Pharma Research - PM-Report
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<strong>Pharma</strong> <strong>Research</strong><br />
Klinische Forschung • Medical Affairs • Market-Access • Versorgungsforschung 15. Februar 1/12<br />
Kontakt zum <strong>PM</strong>-<strong>Report</strong>: Redaktion: 030/545927-70 • Anzeigen: 030/44279-72 • E-Mail: anzeigen@pm-report.de • Internet: www.pm-report.de<br />
Inhalt<br />
Nachrichten...................Seite 33<br />
Frühe Nutzenbewertung:<br />
Die große Unbekannte<br />
Die ersten Bewertungen liegen<br />
vor. Die Ergebnisse sind durchaus<br />
unterschiedlich. Problem: Die unklare<br />
Situation bei der Vergleichstherapie............................Seite<br />
36<br />
Ist die <strong>Pharma</strong>forschung zu teuer?<br />
Preiserhöhungen waren der zentrale<br />
Wachstumsfaktor der <strong>Pharma</strong>branche<br />
in den letzten 20 Jahren. Das behauptet<br />
jedenfalls McKinsey. Doch<br />
diese Zeiten sind vorbei. Für immer.<br />
Heute müssen sich die <strong>Pharma</strong>firmen<br />
den Marktzugang über den zusätzlichen<br />
Nutzen des neuen Medikamentes<br />
erarbeiten. Und dann folgt<br />
noch die Preisverhandlung mit den<br />
gesetzlichen Krankenkassen. Was<br />
das bedeutet, beschreibt die Unternehmensberatung:<br />
Die Wachstumsdynamik<br />
sinkt, die Margen verringern<br />
sich. Deshalb bleibe den Unternehmen<br />
nichts anderes übrig, als die<br />
Betriebskosten zu senken. Und dazu<br />
zählen auch die Aktivitäten im Bereich<br />
Forschung und Entwicklung<br />
(FuE). Der Druck, FuE effizienter<br />
zu gestalten, kommt laut McKinsey<br />
auch von den Investoren. Anscheinend<br />
betrachten Anleger die Forschungsausgaben<br />
der Konzerne mit<br />
Geringschätzung, weil sie Werte eher<br />
zerstören als schaffen.<br />
Das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen<br />
K<strong>PM</strong>G hat in<br />
einer Studie festgestellt, dass die<br />
Insulinkristalle, Foto: Lilly <strong>Pharma</strong><br />
Börsenkapitalisierung der meisten<br />
<strong>Pharma</strong>konzerne vom Cashflow der<br />
bereits im Verkauf befindlichen Produkte<br />
abhängt, während den Pipelines<br />
ein bescheidener oder gar kein<br />
Wert mehr beigemessen werde. Als<br />
Begründung dienen folgende Zahlen:<br />
Die FuE-Aufwendungen der<br />
US-<strong>Pharma</strong>konzerne haben sich zwischen<br />
1999 und 2010 von 25 Mrd.<br />
auf 50 Mrd. Dollar verdoppelt. Die<br />
Zahl der bei der FDA eingereichten<br />
Marktzulassungsanträge ist dagegen<br />
eher rückläufig.<br />
Auf lange Frist bleiben den <strong>Pharma</strong>unternehmen<br />
laut McKinsey im<br />
Wesentlichen zwei Möglichkeiten.<br />
Gelinge es nicht, die Rentabilität von<br />
FuE deutlich zu verbessern, könnten<br />
sie sich auf das Marketing und den<br />
Verkauf von Medikamenten beschränken<br />
und Produktion sowie Forschung<br />
auslagern. Setze ein Unternehmen<br />
die eigenen Forschungsaktivitäten<br />
unbeirrt fort, müsse es willens<br />
sein, dem höheren Informationsbedarf<br />
der Anleger – etwa in Bezug<br />
auf die in der Pipeline befindlichen<br />
Produkte – auch zu entsprechen.<br />
Das Special zum <strong>PM</strong>-<strong>Report</strong><br />
„Das Verfahren hat uns viel<br />
abverlangt.“<br />
Interview mit Kerstin Heinemann,<br />
Pressesprecherin von AstraZeneca<br />
Deutschland................Seite 39<br />
Die neuen Anforderungen der<br />
EMA zum EVMPD und ihre<br />
Auswirkungen auf das Informationsmanagement<br />
von <strong>Pharma</strong>unternehmen<br />
von Dr. Olaf Schoepke und<br />
Dr. Gerhard Neurauter.....Seite 40<br />
Nutzung von Daten aus elektronischen<br />
Patientenakten für<br />
die Forschung<br />
Das europäische Projekt „Electronic<br />
Health Records for Clinical<br />
<strong>Research</strong>” (EHR4CR).....Seite 43<br />
Studienregister: Die weltweit<br />
einheitlichen Standards fehlen<br />
........................................Seite 44<br />
Versorgungsforschung: Nachweis<br />
des Nutzens............Seite 45<br />
„Steigende Tendenz, Versorgungsforschung<br />
zu betreiben“<br />
Interview mit Friedhelm Leverkus,<br />
Director Health Economics&<br />
Outcomes & <strong>Research</strong> bei Pfizer<br />
Deutschland....................Seite 46<br />
Preisverhandlungen: Will die<br />
Union den Marktzugang<br />
erleichtern?....................Seite 47<br />
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Seite 33<br />
Vorbehalte, aber auch Hoffnungen<br />
verbindet der Vorsitzende<br />
der Arzneimittelkommission<br />
der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ),<br />
Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig,<br />
mit der individualisierten Medizin.<br />
„Vieles, was unter diesem Begriff<br />
subsumiert wird, klingt zwar attraktiv,<br />
ist aber durch klinische Studien<br />
wenig oder gar nicht belegt.“<br />
Chancen sieht er vor allem darin, Patientengruppen<br />
besser identifizieren<br />
zu können, die auf spezielle Arzneimittel<br />
gut ansprechen oder aber unerwünschte<br />
Arzneimittelwirkungen<br />
zeigen. Zudem könne dieser Forschungsbereich<br />
eine wichtige Rolle<br />
bei der gezielten Behandlung von<br />
bestimmten Tumorsubtypen spielen.<br />
Betont auch Prof. Dr. Ingolf Cascorbi,<br />
Direktor des Institutes für <strong>Pharma</strong>kologie<br />
des Universitätsklinikums<br />
Schleswig-Holstein Campus Kiel:<br />
„Weitere Forschung auf diesem Gebiet,<br />
insbesondere translationale prospektive<br />
Studien sind erforderlich,<br />
um sowohl die Steigerung des klinischen<br />
Nutzens als auch die ökonomischen<br />
Vorteile Genomik-basierter<br />
Arzneitherapien in der Praxis zu prüfen.“<br />
Quelle: 36. Interdisziplinäres<br />
Forum der Bundesärztekammer, Berlin.<br />
Das Bremer Institut für Präventionsforschung<br />
und Sozialmedizin<br />
(BIPS), Universität Bremen,<br />
hat auf Basis der PRISCUS-Liste<br />
die Prävalenz von potentiell inadäquater<br />
Medikation (PIM) für ältere<br />
Menschen in Deutschland abgeschätzt.<br />
Auf Basis pseudonymisierter<br />
Abrechnungsdaten von drei<br />
gesetzlichen Krankenkassen mit<br />
mehr als 8 Mio. Versicherten wurden<br />
alters- und geschlechtsstandardisierte<br />
Ein-Jahres-Periodenprävalenzen<br />
von PIM sowie die Häufigkeit<br />
von PIM-Verordnungen pro Person<br />
im Jahr 2007 berechnet. In der<br />
Studie wurden 804.400 Menschen<br />
(55,6% Männer, 44,4% Frauen) im<br />
Alter von mindestens 65 Jahren beobachtet.<br />
201.472 Personen (25%)<br />
erhielten mindestens eine PIM-Verordnung<br />
im Jahr 2007. Die PIM-Prävalenz<br />
war bei Frauen 32% und bei<br />
Männern 23,3% und stieg mit zunehmendem<br />
Alter an. Wirkstoffe mit<br />
höchster Prävalenz waren Amitriptylin<br />
(2,6%), Acetyldigoxin (2,4%), Tetrazepam<br />
(2%) und Oxazepam (2%).<br />
Insgesamt erhielten 8,8 % aller Versicherten<br />
vier oder mehr wirkstoffgleiche<br />
PIM-Verordnungen im Beobachtungszeitraum.<br />
Die Bremer Forscher<br />
stellen fest: „Da es sich bei den Arzneimitteln<br />
der PRISCUS-Liste nicht<br />
um absolute Kontraindikationen handelt<br />
und Informationen zur individuellen<br />
Nutzen-Risiko-Abwägung bei<br />
Verschreibung dieser Arzneimittel<br />
nicht vorlagen, konnte keine Aussage<br />
zu Fehlverordnungen vorgenommen<br />
werden.“ Quelle: Dtsch Arztebl Int;<br />
2012; 109(5): 69–75; DOI: 10.3238/<br />
arztebl.2012.0069<br />
Deutschland führt in der Forschung<br />
und Entwicklung medikamentöser<br />
Krebstherapien. German<br />
Science Day (GSD) hat in einer Studie<br />
die neun Nationen evaluiert, die<br />
auf dem Gebiet der Entwicklung neuer<br />
medikamentöser Krebstherapien<br />
am aktivsten tätig sind: Österreich,<br />
Dänemark, Frankreich, Deutschland,<br />
Italien, Norwegen, Schweden,<br />
die Schweiz und Großbritannien. Seit<br />
dem Jahr 2000 haben diese Nationen<br />
Finanzmittel in Höhe von 10 Mrd.<br />
Dollar eingeworben, in Deutschland<br />
landeten 24%. Die Studie erfasste<br />
109 Biotechunternehmen, 29 davon<br />
befinden sich in Deutschland. Insgesamt<br />
führen die Biotechfirmen derzeit<br />
256 onkologische Entwicklungsprogramme<br />
durch, davon 58 deutsche.<br />
In Deutschland erfolgen derzeit 23%<br />
aller Phase-I-Programme, 30% aller<br />
Phase-II-Programme und 24% der<br />
Phase-III-Programme.<br />
Die im Versorgungsstrukturgesetz<br />
(VStG) vorgesehene Erprobungsregelung<br />
für ärztliche Untersuchungs-<br />
und Behandlungsmethoden<br />
mit Medizinprodukten<br />
sollte als Chance gesehen und genutzt<br />
werden, forderten Dr. Ulrich<br />
Die Nutzenbewertung von Arzneimitteln soll<br />
nicht nur bei neuen Medikamenten durchgeführt<br />
werden. Ingo Kailuweit (Foto), Vorstandsvorsitzender<br />
der KKH-Allianz, will auch bereits vorhandene<br />
Arzneimittel überprüfen lassen: „Es reicht nicht,<br />
nur die neuen Medikamente zu bewerten. Es gibt bereits<br />
heute eine Vielzahl von patentgeschützten Arzneimitteln<br />
im Bestandsmarkt, für die die Krankenkassen<br />
überteuerte Preise zahlen müssen, obwohl der<br />
Zusatznutzen zu hinterfragen ist.“ Ein Beispiel für<br />
teure Medikamente seien Präparate zur Behandlung<br />
von Tumorerkrankungen. Nach einer Auswertung der<br />
KKH-Allianz sind die Kosten für diese Arzneimittel zwischen 2004 und<br />
2010 um 167% gestiegen. Der Anstieg sei in erster Linie auf die teuren Preise<br />
