31.10.2012 Aufrufe

Kapitel 3 Modellierung elektrohydraulischer Bauteile - ACIN

Kapitel 3 Modellierung elektrohydraulischer Bauteile - ACIN

Kapitel 3 Modellierung elektrohydraulischer Bauteile - ACIN

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Kapitel</strong> 3<br />

<strong>Modellierung</strong> <strong>elektrohydraulischer</strong><br />

<strong>Bauteile</strong><br />

Nachdem im vorigen <strong>Kapitel</strong> die Grundlagen zur Beschreibung einer Strömung anhand<br />

der Bilanzgleichungen sowie der Materialmodelle erfolgte, beschäftigt sich dieses <strong>Kapitel</strong><br />

mit der mathematischen <strong>Modellierung</strong> der wichtigsten (elektro-)hydraulischen <strong>Bauteile</strong>.<br />

3.1 Konstantes hydraulisches Volumen<br />

Das einfachste hydraulische Bauteil ist ein konstantes Volumen, welches mit Hydraulikflüssigkeit<br />

gefüllt ist, siehe Abbildung 3.1. Für die mathematische <strong>Modellierung</strong> dieses<br />

Bauteils werden die folgenden Annahmen getroffen:<br />

1. Die Berandung des Volumens V ist starr, d.h. das Volumen ist konstant, V =<br />

konstant.<br />

2. Die Flüssigkeit innerhalb des Volumens befindet sich in Ruhe, womit im gesamten<br />

Volumen der gleiche Druck p herrscht.<br />

3. Das Volumen ist thermisch isoliert und alle thermodynamischen Prozesse sind reversibel.<br />

Unter diesen Annahmen kann die Flüssigkeit innerhalb des Volumens V durch ein isentropes<br />

Materialmodell mit einem konstanten Kompressionsmodul β nach Abschnitt 2.3.1<br />

beschrieben werden, vgl. [1], [2], [10]. Verwendet man die Massenerhaltung in Eulerscher<br />

Darstellung � �<br />

∂<br />

ρdv = − ρ〈u,n〉da<br />

∂t V ∂V<br />

(3.1)<br />

und beachtet, dass ρ ortsunabhängig ist, so folgt<br />

V ∂<br />

�<br />

ρ = − ρ〈u,n〉da.<br />

∂t<br />

(3.2)<br />

∂V<br />

34


3.1 Konstantes hydraulisches Volumen Seite 35<br />

q1<br />

q2<br />

p<br />

Abbildung 3.1: Konstantes mit Flüssigkeit gefülltes hydraulisches Volumen.<br />

Des Weiteren wird angenommen, dass das Volumen n Anschlüsse besitzt über die Hydraulikflüssigkeit<br />

(Öl) zu- bzw. abgeführt werden kann, d.h. es gilt<br />

�<br />

−<br />

∂V<br />

ρ〈u,n〉da = ρ<br />

i=1<br />

V<br />

qn<br />

qi<br />

n�<br />

�<br />

− 〈u,n〉da . (3.3)<br />

�<br />

∂Vi<br />

�� �<br />

Darin bezeichnet qi den Volumenstrom des i-ten Anschlusses. Unter Verwendung des Materialgesetzes<br />

(2.85) folgt dann die Differentialgleichung zur Beschreibung des konstanten<br />

Volumens in der Form 1<br />

d β<br />

p =<br />

dt V<br />

qi<br />

n�<br />

qi. (3.4)<br />

Die innerhalb des Volumens gespeicherte innere Energie E ergibt sich aus der spezifischen<br />

inneren Energie e zu<br />

E = ρVe = V<br />

i=1<br />

� �<br />

β e p � �<br />

β −1 −p , (3.5)<br />

vgl. Aufgabe 2.6. Für die späteren Betrachtungen ist noch die Änderung der inneren<br />

Energie entlang von Lösungskurven (Trajektorien) des Systems (3.4) von Interesse<br />

d ∂Edp<br />

E =<br />

dt ∂p dt<br />

= V<br />

�<br />

e p<br />

β −1<br />

�<br />

dp<br />

. (3.6)<br />

dt<br />

Durch Einsetzen von (3.4) und unter Verwendung der spezifische Enthalpie h in der Form<br />

kann folgender Zusammenhang<br />

gefunden werden.<br />

h(p) = β<br />

�<br />

e<br />

ρ<br />

p �<br />

β −1 = β<br />

�<br />

1−e<br />

ρ0<br />

d<br />

E = h(p)ρ<br />

dt<br />

n�<br />

i=1<br />

qi<br />

p<br />

−β �<br />

, (3.7)<br />

(3.8)<br />

1 Da sowohl der Druck p als auch die Dichte ρ ortsunabhängige Größen sind, entspricht die partielle<br />

Differentiation nach der Zeit t der absoluten Zeitableitung.<br />

Seminar Regelungstechnik (SS 2011) c○Dr.–Ing. Wolfgang Kemmetmüller<br />

Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik, TU Wien


3.2 Hydraulische Speicher Seite 36<br />

Bemerkung 3.1 Offensichtlich ergibt das Produkt der spezifischen Enthalpie h und des<br />

Massenstroms ˙m = ρ �n i=1qi die dem System zugeführte Leistung. Ein Paar von Systemgrößen<br />

deren Produkt eine Leistung beschreibt wird auch als kollokiert bezeichnet. Man<br />

beachte, dass in vielen Standardwerken der Hydraulik das Produkt pq als die dem System<br />

zugeführte Leistung bezeichnet wird. Diese Näherung ist jedoch nur bei inkompressiblen<br />

Flüssigkeiten richtig.<br />

Beispiel 3.1 In diesem Beispiel soll berechnet werden, wieviel Energie in einem hydraulischen<br />

Volumen V = 1 l bei einem Druck von p = 300 bar gespeichert werden kann. Dazu<br />

wird angenommen, dass die Hydraulikflüssigkeit den Kompressionsmodul β = 1.6·10 9 Pa<br />

und eine Dichte ρ0 = 900 kg/m 3 bei Umgebungsdruck p0 = 0 bar aufweist.<br />

Einfaches Einsetzen in (3.5) liefert<br />

E = 283J. (3.9)<br />

Dies ist natürlich ein sehr geringer Wert, insbesondere im Hinblick auf den relativ hohen<br />

