Kapitel 3 Modellierung elektrohydraulischer Bauteile - ACIN
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<strong>Kapitel</strong> 3<br />
<strong>Modellierung</strong> <strong>elektrohydraulischer</strong><br />
<strong>Bauteile</strong><br />
Nachdem im vorigen <strong>Kapitel</strong> die Grundlagen zur Beschreibung einer Strömung anhand<br />
der Bilanzgleichungen sowie der Materialmodelle erfolgte, beschäftigt sich dieses <strong>Kapitel</strong><br />
mit der mathematischen <strong>Modellierung</strong> der wichtigsten (elektro-)hydraulischen <strong>Bauteile</strong>.<br />
3.1 Konstantes hydraulisches Volumen<br />
Das einfachste hydraulische Bauteil ist ein konstantes Volumen, welches mit Hydraulikflüssigkeit<br />
gefüllt ist, siehe Abbildung 3.1. Für die mathematische <strong>Modellierung</strong> dieses<br />
Bauteils werden die folgenden Annahmen getroffen:<br />
1. Die Berandung des Volumens V ist starr, d.h. das Volumen ist konstant, V =<br />
konstant.<br />
2. Die Flüssigkeit innerhalb des Volumens befindet sich in Ruhe, womit im gesamten<br />
Volumen der gleiche Druck p herrscht.<br />
3. Das Volumen ist thermisch isoliert und alle thermodynamischen Prozesse sind reversibel.<br />
Unter diesen Annahmen kann die Flüssigkeit innerhalb des Volumens V durch ein isentropes<br />
Materialmodell mit einem konstanten Kompressionsmodul β nach Abschnitt 2.3.1<br />
beschrieben werden, vgl. [1], [2], [10]. Verwendet man die Massenerhaltung in Eulerscher<br />
Darstellung � �<br />
∂<br />
ρdv = − ρ〈u,n〉da<br />
∂t V ∂V<br />
(3.1)<br />
und beachtet, dass ρ ortsunabhängig ist, so folgt<br />
V ∂<br />
�<br />
ρ = − ρ〈u,n〉da.<br />
∂t<br />
(3.2)<br />
∂V<br />
34
3.1 Konstantes hydraulisches Volumen Seite 35<br />
q1<br />
q2<br />
p<br />
Abbildung 3.1: Konstantes mit Flüssigkeit gefülltes hydraulisches Volumen.<br />
Des Weiteren wird angenommen, dass das Volumen n Anschlüsse besitzt über die Hydraulikflüssigkeit<br />
(Öl) zu- bzw. abgeführt werden kann, d.h. es gilt<br />
�<br />
−<br />
∂V<br />
ρ〈u,n〉da = ρ<br />
i=1<br />
V<br />
qn<br />
qi<br />
n�<br />
�<br />
− 〈u,n〉da . (3.3)<br />
�<br />
∂Vi<br />
�� �<br />
Darin bezeichnet qi den Volumenstrom des i-ten Anschlusses. Unter Verwendung des Materialgesetzes<br />
(2.85) folgt dann die Differentialgleichung zur Beschreibung des konstanten<br />
Volumens in der Form 1<br />
d β<br />
p =<br />
dt V<br />
qi<br />
n�<br />
qi. (3.4)<br />
Die innerhalb des Volumens gespeicherte innere Energie E ergibt sich aus der spezifischen<br />
inneren Energie e zu<br />
E = ρVe = V<br />
i=1<br />
� �<br />
β e p � �<br />
β −1 −p , (3.5)<br />
vgl. Aufgabe 2.6. Für die späteren Betrachtungen ist noch die Änderung der inneren<br />
Energie entlang von Lösungskurven (Trajektorien) des Systems (3.4) von Interesse<br />
d ∂Edp<br />
E =<br />
dt ∂p dt<br />
= V<br />
�<br />
e p<br />
β −1<br />
�<br />
dp<br />
. (3.6)<br />
dt<br />
Durch Einsetzen von (3.4) und unter Verwendung der spezifische Enthalpie h in der Form<br />
kann folgender Zusammenhang<br />
gefunden werden.<br />
h(p) = β<br />
�<br />
e<br />
ρ<br />
p �<br />
β −1 = β<br />
�<br />
1−e<br />
ρ0<br />
d<br />
E = h(p)ρ<br />
dt<br />
n�<br />
i=1<br />
qi<br />
p<br />
−β �<br />
, (3.7)<br />
(3.8)<br />
1 Da sowohl der Druck p als auch die Dichte ρ ortsunabhängige Größen sind, entspricht die partielle<br />
Differentiation nach der Zeit t der absoluten Zeitableitung.<br />
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Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik, TU Wien
3.2 Hydraulische Speicher Seite 36<br />
Bemerkung 3.1 Offensichtlich ergibt das Produkt der spezifischen Enthalpie h und des<br />
Massenstroms ˙m = ρ �n i=1qi die dem System zugeführte Leistung. Ein Paar von Systemgrößen<br />
deren Produkt eine Leistung beschreibt wird auch als kollokiert bezeichnet. Man<br />
beachte, dass in vielen Standardwerken der Hydraulik das Produkt pq als die dem System<br />
zugeführte Leistung bezeichnet wird. Diese Näherung ist jedoch nur bei inkompressiblen<br />
Flüssigkeiten richtig.<br />
Beispiel 3.1 In diesem Beispiel soll berechnet werden, wieviel Energie in einem hydraulischen<br />
Volumen V = 1 l bei einem Druck von p = 300 bar gespeichert werden kann. Dazu<br />
wird angenommen, dass die Hydraulikflüssigkeit den Kompressionsmodul β = 1.6·10 9 Pa<br />
und eine Dichte ρ0 = 900 kg/m 3 bei Umgebungsdruck p0 = 0 bar aufweist.<br />
Einfaches Einsetzen in (3.5) liefert<br />
E = 283J. (3.9)<br />