für die Medikamente zurückzuführen, denn mengenmäßig habe die Zahl<br />
der Packungen nur um 59% zugenommen. Ein Krebsmedikament kostete<br />
im vergangenen Jahr im Durchschnitt fast 1000 Euro. Der Kassenchef erklärte:<br />
„Es geht nicht darum, das Arzneimittelangebot für die Patienten einzuschränken,<br />
denn der Marktzutritt neuer Arzneimittel ist nach wie vor sofort<br />
nach der Zulassung möglich. Ziel der Kosten-Nutzen-Bewertung ist es,<br />
die Preise zukünftig zu regulieren und dem europäischen Niveau anzupassen<br />
oder einer geeigneten Festbetragsgruppe zuzuführen.“<br />
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Orlowski vom Bundesgesundheitsministerium<br />
(BMG) und Dr. Rainer<br />
Hess vom Gemeinsamen Bundesausschuss<br />
(G-BA). Die Erprobungsregelung<br />
sei ein Instrumentarium, um den<br />
Nutzen einer neuen Methode schneller<br />
zu belegen. Aufgrund der Heterogenität<br />
der Medizinprodukte müsse<br />
aber nach Risikoklasse und Modifikationsgrad<br />
differenziert werden,<br />
mahnt der BVMed. Und es müsse<br />
klar sein, welche Studien vom G-<br />
BA und dem IQWiG anerkannt werden.<br />
Hess stellte klar: „Wir sind nicht<br />
RCT-gläubig. Wir erkennen die bestmögliche<br />
Evidenz an und wissen sehr<br />
wohl, dass es bei Medizinprodukten<br />
nicht immer randomisierte kontrollierte<br />
Studien geben kann.“ Diese Abstufung<br />
müsse auch das IQWiG vornehmen.<br />
Details zur Erprobungsregelung<br />
werden in einer Verfahrensordnung<br />
vom G-BA festgelegt. Derzeit<br />
arbeitet bereits eine Arbeitsgruppe<br />
an den Festlegungen, beispielsweise<br />
wann ein „Potential“ einer Methode<br />
vorliege. Die Verfahrensordnung<br />
soll „relativ schnell kommen“ (Hess).<br />
Quelle: MedInform-Konferenz „Versorgungsstrukturgesetz<br />
2012“.<br />
Prof. Dr. Stephan Mühlig, Inhaber<br />
der Professur Klinische Psychologie<br />
an der Technischen Universität<br />
Chemnitz, erforscht, welche<br />
Therapieziele manisch-depressiv<br />
Erkrankte wichtig finden. „Oftmals<br />
haben die Betroffenen andere<br />
Prioritäten als die behandelnden<br />
Ärzte.“ Das Projekt „Entwicklung<br />
eines Verfahrens zur Beurteilung der<br />
Evidenzlage mittels systematischer<br />
Gewichtung patientenrelevanter<br />
Endpunkte“ wird vom Bundesministerium<br />
für Bildung und Forschung<br />
für zwei Jahre gefördert. „Ziel unseres<br />
Projektes ist es, die relative Bedeutung<br />
von Behandlungszielen aus<br />
Betroffenensicht systematisch zu untersuchen“,<br />
erklärt Mühlig. Dazu<br />
führen die Chemnitzer Psychologen<br />
Befragungen unter mehreren Hundert<br />
Betroffenen durch. Schließlich<br />
soll eine Therapiezielhierarchie entstehen,<br />
die „wichtige Einblicke in<br />
die Patienten- und auch die Angehörigen-Sichtweise<br />
ermöglicht.“ Die<br />
Ergebnisse sollen in Zukunft in die<br />
Bewertung von wissenschaftlichen<br />
Studien einfließen. Mühlig: „Therapieverfahren,<br />
die eher mit den Patientenwünschen<br />
übereinstimmen, erlangen<br />
dann in den Therapieleitlinien<br />
ein stärkeres Gewicht und werden<br />
eher empfohlen als patientenfernere<br />
Verfahren.“<br />
Einen Geburtstag der besonderen<br />
Art feiert das New England Journal<br />
of Medicine (NEJM): Es wird<br />
in diesem Jahr 200 Jahre alt. Die<br />
Frankfurter Rundschau bezeichnet<br />
Patienten in der klinischen Entwicklung<br />
Roche hat die Zahl der Patienten veröffentlicht, die in den Jahren<br />
2009 bis 2011weltweit in klinische Studien der Phasen I bis IV eingebunden<br />
waren. Severin Schwan, CEO von Roche, sagte, dass 2011 „bedeutende<br />
Fortschritte in der Entwicklung neuer Produkte gemacht“ wurden. Er<br />
sprach von „17 positiven Studien in der Spätphase der klinischen Entwicklung“.<br />
Die <strong>Pharma</strong>-Division von Roche plant im Geschäftsjahr 2012 die<br />
Marktzulassung von bis zu drei neuen Produkten sowie zusätzliche Anwendungsgebiete<br />
für bereits zugelassene Medikamente. Neue Wirkstoffe sind<br />
Zelboraf zur Therapie des schwarzen Hautkrebses, Erivedge zur Behandlung<br />
des Basalzellkarzinoms und Pertuzumab zur Therapie von Her2-positivem<br />
Brustkrebs. Die Zusammenarbeit mit der Diagnostics-Division bekommt<br />
immer größere Bedeutung. Derzeit bestehen mehr als 200 gemeinsame<br />
Projekte in der Forschung und Entwicklung.<br />
Anzahl der Patienten, die in den Jahren 2009 bis 2011 in die klinische Entwicklung<br />
des <strong>Pharma</strong>unternehmens Roche eingebunden waren<br />
400.000<br />
300.000<br />
200.000<br />
100.000<br />
0<br />
Weltweit; 2009 bis 2011<br />
Quelle: Roche. Grafik: <strong>PM</strong><br />
268.614 277.079<br />
2009 2010 2011<br />
332.183<br />
es als „Pflichtlektüre für Weißkittel“.<br />
600.000 Mediziner in 177 Ländern lesen<br />
jede Woche das Heft. Die Fachzeitschrift<br />
aus Boston sei weltweit der<br />
Goldstandard für medizinische Forschungsliteratur.<br />
Aus keiner anderen<br />
wissenschaftlichen Publikation werde<br />
häufiger zitiert. Eine Veröffentlichung<br />
im New England Journal sei wie ein<br />
Ritterschlag. Fast immer, wenn es einen<br />
Durchbruch in der medizinischen<br />
Forschung gibt, werde dort darüber<br />
zuerst berichtet. Wie wichtig das<br />
NEJM ist, zeigt der Impact-Factor.<br />
Der ist eine Maßzahl dafür, wie oft eine<br />
Zeitschrift in anderen Fachblättern<br />
zitiert wird. Er wird vom Thomson<br />
Institute for Scientific Information ermittelt.<br />
Das NEJM hat einen Wert von<br />
53 und liegt damit an der Spitze. Zum<br />
Vergleich: Lancet 34, Journal of the<br />
American Medical 30, British Medical<br />
Journal 13.<br />
A<br />
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Heft_
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Frühe Nutzenbewertung: Die große Unbekannte<br />
Jetzt liegen sie also vor: die ersten<br />
frühen Nutzenbewertungen,<br />
die das Institut für Qualität und<br />
Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen<br />
(IQWiG) im Auftrag<br />
des G-BA durchgeführt hat. Die<br />
Ergebnisse sind durchaus unterschiedlich,<br />
zeigen aber auf, dass<br />
die Bewertung vor allem wegen<br />
der unklaren Situation bei der<br />
Vergleichstherapie ein große Unbekannte<br />
bleibt.<br />
Noch im vergangenen Jahr wurde<br />
als Erstes Ticagrelor (Handelsname<br />
Brilique®, Hersteller Astra-<br />
Zeneca) bewertet. Ergebnis: Ticagrelor<br />
hat für Patientinnen und Patienten<br />
mit einem „leichteren“ Herzinfarkt<br />
ohne typische EKG-Veränderungen<br />
(NSTEMI) oder mit einer instabilen<br />
Angina Pectoris (IA) einen beträchtlichen<br />
Zusatznutzen, da Ticagrelor<br />
das Risiko für Todesfälle und<br />
Herzinfarkte senkt. Für „schwerere“<br />
Herzinfarkte (STEMI), bei denen das<br />
EKG meist in charakteristischer Weise<br />
verändert ist, fehlen entsprechende<br />
Belege jedoch.<br />
Das Urteil zu Boceprevir (Handelsname<br />
Victrelis®, Hersteller<br />
MSD Sharp & Dohme) besagt, dass<br />
das vom pharmazeutischen Unternehmer<br />
vorgelegte Dossier Hinweise<br />
auf einen Zusatznutzen für Patientinnen<br />
und Patienten liefert, die noch<br />
keine Leberzirrhose haben. Allerdings<br />
lasse sich dessen Ausmaß nicht<br />
einstufen. Für zwei weitere Indikationen,<br />
für Patienten mit Leberzirrhose<br />
und Patienten, bei denen eine<br />
frühere Behandlung überhaupt keine<br />
Wirkung hatte (Nullresponse zur<br />
vorgeschalteten IFN-basierten Therapie),<br />
habe der Hersteller keine beziehungsweise<br />
keine ausreichenden<br />
Daten vorgelegt, so dass der Zusatznutzen<br />
für diese Patienten nicht erwiesen<br />
sei.<br />
Pirfenidon (Handelsname Esbriet®,<br />
Hersteller InterMune) stufte<br />
das Institut aus der Abwägung von<br />
Nutzen- und Schadensaspekten den<br />
Ausmaß des Zusatznutzens als „kein<br />
Zusatznutzen belegt“ ein.<br />
Bei Abirateron (Handelsname<br />
Zytiga®, Hersteller Janssen-Cilag)<br />
ermittelte das IQWiG bei der<br />
Behandlung von Patienten, für die<br />
eine weitere Therapie mit Docetaxel<br />
nicht in Frage kommt, einen Hinweis<br />
auf einen „beträchtlichen Zusatznutzen“.<br />
Bei Patienten, die noch<br />
mit Docetaxel behandelt werden<br />
können, sei ein Zusatznutzen von<br />
Abirateron dagegen nicht belegt.<br />
Denn das Herstellerdossier liefere<br />
für diese Patientengruppe nur unzureichende<br />
Angaben.<br />
Dr. Thomas Stark, medizinischer Geschäftsführer<br />
Janssen-Cilag: „Wir begrüßen<br />
die grundsätzlich positive Beurteilung<br />
der neuen Therapieoption.“<br />
Zu Linagliptin (Handelsname<br />
Trajenta®, Hersteller: Boehringer<br />
Ingelheim und Eli Lilly) sagt das<br />
IQWiG: Aus dem Dossier lässt sich<br />
ein Zusatznutzen nicht ableiten, da<br />
der Hersteller von der Festlegung des<br />
G-BA abweicht und eine andere Vergleichstherapie<br />
wählt.<br />
Cabazitaxel (Handelsname Jevtana®,<br />
Hersteller: Sanofi Aventis)<br />
erhält die folgende Bewertung: Bei<br />
der Behandlung von Patienten, die<br />
65 Jahre oder älter sind und für die<br />
eine weitere Therapie mit Docetaxel<br />
nicht in Frage kommt, stellt das<br />
IQWiG einen Hinweis auf einen beträchtlichen<br />
Zusatznutzen von Cabazitaxel<br />
aufgrund besserer Überlebenschancen<br />
fest. Bei den unter<br />
65-Jährigen gibt es einen entsprechenden<br />
Anhaltspunkt, wobei das<br />
Ausmaß hier allerdings nicht konkret<br />
einzustufen ist. Für Patienten,<br />
die weiterhin mit Docetaxel behandelt<br />