Druck von p = 300 bar. 2 Vergleicht man zusätzlich die Differenz zwischen der Masse m0<br />

an Flüssigkeit im Volumen bei p = 0 bar mit der Masse m300 bei p = 300 bar, so erhält<br />

man<br />

∆m = m300 −m0 = 0.917−0.9 = 0.017kg. (3.10)<br />

Es kann also nur sehr wenig Hydraulikflüssigkeit in einem konstanten hydraulischen Volumen<br />

gespeichert werden, womit sich dieses Bauteil nur sehr schlecht als Energie- oder<br />

Massenspeicher eignet. Die Ursache dafür ist der hohe Kompressionsmodul β von Hydraulikflüssigkeiten.<br />

3.2 Hydraulische Speicher<br />

In vielen hydraulischen Anwendungen ist es notwendig hydraulische Energie effizient zu<br />

speichern. Dies ist unter Anderem zur Stabilisierung von hydraulischen Versorgungen<br />

oder zur Speicherung von Energie in aktiven Radaufhängungssystemen notwendig. Wie<br />

das Beispiel 3.1 gezeigt hat, ist ein konstantes hydraulisches Volumen ungeeignet für diese<br />

Aufgabe. Die Ursache dafür ist der extrem hohe Kompressionsmodul von Hydraulikflüssigkeiten.<br />

Da Gase einen wesentlich geringeren Kompressionsmodul als Flüssigkeiten besitzen,<br />

besteht die Grundidee zur Konstruktion eines effizienten hydraulischen Speichers<br />

in der Kombination von hydraulischen und pneumatischen Teilsystemen. Ein hydraulischer<br />

Speicher besteht also im Wesentlichen aus einer mit Gas (Stickstoff N2) gefüllten<br />

Kammer und einer mit Hydraulikflüssigkeit gefüllten Kammer, welche durch einen beweglichen<br />

Kolben oder eine deformierbare Kunststoffblase getrennt sind. Je nach Ausführung<br />

werden diese Speicher als Kolben- oder Blasenspeicher bezeichnet. In Abbildung 3.2 ist<br />

eine Prinzipskizze eines hydraulischen Kolbenspeichers dargestellt.<br />

2 Die typische Energiedichte (Energie pro Masse) von Lithiumionen-Akkumulatoren bewegt sich im<br />

Bereich von 300 kJ/kg.<br />

Seminar Regelungstechnik (SS 2011) c○Dr.–Ing. Wolfgang Kemmetmüller<br />

Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik, TU Wien


3.2 Hydraulische Speicher Seite 37<br />

Nimmt man an, dass das System thermisch isoliert ist und alle thermodynamischen Prozesse<br />

reversibel sind, so kann das Gas innerhalb des Gasvolumens durch die Adiabatengleichung<br />

nach Poisson, siehe [11], beschrieben werden<br />

pgV κ<br />

g<br />

Gasvolumen<br />

Kolben<br />

Ölvolumen<br />

= pg0V κ<br />

g0 = ζ0. (3.11)<br />

pg<br />

mp<br />

po<br />

Gasanschluss<br />

qa<br />

sp,wp<br />

Ap<br />

Ölanschluss<br />

Abbildung 3.2: Prinzipskizze eines Kolbenspeichers.<br />

Darin bezeichnet pg den Druck und Vg das Volumen des Gases. Die Vorfüllbedingungen<br />

pg0 und Vg0 sind in der Konstanten ζo zusammengefasst. Der Isentropenkoeffizient κ des<br />

Gases errechnet sich für ein ideales, zweiatomiges Gas zu 7/5, siehe z.B. [5]. In einem<br />

realen Gas wie Stickstoff N2 führen die Interaktionen der Moleküle jedoch dazu, dass der<br />

Isentropenkoeffizient κ mit steigendem Druck p ansteigt und mit steigender Temperatur<br />

θ abfällt, siehe Abbildung 3.3.<br />

ImpraktischenBetriebeineshydraulischenSpeicherstretennurrelativgeringeDruck-und<br />

Temperaturänderungen auf, weswegen eine Approximation mit einem konstanten Isentropenkoeffizienten<br />

κ zu einer hinreichend genauen Beschreibung des Verhaltens des Gases<br />

führt. Dieser konstante Wert muss jedoch an den Arbeitsbereich des hydraulischen Speichers<br />

angepasst werden, vgl. [3]. In Abbildung 3.4 ist ein Vergleich dieser Approximation<br />

(κ = 2.4) mit der exakten (numerischen) Lösung und dem Verhalten eines idealen Gases<br />

(κ = 1.4) dargestellt. Man erkennt, dass die Approximation eine sehr gute Näherung des<br />

realen Verhaltens darstellt, während das ideale Gas (κ = 1.4) nicht zur Beschreibung<br />

geeignet ist.<br />

Das aktuelle Volumen Vg des Gases ist durch<br />

Vg = Apsp, (3.12)<br />

mit der Kolbenposition sp und der Kolbenfläche Ap gegeben. Unter der Annahme, dass<br />

die Masse des Gases konstant ist und unter der Verwendung von (3.11) ergibt sich der<br />

Druck pg zu<br />

pg =<br />

ζ0<br />

(Apsp) κ. (3.13)<br />

Seminar Regelungstechnik (SS 2011) c○Dr.–Ing. Wolfgang Kemmetmüller<br />

Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik, TU Wien


enko<br />

3.2 Hydraulische Speicher Seite 38<br />

Druck pg in bar<br />

Isentropenkoeffizient κ<br />

460<br />

440<br />

420<br />

400<br />

380<br />

360<br />

340<br />

320<br />

300<br />

280<br />

3.5<br />

3.0<br />

2.5<br />

2.0<br />

1.5<br />

450 bar<br />

330 bar<br />

200 bar<br />

100 bar<br />

50 bar<br />

1 bar<br />

200 300 400 500 600 700<br />

Temperatur θ in K<br />

Abbildung 3.3: Isentropenkoeffizient κ für Stickstoff.<br />

Gasvolumen Vg in l<br />

Exakte Lösung<br />

κ = 2.4<br />

κ = 1.4<br />

14 14.5 15 15.5 16 16.5 17<br />

Abbildung 3.4:Volumen des Gases ineinem hydraulischen Speicher: Vergleich der exakten<br />

