<br />

1998/99 Nettowachstumsrate –3,67 –0,16 –0,69 –0,17 –0,87 –1,37<br />

Bruttowachstumsrate 20,05 9,00 6,28 5,26 4,51 2,39<br />

Bruttoabbaurate –23,72 –9,16 –6,97 –5,43 –5,38 –3,77<br />

1999/00 Nettowachstumsrate –4,24 –1,48 0,31 0,58 –0,34 –0,47<br />

Bruttowachstumsrate 16,06 7,13 6,29 5,71 4,31 3,02<br />

Bruttoabbaurate –20,30 –8,61 –5,98 –5,13 –4,64 –3,49<br />

2000/01 Nettowachstumsrate 9,20 –0,07 –0,07 0,42 0,00 0,31<br />

Bruttowachstumsrate 30,87 8,32 6,37 5,39 4,97 3,39<br />

Bruttoabbaurate –21,66 –8,39 –6,43 –4,97 –4,39 –3,08<br />

2001/02 Nettowachstumsrate 0,29 0,00 –1,05 –2,35 –2,68 –2,03<br />

Bruttowachstumsrate 25,92 10,54 7,13 4,74 3,49 2,06<br />

Bruttoabbaurate –25,63 –10,55 –8,18 –7,09 –6,17 –4,09<br />

Quelle: Eigene Berechnungen.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 83


Joachim Wagner<br />

der Löwenanteil an den Bruttowachstumsraten, und es erklärt auch zu einem sehr großen<br />

Teil die hohen positiven Werte der Nettowachstumsrate der Betriebe aus der kleinsten<br />

Größenklasse.<br />

Bei der Bruttoabbaurate finden wir ein umgekehrtes Bild verglichen mit der Bruttowachstumsrate:<br />

Je größer der Betrieb, desto geringer ist die prozentuale Rate des Arbeitsplatzabbaus.<br />

Dies ist auch eine Folge davon, dass sich Abgänge (z.B. in Form von Betriebsschließungen)<br />

sehr viel häufiger in den kleineren Betriebsgrößenklassen finden.<br />

Ordnet man die Betriebe nicht nach der Anzahl der Beschäftigten im Basisjahr, sondern<br />

nach der Durchschnittszahl der Arbeitsplätze in Basis- und Endjahr den Betriebsgrößenklassen<br />

zu, dann zeigt sich in der zweiten Hälfte von Tabelle 2 ein in vieler Hinsicht anderes<br />

Bild. Zwar finden wir auch hier in jedem betrachten Zeitraum in jeder Größenklasse in<br />

erheblichen Umfang gleichzeitig Bruttowachstum und Bruttoabbau von Arbeitsplätzen,<br />

und die Bruttowachstums- sowie Bruttoabbaurate nehmen (absolut gesehen) mit steigender<br />

Betriebsgröße ab, der Zusammenhang zwischen Netto-Veränderungsraten der Beschäftigung<br />

und Betriebsgrößenklassen sieht aber grundlegend anders aus: Die Nettowachstumsrate<br />

ist jetzt keineswegs mehr in jedem Jahr in der Größenklasse 1 am höchsten<br />

– in vier von sieben betrachteten Perioden weisen die Betriebe aus dieser Größenklasse<br />

sogar die schlechteste Arbeitsplatzentwicklung auf! Ein systematischer Zusammenhang<br />

zwischen der Netto-Arbeitsplatzentwicklung und der Betriebsgrößenklasse ist nicht zu erkennen,<br />

es zeigen sich vielmehr Unterschiede zwischen den einzelnen Perioden. Ein Beleg<br />

für die „Jobmotor-Mittelstand“-These lässt sich aus diesen Befunden nicht herleiten.<br />

Wie groß war der Anteil der Betriebe in den einzelnen Betriebsgrößenklassen an den insgesamt<br />

in einer Periode geschaffenen Arbeitsplätzen bzw. an den im jeweils betrachteten<br />

Zeitraum abgebauten Arbeitsplätzen? Wie sehen diese Anteilswerte am Arbeitsplatzaufbau<br />

und Arbeitsplatzabbau verglichen mit den Anteilen an allen Beschäftigten aus? Eine<br />

Antwort auf diese Frage gibt die Tabelle 3.<br />

Zunächst einmal wird deutlich, dass neue Arbeitsplätze in Betrieben aus allen Größenklassen<br />

in jeweils erheblichem Umfang entstehen. Man erkennt ferner, dass die „kleinen<br />

Mittelständler“ aus den Größenklassen 1 und 2 verglichen mit ihrem Anteil an der Gesamtbeschäftigung<br />

in allen betrachteten Zwei-Jahres-Zeiträumen überproportional viele<br />

Arbeitsplätze geschaffen haben – gleichzeitig waren sie aber auch überproportional am<br />

Abbau von Arbeitsplätzen beteiligt. Bei den „großen Mittelständlern“ aus den Größenklassen<br />

3 und 4 entsprechen die Anteile am Arbeitsplatzaufbau und -abbau in etwa den<br />

Anteilen an der Gesamtbeschäftigung. Die Großbetriebe mit 250 und mehr Beschäftigten<br />

weisen sowohl bei der Arbeitsplatzschaffung als auch beim Arbeitsplatzabbau verglichen<br />

mit ihrem Anteil an allen Beschäftigten unterproportionale Werte auf. Zwischen rund einem<br />

Viertel und einem Drittel aller neuen Industriearbeitsplätze insgesamt entstanden<br />

hierbei in den Großbetrieben, die etwas mehr als die Hälfte aller Arbeitsplätze bereitstellten.<br />

Auch bei dieser Art der Betrachtung finden sich keine Indizien, die eine Sichtweise<br />

des Mittelstandes als alleinigen Jobmotor stützen.<br />

84 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Jobmotor Mittelstand? Arbeitsplatzdynamik und Betriebsgröße in der westdeutschen Industrie<br />

Tabelle 3<br />

Anteile am Arbeitsplatzaufbau, Arbeitsplatzabbau und an allen Arbeitsplätzen (%) von westdeutschen Industriebetrieben nach<br />

Betriebsgrößenklassen, 1995–2001<br />

Größenklasse GK1 GK2 GK3 GK4 GK5 GK6<br />

Zeitraum<br />

Anzahl Personen < 20 20-–9 50–90 100–249 250–499 > = 500<br />

1995/96 Arbeitsplatzaufbau 20,70 15,44 13,18 18,44 11,71 20,53<br />

Arbeitsplatzabbau 16,22 11,87 11,74 15,58 12,68 31,90<br />

Anteil an allen Arbeitsplätzen 5,42 8,73 10,06 17,11 14,56 44,12<br />

1996/97 Arbeitsplatzaufbau 26,09 19,05 11,32 14,77 9,80 18,97<br />

Arbeitsplatzabbau 16,56 12,97 11,82 17,13 12,57 28,96<br />

Anteil an allen Arbeitsplätzen 5,40 8,85 10,17 17,42 14,64 43,51<br />

1997/98 Arbeitsplatzaufbau 18,05 13,48 11,92 16,34 12,38 27,83<br />

Arbeitsplatzabbau 18,98 14,62 11,08 14,43 12,21 28,67<br />

Anteil an allen Arbeitsplätzen 5,26 9,54 10,26 17,32 14,69 42,93<br />

1998/99 Arbeitsplatzaufbau 20,73 16,29 12,55 17,71 12,90 19,81<br />

Arbeitsplatzabbau 20,45 13,82 11,62 15,24 12,83 26,05<br />

Anteil an allen Arbeitsplätzen 5,34 9,35 10,33 17,39 14,78 42,82<br />

1999/00 Arbeitsplatzaufbau 16,25 13,21 12,87 19,76 12,70 25,21<br />

Arbeitsplatzabbau 13,52 10,50 8,06 11,69 9,00 19,18<br />

Anteil an allen Arbeitsplätzen 5,14 9,42 10,40 17,60 14,98 42,45<br />

2000/01 Arbeitsplatzaufbau 25,29 12,60 10,85 15,50 12,33 23,43<br />

Arbeitsplatzabbau 14,02 10,04 8,66 11,30 8,60 16,82<br />

Anteil an allen Arbeitsplätzen 5,02 9,29 10,45 17,64 15,21 42,39<br />

2001/02 Arbeitsplatzaufbau 26,44 18,41 13,69 15,71 9,70 16,05<br />

Arbeitsplatzabbau 19,69 13,88 11,83 17,69 12,91 24,00<br />

Anteil an allen Arbeitsplätzen 5,49 9,41 10,34 17,84 14,97 41,96<br />

Quelle: Eigene Berechnungen.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 85


Joachim Wagner<br />

4 Folgerungen für die wissenschaftliche Politikberatung<br />

Die hier vorgelegten empirischen Befunde belegen einmal mehr, dass die These vom<br />

„Jobmotor Mittelstand“ viel zu undifferenziert ist. 6 In mittelständischen Betrieben entstehen<br />

viele Arbeitsplätze, aber es werden auch viele abgebaut, und dasselbe gilt für Großbetriebe.<br />

Diese Ergebnisse zeigen in dieselbe Richtung wie die, die wir aus Überprüfungen<br />

der Gültigkeit des Gibrat-Gesetzes – wonach Firmengröße und Firmenwachstum unabhängig<br />

voneinander sind – für Deutschland mit Daten aus Erhebungen der amtlichen Statistik<br />

erhalten haben (vgl. Wagner 1992, Schmidt 1995, Strotmann 2002). Ferner zeigen<br />

Komponentenzerlegungen der Arbeitsplatzdynamik, dass wachsende und schrumpfende,<br />

neu gegründete und geschlossene Betriebe in jeweils erheblichem Umfang in jedem Jahr<br />

in allen Größenklassen anzutreffen sind (vgl. z.B. für <strong>Berlin</strong> Fischer, Pohl und Semlinger<br />

2004, für Mecklenburg-Vorpommern Wagner 2002, für Niedersachsen Gerlach und Wagner<br />

1992).<br />

Wirtschaftspolitische Maßnahmen mit einer spezifischen Ausrichtung auf bestimmte Firmengrößenklassen<br />

lassen sich daher nicht mit einem besonders ausgeprägten Beitrag dieser<br />

Firmen zur Beschäftigungsdynamik rechtfertigen. Hier gilt die von Brown, Hamilton<br />

und Medoff (1990: 91) auf der Basis umfangreicher Studien mit US-amerikanischen Daten<br />

gezogene Schlußfolgerung:<br />

86 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

„Sentiments aside, the results of our research suggest a clear message for policies affecting<br />

large and small firms: do not judge employers by their size alone.“<br />

Die empirischen Befunde, die die hier vertretene skeptische Haltung gegenüber der These<br />

vom „Jobmotor Mittelstand“ stützen, beruhen auf empirischen Analysen mit Betriebspaneldaten.<br />

Solche Mikrodaten für Firmen haben sich in zahlreichen Untersuchungen zu<br />

weiteren Fragestellungen ebenfalls als wertvolle – wenn nicht unverzichtbare – Basis für<br />

wissenschaftliche Studien und für daraus abzuleitende politikrelevante Folgerungen erwiesen<br />

(vgl. Wagner 2006 für eine Übersicht hierzu). Immer wieder zeigt sich hier, dass<br />

sich wirtschaftspolitische Maßnahmen nicht an Kategorien wie Wirtschaftszweig oder Firmengröße<br />

orientieren sollten, denn diese Einteilungen sind nicht trennscharf im Hinblick<br />

auf Eigenschaften von Betrieben wie Wachstum, Exporterfolg oder Effizienz. James<br />

Heckman (2001: 673) hat dies in seiner Nobelpreisrede so auf den Punkt gebracht:<br />

„The most important discovery [from microeconometric investigations, J.W.] was the evidence<br />

on the pervasiveness of heterogeneity and diversity in economic life.“<br />

Anders formuliert: Firmen sind sehr heterogene Individuen, sie lassen sich nicht – zumindest<br />

nicht gut fundiert – einfach in Kästchen sortieren und so Zielgruppen wirtschaftspolitischer<br />

Eingriffe zuordnen. Deshalb sollte auf entsprechende Maßnahmen und Programme<br />

verzichtet werden.<br />

6 Dies gilt zumindest für den hier betrachteten Sektor Industrie. Da vergleichbare Betriebspaneldaten für die<br />

Dienstleistungssektoren aus Erhebungen der amtlichen Statistik nicht vorliegen, ist die Übertragbarkeit der<br />

Aussage auf diesen immer wichtigeren Teil der Wirtschaft eine offene Frage.