Dies ist natürlich ein sehr geringer Wert, insbesondere im Hinblick auf den relativ hohen<br />
Druck von p = 300 bar. 2 Vergleicht man zusätzlich die Differenz zwischen der Masse m0<br />
an Flüssigkeit im Volumen bei p = 0 bar mit der Masse m300 bei p = 300 bar, so erhält<br />
man<br />
∆m = m300 −m0 = 0.917−0.9 = 0.017kg. (3.10)<br />
Es kann also nur sehr wenig Hydraulikflüssigkeit in einem konstanten hydraulischen Volumen<br />
gespeichert werden, womit sich dieses Bauteil nur sehr schlecht als Energie- oder<br />
Massenspeicher eignet. Die Ursache dafür ist der hohe Kompressionsmodul β von Hydraulikflüssigkeiten.<br />
3.2 Hydraulische Speicher<br />
In vielen hydraulischen Anwendungen ist es notwendig hydraulische Energie effizient zu<br />
speichern. Dies ist unter Anderem zur Stabilisierung von hydraulischen Versorgungen<br />
oder zur Speicherung von Energie in aktiven Radaufhängungssystemen notwendig. Wie<br />
das Beispiel 3.1 gezeigt hat, ist ein konstantes hydraulisches Volumen ungeeignet für diese<br />
Aufgabe. Die Ursache dafür ist der extrem hohe Kompressionsmodul von Hydraulikflüssigkeiten.<br />
Da Gase einen wesentlich geringeren Kompressionsmodul als Flüssigkeiten besitzen,<br />
besteht die Grundidee zur Konstruktion eines effizienten hydraulischen Speichers<br />
in der Kombination von hydraulischen und pneumatischen Teilsystemen. Ein hydraulischer<br />
Speicher besteht also im Wesentlichen aus einer mit Gas (Stickstoff N2) gefüllten<br />
Kammer und einer mit Hydraulikflüssigkeit gefüllten Kammer, welche durch einen beweglichen<br />
Kolben oder eine deformierbare Kunststoffblase getrennt sind. Je nach Ausführung<br />
werden diese Speicher als Kolben- oder Blasenspeicher bezeichnet. In Abbildung 3.2 ist<br />
eine Prinzipskizze eines hydraulischen Kolbenspeichers dargestellt.<br />
2 Die typische Energiedichte (Energie pro Masse) von Lithiumionen-Akkumulatoren bewegt sich im<br />
Bereich von 300 kJ/kg.<br />
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3.2 Hydraulische Speicher Seite 37<br />
Nimmt man an, dass das System thermisch isoliert ist und alle thermodynamischen Prozesse<br />
reversibel sind, so kann das Gas innerhalb des Gasvolumens durch die Adiabatengleichung<br />
nach Poisson, siehe [11], beschrieben werden<br />
pgV κ<br />
g<br />
Gasvolumen<br />
Kolben<br />
Ölvolumen<br />
= pg0V κ<br />
g0 = ζ0. (3.11)<br />
pg<br />
mp<br />
po<br />
Gasanschluss<br />
qa<br />
sp,wp<br />
Ap<br />
Ölanschluss<br />
Abbildung 3.2: Prinzipskizze eines Kolbenspeichers.<br />
Darin bezeichnet pg den Druck und Vg das Volumen des Gases. Die Vorfüllbedingungen<br />
pg0 und Vg0 sind in der Konstanten ζo zusammengefasst. Der Isentropenkoeffizient κ des<br />
Gases errechnet sich für ein ideales, zweiatomiges Gas zu 7/5, siehe z.B. [5]. In einem<br />
realen Gas wie Stickstoff N2 führen die Interaktionen der Moleküle jedoch dazu, dass der<br />
Isentropenkoeffizient κ mit steigendem Druck p ansteigt und mit steigender Temperatur<br />
θ abfällt, siehe Abbildung 3.3.<br />
ImpraktischenBetriebeineshydraulischenSpeicherstretennurrelativgeringeDruck-und<br />
Temperaturänderungen auf, weswegen eine Approximation mit einem konstanten Isentropenkoeffizienten<br />
κ zu einer hinreichend genauen Beschreibung des Verhaltens des Gases<br />
führt. Dieser konstante Wert muss jedoch an den Arbeitsbereich des hydraulischen Speichers<br />
angepasst werden, vgl. [3]. In Abbildung 3.4 ist ein Vergleich dieser Approximation<br />
(κ = 2.4) mit der exakten (numerischen) Lösung und dem Verhalten eines idealen Gases<br />
(κ = 1.4) dargestellt. Man erkennt, dass die Approximation eine sehr gute Näherung des<br />
realen Verhaltens darstellt, während das ideale Gas (κ = 1.4) nicht zur Beschreibung<br />
geeignet ist.<br />
Das aktuelle Volumen Vg des Gases ist durch<br />
Vg = Apsp, (3.12)<br />
mit der Kolbenposition sp und der Kolbenfläche Ap gegeben. Unter der Annahme, dass<br />
die Masse des Gases konstant ist und unter der Verwendung von (3.11) ergibt sich der<br />
Druck pg zu<br />
pg =<br />
ζ0<br />
(Apsp) κ. (3.13)<br />
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enko<br />
3.2 Hydraulische Speicher Seite 38<br />
Druck pg in bar<br />
Isentropenkoeffizient κ<br />
460<br />
440<br />
420<br />
400<br />
380<br />
360<br />
340<br />
320<br />
300<br />
280<br />
3.5<br />
3.0<br />
2.5<br />
2.0<br />
1.5<br />
450 bar<br />
330 bar<br />
200 bar<br />
100 bar<br />
50 bar<br />
1 bar<br />
200 300 400 500 600 700<br />
Temperatur θ in K<br />