LösungmitderLösungunter AnnahmederoptimiertenIsentropengleichung (κ = 2.4)und<br />

der Isentropengleichung eines idealen Gases (κ = 1.4).<br />

Seminar Regelungstechnik (SS 2011) c○Dr.–Ing. Wolfgang Kemmetmüller<br />

Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik, TU Wien


3.2 Hydraulische Speicher Seite 39<br />

Das aktuelle Volumen des Öls Vo berechnet sich aus der Differenz des Ölvolumens Va für<br />

sp = 0 und des Gasvolumens Vg<br />

Vo = Va −Vg = Va −Apsp. (3.14)<br />

Schreibt man die Massenerhaltung für das Ölvolumen an und verwendet das Materialgesetz<br />

einer isentropen Flüssigkeit, so erhält man 3<br />

d<br />

dt po =<br />

β<br />

Va −Apsp<br />

(Apwp +qa). (3.15)<br />

Darin bezeichnet wp = ˙sp die Geschwindigkeit des Kolbens. Das mathematische Modell<br />

des Kolbenspeichers wird durch die Impulserhaltung des Kolbens<br />

d<br />

dt sp = wp<br />

(3.16a)<br />

d<br />

dt wp = 1<br />

((pg −po)Ap −ff) (3.16b)<br />

mp<br />

mit der Masse mp des Kolbens und den auf den Kolben wirkenden Reibungskräften ff<br />

vervollständigt.<br />

In vielen Anwendungen sind die Beschleunigungskräfte des Kolbens sehr gering. Des Weiteren<br />

werden die Dichtungen des Kolbens reibungsoptimiert ausgeführt, sodass auch die<br />

Reibungskräfte ff vernachlässigbar sind. Damit kann für die Herleitung eines vereinfachten<br />

Modells des hydraulischen Speichers die Annahme pg = po = pa, mit dem Druck pa<br />

im Speicher, verwendet werden. Betrachtet man nochmals die Massenerhaltung<br />

und verwendet<br />

d<br />

dt (ρVo) = ρqa<br />

Vg =<br />

sowie (3.14), so erhält man das vereinfachte Modell des Kolbenspeichers in der Form<br />

d<br />

dt pa =<br />

� ζ0<br />

pa<br />

� 1<br />

κ<br />

κβpaqa<br />

�<br />

ζ0 κpaVa +(β −κpa)<br />

pa<br />

(3.17)<br />

(3.18)<br />

� 1 . (3.19)<br />

κ<br />

Aufgabe 3.1 Leiten Sie das vereinfachte mathematische Modell aus dem vollständigen<br />

Modell her.<br />

3 Zur Beschreibung eines veränderlichen Volumens in welches Masse zu- und abgeführt wird, eignet<br />

sich weder die Eulersche noch die Lagrangesche Beschreibung der Massenerhaltung. Hier muss eine Kombination<br />

aus beiden Beschreibungen verwendet werden.<br />

Seminar Regelungstechnik (SS 2011) c○Dr.–Ing. Wolfgang Kemmetmüller<br />

Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik, TU Wien


3.2 Hydraulische Speicher Seite 40<br />

Alternativ zu einem bewegten Kolben kann auch eine deformierbare Kunststoffblase zur<br />

Trennung des Öl- und Gasvolumens verwendet werden. Der prinzipielle Aufbau eines solchen<br />

Blasenspeichers ist in Abbildung 3.5 gegeben. Nimmt man an, dass zur Deformation<br />

der Kunststoffblase keine Kräfte notwendig sind, dann gilt wie schon beim vereinfachten<br />

Modell des Kolbenspeichers pg = po = pa. Das mathematische Modell eines Blasenspeichers<br />

ist daher äquivalent zum vereinfachten Modell eines Kolbenspeichers (3.19).<br />

Gasvolumen<br />

Ölvolumen<br />

pg<br />

po<br />

Gasanschluss<br />

qa<br />

Blase<br />

Ölanschluss<br />

Abbildung 3.5: Prinzipskizze eines Blasenspeichers.<br />

Für das vereinfachte Modell eines hydraulischen Speichers (3.19) soll nun noch die gespeicherte<br />

Energie berechnet werden. Die gesamte Energie E eines hydraulischen Speichers<br />

kann als Summe der Energie Eg des Gasvolumen<br />

und der Energie Eo des Ölvolumen<br />

�<br />

Eo =<br />

Eg =<br />

pa<br />

� ζ0<br />

pa<br />

κ−1<br />

� 1<br />

κ<br />

� � � 1<br />

κ � �<br />

ζ0<br />

Va − β e<br />

pa<br />

pa � �<br />

β −1 −pa<br />

(3.20)<br />

(3.21)<br />

berechnet werden, siehe [2], [3]. Die Änderung der gesamten Energie E = Eg+Eo entlang<br />

einer Lösungskurve des Systems berechnet sich zu<br />

d<br />

dt E = h(pa)ρqa, (3.22)<br />

wobei die spezifische Enthalpie h des Öls durch (3.7) gegeben ist.<br />

Beispiel 3.2 In diesem Beispiel sollen die Volumina sowie die gespeicherte Energie im<br />

Öl- und Gasvolumen eines hydraulischen Speichers ermittelt werden. Der betrachtete hydraulische<br />

Speicher besitzt folgende Daten:<br />

Seminar Regelungstechnik (SS 2011) c○Dr.–Ing. Wolfgang Kemmetmüller<br />

Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik, TU Wien


olumen<br />

3.2 Hydraulische Speicher Seite 41<br />

Volumen in l<br />

• Gesamtvolumen Va = 1 l<br />

• Isentropenkoeffizient κ = 2<br />

• Vorfüllbedingungen: Vorfülldruck pg0 = 150 bar, Vorfüllvolumen Vg0 = Va = 1 l,<br />

Vorfüllbedingung ζ0 = 15<br />

• Kompressionsmodul des Öls β = 1.6·10 9 Pa<br />

• Dichte des Öls ρ0 = 900 kg/m 3<br />

Beim Vorfüllduck pg0 füllt das Gasvolumen den gesamten Speicher aus und somit ist kein<br />

Öl im Speicher vorhanden, d.h. Vo = 0. Auf der linken Seite der Abbildung 3.6 sind die<br />

Verläufe des Ölvolumens und des Gasvolumens als Funktion des Druckes pa dargestellt.<br />

Bei steigendem Druck wird die Gasblase komprimiert und Öl strömt in den Speicher. Mit<br />

diesem einen Liter großen Speicher können also bei pa = 300 bar ca. 263 g Öl gespeichert<br />

werden.<br />

1.0<br />

0.8<br />

0.6<br />

0.4<br />

Vg<br />

Druck in bar<br />

Energie in kJ<br />

2<br />

Vo<br />

0.2<br />

1<br />

Eo<br />

0<br />

0<br />

150 200 250 300 150 200 250 300<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