Jobmotor Mittelstand? Arbeitsplatzdynamik und Betriebsgröße in der westdeutschen Industrie<br />

Literaturverzeichnis<br />

Brown, C., J. Hamilton und J. Medoff (1990): Employers large and small. Cambridge und<br />

London.<br />

Davis, S.J., J. Haltiwanger und S. Schuh (1996): Small business and job creation: Dissecting<br />

the myth and reassessing the facts. Small Business Economics, 8 (4), 297–315.<br />

Fischer, J., R. Pohl und K. Semlinger (2004): <strong>Berlin</strong>s Industrie nach der Wiedervereinigung.<br />

Was bringt die neue Gründerzeit? <strong>Berlin</strong>.<br />

Gerlach, K. und J. Wagner (1992): Die Beschäftigungsdynamik im Bergbau und Verarbeitenden<br />

Gewerbe in Niedersachsen: Eine Komponentenanalyse für den Zeitraum 1978<br />

bis 1990. Statistische Monatshefte Niedersachsen, 46 (1), 5–10.<br />

Heckmann, J.J. (2001): Micro data, heterogeneity, and the evaluation of public policy:<br />

nobel lecture. Journal of Political Economy, 109, 673–748.<br />

Konold, M. (2007): New possibilities for economic research through integration of establishment-level<br />

panel data of German official statistics. Schmollers Jahrbuch, 127 (2),<br />

321–334.<br />

Malchin, A. und R. Pohl (2007): Firmendaten der amtlichen Statistik – Datenzugang und<br />

neue Entwicklungen im Forschungsdatenzentrum. In diesem Heft, S. 8–16.<br />

Schmidt, E.M. (1995): Betriebsgröße, Beschäftigtenentwicklung und Entlohnung. Eine<br />

ökonometrische Analyse für die Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt a.M., New<br />

York.<br />

Strotmann, H. (2002): Arbeitsplatzdynamik in der baden-württembergischen Industrie.<br />

Eine Analyse mit amtlichen Betriebsdaten. Frankfurt a.M. u.a.<br />

Wagner, J. (1992): Firm size, firm growth, and persistence of chance: testing Gibrat’s law<br />

with establishment data from Lower Saxony, 1978–1989. Small Business Economics, 4<br />

(2), 125–131.<br />

Wagner, J. (1995): Firm size and job creation in Germany. Small Business Economics, 7<br />

(4), 469–474.<br />

Wagner, J. (2002): Arbeitsplatzdynamik in den Industriebetrieben der Raumordnungsregionen<br />

Mecklenburg-Vorpommern (1995–1999). Statistische Monatshefte Mecklenburg-Vorpommern,<br />

12 (2), 38–55.<br />

Wagner, J. (2006): Politikrelevante Folgerungen aus Analysen mit Firmendaten der Amtlichen<br />

Statistik. Schmollers Jahrbuch, 126, 359–374.<br />

Wolter, H.-J. und H.-E. Hauser (2001): Die Bedeutung des Eigentümerunternehmens in<br />

Deutschland – Eine Auseinandersetzung mit der qualitativen und quantitativen Definition<br />

des Mittelstands. Jahrbuch zur Mittelstandsforschung 1/2001. Wiesbaden, Deutscher<br />

Universitätsverlag, 25–77.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 87


Beschäftigungsprognosen auf Basis<br />

amtlicher Firmendaten als Instrument<br />

einer handlungsorientierten Politikberatung<br />

am Beispiel Brandenburg<br />

Von Markus Höhne, Carsten Kampe*, Anna Lejpras und Andreas Stephan**<br />

88 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Vierteljahrshefte<br />

zur Wirtschaftsforschung<br />

76 (2007), 3, S. 88–112<br />

Zusammenfassung: Das in diesem Artikel beschriebene ökonometrische Prognosemodell stellt<br />

einen innovativen Ansatz der Nutzung von amtlichen Firmendaten (Mikrodaten) für die Vorhersage<br />

von sektoral bzw. regional differenzierten Fachkräftebedarfen dar. Ziel unseres dynamischen Modells<br />

ist eine kurzfristig orientierte Prognose des Beschäftigungsverlaufs – mit einem Horizont von 12 bis<br />

24 Monaten – unter Berücksichtigung der Umsatz-, Auftrags-, Lohn- sowie Exportentwicklung am<br />

Beispiel Brandenburger Metallwirtschaft zu ermitteln. Die Grundlage für das Prognosemodell bildet<br />

ein Betriebspanel aus dem „Monatsbericht für Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes sowie des<br />

Bergbaus und der Gewinnung von Steinen und Erden“. Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass<br />

das Modell als ein geeignetes Prognoseinstrument der kurzfristigen Beschäftigungsentwicklung für<br />

eine handlungsorientierte Politikberatung anzusehen ist.<br />

Summary: The econometric model described in this paper presents an innovative approach of the<br />

firm level data (micro data) usage, compiled from official statistics for the projection of the demand<br />

for labour differentiated at the sectoral and/or regional level. The aim of our dynamic model is to<br />

determine a short term oriented forecast of the employment process – with the horizon from 12 to 24<br />

months – taking into consideration the turnover, order situation, wage level and export rates developments<br />

for the metal sector in Brandenburg as an example. The forecast model is based on the firm<br />

data panel from “the Monthly Report for Companies from the Manufacturing Industry as well from<br />

Mining and Quarrying of Stones and Earths”. Basically our model seems to be an appropriate forecasting<br />

instrument of the employment development for the action-oriented policy advisory services.<br />

JEL Klassifikationsnummern: J23, R23<br />

Keywords: Labour demand, forecast model, metal sector, Brandenburg<br />

1 Einleitung<br />

Ökonometrische Prognosemodelle des regionalen Fachkräfte- und Qualifikationsbedarfs<br />

haben im Kontext der Politikberatung an Bedeutung gewonnen. Grund hierfür sind demografisch<br />

verursachte und wachstumsbedingte Fachkräfteengpässe, die mittelfristig vermutlich<br />

eine wesentliche Herausforderung regionaler Arbeitsmärkte darstellen werden.<br />

Prognosen des Fachkräfte- und Qualifikationsbedarfs sind notwendig, um zukunftsgerichtete<br />

arbeitsmarktpolitische Maßnahmen auf eine verlässliche Informationsbasis stellen zu<br />

können. Ohne Kenntnis der wesentlichen Dimensionen mittelfristiger Arbeitsmarktdynamiken<br />

ist eine zielgerichtete und gestaltende Arbeitsmarktpolitik nur begrenzt möglich.<br />

* Landesagentur für Struktur und Arbeit Brandenburg GmbH, E-Mail: Markus.Hoehne@lasa-brandenburg.de,<br />

Carsten.Kampe@lasa-brandenburg.de<br />

** Jömköping International Business School und <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>, E-Mail: andreas.stephan@ihh.hj.se


Beschäftigungsprognosen auf Basis amtlicher Firmendaten<br />

Bei solchen Prognosen kann zwischen Kurz- und Langfristprojektionen unterschieden<br />

werden. Erstere bilden konjunkturbedingte Umsatzentwicklungen und/oder Beschäftigtenzahlen<br />

für max. 36 Monate ab. Langfristige Prognosen – für Zeiträume von fünf bis<br />

zehn Jahren – sind strukturell angelegt. Hier spielen Faktoren wie der technologische<br />

Wandel, demographische Entwicklungen und auch mögliche Standortverlagerungen von<br />

Unternehmen eine wichtigere Rolle als die kurzfristigen konjunkturellen Einflüsse. Da die<br />

Prognoseunsicherheit infolge sich ändernder Rahmenbedingungen mit längeren Prognosezeiträumen<br />

deutlich zunimmt, zielen Langfristprognosen eher auf (strategische) Grundsatzfragen<br />

des wirtschaftlichen Strukturwandels (hierzu etwa Papies 2005b).<br />

Das in diesem Artikel beschriebene Prognosemodell auf Basis betrieblicher Mikrodaten<br />

ist als kurzfristig orientiertes Prognoseinstrument – mit einem Horizont von 12 bis 24 Monaten<br />

– für den Brandenburger Wirtschaftsraum angelegt und wurde im Auftrag des Brandenburger<br />

Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, und Familie entwickelt. Die finanzielle<br />

Förderung des Projektes erfolgte aus Mitteln des Landes Brandenburg und des<br />

Europäischen Sozialfonds. Ziel des Modells ist es, für ausgesuchte Wirtschaftszweige<br />

Brandenburgs den Zusammenhang zwischen Umsatz-, Auftrags-, Lohn- sowie Exportentwicklung<br />

auf der einen und der Beschäftigtenentwicklung auf der anderen Seite abzubilden.<br />

Die wesentliche Herausforderung solcher Prognosen ergibt sich aus der sachlichen<br />

und regionalen Differenzierungstiefe der Analysen: Je branchenspezifischer und kleinräumiger<br />

die Untersuchungen angelegt sind, desto stärker wirken sich Heterogenität wie auch<br />

unvorhersehbare Einflüsse auf die Prognosegüte aus – denn in der Aggregatbetrachtung<br />

nivellieren sich solche Einflüsse oftmals. Wir können zeigen, dass Branchenprognosen auf<br />

Bundeslandebene, welche die Beschäftigtennachfrage von Betrieben anhand von Mikrodaten<br />

analysieren, zu präziseren Schätzungen der unterstellten Zusammenhänge führen,<br />

als Modelle die auf aggregierten (regionalen) Zeitreihen (Indices) beruhen.<br />

Um den praktischen Nutzen mikrodatenbasierter Prognoseinstrumente zu verdeutlichen,<br />

erläutern wir zunächst, worin der steigende Bedarf an differenziertem Arbeitsmarkt-<br />

Know-how in Brandenburg begründet liegt (Abschnitt 2). Neben der zu erwartenden Dynamisierung<br />

des Brandenburger Arbeitsmarktes, kommt vor allem die Differenzierung der<br />

Brandenburger Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik zum Tragen. Ökonometrische Modelle<br />

können einen wesentlichen Beitrag zur Befriedigung entstehender Informationsbedarfe<br />

leisten. Wir sehen vor allem im Wechselspiel zwischen quantitativen und qualitativen<br />

Ansätzen umfangreiche Möglichkeiten, solides Branchen- und Arbeitsmarktwissen zu<br />

generieren (Abschnitt 3). Der Blick auf europäische Good-Practice (Abschnitt 4) soll zeigen<br />

wo die Möglichkeiten und Grenzen bereits erprobter Ansätze liegen und welche<br />

Gründe für ein Modell auf Basis von Mikrodaten sprechen. Aufbauend auf dieser Bestandsaufnahme<br />

beschreiben wir das von uns entwickelte Prognosemodell am Beispiel der<br />

Brandenburger Metallwirtschaft. 1 Hierbei wird im Einzelnen auf die Methodik (Abschnitt<br />

5) und die Daten des Modells (Abschnitt 6) eingegangen. Aufbauend auf den Resultaten<br />

der ökonometrischen Schätzung (Abschnitt 7) lässt sich durch In-sample-Prognosen<br />

die Prognosegüte des Modells prüfen. Im abschließenden Fazit (Abschnitt 8) werden<br />

Möglichkeiten der Modellerweiterung diskutiert.<br />

1 Hierbei wurden die Bereiche 27 (Metallerzeugung und -bearbeitung) und 28 (Herstellung von Metallerzeugnissen)<br />

der Klassifizierung der Wirtschaftszweige (WZ 03) in den Blick genommen.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 89


Markus Höhne, Carsten Kampe, Anna Lejpras und Andreas Stephan<br />

2 Steigender Bedarf an branchenspezifischem Arbeitsmarkt-<br />

Know-how infolge wirtschaftlicher Dynamik und einer differenzierten<br />

Arbeitsmarktpolitik<br />

In den nächsten fünf bis zehn Jahren wird sich die Situation auf dem Brandenburger Arbeitsmarkt<br />

aller Voraussicht nach nachhaltig verändern. Nach dem massiven Beschäftigungsabbau<br />

Anfang der 1990er und der geringen Arbeitsmarktdynamik der letzten zehn<br />

Jahre 2 wird es mittelfristig mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer stärkeren Belebung des<br />

Arbeitsmarktes kommen. Einer der wesentlichen Gründe hierfür liegt im demografischen<br />

Wandel. In den nächsten Jahren werden überdurchschnittlich viele Arbeitnehmer aufgrund<br />

von Verrentung aus dem Erwerbsleben ausscheiden. 3 Eine steigende Nachfrage nach<br />

Fachkräften ergibt sich außerdem aus dem zu erwartenden Erweiterungsbedarf einzelner<br />

Wachstumsbranchen. Hieraus auf einen baldigen Mangel an Arbeitskräften insgesamt zu<br />

schließen geht am eigentlichen Problem jedoch vorbei: Ein quantitativer Mangel an Arbeitskraft<br />

ist trotz alternder Gesellschaft in nächster Zeit nicht zu erwarten. 4 Engpässe<br />

zeichnen sich jedoch in einzelnen Berufsfeldern ab, weil in bestimmten Branchen Qualifikationsprofile<br />

abverlangt werden, die auf dem Arbeitsmarkt bereits heute nicht in ausreichendem<br />

Maße vorhanden sind. Die zu erwartende Belebung des Brandenburger Arbeitsmarktes<br />

wird dann zu einem entwicklungshemmenden Problem, wenn es nicht gelingt,<br />

durch gezielte Aus- und Weiterbildung einen Abgleich zwischen betrieblichen Fachkräftebedarfen<br />

und den Kompetenzen potenzieller Arbeitnehmer herzustellen. 5 Gestaltende Intervention<br />

im Sinne einer vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik bedarf solider Informationen<br />

über mittelfristige Entwicklungen der Brandenburger Wirtschaft. Die Erarbeitung<br />

zukunftstauglicher Arbeitsmarktprogramme und -maßnahmen ist – etwa der zielgenaue<br />

Einsatz von Fördermitteln zur Teilfinanzierung von Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen<br />