werden könnten, ist ein Zusatznutzen<br />
nicht belegt, weil ausreichende<br />
Daten fehlen.<br />
Bei Fingolimod (Handelsname<br />
Gilenya®, Hersteller: Novartis)<br />
stellten die Bewerter einen geringen<br />
Zusatznutzen für Patient(inn)en mit<br />
hochaktiver schubförmig verlaufender<br />
multipler Sklerose (RRMS) und<br />
rasch fortschreitendem und schwerem<br />
Krankheitsverlauf wegen des geringeren<br />
Auftretens grippeähnlicher<br />
Symptome fest. Unter Abwägung<br />
dieses Vorteils einerseits und der unsicheren<br />
Datenlage andererseits fällte<br />
das IQWiG dieses Urteil für diese<br />
Patientengruppe. Für zwei weitere<br />
Patientengruppen sei mangels verwertbarer<br />
Daten ein Zusatznutzen<br />
von Fingolimod nicht belegt.<br />
Telaprevir (Handelsname Incivo®,<br />
Hersteller Janssen-Cilag) verschafft<br />
verschiedenen Patientengruppen<br />
mit einer chronischen Hepatitis-<br />
C-Infektion vom Genotyp 1 Vorteile,<br />
sagt das IQWiG: Es gebe Belege,<br />
Hinweise oder Anhaltspunkte für einen<br />
Zusatznutzen. Dabei variiere allerdings<br />
nicht nur die Wahrscheinlichkeit,<br />
sondern auch das Ausmaß<br />
des Zusatznutzens. Gemäß Rechtsverordnung<br />
sei der Zusatznutzen damit<br />
„nicht quantifizierbar“.<br />
Bei Clostridium histolyticum<br />
(Handelsname Xiapex®; Hersteller<br />
Pfizer) lasse sich aus dem Dossier<br />
ein Zusatznutzen nicht ableiten,<br />
da der Hersteller keine beziehungsweise<br />
keine geeigneten Daten vorgelegt<br />
habe.<br />
Für Eribulin (Handelsname Halaven®,<br />
Hersteller Eisai) gebe es<br />
bei Patientinnen, für die Taxane oder<br />
Anthrazykline nicht mehr in Frage<br />
kommen, Anhaltspunkte, dass es Leben<br />
verlängern kann. Es sei aber unklar,<br />
um wie viele Wochen oder Monate.<br />
Bei Patientinnen, die erneut mit<br />
Taxanen oder Anthrazyklinen behandelt<br />
werden können, zeigt sich kein<br />
Überlebensvorteil. Gleichzeitig sei<br />
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mangels geeigneter Daten nicht hinreichend<br />
sicher auszuschließen, dass<br />
Eribulin einen höheren Schaden in<br />
Form von Nebenwirkungen habe. In<br />
der Gesamtschau kommt das IQWiG<br />
deshalb zu dem Ergebnis, dass ein<br />
Zusatznutzen von Eribulin nicht belegt<br />
ist.<br />
Die Bewertungen des IQWiG haben<br />
zu einiger Kritik geführt. Allerdings:<br />
Die endgültige Festlegung<br />
des Zusatznutzens erfolgt durch den<br />
G-BA. Und: Die betroffenen Firmen<br />
haben die Möglichkeit, in einer Stellungnahme<br />
ihre Position zu verdeutlichen.<br />
Was Janssen-Cilag in Bezug<br />
auf Telaprevir erwartet, betont Dr.<br />
Thomas Stark, medizinischer Geschäftsführer:<br />
„Allerdings fordern<br />
wir im endgültigen Beschluss, die<br />
dauerhafte Virusfreiheit und damit<br />
die Heilung der Patienten wie von<br />
Wissenschaft und Zulassungsbehörden<br />
weltweit untermauert als valide<br />
und patientenrelevant anzuerkennen.“<br />
Das IQWiG sieht bisher bei<br />
einer Hepatitis-C-Therapie den zentralen<br />
Endpunkt dauerhaftes virologisches<br />
Ansprechen (sustained virological<br />
response – SVR) als nicht<br />
unmittelbar patientenrelevant an.<br />
Wie sehr die Einschätzung von<br />
Studienergebnissen voneinander abweicht,<br />
zeigt auch der Fall Fingolimod.<br />
So moniert Novartis, dass das<br />
IQWiG Anforderungen an Studiendaten<br />
stellt, die nicht erfüllbar seien.<br />
Deshalb habe das Institut in den<br />
beiden Hauptindikationen aufgrund<br />
angeblicher Formfehler die genaue<br />
Prüfung der von Novartis vorgelegten<br />
Studiendaten auch gar nicht vorgenommen.<br />
Und noch ein Punkt, auf<br />
den das IQWiG gar nicht eingegangen<br />
sei: Gilenya sei die erste orale<br />
Darreichungsform eines MS-Medikamentes.<br />
Der vfa erkennt gerade in dieser<br />
Nutzenbewertung gleich mehrere<br />
Rechtsverletzungen. Laut AMNOG<br />
werde bei einem Orphan Drug, worum<br />
es sich bei Gilenya handelt, der<br />
Zusatznutzen gegenüber einer Vergleichstherapie<br />
als gegeben anerkannt<br />
– da dies bereits im vorangegangenen<br />
europäischen Zulassungsverfahren<br />
festgestellt wurde. Mit<br />
diesem Gutachten habe das IQWiG<br />
auch gegen die gesetzliche Bestimmung<br />
verstoßen, den Feststellungen<br />
der Zulassungsbehörden über Qualität,<br />
Wirksamkeit und Unbedenklichkeit<br />
eines Medikamentes nicht zu widersprechen.<br />
Dr. Engelbert Günster, Vorsitzender der<br />
Geschäftsführung der Boehringer Ingelheim<br />
Deutschland GmbH: „Die breite<br />
wissenschaftliche Datenlage zu Linagliptin<br />
hat zu schnellen Zulassungen<br />
geführt, zum Beispiel in den USA, Japan<br />
und Europa.“<br />
Ähnlich kontrovers gestaltet sich<br />
die Diskussion um Linagliptin. Vor<br />
allem weichen die Auffassungen<br />
über die richtige Vergleichstherapie<br />
vollständig voneinander ab. In<br />
dem Dossier wurde der DPP-4-Inhibitor<br />
Linagliptin mit einer anderen<br />
Substanz (Sitagliptin) derselben<br />
Wirkstoffklasse verglichen. Dies sei<br />
ein Verfahren, das im internationalen<br />
Kontext angewandt wird und auf<br />
dem internationalen Standard der<br />
Wissenschaft basiert, hebt Boehringer<br />
Ingelheim hervor. Hiervon werde<br />
nun in Deutschland mit der vorab<br />
gegebenen, unverbindlichen Empfehlung<br />
des G-BA abgewichen, der<br />
Sulfonylharnstoffe und Humaninsulin<br />
als Vergleichstherapien benannt<br />
hatte. Die beiden Kooperationspartner<br />
Boehringer Ingelheim und Lilly<br />
weisen darauf hin, dass sie damit<br />
nicht einverstanden sind. Dies hätten<br />
sie, wie im Verfahren ausdrücklich<br />
vorgesehen, entsprechend begründet.<br />
Die <strong>Pharma</strong>unternehmen prangern<br />
an, dass die Dossierbewertung<br />
des Institutes auf rein formalen<br />
Gründen beruhe. Die Dossierbewertung<br />
lasse keinen Rückschluss auf<br />
den Stellenwert oder die Wirksamkeit<br />
von Linagliptin zu. „Hier werden<br />
unserer Meinung nach Äpfel<br />
mit Birnen verglichen. In Ländern,<br />
in denen es wie in Deutschland eine<br />
Nutzenbewertung gibt, ist Linagliptin<br />
mit anderen zugelassenen<br />
Substanzen aus derselben Klasse –<br />
den DPP-4-Hemmern – verglichen<br />
worden. Und auch der Preis orientiert<br />
sich dort an dieser Wirkstoffgruppe“,<br />
ärgert sich Dr. Engelbert<br />
Günster, Landesleiter Deutschland,<br />
Vorsitzender der Geschäftsführung<br />
der Boehringer Ingelheim Deutschland<br />
GmbH.<br />
Auch beim im Verfahren am weitesten<br />
fortgeschrittenen neuen Medikament<br />
Brilique gibt es Auseinandersetzungen<br />
vor allem über die<br />
Vergleichstherapie. AstraZeneca bemängelt,<br />
dass für die Europäische<br />
Arzneimittelbehörde EMA in der<br />
Zulassungsstudie als Vergleich die<br />
bisher verwendete Standardtherapie<br />
Clopidogrel für alle Patienten herangezogen<br />
wurde. Der G-BA habe<br />
für einzelne Subgruppen andere Vergleichstherapien<br />
festgelegt, die nicht<br />
die Realität in der Patientenversorgung<br />
widerspiegelten (siehe Interview<br />
S. 39).<br />
Weil der G-BA im Beschluss zu Ticagrelor<br />
der Bewertung des IQWiG<br />
zum Teil gefolgt sei, nicht aber der<br />
IQWiG-Methodik zur Klassifizierung<br />
des Zusatznutzens, sieht der<br />
vfa das Problem, dass noch erhebliche<br />
Unsicherheiten bestehen. Es<br />
stelle sich heraus, dass verschiedene<br />
methodische Vorgehensweisen nebeneinander<br />
praktiziert würden. Im<br />
Interesse der Patienten muss methodische<br />
Klarheit herrschen. Für zukünftige<br />
Verfahren müsse unbedingt<br />
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<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong> 2/12<br />
<strong>Pharma</strong> <strong>Research</strong><br />
Seite 39<br />
geklärt werden, dass die frühe Nutzenbewertung<br />
auf gefestigten methodischen<br />
Standards ruht.<br />
Ganz einfach wird das alles nicht.<br />
Dr. Rainer Hess, unparteiischer Vorsitzender<br />
des G-BA, schwant wohl,<br />
was für eine Mammutaufgabe dem<br />
Ausschuss aufgebürdet wurde: „Nahezu<br />
im Zwei-Wochen-Rhythmus<br />
werden mit Aufnahme weiterer neuer<br />
Wirkstoffe in die Lauer-Taxe vergleichbare<br />
Bewertungen erfolgen.<br />
Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass<br />
die frühen Nutzenbewertungen neu<br />
zugelassener Arzneimittelwirkstoffe<br />
im Jahr 2012 nicht nur den G-BA,<br />
sondern auch das Institut für Qualität<br />
und Wirtschaftlichkeit im Gesund-heitswesen<br />
(IQWiG) und in der<br />
Folge solcher Bewertungsentscheidungen<br />
auch den GKV-Spitzenverband<br />
extrem belasten.“ Vorsichtig<br />
weist er die Verantwortlichen in der<br />
Politik darauf hin, dass „der G-BA<br />
mit seiner daran ausgerichteten Organisations-<br />
und Verfahrensstruktur<br />
bereit sein“ müsse, „solche Mehraufgaben<br />
zu übernehmen und zu bewältigen.<br />
Die mit dem VStG erneut<br />
deutlich gestiegenen Anforderungen<br />
an die durch Stellungnahmeberechtigungen,<br />
Anhörungen und Beteiligungen<br />
geforderte Breite und Transparenz<br />
normativer Entscheidungsprozesse<br />
lassen sich durch ‚schlichte‘<br />
Vertragsabschlüsse nicht mehr<br />
ersetzen. Zumal die Rechtsprechung<br />
diese Anforderungen auch einfordern<br />
wird.“<br />
„Das Verfahren hat uns viel<br />
abverlangt.“<br />
Interview mit Kerstin Heinemann,<br />
Pressesprecherin von AstraZeneca<br />
Deutschland<br />