Druck in bar<br />

Abbildung 3.6: Vergleich der Volumina (links) und der Energien (rechts) des Ölvolumens<br />

und des Gasvolumens eines hydraulischen Speichers.<br />

Des Weiteren ist auf der rechten Seite von Abbildung 3.6 ein Vergleich der gespeicherten<br />

Energie im Speicher dargestellt. Man erkennt unmittelbar, dass der bei weitem größte<br />

Teil der Energie im Gasvolumen gespeichert wird, während nur eine sehr kleine Menge<br />

von Energie im Öl gespeichert wird. Bei einem Druck von pa = 300 bar kann mit dem<br />

gewählten Speicher eine Energie von ca. 6.3 kJ gespeichert werden. Vergleicht man dieses<br />

Ergebnis mit jenem des konstanten hydraulischen Volumens von Beispiel 3.1, so sieht<br />

man, dass mit einem hydraulischen Speicher eine wesentlich effizientere Speicherung von<br />

Energie möglich ist.<br />

Seminar Regelungstechnik (SS 2011) c○Dr.–Ing. Wolfgang Kemmetmüller<br />

Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik, TU Wien<br />

E<br />

Eg


3.3 Hydraulikzylinder Seite 42<br />

3.3 Hydraulikzylinder<br />

Die Umwandlung von hydraulischer Energie in mechanische (Bewegungs-) Energie ist eine<br />

wesentliche Aufgabe in elektrohydraulischen Systemen. Das am häufigsten für diese Aufgabenstellung<br />

verwendete Bauteil ist ein Hydraulikzylinder wie er z.B. in Abbildung 3.7<br />

dargestellt ist. Dieunterschiedlichen BauformenvonHydraulikzylindern können einerseits<br />

in einfach bzw. doppelt wirkende Zylinder und andererseits in Einstangen- bzw. Zweistangenzylinder<br />

unterteilt werden. In der rechten Seite von Abbildung 3.7 ist die Prinzipskizze<br />

einesdoppeltwirkendenZweistangenzylinders mitunterschiedlichen Kolbenstangendurchmessern<br />

dargestellt. Obwohl diese Bauform kaum in praktischen Anwendungen eingesetzt<br />

wird, stellt sie die allgemeinste Bauform dar. Die mathematischen Modelle aller anderen<br />

Bauformen können sehr einfach vom Modell dieser Bauform abgeleitet werden.<br />

˙ml1<br />

sp,wp<br />

q1<br />

p1 p2<br />

Abbildung 3.7: Schnittbild (links) und Prinzipskizze (rechts) eines Hydraulikzylinders.<br />

Die Massenerhaltung für die Kammer 1 ergibt sich zu<br />

d<br />

dt (ρ1(p1)V1) = d<br />

dt (ρ1(p1)(V01 +A1sp)) = q1ρ1 − ˙ml,1 − ˙ml,12, (3.23)<br />

mit dem Druck p1, der Dichte ρ1 des Öls in Kammer 1, dem Volumen V1 = V01 + A1sp<br />

der Kammer 1, der effektiven Kolbenfläche A1, der Position sp des Kolben und dem<br />

Offsetvolumen V01 der Kammer 1 für sp = 0. Des Weiteren bezeichnet q1 den in die<br />

Kammer1zufließendenVolumenstromund ˙ml,1 bzw. ˙ml,12 sinddieLeckage-Massenströme<br />

aus der Kammer 1 in die Umgebung bzw. in die Kammer 2. Verwendet man wiederum<br />

das Materialgesetz des Öls (2.85), so erhält man die Differentialgleichung des Druckes p1<br />

in der Kammer 1<br />

d<br />

dt p1 =<br />

β<br />

V01 +A1sp<br />

�<br />

−A1wp − ˙ml,12<br />

ρ1<br />

− ˙ml,1<br />

ρ1<br />

˙ml12<br />

q2<br />

˙ml2<br />

�<br />

+q1 , (3.24)<br />

worin wp = ˙sp die Geschwindigkeit des Kolbens bezeichnet. Auf analoge Art und Weise<br />

berechnet sich die Differenzialgleichung für den Druck p2 in der Kammer 2<br />

d<br />

dt p2<br />

�<br />

β<br />

= A2wp + ˙ml,12<br />

�<br />

+q2 , (3.25)<br />

V02 −A2sp<br />

ρ2<br />

− ˙ml,2<br />

ρ2<br />

mit der effektiven Kolbenfläche A2, dem Offsetvolumen V02, der Dichte ρ2 sowie dem<br />

Leckage-Massenstrom ˙ml,2 aus der Kammer 2.<br />

Seminar Regelungstechnik (SS 2011) c○Dr.–Ing. Wolfgang Kemmetmüller<br />

Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik, TU Wien


3.3 Hydraulikzylinder Seite 43<br />

Die Dichten ρ1 und ρ2 des Öls in der Kammer 1 bzw. Kammer 2 errechnen sich aus (2.86)<br />

zu<br />

ρ1 = ρ0e p 1 β und ρ2 = ρ0e p 2 β . (3.26)<br />

Die durch die Kammerdrücke p1 und p2 erzeugte Druckkraft fp ergibt sich zu<br />

fp = A1p1 −A2p2, (3.27)<br />

wobei A1 und A2 wiederum die effektiven Kolbenflächen der Kammern 1 und 2 beschreiben.<br />

Zusätzlich zur Druckkraft tritt in Hydraulikzylindern immer eine Reibungskraft ff<br />

auf, welche hauptsächlich von den Dichtungen und der Lagerungen des Kolbens und der<br />

Kolbenstangen resultiert. Diese Reibung ist in den meisten Fällen eine Kombination aus<br />

viskoser und Coulombscher Reibung sowie Haftreibung, siehe [7]. Die Größe der Reibung<br />

ist stark von der Konstruktion des Zylinders abhängig. So werden z.B. die Dichtungen in<br />

Standardzylindern so ausgelegt, dass keine Leckage auftreten kann. Dazu muss die Dichtung<br />

sehr fest gegen den Kolben und die Kolbenstange gepresst werden, was in einer<br />

relativ großen Reibung resultiert. In Anwendungen, die eine hochdynamische Positionierung<br />

erfordern, werden reibungsoptimierte Zylinder verwendet, welche nur eine sehr<br />

geringe Coulombsche Reibung und Haftreibung sowie eine kleine viskose Reibung aufweisen.<br />