– ohne Kenntnis der aktuellen und zukünftigen Wirtschaftslage kaum möglich.<br />

6<br />

Differenziertes Arbeitsmarktwissen ist auch auf der betrieblichen Ebene von Interesse.<br />

Wenn bekannt ist, in welchen Branchen und Qualifikationsbereichen es voraussichtlich zu<br />

Personalengpässen kommen wird, können sich Unternehmen gezielt auf veränderte Arbeitsmarktbedingungen<br />

einstellen und notwendige Anpassungsstrategien auf den Weg<br />

bringen. Neben der Bereitstellung von Orientierungs- und Entscheidungsgrundlagen für<br />

die betriebliche Personalplanung, erfüllen derartige Informationen auch eine allgemein<br />

aufklärende Funktion, indem sie Unternehmen für die wachsende Bedeutung forcierter<br />

2 Behr et al. sprechen in diesem Zusammenhang von einer Stausituation auf dem ostdeutschen Arbeitsmarkt<br />

und meinen damit, dass der Anteil der auf den Arbeitsmarkt drängenden Jugendlichen wesentlich über der<br />

Zahl der Renteneintritte liegt: Zwischen 1995 und 2004 standen 200000 Arbeit suchenden jungen Menschen<br />

etwa 50000 Renteneintritte gegenüber (Behr et al. 2006: 3).<br />

3 Zwar kann nicht davon ausgegangen werden, dass jede durch Verrentung frei werdende Stelle auch wiederbesetzt<br />

wird, dennoch ist zu erwarten, dass die Zahl zu besetzender Stellen mittelfristig zunimmt (Behr 2005,<br />

Papies 2005a).<br />

4 Der Brandenburger Arbeitsmarkt wird aufgrund hoher Beschäftigungsreserven und eines alles in allem stagnierenden<br />

bis rückläufigen Arbeitsplatzangebotes (Bundesagentur für Arbeit 2005) wohl auch zukünftig<br />

durch Arbeitslosigkeit geprägt sein (Kistler und Huber 2002, Kistler 2004 und 2006, <strong>Berlin</strong>er Zeitung 2007).<br />

5 Da solche Abstimmung ohne Qualifizierung kaum zu haben sein dürfte, geht es nicht nur um das Zusammenbringen<br />

von Angebot und Nachfrage, sondern um die gezielte Entwicklung benötigter Kompetenzen.<br />

6 Papies (2005b) diagnostiziert gerade für den ostdeutschen Arbeitsmarkt einen hohen Informationsbedarf.<br />

Informationsdefizite liegen seiner Einschätzung nach in der Abschottung und dem Mangel an strategischer<br />

und personalpolitischer Kompetenz ostdeutscher Betriebe (in der Mehrzahl Klein- und Kleinstbetriebe) sowie<br />

einer nicht ausreichenden Systematisierung vorhandener Datenlagen begründet.<br />

90 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Beschäftigungsprognosen auf Basis amtlicher Firmendaten<br />

Aus- und Weiterbildungsaktivitäten sensibilisieren. Im schulischen Bereich kann das Wissen<br />

über die zukünftige wirtschaftliche Situation in Bandenburg resp. über zukunftssichere<br />

Tätigkeitsbereiche den Prozess der Berufsfindung unterstützen. Die Entscheidung für<br />

Ausbildungs- und Studiengänge sollte Unentschlossenen leichter fallen, wenn bekannt ist,<br />

welche Wirtschaftsbereiche sich in Brandenburg voraussichtlich als Zukunftsbranchen<br />

durchsetzen werden und wo Arbeitsmarktchancen entstehen. Die Abbildung zukünftiger<br />

Qualifizierungsbedarfe stellt außerdem eine notwendige Basis für ein eigenverantwortliches<br />

und berufsorientiertes Weiterbildungsmanagement von Arbeitnehmern und Arbeitssuchenden<br />

dar.<br />

3 Ökonometrische Modelle als Instrument regionaler Arbeitsmarktprognosen<br />

Den skizzierten Informationsbedarfen kann mit zwei zu unterscheidenden Methoden<br />

nachgekommen werden. Bei qualitativen Verfahren (1) nutzt man das Branchenwissen der<br />

Wirtschaftsakteure (Betriebs- und Personalleiter, Branchenkenner, Vertreter von Verbänden<br />

und Kammern etc.). Auf Basis verschiedener Verfahren der qualitativen Sozialforschung<br />

7 werden Entwicklungen von Branchen und Einzelbetrieben sowie erwartete Entwicklungsverläufe<br />

aus Sicht der Betriebe erhoben und mit Branchenexperten diskutiert.<br />

Durch Aggregation der Einzeldaten können Branchentrends herausgearbeitet werden. 8 Vor<br />

allem regional begrenzte bzw. branchenspezifische Studien greifen auf qualitative Verfahren<br />

zurück, da durch die direkte Ansprache der Akteure sehr spezifische Informationen<br />

generiert werden, wodurch das Problem geringer Fallzahlen kompensiert werden kann. Eine<br />

wesentliche Stärke derartiger Verfahren liegt in der hohen Informationsdichte der Befragungen.<br />

Erfasst werden nicht nur die Auswirkungen branchenspezifischer Entwicklungen<br />

sondern auch die wesentlichen Gründe, die zu den Veränderungen geführt haben.<br />

Spezifisches Merkmal qualitativer Erhebungen ist, dass die Befragungen immer auch die<br />

subjektive Problemperspektive und Realitätswahrnehmung der Befragten dokumentieren.<br />

Das führt zu einer gewissen Unschärfe bei der Erfassung bisheriger Entwicklungen und<br />

begrenzt den Aussagegehalt qualitativ fundierter Prognosen. Die Erfahrung zeigt, dass<br />

subjektive Entwicklungserwartungen aus einer spezifischen (Problem-)Perspektive heraus<br />

in Teilen stark von Branchentrends abweichen können.<br />

Quantitative Analysen (2) stützen sich demgegenüber auf die amtliche Statistik der Statistischen<br />

Ämter und der Bundesagentur für Arbeit sowie die halbamtlichen Statistiken der<br />

Kammern und Verbände. Indem wirtschaftliche Strukturdaten (Beschäftigten- und Arbeitslosenzahlen,<br />

Umsatz, Auftragseingänge, Exportrate etc.) für einen längeren Zeitraum<br />

ausgewiesen werden, lassen sich Wirtschaftstrends der letzten Jahre abbilden. Des Weiteren<br />

bieten derartige Zeitreihen die Möglichkeit, wesentliche Wechselwirkungen – etwa<br />

den Zusammenhang zwischen Umsatzentwicklung und Beschäftigung – innerhalb der<br />

Branchen auszuweisen. Die Kenntnis solcher Wechselbeziehungen ermöglicht es, Entwicklungsverläufe<br />

auf Basis erklärender Variablen zu prognostizieren bzw. mögliche<br />

7 Die gängigsten Instrumente sind: Standardisierte Fragebogenaktionen per Mail, Post, Telefon und persönlicher<br />

Befragung, halbstandardisierte und offene Interviews sowie strukturierte Expertenrunden (etwa Delphi-<br />

Methode). Bei qualitativen Studien liegt häufig eine Kombination aus standardisierten Befragungen und<br />

Expertenrunden vor.<br />

8 Exemplarisch hierfür steht etwa das IAB Betriebspanel, der ifo-Geschäftsklimaindex und vielzählige regionale<br />

Branchen- und Arbeitsmarktstudien.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 91


Markus Höhne, Carsten Kampe, Anna Lejpras und Andreas Stephan<br />

Entwicklungen in Form von Szenarien zu modellieren (Erstellung von ökonometrischen<br />

Modellen): Wenn beispielsweise bekannt ist, welchen Beschäftigungseffekt branchenspezifische<br />

Umsatzsteigerungen mit sich bringen, lässt sich für verschiedene angenommene<br />

Umsatzentwicklungen hochrechnen, welche Beschäftigungseffekte voraussichtlich eintreten<br />

werden. 9<br />

Sobald branchenspezifische Bestandsanalysen und Prognosen über reine Deskription hinausgehen,<br />

Entwicklungen also nicht nur beschrieben sondern auch ursächlich begründet<br />

werden sollen, sollten quantitative Datenauswertungen um qualitative Untersuchungen ergänzt<br />

werden. Plausible Gründe dafür, warum bestimmte Szenarien wie wahrscheinlich<br />

sind, lassen sich zwar aus vergangenen Entwicklungen ableiten, fundierte Prognosen, die<br />

über eine Weiterschreibung vergangener Trends hinausgehen, sind ohne das Know how<br />

von Branchenkennern aber nur begrenzt möglich. Die Diskussion unterschiedlicher Entwicklungsszenarien<br />

und diagnostizierter Wechselbeziehungen zwischen branchenspezifischen<br />

Strukturmerkmalen ermöglicht es umgekehrt, den Gehalt qualitativ fundierter Prognosen<br />

zu bewerten und die Gründe – etwa zukünftige Umsatzsteigerungen – erwarteter<br />

Entwicklungen herauszuarbeiten.<br />

Indem wir nachstehend die wesentlichen Dimensionen des niederländischen Prognosemodells<br />

skizzieren, zeigen wir in Anlehnung an europäische Good-Practice, inwieweit erprobte<br />

ökonometrische Verfahren dazu in der Lage sind, den skizzierten Informationsbedarfen<br />

nachzukommen beziehungsweise an welche Grenzen derartige Instrumentarien<br />

stoßen. Deutlich wird, dass Prognosen auf Basis aggregierter Makrodaten dem notwendigen<br />

Differenzierungsgrad der Analysen nur bedingt gerecht werden. Die Komplexität solcher<br />

Prognoseverfahren begrenzt darüber hinaus den Informationsgehalt der Berechnungen,<br />

da kaum nachvollzogen werden kann, welche Wechselbeziehungen innerhalb des<br />

Modells in welcher Art zum Tragen kommen. Eine modellbasierte Begründung der Prognoseergebnisse<br />

ist nur eingeschränkt möglich.<br />

4 Europäische Good-Practice im Bereich Beschäftigtenprognose<br />

am Beispiel der Niederlande<br />

Bei den vom Forschungsinstitut für Ausbildung und Arbeitsmarkt (ROA) mit Sitz in<br />

Maastricht durchgeführten Fünfjahresprognosen für den niederländischen Arbeitsmarkt<br />

handelt es sich um einen sogenannten Top-down-Ansatz. Bei Top-down-Verfahren wird<br />

zunächst die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ganzer Volkswirtschaften prognostiziert<br />

(etwa zu erwartende Erwerbstätigenzahlen). 10 Aufbauend auf einer solchen Gesamtschätzung<br />

besteht die Möglichkeit, die Prognoseergebnisse unter Nutzung von Wirtschafts- und<br />

Arbeitsmarktstrukturdaten auf einzelne Berufsgruppen und Ausbildungsberufe umzurechnen:<br />

Wenn bekannt ist, wie hoch der Anteil einer bestimmten Berufsgruppe an der Ge-<br />

9 Derartige Prognosen sind selten als bivariate Analyse angelegt (Zusammenhang zwischen zwei Variablen),<br />

sondern stützen sich auf oftmals hoch komplexe multivariate Modelle (Wechselabhängigkeiten vielzähliger<br />

sozioökonomischer Einflussfaktoren).<br />

10 Neben der Niederlande greift bspw. auch Irland bei seinen Arbeitsmarktprognosen auf einen markrodatenbasierten<br />

Top-down-Ansatz zurück (Doyle, Lunn und Sexton 2006). In Großbritannien hingegen basieren die<br />

Arbeitsmarktprognosen auf sog. Bottom-up Modelle, welche aus mehreren regionalen Multisektormodellen<br />

bestehen (Wilson, Homenidou und Dickerson 2006, Wilson 2005). Gemeinsam ist allen drei Prognosemodellen,<br />

dass sie bei ihrer Modellierung auf Makrodaten zurückgreifen.<br />

92 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Beschäftigungsprognosen auf Basis amtlicher Firmendaten<br />

samtbeschäftigung ist bzw. sich in den letzten Jahren entwickelt hat, können auf Basis der<br />

Erwerbstätigenschätzung zukünftige Beschäftigungszahlen der Berufsgruppe prognostiziert<br />

werden. Neben der berufstypischen Differenzierung können darüber hinaus Regionalprognosen<br />

erstellt werden, die wiederum auf einer regionalspezifischen Gewichtung<br />

der nationalen Projektionen aufbauen.<br />

Basis des niederländischen Modells ist eine sektorspezifische Prognose der zu erwartenden<br />

Erweitungsnachfrage 11 für jeweils fünf Jahre. Die Prognose der Erweitungsnachfrage<br />

wird vom niederländischen Amt für Wirtschaftspolitikanalyse (CPB) unter Anwendung<br />

des sog. Athena-Modells 12 durchgeführt. Da die verschiedenen Berufsgruppen und Ausbildungsgänge<br />

unterschiedlich vom Wachstum einzelner Sektoren profitieren (Cörvers<br />

2003), berechnen die Mitarbeiter des ROA Instituts in einem zweiten Arbeitsschritt die<br />

berufsspezifische Bedeutung der vom CPB erstellten Prognosen. Hierbei werden 128 Berufe<br />

aus 44 Berufsklassen und 114 Ausbildungsgängen (sowohl berufliche als auch akademische<br />