<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong>: Sie haben das erste<br />
Verfahren zur frühen Nutzenbewertung<br />
hinter sich gebracht. Wie beurteilen<br />
Sie das Ergebnis?<br />
Heinemann: AstraZeneca hat sich<br />
mit Ticagrelor als erstes Unternehmen<br />
freiwillig der frühen Nutzenbewertung<br />
gestellt. Wir freuen uns über<br />
die positive Entscheidung des G-<br />
BA zu unserem Medikament für die<br />
überwiegende Mehrheit der Herzinfarktpatienten.<br />
Das ist ein gutes Ergebnis<br />
für eine Innovation, die bei<br />
ACS-Patienten die kardiovaskuläre<br />
Sterberate nachgewiesenermaßen<br />
senkt. Erfreulich ist insbesondere,<br />
dass der G-BA im Vergleich zum<br />
IQWiG für einen noch größeren Teil<br />
der ACS-Patienten den Zusatznutzen<br />
für Ticagrelor bestätigt hat.<br />
<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong>: Die Bewertung des<br />
Zusatznutzens von Ticagrelor fällt<br />
durchaus zwiespältig aus und sieht<br />
einen beträchtlichen Zusatznutzen<br />
für Patientinnen und Patienten mit<br />
instabiler Angina Pectoris (IA) sowie<br />
für Patientinnen und Patienten mit<br />
Myokardinfarkt ohne ST-Strecken-<br />
Hebung (NSTEMI). Entspricht diese<br />
Bewertung Ihren Vorstellungen?<br />
Heinemann: Der G-BA hat die<br />
Überlegenheit von Ticagrelor gegenüber<br />
Clopidogrel in den Subgruppen<br />
NSTEMI-IA und gegenüber Prasugrel<br />
in der Subgruppe STEMI/PCI-<br />
Patienten mit ischämischem Schlaganfall<br />
oder TIA in der Krankheitsgeschichte<br />
sowie älter als 75 Jahre<br />
anerkannt. Für die restlichen STEMI-<br />
PCI-Patienten wurde Brilique weder<br />
schlechter noch besser als Prasugrel<br />
eingestuft. Damit ist der Zusatznutzen<br />
von Ticagrelor für etwa 80 Prozent<br />
aller ACS-Patienten belegt. Das<br />
Ausmaß des Zusatznutzens für den<br />
kleineren Teil der Patienten bewerten<br />
wir jedoch anders als der G-BA. Mit<br />
der Zulassungsstudie PLATO haben<br />
wir einen Zusatznutzen von Ticagrelor<br />
über das gesamte akute Koronarsyndrom<br />
nachgewiesen.<br />
<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong>: Die Wahl der Vergleichstherapie<br />
hat nicht Ihre volle<br />
Zustimmung gefunden. Wurden Ihre<br />
Einsprüche gehört und berücksichtigt?<br />
Heinemann: Am Beschluss wird<br />
deutlich, wie stark die Bewertung<br />
von der Wahl der Vergleichstherapie<br />
beeinflusst wird. Während Ticagrelor<br />
in der mit der Europäischen-<br />
Arzneimittelbehörde(EMA)-Zulassungsstudie<br />
mit der bisher verwendeten<br />
Standardtherapie Clopidogrel<br />
verglichen wurde und hier einen Überlebensvorteil<br />
für alle Patienten zeigte,<br />
legte der G-BA für einzelne Subgruppen<br />
andere Vergleichstherapien fest.<br />
Zur Begründung führt der G-BA formale<br />
Gründe an, nicht aber die Realität<br />
in der Patientenversorgung.<br />
<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong>: Wie bewerten Sie<br />
den Ablauf des Verfahrens? War die<br />
Zusammenarbeit fair?<br />
Heinemann: Das Verfahren hat<br />
uns viel abverlangt. Angesichts der<br />
neuen Herausforderungen für alle<br />
Beteiligten war es fair und von gegenseitigem<br />
Respekt geprägt – auch<br />
wenn wir in der Sache zum Teil unterschiedliche<br />
Auffassungen vertreten.<br />
Dieses erste Preisfindungsverfahren<br />
bietet die Chance, echte Innovationen<br />
auch angemessen zu honorieren.<br />
Wir begreifen den Prozess<br />
auch als lernendes System. Sowohl<br />
wir als Unternehmen als die anderen<br />
Akteure im Gesundheitswesen machen<br />
derzeit ihre ersten Erfahrungen<br />
mit den neuen Regeln.<br />
<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong>: Was erwarten Sie<br />
von den Verhandlungen? Vertrauen<br />
Sie dem Verfahren?<br />
Heinemann: Wir wollen in den<br />
Verhandlungen einen fairen Preis für<br />
Ticagrelor erzielen, der den nachgewiesenen<br />
Zusatznutzen für die überwiegende<br />
Mehrheit der Herzinfarktpatienten<br />
angemessen widerspiegelt.<br />
Wir gehen davon aus, dass wir uns<br />
mit dem GKV-Spitzenverband auf einen<br />
fairen Preis einigen werden.<br />
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<strong>Pharma</strong> <strong>Research</strong><br />
Seite 40<br />
<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong> 2/12<br />
Die neuen Anforderungen der EMA zum Eudravigilance Medicinal Product Dictionary<br />
(EVMPD) und ihre Auswirkungen auf das Informationsmanagement von <strong>Pharma</strong>unternehmen<br />
von Dr. Olaf Schoepke, Geschäftsführer der<br />
EXTEDO Ltd (links), und Dr. Gerhard Neurauter,<br />
Leiter von EXTEDOs Regulatory Competence<br />
Center (rechts)<br />
Die Europäische Arzneimittelbehörde<br />
(European Medicines Agency,<br />
EMA) (3) kündigte vor kurzem eine<br />
neue Gesetzgebung im Bereich der<br />
<strong>Pharma</strong>kovigilanz (1,2) an, die sich mit<br />
der Modernisierung des <strong>Pharma</strong>kovigilanzsystems,<br />
der Verbesserung der<br />
Patientensicherheit und der Bereitstellung<br />
von Gesundheitsinformationen<br />
für Patienten befasst. In Anbetracht<br />
der Auswirkungen auf das Informationsmanagement<br />
und den Geschäftsablauf<br />
haben <strong>Pharma</strong>unternehmen<br />
sehr wenig Zeit, um sich auf<br />
die erste Phase einzustellen und diese<br />
umzusetzen. Der Versuch, die Norm<br />
zur Identifikation von Arzneimitteln<br />
(Identification of Medicinal Product,<br />
IDMP) (4–8) , als ein global harmonisiertes<br />
elektronisches Format für den<br />
Informationsaustausch zu definieren<br />
und zu etablieren, scheint heute die<br />
größte Herausforderung im vorgeschriebenen<br />
Registrierungsverfahren<br />
zu sein. Dieser Artikel beschreibt,<br />
wie Behörden und <strong>Pharma</strong>unternehmen<br />
auf diese neue Gesetzgebung<br />
reagieren können sowie die entsprechenden<br />
Auswirkungen auf ihr Datenmanagement.<br />
Aktuelle Problematik in der<br />
Life-Sciences-Industrie<br />
In der <strong>Pharma</strong>industrie gibt es<br />
bislang keinen weithin etablierten<br />
Standard für das Management der<br />
produktbezogenen Daten. Die Notwendigkeit<br />
verschiedener regulatorischer<br />
Prozesse und deren<br />
Vielfalt führten zu verschiedenen<br />
maßgeschneiderten<br />
Anwendungen, um<br />
alle möglichen wissenschaftlichen<br />
und betriebsbedingten<br />
Anforderungen<br />
zu erfüllen. Durch eine<br />
zunehmende Komplexität<br />
der Anwendungen und Daten<br />
wird die Erfassung von<br />
Daten und deren Wiederverwendung<br />
zeitaufwendig.<br />
Das Problem ist, dass<br />
die Lösungen selbst immer<br />
anspruchsvoller und komplexer<br />
werden, da Daten aufgrund<br />
fehlender Schnittstellen häufiger außerhalb<br />
sämtlicher Systeme gespeichert<br />
werden. Folglich wird die Dateneingabe<br />
mit all ihren Nachteilen,<br />
wie u. a. Tippfehlern, Rechtschreibfehlern<br />
oder lokalen Variationen,<br />
mehrmals vorgenommen, was die<br />
Datenprüfung zum Albtraum werden<br />
lässt.<br />
Die neue regulatorische Herausforderung<br />
Die neue Herausforderung begann<br />
mit der Ankündigung der Europäischen<br />
Arzneimittelbehörde EMA am<br />
1. Juli 2011, dass die neue EU-Gesetzgebung<br />
zur <strong>Pharma</strong>kovigilanz ab<br />
2. Juli 2012 bei allen in Europa zugelassenen<br />
Produkten umzusetzen ist.<br />
In dieser Gesetzgebung beschreibt<br />
die EMA, wie ihr <strong>Pharma</strong>kovigilanzsystem<br />
modernisiert und die Patientensicherheit<br />
verbessert wird und wie<br />
Gesundheitsinformationen Patienten<br />
zeitnah und effizient zur Verfügung<br />
gestellt werden. Um dieses Ziel zu<br />
erreichen, fordert die EMA das Einreichen<br />
von Arzneimittelinformationen<br />
(bis 2012) und wird ihre Eudravigilance-Datenbank<br />
aktualisieren,<br />
um den Empfang aller Einzelfall-Sicherheitsberichte<br />
(individual case safety<br />
reports) für Europa (bis 2015)<br />
zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang<br />
ordnet die EMA ein Produktverzeichnis<br />
und die Bereitstellung<br />
zusätzlicher <strong>Pharma</strong>kovigilanzdaten<br />
an, die alle Nebenwirkungen<br />
abdecken, und nicht nur die schwerwiegenden.<br />
Es ist offensichtlich, dass alle Akteure<br />
im regulatorischen Umfeld,<br />
von der Behörde bis hin zum Inhaber<br />
der Arzneimittelzulassung, von<br />
Softwareanbietern über Auftragsforschungsinstitute<br />
(CROs) bis hin zu<br />
Beratern, Wirkstoffherstellern oder<br />
Generika-Produzenten, von dieser<br />
Verordnung betroffen sind. Es wird<br />
erforderlich sein, dass Produktinformationen<br />
für alle in Europa zugelassenen<br />
Produkte als XEVPRM (eXtended<br />
EudraVigilance Product <strong>Report</strong><br />
Message) zusammen mit der<br />
jeweiligen Dokumentation der Beschriftung<br />
in der jeweiligen Landessprache<br />
im PDF-Format vorgelegt<br />
werden. Es ist anzumerken, dass das<br />
neue XEVMPD (eXtended Eudravigilance<br />
Medicinal Product Dictionary)<br />
im Bezug auf Inhalt und Volumen<br />
die Definition des gegenwärtig<br />
existierenden Arzneimittelverzeichnisses<br />
EVMPD bei Weitem übertrifft.<br />
Daher müssen die in der Eudravigilance-Datenbank<br />
in Form von<br />
EVMPD vorhandenen Produktinformationen<br />
aktualisiert werden.<br />
Eine weitere Herausforderung entsteht<br />
durch das umfassende, aber gleichermaßen<br />
komplexe geplante Datenmodell.<br />