In manchen Fällen werden sogar hydrostatisch bzw. hydrodynamisch gelagerte<br />

Zylinder verwendet, welche keine Haftreibung und eine verschwindend geringe viskose<br />

Reibung aufweisen. Die Nachteile dieser Konstruktion sind jedoch der wesentlich höhere<br />

Fertigungsaufwand und die wesentlich erhöhten Leckagen.<br />

Die Impulserhaltung für den Kolben vervollständigt das mathematische Modell<br />

mp<br />

d<br />

dt sp = wp<br />

(3.28a)<br />

d<br />

dt wp = fp −ff −fl, (3.28b)<br />

wobei mp die Summe der Masse des Kolbens und aller daran befestigter Komponenten<br />

beschreibt und fl eine externe Lastkraft ist.<br />

Die in den beiden Kammern gespeicherte innere Energie E ergibt sich zu E = E1 + E2,<br />

mit<br />

� �<br />

E1 = (V01 +A1sp) β e p � �<br />

1<br />

β −1 −p1<br />

� �<br />

E2 = (V02 −A2sp) β e<br />

(3.29a)<br />

p � �<br />

2<br />

β −1 −p2 . (3.29b)<br />

Des Weiteren ist die kinetische Energie K des Kolbens durch<br />

K = 1<br />

2 mpw 2 p<br />

(3.30)<br />

gegeben. Die Änderung der Gesamtenergie E+K entlang einer Lösungskurve des Systems<br />

errechnet sich damit zu<br />

d<br />

dt (E+K) = −ffwp −flwp +h(p1)(− ˙ml,12 − ˙ml,1 +ρ1q1)+h(p2)( ˙ml,12 − ˙ml,2 +ρ2q2),<br />

Seminar Regelungstechnik (SS 2011) c○Dr.–Ing. Wolfgang Kemmetmüller<br />

Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik, TU Wien<br />

(3.31)


3.3 Hydraulikzylinder Seite 44<br />

wobei h(p1) und h(p2) die spezifischen Enthalpien der Flüssigkeit in den Kammern 1 bzw.<br />

2 beschreiben. Aus (3.31) erkennt man, dass sich die Änderung der Gesamtenergie aus der<br />

zu- bzw. abgeführten mechanischen Leistung und der zu- bzw. abgeführten hydraulischen<br />

Leistung zusammensetzt.<br />

Beispiel 3.3 In diesem Beispiel soll für einen Gleichgangzylinder, d.h. einem Zylinder<br />

mit A1 = A2 = A, näherungsweise die Schwingungsfrequenz sowie die Laststeifigkeit<br />

berechnet werden. Dazu wird die Annahme getroffen, dass der Zylinder keine Leckagen<br />

aufweist und die Volumenströme q1 und q2 verschwinden. Des Weiteren wird die Reibung<br />

im Zylinder vernachlässigt, d.h. ff = 0. Damit ergeben sich die folgenden Gleichungen<br />

des mathematischen Modells:<br />

d<br />

(3.32a)<br />

dt sp = wp<br />

d<br />

dt wp = 1<br />

(Ap1 −Ap2 −fl)<br />

mp<br />

(3.32b)<br />

d<br />

dt p1<br />

β<br />

= (−Awp)<br />

V01 +Asp<br />

(3.32c)<br />

d<br />

dt p2 =<br />

β<br />

(Awp). (3.32d)<br />

V02 −Asp<br />

Für die weitere Analyse erweist es sich als sinnvoll, die folgende (reguläre) Zustandstransformation<br />

[sp,wp,p1,p2] T → [sp,wp,fp,pΣ] T , mit der Druckkraft fp = Ap1−Ap2 und dem<br />

Summendruck pΣ = p1+p2, durchzuführen. Die Gleichungen des transformierten Systems<br />

ergeben sich zu<br />

d<br />

(3.33a)<br />

dt sp = wp<br />

d<br />

dt wp = 1<br />

(fp −fl) (3.33b)<br />

mp<br />

d<br />

dt fp<br />

� 2 βA<br />

= − +<br />

V01 +Asp<br />

βA2<br />

�<br />

wp (3.33c)<br />

V02 −Asp<br />

d<br />

dt pΣ<br />

� �<br />

βA βA<br />

= − − wp. (3.33d)<br />

V01 +Asp V02 −Asp<br />

Man erkennt, dass die ersten drei Gleichungen für die Position sp, die Geschwindigkeit<br />

wp und die Druckkraft fp nicht vom Summendruck pΣ beeinflusst werden. Daher wird<br />

in der weiteren Analyse die Differentialgleichung für den Summendruck pΣ nicht weiter<br />

betrachtet. Unter der Annahme, dass der Zylinder in der Mittelposition steht, d.h. sp = 0,<br />

und dass der Zylinder symmetrisch ist, d.h. V01 = V02 = V0, sowie für fl = 0 errechnet sich<br />

die Ruhelage des Systems (3.33a)-(3.33c) zu sp,0 = 0, wp,0 = 0 und fp,0 = 0. Linearisiert<br />

man das System um diese Ruhelage, so erhält man das linearisierte System in der Form<br />

⎡ ⎤ ⎡<br />

sp 0 1 0<br />

d<br />

⎣wp⎦<br />

⎢ 1<br />

= ⎣0<br />

0 mp<br />

dt<br />

fp 0 − 2βA2<br />

⎤⎡<br />

⎤ ⎡<br />

sp 0<br />

⎥<br />

⎦⎣wp⎦+<br />

⎣−<br />

0 fp<br />

V0<br />

1<br />

⎤<br />

⎦f mp l (3.34a)<br />

0<br />

y = sp. (3.34b)<br />

Seminar Regelungstechnik (SS 2011) c○Dr.–Ing. Wolfgang Kemmetmüller<br />

Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik, TU Wien


3.3 Hydraulikzylinder Seite 45<br />

Nimmt man noch an, dass das Offsetvolumen V0 für sp = 0 durch V0 = AL, mit dem 2<br />

effektiven Hub L des Zylinders, gegeben ist, dann berechnen sich die Eigenwerte der Dynamikmatrix<br />

zu<br />

�<br />

4βA<br />

λ1 = 0, λ2,3 = ±I . (3.35)<br />

Lmp<br />

� �� �<br />

ω0<br />

Die Eigenfrequenz ω0 beschreibt dabei die Schwingungsfrequenz des Hydraulikzylinders und<br />

ist ein Maß für die zur Regelung notwendige Dynamik.<br />

Die zweite interessante Kenngröße eines Hydraulikzylinders ist die Laststeifigkeit, d.h. die<br />