Ausbildungen) in den Blick genommen, wobei in der Ausbildungsprognose nochmals<br />

zwischen sechs Bildungsniveaus unterschieden wird (Cörvers und Heijke 2004).<br />

Zusätzlich zur Ausweitungsnachfrage wird die Ersatznachfrage 13 für die verschiedenen<br />

Berufe und Ausbildungen ermittelt. Hierbei werden vor allem Daten der „Enquete<br />

Beroepsbevolking (EBB)“ 14 genutzt, die sowohl Schlussfolgerungen auf berufsspezifische<br />

Rentenabgänge als auch auf die Anzahl von Berufswechslern zulassen. Die Ausweitungsund<br />

die Ersatznachfrage bilden zusammen die Gesamtnachfrage.<br />

Neben der Arbeitskräftenachfrage wird das Arbeitskräfteangebot für die nächsten fünf<br />

Jahre prognostiziert. Dabei wird – differenziert nach Ausbildungskategorie – die Zahl derer<br />

ermittelt, die nicht länger als ein Jahr auf Arbeitssuche sind (Kriechel, Cövers und<br />

Heijke 2005). Diesem Vorgehen liegt die Annahme zugrunde, dass diejenigen, die länger<br />

als ein Jahr arbeitslos sind, dem niederländischen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen<br />

(Cövers 2003). Weiterhin wird auf Basis bisheriger Ausbildungszahlen und abgeschlossener<br />

Ausbildungsverträge bzw. Studierendenzahlen sowie der jeweiligen Absolventenquoten<br />

die Zahl der Hochschulabsolventen und der Absolventen einer<br />

Berufsausbildung für die nächsten fünf Jahre prognostiziert. Die Summe aus Berufs- und<br />

Hochschulabsolventen sowie Arbeitslosen bildet das Gesamtangebot an Arbeitskräften.<br />

Im Anschluss werden die Vorausberechnungen der Arbeitskräftenachfrage und des Arbeitskräfteangebotes<br />

für die einzelnen Berufe und Ausbildungen zusammengeführt, um<br />

die Entwicklung auf berufsspezifischen Teilarbeitsmärkten vorhersagen zu können. Insbesondere<br />

den Substitutionsprozessen zwischen einzelnen Berufen und Ausbildungen wird<br />

hierbei Rechnung getragen. Indem das niederländische Prognosemodell den Bedarf respektive<br />

die Berufseinstiegschancen für einzelne Berufsgruppen ausweist, fungiert es sowohl<br />

als branchenspezifisches „Frühwarnsystem“ – zumindest dann, wenn wie in den<br />

11 Die Erweiterungsnachfrage beschreibt wachstumsbedingten Beschäftigungsaufbau und -abbau.<br />

12 Beim Athena-Modell handelt es sich um ein Multi-Sektoren-Modell, welches Prognosen für einzelne Sektoren<br />

über kurze Zeiträume sowie Szenarioanalysen über mittlere und längere Zeiträume zulässt. In dem Modell<br />

werden über 3000 exogene Variablen auf Basis von ca. 7500 Gleichungen berücksichtigt (Vromans 1998).<br />

13 Ersatznachfrage entsteht, wenn Arbeitskräfte aus verschiedenen Gründen den Teilarbeitsmarkt verlassen<br />

(z.B. Berufswechsel, Verrentung) und deren Arbeitsplatz dann für den Arbeitsmarkt verfügbar ist (Cörvers<br />

2003).<br />

14 Die EBB ist eine 1%-Stichprobe der Berufsbevölkerung und damit mit dem deutschen Mikrozensus vergleichbar.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 93


Markus Höhne, Carsten Kampe, Anna Lejpras und Andreas Stephan<br />

Niederlanden bekannt ist, wie sich die Berufsstruktur einzelner Branchen darstellt –, als<br />

auch als Orientierungsrahmen für Arbeitsuchende und Berufseinsteiger. 15<br />

Die Prognose zukünftiger Arbeitskraftbedarfe nach Berufs- und Ausbildungstypen bzw.<br />

den Arbeitsmarktchancen dieser Berufsgruppen, stellt Informationen bereit, die im Bereich<br />

regionaler Politikberatung äußerst Nutzen stiftend sein könnten. Die Möglichkeit,<br />

die geschätzte Gesamtbeschäftigung in den einzelnen Sektoren nach Ausweitungs- und eine<br />

Ersatznachfrage (Verrentung und Substitution) zu unterteilen, erweitert den Handlungsrahmen<br />

einer ziel- und gestaltungsorientierten Arbeitsmarktpolitik. Die Übertragung des<br />

niederländischen Modells auf den Brandenburger Arbeitsmarkt ist dennoch wenig sinnvoll.<br />

Vor allem die Komplexität bzw. die Kosten-Nutzen-Relation des Ansatzes hat zur<br />

Folge, dass dieser für Brandenburg nicht praktikabel ist.<br />

Gegen die Nutzung umfangreicher Top-down-Ansätze spricht außerdem die geringe<br />

Transparenz derartiger Modelle. Aus den Prognoseergebnissen kann nur bedingt geschlussfolgert<br />

werden, welcher Faktor bei den Berechnungen in welcher Art zum Tragen<br />

kommt. Die inhaltliche Interpretation der modellbasierten Projektionen ist nur begrenzt<br />

möglich, da offen bleibt, welche Prozesse in der „Black-Box Prognosemodell“ ablaufen.<br />

Damit die Arbeitsmarktprognosen als Instrument der Politikberatung in Anschlag gebracht<br />

werden können, müssen die Analyseergebnisse auf kommunaler Ebene kommunizierbar<br />

sein. Die Bedeutung und der Wert hoch komplexer Vorausberechnungen sind<br />

außerhalb von Expertenkreisen nur schwer vermittelbar. Insgesamt würde ein Prognosemodell,<br />

wie es in den Niederlanden zur Anwendung kommt, für Brandenburg ein inakzeptables<br />

Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen.<br />

Indem wir bei dem von uns erarbeiteten Modell auf amtliche Firmendaten (Mikrodaten)<br />

des Forschungsdatenzentrums der Statistischen Landesämter zurückgreifen, werden die<br />

oben skizzierten Probleme weitgehend umgangen. Der wesentliche Vorteil des mikrodatenbasierten<br />

Ansatzes besteht in der regionalen Fokussierung der Analysen. Dadurch, dass<br />

die Prognosen ausschließlich auf regionalspezifische Daten zurückgreifen, lassen sich die<br />

Berechnungen auf Basis weniger, zentraler Indikatoren durchführen. Die den Vorausberechnungen<br />

zugrunde liegenden Basisannahmen und -zusammenhänge sind leichter zu<br />

kommunizieren; die Ergebnisse der Prognosen damit im Bereich der regionalen Politikberatung<br />

weniger schwierig einzusetzen.<br />

5 Methodik<br />

Im Vergleich zu Makromodellen entwickeln wir ein relativ einfaches dynamisches Modell,<br />

welches der Beschreibung der Beschäftigungsentwicklung auf der Mikroebene dient.<br />

Wir gehen davon aus, dass die Beschäftigungsnachfrage eines Betriebes von bestimmten<br />

Faktoren abhängt: In unserem Fall sind dies vor allem die zu erzielende Produktion (Umsatz),<br />

die zu leistenden Stunden sowie die Lohnhöhe. Umsatz und Stundenzahl sind jedoch<br />

in unserem Modell ebenfalls abhängige Variablen, die von weiteren Variablen beeinflusst<br />

15 Wobei die Mitarbeiter des ROA-Instituts hervorheben, dass die Prognosen ausschließlich Orientierungshilfe<br />

für Unentschlossene geben sollen; die eigenen Interessen sollten für die Berufswahl wesentlicher sein, als<br />

ökonometrische Arbeitsmarktprognosen.<br />

94 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Beschäftigungsprognosen auf Basis amtlicher Firmendaten<br />

werden. Die drei endogenen Variablen Umsatz, Stunden und Beschäftigte können durch<br />

ein simultanes Gleichungssystem 16 beschrieben werden:<br />

Umsatz f (, t Auftragslage, Export),<br />

=<br />

1<br />

Stunden f (, t Umsatz, Lohnhöhe, Beschäftigung),<br />

=<br />

2<br />

Beschäftigung f (, t Umsatz, Lohnhöhe, Stunden),<br />

=<br />

3<br />

wobei t ein Zeittrend ist. Der Personalbestand bedingt demzufolge die Kapazität der möglichen<br />

Stunden, andererseits wird angenommen, dass der Stundenumfang auch Auswirkungen<br />

auf die Beschäftigtennachfrage des Betriebs hat.<br />

Für die weitere Modellerstellung wird nun angenommen, dass sich Änderungen in der<br />

Produktion bzw. Lohnhöhe nicht unmittelbar auf die Beschäftigungsnachfrage auswirken,<br />

sondern dass es einen Anpassungsprozeß gibt, bis ein optimaler Beschäftigungsstand B*<br />

erreicht wird, der durch die aktuelle Produktion bzw. aktuelle Lohnhöhe bedingt wird. Die<br />

Veränderung der Beschäftigung B t –B t-1 in Periode t soll dabei proportional zur Differenz<br />

zwischen dem optimalen Beschäftigungstand B* und dem tatsächlichen Beschäftigungsstand<br />

in Periode t–1 sein. Der Anpassungsprozess lässt sich daher als partielles Anpassungsmodell<br />

beschreiben durch:<br />

B − B = λ(<br />

B −B<br />

).<br />

t t−1 *<br />

t t−1<br />

Der Parameter λ ist der Anpassungsparameter, welcher beschreibt, wie stark sich die Differenz<br />

zwischen dem optimalen Beschäftigungsstand und dem tatsächlichen Beschäftigungsstand<br />

der Vorperiode auf die Veränderung der Beschäftigung, B t–B t-1, auswirkt. Je<br />

höher λ ist, desto stärker wirkt sich die Differenz zwischen optimalem und tatsächlichem<br />

Stand auf die Veränderung der Beschäftigung aus und desto schneller wird der optimale<br />

Beschäftigungsstand erreicht.<br />

In der Regel wird eine lineare Funktionsform für Gleichung (3) angenommen, d.h. der optimale<br />

Beschäftigungsstand lässt sich beispielsweise wie folgt ausdrücken:<br />

B = b + b t + b Umsatz + b Lohnhöhe + b Stunden<br />

*<br />

t<br />

0 1 2 3 4 .<br />

Setzt man (5) in (4) ein, so erhält man weiter:<br />

B = λb + λbt+ λbUmsatz + λbLohnhöhe + λbStunden + (1 − λ) B +<br />

ε ,<br />

t 0 1 2 t 3 t 4 t t−1 t<br />

wobei ε t einen unsystematischen Zufallseinfluss auf die Beschäftigungsnachfrage darstellt.<br />

Diese Gleichung bildet die Basisspezifikation des Prognosemodells. Eine wichtige<br />

16 Das Gleichungssystem ist simultan, weil als erklärende Variablen auch endogene Variablen vorkommen.<br />

(1)<br />

(2)<br />

(3)<br />

(4)<br />

(5)<br />

(6)<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 95


Markus Höhne, Carsten Kampe, Anna Lejpras und Andreas Stephan<br />

Eigenschaft des Modells ist, dass alle Parameter im Rahmen einer linearen Schätzung ermittelt<br />

werden können. Die Schätzgleichung lautet daher<br />

B δ δ t δ Umsatz δ Lohnhöhe δ Stunden δ B ε<br />

wobei aus der Beziehung δ 5 = (1–λ)der Wert des Anpassungsparameters λ ermittelt wird.<br />

Liegen wie in unserem Fall Paneldaten vor, lässt sich die Gleichung (7) um panel-spezifische<br />

Effekte erweitern und man erhält demzufolge<br />

wobei δ i betriebsspezifische Effekte darstellen.<br />

Entsprechend den Ausführungen für die zu schätzende Beschäftigungsgleichung (Gleichungen<br />

(4)–(8)) werden auch die Gleichungen für Umsatz (1) und Stunden (2) als Anpassungsprozesse<br />

spezifiziert. Die endogenen Variablen Umsatz, Beschäftigte und Stunden<br />

werden logarithmiert. Für jede Variable wird weiterhin die Within-Transformation durchgeführt,<br />

d.h. der betriebsspezifische Mittelwert der Variablen wird jeweils abgezogen.<br />

Da die endogenen Variablen jeweils auch als verzögerte Variablen auf der rechten Seite<br />

der Gleichungen stehen, wurde ein dynamisches Paneldatenmodell formuliert. Da die Dimension<br />

von t bei den von uns analysierten Betriebsdaten relativ groß ist (zwischen 36<br />

und 60 für die meisten Betriebe, im Maximum 108) verzichten wir auf eine Instrumentenvariablenschätzung<br />

zur Verringerung des Downward Bias, wie sie von Arellano und Bond<br />

(1991) vorgeschlagen wurde. Stattdessen wird eine Kleinst-Quadrate-Schätzung (OLS),<br />

eine zweistufige (2SLS 17 ) sowie eine dreistufige Kleinst-Quadrate-Schätzung (3SLS 18 )<br />

durchgeführt. Die zweite und dritte Schätzmethode berücksichtigen die Endogenität von<br />