<strong>Pharma</strong>unternehmen müssen<br />
die Geschäftsanforderungen und die<br />
technischen Forderungen Schritt für<br />
Schritt betrachten und verstehen, um<br />
die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen.<br />
Dazu gehört auch ein grundlegendes<br />
Verständnis von Datenmodellen,<br />
Pflichtinformationen sowie neuen<br />
und bestehenden Relationen zwischen<br />
Aufzeichnungen.<br />
Auswirkungen der neuen Gesetzgebung<br />
auf Inhaber von Arzneimittelzulassungen<br />
und Behörden<br />
Die kontinuierliche Veröffentlichung<br />
von regulatorischen Richtlinien<br />
und Standards setzt <strong>Pharma</strong>unternehmen,<br />
Behörden und Softwareanbieter<br />
gleichermaßen unter steten<br />
Druck, den geforderten Veränderun-<br />
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110415
<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong> 2/12<br />
<strong>Pharma</strong> <strong>Research</strong><br />
Seite 41<br />
gen und Aktualisierungen zeitnah gerecht<br />
zu werden. Dies führt in Kombination<br />
mit dem drohenden Fristablauf<br />
dazu, dass alle Akteure darauf<br />
erpicht sind, eine schnelle, leicht anwendbare<br />
und zugleich flexible Lösung<br />
zu finden, die es ihnen ermöglicht,<br />
die jüngsten Bestimmungen<br />
einzuhalten. Das neue Arzneimittelpaket<br />
ist jedoch recht komplex und<br />
die Einführung von IDMP muss sorgfältig<br />
durchgeführt werden. Die neue<br />
Arzneimittelbeschreibung ist an sich<br />
sehr ausführlich und alle erforderlichen<br />
Informationen können nicht auf<br />
einmal gesammelt werden, wenn sie<br />
tatsächlich alle vorhanden sind. Ein<br />
entscheidender Geschäftsfaktor wird<br />
die Entwicklung einer Strategie dafür<br />
sein, wie bereits vorhandene regulatorische<br />
Informationen innerhalb<br />
eines Unternehmens so erfasst<br />
und vorbereitet werden können, dass<br />
der folgende Migrations- oder Übergangsprozess<br />
zu einer harmonisierten<br />
Datenstruktur führt. Sowohl Anwendungen<br />
als auch Daten müssen<br />
in diesem wechselseitigen Datenaustausch<br />
erhalten werden.<br />
Eine weitere Folge der neuen<br />
Norm ist die Änderung der Prozesse<br />
von Behörden und der Industrie,<br />
wenn es darum geht, große Datenmengen<br />
effizient zu handhaben. Unternehmen<br />
produzieren eine enorme<br />
Menge Daten, die sehr von der Zahl<br />
der registrierten Produkte, der einzureichenden<br />
Berichte und der Änderungen,<br />
die gemeldet werden müssen,<br />
abhängt. Es müssen Prozesse<br />
definiert werden, um den steigenden<br />
Anforderungen auf beiden Seiten der<br />
Schnittstelle gerecht zu werden.<br />
Lösungsansätze<br />
Verschiedene Funktionen aus verschiedenen<br />
Orten, Abteilungen oder<br />
Standorten sind am Prozess der Datenerfassung<br />
und der Erstellung von<br />
Berichten auf Grundlage der Arzneimittelgesetzgebung<br />
beteiligt. Viele<br />
Produktinformationen, die Registrierungsangaben<br />
und Nebenwirkungen<br />
der Produkte sind in verschiedenen<br />
Datenbanken, im Unternehmen<br />
verstreut, erfasst und verfügbar. Die<br />
Harmonisierung der Produktdefinition<br />
innerhalb eines Unternehmens ist<br />
der erste Schritt hin zu einem neuen<br />
Produktverständnis.<br />
Es gibt eine Reihe an Möglichkeiten<br />
für eine unternehmensweite Produktdefinition<br />
wie das Internet und<br />
Cloud-Computing oder zentralisierte<br />
und dezentralisierte Datenmanagement-Systeme.<br />
Egal wo Daten eingegeben<br />
oder gespeichert werden und<br />
auf welche Weise Informationen abgerufen<br />
werden, Harmonisierung<br />
wird immer wichtiger. Egal welchen<br />
Ansatz das jeweilige Unternehmen<br />
wählt, ein harmonisierter und strukturierter<br />
Datenstandard für Arzneimittel<br />
gilt als unerlässlich.<br />
Befinden sich Produktdaten in<br />
mehreren Repositories, ist ein Mas-<br />
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<strong>Pharma</strong> <strong>Research</strong><br />
Seite 42<br />
<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong> 2/12<br />
ter-Repository erforderlich, in dem<br />
sich das Hauptverzeichnis des Produkts<br />
befindet, das den Zugriff kontrolliert<br />
und Datenmigration unterstützt.<br />
Ein Unternehmensnetzwerk,<br />
das die erforderlichen Schnittstellen<br />
unterstützt, ist über eine RemoteVerbindung<br />
mit der Datenquelle verbunden<br />
und sammelt weitere Informationen,<br />
zum Beispiel von Tochterunternehmen,<br />
die Daten zentral eingeben.<br />
Der Informationsaustausch zwischen<br />
Satellitenanwendungen macht diese<br />
Lösung auf einer sicheren IT-Infrastruktur<br />
verlässlicher. Die Unterstützung<br />
und Aufrechterhaltung einer<br />
solchen Umgebung ist aufgrund<br />
der Anzahl der Softwarekomponenten<br />
und beteiligten Akteure komplex.<br />
Jede der Anwendungen erfordert ihre<br />
eigene Schnittstelle zum Master-Repository,<br />
die spezifiziert, entwickelt<br />
und erhalten werden muss.<br />
Eine mehrfache Dateneingabe mit all<br />
ihren Herausforderungen und Datenredundanzen<br />
kann nicht verhindert<br />
werden.<br />
Ein zentrales Daten-Repository,<br />
unter dem man sich eine regulatorische<br />
Tracking-Datenbank mit integriertem<br />
eCTD, integrierter <strong>Pharma</strong>kovigilanz<br />
und eDMS-Lösung<br />
vorstellen kann, ist eine weitere<br />
tragfähige Option für die Handhabung<br />
von Daten. Alle Informationen<br />
werden in einer einzigen regulatorischen<br />
Tracking-Datenbank oder einem<br />
regulatorischen Master-Data-<br />
Dictionary gesammelt, die bzw. das<br />
leichter geprüft werden kann, und<br />
Datenredundanzen können durch einen<br />
einfachen Dateneingabeprozess<br />
vermieden werden. Aufgrund des<br />
Umfangs und der Natur solch einer<br />
Lösung ist ihre Entwicklung zeitaufwendig<br />
und die Migration von<br />
Daten von bestehenden und eingerichteten<br />
Anwendungen kann komplex<br />
sein.<br />
Aus Sicht der Verfasser ist der Ansatz,<br />
ein einziges, weltweites Repository<br />
zu schaffen, der vielversprechendste.<br />
Er bietet die einfache Dateneingabe,<br />
weniger Redundanz und<br />
eine bessere Datenqualität, was zu<br />
einem verbesserten <strong>Report</strong>ing führt.<br />
Management von EVMPD-Daten mit<br />
Hilfe einer Softwarelösung (Foto: Alexander<br />
Raths – Fotolia.com)<br />
Bei regulatorischen Informationen müssen<br />
große Datenmengen effizient gehandhabt<br />
werden (Foto: Alexander<br />
Raths – Fotolia.com)<br />
Schlussfolgerung<br />
Das neue Arzneimittelpaket sollte<br />
als Chance für die <strong>Pharma</strong>industrie<br />
betrachtet werden, bei der Globalisierung<br />
von regulatorischen Informationen<br />
mitzuhelfen, die Informationsqualität<br />
zu steigern und Informationsredundanz<br />
abzubauen. Die neue Gesetzgebung<br />
zur <strong>Pharma</strong>kovigilanz bietet<br />
eine Plattform für einen globalen Datenaustausch<br />
und sollte nicht als Belastung<br />
betrachtet werden, sondern<br />
vielmehr als Chance, die Informationstransparenz<br />
zu verbessern, was<br />
letztendlich den Patienten dient. Der<br />
Mehrwert, der durch das Zusammenführen<br />
von Informationen von Ressourcen<br />
wie der <strong>Pharma</strong>kovigilanz,<br />
Produktinformationen, PSUR und zukünftig<br />
eSPC und eCTD in einem einzigen<br />
Repository entsteht, ist unseres<br />
Erachtens unbestreitbar. In Anbetracht<br />
dessen, dass der Zeitrahmen<br />
für die Einführung von XEVMPD äußerst<br />
knapp bemessen ist, müssen jetzt<br />
die ersten Schritte in Richtung IDMP<br />
gemacht werden, um das Arzneimittelverzeichnis<br />
zu harmonisieren, der<br />
nächsten Phase im regulatorischen<br />
Datenmanagement.<br />
Referenzen:<br />
(1) Directive 2010/84/EU of the<br />
European Parliament and the Council<br />
of 15 December 2010, Directive<br />
2001/83/EC on the Community<br />
code relating on medicinal products<br />
for human use; L348; Vol.53; 74–99;<br />
Official Journal of the European Union;<br />
31 December 2010<br />
(2) Regulation (EU) No 1235/2010<br />
of the European Parliament and of the<br />
Council of 15 December 2010, Regulation<br />
(EC) No 724/2004 laying down<br />
Community procedures for the authorization<br />
and supervision of medicinal<br />
products for human and veterinary<br />
use and establishing a European Medicines<br />
Agency, and Regulation (EC) No<br />
1394/2007 on advanced therapy medicinal<br />
products; L348; vol.53; 1–17;<br />
Official Journal of the European Union;<br />
31 December 2010<br />
(3) http://www.ema.europa.eu/<br />
ema, visited on 15. Oct 2011<br />
(4) ISO/DIS 11615 Health Informatics<br />
– Identification of Medicinal<br />
Products – Data elements and structures<br />
for the unique identification<br />
and exchange of regulated medicinal<br />
product information<br />
(5) ISO/DIS 11616 Health Informatics<br />
– Identification of Medicinal<br />
Products – Data elements and<br />
structures for the unique identification<br />
and exchange of regulated pharmaceutical<br />
product information<br />
(6) ISO/DIS 11238 Health Informatics<br />
– Identification of Medicinal<br />
Products – Data elements and structures<br />
for the unique identification<br />
and exchange of regulated information<br />
on substances<br />
(7) ISO/DIS 11239 Health Informatics<br />
– Identification of Medicinal<br />
Products – Data elements and structures<br />