Verschiebung sp des Kolbens bei Anlegen einer Lastkraft fl. Diese kann näherungsweise<br />

aus dem linearisierten Modell über die Beziehung<br />

fp<br />

˙ = ∂fp<br />

∂sp<br />

berechnet werden. Man beachte, dass der Ausdruck ∂fp<br />

∂sp<br />

zweiten Spalte der Dynamikmatrix auftritt und somit zu<br />

berechnet werden kann.<br />

∂sp<br />

∂fp<br />

� �−1 ∂fp<br />

=<br />

∂sp<br />

wp<br />

= − L<br />

4βA<br />

(3.36)<br />

bereits in der dritten Zeile und<br />

(3.37)<br />

Die Eigenfrequenz sowie die Laststeifigkeit soll nun für einen typischen Hydraulikantrieb<br />

bestehend aus einem Hydraulikzylinder mit einem Kolbendurchmesser Dk = 40 mm, einem<br />

Stangendurchmesser Ds = 25 mm, einer Länge L = 200 mm sowie einer Gesamtmasse<br />

mp = 250 kg, berechnet werden. Der Kompressionsmodul des Öls wird mit β = 1.6 · 10 9<br />

Pa angenommen. Aus (3.35) folgt die Eigenfrequenz des Systems zu<br />

und die Laststeifigkeit aus (3.36) ergibt sich zu<br />

ω0 = 2π49.8 rad/s, (3.38)<br />

∂sp<br />

∂fp<br />

= −4.1·10 −8m<br />

. (3.39)<br />

N<br />

In Abbildung 3.8 ist eine Simulation des nichtlinearen Modells (3.33) für einen Lastkraftsprung<br />

von 5 kN dargestellt. Man erkennt, dass die Eigenfrequenz und die Laststeifigkeit<br />

des linearisierten Systems sehr gut mit dem Simulationsergebnis des nichtlinearen Modells<br />

übereinstimmen.<br />

3.3.1 Leckagen<br />

Der typische Strömungspfad von Leckagen ist in Form eines relativ langen und sehr flachen<br />

Spalts gegeben. Um die Größe und den funktionalen Zusammenhang von Leckage-<br />

Volumenströmen bzw. Leckage-Massenströmen abzuschätzen, soll die laminare Strömung<br />

Seminar Regelungstechnik (SS 2011) c○Dr.–Ing. Wolfgang Kemmetmüller<br />

Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik, TU Wien


3.3 Hydraulikzylinder Seite 46<br />

rel. Verschiebung in µm<br />

50<br />

0<br />

−50<br />

−100<br />

−150<br />

175<br />

150<br />

p1<br />

−200<br />

125<br />

−250<br />

−300<br />

100<br />

p2<br />

−350<br />

−400<br />

75<br />

−450<br />

0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200<br />

50<br />

0 20 40 60 80 100 120 140 160 180 200<br />

t in ms t in ms<br />

Druck in bar<br />

Abbildung 3.8: Relative Verschiebung des Kolbens (links) und Kammerdrücke (rechts) für<br />

eine sprungförmige Lastkraft fl = 5 kN.<br />

p0<br />

W<br />

x 3<br />

x 1<br />

x 2<br />

L<br />

200<br />

u1(x 3 )<br />

Abbildung 3.9: Prinzipskizze zur Berechnung der Strömung durch einen Flachspalt.<br />

einer viskosen Flüssigkeit durch einen Flachspalt der Länge L, der Höhe H sowie der<br />

Weite W berechnet werden, siehe Abbildung 3.9.<br />

Der Ausgangspunkt der Betrachtungen ist die differentielle Version der Impulserhaltung<br />

(2.49) mit dem Materialmodell einer viskosen Flüssigkeit (2.87)<br />

ρ d<br />

dt u = ρfb +div(σ) (3.40a)<br />

�<br />

σ = −pδ +2η d− 1<br />

3 div(u)δ<br />

�<br />

. (3.40b)<br />

Die allgemeine Darstellung des Geschwindigkeitsvektors u in kartesischen Koordinatenist<br />

dabei durch<br />

⎡ ⎤<br />

u = ⎣<br />

u1 (x1 ,x2 ,x3 ,t)<br />

u2 (x1 ,x2 ,x3 ,t)<br />

u3 (x1 ,x2 ,x3 ,t)<br />

pL<br />

H<br />

⎦ (3.41)<br />

mit den Koordinaten x 1 , x 2 und x 3 sowie der Zeit t, gegeben. Der zugehörige räumliche<br />

Seminar Regelungstechnik (SS 2011) c○Dr.–Ing. Wolfgang Kemmetmüller<br />

Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik, TU Wien


3.3 Hydraulikzylinder Seite 47<br />

Verzerrungstensor d ergibt sich zu<br />

⎡<br />

⎢<br />

d = ⎢<br />

⎣<br />

1<br />

2<br />

1<br />

2<br />

∂u1 ∂x1 �<br />

∂u1 ∂x2 + ∂u2<br />

∂x1 �<br />

�<br />

∂u1 ∂x3 + ∂u3<br />

∂x1 �<br />

1<br />

2<br />

�<br />

1 ∂u1 2 ∂x2 + ∂u2<br />

∂x1 � �<br />

1 ∂u1 2<br />

� ∂u 2<br />

∂u2 ∂x2 ∂x 3 + ∂u3<br />

∂x 2<br />

Die Divergenz div(u) ist in kartesischen Koordinaten durch<br />

div(u) = ∂ua ∂u1 ∂u2 ∂u3<br />

= + +<br />

∂xa ∂x1 ∂x2 ∂x3 �<br />

1<br />

2<br />

∂x3 + ∂u3<br />

∂x1 �<br />

�<br />

∂u2 ∂x3 + ∂u3<br />

∂x2 ⎤<br />

� ⎥<br />

⎥.<br />

(3.42)<br />

⎦<br />

∂u 3<br />

∂x 3<br />

(3.43)<br />

gegeben, vgl. (2.35). Damit folgen die Komponenten des Cauchy-Spannungstensors σ für<br />