Abbildung 3.3: Isentropenkoeffizient κ für Stickstoff.<br />
Gasvolumen Vg in l<br />
Exakte Lösung<br />
κ = 2.4<br />
κ = 1.4<br />
14 14.5 15 15.5 16 16.5 17<br />
Abbildung 3.4:Volumen des Gases ineinem hydraulischen Speicher: Vergleich der exakten<br />
LösungmitderLösungunter AnnahmederoptimiertenIsentropengleichung (κ = 2.4)und<br />
der Isentropengleichung eines idealen Gases (κ = 1.4).<br />
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3.2 Hydraulische Speicher Seite 39<br />
Das aktuelle Volumen des Öls Vo berechnet sich aus der Differenz des Ölvolumens Va für<br />
sp = 0 und des Gasvolumens Vg<br />
Vo = Va −Vg = Va −Apsp. (3.14)<br />
Schreibt man die Massenerhaltung für das Ölvolumen an und verwendet das Materialgesetz<br />
einer isentropen Flüssigkeit, so erhält man 3<br />
d<br />
dt po =<br />
β<br />
Va −Apsp<br />
(Apwp +qa). (3.15)<br />
Darin bezeichnet wp = ˙sp die Geschwindigkeit des Kolbens. Das mathematische Modell<br />
des Kolbenspeichers wird durch die Impulserhaltung des Kolbens<br />
d<br />
dt sp = wp<br />
(3.16a)<br />
d<br />
dt wp = 1<br />
((pg −po)Ap −ff) (3.16b)<br />
mp<br />
mit der Masse mp des Kolbens und den auf den Kolben wirkenden Reibungskräften ff<br />
vervollständigt.<br />
In vielen Anwendungen sind die Beschleunigungskräfte des Kolbens sehr gering. Des Weiteren<br />
werden die Dichtungen des Kolbens reibungsoptimiert ausgeführt, sodass auch die<br />
Reibungskräfte ff vernachlässigbar sind. Damit kann für die Herleitung eines vereinfachten<br />
Modells des hydraulischen Speichers die Annahme pg = po = pa, mit dem Druck pa<br />
im Speicher, verwendet werden. Betrachtet man nochmals die Massenerhaltung<br />
und verwendet<br />
d<br />
dt (ρVo) = ρqa<br />
Vg =<br />
sowie (3.14), so erhält man das vereinfachte Modell des Kolbenspeichers in der Form<br />
d<br />
dt pa =<br />
� ζ0<br />
pa<br />
� 1<br />
κ<br />
κβpaqa<br />
�<br />
ζ0 κpaVa +(β −κpa)<br />
pa<br />
(3.17)<br />
(3.18)<br />
� 1 . (3.19)<br />
κ<br />
Aufgabe 3.1 Leiten Sie das vereinfachte mathematische Modell aus dem vollständigen<br />
Modell her.<br />
3 Zur Beschreibung eines veränderlichen Volumens in welches Masse zu- und abgeführt wird, eignet<br />
sich weder die Eulersche noch die Lagrangesche Beschreibung der Massenerhaltung. Hier muss eine Kombination<br />
aus beiden Beschreibungen verwendet werden.<br />
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3.2 Hydraulische Speicher Seite 40<br />
Alternativ zu einem bewegten Kolben kann auch eine deformierbare Kunststoffblase zur<br />
Trennung des Öl- und Gasvolumens verwendet werden. Der prinzipielle Aufbau eines solchen<br />
Blasenspeichers ist in Abbildung 3.5 gegeben. Nimmt man an, dass zur Deformation<br />
der Kunststoffblase keine Kräfte notwendig sind, dann gilt wie schon beim vereinfachten<br />
Modell des Kolbenspeichers pg = po = pa. Das mathematische Modell eines Blasenspeichers<br />
ist daher äquivalent zum vereinfachten Modell eines Kolbenspeichers (3.19).<br />
Gasvolumen<br />
Ölvolumen<br />
pg<br />
po<br />
Gasanschluss<br />
qa<br />
Blase<br />
Ölanschluss<br />
Abbildung 3.5: Prinzipskizze eines Blasenspeichers.<br />
Für das vereinfachte Modell eines hydraulischen Speichers (3.19) soll nun noch die gespeicherte<br />
Energie berechnet werden. Die gesamte Energie E eines hydraulischen Speichers<br />
kann als Summe der Energie Eg des Gasvolumen<br />
und der Energie Eo des Ölvolumen<br />
�<br />
Eo =<br />
Eg =<br />
pa<br />
� ζ0<br />
pa<br />
κ−1<br />
� 1<br />
κ<br />
� � � 1<br />
κ � �<br />
ζ0<br />
Va − β e<br />
pa<br />
pa � �<br />
β −1 −pa<br />
(3.20)<br />
(3.21)<br />
berechnet werden, siehe [2], [3]. Die Änderung der gesamten Energie E = Eg+Eo entlang<br />
einer Lösungskurve des Systems berechnet sich zu<br />
d<br />
dt E = h(pa)ρqa, (3.22)<br />
wobei die spezifische Enthalpie h des Öls durch (3.7) gegeben ist.<br />
Beispiel 3.2 In diesem Beispiel sollen die Volumina sowie die gespeicherte Energie im<br />
Öl- und Gasvolumen eines hydraulischen Speichers ermittelt werden. Der betrachtete hydraulische<br />
Speicher besitzt folgende Daten:<br />
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olumen<br />
3.2 Hydraulische Speicher Seite 41<br />
Volumen in l<br />
• Gesamtvolumen Va = 1 l<br />
• Isentropenkoeffizient κ = 2<br />
• Vorfüllbedingungen: Vorfülldruck pg0 = 150 bar, Vorfüllvolumen Vg0 = Va = 1 l,<br />
Vorfüllbedingung ζ0 = 15<br />
• Kompressionsmodul des Öls β = 1.6·10 9 Pa<br />