Variablen im simultanen Gleichungssystem. Die dritte Schätzmethode berücksichtigt darüber<br />

hinaus Korrelationen der Residuen zwischen den Gleichungen.<br />

6 Daten<br />

Die Grundlage des Prognosemodells bildet ein Betriebspanel aus dem „Monatsbericht für<br />

Betriebe des Verarbeitenden Gewerbes sowie des Bergbaus und der Gewinnung von Steinen<br />

und Erden“. Einbezogen werden in der Regel Betriebe, die einem Unternehmen des<br />

Wirtschaftszweiges des „Produzierenden Gewerbes“ angehören, das mehr als 20 Beschäftigte<br />

aufweist. Liegt der Schwerpunkt des Unternehmens selbst außerhalb des „Produzierenden<br />

Gewerbes“, werden die Betriebe des Unternehmens, die im Bereich „Verarbeitendes<br />

Gewerbe“ tätig sind, dann einbezogen, wenn sie mindestens 20 Personen<br />

beschäftigen. Für die Betriebe besteht Auskunftspflicht (Forschungsdatenzentrum der Statistischen<br />

Landesämter 2006: 27).<br />

Erfragt werden die wirtschaftlichen Basisdaten der Betriebe, z.B. die Zahl der Beschäftigten,<br />

Inlandsumsatz, Auslandsumsatz, Löhne, Gehälter und die Arbeitsstunden. Bis ein-<br />

17 2SLS = Two Stage Least Squares.<br />

18 3SLS = Three Stage Least Squares.<br />

96 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

t = 0 + 1 + 2 t + 3 t + 4 t + 5 t−1 + t,<br />

B t Umsatz Lohnhöhe Stunden B<br />

it = δ 0 + δi+ δ1 + δ2 it + δ3 it + δ4 it + δ5 i, t −1<br />

+<br />

εit<br />

,<br />

(7)<br />

(8)


Beschäftigungsprognosen auf Basis amtlicher Firmendaten<br />

schließlich 2002 war auch der Energieverbrauch Bestandteil der Erhebung. Ergebnisse<br />

dieser Statistik erlauben die Darstellung der Entwicklung nach Wirtschaftsbereichen oder<br />

regionalisiert für Deutschland, nach Bundesländern bis hinab zur Kreisebene. Da in der<br />

Regel bei jeder Erhebung dieselben Betriebe befragt werden, eignet sich diese Statistik<br />

auch sehr gut für Zeitreihenanalysen. Der Monatsbericht zählt zu den kurzfristigen Wirtschaftsstatistiken<br />

im Produzierenden Gewerbe zum Zweck der Beobachtung der konjunkturellen<br />

Lage. Ergebnisse der Statistik finden Eingang in weitere Berechnungen, wie z.B.<br />

die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, und sind Quelle für Sekundärstatistiken.<br />

In den Abbildungen 1 bis 4 sind die Umsatz- sowie Beschäftigungsindices (Basisjahr =<br />

2000) in WZ 27 Metallerzeugung und -bearbeitung und WZ 28 Herstellung von Metallerzeugnissen<br />

für Brandenburg und Deutschland dargestellt. Die Indices für Brandenburg<br />

werden anhand der Betriebsdaten des Forschungsdatenzentrums berechnet und für<br />

Deutschland der amtlichen Statistik (Reihe Monatsbericht) entnommen. Es zeigt sich, dass<br />

insbesondere die Umsatzindices beider Branchen für Deutschland und Brandenburg stark<br />

korreliert sind und dabei einen deutlich positiven Trend aufweisen. Das bedeutet, dass die<br />

Entwicklung dieser beiden Branchen in Brandenburg mit der deutschlandweiten Entwicklung<br />

im Einklang steht. Hingegen zeigt die Beschäftigungsentwicklung beider Branchen<br />

eine fallende Tendenz, wobei die Beschäftigung in der Branche 28 Herstellung von Metallerzeugnissen<br />

in Brandenburg stärker als die Gesamtbeschäftigung dieser Branche<br />

deutschlandweit zurückgegangen ist. Abbildung 5 zeigt zudem, dass beide Branchen insgesamt<br />

nur sehr kleine Anteile an der Gesamtbeschäftigung in Deutschland haben, welche<br />

zwischen 1,5 und 2,5% liegen.<br />

Generell weist die Branche 27 Metallerzeugung und -bearbeitung nur wenig Betriebe auf,<br />

im Schnitt etwa 18. Dagegen ist der Wirtschaftsbereich 28 Herstellung von Metallerzeugnissen<br />

durch etwa 170 Betriebe repräsentiert, wobei die Zahl der Betriebe seit 1998 von<br />

etwa 180 auf nur noch 135 im Jahr 2006 gesunken ist. In Branche 28 beträgt die Betriebsgröße<br />

im Schnitt nur 50 Beschäftigte und ist im Zeitverlauf relativ stabil. In WZ 27 macht<br />

die durchschnittliche Betriebsgröße 315 Beschäftigte aus, wobei die Zahl 1998 nur bei etwa<br />

275 lag und bis 2006 auf 330 Beschäftigte angestiegen ist. Die Umsatzproduktivität<br />

(Umsatz pro Beschäftigten) ist in WZ 27 deutlich höher als in WZ 28: Sie stieg von 17000<br />

Euro im Jahr 1998 auf 21500 Euro im Jahr 2006, während die Umsatzproduktivität in WZ<br />

28 im Jahr 1998 nur etwa 7500 Euro betrug und bis 2006 auf etwas über 9000 Euro angestiegen<br />

ist.<br />

7 Resultate der ökonometrischen Schätzungen des Brandenburger<br />

Prognosemodells<br />

In Tabelle 1 werden die ökonometrischen Schätzresultate des Drei-Gleichungssystems<br />

dargestellt. Dabei werden die Ergebnisse der OLS-, 2SLS- und 3SLS-Kleinst-Quadrate-<br />

Schätzung für WZ 27 Metallerzeugung und -bearbeitung und WZ 28 Herstellung von Metallerzeugnissen<br />

im Einzelnen aufgeführt 19 . In allen Gleichungen wurde eine Dummy-Variable<br />

für die Erfassung des Einflusses des Januareffekts 20 auf die endogenen Variablen zu-<br />

19 Die festen Effekte der einzelnen Betriebe werden aus Platzgründen nicht ausgewiesen.<br />

20 Beispielsweise ist im Januar der Umsatz immer deutlich geringer als im Dezember.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 97


Markus Höhne, Carsten Kampe, Anna Lejpras und Andreas Stephan<br />

sätzlich aufgenommen. 21 Es wird eine gewichtete Schätzung durchgeführt, wobei jede<br />

Beobachtung (also die Betriebe) mit dem Anteilswert an der Gesamtbeschäftigung in der<br />

Branche gewichtet wird. Dies soll dazu führen, dass die ökonometrischen Schätzungen die<br />

Entwicklungen in den aggregierten Reihen möglichst gut repräsentieren.<br />

Die Anpassungsparameter der einzelnen abhängigen Variablen weisen hohe Werte zwischen<br />

0,85 und 0,95 auf, besonders in den Gleichungen für WZ 27. Inhaltlich bedeutet<br />

dies, dass die Anpassung des Umsatzes, der Stunden- und Beschäftigtenzahl an den optimalen<br />

Stand im Hinblick auf Veränderungen der exogenen Variablen rasch erfolgt. Der<br />

Einfluss von der Umsatz- auf die Beschäftigungsentwicklung (aber auch die Stundenentwicklung)<br />

ist bei den OLS Schätzungen nur sehr gering. Erst bei der Instrumentenvariablenschätzung<br />

ergeben sich plausible Größenordnungen der Umsatzelastizität der Beschäftigung<br />

zwischen 0,1 und 0,3% bei einer einprozentigen Erhöhung des Umsatzes.<br />

Die Bestimmtheitsmaßen bei den Beschäftigtengleichungen für WZ 28 sind hoch, für WZ<br />

27 hingegen deutlicher niedriger. 22 Im 3SLS-Modell zeigt sich sogar ein negativer R 2 -Wert<br />

beim WZ 27. Daher vermuten wir, dass die Anwendung von 3SLS problematisch ist und<br />

interpretieren im Weiteren die Ergebnisse der 2SLS Schätzungen. 23<br />

Es zeigt sich, dass für die Beschäftigungsnachfrage die Residuen der aggregierten Monatswerte<br />

im Vergleich zu Umsatz- und Stundenzahlresiduen noch geringer sind (Abbildungen<br />

6 bis 8), die Abweichungen der vorhergesagten und der tatsächlichen Beschäftigtenzahlen<br />

betragen meistens nur wenige Prozent. Somit kann das Modell die<br />

Beschäftigtenentwicklung generell gut beschrieben, allerdings für den WZ 28 deutlich<br />

besser als für WZ 27.<br />

In den Umsatz- und Stundenzahlmodellen ist der geschätzte Zeittrend signifikant positiv.<br />

Dagegen ist der Zeittrend für die Beschäftigtennachfrage in meisten Fällen signifikant negativ<br />

(außer in den 2SLS- und 3SLS-Modelle für WZ 27). Dies reflektiert die Tatsache,<br />

dass trotz steigendem Umsatz und Stundenvolumen die Beschäftigung kontinuierlich gesunken<br />

ist. Der Anstieg des Umsatzes war in der Vergangenheit noch nicht hoch genug,<br />

um zu einer positiven Erweiterungsnachfrage der Beschäftigung zu führen. Gründe hierfür<br />

sind möglicherweise der arbeitssparende technische Fortschritt sowie Auslagerungen von<br />

arbeitsintensiven Prozessen durch die Betriebe.<br />

Erhöht sich der Lohnsatz, so hat dies wie zu erwarten war einen negativen Effekt auf die<br />

Beschäftigtennachfrage wie auch auf die geleistete Stundenzahl in beiden Branchen. Dabei<br />

weisen die Koeffizienten der Lohnsätze in den Beschäftigungsmodellen äußerst geringe<br />

Werte auf und sind teilweise nicht signifikant.<br />

21 Weiterhin definieren wir für die Stundengleichung noch eine Dummy-Variable für den Januar 2003, welche<br />

den Effekt einer Definitionsänderung der erfassten Stunden (vor 2003: Arbeiterstunden, ab 2003: Arbeiterund<br />

Angestelltenstunden) erfassen soll.<br />

22 So beträgt bei der 2SLS-Schätzung das Bestimmtheitsmaß nur noch 0,07, d.h. nur 7% der Varianz der<br />

Beschäftigtenentwicklung wird durch das 2SLS Modell erklärt. Das höhere Bestimmtheitsmaß für den WZ 28<br />

kann an der größeren Zahl der Betriebe im Vergleich zu WZ 27 liegen. Bei einer kleineren Anzahl von Betrieben<br />

ist eventuell das Ausmaß der Heterogenität der Beschäftigtenentwicklung zwischen den Betrieben zu groß.<br />

23 Die Studie von Badi et al. (2003) deutet auch auf eine gute Schätzperformance von Within-2SLS im Vergleich<br />

zu alternativen Schätzansätzen hin.<br />

98 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Beschäftigungsprognosen auf Basis amtlicher Firmendaten<br />

Die Umsatzentwicklungen der Betriebe werden vor allem im WZ 28 durch die Exportquote<br />

positiv beeinflusst. Die Effekte von Veränderungen der Auftragslage und des Exportanteils<br />

sind für die Branche 27 relativ vergleichbar.<br />

Beurteilung der Prognosefähigkeit des Modells<br />

Um einen Eindruck zu erhalten, inwiefern das von uns formulierte Modell geeignet ist, zuverlässige<br />

Prognosen der Umsatz- und Beschäftigungsentwicklung zu erstellen führen wir<br />

sogenannte „In-sample“-Prognosen einmal für das Jahr 2006 (also für einen Zeitraum von<br />

12 Monaten) und weiterhin für die Jahre 2005 und 2006 durch (Zeitraum 24 Monate). Dabei<br />

werden die Werte der endogenen Variablen Umsatz, Stunden und Beschäftigte jeweils<br />

als unbekannt gesetzt, und nach Schätzung des Modells ohne die betreffenden Jahre basierend<br />

auf den als bekannt angenommenen Werten der exogenen Variablen Prognosen für<br />

die betreffenden Jahre erstellt. Da bei den In-sample-Prognosen die tatsächlichen Werte<br />

der endogenen Variablen bekannt sind, kann der Prognosefehler ermittelt werden. Dieser<br />

erlaubt einen Rückschluss auf die Unsicherheit der Prognose bzw. auf die Prognosegüte<br />

des Modells. 24<br />

Das Modell wird zuerst für den Gesamtzeitraum (ab Januar 1998 bis Dezember 2006) geschätzt<br />

und dann werden die ex-post vorhergesagten Werte für jeden Betrieb in jedem Monat<br />

ermittelt. Diese Einzelwerte werden zum monatlichen Aggregat für jede Branche aufsummiert.<br />

Im zweiten Schritt wird das Modell ohne Werte für 2006 geschätzt. Da aber die<br />

tatsächlichen Werte der abhängigen Variablen bekannt sind, lässt sich somit die prozentuale<br />