eine viskose Flüssigkeit in kartesischen Koordinaten zu<br />

σ 11 �<br />

2∂u<br />

= −p+2η<br />

3<br />

1 1∂u<br />

−<br />

∂x1 3<br />

2 1∂u<br />

−<br />

∂x2 3<br />

3<br />

∂x3 �<br />

(3.44a)<br />

σ 22 �<br />

2∂u<br />

= −p+2η<br />

3<br />

2 1∂u<br />

−<br />

∂x2 3<br />

1 1∂u<br />

−<br />

∂x1 3<br />

3<br />

∂x3 �<br />

(3.44b)<br />

σ 33 �<br />

2∂u<br />

= −p+2η<br />

3<br />

3 1∂u<br />

−<br />

∂x3 3<br />

1 1∂u<br />

−<br />

∂x1 3<br />

2<br />

∂x2 �<br />

(3.44c)<br />

σ 12 = σ 21 �<br />

1∂u<br />

= 2η<br />

2<br />

2 1∂u<br />

+<br />

∂x1 2<br />

1<br />

∂x2 �<br />

(3.44d)<br />

σ 13 = σ 31 �<br />

1∂u<br />

= 2η<br />

2<br />

3 1∂u<br />

+<br />

∂x1 2<br />

1<br />

∂x3 �<br />

(3.44e)<br />

σ 23 = σ 32 �<br />

1∂u<br />

= 2η<br />

2<br />

3 1∂u<br />

+<br />

∂x2 2<br />

2<br />

∂x3 �<br />

. (3.44f)<br />

Zur Formulierung der Impulserhaltung ist die Berechnung der Divergenz des Spannungstensors<br />

σ notwendig. Diese berechnet sich (wiederum in kartesischen Koordinaten) zu<br />

div(σ) 1 = − ∂p 4<br />

+<br />

∂x1 3 η ∂2u1 ∂(x1 ) 2 +η ∂2u1 ∂(x2 ) 2 +η ∂2u1 ∂(x3 )<br />

div(σ) 2 = − ∂p 4<br />

+<br />

∂x2 3 η ∂2u2 ∂(x2 ) 2 +η ∂2u2 ∂(x1 ) 2 +η ∂2u2 ∂(x3 )<br />

div(σ) 3 = − ∂p 4<br />

+<br />

∂x3 3 η ∂2u3 ∂(x3 ) 2 +η ∂2u3 ∂(x1 ) 2 +η ∂2u3 ∂(x2 )<br />

1<br />

+ 2 3 η ∂2u2 ∂x1 1<br />

+<br />

∂x2 3 η ∂2u3 ∂x1∂x3 (3.45a)<br />

1<br />

+ 2 3 η ∂2u1 ∂x1 1<br />

+<br />

∂x2 3 η ∂2u3 ∂x2∂x3 (3.45b)<br />

1<br />

+<br />

2 3 η ∂2u1 ∂x1 1<br />

+<br />

∂x3 3 η ∂2u2 ∂x2∂x3. (3.45c)<br />

Schließlich ist die absolute zeitliche Ableitung der Geschwindigkeit du<br />

durch dt<br />

d<br />

dt u1 = ∂u1<br />

∂t<br />

d<br />

dt u2 = ∂u2<br />

∂t<br />

+ ∂u1<br />

∂x 1u1 + ∂u1<br />

∂x 2u2 + ∂u1<br />

∂x 3u3<br />

∂u2<br />

+<br />

∂x1u1 + ∂u2<br />

∂x2u2 + ∂u2<br />

∂x3u3 d<br />

dt u3 = ∂u3 ∂u3<br />

+<br />

∂t ∂x1u1 + ∂u3<br />

∂x2u2 + ∂u3<br />

∂x3u3 Seminar Regelungstechnik (SS 2011) c○Dr.–Ing. Wolfgang Kemmetmüller<br />

Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik, TU Wien<br />

(3.46a)<br />

(3.46b)<br />

(3.46c)


3.3 Hydraulikzylinder Seite 48<br />

gegeben. Das aus der Impulserhaltung mit dem Materialgesetz nach (3.40) resultierende<br />

System von nichtlinearen partiellen Differenzialgleichungen wird in der Literatur als<br />

Navier-Stokes Gleichungen bezeichnet. Es ist aus der Literatur bekannt, dass eine Lösung<br />

dieser partiellen Differentialgleichungen in ihrer allgemeinen Form äußerst schwierig<br />

ist. Daher soll vorerst nur eine stationäre Lösung der Gleichungen gesucht werden. Des<br />

Weiteren wird angenommen, dass die Flüssigkeit inkompressibel ist. Damit können keine<br />

Geschwindigkeitskomponenten in x 2 - und x 3 -Richtung auftreten, d.h.<br />

u 2 = 0, u 3 = 0. (3.47)<br />

Nimmt man außerdem an, dass der Spalt in Querrichtung unendlich ausgedehnt ist, so<br />

muss die Geschwindigkeit u1 unabhängig von x2 sein. Schreibt man schließlich noch die<br />

Massenerhaltung für inkompressible Flüssigkeiten an<br />

so erhält man<br />

ρdiv(u) = ρ ∂u1<br />

= 0, (3.48)<br />

∂x1 u 1 = u 1 (x 3 ). (3.49)<br />

Die Impulserhaltung in x 2 - und x 3 -Richtung ergibt sich unter diesen Annahmen zu<br />

0 = − ∂p<br />

∂x2 0 = − ∂p<br />

∂x3, (3.50a)<br />

(3.50b)<br />

womit der Druck p nur eine Funktion der x 1 -Koordinate sein kann, p = p(x 1 ). Damit<br />

verbleibt die Impulserhaltung in x 1 -Richtung<br />

0 = − ∂p(x1 )<br />

∂x1 +η∂2 u1 (x3 )<br />

∂(x3 )<br />

welche nur gelten kann, wenn der Druck p(x 1 ) die Gleichung<br />

und die Geschwindigkeit u 1 (x 3 ) die Gleichung<br />

2 , (3.51)<br />

∂p(x1 )<br />

= C (3.52)<br />

∂x1 η ∂2u1 (x3 )<br />

∂(x3 = C (3.53)<br />

) 2<br />

mit einer Konstanten C erfüllen. Löst man die Differentialgleichung (3.52) für den Druck,<br />

so erhält man mit den Randbedinungen p(0) = p0 und p(L) = pL die Gleichung<br />

p(x 1 ) = p0 +x 1 P, (3.54)<br />

mit P = (pL−p0)/L, sowie die Gleichung C = P. Damit kanndie Differentialgleichung für<br />

die Geschwindigkeit u 1 (x 3 ) mit den beiden Randbedingungen u 1 (0) = 0 und u 1 (H) = 0<br />

gelöst werden und man erhält den Geschwindigkeitsverlauf<br />

u 1 (x 3 ) = 1P<br />

2 η<br />

� x 3 � x 3 −H �� . (3.55)<br />

Seminar Regelungstechnik (SS 2011) c○Dr.–Ing. Wolfgang Kemmetmüller<br />

Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik, TU Wien


3.3 Hydraulikzylinder Seite 49<br />

In Abbildung 3.10 ist der Geschwindigkeitsverlauf im Flachspalt für p0 = 100 bar, pL = 0,<br />