• Dichte des Öls ρ0 = 900 kg/m 3<br />
Beim Vorfüllduck pg0 füllt das Gasvolumen den gesamten Speicher aus und somit ist kein<br />
Öl im Speicher vorhanden, d.h. Vo = 0. Auf der linken Seite der Abbildung 3.6 sind die<br />
Verläufe des Ölvolumens und des Gasvolumens als Funktion des Druckes pa dargestellt.<br />
Bei steigendem Druck wird die Gasblase komprimiert und Öl strömt in den Speicher. Mit<br />
diesem einen Liter großen Speicher können also bei pa = 300 bar ca. 263 g Öl gespeichert<br />
werden.<br />
1.0<br />
0.8<br />
0.6<br />
0.4<br />
Vg<br />
Druck in bar<br />
Energie in kJ<br />
2<br />
Vo<br />
0.2<br />
1<br />
Eo<br />
0<br />
0<br />
150 200 250 300 150 200 250 300<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
Druck in bar<br />
Abbildung 3.6: Vergleich der Volumina (links) und der Energien (rechts) des Ölvolumens<br />
und des Gasvolumens eines hydraulischen Speichers.<br />
Des Weiteren ist auf der rechten Seite von Abbildung 3.6 ein Vergleich der gespeicherten<br />
Energie im Speicher dargestellt. Man erkennt unmittelbar, dass der bei weitem größte<br />
Teil der Energie im Gasvolumen gespeichert wird, während nur eine sehr kleine Menge<br />
von Energie im Öl gespeichert wird. Bei einem Druck von pa = 300 bar kann mit dem<br />
gewählten Speicher eine Energie von ca. 6.3 kJ gespeichert werden. Vergleicht man dieses<br />
Ergebnis mit jenem des konstanten hydraulischen Volumens von Beispiel 3.1, so sieht<br />
man, dass mit einem hydraulischen Speicher eine wesentlich effizientere Speicherung von<br />
Energie möglich ist.<br />
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E<br />
Eg
3.3 Hydraulikzylinder Seite 42<br />
3.3 Hydraulikzylinder<br />
Die Umwandlung von hydraulischer Energie in mechanische (Bewegungs-) Energie ist eine<br />
wesentliche Aufgabe in elektrohydraulischen Systemen. Das am häufigsten für diese Aufgabenstellung<br />
verwendete Bauteil ist ein Hydraulikzylinder wie er z.B. in Abbildung 3.7<br />
dargestellt ist. Dieunterschiedlichen BauformenvonHydraulikzylindern können einerseits<br />
in einfach bzw. doppelt wirkende Zylinder und andererseits in Einstangen- bzw. Zweistangenzylinder<br />
unterteilt werden. In der rechten Seite von Abbildung 3.7 ist die Prinzipskizze<br />
einesdoppeltwirkendenZweistangenzylinders mitunterschiedlichen Kolbenstangendurchmessern<br />
dargestellt. Obwohl diese Bauform kaum in praktischen Anwendungen eingesetzt<br />
wird, stellt sie die allgemeinste Bauform dar. Die mathematischen Modelle aller anderen<br />
Bauformen können sehr einfach vom Modell dieser Bauform abgeleitet werden.<br />
˙ml1<br />
sp,wp<br />
q1<br />
p1 p2<br />
Abbildung 3.7: Schnittbild (links) und Prinzipskizze (rechts) eines Hydraulikzylinders.<br />
Die Massenerhaltung für die Kammer 1 ergibt sich zu<br />
d<br />
dt (ρ1(p1)V1) = d<br />
dt (ρ1(p1)(V01 +A1sp)) = q1ρ1 − ˙ml,1 − ˙ml,12, (3.23)<br />
mit dem Druck p1, der Dichte ρ1 des Öls in Kammer 1, dem Volumen V1 = V01 + A1sp<br />
der Kammer 1, der effektiven Kolbenfläche A1, der Position sp des Kolben und dem<br />
Offsetvolumen V01 der Kammer 1 für sp = 0. Des Weiteren bezeichnet q1 den in die<br />
Kammer1zufließendenVolumenstromund ˙ml,1 bzw. ˙ml,12 sinddieLeckage-Massenströme<br />
aus der Kammer 1 in die Umgebung bzw. in die Kammer 2. Verwendet man wiederum<br />
das Materialgesetz des Öls (2.85), so erhält man die Differentialgleichung des Druckes p1<br />
in der Kammer 1<br />
d<br />
dt p1 =<br />
β<br />
V01 +A1sp<br />
�<br />
−A1wp − ˙ml,12<br />
ρ1<br />
− ˙ml,1<br />
ρ1<br />
˙ml12<br />
q2<br />
˙ml2<br />
�<br />
+q1 , (3.24)<br />
worin wp = ˙sp die Geschwindigkeit des Kolbens bezeichnet. Auf analoge Art und Weise<br />
berechnet sich die Differenzialgleichung für den Druck p2 in der Kammer 2<br />
d<br />
dt p2<br />
�<br />
β<br />
= A2wp + ˙ml,12<br />
�<br />
+q2 , (3.25)<br />
V02 −A2sp<br />
ρ2<br />
− ˙ml,2<br />
ρ2<br />
mit der effektiven Kolbenfläche A2, dem Offsetvolumen V02, der Dichte ρ2 sowie dem<br />
Leckage-Massenstrom ˙ml,2 aus der Kammer 2.<br />
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3.3 Hydraulikzylinder Seite 43<br />
Die Dichten ρ1 und ρ2 des Öls in der Kammer 1 bzw. Kammer 2 errechnen sich aus (2.86)<br />
zu<br />
ρ1 = ρ0e p 1 β und ρ2 = ρ0e p 2 β . (3.26)<br />
Die durch die Kammerdrücke p1 und p2 erzeugte Druckkraft fp ergibt sich zu<br />
fp = A1p1 −A2p2, (3.27)<br />
wobei A1 und A2 wiederum die effektiven Kolbenflächen der Kammern 1 und 2 beschreiben.<br />