for the unique identification<br />
and exchange of regulated information<br />
on pharmaceutical dose forms,<br />
units of presentation, routes of administration<br />
and packaging<br />
(8) ISO/DIS 11240 Health Informatics<br />
– Identification of Medicinal<br />
Products – Data elements and<br />
structures for the unique identification<br />
and exchange of units of measurement<br />
<strong>PM</strong>_<strong>Report</strong>_1202.indd 42 09.02.12 16:13
<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong> 2/12<br />
<strong>Pharma</strong> <strong>Research</strong><br />
Seite 43<br />
Nutzung von Daten aus elektronischen Patientenakten für die Forschung<br />
Das europäische Projekt „Electronic<br />
Health Records for Clinical<br />
<strong>Research</strong>” (EHR4CR) will eine<br />
europaweite Technologieplattform<br />
aufbauen, die künftig die Sekundärnutzung<br />
von Daten aus elektronischen<br />
Patientenakten für die klinische<br />
Forschung ermöglichen soll.<br />
Damit sollen Kosten gespart und klinische<br />
Forschungsprojekte schneller<br />
und effizienter durchgeführt werden.<br />
Insbesondere könnten die Forscher<br />
geeignete Studienpatienten besser<br />
identifizieren – bisher eine der größten<br />
Schwierigkeiten bei der Planung<br />
und Durchführung klinischer Studien.<br />
Nun soll eine technologische<br />
Plattform geschaffen werden, die<br />
elektronische Patientenakten nahtlos<br />
in bestehende Forschungsplattformen<br />
und Netzwerke des Gesundheitswesens<br />
integriert.<br />
Allerdings sind auf dem Weg noch<br />
zahlreiche rechtliche und ethische<br />
Fragen zu klären. Der<br />
rechtliche Rahmen, in<br />
dem sich Ärzte, Forscher<br />
und Patienten<br />
bei der grenzüberschreitenden<br />
Nutzung<br />
von Patientendaten<br />
für die klinische<br />
Forschung bewegen, ist insbesondere<br />
auch deshalb derzeit noch<br />
unklar, weil die gesetzlichen Bestimmungen<br />
und die Rechtspraxis zum<br />
Datenschutz und zum Schutz der<br />
Privatsphäre in den einzelnen EU-<br />
Mitgliedstaaten stark voneinander<br />
abweichen. Innerhalb des EHR4CR-<br />
Projektes wird deshalb die aktuelle<br />
Rechtssituation in den verschiedenen<br />
Mitgliedstaaten der EU analysiert<br />
und miteinander verglichen.<br />
Ziel ist es, Empfehlungen bereitzustellen,<br />
wie für die klinische Forschung<br />
bei der Nutzung der EU-weiten<br />
Technologieplattform Rechtssicherheit<br />
geschaffen werden kann.<br />
Dabei muss geprüft werden, welche<br />
Stationen auf dem Weg der Daten<br />
von der Klinik in die Forschung<br />
rechtlich kritisch sind.<br />
Das EHR4CR-Projekt wird im<br />
Rahmen der Innovative Medicines<br />
Initiative (IMI) bis 2014 mit insgesamt<br />
17 Mio. Euro gefördert. IMI hat<br />
das Ziel, die Entwicklung besserer<br />
und sichererer Medikamente zu beschleunigen.<br />
Die Initiative wird gemeinsam<br />
von der Europäischen Union<br />
und der European Federation of<br />
<strong>Pharma</strong>ceutical Industries and Associations<br />
(EFPIA) getragen.<br />
Clinical Trials<br />
Monitoring<br />
Electronic Data Capture<br />
Early Benefit Assessment (AMNOG)<br />
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<strong>Pharma</strong> <strong>Research</strong><br />
Seite 44<br />
<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong> 2/12<br />
Studienregister: Die weltweit einheitlichen Standards fehlen<br />
Es gibt verschiedene Formate,<br />
in denen die Ergebnisse klinischer<br />
Studien üblicherweise berichtet<br />
und dokumentiert werden.<br />
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit<br />
im Gesundheitswesen<br />
(IQWiG) moniert, dass dafür<br />
einheitliche Standards fehlen.<br />
Das IQWiG hat untersucht, inwieweit<br />
Artikel in Fachzeitschriften, Ergebnisberichte<br />
in Studienregistern<br />
und Studienberichte, die bei Zulassungsbehörden<br />
eingereicht werden,<br />
ausreichende Angaben machen, um<br />
klinische Studien bewerten zu können.<br />
Dazu hat das Institut die Nutzenbewertungen<br />
von Arzneimitteln<br />
herangezogen, die es zwischen 2006<br />
und 2011 erarbeitet hat.<br />
Demnach haben Studienberichte,<br />
die zum Zweck der Zulassung von<br />
den Herstellern erstellt und bei den<br />
Behörden eingereicht werden, den<br />
höchsten Informationsgehalt, um eine<br />
klinische Studie zu bewerten. Diese<br />
sind allerdings in der Regel nicht<br />
öffentlich zugänglich.<br />
Deutlich schlechter schneiden Artikel<br />
in wissenschaftlichen Fachzeitschriften<br />
ab, die Ergebnisse in der<br />
Regel mit einem gewissen Zeitverzug<br />
dokumentieren, und Ergebnisberichte<br />
in Studienregistern, von denen<br />
es nach Erkenntnis des IQWiG<br />
weltweit inzwischen eine ganze Reihe<br />
gibt. Allerdings hätten diese Formate<br />
unterschiedliche Stärken und<br />
Schwächen: Artikel in den einschlägigen<br />
wissenschaftlichen Journalen<br />
enthalten häufiger vollständigere Informationen<br />
über die Methodik, also<br />
etwa über die Zuteilung der Teilnehmer<br />
zu den Vergleichsgruppen<br />
oder zur statistischen Auswertung<br />
der Daten. Berichte aus Studienregistern<br />
sind zwar weniger ergiebig<br />
im Hinblick auf die Methodik, berichten<br />
dafür aber detaillierter über<br />
die Ergebnisse, die sogenannten<br />
Outcomes.<br />
Nur für ein Drittel der Studien<br />
sind Berichte aus Registern verfügbar.<br />
Ergebnisberichte aus Studienregistern<br />
und Artikel in Fachjournalen<br />
könnten sich insofern gut ergänzen.<br />
Die Kombination der beiden<br />
Formate könnte auch einen gewissen<br />
Ausgleich dafür schaffen, dass Studienberichte<br />
häufig nur Behörden<br />
zugänglich sind. Für systematische<br />
Übersichten sollten Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftler in jedem<br />
Fall immer auch auf Berichte in Studienregistern<br />
zurückgreifen. Das setze<br />
allerdings voraus, dass die Ergebnisdarstellung<br />
in diesem Format auch<br />
verfügbar ist. Und das scheint häufig<br />
nicht der Fall zu sein: Bei den vom<br />
IQWiG herangezogenen Nutzenbewertungen<br />
lagen Ergebnisberichte<br />
aus Registern nur für ein Drittel der<br />
untersuchten Studien vor.<br />
Clinicaltrials (oben) und <strong>Pharma</strong>net<br />
(unten): Studienregister für die Arzneimittelzulassung<br />
Adäquate Standards für Berichte<br />
aus Studienregistern erforderlich.<br />
Und die Autorinnen und Autoren<br />
identifizierten ein zweites Problem:<br />
In dem Maße, in dem die Arzneimittelzulassung<br />
international harmonisiert<br />
wurde, konnten auch Standards<br />
für die Studienberichte etabliert werden.<br />
Für Berichte in Studienregistern<br />
fehlen diese jedoch noch, zumal viele<br />
Register in Regie der <strong>Pharma</strong>unternehmen<br />
geführt werden und eine<br />
gesetzliche Verpflichtung zur Ergebnisregistrierung<br />
bislang nur in einigen<br />
Ländern besteht.<br />
Die umfassendste gesetzliche Regelung<br />
haben seit 2007 die USA<br />
(www.clinicaltrials.gov), sagt das<br />
IQWiG. Zwar gebe es inzwischen<br />
auch in Europa (seit 2004) und in<br />
Deutschland (seit 2011) entsprechende<br />
Verpflichtungen, diese würden jedoch<br />
noch nicht umgesetzt. Hinzu<br />
komme, dass die Anforderungen,<br />
die an die Berichte im deutschen Register<br />
(www.pharmnet-bund.de) gestellt<br />
werden, nicht hoch genug seien,<br />
um für eine Nutzenbewertung<br />
ausreichende Informationen zu bekommen.<br />
Die IQWiG-Untersuchung betont:<br />
Um Berichte in Studienregistern international<br />
vergleichbar zu machen<br />
und sicherzustellen, dass ihr Informationsgehalt<br />
ausreicht, ist es dringend<br />
notwendig, geeignete einheitliche<br />
Standards weltweit verbindlich<br />
vorzuschreiben.<br />
Zumindest bei älteren Studien<br />
sind Studienberichte unerlässliche<br />
Quelle. Gesetzliche Regelungen, die<br />
die Publikation von Studienergebnissen<br />
verbindlich vorschreiben, sind<br />
vergleichsweise jung und erfassen<br />
rückwirkend Studien höchstens bis<br />
zum Jahr 2004 und diese auch nur<br />
unvollständig. Der größte Teil der<br />
aktuell eingesetzten Medikamente<br />
wurde jedoch davor klinisch erprobt,<br />
so dass Berichte aus Registern nicht<br />
oder nur eingeschränkt verfügbar<br />
sind. Aufgrund dieser Feststellungen<br />
und um dennoch Arzneimittel auf einer<br />
möglichst vollständigen Datenbasis<br />
bewerten zu können, schlägt<br />
das IQWiG vor, zumindest für diese<br />
älteren Studien die bei Zulassungsbehörden<br />
eingereichten Studienberichte<br />
öffentlich zugänglich zu machen.<br />
Da sie bei den Behörden ohnehin<br />
vorliegen, dürfte der zusätzliche<br />
Aufwand überschaubar bleiben.<br />
Quelle: BMJ 2011;344: d8141<br />
doi: 10.1136/bmj.d8141 (Published<br />
3 January 2012)<br />
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<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong> 2/12<br />
<strong>Pharma</strong> <strong>Research</strong><br />
Seite 45<br />
Versorgungsforschung: Nachweis des Nutzens<br />
Versorgungsforschung ist notwendig,<br />
um eine effiziente, qualitativ<br />
hochwertige und zukunftssichere<br />
Versorgung zu gewährleisten.<br />
Das betrifft auch die <strong>Pharma</strong>unternehmen.<br />
Obwohl Versorgungsforschung<br />
als gesellschaftliche Aufgabe<br />
zu verstehen sei, zu der alle Institutionen<br />
und Organisationen im<br />
Gesundheits- und Sozialsystem beitragen<br />