L = 100 mm, H = 0.1 mm sowie η = 35·10 −3 Pas dargestellt. Wie erwartet, ergibt sich<br />

der für laminare Strömungen charakteristische parabolische Geschwindigkeitsverlauf.<br />

Geschwindigkeit u1 in m/s<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

0 20 40 60 80 100<br />

Höhe x3 in µm<br />

Abbildung 3.10: Geschwindigkeitsverlauf u1(x 3 ) in einem Flachspalt.<br />

ImletztenSchrittmussausderGeschwindigkeit u 1 derVolumen-bzw. Massenstromdurch<br />

den Flachspalt berechnet werden. Dazu integriert man den Geschwindigkeitsverlauf über<br />

die Querschnittsfläche Aq des Spaltes<br />

und erhält<br />

�<br />

q =<br />

Aq<br />

u 1 (x 3 )da = W<br />

� H<br />

x3 u<br />

=0<br />

1 (x 3 )dx 3<br />

(3.56)<br />

q = 1 H<br />

12<br />

3W Lη (p0 −pL). (3.57)<br />

Der Volumenstrom q einer laminaren Strömung durch einen Flachspalt ist also proportional<br />

zur Druckdifferenz p0 −pL entlang des Flachspalts.<br />

Die bisherigen Berechnungen beruhen auf der Annahme einer laminaren Strömung der<br />

Flüssigkeit durch den Flachspalt. Eine laminare Strömung in einem Flachspalt ist im<br />

Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass ein materieller Punkt der Flüssigkeit einer<br />

gleichmäßigen Bahn, der sogenannten Strömungslinie, folgt, siehe [10]. In diesem Fall<br />

dominiereninderStrömungdieviskosenKräfte(Zähigkeitskräfte).DieviskoseKraftdichte<br />

(Kraft pro Fläche) errechnet sich dabei im betrachteten Flachspalt zu<br />

τv = η ∂u1<br />

∂x 3.<br />

(3.58)<br />

Der laminare Strömungszustand ist jedoch nur bis zu gewissen Strömungsgeschwindigkeiten<br />

möglich. Bei höheren Strömungsgeschwindigkeiten gewinnt die Trägheitskraftdichte<br />

τt = ρ(u 1 ) 2<br />

Seminar Regelungstechnik (SS 2011) c○Dr.–Ing. Wolfgang Kemmetmüller<br />

Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik, TU Wien<br />

(3.59)


3.3 Hydraulikzylinder Seite 50<br />

an Bedeutung und es entstehen Wirbel und Querbewegungen. Durch diese Störbewegung<br />

wird der Hauptbewegung der Strömung Energie entzogen und es tritt eine sogenannte<br />

turbulente Strömung auf, vgl. [10]. Als kennzeichnende Größe für den aktuellen Strömungszustand<br />

(laminar oder turbulent) dient die Reynoldszahl Re, welche sich aus dem<br />

Verhältnis der Trägheitskraftdichte τt und der viskosen Kraftdichte τv in der Form<br />

berechnet. Verwendet man die Näherung<br />

so erhält man<br />

Re = ρ(u1 ) 2<br />

η ∂u1<br />

∂x 3<br />

∂u 1<br />

∂x<br />

3 ≈ u1<br />

(3.60)<br />

, (3.61)<br />

H<br />

Re ≈ ρu1H . (3.62)<br />

η<br />

Für allgemeine Strömungsquerschnitte mit einer charakteristischen Geschwindigkeit u ist<br />

die Reynoldszahl durch<br />

Re = ρuDh<br />

(3.63)<br />

η<br />

definiert, wobei Dh den hydraulischen Durchmesser bezeichnet. Er beschreibt das Verhältnis<br />

der Querschnittsfläche A zum Umfang U eines Strömungsquerschnitts, d.h.<br />

Dh = 4A<br />

. (3.64)<br />

U<br />

Offensichtlich entspricht der hydraulische Durchmesser Dh für kreisförmige Querschnitte<br />

demphysikalischenDurchmesserD,währenderfüreinenFlachspaltnäherungsweisedurch<br />

Dh = 2H, mit der Höhe des Flachspalts H, gegeben ist. Die somit definierte Reynoldszahl<br />

dient zur quantitativen Abschätzung, ob eine Strömung laminar oder turbulent verläuft.<br />

Ein typischer Grenzwert für den Übergang von laminarer in turbulente Strömung ist mit<br />

Re = 2300 für glattwandige, zylindrische Rohre gegeben. Für andere Geometrien der<br />

Strömungspfade kann dieser Wert wesentlich niedriger sein.<br />

ImletztenSchritt sollfürdenbetrachtetenFlachspaltuntersucht werden, obdieAnnahme<br />

einer laminaren Strömung gerechtfertigt war. Für den betrachteten Fall errechnet sich die<br />

Reynoldszahl mit u = 3.57 m/s zu<br />

Re = 18.4, (3.65)<br />

womit die Annahme einer laminaren Strömung mit Sicherheit gerechtfertigt ist.<br />

Mit den obigen Überlegungen können die Leckage-Massenströme durch<br />

˙ml,1 = kl,1p1ρ1<br />

˙ml,2 = kl,2p2ρ2<br />

(3.66a)<br />

(3.66b)<br />

˙ml,12 = kl,12(p1 −p2) ¯ρ12, (3.66c)<br />

mit den laminaren Leckagekoeffizienten kl,1, kl,2 und kl,12, beschrieben werden. Dabei<br />

wurde die mittlere Dichte ¯ρ12 = (ρ1 + ρ2)/2 eingeführt, um die Massenerhaltung im<br />

System zu gewährleisten.<br />

Seminar Regelungstechnik (SS 2011) c○Dr.–Ing. Wolfgang Kemmetmüller<br />

Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik, TU Wien

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!