Zusätzlich zur Druckkraft tritt in Hydraulikzylindern immer eine Reibungskraft ff<br />
auf, welche hauptsächlich von den Dichtungen und der Lagerungen des Kolbens und der<br />
Kolbenstangen resultiert. Diese Reibung ist in den meisten Fällen eine Kombination aus<br />
viskoser und Coulombscher Reibung sowie Haftreibung, siehe [7]. Die Größe der Reibung<br />
ist stark von der Konstruktion des Zylinders abhängig. So werden z.B. die Dichtungen in<br />
Standardzylindern so ausgelegt, dass keine Leckage auftreten kann. Dazu muss die Dichtung<br />
sehr fest gegen den Kolben und die Kolbenstange gepresst werden, was in einer<br />
relativ großen Reibung resultiert. In Anwendungen, die eine hochdynamische Positionierung<br />
erfordern, werden reibungsoptimierte Zylinder verwendet, welche nur eine sehr<br />
geringe Coulombsche Reibung und Haftreibung sowie eine kleine viskose Reibung aufweisen.<br />
In manchen Fällen werden sogar hydrostatisch bzw. hydrodynamisch gelagerte<br />
Zylinder verwendet, welche keine Haftreibung und eine verschwindend geringe viskose<br />
Reibung aufweisen. Die Nachteile dieser Konstruktion sind jedoch der wesentlich höhere<br />
Fertigungsaufwand und die wesentlich erhöhten Leckagen.<br />
Die Impulserhaltung für den Kolben vervollständigt das mathematische Modell<br />
mp<br />
d<br />
dt sp = wp<br />
(3.28a)<br />
d<br />
dt wp = fp −ff −fl, (3.28b)<br />
wobei mp die Summe der Masse des Kolbens und aller daran befestigter Komponenten<br />
beschreibt und fl eine externe Lastkraft ist.<br />
Die in den beiden Kammern gespeicherte innere Energie E ergibt sich zu E = E1 + E2,<br />
mit<br />
� �<br />
E1 = (V01 +A1sp) β e p � �<br />
1<br />
β −1 −p1<br />
� �<br />
E2 = (V02 −A2sp) β e<br />
(3.29a)<br />
p � �<br />
2<br />
β −1 −p2 . (3.29b)<br />
Des Weiteren ist die kinetische Energie K des Kolbens durch<br />
K = 1<br />
2 mpw 2 p<br />
(3.30)<br />
gegeben. Die Änderung der Gesamtenergie E+K entlang einer Lösungskurve des Systems<br />
errechnet sich damit zu<br />
d<br />
dt (E+K) = −ffwp −flwp +h(p1)(− ˙ml,12 − ˙ml,1 +ρ1q1)+h(p2)( ˙ml,12 − ˙ml,2 +ρ2q2),<br />
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(3.31)
3.3 Hydraulikzylinder Seite 44<br />
wobei h(p1) und h(p2) die spezifischen Enthalpien der Flüssigkeit in den Kammern 1 bzw.<br />
2 beschreiben. Aus (3.31) erkennt man, dass sich die Änderung der Gesamtenergie aus der<br />
zu- bzw. abgeführten mechanischen Leistung und der zu- bzw. abgeführten hydraulischen<br />
Leistung zusammensetzt.<br />
Beispiel 3.3 In diesem Beispiel soll für einen Gleichgangzylinder, d.h. einem Zylinder<br />
mit A1 = A2 = A, näherungsweise die Schwingungsfrequenz sowie die Laststeifigkeit<br />
berechnet werden. Dazu wird die Annahme getroffen, dass der Zylinder keine Leckagen<br />
aufweist und die Volumenströme q1 und q2 verschwinden. Des Weiteren wird die Reibung<br />
im Zylinder vernachlässigt, d.h. ff = 0. Damit ergeben sich die folgenden Gleichungen<br />
des mathematischen Modells:<br />
d<br />
(3.32a)<br />
dt sp = wp<br />
d<br />
dt wp = 1<br />
(Ap1 −Ap2 −fl)<br />
mp<br />
(3.32b)<br />
d<br />
dt p1<br />
β<br />
= (−Awp)<br />
V01 +Asp<br />
(3.32c)<br />
d<br />
dt p2 =<br />
β<br />
(Awp). (3.32d)<br />
V02 −Asp<br />
Für die weitere Analyse erweist es sich als sinnvoll, die folgende (reguläre) Zustandstransformation<br />
[sp,wp,p1,p2] T → [sp,wp,fp,pΣ] T , mit der Druckkraft fp = Ap1−Ap2 und dem<br />
Summendruck pΣ = p1+p2, durchzuführen. Die Gleichungen des transformierten Systems<br />
ergeben sich zu<br />
d<br />
(3.33a)<br />
dt sp = wp<br />
d<br />
dt wp = 1<br />
(fp −fl) (3.33b)<br />
mp<br />
d<br />
dt fp<br />
� 2 βA<br />
= − +<br />
V01 +Asp<br />
βA2<br />
�<br />
wp (3.33c)<br />
V02 −Asp<br />
d<br />
dt pΣ<br />
� �<br />
βA βA<br />
= − − wp. (3.33d)<br />
V01 +Asp V02 −Asp<br />
Man erkennt, dass die ersten drei Gleichungen für die Position sp, die Geschwindigkeit<br />
wp und die Druckkraft fp nicht vom Summendruck pΣ beeinflusst werden. Daher wird<br />
in der weiteren Analyse die Differentialgleichung für den Summendruck pΣ nicht weiter<br />
betrachtet. Unter der Annahme, dass der Zylinder in der Mittelposition steht, d.h. sp = 0,<br />
und dass der Zylinder symmetrisch ist, d.h. V01 = V02 = V0, sowie für fl = 0 errechnet sich<br />
die Ruhelage des Systems (3.33a)-(3.33c) zu sp,0 = 0, wp,0 = 0 und fp,0 = 0. Linearisiert<br />
man das System um diese Ruhelage, so erhält man das linearisierte System in der Form<br />
⎡ ⎤ ⎡<br />
sp 0 1 0<br />
d<br />
⎣wp⎦<br />
⎢ 1<br />