Abweichung des vorhergesagten aggregierten Monatswertes (über alle Betriebe) und<br />

mit dem tatsächlichen Wert aller Betriebe bestimmen. Im dritten Schritt wird wie im zweiten<br />

vorgegangen, wobei die Werte für die beiden Jahre 2005 und 2006 ausgelassen werden.<br />

In Tabelle 2 werden die Prognosen des Umsatzes und der Beschäftigung für WZ 27 auf<br />

der Quartalsebene dargestellt. Die prognostizierten Umsatzwerte weichen generell stärker<br />

von den tatsächlichen Werten ab als die prognostizierten Beschäftigungswerte. Die geringste<br />

Abweichung der vorhergesagten Umsatzwerte von den tatsächlichen ergibt sich im<br />

Schnitt bei Einbeziehung der kompletten Daten bis 2006. Werden die Daten für 2006 bzw.<br />

für 2005 und 2006 eliminiert, verschlechtert sich die Prognosekraft für das Jahr 2006 erheblich.<br />

Jedoch hat diese Vorgehensweise nahezu keinen Einfluss auf die Umsatzabweichungen<br />

im Jahr 2005. Diese Tatsache lässt sich vermutlich mit der positiven Umsatzentwicklung<br />

im Jahr 2006 erklären. Die Beschäftigung wird durch das Modell generell sehr<br />

gut erklärt, selbst nach dem Auslassen von Jahren bei den Schätzungen zeigen sich nur<br />

sehr geringe Abweichungen.<br />

In WZ 28 weichen die prognostizierten Umsatzwerte von den tatsächlichen viel stärker als<br />

in WZ 27 ab (siehe Tabelle 3). Eine Eliminierung der Daten für 2006 bzw. für 2005 und<br />

2006 ergibt lediglich eine Veränderung der Umsatzabweichungen, führt jedoch zu keiner<br />

Verschlechterung/Verbesserung der Prognosegüte des Modells. Die Prognose der Beschäf-<br />

24 Werden Prognosen für die Zukunft erstellt (Projektionen) ist hierbei ein wichtiger Unterschied, dass bei Projektionen<br />

auch die Werte der exogenen Variablen nicht bekannt sind und ebenfalls ermittelt werden müssen,<br />

was natürlich die Unsicherheit der Prognose deutlich erhöht.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 99


Markus Höhne, Carsten Kampe, Anna Lejpras und Andreas Stephan<br />

tigung in WZ 28 zeigt insbesondere bei Verwendung aller Daten einen guten Fit. Das Auslassen<br />

der Daten für 2006 bzw. für 2005 und 2006 verursacht eine Verschlechterung der<br />

Prognosegüte vor allem für das dritte und vierte Quartal im Jahr 2006.<br />

Generell kann festgestellt werden, dass besonders die Beschäftigungsentwicklung durch<br />

das Modell relativ gut erklärt werden kann, d.h. der Prognosefehler ist nicht übermäßig<br />

groß, und somit erscheint das Modell insgesamt für eine kurzfristige Projektion über zwei<br />

Jahre grundsätzlich geeignet.<br />

Ermittlung von Projektionen anhand des Modells für die Jahre 2007 und 2008<br />

Um eine Projektion der endogenen Variablen bis Ende 2008 zu ermitteln, müssen auch die<br />

exogenen Variablen für diesen Zeitraum fortgeschrieben werden. In zukünftigen Anwendungen<br />

sollten die Projektionen basierend auf den Mikrodaten 25 erfolgen und anschließend<br />

aggregiert werden. Im Rahmen dieser Studie war es jedoch nur möglich, eine<br />

Prognose basierend auf Aggregatdaten durchzuführen, wobei die Parameter des Strukturmodells<br />

wie beschrieben mit den Mikrodaten geschätzt wurde. Die exogenen Variablen<br />

des Modells – Auftragseingänge, Exportquote, Lohnsätze wurden mithilfe von einfachen<br />

ARIMA Modellen 26 fortgeschrieben. Die Ergebnisse dieser Fortschreibungen wie auch die<br />

Resultate der Modellprojektion sind in den Tabellen 4 und 5 dargestellt, wobei die monatlichen<br />

Werte zu Quartalswerten zusammengefasst wurden.<br />

Für alle exogenen Variablen ergibt sich ein positiver Trend, d.h. insbesondere Auftragseingänge<br />

wie auch die Exportquote werden auch in 2007 und 2008 weiter zunehmen.<br />

Auch bei den endogenen Variablen Umsatz und Arbeitsvolumen in Stunden zeigen sich<br />

positive Entwicklungen, jedoch nicht bei der Beschäftigtennachfrage, die weitgehend auf<br />

dem Niveau von 2006 stabil bleibt. Der langfristige negative Trend der Beschäftigtenentwicklung<br />

in beiden Branchen wird durch die prognostizierte positive Umsatzentwicklung<br />

gerade kompensiert, so dass im Gesamteffekt von keinem signifikanten Anstieg der Beschäftigtenzahlen<br />

in den Branchen 27 und 28 bis Ende 2008 in Brandenburg auszugehen<br />

ist.<br />

8 Fazit und Ausblick<br />

Das von uns für die Vorhersage von sektoral resp. regional differenzierten Fachkräftebedarfen<br />

verwendete ökonometrische Prognosemodell stellt einen innovativen Ansatz der<br />

Nutzung von amtlichen Firmendaten (Mikrodaten) für regionale Beschäftigungsprognosen<br />

dar. Im Gegensatz zu den komplexen Makrodatenmodellen, die beispielsweise in den<br />

Niederlanden Anwendung finden, zeichnet sich unser Modell durch eine höhere Transparenz<br />

und leichtere Kommunizierbarkeit sowie einer umfangreicheren Datenlage und einem<br />

flexibleren Sampling bei relativ kurzen Beobachtungszeiträumen aus. Aus diesen<br />

Gründen ist das von uns entwickelte Prognosemodell für die handlungsorientierte Politikberatung<br />

in Brandenburg besser zu nutzen als Makrodatenmodelle.<br />

25 Dieses könnte beispielsweise über Mikrosimulation erfolgen.<br />

26 Für Auftragseingang wurde ein (1,0,0) ARIMA Modell, für die Exportquote ein (1,0,1), für die Lohnsätze<br />

jeweils (2,1,0) Modelle mit Zeittrend jeweils verwendet.<br />

100 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Beschäftigungsprognosen auf Basis amtlicher Firmendaten<br />

Im Mittelpunkt einer künftigen Schärfung und Weiterentwicklung des Modells steht die<br />

Differenzierung der prognostizierten Beschäftigtennachfrage nach Qualifikationsniveaus<br />

bzw. Berufsgruppen. Die Fokussierung unserer Prognosen auf die Arbeitskräftenachfrage<br />

liegt primär darin begründet, dass das Arbeitskräfteangebot mithilfe der Statistiken des<br />

Amtes für Statistik und der Bundesagentur für Arbeit verhältnismäßig gut abbildbar ist.<br />

Um Qualifikations- und Weiterbildungsmaßnahmen zielgenauer ausrichten zu können, ist<br />

eine Erweiterung der Beschäftigungsprognosen um die Spezifizierung der vorhergesagten<br />

Nachfrage nach bestimmten Qualifikationsniveaus bzw. Berufsbildern notwendig. Darüber<br />

hinaus böte die Differenzierung der prognostizierten Arbeitskräftebedarfe nach bestimmten<br />

Qualifikationsniveaus oder Berufsbildern Rückschlüsse auf brancheninterne<br />

Substitutionsprozesse zwischen verschiedenen Qualifikationsstufen und Berufen. In diesem<br />

Zusammenhang sollte geprüft werden, inwieweit die Verknüpfung der Daten des Betriebspanels<br />

der Forschungsdatenzentren mit den Daten der sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigten der Bundesagentur für Arbeit möglich ist.<br />

Ein weiterer Aspekt, der bei unserem Modell zukünftig Berücksichtigung finden muss, ist<br />

die Trennung der Beschäftigungsentwicklung in Ersatz- und Erweiterungsbedarf. Diese<br />

Trennung ermöglicht neben der quantitativen Bewertung der Beschäftigungsentwicklung<br />

einer Branche auch weitere qualitative Aussagen. Unser Modell schätzt zunächst nur die<br />

künftige Gesamtnachfrage einer Branche. Die Gegenüberstellung des derzeitigen Ist-Zustandes<br />

mit dem prognostizierten Wert lässt dann Aussagen über einen künftigen positiven<br />

oder negativen Erweiterungsbedarf zu. Um Aussagen über einen möglichen zusätzlichen<br />

Ersatzbedarf treffen zu können, müssen die Altersstruktur einer Branche resp. eines Berufes<br />

sowie branchenspezifische Renteneintritte ermittelt werden. Durch die Gegenüberstellung<br />

des errechneten potenziellen Ersatzbedarfs mit der prognostizierten Gesamtbeschäftigung<br />

können dann Aussagen darüber getroffen werden, ob die anstehenden Verrentungswellen<br />

tatsächlich zu einem zusätzlichen betrieblichen Ersatzbedarf führen oder wie<br />

bisher überwiegend zum Abbau der Beschäftigung genutzt werden.<br />

Literaturverzeichnis<br />

Arellano, Manuel und Stephen Bond (1991): Some Tests of Specification for Panel Data:<br />

Monte Carlo Evidence and an Application to Employment Equations. Review of Economic<br />

Studies, 58 (2), 277–297.<br />

Bade, Franz-Josef (2004): Die regionale Entwicklung der Erwerbstätigen bis 2010. Informationen<br />

zur Raumentwicklung, Heft 3/4, 2004, 69–186.<br />

Baltagi, Badi H., Georges Bresson, James M. Griffin und Alain Pirotte (2003): Homogeneous,<br />

heterogeneous or shrinkage estimators? Some empirical evidence from French<br />

regional gasoline consumption. Empirical Economics, 28 (4), 795–811.<br />

Bamming, Ruth (2006): Beschäftigungsanalyse Brandenburg 1998–2005 (unveröffentlicht).<br />

Bamming, Ruth (2007): Unternehmensnahe Dienstleistungen. Beschäftigungsanalyse<br />

Brandenburg 1998–2006 (unveröffentlicht).<br />

Behr, Michael, Anja Walter und Andreas Hinz (2006): Berufsaussichten von Schülerinnen<br />

und Schülern in Brandenburg. Download unter: www.brandenburg.de/media/1330 /<br />

schueler.pdf (Stand: 03.07.2006).<br />

Behr, Michael, Anja Walter, Andreas Hinz, Jürgen Riedek und Thomas Ketzmerick<br />

(2005): Brandenburger Fachkräftestudie. Entwicklung der Fachkräftesituation und<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 101


Markus Höhne, Carsten Kampe, Anna Lejpras und Andreas Stephan<br />

zusätzlicher Fachkräftebedarf. Ergebnisse einer Untersuchung im Verarbeitenden<br />

Gewerbe, in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft sowie im Tourismus. Potsdam.<br />

<strong>Berlin</strong>er Zeitung (2007): Job-Chancen für Ältere sinken. <strong>Berlin</strong>er Zeitung vom<br />

25.07.2007.<br />

Bundesagentur für Arbeit (Hrsg.) (2005): Erwerbspersonenpotenzial, Erwerbstätigkeit,<br />

sozialversicherungspflichtige und geringfügige Beschäftigung. Entwicklung und Struktur<br />

2000–2005. Nürnberg.<br />

Cörvers, Frank (2003): Labour market forecasting in the Netherlands: a top-down<br />

approach, Research Centre for Education and the Labour Market (ROA). Maastricht<br />

University.<br />

Cörvers, Frank und Hans Heijke (2004): Forecasting the labour market by occupation and<br />

education: Some key issues, ROA-W-2004/4. Research Centre for Education and the<br />

Labour Market (ROA), Maastricht University.<br />

Doyle, Nicola, Pete Lunn und Jerry Sexton (2006): Current Trends in Occupational<br />

Employment and Forecasts for 2010 and 2020 – Final Report to The Expert Group on<br />

Future Skill Needs. The Economic and Social Research Institute. Dublin.<br />

Forschungsdatenzentrum der Statistischen Landesämter (Hrsg.) (2006): Amtliche Mikrodaten<br />

für die wissenschaftliche Forschung. Aktuelles Datenangebot. Düsseldorf.<br />

Kaiser, Urlich, Wagner, Joachim (2007): Neue Möglichkeiten zur Nutzung vertraulicher<br />

amtlicher Personen- und Firmendaten. FDZ-Arbeitspapier NR 20. Download unter:<br />

www.forschungsdatenzentrum.de/publikationen/veroeffentlichungen/fdz_arbeitspapier-<br />

20.pdf (Stand: 25.07.2007).<br />

Kistler, Ernst (2004): Demographischer Wandel und Arbeitsmarkt – Die Debatte muss<br />

ehrlicher werden. WSI-Mitteilungen 02/2004. Düsseldorf.<br />

Kistler, Ernst (2006): Neun Irrtümer über den demografischen Wandel. Personalmagazin<br />

1/2006. Download unter: www.esf-brandenburg.de/downloads/PAP3_9irrtuemer_ kistler.pdf<br />

(Stand: 03.07.2006).<br />

Kistler, Ernst und Andreas Huber (2002): Entlastet die demographische Entwicklung den<br />