sollten, wie der Verband Forschender<br />
Arzneimittelhersteller (vfa)<br />
betont. Doch der Verband sieht auch<br />
die Chance, „um zusätzliche Erkenntnisse<br />
bei der Anwendung zugelassener<br />
Arzneimittel zu gewinnen“.<br />
Noch ist Deutschland nach Ansicht<br />
von Hanspeter Quodt, Senior Vice<br />
President und Geschäftsführer der<br />
MSD Sharp & Dohme GmbH, nicht<br />
nur in Bezug auf Umfang und Datenstand<br />
der Versorgungsforschung ein<br />
„Entwicklungsland“. Auch die wissenschaftliche<br />
Akzeptanz von Versorgungsstudien<br />
bei der Nutzenbewertung<br />
sei gering ausgeprägt. Das<br />
IQWiG beispielsweise werfe solchen<br />
Studien schnell mangelnde Relevanz<br />
vor, weil diese den Forderungen nach<br />
Randomisierung und Verblindung<br />
nicht in dem Maße nachkommen<br />
können wie RCTs (Randomized controlled<br />
trial). Schon im vergangenen<br />
Jahr forderte Quodt, dass sich daran<br />
etwas ändern müsse.<br />
Denn Ziel der Versorgungsforschung<br />
sei es, herauszufinden, was<br />
beim Patienten ankomme. Das Arzneimittel-Neuordnungsgesetz<br />
konzentriere<br />
sich auf den Nutzen. Daher<br />
müsse die Versorgungsforschung<br />
in die Nutzenbewertung einbezogen<br />
werden. Was in RCTs keinen medizinischen<br />
Nutzen belege, brauche<br />
zwar nicht mehr einer Versorgungsforschung<br />
unterzogen zu werden, aber<br />
RCTs sind laut Quodt nicht der Goldstandard<br />
zur Abbildung eines patientenrelevanten<br />
Nutzens im Versorgungsalltag.<br />
Dass Versorgungsforschung und<br />
Versorgungsstudien mit dem AM-<br />
NOG und insbesondere mit der Verordnung<br />
über die Nutzenbewertung<br />
Versorgungsforschung im<br />
AMNOG<br />
§ 35 b Kosten-Nutzen-Bewertung<br />
von Arzneimitteln<br />
(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss<br />
beauftragt auf Grund<br />
eines Antrags nach § 130 b Absatz<br />
8 das Institut für Qualität und<br />
Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen<br />
mit einer Kosten-Nutzen-Bewertung.<br />
Die Bewertung<br />
erfolgt durch Vergleich mit anderen<br />
Arzneimitteln und Behandlungsformen<br />
unter Berücksichtigung<br />
des therapeutischen Zusatznutzens<br />
für die Patienten im Verhältnis<br />
zu den Kosten; Basis für<br />
die Bewertung sind die Ergebnisse<br />
klinischer Studien sowie derjenigen<br />
Versorgungsstudien, die mit<br />
dem Gemeinsamen Bundesausschuss<br />
nach Absatz 2 vereinbart<br />
wurden oder die der Gemeinsame<br />
Bundesausschuss auf Antrag des<br />
pharmazeutischen Unternehmens<br />
anerkennt; …<br />
(2) Der Gemeinsame Bundesausschuss<br />
kann mit dem pharmazeutischen<br />
Unternehmer Versorgungsstudien<br />
und die darin zu behandelnden<br />
Schwerpunkte vereinbaren.<br />
Die Frist zur Vorlage dieser<br />
Studien bemisst sich nach der<br />
Indikation und dem nötigen Zeitraum<br />
zur Bereitstellung valider<br />
Daten; sie soll drei Jahre nicht<br />
überschreiten. Das Nähere regelt<br />
der Gemeinsame Bundesausschuss<br />
in seiner Verfahrensordnung.<br />
Die Studien sind auf Kosten<br />
des pharmazeutischen Unternehmers<br />
bevorzugt in Deutschland<br />
durchzuführen.<br />
von Arzneimitteln (Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung<br />
– AM-<br />
NutzenV) eine neue Bedeutung bekommen,<br />
betont Dr. Simone Breitkopf<br />
vom Bundesverband der <strong>Pharma</strong>zeutischen<br />
Industrie (BPI). Das betrifft beispielsweise<br />
den Nutzen eines Arzneimittels<br />
im Sinne dieser Verordnung,<br />
wenn es um den patientenrelevanten<br />
therapeutischen Effekt insbesondere<br />
hinsichtlich der Verbesserung des<br />
Gesundheitszustandes, der Verkürzung<br />
der Krankheitsdauer, der Verlängerung<br />
des Überlebens, der Verringerung<br />
von Nebenwirkungen oder einer<br />
Verbesserung der Lebensqualität geht.<br />
Dr. Dr. Norbert Banik, Head of<br />
Biostatistics & Epidemiology, Glaxo-<br />
SmithKline GmbH & Co. KG, weist<br />
darauf hin, dass Studien aus der Versorgungsforschung<br />
einen Beitrag zum<br />
Nachweis der therapeutischen Wirksamkeit<br />
oder zum Nutzen einer medizinischen<br />
Intervention leisten können.<br />
Das gilt vor allem dann, wenn innerhalb<br />
von sechs Monaten nach Nutzenbewertung<br />
lt. § 35 a (mit oder ohne<br />
festgestelltem Zusatznutzen) keine<br />
Einigung über den Preis erzielt wurde<br />
und ein Schiedsspruch vorliegt. In diesem<br />
Verfahren, in dem eine Kosten-<br />
Nutzen-Bewertung nach § 35 b beantragt<br />
werden kann, sind dazu dann<br />
Versorgungsstudien (§ 130 b) gefragt.<br />
Der früheste Beginn einer Versorgungsstudie<br />
ist demnach neun Monate<br />
nach einer initialen Nutzenbewertung<br />
und 15 Monate nach Markteinführung.<br />
Die Ergebnisse einer Versorgungsstudie<br />
lassen sich dann nach einem<br />
Jahr nach Veröffentlichung der<br />
Nutzenbewertung, also frühestens 18<br />
Monate nach Markteinführung eines<br />
neuen Arzneimittels, vorlegen.<br />
Banik macht aber deutlich, was die<br />
Voraussetzungen für einen sinnvollen<br />
Einsatz sind:<br />
- Eine zweckmäßige Vergleichstherapie<br />
muss tatsächlich eine zweckmäßige<br />
Vergleichstherapie und nicht<br />
ein wirtschaftliches oder medizinisches<br />
Konstrukt sein, dass sich gar<br />
nicht sinnvoll vergleichend studieren<br />
lässt<br />
- Versorgungsrealität und methodische<br />
Aspekte müssen prioritär beachtet<br />
werden – und nicht primär direkte<br />
Kosten … oder Opportunität<br />
- An der Realisierbarkeit von „Versorgungsstudien“,<br />
die aus der Festlegung<br />
der zweckmäßigen Vergleichstherapie<br />
resultieren würden, könne<br />
sehr leicht überprüft werden, ob<br />
deren Wahl plausibel war („Versorgungsstudien-Test“<br />
für zweckmäßige<br />
Vergleichstherapie)<br />
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<strong>Pharma</strong> <strong>Research</strong><br />
Seite 46<br />
<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong> 2/12<br />
„Steigende Tendenz, Versorgungsforschung zu betreiben“<br />
Interview mit<br />
Friedhelm Leverkus,<br />
Director<br />
Health Economics<br />
& Outcomes<br />
& <strong>Research</strong> bei<br />
Pfizer Deutschland<br />
<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong>: Versorgungsforschung<br />
untersucht die Gesundheitsversorgung<br />
auf Qualität und Effizienz.<br />
Sind das Daten, die die Industrie<br />
interessieren müssen?<br />
Leverkus: Diese Definition ist aus<br />
meiner Sicht ein wenig zu eng gefasst.<br />
Als forschendes <strong>Pharma</strong>unternehmen<br />
entwickeln wir innovative<br />
Medikamente und tragen durch Qualitäts-<br />
und Effizienzsteigerung zu einer<br />
verbesserten Gesundheitsversorgung<br />
bei. Darüber hinaus sind wir natürlich<br />
daran interessiert, wie unsere<br />
Medikamente unter Alltagsbedingungen<br />
in der Praxis eingesetzt und welche<br />
gesundheitsrelevanten und ökonomischen<br />
Ergebnisse bei Patienten<br />
erzielt werden. Und wir wollen auch<br />
wissen, wo tatsächlich eine Unterversorgung<br />
vorliegt und wie man Behandlungsabläufe<br />
optimieren kann.<br />
<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong>: Schätzungen besagen,<br />
dass der Anteil für Versorgungsforschung<br />
bei den <strong>Pharma</strong>unternehmen<br />
derzeit unter 1% an allen<br />
Forschungsaufwendungen beträgt.<br />
Reicht das?<br />
Leverkus: Die Aufgabe der <strong>Pharma</strong>industrie<br />
besteht primär in der<br />
Entwicklung von innovativen Medikamenten.<br />
Wir sehen die Versorgungsforschung<br />
aber als einen Bereich<br />
an, der sich in Deutschland<br />
noch entwickeln muss und den sich<br />
Pfizer schrittweise erschließen kann.<br />
<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong>: Wie soll das aussehen?<br />
Leverkus: Pfizer hat in den letzten<br />
Jahren das Engagement in der Versorgungsforschung<br />
intensiviert und wird<br />
sich auch in Zukunft verstärkt damit<br />
auseinandersetzen. Wir sehen grundsätzlich<br />
eine steigende Tendenz, Versorgungsforschung<br />
zu betreiben.<br />
<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong>: Kann es sein, dass<br />
der aktuelle und zukünftige Stellenwert<br />
der Versorgungsforschung noch<br />
unklar ist?<br />
Leverkus: Hier kann ich nur für Pfizer<br />
Deutschland sprechen: Wir haben<br />
keinen Zweifel an der Sinnhaftigkeit<br />
von Versorgungsstudien – die Erkenntnisse<br />
unterstützen uns in unserer Kern-<br />
Aufgabe, nämlich der Entwicklung innovativer<br />
Medikamente und der bestmöglichen<br />
Behandlung von Patienten.<br />
Wir gehen davon aus, dass die Bedeutung<br />
von Versorgungsstudien in Zukunft<br />
noch steigen wird. Offen ist allerdings,<br />
wie und in welchem Umfang<br />
die Ergebnisse von Versorgungsforschung<br />
in die tatsächliche Behandlung<br />
oder Entwicklung von Versorgungsformen<br />
umgesetzt werden.<br />
<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong>: Ist insbesondere im<br />
Zusammenhang mit der frühen Nutzenbewertung<br />
die Versorgungsforschung<br />
für <strong>Pharma</strong>unternehmen unumgänglich,<br />
um die Zulassungsbehörden<br />
vom Nutzen, von der Qualität<br />
und der Wirtschaftlichkeit eines Medikamentes<br />
zu überzeugen?<br />
Leverkus: Für die frühe Nutzenbewertung<br />
spielen die Phase-III-Studien<br />
eine weit größere Rolle als Versorgungsstudien.<br />
Randomisierte Studien<br />