= ⎣0<br />
0 mp<br />
dt<br />
fp 0 − 2βA2<br />
⎤⎡<br />
⎤ ⎡<br />
sp 0<br />
⎥<br />
⎦⎣wp⎦+<br />
⎣−<br />
0 fp<br />
V0<br />
1<br />
⎤<br />
⎦f mp l (3.34a)<br />
0<br />
y = sp. (3.34b)<br />
Seminar Regelungstechnik (SS 2011) c○Dr.–Ing. Wolfgang Kemmetmüller<br />
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3.3 Hydraulikzylinder Seite 45<br />
Nimmt man noch an, dass das Offsetvolumen V0 für sp = 0 durch V0 = AL, mit dem 2<br />
effektiven Hub L des Zylinders, gegeben ist, dann berechnen sich die Eigenwerte der Dynamikmatrix<br />
zu<br />
�<br />
4βA<br />
λ1 = 0, λ2,3 = ±I . (3.35)<br />
Lmp<br />
� �� �<br />
ω0<br />
Die Eigenfrequenz ω0 beschreibt dabei die Schwingungsfrequenz des Hydraulikzylinders und<br />
ist ein Maß für die zur Regelung notwendige Dynamik.<br />
Die zweite interessante Kenngröße eines Hydraulikzylinders ist die Laststeifigkeit, d.h. die<br />
Verschiebung sp des Kolbens bei Anlegen einer Lastkraft fl. Diese kann näherungsweise<br />
aus dem linearisierten Modell über die Beziehung<br />
fp<br />
˙ = ∂fp<br />
∂sp<br />
berechnet werden. Man beachte, dass der Ausdruck ∂fp<br />
∂sp<br />
zweiten Spalte der Dynamikmatrix auftritt und somit zu<br />
berechnet werden kann.<br />
∂sp<br />
∂fp<br />
� �−1 ∂fp<br />
=<br />
∂sp<br />
wp<br />
= − L<br />
4βA<br />
(3.36)<br />
bereits in der dritten Zeile und<br />
(3.37)<br />
Die Eigenfrequenz sowie die Laststeifigkeit soll nun für einen typischen Hydraulikantrieb<br />
bestehend aus einem Hydraulikzylinder mit einem Kolbendurchmesser Dk = 40 mm, einem<br />
Stangendurchmesser Ds = 25 mm, einer Länge L = 200 mm sowie einer Gesamtmasse<br />
mp = 250 kg, berechnet werden. Der Kompressionsmodul des Öls wird mit β = 1.6 · 10 9<br />
Pa angenommen. Aus (3.35) folgt die Eigenfrequenz des Systems zu<br />
und die Laststeifigkeit aus (3.36) ergibt sich zu<br />
ω0 = 2π49.8 rad/s, (3.38)<br />
∂sp<br />
∂fp<br />
= −4.1·10 −8m<br />
. (3.39)<br />
N<br />
In Abbildung 3.8 ist eine Simulation des nichtlinearen Modells (3.33) für einen Lastkraftsprung<br />
von 5 kN dargestellt. Man erkennt, dass die Eigenfrequenz und die Laststeifigkeit<br />
des linearisierten Systems sehr gut mit dem Simulationsergebnis des nichtlinearen Modells<br />
übereinstimmen.<br />
3.3.1 Leckagen<br />
Der typische Strömungspfad von Leckagen ist in Form eines relativ langen und sehr flachen<br />
Spalts gegeben. Um die Größe und den funktionalen Zusammenhang von Leckage-<br />
Volumenströmen bzw. Leckage-Massenströmen abzuschätzen, soll die laminare Strömung<br />
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3.3 Hydraulikzylinder Seite 46<br />
rel. Verschiebung in µm<br />
50<br />
0<br />
−50<br />
−100<br />
−150<br />
175<br />
150<br />
p1<br />
−200<br />
125<br />
−250<br />
−300<br />
100<br />
p2<br />
−350<br />
−400<br />
75<br />
−450<br />
0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200<br />
50<br />
0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200<br />
t in ms t in ms<br />
Druck in bar<br />
Abbildung 3.8: Relative Verschiebung des Kolbens (links) und Kammerdrücke (rechts) für<br />
eine sprungförmige Lastkraft fl = 5 kN.<br />
p0<br />
W<br />
x 3<br />
x 1<br />
x 2<br />
L<br />
200<br />
u1(x 3 )<br />
Abbildung 3.9: Prinzipskizze zur Berechnung der Strömung durch einen Flachspalt.<br />
einer viskosen Flüssigkeit durch einen Flachspalt der Länge L, der Höhe H sowie der<br />
Weite W berechnet werden, siehe Abbildung 3.9.<br />
Der Ausgangspunkt der Betrachtungen ist die differentielle Version der Impulserhaltung<br />
(2.49) mit dem Materialmodell einer viskosen Flüssigkeit (2.87)<br />
ρ d<br />
dt u = ρfb +div(σ) (3.40a)<br />
�<br />
σ = −pδ +2η d− 1<br />
3 div(u)δ<br />
�<br />
. (3.40b)<br />
Die allgemeine Darstellung des Geschwindigkeitsvektors u in kartesischen Koordinatenist<br />
dabei durch<br />
⎡ ⎤<br />
u = ⎣<br />
u1 (x1 ,x2 ,x3 ,t)<br />
u2 (x1 ,x2 ,x3 ,t)<br />
u3 (x1 ,x2 ,x3 ,t)<br />
pL<br />
H<br />
⎦ (3.41)<br />
mit den Koordinaten x 1 , x 2 und x 3 sowie der Zeit t, gegeben. Der zugehörige räumliche<br />
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3.3 Hydraulikzylinder Seite 47<br />
Verzerrungstensor d ergibt sich zu<br />
⎡<br />
⎢<br />
d = ⎢<br />
⎣<br />
1<br />
2<br />
1<br />
2<br />
∂u1 ∂x1 �<br />
∂u1 ∂x2 + ∂u2<br />
∂x1 �<br />
�<br />
∂u1 ∂x3 + ∂u3<br />
∂x1 �<br />
1<br />
2<br />
�<br />
1 ∂u1 2 ∂x2 + ∂u2<br />
∂x1 � �<br />
1 ∂u1 2<br />
� ∂u 2<br />
∂u2 ∂x2 ∂x 3 + ∂u3<br />
∂x 2<br />