Arbeitsmarkt nachhaltig? – Kein Licht am Ende des Tunnels. Stadtbergen.<br />

Kriechel, Ben, Frank Cörvers und Hans Heijke (2005): Regional labour market forecasts<br />

in the Netherlands. Mimeo. Maastricht.<br />

Ministerium für Wirtschaft Brandenburg (2007): Stärken stärken – für Wachstum und<br />

mehr Beschäftigung. Download unter: www.wirtschaft.brandenburg.de/sixcms/<br />

detail.php?id=214939&_siteid=20 (Stand: 13.07.2007).<br />

Papies, Udo (2005a): Alt wie ein Baum? Altersstrukturen Brandenburger Unternehmen<br />

vor dem Hintergrund demografischer Entwicklungen. LASA-Studie Nr. 43. Teltow.<br />

Papies, Udo (2005b): Regionales Berichtssystem zur Früherkennung des Fachkräftebedarfs.<br />

In: Christa Larsen, Susanne Dera, Claudia Knobel und Alfons Schmid (Hrsg.):<br />

Regionales Arbeitsmarktmonitoring. Frankfurt a.M., 91–106.<br />

Vromans, Martin (1998): Athena The multi-sector model. CPB Report 98/3.<br />

Wilson, Rob (2005): Skills Forecasting in the Uk. Vortrag präsentiert im Rahmen des Feasibility<br />

Workshops on European Skill Needs Forecasting in Pafos, Zypern.<br />

Wilson, R., K. Homenidou und A. Dickerson (2006): Working Futures 2004–2014: Technical<br />

Report on Sources and Methods. Institute for Employment Research, University<br />

of Warwick. Warwick.<br />

102 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong>


Beschäftigungsprognosen auf Basis amtlicher Firmendaten<br />

Anhang A<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 103


Markus Höhne, Carsten Kampe, Anna Lejpras und Andreas Stephan<br />

Tabelle A1 Schätzresultate<br />

27: Metallerzeugung und -bearbeitung 28: Herstellung von Metallerzeugnissen<br />

Schätzmethode OLS 2SLS 3SLS OLS 2SLS 3SLS<br />

104 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Parameter der Variable Schätzwert t-Wert Schätzwert t-Wert Schätzwert t-Wert Schätzwert t-Wert Schätzwert t-Wert Schätzwert t-Wert<br />

1. Gleichung, abh. Variable: Umsatz<br />

t 0,003 13,85 0,003 13,85 0,003 14,94 0,002 11,19 0,002 11,19 0,002 12,20<br />

Umsatz der Vorperiode 0,046 4,40 0,046 4,40 0,036 3,50 0,226 34,62 0,226 34,62 0,199 32,10<br />

Auftragslage 0,347 24,55 0,347 24,55 0,332 23,67 0,212 39,79 0,212 39,79 0,209 40,50<br />

Export 0,374 4,33 0,374 4,33 0,280 3,53 0,649 12,57 0,649 12,57 0,557 11,54<br />

Dummy für Januar –0,032 –1,79 -0,032 –1,79 –0,032 –1,79 –0,267 –17,35 –0,267 –17,35 –0,268 –17,41<br />

R 2 -Wert 0,460 0,460 0,459 0,203 0,203 0,202<br />

2, Gleichung, abh. Variable: Stunden<br />

t 0,003 27,17 0,002 11,49 0,002 12,64 0,002 40,14 0,001 9,61 0,001 11,35<br />

Stunden der Vorperiode 0,061 8,28 0,150 11,67 0,165 15,53 0,254 57,13 0,430 57,55 0,386 67,11<br />

Umsatz 0,126 13,43 0,347 14,32 0,395 16,45 0,030 16,05 0,193 24,37 0,188 24,32<br />

Lohnsatz pro Stunde –0,018 –37,00 –0,013 –17,33 –0,013 –17,72 –0,019 –95,31 –0,017 –64,16 –0,019 –85,58<br />

Beschäftigung 0,801 28,39 –0,497 –4,55 –1,366 –18,38 0,679 103,01 0,074 4,66 0,199 14,47<br />

Dummy für Januar 0,025 2,93 0,042 3,30 0,050 4,07 0,024 5,62 0,080 13,80 0,076 13,47<br />

Dummy für Januar 2003 0,083 3,56 0,128 3,69 0,090 4,23 0,154 13,51 0,204 13,72 0,179 17,08<br />

R 2 -Wert 0,805 0,582 0,201 0,783 0,633 0,664<br />

3. Gleichung, abh. Variable: Beschäftigung<br />

t –0,0008 –10,28 0,0005 4,63 0,001 13,96 –0,0010 –31,92 –0,0004 –9,29 –0,0002 –5,11<br />

Beschäftigung der Vorperiode 0,064 12,29 0,079 12,93 0,085 15,70 0,433 115,40 0,559 93,81 0,544 96,82<br />

Umsatz 0,043 5,93 0,052 3,29 0,150 10,12 0,027 19,26 0,113 20,63 0,159 30,08<br />

Lohnsatz pro Beschäftigten –0,000007 –1,61 –0,000004 –0,87 –0,000050 –12,61 –0,000080 –32,10 –0,000060 –18,94 –0,000140 –56,35<br />

Stunden 0,218 18,81 –0,062 –3,50 –0,281 –20,00 0,309 90,22 0,011 1,77 –0,011 –1,84<br />

Dummy für Januar –0,017 –2,86 0,004 0,52 0,017 2,41 –0,015 –5,25 0,011 2,87 0,019 4,95<br />

R 2 -Wert 0,313 0,076 –0,395 0,750 0,622 0,538<br />

Anzahl der Beobachtungen 1946 18444<br />

Quelle: Eigene Berechnungen anhand der Mikrodaten FDZ für Brandenburg.


Beschäftigungsprognosen auf Basis amtlicher Firmendaten<br />

Tabelle A2<br />

Umsatz- und Beschäftigungsprognosen für WZ 27: Metallerzeugung und -bearbeitung<br />

Tatsächlicher<br />

Wert<br />

Umsatz in 1000 Euro Beschäftigung<br />

Vorhergesagter<br />

Wert<br />

Modellprognosen anhand der Werte 1998 bis 2006<br />

Abweichung<br />

in %<br />

Quelle: Eigene Berechnungen anhand der Mikrodaten FDZ für Brandenburg.<br />

Quelle: Eigene Berechnungen anhand der Mikrodaten FDZ für Brandenburg.<br />

Tatsächlicher<br />

Wert<br />

Vorhergesagter<br />

Wert<br />

Abweichung<br />

in %<br />

1. Quartal 2005 415517 405971 –2,30 5674 5655 –0,34<br />

2. Quartal 2005 442569 395653 –10,60 5647 5682 0,61<br />

3. Quartal 2005 388444 403801 3,95 5633 5673 0,71<br />

4. Quartal 2005 395063 405412 2,62 5639 5680 0,73<br />

1. Quartal 2006 442881 445043 0,49 5576 5723 2,65<br />

2. Quartal 2006 474360 451472 –4,83 5566 5771 3,69<br />

3. Quartal 2006 463481 451603 –2,56 5564 5776 3,83<br />

4. Quartal 2006 497377 481139 –3,26 5605 5804 3,54<br />

Modellprognosen anhand der Werte 1998 bis 2005<br />

1. Quartal 2005 415517 402898 –3,04 5674 5692 0,31<br />

2. Quartal 2005 442569 392462 –11,32 5647 5729 1,45<br />

3. Quartal 2005 388444 400214 3,03 5633 5730 1,72<br />

4. Quartal 2005 395063 401422 1,61 5639 5742 1,83<br />

1. Quartal 2006 442881 348361 –21,34 5576 5735 2,85<br />

2. Quartal 2006 474360 349457 –26,33 5566 5743 3,18<br />

3. Quartal 2006 463481 349457 –24,60 5564 5743 3,22<br />

4. Quartal 2006 497377 349457 –29,74 5605 5743 2,45<br />

Modellprognosen anhand der Werte 1998 bis 2004<br />

1. Quartal 2005 415517 393080 –5,40 5674 5697 0,41<br />

2. Quartal 2005 442569 393080 –11,18 5647 5697 0,89<br />

3. Quartal 2005 388444 393080 1,19 5633 5697 1,14<br />

4. Quartal 2005 395063 393080 –0,50 5639 5697 1,04<br />

1. Quartal 2006 442881 395379 –10,73 5576 5714 2,48<br />

2. Quartal 2006 474360 396529 –16,41 5566 5722 2,81<br />

3. Quartal 2006 463481 396529 –14,45 5564 5722 2,84<br />

4. Quartal 2006 497377 396529 –20,28 5605 5722 2,08<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 105


Markus Höhne, Carsten Kampe, Anna Lejpras und Andreas Stephan<br />

Tabelle A3<br />

Umsatz- und Beschäftigungsprognosen für WZ 28: Herstellung von Metallerzeugnissen<br />

106 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Tatsächlicher<br />

Wert<br />

Umsatz in 1000 Euro Beschäftigung<br />

Vorhergesagter<br />

Wert<br />

Modellprognosen anhand der Werte 1998 bis 2006<br />

Abweichung<br />

in %<br />

Tatsächlicher<br />

Wert<br />

Vorhergesagter<br />

Wert<br />

Abweichung<br />

in %<br />

1. Quartal 2005 206354 179341 –13,09 7819 7819 –0,01<br />

2. Quartal 2005 224262 209254 –6,69 7801 7793 –0,09<br />

3. Quartal 2005 259706 223239 –14,04 7904 7941 0,47<br />

4. Quartal 2005 244719 216563 –11,51 7764 7719 –0,58<br />

1. Quartal 2006 256557 207022 –19,31 7398 7441 0,58<br />

2. Quartal 2006 251923 232327 –7,78 7623 7509 –1,49<br />

3. Quartal 2006 290979 243090 –16,46 7941 7770 –2,15<br />

4. Quartal 2006 312707 245197 –21,59 8085 7865 –2,73<br />

Modellprognosen anhand der Werte 1998 bis 2005<br />

1. Quartal 2005 206354 176424 –14,50 7819 7795 –0,31<br />

2. Quartal 2005 224262 206072 –8,11 7801 7761 –0,51<br />

3. Quartal 2005 259706 219482 –15,49 7904 7900 –0,04<br />

4. Quartal 2005 244719 212512 –13,16 7764 7674 –1,17<br />

1. Quartal 2006 256557 205126 –20,05 7398 7407 0,12<br />

2. Quartal 2006 251923 206820 –17,90 7623 7444 –2,35<br />

3. Quartal 2006 290979 207992 –28,52 7941 7464 –6,00<br />

4. Quartal 2006 312707 208364 –33,37 8085 7504 –7,19<br />

Modellprognosen anhand der Werte 1998 bis 2004<br />

1. Quartal 2005 206354 211034 2,27 7819 7962 1,82<br />

2. Quartal 2005 224262 211836 –5,54 7801 7866 0,84<br />

3. Quartal 2005 259706 214510 –17,40 7904 7851 –0,66<br />

4. Quartal 2005 244719 211925 –13,40 7764 7659 –1,36<br />

1. Quartal 2006 256557 209330 –18,41 7398 7432 0,46<br />

2. Quartal 2006 251923 211792 –15,93 7623 7463 –2,09<br />

3. Quartal 2006 290979 213381 –26,67 7941 7471 –5,92<br />

4, Quartal 2006. 312707 221316 –29,23 8085 7557 –6,53


Beschäftigungsprognosen auf Basis amtlicher Firmendaten<br />

Tabelle A4<br />

Projektionen der Variablen für die Jahre 2007-2008, WZ 27: Metallerzeugung<br />

und -bearbeitung<br />

Auftragslage<br />

in 1000<br />

Euro<br />

Quelle: Eigene Berechnungen anhand der Mikrodaten FDZ für Brandenburg.<br />

Exogene Variablen Endogene Variablen<br />

Exportanteil<br />

in %<br />

Lohnsatz<br />

pro Stunde<br />

in Euro<br />

Lohnsatz<br />

pro<br />

Beschäftigten<br />

in Euro<br />

Umsatz in<br />

1000 Euro<br />

Stunden<br />

Beschäftigung<br />

1. Quartal 2005 405999 16,55 15,50 2097 374935 639667 5519<br />

2. Quartal 2005 371348 15,55 15,81 2227 368753 630390 5517<br />

3. Quartal 2005 383186 18,41 16,12 2157 379593 635647 5533<br />

4. Quartal 2005 381467 18,47 17,96 2466 379179 626128 5538<br />

1. Quartal 2006 490418 17,64 15,19 2234 414295 682263 5556<br />

2. Quartal 2006 452643 15,65 16,97 2429 409671 662046 5561<br />

3. Quartal 2006 446718 16,49 16,39 2275 412474 669662 5571<br />

4. Quartal 2006 495086 17,37 19,20 2508 432896 662764 5593<br />

1. Quartal 2007 430319 17,21 16,74 2334 410539 681968 5587<br />

2. Quartal 2007 436425 17,26 18,03 2487 420676 672463 5597<br />

3. Quartal 2007 442349 17,37 17,68 2368 426398 681315 5608<br />

4. Quartal 2007 448352 17,51 19,69 2554 432265 671491 5621<br />

1. Quartal 2008 454438 17,69 18,02 2419 433418 699754 5627<br />

2. Quartal 2008 460606 17,88 18,97 2543 444367 692723 5636<br />

3. Quartal 2008 466857 18,08 18,77 2450 450582 700995 5647<br />

4. Quartal 2008 473194 18,29 20,22 2600 456897 695811 5659<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 107


Markus Höhne, Carsten Kampe, Anna Lejpras und Andreas Stephan<br />

Tabelle A5<br />

Projektionen der Variablen für die Jahre 2007 und 2008, WZ 28: Herstellung von<br />