werden im deutschen Versorgungskontext<br />
nach wie vor unumgänglich<br />
sein. Es ist daher nicht vorstellbar,<br />
dass nicht-randomisierte Studien im<br />
Vergleich einen größeren Stellenwert<br />
einnehmen. Schließlich werden in diesen<br />
Studien nicht die Medikamente,<br />
sondern die Patienten, die ein gewisses<br />
Medikament erhalten, verglichen.<br />
Bei der frühen Nutzenbewertung<br />
sehe ich im Zusammenhang mit der<br />
Versorgungsforschung und epidemiologischen<br />
Forschung andere Vorteile:<br />
Hier geht es beispielsweise eher<br />
um Prävalenzschätzungen, Identifikation<br />
von Patientengruppen mit einer<br />
Unterversorgung, Häufigkeiten<br />
des Einsatzes von Vergleichstherapien<br />
und Kosten der Behandlung.<br />
<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong>: Kann Versorgungsforschung<br />
dabei helfen, den Marktzugang<br />
zu erleichtern?<br />
Leverkus: Das Ziel von Forschung<br />
ist in erster Linie Erkenntnisgewinn.<br />
Darauf aufbauend geht es dann darum,<br />
wie man die Versorgung von Patienten<br />
optimiert.<br />
<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong>: Versorgungsforschung<br />
wird gerne als gesellschaftliche<br />
Aufgabe dargestellt, womöglich,<br />
um die Kosten anderen aufbürden zu<br />
können. Ist Versorgungsforschung<br />
eine Aufgabe der Industrie, auch um<br />
die Akzeptanz beim Patienten und<br />
Verbraucher zu verbessern?<br />
Leverkus: Ich antworte auf derartige<br />
Positionen mit einer Gegenfrage:<br />
Ist der Straßenbau Aufgabe der<br />
Autohersteller? Und die Erforschung<br />
der Mobilität? Letzteres schon eher.<br />
Und so beteiligen auch wir uns an<br />
Versorgungsforschung. Aber ganz<br />
klar: Das Thema ist eine große Aufgabe.<br />
Das Gesundheitswesen schafft<br />
die Versorgungsstrukturen, die untersucht<br />
werden sollen. Es würde<br />
auch gar keinen Sinn machen, wenn<br />
wir alleine mit unseren Fragestellungen<br />
in diesem Bereich forschen würden.<br />
Mit der Akzeptanz bei Patienten<br />
hat das wenig zu tun. Die Akzeptanz<br />
von modernen Arzneimitteln und den<br />
Leistungen der forschenden Arzneimittelhersteller<br />
in der Bevölkerung<br />
ist gut.<br />
<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong>: Wie können <strong>Pharma</strong>unternehmen<br />
Versorgungsforschung<br />
angehen?<br />
Leverkus: Das kann man parallel<br />
zur Entwicklung eines Medikamentes<br />
betrachten. Auch Versorgungsstudien<br />
müssen hohen wissenschaftlichen<br />
Ansprüchen genügen.<br />
<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong>: Wo sehen Sie die<br />
größten Fallstricke?<br />
Leverkus: In der Methodik. Es<br />
kann schwierig sein, valide Schlüsse<br />
aus Versorgungsdaten zu ziehen.<br />
<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong>: Wie macht das Pfizer?<br />
Leverkus: Wir setzten uns intern<br />
intensiv mit den methodischen<br />
Grundlagen auseinander und haben<br />
Standardprozesse in dem Bereich<br />
eingeführt. Wir werden auch hier in<br />
den nächsten Jahren die Aktivitäten<br />
intensivieren, um auch die Methodik<br />
weiterzuentwickeln und einheitliche<br />
Prozesse zu schaffen.<br />
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<strong>PM</strong>-<strong>Report</strong> 2/12<br />
<strong>Pharma</strong> <strong>Research</strong><br />
Seite 47<br />
Preisverhandlungen: Will die Union den Marktzugang erleichtern?<br />
Die Premiere der Preisverhandlung<br />
zwischen <strong>Pharma</strong>hersteller<br />
und GKV-Spitzenverband ist<br />
in die erste Runde gegangen: AstraZeneca<br />
verhandelt über seinen<br />
Thrombozyten aggregationshemmer<br />
Ticagrelor (Brilique TM ). Spätestens<br />
Ende Juni soll das Ergebnis vorliegen.<br />
Bisher stehen für 21 innovative<br />
Wirkstoffe Preisverhandlungen an.<br />
Beide Parteien betonen, dass es<br />
um den fairen Preis geht. Aber Johann-Magnus<br />
von Stackelberg, stellvertretender<br />
Vorstandsvorsitzender<br />
des GKV-Spitzenverbandes, setzt auf<br />
Konfrontation: „Faire Preise heißt für<br />
uns, dass sich die Gewinne der <strong>Pharma</strong>industrie<br />
am Zusatznutzen für die<br />
Patienten orientieren und nicht an<br />
den Wunschvorstellungen der Aktionäre.“<br />
Dr. Claus Runge (Foto),<br />
Vice President Corporate Affairs and<br />
Communications, Geschäftsleitung<br />
von AstraZeneca, betonte gegenüber<br />
der Frankfurter Rundschau, sein Unternehmen<br />
möchte einen „fairen<br />
Preis“ ansetzen, der „... adäquat den<br />
Zusatznutzen des Präparats widerspiegelt,<br />
der beträchtlich ist für die<br />
überwiegende Mehrheit der Patienten<br />
mit akutem Koronarsyndrom gegenüber<br />
den jetzigen Standardtherapien.<br />
Wir sind guter Dinge.“ Dass<br />
es nicht einfach werden wird, das ist<br />
aber auch Runge klar: „Das werden<br />
sehr intensive Gespräche werden.“<br />
Dabei gibt es vor allem zwei<br />
Knackpunkte: Bei der Nutzenbewertung<br />
ist es die Wahl der Vergleichstherapie,<br />
bei den Rabattverhandlungen<br />
die Frage, welche Preise aus dem<br />
europäischen Ausland als Bezugsgröße<br />
herangezogen werden können.<br />
Die Frage der europäischen Bezugspreise<br />
blieb bei den Verhandlungen<br />
zur Rahmenvereinbarung offen.<br />
Sie soll in Kürze durch die mit<br />
dem AMNOG ebenfalls eingeführte<br />
Schiedsstelle entschieden werden.<br />
Der siebenköpfigen Schiedsstelle,<br />
der jeweils zwei Vertreter der Kassen<br />
und der Industrie angehören, steht<br />
Manfred Zipperer, ehemaliger Abteilungsleiter<br />
im Bundesministerium<br />
für Gesundheit, als unparteiischer<br />
Vorsitzender vor. Vervollständigt<br />
wird das Gremium von zwei weiteren<br />
unparteiischen Teilnehmern.<br />
Die Schiedsstelle ist auch gefragt,<br />
falls sich Hersteller und Krankenkassen<br />
nicht auf den Erstattungspreis<br />
einigen können. Innerhalb von<br />
drei Monaten nach Scheitern der<br />
Verhandlungen muss sie einen Erstattungspreis<br />
festsetzen. Dies gilt<br />
rückwirkend ab dem 13. Monat nach<br />
Markteinführung des Medikamentes.<br />
Die Differenz zwischen dem letztlich<br />
gültigen Erstattungsbetrag und dem<br />
ursprünglichen Herstellerlistenpreis<br />
müssen die Hersteller den Krankenkassen<br />
zurückerstatten.<br />
Runge: „Das werden sehr intensive Gespräche<br />
werden.“<br />
Jetzt könnte es für den Marktzugang<br />
mehr Klarheit und eine Vereinfachung<br />
geben. Ein Positionspapier<br />
der AG Gesundheit der CDU/CSU-<br />
Bundestagsfraktion, deren Vorsitzender<br />
der gesundheitspolitische Sprecher<br />
der CDU, Jens Spahn, ist, will<br />
Fehlentwicklungen und Versäumnisse<br />
aufgreifen und diskutieren. Beispielsweise<br />
soll für Preisverhandlungen<br />
künftig der in vier vergleichbaren<br />
Staaten der Europäischen Union<br />
gezahlte Preis herangezogen werden.<br />
Damit soll verhindert werden,<br />
dass das relativ geringe Preisniveau<br />
von Ländern wie Rumänien und Bulgarien<br />
als Vergleichsgröße verwendet<br />
wird. Zudem sollen zwischen <strong>Pharma</strong>unternehmen<br />
und Krankenkassen<br />
ausgehandelte Rabatte für Arzneimittel<br />
mit einem Zusatznutzen geheim<br />
bleiben dürfen. Bei Biosimilars<br />
sollen erst zwei Jahre nach Patentablauf<br />
des Originals Rabattverträge eingesetzt<br />
werden dürfen. In dem Positionspapier<br />
plädieren die Unionspolitiker<br />
auch dafür, so früh wie möglich<br />
die Vergleichstherapie festzulegen,<br />
also gegen welches Präparat ein neues<br />
Medikament antreten soll – und<br />
das verbindlich für beide Seiten.<br />
Die Krankenkassen finden diese<br />
Änderungsgedanken gar nicht lustig.<br />
So sieht der AOK-Bundesverband in<br />
den Plänen eine Aufweichung der Nutzenbewertung<br />
neuer Arzneimittel und<br />
die Einschränkung von Arzneimittelrabattverträgen.<br />
Poltert Uwe Deh, geschäftsführender<br />
Vorstand des AOK-<br />
Bundesverbandes: „Das jetzt bekannt<br />
gewordene Positionspapier der<br />
CDU/CSU-Bundestagsfraktion liest<br />
sich wie eine Wünsch-dir-was-Liste<br />
der <strong>Pharma</strong>industrie und der Apotheken-Lobby.“<br />
Diese Kritik empfindet<br />
Spahn als „krass“ und „langsam problematisch“.<br />
Diskussion müsse möglich<br />
sein: „Wer Antibiotika-Forschung<br />
befördern will, darf dann nicht als<br />
Vergleichstherapie und Ausgangspreis<br />
die auf dem Markt befindlichen Produkte<br />
aus dem letzten Jahrtausend als<br />
absoluten Maßstab setzen. Denn Unternehmen<br />
werden nur dort nach wirklichen<br />
Innovationen forschen, wenn es<br />
auch die Chance auf angemessene Ertragschancen<br />
gibt.“<br />
Problematisch bleiben die Preisverhandlungen<br />
ohnedies. Der BPI sieht<br />
sie skeptisch, da der GKV-Spitzenverband<br />
die Rolle als Monopolist inne<br />
und dadurch eine „extreme Marktmacht“<br />
habe. Henning Fahrenkamp,<br />
BPI-Hauptgeschäftsführer, beobachtet<br />
die Verhandlungen mit Argusaugen:<br />
„Bei dieser Machtfülle braucht es<br />
Verantwortung und Augenmaß beim<br />
GKV-Spitzenverband. Sicherlich ist<br />
die Versuchung groß, die eigene Position<br />
zum Spardiktat zu verwenden.<br />
Doch muss er dieser Versuchung widerstehen,<br />
denn eines muss auch ihm<br />
klar sein, die Patienten, seine Versicherten,<br />
brauchen Innovationen. Wir<br />
als BPI werden genau beobachten,<br />
wie sich die Dinge entwickeln.“<br />
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