Die Divergenz div(u) ist in kartesischen Koordinaten durch<br />
div(u) = ∂ua ∂u1 ∂u2 ∂u3<br />
= + +<br />
∂xa ∂x1 ∂x2 ∂x3 �<br />
1<br />
2<br />
∂x3 + ∂u3<br />
∂x1 �<br />
�<br />
∂u2 ∂x3 + ∂u3<br />
∂x2 ⎤<br />
� ⎥<br />
⎥.<br />
(3.42)<br />
⎦<br />
∂u 3<br />
∂x 3<br />
(3.43)<br />
gegeben, vgl. (2.35). Damit folgen die Komponenten des Cauchy-Spannungstensors σ für<br />
eine viskose Flüssigkeit in kartesischen Koordinaten zu<br />
σ 11 �<br />
2∂u<br />
= −p+2η<br />
3<br />
1 1∂u<br />
−<br />
∂x1 3<br />
2 1∂u<br />
−<br />
∂x2 3<br />
3<br />
∂x3 �<br />
(3.44a)<br />
σ 22 �<br />
2∂u<br />
= −p+2η<br />
3<br />
2 1∂u<br />
−<br />
∂x2 3<br />
1 1∂u<br />
−<br />
∂x1 3<br />
3<br />
∂x3 �<br />
(3.44b)<br />
σ 33 �<br />
2∂u<br />
= −p+2η<br />
3<br />
3 1∂u<br />
−<br />
∂x3 3<br />
1 1∂u<br />
−<br />
∂x1 3<br />
2<br />
∂x2 �<br />
(3.44c)<br />
σ 12 = σ 21 �<br />
1∂u<br />
= 2η<br />
2<br />
2 1∂u<br />
+<br />
∂x1 2<br />
1<br />
∂x2 �<br />
(3.44d)<br />
σ 13 = σ 31 �<br />
1∂u<br />
= 2η<br />
2<br />
3 1∂u<br />
+<br />
∂x1 2<br />
1<br />
∂x3 �<br />
(3.44e)<br />
σ 23 = σ 32 �<br />
1∂u<br />
= 2η<br />
2<br />
3 1∂u<br />
+<br />
∂x2 2<br />
2<br />
∂x3 �<br />
. (3.44f)<br />
Zur Formulierung der Impulserhaltung ist die Berechnung der Divergenz des Spannungstensors<br />
σ notwendig. Diese berechnet sich (wiederum in kartesischen Koordinaten) zu<br />
div(σ) 1 = − ∂p 4<br />
+<br />
∂x1 3 η ∂2u1 ∂(x1 ) 2 +η ∂2u1 ∂(x2 ) 2 +η ∂2u1 ∂(x3 )<br />
div(σ) 2 = − ∂p 4<br />
+<br />
∂x2 3 η ∂2u2 ∂(x2 ) 2 +η ∂2u2 ∂(x1 ) 2 +η ∂2u2 ∂(x3 )<br />
div(σ) 3 = − ∂p 4<br />
+<br />
∂x3 3 η ∂2u3 ∂(x3 ) 2 +η ∂2u3 ∂(x1 ) 2 +η ∂2u3 ∂(x2 )<br />
1<br />
+ 2 3 η ∂2u2 ∂x1 1<br />
+<br />
∂x2 3 η ∂2u3 ∂x1∂x3 (3.45a)<br />
1<br />
+ 2 3 η ∂2u1 ∂x1 1<br />
+<br />
∂x2 3 η ∂2u3 ∂x2∂x3 (3.45b)<br />
1<br />
+<br />
2 3 η ∂2u1 ∂x1 1<br />
+<br />
∂x3 3 η ∂2u2 ∂x2∂x3. (3.45c)<br />
Schließlich ist die absolute zeitliche Ableitung der Geschwindigkeit du<br />
durch dt<br />
d<br />
dt u1 = ∂u1<br />
∂t<br />
d<br />
dt u2 = ∂u2<br />
∂t<br />
+ ∂u1<br />
∂x 1u1 + ∂u1<br />
∂x 2u2 + ∂u1<br />
∂x 3u3<br />
∂u2<br />
+<br />
∂x1u1 + ∂u2<br />
∂x2u2 + ∂u2<br />
∂x3u3 d<br />
dt u3 = ∂u3 ∂u3<br />
+<br />
∂t ∂x1u1 + ∂u3<br />
∂x2u2 + ∂u3<br />
∂x3u3 Seminar Regelungstechnik (SS 2011) c○Dr.–Ing. Wolfgang Kemmetmüller<br />
Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik, TU Wien<br />
(3.46a)<br />
(3.46b)<br />
(3.46c)
3.3 Hydraulikzylinder Seite 48<br />
gegeben. Das aus der Impulserhaltung mit dem Materialgesetz nach (3.40) resultierende<br />
System von nichtlinearen partiellen Differenzialgleichungen wird in der Literatur als<br />
Navier-Stokes Gleichungen bezeichnet. Es ist aus der Literatur bekannt, dass eine Lösung<br />
dieser partiellen Differentialgleichungen in ihrer allgemeinen Form äußerst schwierig<br />
ist. Daher soll vorerst nur eine stationäre Lösung der Gleichungen gesucht werden. Des<br />
Weiteren wird angenommen, dass die Flüssigkeit inkompressibel ist. Damit können keine<br />
Geschwindigkeitskomponenten in x 2 - und x 3 -Richtung auftreten, d.h.<br />
u 2 = 0, u 3 = 0. (3.47)<br />
Nimmt man außerdem an, dass der Spalt in Querrichtung unendlich ausgedehnt ist, so<br />
muss die Geschwindigkeit u1 unabhängig von x2 sein. Schreibt man schließlich noch die<br />
Massenerhaltung für inkompressible Flüssigkeiten an<br />
so erhält man<br />
ρdiv(u) = ρ ∂u1<br />
= 0, (3.48)<br />
∂x1 u 1 = u 1 (x 3 ). (3.49)<br />
Die Impulserhaltung in x 2 - und x 3 -Richtung ergibt sich unter diesen Annahmen zu<br />
0 = − ∂p<br />
∂x2 0 = − ∂p<br />
∂x3, (3.50a)<br />
(3.50b)<br />
womit der Druck p nur eine Funktion der x 1 -Koordinate sein kann, p = p(x 1 ). Damit<br />
verbleibt die Impulserhaltung in x 1 -Richtung<br />
0 = − ∂p(x1 )<br />
∂x1 +η∂2 u1 (x3 )<br />
∂(x3 )<br />
welche nur gelten kann, wenn der Druck p(x 1 ) die Gleichung<br />
und die Geschwindigkeit u 1 (x 3 ) die Gleichung<br />
2 , (3.51)<br />
∂p(x1 )<br />
= C (3.52)<br />
∂x1 η ∂2u1 (x3 )<br />
∂(x3 = C (3.53)<br />
) 2<br />
mit einer Konstanten C erfüllen. Löst man die Differentialgleichung (3.52) für den Druck,<br />
so erhält man mit den Randbedinungen p(0) = p0 und p(L) = pL die Gleichung<br />
p(x 1 ) = p0 +x 1 P, (3.54)<br />
mit P = (pL−p0)/L, sowie die Gleichung C = P. Damit kanndie Differentialgleichung für<br />
die Geschwindigkeit u 1 (x 3 ) mit den beiden Randbedingungen u 1 (0) = 0 und u 1 (H) = 0<br />
gelöst werden und man erhält den Geschwindigkeitsverlauf<br />
u 1 (x 3 ) = 1P<br />
2 η<br />