Metallerzeugnissen<br />

Quelle: Eigene Berechnungen anhand der Mikrodaten FDZ für Brandenburg.<br />

108 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

Auftragslage<br />

in 1000<br />

Euro<br />

Exogene Variablen Endogene Variablen<br />

Exportanteil<br />

in %<br />

Lohnsatz<br />

pro Stunde<br />

in Euro<br />

Lohnsatz<br />

pro Umsatz<br />

Beschäftigten in 1000 Euro<br />

in Euro<br />

Stunden<br />

Beschäftigung<br />

1. Quartal 2005 192584 4,30 13,18 1873 248448 986065 7817<br />

2. Quartal 2005 233674 4,,61 13.19 1938 290978 995442 7916<br />

3. Quartal 2005 248266 5,28 13,26 1940 301541 1010216 7982<br />

4. Quartal 2005 249865 4,82 14,39 2039 303598 999716 7942<br />

1. Quartal 2006 319067 6,32 12,90 1880 294440 1049817 7979<br />

2. Quartal 2006 271354 6,03 13,63 1963 317882 1040134 8053<br />

3. Quartal 2006 308300 5,71 13,23 1932 328794 1056623 8090<br />

4. Quartal 2006 305351 6,07 14,68 2064 332062 1035443 8016<br />

1. Quartal 2007 268641 5,92 13,77 1912 290637 1045781 7930<br />

2. Quartal 2007 269195 5,86 14,12 1984 324521 1038367 7974<br />

3. Quartal 2007 272192 5,88 14,04 1959 328082 1045286 7987<br />

4. Quartal 2007 275275 5,92 14,68 2070 331425 1038128 7919<br />

1. Quartal 2008 278394 5,99 14,41 1945 300808 1052613 7862<br />

2. Quartal 2008 281549 6,08 14,62 2007 337934 1048033 7939<br />

3. Quartal 2008 284739 6,17 14,66 1988 341938 1053828 7960<br />

4. Quartal 2008 287965 6,26 14,99 2082 345565 1052815 7905


Beschäftigungsprognosen auf Basis amtlicher Firmendaten<br />

Anhang B<br />

Abbildung B1<br />

Umsatzindices in WZ 27: Metallerzeugung und -bearbeitung<br />

Umsatzindex (2000 = 100)<br />

180<br />

160<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006<br />

Brandenburg<br />

Deutschland<br />

Quelle: Brandenburg Mikrodaten FDZ, Werte für Deutschland aus Reihe Monatsbericht, Statistisches<br />

Bundesamt.<br />

Abbildung B2<br />

Umsatzindices in WZ 28: Herstellung von Metallerzeugnissen<br />

Umsatzindex (2000 = 100)<br />

140<br />

120<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006<br />

Brandenburg<br />

Deutschland<br />

Quelle: Brandenburg Mikrodaten FDZ, Werte für Deutschland aus Reihe Monatsbericht, Statistisches<br />

Bundesamt.<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 109


Markus Höhne, Carsten Kampe, Anna Lejpras und Andreas Stephan<br />

Abbildung B3<br />

Beschäftigungsindices in WZ 27: Metallerzeugung und -bearbeitung<br />

Umsatzindex (2000 = 100)<br />

106<br />

104<br />

102<br />

100<br />

Quelle: Brandenburg Mikrodaten FDZ, Werte für Deutschland aus Reihe Monatsbericht, Statistisches<br />

Bundesamt.<br />

110 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

98<br />

96<br />

94<br />

92<br />

90<br />

Abbildung B4<br />

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006<br />

Beschäftigungsindices in WZ 28: Herstellung von Metallerzeugnissen<br />

Umsatzindex (2000 = 100)<br />

105<br />

100<br />

95<br />

90<br />

85<br />

80<br />

75<br />

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006<br />

Brandenburg<br />

Deutschland<br />

Brandenburg<br />

Deutschland<br />

Quelle: Brandenburg Mikrodaten FDZ, Werte für Deutschland aus Reihe Monatsbericht, Statistisches<br />

Bundesamt.


Beschäftigungsprognosen auf Basis amtlicher Firmendaten<br />

Abbildung 5<br />

Beschäftigungsanteil in Brandenburg an Deutschland<br />

Beschäftigungsanteil in %<br />

2,5<br />

2,0<br />

1,5<br />

1,0<br />

0,5<br />

0,0<br />

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006<br />

Quelle: Brandenburg Mikrodaten FDZ, Werte für Deutschland aus Reihe Monatsbericht, Statistisches<br />

Bundesamt.<br />

Abbildung 6<br />

Differenz von monatlichen Prognosen und tatsächlichen Werten des Umsatzes<br />

(2SLS-Schätzmethode, Daten 1998 bis 2006)<br />

Umsatzresiduenl in %<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

-10<br />

-20<br />

-30<br />

-40<br />

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006<br />

Quelle: Eigene Berechnungen anhand der Mikrodaten FDZ für Brandenburg.<br />

27: Metallerzeugung<br />

und -bearbeitung<br />

28: Herstellung von<br />

Metallerzeugnissen<br />

27: Metallerzeugung<br />

und -bearbeitung<br />

28: Herstellung<br />

von Metallerzeugnissen<br />

<strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> 111


Markus Höhne, Carsten Kampe, Anna Lejpras und Andreas Stephan<br />

Abbildung 7<br />

Differenz von monatlichen Prognosen und tatsächlichen Werten von Stunden<br />

(2SLS-Schätzmethode, Daten von 1998 bis 2006)<br />

Stundenresiduen in %<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

-10<br />

-20<br />

-30<br />

-40<br />

Quelle: Eigene Berechnungen anhand der Mikrodaten FDZ für Brandenburg.<br />

112 <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong><br />

0<br />

Abbildung 8<br />

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006<br />

27: Metallerzeugung<br />

und -bearbeitung<br />

28: Herstellung von<br />

Metallerzeugnissen<br />

Differenz von monatlichen Prognosen und tatsächlichen Werten der Beschäftigten<br />

(2SLS-Schätzmethode, Daten von 1998 bis Ende 2006)<br />

Beschäftigungsresiduen in %<br />

60<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

-10<br />

-20<br />

-30<br />

-40<br />

1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006<br />

Quelle: Eigene Berechnungen anhand der Mikrodaten FDZ für Brandenburg.<br />

27: Metallerzeugung<br />

und -bearbeitung<br />

28: Herstellung von<br />

Metallerzeugnissen


Hinweise für Autoren der Vierteljahrshefte<br />

Die Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung werden seit 1927 vom <strong>DIW</strong> <strong>Berlin</strong> herausgegeben.<br />

Sie veröffentlichen Aufsätze zu aktuellen wirtschaftspolitischen Fragestellungen<br />

und wenden sich an Wissenschaft, Politik und Wirtschaft.<br />

Zwischen Abgabetermin des Manuskripts und Erscheinen des Beitrags in den Vierteljahrsheften<br />

liegen im Allgemeinen weniger als drei Monate. Alle Beiträge werden begutachtet.<br />

Die Themen der nächsten Schwerpunkthefte und ausführliche Hinweise für Autoren können<br />

der <strong>DIW</strong>-Internetseite entnommen werden (www.diw.de).<br />

Beiträge sind an die Redaktion, an das jeweils zuständige Redaktionsmitglied oder z.H.<br />

Ellen Müller-Gödtel einzusenden. Berücksichtigt werden nur Originalbeiträge, die im Falle<br />

der Annahme auch tatsächlich zur Veröffentlichung in den Vierteljahrsheften zur Verfügung<br />

stehen.<br />

Die Beiträge sollten in deutscher (ausnahmsweise in englischer) Sprache verfasst sein. Es<br />

gilt die neue deutsche Rechtschreibung. Eine Zusammenfassung des Beitrags ist in deutscher<br />

und in englischer Sprache gesondert zu erstellen. Diese soll jeweils nicht mehr als<br />

150 Wörter umfassen. Außerdem müssen dem Manuskript mindestens vier Begriffe der<br />

JEL-Klassifikation (www.aeaweb.org/journal/jel_class_system.html) und mindestens fünf<br />

englischsprachige Keywords beigefügt werden.<br />

Das Manuskript ist in Schriftgröße 12 pt im Zeilenabstand von 1,5 zu erstellen und mit einem<br />

linken und rechten Rand von 2,5 cm zu versehen. Der Umfang des Manuskripts sollte<br />

15 Seiten (ca. 30000 Zeichen, ohne Tabellen und Abbildungen) nicht überschreiten. Die<br />

Zitierweise ist den Aufsätzen des Vierteljahrsheftes bzw. der o.g. Internetseite zu entnehmen.<br />

Den Textteil ist in MS Word zu liefern. Tabellen und Abbildungen sind als separate Dateien<br />

(Tabellen in MS Excel, Abbildungen zusammen mit den zugrunde liegenden Daten –<br />

entweder ebenfalls in Excel oder einem anderen gängigen Grafikprogramm) zu liefern.<br />

Die Stellen, an denen sie im Text erscheinen sollen, müssen im Manuskript markiert werden.<br />

Die maximale Breite von Tabellen und Abbildungen beträgt 12,6 cm. Bei Tabellen<br />

die Zeilen- und Spaltenmerkmale bitte übersichtlich aufteilen. Anmerkungen und Fußnoten<br />

sowie Quellenangabe(n) bitte unter dem Tabellenfeld bzw. der Graphik positionieren.<br />

Wichtiger Hinweis: Falls Sie Abbildungen o.Ä. aus dem Internet entnehmen, bitten wir<br />

um Mitlieferung einer Kopie der Druckgenehmigung.


Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung<br />

Erscheinen zurzeit im 76. Jahrgang. Format DIN B 5. Die Hefte werden einzeln berechnet.<br />

Unverbindliche Preisempfehlung.<br />

Heft 2-2007. 117 Seiten. Euro 64,–<br />

Reform der Unternehmensbesteuerung 2008<br />

Reform der Unternehmensbesteuerung 2008. Von Stefan Bach • Sollen multinationale Unternehmen<br />

weniger Steuern bezahlen? Von Andreas Haufler • Unternehmensbesteuerung<br />

in der Europäischen Union – Aktuelle Entwicklungen und Implikationen für die deutsche<br />

Steuerpolitik. Von Margit Schratzenstaller • Steuerpolitische Perspektiven der Unternehmensteuerreform<br />

2008. Von Johannes Becker und Clemens Fuest • Unternehmensteuerreform<br />

2008 – Mogelpackung statt großer Wurf. Von Ralf Maiterth und Heiko Müller •<br />

Aufkommens- und Verteilungseffekte der Unternehmensteuerreform 2008. Von Stefan<br />

Bach, Hermann Buslei, Nadja Dwenger und Frank Fossen • Einfluss der Unternehmensteuerreform<br />

2008 auf die effektive Steuerbelastung. Von Christoph Spengel, Christina Elschner,<br />

Michael Grünewald und Timo Reister • Fundamentale Steuerreformen für Deutschland: Die<br />

Unternehmensteuerreform 2008, die Duale Einkommensteuer und die Einheitssteuer im<br />

Vergleich. Von Doina Maria Radulescu und Michael Stimmelmayr<br />

Wochenbericht<br />

Erscheint zurzeit im 74. Jahrgang. Umfang jeder Nummer 10 bis 16 Seiten. Format DIN A 4.<br />

Der Bezugspreis für die Druckausgabe beträgt jährlich Euro 180,–, die Einzelnummer kostet<br />

Euro 7,–. Unverbindliche Preisempfehlung.<br />

Diskussionspapiere<br />

Erscheinen mehrmals monatlich seit 1989. Jede Ausgabe der Diskussionspapiere wird als<br />

kostenlose Volltextversion online angeboten. Der Bezugspreis als Print beträgt Euro 5,–.<br />

Nr. 732 A Complementarity Model for the European Natural Gas Market. Von Ruud<br />

Egging, Steven A. Gabriel, Franziska Holz und Jifang Zhuang. Oktober 2007.<br />

Nr. 731 Access Price Regulation and Price Discrimination in Intermediate Goods Markets.<br />

Von Claudia Salim. Oktober 2007.<br />

Nr. 730 Price Convergence in the Enlarged Internal Market. Von Christian Dreger, Konstantin<br />

Kholodilin, Kirsten Lommatzsch, Jiri Slacalek und Przemyslaw Wozniak.<br />

Oktober 2007.<br />

Nr. 729 The "Bali Convention": Flexibility of Targets and Instruments Inevitable. Von<br />

Claudia Kemfert. September 2007.<br />

Nr. 728 Mergers & Acquisitions and Innovation Performance in the Telecommunications<br />

Equipment Industry. Von Tseveen Gantumur und Andreas Stephan. September<br />

2007.<br />

Alle Online-Publikationen sind abrufbar von unserer Homepage www.diw.de

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!