� x 3 � x 3 −H �� . (3.55)<br />
Seminar Regelungstechnik (SS 2011) c○Dr.–Ing. Wolfgang Kemmetmüller<br />
Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik, TU Wien
3.3 Hydraulikzylinder Seite 49<br />
In Abbildung 3.10 ist der Geschwindigkeitsverlauf im Flachspalt für p0 = 100 bar, pL = 0,<br />
L = 100 mm, H = 0.1 mm sowie η = 35·10 −3 Pas dargestellt. Wie erwartet, ergibt sich<br />
der für laminare Strömungen charakteristische parabolische Geschwindigkeitsverlauf.<br />
Geschwindigkeit u1 in m/s<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
0 20 40 60 80 100<br />
Höhe x3 in µm<br />
Abbildung 3.10: Geschwindigkeitsverlauf u1(x 3 ) in einem Flachspalt.<br />
ImletztenSchrittmussausderGeschwindigkeit u 1 derVolumen-bzw. Massenstromdurch<br />
den Flachspalt berechnet werden. Dazu integriert man den Geschwindigkeitsverlauf über<br />
die Querschnittsfläche Aq des Spaltes<br />
und erhält<br />
�<br />
q =<br />
Aq<br />
u 1 (x 3 )da = W<br />
� H<br />
x3 u<br />
=0<br />
1 (x 3 )dx 3<br />
(3.56)<br />
q = 1 H<br />
12<br />
3W Lη (p0 −pL). (3.57)<br />
Der Volumenstrom q einer laminaren Strömung durch einen Flachspalt ist also proportional<br />
zur Druckdifferenz p0 −pL entlang des Flachspalts.<br />
Die bisherigen Berechnungen beruhen auf der Annahme einer laminaren Strömung der<br />
Flüssigkeit durch den Flachspalt. Eine laminare Strömung in einem Flachspalt ist im<br />
Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass ein materieller Punkt der Flüssigkeit einer<br />
gleichmäßigen Bahn, der sogenannten Strömungslinie, folgt, siehe [10]. In diesem Fall<br />
dominiereninderStrömungdieviskosenKräfte(Zähigkeitskräfte).DieviskoseKraftdichte<br />
(Kraft pro Fläche) errechnet sich dabei im betrachteten Flachspalt zu<br />
τv = η ∂u1<br />
∂x 3.<br />
(3.58)<br />
Der laminare Strömungszustand ist jedoch nur bis zu gewissen Strömungsgeschwindigkeiten<br />
möglich. Bei höheren Strömungsgeschwindigkeiten gewinnt die Trägheitskraftdichte<br />
τt = ρ(u 1 ) 2<br />
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(3.59)
3.3 Hydraulikzylinder Seite 50<br />
an Bedeutung und es entstehen Wirbel und Querbewegungen. Durch diese Störbewegung<br />
wird der Hauptbewegung der Strömung Energie entzogen und es tritt eine sogenannte<br />
turbulente Strömung auf, vgl. [10]. Als kennzeichnende Größe für den aktuellen Strömungszustand<br />
(laminar oder turbulent) dient die Reynoldszahl Re, welche sich aus dem<br />
Verhältnis der Trägheitskraftdichte τt und der viskosen Kraftdichte τv in der Form<br />
berechnet. Verwendet man die Näherung<br />
so erhält man<br />
Re = ρ(u1 ) 2<br />
η ∂u1<br />
∂x 3<br />
∂u 1<br />
∂x<br />
3 ≈ u1<br />
(3.60)<br />
, (3.61)<br />
H<br />
Re ≈ ρu1H . (3.62)<br />
η<br />
Für allgemeine Strömungsquerschnitte mit einer charakteristischen Geschwindigkeit u ist<br />
die Reynoldszahl durch<br />
Re = ρuDh<br />
(3.63)<br />
η<br />
definiert, wobei Dh den hydraulischen Durchmesser bezeichnet. Er beschreibt das Verhältnis<br />
der Querschnittsfläche A zum Umfang U eines Strömungsquerschnitts, d.h.<br />
Dh = 4A<br />
. (3.64)<br />
U<br />
Offensichtlich entspricht der hydraulische Durchmesser Dh für kreisförmige Querschnitte<br />
demphysikalischenDurchmesserD,währenderfüreinenFlachspaltnäherungsweisedurch<br />
Dh = 2H, mit der Höhe des Flachspalts H, gegeben ist. Die somit definierte Reynoldszahl<br />
dient zur quantitativen Abschätzung, ob eine Strömung laminar oder turbulent verläuft.<br />
Ein typischer Grenzwert für den Übergang von laminarer in turbulente Strömung ist mit<br />
Re = 2300 für glattwandige, zylindrische Rohre gegeben. Für andere Geometrien der<br />
Strömungspfade kann dieser Wert wesentlich niedriger sein.<br />
ImletztenSchritt sollfürdenbetrachtetenFlachspaltuntersucht werden, obdieAnnahme<br />
einer laminaren Strömung gerechtfertigt war. Für den betrachteten Fall errechnet sich die<br />
Reynoldszahl mit u = 3.57 m/s zu<br />
Re = 18.4, (3.65)<br />
womit die Annahme einer laminaren Strömung mit Sicherheit gerechtfertigt ist.<br />
Mit den obigen Überlegungen können die Leckage-Massenströme durch<br />
˙ml,1 = kl,1p1ρ1<br />
˙ml,2 = kl,2p2ρ2<br />
(3.66a)<br />
(3.66b)<br />
˙ml,12 = kl,12(p1 −p2) ¯ρ12, (3.66c)<br />
mit den laminaren Leckagekoeffizienten kl,1, kl,2 und kl,12, beschrieben werden. Dabei<br />
wurde die mittlere Dichte ¯ρ12 = (ρ1 + ρ2)/2 eingeführt, um die Massenerhaltung im<br />
System zu gewährleisten.<br />
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